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2/2015 ISSN 1433-5255 / Dezember 2015 Organ der Deutschen Gesellschaft für Lymphologie (DGL), der Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen e. V. (GDL), der Gesellschaft für manuelle Lymphdrainage nach Dr. Vodder und sonstige lymphologische Therapien e. V. (Österreich) (GfMLV), des Berufsverbandes der Lymphologen (BVL) und des Schweizerischen Fachverbandes für Manuelle Lymphdrainage (SFML) Die Zeitschrift Lymphologie in Forschung und Praxis ist in Embase/Excerpta Medica und Scopus gelistet. ORIGINALARBEITEN I. Martinez-Corral, M. Frye, T. Mäkinen Venöser und nicht-venöser Ursprung des Lymphgefäßsystems in verschiedenen Organen der Maus J. Liebl Cyclinabhängige Kinase 5 – ein neues Target im Lymphgefäßsystem ÜBERSICHTSARBEITEN K. Mattonet, M. Jeltsch Über die heterogene Herkunft des Lymphgefäßsystems C. Knappmann Die operative Behandlung des massiven Übergewichtes und seiner Begleiterkrankungen S. Pauli, B. Zoll, M. Zenker Das Noonan-Syndrom KASUISTIK U. Wollina, B. Heinig Umschriebener Schmerz am Amputationsstumpf – Acroangiodermatitis Mali W. J. Brauer Außergewöhnliche Ursache einer ballonierten Bisgaardschen Kulisse beim Lymphödem: Eine Fallstudie W. Schmeller, A. Baumgartner, Y. Frambach Sekundäres Lymphödem unter dem Bild einer einseitigen Lipohypertrophie (non-pitting lymphedema): Eine Kasuistik LYMPHOLOGIE-KONGRESS 2015 Abstracts der Refresher-Kurse, Workshops und Vorträge

originalarbeiten übersichtsarbeiten kasuistik lymphologie-kongress

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2/2015 ISSN 1433-5255 / Dezember 2015

Organ der Deutschen Gesellschaft für Lymphologie (DGL), der Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen e. V. (GDL),

der Gesellschaft für manuelle Lymphdrainage nach Dr. Vodder und sonstige lymphologische Therapien e. V. (Österreich) (GfMLV), des Berufsverbandes der Lymphologen (BVL)

und des Schweizerischen Fachverbandes für Manuelle Lymphdrainage (SFML)

Die Zeitschrift Lymphologie in Forschung und Praxis ist in Embase/Excerpta Medica und Scopus gelistet.

ORIGINALARBEITEN

I. Martinez-Corral, M. Frye, T. MäkinenVenöser und nicht-venöser Ursprung des Lymphgefäßsystems in verschiedenen Organen der Maus

J. LieblCyclinabhängige Kinase 5 – ein neues Target im Lymphgefäßsystem

ÜBERSICHTSARBEITEN

K. Mattonet, M. JeltschÜber die heterogene Herkunft des Lymphgefäßsystems

C. KnappmannDie operative Behandlung des massiven Übergewichtes und seiner Begleiterkrankungen

S. Pauli, B. Zoll, M. ZenkerDas Noonan-Syndrom

KASUISTIK

U. Wollina, B. HeinigUmschriebener Schmerz am Amputationsstumpf – Acroangiodermatitis Mali

W. J. BrauerAußergewöhnliche Ursache einer ballonierten Bisgaardschen Kulisse beim Lymphödem: Eine Fallstudie

W. Schmeller, A. Baumgartner, Y. FrambachSekundäres Lymphödem unter dem Bild einer einseitigen Lipohypertrophie (non-pitting lymphedema): Eine Kasuistik

LYMPHOLOGIE-KONGRESS 2015

Abstracts der Refresher-Kurse, Workshops und Vorträge

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H. Weissleder und C. Schuchhardt (Hrsg.)Erkrankungen des Lymphgefäßsystems6. erweiterte und vollständig überarbeitete Aufl agemit 322 Abbildungen und 94 Tabellen719 Seiten, Format: 12,5 x 19 cmISBN: 978-3-934371-53-8

Best.-Nr. 6830053Viavital Verlag GmbH, Köln 2015Preis: 46,– Euro

Bestellungen über

Tel. 0221/988301-00

Fax 0221/988301-05

E-Mail: [email protected]

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(Bei Bestellungen berechnen wir die Versandkosten.)

Schon seit vielen Jahren gilt dieses Buch bei Ärzten und Lymphdrainagetherapeuten als ein wichtiges und hilfreiches Standard-werk.

In den letzten Jahren haben sich die Erkenntnisse über das Lymphgefäßsystem und andere Ödemerkrankungen, zum Beispiel die chronische venöse Insuffizienz und das Lipödem, außergewöhnlich weiter-entwickelt. Als Konsequenz daraus wurden in der 6. Auflage alle Kapitel aktualisiert und an den heutigen Wissensstand ange-passt. Dies führte zu einer vollständigen Überarbeitung des gesamten Buches mit umfangreichen Erweiterungen im Text-, Bild- und Literaturteil. Darüber hinaus ent-hält das Buch ein neues Kapitel über die genetischen Ursachen des primären Lymphödems.

Neue Erkenntnisse über den mikrovasku-lären Flüssigkeitsaustausch fließen dabei ebenso mit ein wie aktuelle klinische Ergebnisse. Ebenfalls berücksichtigt wird der aktuelle Wissensstand sowohl bei den bildgebenden diagnostischen Verfahren als auch den konservativen und operativen therapeutischen Möglichkeiten.

NEUERSCHEINUNG6. AUFLAGE

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LymphForsch 19 (2) 2015 73

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EDITORIALLiebe Leserinnen und Leser der LymphForsch,

die Redaktion der LymphForsch freut sich, Ihnen ein sehr breites Spektrum lymphologischer Originalarbeiten und Übersichtsrefe-rate präsentieren zu können.

Hochinteressant und spannend sind die jüngsten Befunde zur Embryonalentwicklung des Lymphgefäßsystems. Hier zeigt die Arbeitsgruppe um Taija Mäkinen, dass es, entgegen langjähriger Überzeugung, auch bei Mäusen Lymphangioblasten gibt, die nicht dem Venensystem entstammen, sondern heterogener mesenchy-maler Herkunft sind. Dies lässt die Möglichkeiten der regenerativen Medizin des Lymphgefäßsystems in einem neuen Licht erschei-nen. Ein Original- und ein Übersichtsartikel sind diesem Thema gewidmet.

Breiten Raum nimmt eine besondere Form des primären Lymph-ödems ein: das Noonan-Syndrom. Trotz seiner Häufigkeit ist es bislang recht wenig beachtet worden. Die Genetik dieses Syn-droms wird in sehr kompetenter Form von der Arbeitsgruppe um Silke Pauli referiert.

Die Kongresspräsidenten Martha Földi und Christian Schuchhardt haben bei der Lymphologie 2015 in Titisee-Neustadt ein hochin-teressantes, interdisziplinäres Programm zusammengestellt. Auch an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön! Die Abstracts der Kongressbeiträge sind in diesem Band noch einmal zusammen-gefasst.

Auch die Kollegen aus der Klinik berichten wieder über interes-sante Fallbeispiele und Operationstechniken, wie die operative Behandlung des massiven Übergewichts. In verschieden Fall-beispielen berichten die Arbeitsgruppen um die Kollegen Schmeller und Brauer über den Zusammenhang zwischen Lymph-ödem und der Entwicklung von Fettgewebe, eine Interaktion, die wir gerne eines Tages auch auf molekularer Ebene einmal verste-hen möchten. Weitere chirurgische und molekularbiologische Beiträge sowie die aktuellen Berichte über die Tätigkeiten unserer Gesellschaften runden das Bild der vorliegenden LymphForsch ab. Beachten Sie auch die neue Homepage der GDL unter: www.gdlymph.eu

Viel Freude beim Lesen des vorliegenden Bandes, eine besinnliche Weihnachtszeit und ein friedvolles und erfolgreiches Jahr 2016

wünscht Ihnen

Ihr

Jörg Wilting

[email protected]

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L Y M P H O L O G I Ei n F o r s c h u n g u n d P r a x i s

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Hinweise für Autoren der Zeitschrift Lymphologie in Forschung und Praxis

Lymphologie in Forschung und Praxis veröffentlicht Originalarbeiten, Übersichtsarbeiten und Kasuistiken aus dem Gebiet der Lymphologie. Zur Veröffentlichung werden nur Beiträge un-ter der ausdrücklichen Bedingung angenommen, dass sie keiner anderen Zeitschrift angebo-ten werden. Der Autor erklärt, dass der Text nicht in die Rechte Dritter eingreift. Die Beiträge müssen druckreif sein, ihre Länge sollte 25.000 Zeichen inkl. Leerzeichen nicht überschreiten. Mehr als 30 Literaturangaben sollten möglichst nicht gebracht werden. Das Manuskript soll zusätzlich zu einem Ausdruck auch auf CD oder per E-Mail eingereicht werden. Nach Veröf-fentlichung erhält der Autor zwei Belegexemplare.Die Beiträge erscheinen in der Zeitschrift Lymphologie in Forschung und Praxis und auf den Homepages der Deutschen Gesellschaft für Lymphologie e.V. und der Gesellschaft Deutsch-sprachiger Lymphologen e.V.

Gliederung der BeiträgeDie Beiträge sollten wie folgt gegliedert sein: 1. Titel (kurz, evtl. mit Untertitel), Autorennamen und Institution (Klinik, Abteilung), 2. Zusammenfassung und drei bis vier Schlüsselwörter in deutscher Sprache, 4. Titel, Zusammenfassung und Schlüsselwörter in englischer Sprache, 3. Einleitung, 4. Material und Methoden, 5. Ergebnisse, 6. Diskussion, 7. Literaturverzeichnis, 8. Bildunterschriften, 9. Tabellen.

Speicherung Der Text sollte in einem der folgenden Formate abgespeichert werden: Rich Text (*.rtf ) oder Word (*.docx). Der Text sollte endlos geschrieben sein, d. h. harte Zeilenumbrüche nur am Ende eines Absatzes. Bei Texteinzügen bitte Einzugsbefehle oder Tabulatoren benutzen, kei-ne Leerzeichen. Bei Hervorhebungen im Text sollte eine durchgängige Form (kursiv oder fett [keine Großbuchstaben]) gewählt werden.

ZusammenfassungSie sollte kurz und prägnant sein, nicht mehr als 6–8 Zeilen umfassen und zusammen mit 3–4 Schlüsselwörtern in deutscher und englischer Sprache eingereicht werden.

Abbildungen und TabellenAbbildungen und Tabellen sind als reproreife Originalvorlagen einzureichen. Abbildungen sollten in den Formaten .eps, .tif oder .jpg gespeichert werden (Auflösung 360 dpi bei Aus-gabegröße 12 cm). Abbildungen, Tabellen und Diagramme sollten nicht im Text, sondern nummeriert auf gesonderten Blättern platziert werden. Abbildungen bitte nicht in andere Anwendungen (Word, Power-Point) einbetten! Tabellen und Diagramme sollten in einer Form eingereicht werden, die noch bearbeitet werden kann (.xls, .ppt). Die Anzahl der Abbildungen ist auf sechs pro Beitrag beschränkt. Die Nummer der Abbildung oder Tabelle muss vermerkt sein. Ob Abbildungen farbig veröffentlicht werden können, liegt im Ermessen der Schriftlei-tung.

BildunterschriftenDie durchnummerierten Bildunterschriften sind auf einem gesonderten Blatt beizufügen.

LiteraturangabenDas Literaturverzeichnis ist durchzunummerieren und chronologisch nach Vorkommen im Text geordnet abzugeben. Nach dem sechsten Autor bitte et al. setzen. Bezug im Text mit Ziffer in eckigen Klammern. Beispiele: Zeitschriftenzitat: Straub H: Letale Komplikation der Fibrinolyse. Mü med Wschr 1982;124:17-19.Buchzitat: Pillsbury DM: In: Muller H (ed). A manual of dermatology. WB Saunders and Com-pany, Philadelphia 1971;173-175.

SchreibweiseMedizinische Fachbegriffe werden in der eindeutschenden Fassung verwendet (z. B. Ulkus, Varikose), sofern nicht die lateinische Fügungen (z. B. Ulcus cruris) Anwendung finden.

KorrekturfahneDie Autoren erhalten Korrekturabzüge. Es können nur Korrekturen berücksichtigt werden, die innerhalb der erbetenen Frist eingehen.

DatenschutzDer Autor trägt die Verantwortung für die Anonymisierung aller patientenbezogenen Daten. Bei Abbildungen von Patienten ist deren Einverständniserklärung vorzuhalten.

Bildrechte Soweit der Autor über die Rechte an den Abbildungen nicht selbst verfügt, ist er verpflichtet, die Nutzungsrechte von den Urheberberechtigten zu beschaffen.

ManuskriptannahmeEs werden nur Manuskripte angenommen, die bisher unveröffentlicht sind. Die Entschei-dung über die Annahme fällt das Gremium der Schriftleitung. Es wird vorausgesetzt, dass die Genehmigung zur Veröffentlichung von allen beteiligten Autoren und bei Weisungs-gebundenheit auch vom Institutsvorstand vorliegt. Die Manuskripte richten Sie bitte an: Prof. Dr. Jörg Wilting, Abt. Anatomie und Zellbiologie, Zentrum Anatomie, Universität Göttin-gen, Kreuzberg ring 36, 37075 Göttingen, E-Mail: [email protected]

BegutachtungDer federführende Autor erhält von der Schriftleitung die Eingangsbestätigung des Bei-trages, ggf. Korrekturvorschläge der anonymen Gutachter und schließlich die Bestätigung der Annahme zum Druck. Sofern erforderlich, wird die Schriftleitung redaktionelle Ände-rungen vornehmen.

IMPRESSUMHauptschriftleitung

Prof. Dr. Jörg Wilting, Göttingen (verantw.)

SchriftleitungProf. Dr. med. H. Weissleder, Freiburg;

Dr. med. A. Miller, Berlin; Dr. med. C. Schuchhardt, Freiburg; Prof. Dr. rer. nat. H. Zöltzer, Kassel

Wissenschaftlicher BeiratD. Berens von Rautenfeld, Hannover; R.G.H. Baumeister, München; G. Felmerer, Göttingen; M. Jeltsch, Helsinki/

Finnland; E. Kaiserling, Tübingen; W. C. Marsch, Halle/S; M. Marshall, Tegernsee; V. Schacht, Hannover; H. Schad,

München; W. Schmeller, Lübeck

VerlagViavital Verlag GmbH

Geschäftsführerin: Beate Stadge-Bourguignon Verlagsredaktion:

Katrin Breitenborn, Dipl.-Biol. Belfortstraße 9, 50669 Köln

Tel.: 0221-988301-12, Fax: 0221-988301-05 E-Mail: [email protected]

AnzeigenBettina Thiemeyer

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 19 vom 1. 1. 2015

DruckD+L Printpartner GmbH,

Schlavenhorst 10, 46395 Bocholt

Satz & LayoutRainer Ebertz

Erscheinungsweise2x jährlich

BezugspreiseDeutschland € 64,–, inkl. MwSt. u. Versandkosten

Studenten € 32,50 Im Ausland zzgl. Versandkosten und ggfs.

Luftpostzuschlag. Einzelheft € 32,50

Bestellung Nur über den Verlag. Das Abonnement kann nur

6 Wochen vor Jahresende gekündigt werden.

© 2015 Viavital Verlag GmbH, Köln

Zur Veröffentlichung in der Zeitschrift werden nur Beiträge unter der ausdrücklichen Bedingung angenommen, dass sie keiner anderen Zeitschrift angeboten werden.Mit der Annahme zur Veröffentlichung erwirbt der Verlag vom Verfasser die Rechte, insbesondere auch das Recht der weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen Zwecken im Wege eines fotomechanischen oder anderen Verfah-rens sowie die Befugnis zur Einspeicherung in eine Daten-bank und ins Internet.Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Ver-wertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Be-arbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag, Funk- und Fernsehsendungen, im Magnettonverfahren oder ähnlichem Wege bleiben vorbehalten.Die Nennung von Warenzeichen, Handelsnamen usw. be-rechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass im Sinne der Warenzeichen- und Mar-kengesetzgebung solche Namen als frei betrachtet und deshalb von jedermann benutzt werden dürfen.

Die Zeitschrift Lymphologie in Forschung und Praxis ist in EMBASE/Excerpta Medica und Scopus gelistet.

Internet: www.der-niedergelassene-arzt.de

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Editorial

Impressum und Hinweise für die Autoren

Originalarbeiten

I. Martinez-Corral, M. Frye, T. Mäkinen

76 Venöser und nicht-venöser Ursprung des Lymph-gefäßsystems in verschiedenen Organen der Maus

Venous and non-venous origin of the lymphatic system in various murine organs

J. Liebl

82 Cyclinabhängige Kinase 5 – ein neues Target im Lymphgefäßsystem

Cyclin-dependent kinase 5 – a new target in the lymphatic system

Übersichtsarbeiten

K. Mattonet, M. Jeltsch

84 Über die heterogene Herkunft des Lymphgefäß-systems

Heterogeneity of the origin of the lymphatic system

C. Knappmann

89 Die operative Behandlung des massiven Übergewich-tes und seiner Begleiterkrankungen

Surgical treatment of morbid obesity and its sequelae

S. Pauli, B. Zoll, M. Zenker

92 Das Noonan-Syndrom

Noonan syndrome

Kasuistik

U. Wollina, B. Heinig

99 Umschriebener Schmerz am Amputationsstumpf – Acroangiodermatitis Mali

Circumscribed pain on the amputation stump – Acroangiodermatitis of Mali

INHALT CONTENTS 2/2015

W. J. Brauer

102 Außergewöhnliche Ursache einer ballonierten Bis-gaardschen Kulisse beim Lymphödem: Eine Fallstudie

Unusual cause of a thickened perimalleolar region in a patient with lymphedema: A case report

W. Schmeller, A. Baumgartner, Y. Frambach

104 Sekundäres Lymphödem unter dem Bild einer einseiti-gen Lipohypertrophie (non-pitting lymphedema): Eine Kasuistik

Secondary lymphedema presenting as unilateral lipo-hypertrophy (non-pitting lymphedema): A case report

Lymphologie-Kongress 2015

109 Abstracts der Refresher-Kurse, Workshops und Vorträge

126 Buchrezensionen

127 Mitteilungen der Gesellschaften

134 Termine

135 Ankündigung

Die Vorstände der

Gesellschaften und des

Berufsverbandes sowie die

Schriftleitung der LymphForsch

wünschen allen Mitgliedern und

Lesern ein gesundes und

erfolgreiches Jahr 2016.

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ORIGINALARBEITEN

76 LymphForsch 19 (2) 2015

Venöser und nicht-venöser Ursprung des Lymphgefäßsystems in verschiedenen Organen der MausI. Martinez-Corral, M. Frye, T. MäkinenDepartment of Immunology, Genetics and Pathology, Uppsala University, Uppsala, Schweden

ZusammenfassungBlutgefäße entstehen embryonal durch mindestens zwei Prozesse: de novo aus endotheli-alen Vorläuferzellen (Vaskulogenese) und durch Aussprossung aus bereits bestehenden Blutgefäßen (Angiogenese). Lange Zeit galt es als Konsens, dass die Lymphgefäße aus-schließlich durch Aussprossung von Zellen venösen Ursprungs entstehen (Lymphangioge-nese). Jedoch wurden im Huhn und in der Xenopus-Larve nicht-venöse Vorläuferzellen von Lymphendothelzellen (LEZ) beschrieben. Unklar ist jedoch, ob diese auch in Säugetieren existieren. Mit dem Ziel, den Ursprung des Lymphgefäßsystems bei Säugetieren zu erfor-schen, haben wir genetische Zelllinien-Markierungs-Experimente (lineage tracing) durch-geführt. Der Transkriptionsfaktor Prox1 ist ein essenzieller Regulator der Identität von LEZ, während der Rezeptor Tie2 ein Marker des Blutgefäßendothels ist. Wir haben Mausmutan-ten produziert und analysiert, mit der Frage, ob alle Prox1-positiven LEZ auch den venösen Marker Tie2 exprimieren. Wir können zeigen, dass sich im Gegensatz zum aktuellen Dogma ein signifikanter Anteil des Lymphgefäßsystems in der Haut unabhängig vom Venensystem entwickelt.

Während die dermalen Lymphgefäße im Zervikal- und Thorakalbereich vornehmlich durch Aussprossung aus primären Lymphsäcken mit venösem Ursprung entstehen, entwickeln sie sich im Lenden- und Rückenbereich aus Zellaggregaten nicht-venösen Ursprungs. Die-sen zweiten, neuartigen Mechanismus der Lymphgefäßentwicklung definieren wir als „Lymphvaskulogenese“. Auch bei der Entwicklung mesenterialer Lymphgefäße ist der Mechanismus der Lymphvaskulogenese zu beobachten. Allerdings ist die nicht-venöse Quelle der LEZ im mesenterialen Gewebe das Tie2-positive, hämogene Endothel, das auch in der Lage ist, Blutzellen zu produzieren. Unsere Ergebnisse demonstrieren die Existenz unterschiedlicher nicht-venöser Vorläuferpopulationen von LEZ und tragen zum Verständ-nis dafür bei, dass Dysplasien von Lymphgefäßen oft nur in bestimmten Organen oder Lokalisationen auftreten. Die Existenz von Vorläufern der LEZ, bislang unbekannten Ursprungs, könnte auch zu neuen Strategien bei der regenerativen Medizin des Lymphge-fäßsystems führen.

Schlüsselwörter: Mausembryo, Lymphangiogenese, Lymphvaskulogenese, Mesenchym, hämogenes Endothel

Venous and non-venous origin of the lymphatic system in various murine organsSummaryBlood vessels form by means of two different processes, de novo formation of vessels from endothelial progenitors (vasculogenesis) and sprouting of vessels from pre-existing ones (angiogenesis). For a long time, it has been commonly thought that all lymphatic vessels are formed exclusively from veins through a sprouting process (lymphangiogenesis). Alter-native non-venous progenitors of lymphatic endothelial cells (LECs) have been suggested in chicken and Xenopus tadpoles, but it is unclear whether they exist in mammals. With the aim of investigating the origin of the mammalian lymphatic vasculature, we performed genetic lineage tracing experiments and analyzed mutants lacking the Prox1 transcription factor, a master regulator of LEC identity, in Tie2 lineage venous-derived LECs. We show that, contrary to the current dogma, a significant part of dermal lymphatics forms indepen-dently of sprouting from veins. While lymphatic vessels of the cervical and thoracic skin develop via sprouting from venous-derived lymph sacs, vessels of lumbar and dorsal mid-

Einleitung

Traditionell betrachtet ist das Lymphge-fäßsystem ein passives Drainagesystem für das Abtransportieren von Flüssigkeiten, Molekülen und Zellen aus dem Gewebe. Mehr und mehr gibt es aber Hinweise für eine aktive Rolle der Lymphgefäße bei Entzündungsprozessen, der Immunab-wehr, dem Lipidstoffwechsel und der Metastasenbildung. Hieraus resultiert, dass die Lymphgefäße bei weit verbreite-ten Krankheiten wie Autoimmunerkran-kungen, Arteriosklerose und Krebs eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen [1]. Trotz dieser neuen Entdeckungen ist unser Wissen über die Mechanismen der embry-onalen Lymphgefäßentwicklung aber noch immer limitiert.

Embryonale Blutgefäße entstehen im Wesentlichen durch zwei Mechanismen: die Vaskulogenese, also die De-novo-Ent-stehung von Gefäßen aus endothelialen Vorläuferzellen, und die Angiogenese, die das Aussprossen oder Abspalten von Endothelzellen aus bereits bestehenden Blutgefäßen beschreibt. Im Gegensatz dazu wurde beobachtet, dass sich das Lymphgefäßsystem von Säugetieren aus-schließlich durch angiogene Mechanismen entwickelt. Dieser Prozess beinhaltet zunächst das Aussprossen von LEZ aus bestimmten Hauptvenen, gefolgt von einer Ausweitung dieses Gefäßsystems in peri-phere Organe durch zentrifugales Wachs-tum (Lymphangiogenese) [2]. Die Theorie des venösen Ursprungs von Lymphgefä-ßen wurde ursprünglich von Florence Sabin im frühen 20. Jahrhundert postu-liert. Ihre Entdeckungen werden durch neuere Studien untermauert, die sich molekularbiologischer und Real-time-in-vivo-Imaging-Techniken bedienen. So konnte gezeigt werden, dass es im Embryo zu einer Transdifferenzierung von venösen zu lymphatischen Endothelzellen kommt, und es wurde postuliert, dass die Venen der alleinige Ursprung des gesamten Lymphgefäßsystem bei Säugetieren sind [2, 3]. Schon im Jahr 1910 wurde aller-dings von Huntigton und McClure eine alternative Theorie aufgestellt [4]. Diese besagt, dass Lymphgefäße sich aus mesen-chymalen Lymphangioblasten entwickeln. Korrelierend dazu wurden, basierend auf Expressionsanalysen, alternative, nicht-

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ORIGINALARBEITEN

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venöse Quellen von LEZ beim Huhn und bei Xenopus-Kaulquappen beschrieben [5, 6]. Transplantationsstudien konnten wei-ter zeigen, dass die Lymphgefäße des Vogels einen dualen Ursprung haben, wobei sowohl venöse als auch mesenchy-male Zellen zur Ausbildung dieser Struk-tur beitragen [7]. Ob LEZ auch bei Säuge-tieren einen nicht-venösen Ursprung besitzen, ist bislang aber völlig unklar.

Wir haben die Entwicklung von Lymphgefäßen in der Haut und in den Mesenterien bei der Maus untersucht [8, 9]. Nach bisherigen Untersuchungen ent-stehen diese Strukturen durch Ausspros-sung aus primitiven Lymphsäcken, die venösen Ursprungs sind. Der juguläre Lymphsack (JLS) entwickelt in der Nackenregion des Embryos aus zwei unterschiedlichen Gefäßen, dem periphe-ren longitudinalen Lymphgefäß (PLLV) und dem primordialen Ductus thoracicus (pTD). Gemeinsam sollen diese das gesamte dermale Lymphgefäßsystem bil-den [2, 10, 11]. In den Mesenterien ent-steht ein einziger retroperitonealer Lymphsack an der Wurzel des Mesenteri-ums, und auch hier scheint es, als entstehe das gesamte Lymphgefäßsystem durch Aussprossung dieser primären Struktur. Unsere Studien liefern nun genetische Lineage-tracing-Daten und funktionelle Beweise, die zeigen, dass im Gegensatz zum lang akzeptierten Dogma signifikante Teile des Lymphgefäßnetzes in der Haut und den Mesenterien der Maus sich unab-hängig von venösen Aussprossungen oder venös entstandenen Lymphsäcken entwi-ckeln. Wir konnten zwei verschiedene LEZ-Vorläuferpopulationen mit unter-schiedlichem Ursprung identifizieren; während Teile des Hautlymphgefäßsys-tems sich zum einen aus venös entstande-

nen und zum anderen aus nicht-venösen LEZ-Vorläuferzellen unbekannter Her-kunft entwickeln, konnten wir nachwei-sen, dass sich die Lymphgefäße in den Mesenterien zum Teil aus Vorläuferzellen bilden, die dem hämogenen Endothel zuzurechnen sind.

Material und Methoden

Mausstämme

Vom European Conditional Mouse Muta-genesis Program (EUCOMM) stammt die ES-Zelllinie, welche das „Knockout-first“-Prox1-Allel (Prox1(tm1a(EUCOMM)Wtsi) enthält. Für eine endothelspezifische Deletion von Prox1 nach erfolgreicher Übertragung in die Keimbahn wurden Tie2-Cre+-Männ-chen (Prox1flox/+;Cre+) mit Cre–-Weibchen (Prox1flox/+ oder Prox1flox/flox) verpaart. Prox1(lz-neo-flox/+)- oder Prox1flox/+-Mäuse wurden mit PGK-Cre-Tieren verpaart, um heterozygote Mäuse zu erhalten, Prox1lz/+

oder alternativ Prox1+/–. Prox1flox und Prox1+/–-Mäuse wurden mit folgenden Pri-mern genotypisiert: a (TGCTGAAGA TGT TGGT TGCT) , b (GGCT T T-TCTGTTGCTGAAGG) und c (CTG-AACTGATGGCGAGCTCAGAC). Alle Mausstämme wurden im C57BL/6J-Hin-tergrund analysiert, nur die Prox1lz-neo-flox-Tiere hatten einen gemischten C57BL/6J x CD-1-Hintergrund.

Immunfluoreszenz- und X-gal- Färbung der Mausembryonen

Für die mikroskopische Analyse der em bryonalen Lymphangiogenese wurden Embryonen im Alter zwischen E9,5 und

E17.5 präpariert und immunhistologisch untersucht. Dazu wurden schwangere Weibchen aus terminierten Verpaarun-gen getötet, die Embryonen präpariert, für zwei Stunden in 4 % PFA fixiert, anschließend in 0,3 % Triton X-100/PBS (PBSTx) permeabilisiert und mit PBSTx plus 3% Milchpulver blockiert. Primäre Antikörper wurden über Nacht bei 4 °C im Blockierungspuffer inkubiert. Nach dem Waschen mit PBSTx wurden die Proben mit Fluorochrom konjugier-ten, sekundären Antikörpern inkubiert, dann wieder gewaschen und mit Mowiol eingebettet. Für eine Visualisierung der Kardinalvenen und der Lymphsä-cke wurden Vibratomkreuzschnitte von E10,5-, E11,5- und E12,5 Tie2-Cre-; R26-mTmG- oder Prox1 lz-neo-flox-Embryonen nach dem selben Protokoll gefärbt. Fol-gende Antikörper wurden verwendet: rat anti-mouse PECAM-1 (BD), hamster anti-mouse PECAM-1 (Millipore), rabbit anti-human Prox1 (generiert gegen den humanen Prox1 C-Terminus (567-737aa), rabbit anti-GFP (Invitrogen), chicken anti-GFP (Abcam) und goat anti-mouse Neuropilin-2 (R&D Systems). Sekundäre Antikörper, konjugiert mit DyLight 405, AF488, Cy3 oder Cy5, wurden von Jack-son ImmunoResearch bestellt. Die Fär-bung zur Darstellung der β-Galaktosidase-Aktivität in den Lymphgefäßen wurde nach Standardprotokollen mit dem Sub-strat X-gal (5-bromo-4-chloro-3-indolyl-β-d-galactopyranoside) durchgeführt.

Durchflusszytometrie

Embryonale Haut wurde von den Embry-onen abgetrennt und mit Collagenase IV (Life Technologies) (4 mg/ml) und DNase I (Roche) (0,2 mg/ml) in PBS mit 10 % FBS bei 37 °C für acht Minuten verdaut. Die Zellen wurden mit FACS-Puffer gewa-schen (PBS, 0.5% FBS, 2 mM EDTA) und sofort für die Färbung in 96-Well-Platten prozessiert. Hautproben wurden mit anti-CD31/PECAM-1 (390) PE-Cy7, anti-LYVE-1 (ALY7) eF660, rat-anti podopla-nin (PDPN) eF660 (eBio8.1.1), anti-CD45 (30-F11) und PERCP-Cy5.5 (alle von eBioscience) gefärbt. Die Zellen wurden mit dem FACSaria-Zellsortierer analysiert (BD Biosciences) und mit der FlowJo-Software (TreeStar) prozessiert.

line skin form via assembly of non-venous-derived cells into clusters and vessels through a process we refer to as „lymphvasculogenesis“. This process also takes place in the mesente-ries. However in this tissue, the non-venous source of LECs is the Tie2-positive hemogenic endothelium, which also gives rise to blood cells. Our results demonstrate the existence of different non-venous LEC progenitor populations, and help explain why lymphatic dyspla-sia may occur in only certain organs or locations. In addition, the existence of novel LEC progenitor cells may provide new strategies for the regenerative medicine of lymphatic vessels.

Keywords: mouse embryo, lymphangiogenesis, lymphvasculogenesis, mesenchyme, hemogenic endothelium

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ORIGINALARBEITEN

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Ergebnisse

Lymphgefäße in der lumbalen Haut und den Mesenterien werden mittels Lymphvaskulogenese gebildet.

Zur Visualisierung der dermalen Lymph-gefäße haben wir eine Vegfr3-lacZ-Repor-ter-Maus (Vegfr3lz) verwendet, die das β-Galaktosidase-Reportergen unter der Kontrolle des Vegfr3-Promoters expri-miert (Abb. 1). In Übereinstimmung mit früheren Daten haben wir beobachten können, dass sich am embryonalen Ent-wicklungstag (E) 12,5 erste Lymphgefäß-sprosse vom jugulären Lymphsack (JLS) aus in Richtung der Haut ausbreiteten [8]. Gleichzeitig mit dieser dorsalen Ausbrei-tung kam es zwischen E12,5 und E13,5 zur raschen Entwicklung von dermalen Lymphgefäßen auf der lateralen Seite des Embryos (Abb. 1A). Eine Whole-Mount-Analyse der Haut zeigte unerwarteter-weise die Präsenz von vereinzelten Zellen und diskontinuierlichen Gefäßnetzen, welche nicht mit dem JLS in der lateral lumbalen Hautregion verbunden waren (Abb. 1A). Des Weiteren zeigte die Ana-lyse der E15,5-Haut, dass isolierte Cluster von Vegfr3lz-positiven Zellen in der dorsa-len Mittellinie existierten, an der an Tag E17,5 die Gefäße der kontralateralen Sei-ten anastomosieren (Abb. 1A). Das Auf-treten von LEZ-Clustern in Abwesenheit von kontinuierlichen Gefäßsprossen des Lymphsacks legt einen neuartigen Mecha-nismus der Gefäßentwicklung und mögli-cherweise einen neuartigen Zellursprung nahe.

Zur besseren Charakterisierung der beobachteten Cluster haben wir die Expres-sion von Prox1 als frühesten bekannten Marker für LEZ [12] und weitere etablierte lymphatische Marker wie Nrp2, LYVE-1 und VEGFR-3 in den dermalen Lymphge-fäßen analysiert (Abb. 1B). Die Untersu-chung der lumbalen Haut von E13,5-Em-bryonen bestätigte die Präsenz eines diskontinuierlichen Netzwerks und isolier-ter Cluster mit Prox1 und Nrp2-positiven LEZ. Einige Cluster waren durch lange Zel-lausläufer verbunden, während andere wie-derum völlig isoliert waren (Abb. 1B).

Während Lymphgefäße normalerweise in der Entwicklung eine schwache Expres-sion von LYVE-1 zeigen, waren die meis-ten LEZ-Cluster erstaunlicherweise LYVE-1–[8]. Zusätzlich konnten wir das Vorhandensein von LEZ-Clustern in der Aussprossungsfront der Lymphgefäße in der zervikalen Haut bestätigen (Abb. 1B).

Um herauszufinden, ob eine Lymphge-fäßentwicklung durch die LEZ-Cluster einzigartig für die Haut ist oder auch in anderen Organe existiert, haben wir die Entwicklung der Lymphgefäße in den Mesenterien analysiert. Am Tag E13,5 konnten wir isolierte LEZ-Cluster, welche Prox1 und Nrp2 exprimierten, entlang der mesenterialen Venen beobachten [9] (Abb. 1B). Wie bei den dermalen LEZ-Clustern waren auch diese Cluster nicht mit dem Lymphsack verbunden, der an der Wurzel der Mesenterien gelegen ist. Am Tag E14

ließ sich dann beobachten, dass die LEZ-Cluster sich zu kontinuierlichen Gefäß-strukturen umgebaut hatten [9]. Aufgrund der Ähnlichkeit dieser Prozesse zum bereits beschriebenen Prozess der vasku-logenen Blutgefäßentwicklung bezeichnen wir diesen neuen Prozess der Lymphge-fäßbildung als „Lymphvaskulogenese“.

Lymphgefäße in der lumbalen Haut entwickeln sich unabhängig von LEZ, die von den Venen stammen.

In einem nächsten Schritt wollten wir den Ursprung der LEZ-Cluster in der Haut identifizieren. Dazu bedienten wir uns des Cre/loxP-basierten Systems der Zelllinien-Markierung (lineage tra-cing). Eine transgene Mauslinie, welche

Abb. 1Regionsspezifische Unterschiede bei der Entwicklung des Lymphgefäßsystems.A) Visualisierung des dermalen Lymphgefäßsystems eines E13,5 Vegfr3lz-Embryos (laterale Ansicht, Einzelbild auf der linken Seite). Die Kästchen a und b sind rechts vergrößert dargestellt: (a) zervikale Haut, (b) lumbale Haut. Das rechte Einzelbild zeigt die Mittelllinien-Region eines E15,5 Vegfr3lz-Embryos und die Präsenz von LEZ-Clustern vor der seitlichen Aussprossungsfront (schwarze Pfeile). B) Nrp2- (grün) und Prox1- (rot) Whole-Mount-Immunfluoreszenz der korrespondierenden Berei-che in A); (a) zervikale Haut, (b) lumbale Haut, und (c) Mesenterien. Man beachte die Präsenz von LEZ-Clustern vor der Aussprossungsfront in der zervikalen Haut (weiße Pfeile), wo die Lymphge-fäße durch das Aussprossen vom Lymphsack aus entstehen, sowie das Netzwerk von LEZ-Clustern in der lumbalen Haut und in den Mesenterien entlang der Mesenterialvenen. Maßstäbe: 2 mm (A: 13,5, zervikale und lumbale Haut), 1 mm (A, E15,5); 200 μm (B, zervikale Haut); 50 μm (B, lum-bale Haut und Mesenterium). (Die Abbildungen in (A) sind reproduziert aus Martinez-Corral et al, Circ Res 2015;116(10):1649-54).

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die Cre-Rekombinase unter der Kon-trolle des Tie2-Promotors exprimiert, der für Endothelzellen und hämatopoieti-sche Zellen spezifisch ist, wurde mit der R26-mTmG-Doppelreporterlinie verpaart, um eine irreversible Markierung der Tie2 exprimierenden Zellen und ihrer Nach-kommen durch GFP (green fluorecent protein) zu erreichen. Alle anderen Zell-typen exprimieren das rot fluoreszierende Protein „Tomato“ (Abb. 2A). Wenn die LEZ-Cluster sich durch Aussprossung aus Tie2-positiven Blutendothelzellen entwi-ckeln, dann würde man die Expression von GFP (grün) in den Lymphgefäßen erwarten (Abb. 2A). Um zunächst einmal die Effizienz der Cre-vermittelten Rekom-bination in venösen LEZ-Vorläufern und differenzierten LEZ, die den pTD und das PLLV bilden, zu analysieren, haben wir eine FACS-Analyse von Endothelzel-len (EZ) aus Tie2-Cre;R26-mTmG-Emb-ryonen durchgeführt. Dabei wurden EZ vor und während der frühesten Stadien der Lymphgefäßentwicklung an Tag E9, E10 und E11 analysiert. An Tag E9 waren ≥89 % der LYVE-1+-EZ auch GFP-positiv, und dieser Prozentsatz erhöhte sich auf ≥95 % an E10 und E11 (Daten nicht gezeigt) [8]. Dies lässt auf eine effiziente Rekombination durch das Tie2-Cre-Trans-gen schließen. LYVE-1–EZ, inklusive der LEZ Vorläuferzellen, die vom ober-flächlichen venösen Plexus aus entstehen [10], zeigten eine hocheffiziente Tie2-Cre basierte Rekombination an Tag E11 (98,8±0,2 %; n=4). Der Hauptanteil der EZ war an Tag E9 und E10 auch Tomato -positiv. Aufgrund der Beständigkeit der Tomato-mRNA und auch des Proteins nach der Cre-Rekombination resultiert eine Doppelmarkerexpression [13]. Die immunhistologische Analyse von E10,5 Tie2-Cre;R26-mTmG-Embryonen zeigte eine GFP-Expression in den Kardinalve-nen, welche als Ursprung für LEZ dienen [2]. In Übereinstimmung damit zeigten auch die JLS von E12,5 Tie2-Cre;R26-mTmG-Embryonen eine effiziente Cre-Rekombination (Daten nicht gezeigt).

Nachdem eine effiziente, Tie2-Cre basierte Rekombination in den Kardina-lenvenen und den JLSs, die den Venen entstammen, gezeigt werden konnte, haben wir in einem nächsten Schritt das Ausmaß des Beitrags dieser venös entstan-

denen Zellen an den dermalen Lymphge-fäßen analysiert. Dazu haben wir Embry-onen an Tag E12,5, wenn sich die ersten LEZ-Cluster bilden, und Tag E15,5, wenn die Lymphgefäßsprosse die dorsale Mittel-linie erreichen, genauer betrachtet. Die Whole-Mount-Analyse der Haut zeigte unerwarteterweise GFP- Nrp2+-LEZ (Abb. 2B). Eine FACS-Analyse der Zellen aus

E13,5 Tie2-Cre;R26-mTmG-Haut zeigte, dass ein signifikanter Anteil der dermalen LYVE–1+/Podoplanin (PDPN)+-LEZ (33,5±6,7 %, n=8) tatsächlich GFP-negativ war und somit nicht von der venösen Tie2-Zelllinie abstammen konnte (Abb. 2C). GFP–-LEZ waren auch Tomato-posi-tiv. Das bestätigte, dass die Reporter-Genexpression funktioniert und dass ein

Abb. 2 Der Beitrag von Zellen, die nicht-venösen Ursprungs sind, in dermalen Lymphgefäßen.A) Schema des Cre-Transgens und des R26-mTmG-Reporter Konstrukts für das lineage tracing von Blutgefäßendothelzellen. In diesem Model markiert Cre-Aktivität die Blutendothelzellen und ihre Abkömmlinge inklusive der venös entstandenen LEZ (=LEC) dauerhaft mit dem grün fluoreszieren-den Protein (GFP). Alle anderen Zelltypen exprimieren das rot fluoreszierende Protein Tomato. B) Oberes Bildpaar: Whole-Mount- Immunfluoreszenz der lumbalen Haut von einem Tie2-Cre;R26-mTmG-Embryo (E12,5). Abgebildet sind nicht-venös entstandene LEZ-Cluster. Die Pfeilköpfe zeigen auf GFP-negative (nicht Tie2 lineage) LEZ-Cluster, Blutgefäße sind GFP

+. Unteres Bildpaar: Ein ein-

zelner konfokaler Schnitt einer Whole-Mount-Immunfluoreszenz einer E15,5 Tie2-Cre;R26-mTmG-Haut. Tomato-Expression (rot) markiert LEZ, die nicht Cre-rekombiniert sind. C) Die FACS-Analyse von Endothelzellen der Tie2-Cre;R26-mTmG-Embryonen zeigt eine signifikante GFP

--LEZ-Popula-

tion in den Hautlymphgefäßen an E13,5. Die horizontalen Linien repräsentieren den Mittelwert (n=8). Grün kennzeichnet GFP

+Tomato

--Zellen (Tie2 lineage), gelb kennzeichnet GFP+Tomato+

(aktuelle Tie2-Hochregulation) und rot kennzeichnet GFP-Tomato+-Zellen (nicht-Tie-lineage). D) Analyse von Prox1flox/flox;Tie2-Cre-Embryonen. Eine Prox1-Deletion in Blutendothelzellen sollte ein komplettes Fehlen von venös entstandenen Lymphgefäßen in Prox1flox/flox;Tie2-Cre-Embryo-nen zur Folge haben. Die Abbildung auf der rechten Seite zeigt einen E14,5 Prox1flox/flox;Tie2-Cre-Embryo, der Ödeme und blutgefüllte Lymphgefäße aufweist. Auf der linken Seite ist die Immunflu-oreszenz eines Hautabschnittes zu sehen. LEZ-Cluster (Nrp2 positiv) sind in der lumbalen Haut zu erkennen. Der abgegrenzte Bereich in der Übersicht (rechts) zeigt den analysierten Hautausschnitt. Maßstäbe: 50 µm (B), 200 μm (D). (Die Abbildungen in (C) sind reproduziert aus Martinez-Corral et al, Circ Res. 2015;116(10):1649-54).

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Ausbleiben der Rekombination in diesen Zellen und ihren Vorläuferzellen ange-nommen werden muss. Ein großer Teil (35,7±3,5 %, n=8) der dermalen LEZ exprimierte sowohl Tomato als auch GFP. Dies weist auf eine akute Hochregulation von Tie2 in den differenzierenden LEZ hin. In Übereinstimmung damit erhöhte sich der Anteil von GFP+-dermalen LEZ in den späteren Stadien der Entwicklung (Daten nicht gezeigt) [8]. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Analyse der von den Venen entstammenden LEZ an E11 (Daten nicht abgebildet) und der Blutgefäßendothelzellen an E13 (Abb. 2C) in dem Entwicklungsstadium, in dem sich die LEZ-Cluster bilden, eine effiziente Rekombination durch das Tie2-Transgen aufweisen (98,1±0,4 % an E11, n=3 und 99,4±0,7 % an E13, n=8). Somit können wir ausschließen, dass diese Zellen der Ursprung der dermalen LEZ sind.

Um die Funktion der nicht-venös ent-standenen dermalen Lymphgefäße zu ver-stehen, haben wir Prox1, als Hauptregula-tor des LEZ-S chicksa ls [14] im Blutendothel deletiert. Dazu haben wir ein

konditional induzierbares Prox1flox-Allel in Kombination mit dem Tie2-Cre-Transgen analysiert. In dem Fall, dass Lymphgefäße komplett durch Transdifferenzierung von Tie2-positiven EZ entstehen, würde man praktisch keine Lymphgefäße in den Prox1flox/flox;Tie2-Cre-Embryonen erwarten (Abb. 2D). In Übereinstimmung mit pub-lizierten Daten [2] konnten wir zeigen, dass sich an E14,5 die Prox1flox/flox;Tie2-Cre-Embryonen durch subkutane Ödeme, blutgefüllte Lymphgefäßanlagen und feh-lende Lymphgefäßbildung in der zervika-len Haut auszeichnen (Abb. 2D). Im Gegensatz dazu bildeten sich aber die LEZ-Cluster in der lumbalen Haut (Abb. 2D). Diese Daten zeigen eindeutig, dass die Bildung der Lymphgefäße in der lum-balen Haut unabhängig von den LEZ, die venösen Ursprungs und Tie-positiv sind, abläuft. Mit der fortschreitenden Induk-tion von Tie2 in dermalen Lymphgefäßen und der essenziellen Bedeutung von Prox1 für den Erhalt dieser Gefäßen gingen die meisten Lymphgefäße in der Haut der Prox1flox/flox;Tie2-Cre E17,5 später zugrunde (Daten nicht gezeigt) [8].

Mesenteriale Lymphgefäße entste-hen aus einer anderen LEZ-Vorläu-ferpopulation, dem hämogenen Endothel.

Des Weiteren wollten wir untersuchen, ob LEZ-Cluster, die wir in den Mesente-rien beobachteten, den gleichen Ursprung besitzen wie die dermalen LEZ-Cluster. Erstaunlicherweise zeigte die Analyse der mesenterialen Lymphgefäße von Tie2-Cre;R26-mTmG-Embryonen an E13,5 das Vorhandensein von GFP-positiven LEZ-Clustern, die also einer Tie2-positiven EZ-Linie entstammen mussten (Daten nicht gezeigt) [9]. Das bedeutet, dass mesen-teriale und dermale LEZ-Vorläuferzellen unterschiedlicher Herkunft sind. Um den Ursprung der mesenterialen LEZ zu erforschen, haben wir weitere markierte Zelllinien untersucht und zunächst ein Endothel spezifisches Pdg fb-CreERT2-Mausmodel verwendet. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen legten einen arte-riellen oder hämogenen Ursprung nahe [8, 9]. Um den Beitrag des hämogenen Endo-thels zum mesenterialen Lymphgefäßsys-tem zu analysieren, haben wir untersucht, ob sich cKit positive hämogene Vorläufer-zellen in mesenteriale Lymphgefäße inte-grieren. Die Zelllinien-Untersuchungen mit induzierbaren cKit-CreERT2-Mäusen [16] konnten in der Tat klären, dass diese Zellen eine Quelle für mesenteriale LEZ bilden [9].

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unsere Daten die Existenz unter-schiedlicher Populationen von LEZ-Vor-läuferzellen beweisen. Neben den LEZ-Vorläufern, die in venösen Bereichen des embryonalen Endothels lokalisiert sind, existieren Vorläuferzellen heterogenen Ursprungs. Für die mesenterialen LEZ konnten wir das hämogene Endothel als Ursprung definieren, während die mesen-chymalen Ursprungszellen in der Haut noch näher charakterisiert werden müs-sen.

Diskussion

Unsere Studien zeigen, dass sich ein Teil der oberflächlichen dermalen Lymphge-fäße nicht durch Transdifferenzierung und

Abb. 3Unterschiedliche Ursprünge und Mechanismen bei der Entwicklung von dermalen und mesente-rialen Lymphgefäßen.Schematische Darstellung der Entwicklung von Lymphgefäßen in der Haut und in den Mesente-rien. Venöse Aussprossung (Lymphangiogenese) und De-novo-Bildung von Gefäßen aus nicht-venösen Vorläuferzellen mit unterschiedlichen Ursprüngen (Lymphvaskulogenese) tragen sowohl zur Entstehung von Lymphgefäßen der zervikalen/thorakalen als auch der lumbalen Region der Haut und in den Mesenterien bei. Rot: venöse Endothelzellen, blau: venös entstandene LEZ und gelb: nicht-venös entstandene LEZ-Vorläuferzellen. Die Embryonaltage (E) der Entwicklung sind mit dargestellt.

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Aussprossung von Tie2-positiven, venösen EZs entwickelt. Bisher galten diese Endo-thelzellen als einziger Ursprung für die Lymphgefäße der Säugetiere. Wir konnten demonstrieren, dass die Lymphgefäße der lumbalen und dorsalen Mittellinien-Region der Haut vielmehr von Vorläufer-zellen abstammen, die nicht-venösen Ursprungs sind. Diesen Prozess bezeich-nen wir als „Lymphvaskulogenese“. Er beinhaltet die Zusammenlagerung der LEZ zu Clustern und ein weiteres Zusam-menwachsen dieser zu einem kontinuier-lichen Gefäßnetzwerk (Abb. 3). Außerdem zeigen wir, dass auch ein Teil der mesente-rialen Lymphgefäße sich durch den Pro-zess der Lymphvaskulogenese entwickelt, obwohl sich in diesem Fall die LEZ-Clus-ter aus einer Tie2-positiven aber nicht-venösen Vorläuferpopulation entwickeln. Ihr Ursprung liegt im hämogenen Endo-thel, aus dem die embryonalen Blutzellen hervorgehen (Abb 3).

Der embryonale Ursprung der Lymph-gefäße wurde in der letzten Zeit kontro-vers betrachtet. Genetische Lineage-tra-cing-Experimente in der Maus und Real-time-imaging im Zebrafisch bestätig-ten die Theorie von Sabin von einem venösen Ursprung der Lymphgefäße [2, 3]. Allerdings haben diese Experimente nicht die Existenz von alternativen Ursprüngen der LEZ ausschließen kön-nen. Interessanterweise zeigen frühere Beobachtungen, dass die Lymphgefäße im Vogel einen dualen Ursprung haben. Die jugulären Lymphsäcke entstehen aus Venen, und die oberflächlichen, dermalen Gefäße aus einer noch nicht identifizier-ten, nicht-venösen Vorläuferpopulation mit mesodermalem Ursprung [7]. Zusam-men mit unseren Forschungsergebnissen weist dies auf evolutionär konservierte Ursprünge der LEZ und der Mechanismen der Lymphgefäßbildung hin. Im Anbe-tracht der verschiedenen LEZ-Ursprünge ist es wahrscheinlich, dass die molekula-ren Mechanismen zur Regulation der Lymphgefäßbildung in unterschiedlichen Regionen der Haut und in den Mesente-rien unterschiedlich sind und dass sie sich unter pathologischen Bedingungen unter-schiedlich verhalten.

Dysfunktion von Lymphgefäßen wur-den kürzlich mit einer Anzahl von huma-nen pathologischen Bedingungen in

Verbindung gebracht [17]. Gewebeschwel-lungen oder Lymphödeme sind häufig die Konsequenz eines Versagens des lympha-tischen Systems, entweder liegt ein geneti-scher Defekt zugrunde, eine Verletzung nach einer Operation oder einem Trauma. Es ist anzumerken, dass einige vererbbare Lymphödeme sich dadurch auszeichnen, dass nur spezifische Gewebe oder Organe betroffen sind. Bei der Milroy-Krankheit und dem Lymphedema-Distichiasis-Syn-drom zum Beispiel, welche durch eine Mutation in den Genen VEGFR-3 bezie-hungsweise FoxC2 entstehen, ist das Vor-kommen der Lymphödeme auf die unte-ren Gliedmaße beschränkt [18]. Bei anderen Syndromen kann es auch vor-kommen, dass nur Hände oder die Geni-talien betroffen sind oder, dass sich das Krankheitsbild eher als eine generelle, sys-temische lymphatische Dysplasie äußert, zum Beispiel bei der intestinalen oder pul-monalen Lymphangiektasie [18]. Die molekularen Mechanismen des organspe-zifischen Auftretens lymphatischer Dys-funktionen sind bis heute nicht charakte-risiert, jedoch zeigen unsere Arbeiten einen heterogenen Ursprung der LEZ in verschiedenen Organen und Regionen. Dieses Wissen ist grundlegend für die Ent-wicklung neuer therapeutischer Strategien gegen Lymphödeme und andere Störun-gen des Lymphgefäßsystems.

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KorrespondenzadresseDr. Taija MäkinenUppsala UniversityDepartment of ImmunologyGenetics and PathologyRudbecklaboratoriet75185 UppsalaSchwedenE-Mail: [email protected]

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Cyclinabhängige Kinase 5 – ein neues Target im LymphgefäßsystemJ. LieblLudwig Maximilians-Universität München, Fakultät für Chemie und Pharmazie, Department Pharmazie, Pharmazeutische Biologie, München, Deutschland

Das lymphatische System – Physiologische und pathologi-sche Funktionen

Das Lymphgefäßsystem ist von größter Bedeutung für die Wiederaufnahme und den Abtransport von Gewebeflüssigkeit. Blind endende Lymphkapillaren nehmen Flüssigkeit und Makromoleküle über ein feines Klappensystem des Endothels auf und transportieren die Lymphe in Lymph-kollektoren, in denen Taschenklappen und periendotheliale Schichten aus glatten Muskelzellen den gerichteten Fluss der Lymphe garantieren und Stauungen ver-

hindern. Über die großen Lymphstämme, den Ductus thoracicus und den Ductus lymphaticus dexter, gelangt die Lymphe schließlich zurück in den venösen Blut-kreislauf. Darüber hinaus werden im Dünndarm Fette und Vitamine in Form von Chylomikronen über Lymphgefäße in den Darmzotten aufgenommen.

Außerdem stellt das Lymphgefäßsystem einen wichtigen Bestandteil des Immunsys-tems dar. Lymphgefäße dienen als Trans-portweg für zirkulierende Immunzellen. Sie bilden ein Netzwerk mit zum Teil mehrfach hintereinander geschalteten Lymphknoten, die eine Interaktion von Makrophagen und

ZusammenfassungLymphatische Dysfunktionen induzieren Lymphödeme und sind involviert in chronisch-entzündliche Erkrankungen. Um Strategien zur Therapie dieser Erkrankungen zu entwi-ckeln, ist es essenziell, die Mechanismen, die zu Dysfunktionen in Lymphgefäßen beitragen, zu verstehen. Wie wir kürzlich zeigen konnten, ist cyclinabhängige Kinase 5 (Cdk5) ein zen-traler Faktor für die Entwicklung des Lymphgefäßsystems. Deletion des Cdk5-Gens spezi-fisch im Endothel verursacht schwere Lymphödeme und führt zu embryonaler Letalität. Dies konnten wir zurückführen auf Defekte in der Ausreifung lymphatischer Gefäße und der Bildung lymphatischer Klappen. Unsere mechanistischen Untersuchungen zeigen, dass Cdk5 den Forkhead-Transkriptionsfaktor Foxc2 phosphoryliert und dadurch dessen trans-kriptionelle Aktivität reguliert. Zusammenfassend identifizieren wir den Cdk5-Foxc2-Signal-weg als zentralen Mechanismus in der Lymphgefäßentwicklung. Somit könnte Cdk5 ein mögliches Target für die Therapie von Erkrankungen sein, die mit Dysfunktionen des Lymphgefäßsystems assoziiert sind.

Schlüsselwörter: Lymphgefäßentwicklung, Lymphangiogenese, Cdk5, Foxc2

Cyclin-dependent kinase 5 – a new target in the lymphatic systemSummaryLymphatic disorders induce lymphedema and are involved in chronic inflammatory dis-orders. In order to develop strategies for treating these diseases, it is essential to under-stand the mechanisms that contribute to lymphatic dysfunction. We recently succeeded in identifying the central role of cyclin-dependent kinase 5 (Cdk5) during lymphatic development. Endothelial-specific deletion of Cdk5 leads to severe lymphedema and results in embryonic lethality. We traced this back to defects in lymphatic remodeling and valve formation. Our mechanistic studies showed that Cdk5 phosphorylates the fork-head transcription factor Foxc2 and regulates its transcriptional activity. In summary, our results identified the Cdk5-Foxc2 pathway as a central mechanism during lymphatic ves-sel development. This means that Cdk5 might be a potential target for diseases asso-ciated with lymphatic disorders.

Keywords: lymphatic vessel development, lymphangiogenesis, Cdk5, Foxc2

antigenpräsentierenden Zellen mit anderen Leukozyten ermöglichen und somit das Auslösen von Immunantworten gewähr-leisten [1, 2]. Das lymphatische System ist involviert in verschiedene pathologische Prozesse: Dysfunktionen der Lymphgefäße und ihrer Klappensysteme induzieren Lymph ödeme und können Immundefizi-enz bedingen [3]. Abnormales Wachstum und Aktivierung des lymphatischen Gefäß-systems ist assoziiert mit chronisch-ent-zündlichen Erkrankungen und der Metas-tasierung von Tumoren [4, 5]. Strategien, die das Lymphgefäßsystem adressieren, sind mögliche Optionen für die Therapie dieser Erkrankungen.

Entwicklung des Lymphgefäßsystems

Lymphgefäße entstehen während der Embryogenese, nachdem die Entwicklung eines funktionellen kardiovaskulären Sys-tems längst eingesetzt hat. Eine Population von Vorläuferzellen, unter anderem aus der vorderen Kardinalvene, differenziert zu Lymphendothelzellen, die aus der Vene auswandern und die primären lymphati-schen Gefäße, die sogenannten Lymphsä-cke, bilden. Die Lymphsäcke werden durch lymphovenöse Klappen von den Venen abgetrennt. Das periphere lympha-tische Netzwerk entwickelt sich durch zen-trifugales Wachstum aus den Lymphsä-cken und reift zu Lymphkapillaren, Präkollektoren und Kollektoren heran. Ein nicht unbedeutender Anteil der Haut-lymphgefäße entsteht jedoch ohne den Weg über das Venensystem direkt aus Lymphangioblasten [1, 6, 7].

Foxc2 – ein essenzieller Transkriptionsfaktor im Lymphgefäßsystem

Der Forkhead-Transkriptionsfaktor Foxc2 ist ein zentraler Faktor für die Entwicklung von Lymphgefäßen und Lymphklappen [8]. Mutationen im Foxc2-Gen lösen eine verbreitete Form von primären Lymph-ödemen aus, das Lymphödem-Distichia-sis-Syndrom [9, 10]. Diese genetisch bedingte Anomalie beruht auf einem Defekt in der Bildung der Taschenlappen

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in den Kollektoren und anormaler über-schießender Rekrutierung von glatten Muskelzellen an lymphatischen Kapillaren [8]. Kürzlich konnte gezeigt werden, dass Foxc2 durch Phosphorylierung reguliert und damit dessen transkriptionelle Aktivi-tät gesteuert wird [11]. Durch welche Fak-toren die Phosphorylierung von Foxc2 reguliert wird, war aber bisher nicht bekannt.

Cdk5 als neues Target im Lymphgefäßsystem

Wir konnten kürzlich zeigen, dass Foxc2 durch Cdk5 (cyclin dependent kinase 5) phosphoryliert wird [12]. Cdk5 ist eine Serin-/Threonin-Kinase, die im neurona-len System sehr gut untersucht ist. Cdk5 ist essenziell für die Entwicklung des Zen-tralnervensystems, reguliert neuronale Funktionen wie die Übertragung von Neurotransmittern und synaptische Pro-zesse und ist beteiligt an neurodegenerati-ven Erkrankungen wie Morbus Alzheimer und Morbus Parkinson [13].

Im Gegensatz dazu ist die Rolle von Cdk5 in der Peripherie, insbesondere die Funktion im vaskulären System, nur sehr schlecht untersucht. Anhand der Generie-rung und Phänotypisierung endothelspe-zifischer Cdk5-knock-out-Mäuse unter Verwendung des Cre/loxP-Systems konn-ten wir zeigen, dass Cdk5 für die Ent-wicklung des Lymphgefäßsystems essen-ziell ist: Deletion des Cdk5-Gens im Endothel führt zu schweren Lymphöde-men und letztendlich zu Letalität schon während der Embryonalentwicklung. Cdk5-knock-out Mäuse zeigen einen „Nicht-Separierungs-Phänotyp“: Die pri-mären Lymphgefäße, die sogenannten Lymphsäcke, werden nicht vom Blutge-fäßsystem abgetrennt, wodurch sich Blut in den Lymphgefäßen ansammelt und Ödeme entstehen. Weitere Untersuchun-gen ergaben schwerwiegende Defekte in der Bildung der lymphatischen Klappen und der Ausreifung der Lymphgefäße. Auf der Suche nach dem zugrundeliegen-den Mechanismus konnten wir Foxc2 als Target von Cdk5 im Lymphendothel iden-tifizieren: Cdk5 phosphoryliert Foxc2, reguliert dadurch dessen transkriptionelle Aktivität und aktiviert somit die Expres-

sion phosphorylierungsabhängiger Foxc2-Zielgene (Abb. 1).

Unsere Arbeit identifiziert den Cdk5-Foxc2-Signalweg als essenziellen Faktor für die Entwicklung der Lymphgefäße und liefert somit neue Erkenntnisse über Regulationsmechanismen bei der Lymph-angiogenese. Cdk5 ist eine pharmakolo-gisch adressierbare Kinase, die durch Wirkstoffe inhibiert werden kann. Somit könnte Cdk5 ein neues Target für die The-rapie von Krankheiten sein, die mit Defek-ten oder einer Aktivierung des Lymphge-fäßsystems assoziiert sind.

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13. Dhavan R, Tsai LH. A decade of CDK5. Nat Rev Mol Cell Biol 2001; 2:749-759.

KorrespondenzadresseDr. Johanna LieblLudwig Maximilians-Universität MünchenFakultät für Chemie und PharmazieDepartment Pharmazie, Pharmazeutische Biologie Butenandtstr. 5-13D-81377 MünchenE-Mail: [email protected]

Cdk5

Foxc2

Foxc2

P

Foxc2P Transkription 

vonZielgenen

Darm

Mesenteriale Gefäße

Abb. 1Cdk5 reguliert die Entwicklung des Lymphgefäßsystems über die Phosphorylierung des Transkriptionsfaktors Foxc2. Das Bild links zeigt das mesenteriale Gefäßsystem eines Mausembryos (E18.5). Mesenteriale Lymphgefäße sind mit Antikörpern gegen Prox1 (grün) und LYVE1 (blau) angefärbt. Blutgefäße sind dargestellt mit Antikörpern gegen Glattmuskel-Aktin (α-Smooth-Muscle-Actin, rot). Die Grafik rechts zeigt den Cdk5-Foxc2-Signaltransduktionsweg im Lymph-endothel. Cdk5 phosphoryliert Foxc2 und reguliert dadurch dessen transkriptionelle Aktivität und Target-Gen-Expression.

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ÜBERSICHTSARBEITEN

84 LymphForsch 19 (2) 2015

...und wenn sie nicht gestorben wären, vertrügen sie sich heute.

Über die heterogene Herkunft des LymphgefäßsystemsK. Mattonet, M. Jeltsch Wihuri Research Institute und Translational Cancer Biology Program, Biomedicum Helsinki, Universität Helsinki, Finnland

Wie entwickelt sich das Lymphgefäßsys­tem? Diese Frage ist ebenso einfach wie fundamental für das Verständnis des Lymphgefäßsystems (LS) unter physiolo­gischen und pathologischen Bedingungen sowie auch der Schlüssel zu einer thera­peutischen Intervention.

Im Jahr 1902 veröffentlichte die Anato­min Florence Sabin ihre Studien über die Entwicklung der ersten Lymphgefäße bei Schweinen [1] und legte dadurch die

Grundlage für eine mehr als ein Jahrhun­dert andauernde Kontroverse. Ihre durch Farbstoffinjektionen in lebende Embryo­nen gewonnenen Erkenntnisse implizier­ten, dass bereits die frühesten Lymphge­fäße mit dem venösen System verbunden sind, von vier Zentren des bestehenden Venensystems radiär aussprossen und im Verlauf der Entwicklung ein zusammen­hängendes System bilden. Sie lieferte damit experimentelle Belege für die von

ZusammenfassungDie Beantwortung der Frage nach dem embryonalen Ursprung des Lymphgefäßsystem ist fundamental für unser Verständnis von Fehlentwicklungen des Systems bei Kindern und seiner Regeneration bei Erwachsenen. Doch neu ist die Frage keineswegs und sorgte bereits im frühen 20. Jahrhundert für vehemente Diskussionen. Bis heute ist diese Debatte nicht beigelegt, doch das Interesse am Lymphgefäßsystem hat aufgrund seiner Bedeutung für eine große Zahl verschiedenster Erkrankungen in den letzten Jahren stark zugenom-men. Mehrere diesjährige Publikationen zur Heterogenität der Entwicklung von Lymphen-dothelzellen scheinen nun die Vielzahl bislang kontrovers diskutierter Studien zusammen-zuführen und zu einem schlüssigen Modell zu vereinen. Diese bemerkenswerten Ergebnisse, wie auch die Studien, die ihnen den Weg bereitet haben, werden in dieser Übersichtsarbeit dargestellt.

Schlüsselwörter: Embryonalentwicklung, Lymphgefäßsystem, Lymphendothelzelle, Lymphvaskulogenese, Lymphangiogenese, zentrifugal, zentripetal

Heterogeneity of the origin of the lymphatic systemSummaryThe question “How does the lymphatic system develop?” may be a simple one, but it is fundamental to our understanding of lymphatic malformations in children and the regeneration of lymphatics in adults. The question is by no means new and was already explored in the early 20

th century. This resulted in a long-lasting controversy, which until

recently had been far from being settled. The interest in the lymphatic system has greatly increased in recent years due to its implications in a variety of diseases. Several studies published this year address the heterogeneity of lymphatic endothelial cell development and unite previous controversially discussed data in a coherent model. These remarkable results, as well as the studies that paved their way, are discussed in this review.

Keywords: embryonic development, lymphatic system, lymphatic endothelial cells, lymphvasculogenesis, lymphangiogenesis, centrifugal, centripetal

Ranvier [2] stammende Theorie der zen­trifugalen Entwicklung des LS, die dieser jedoch selbst nie belegen konnte.

Lewis, der mit den Hauptargumenten dieser Theorie übereinstimmte, ergänzte 1905 durch seine Experimente mit seriel­len Schnitten von Hasenembryonen, dass die Lymphgefäße zwar venösen Ursprun­ges seien, sich jedoch im Verlaufe der Ent­wicklung von den Venen lösen, geschlos­sene Lymphsäcke im Mesenchym bilden und erst später permanente Öffnungen in das Blutgefäßsystem ausbilden [3]. Zudem beschrieb er die Existenz von nicht vier, sondern weit mehr venösen Auswüchsen, von denen aus das LS zentrifugal wächst. Etwa 70 Jahre später wurde diese Sicht der Entwicklung der Lymphgefäße von van der Putte in Embryonen der Maus [4] und des Menschen [5] durch detaillierte Histo­logie weitgehend bestätigt. Dennoch wur­den fast zeitgleich zu den Studien von Sabin und Lewis verschiedene Alternativ­theorien aufgestellt, von denen die heute bekannteste von Huntington und McClure im Jahr 1908 veröffentlicht wurde [6]. Sie vertraten die sogenannte zentripetale The­orie, die davon ausgeht, dass Lymphendo­thelzellen direkt dem Mesenchym ent­stammen, indem sich freie Räume bilden, mit Lymphflüssigkeit füllen und im Ver­lauf der Entwicklung miteinander fusio­nieren, um letztendlich ein kontinuierli­ches Gefäßsystem zu bilden. Ihre Ergebnisse stützten sich auf serielle Paraf­finschnitte früher Katzenembryonen, in denen sie beispielsweise nachweisen konn­ten, dass Teile des Ductus thoracicus in der frühen Entwicklung des Lymphgefäß­systems nicht mit venösen Gefäßen ver­bunden sind.

Zwei verschiedene Anlagen

Eine Theorie, die bis zu einem gewissen Punkt eine Synthese zwischen diesen bei­den sehr gegensätzlichen Denkweisen bot, wurde von van der Jagt im Jahre 1932 vor­geschlagen [7]. Er schlussfolgerte aus sei­nen Arbeiten an Schildkrötenembryonen, dass die vorderen Lymphsäcke dieser Tiere sich aus zwei ganz verschiedenen Anlagen entwickeln, einer mesenchyma­len und einer venösen Ursprungs, die mit­einander fusionieren und beide zur Aus­

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86 LymphForsch 19 (2) 2015

bildung des LS beitragen. Dass eine solche heterogene Entwicklung des LS der Reali-tät tatsächlich am nächsten kommt, sollte sich allerdings erst mehr als acht Jahr-zehnte später bestätigen. Denn trotz der bis heute beeindruckenden Akkuratesse und minutiösen Darstellung ihrer Studien, waren die damaligen Kontrahenten durch die technischen Limitierungen ihrer Zeit in ihren Möglichkeiten begrenzt. Wäh-rend beispielsweise Sabin nur funktionelle Lymphgefäße beobachten konnte, die sie dafür aber sehr spezifisch injizieren konnte (Abb. 1), waren Huntington und McClure mangels einer verfügbaren lymph endothelspezifischen Färbemethode auf die Untersuchung der Entwicklung von Gefäßen mit bekannter Lokalisation be schränkt [6]. Sie argumentierten je-doch, dass die Befürworter der zentrifuga-len Entwicklung des LS lediglich Derivate bereits existierender lymphatischer Struk-turen in ihre Studien einbezogen [8]. Die Gegenseite konterte wiederum, dass es sich bei den beobachteten Hohlräumen im Mesoderm höchstwahrscheinlich um Artefakte handele [4]. Eine Gemeinsam-keit aller hier vorgestellten historischen

Studien ist jedoch, dass sie nur die Entwicklung lume-nisierter Strukturen beurtei-len konnten, nicht aber de-ren Vorläufer.

Erst um die Jahrtausend-wende standen die Techni-ken und spezifischen Marker zur Verfügung, um dieses Problem anzugehen (Abb. 2) und belebten die Debatte mit neuen Erkenntnissen. Durch Transplantationsex-perimente in Hühnerembry-onen konnte nachgewiesen werden, dass in Vögeln zumindest einige Lymphge-fäße Endothelzellen beinhal-ten, die nicht venösen Ursprunges sind [9]. Dies sprach für eine wie von van der Jagt vorgeschlagene, heterogene Entwicklung des LS. In Folgestudien zeigte sich zudem, dass Lymphan-gioblasten zur Bildung des lymphatischen Systems der Vögel beitragen [10]. Diese

und ähnliche Beobachtungen in Krallen-froschkaulquappen [11] und Mäusen [12] legten nahe, dass mehrere komplexe Mechanismen bei der Entwicklung des LS eine Rolle spielen.

Theorie der zentrifugalen Entwicklung

Zur selben Zeit sprachen die Daten ande-rer Studien jedoch für die weitaus populä-rere Theorie der zentrifugalen Entwicklung des LS. Wigle und Oliver zeigten 1999, dass der Homeobox-Transkriptionsfaktor Prox1 unabdingbar für die Lymph-endothelentwicklung ist [13]. Die Gruppe fand zudem heraus, dass diese Entwick-lung in Mäusen am embryonalen Tag E9,5 mit dem Erscheinen von Prox1-positiven Zellen in den jugulären Regionen der vor-deren Kardinalvenen beginnt, die von dort in das umliegende Mesenchym sprossen und frühe Lymphgefäße bilden [14]. Diese Migration ist abhängig von verschiedenen Signalmolekülen wie VEGF-C [15], CCBE1 [16] und weiteren molekularen Markern wie beispielsweise Podoplanin

[17]. Durch die Fluoreszenzmarkierung von Prox1-exprimierenden Zellen im Jahr 2007 wurde im Mausmodell zudem in ver-schiedenen Entwicklungsstadien minutiös verfolgt, wie bestimmte venöse Endothel-zellen beginnen, den Marker Prox1 zu exprimieren und wie diese dann in das umliegende Mesoderm auswandern, um in der Nähe der Vene Lymphgefäße zu bilden [18]. Mit diesen Daten, die durch Experi-mente in Zebrafischen bestätigt wurden [19], sah man weithin die zentrifugale The-orie von Sabin als erwiesen und die embry-onalen Venen als hauptsächlichen und wahrscheinlich einzigen Ursprung der Lymphendothelzellvorläufer an. Dies bestimmte die vorherrschende Lehrmei-nung der nächsten Jahre [20]. Die Beteili-gung von Lymphangioblasten und anderen Quellen an der Entwicklung des LS wurde allgemein als ein Phänomen angesehen, das bei Vögeln und Fröschen eine Rolle spielt, nicht jedoch bei Säugetieren.

Trotzdem zeigten verschiedene Stu-dien der darauffolgenden Jahre Phäno-mene, die mit einem ausschließlich venö-sen Ursprung des Lymphendothels nicht zufriedenstellend erklärt werden konnten.

Abb. 1Mit Beginn der molekularbiologischen Ära wurde die seit über 100 Jahren andauernde Kontroverse zwischen zentrifugaler und zentripetaler Theorie der Entwicklung des Lymphgefäß-systems wiederbelebt. Nach anfänglicher Überinterpretation von experimentellen Daten zugunsten der zentrifugalen The-orie scheint eine Synthese beider Theorien greifbar nah. Hier ein Vergleich der Visualisierung der Lymphgefäße nach Flo-rence Sabin (Farbstoffinjektion bei Schweineembryonen, links) mit der XGal-Färbung von heterozygoten VEGFR-3+/LacZ-Mausembryonen (rechts). Wir danken Lotta Jussila für die Bereitstellung der Fotografie der XGal-Färbung.

Abb. 2Zentripetale Entwicklung der Lymphsäcke und der benachbarten lymphatischen Strukturen in der Maus (am Tag E11,5). Die Art und Weise, wie die Emigration der LEZ-Vorläuferzellen aus den primitiven Venen zu erfolgen scheint (als Einzelzellen, als Zellenstrang oder als lumeni-sierte Gefäßsprosse), erscheint heterogen und unter anderem abhängig von Untersuchungs-methode und untersuchter Spezies. In dieser Immunofluoreszenz sind Blutgefäßendothel-zellen mit PECAM-1 rot und Lymphendothel-zellen und deren Vorläufer mit LYVE-1 grün dargestellt. Die weißen Pfeile weisen auf die sich entwickelnden jugulo-axillären Lymph-säcke hin. A, Aorta; KV, Kardinalvene. Wir danken Marika Kärkkäinen für die Bereitstel-lung dieser Abbildung.

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LymphForsch 19 (2) 2015 87

So wurde beispielsweise von Hägerling et al. in Mausembryonen zwischen Tag E10,0 und E10,5 ein massiver Anstieg der Prox1-positiven Lymphendothelzell (LEZ)-Vor-läufer außerhalb der Venen beobachtet, obwohl sich die Teilungsrate der Zellpo-pulation während dieser Zeit nicht nen-nenswert änderte [21]. Der Ursprung dieser plötzlich auftauchenden Prox1-positiven Zellen konnte nicht endgültig geklärt werden, obwohl mit den Hautve-nen erstmalig eine zweite, bis dahin unbe-kannte venöse Region identifiziert wurde, aus der LEZ-Vorläufer auswandern. Sol-che Vorläuferzellen wurden in diesem Venenbett jedoch nur in Lymphmutanten gefunden, in denen die Migration von LEZ-Vorläufern aus der Vene gestört ist. Dies impliziert sowohl eine massive, syn-chrone Auswanderung von LEZ-Vorläu-fern zwischen Tag E10,0 und E10,5 sowie die Existenz weiterer, den Autoren zufolge wahrscheinlich venöser, Quellen von Vor-läuferzellen, die jedoch nicht identifiziert wurden. Teilweise könnte dieser plötzli-che Anstieg von Prox1-positiven Zellen vielleicht durch eine Differenzierung von Zellen im Mesenchym erklärt werden.

Heterogene Herkunft

Experimentelle Belege für eben solch eine heterogene Herkunft des lymphatischen Systems wurde in mehreren in diesem Jahr publizierten Studien erbracht. Durch Zelllinienverfolgung zeigten Martinez-Corral et al., dass ein bedeutender Teil der dermalen Lymphgefäße sich nicht aus venösen Endothelzellen entwickelt, son-dern aus Zellen des Mesenchyms, die negativ für den Endothelzellmarker Tie2 sind [22]. Diese Zellen bilden Aggregate, die sich durch einen als Lymphvaskuloge-nese bezeichneten Prozess zu Lymphgefä-ßen entwickeln. Die so entstandenen, iso-lierten Gefäßfragmente fusionieren mit den Lymphgefäßen venösen Ursprungs und bilden somit eine funktionelle Ein-heit. Bemerkenswert ist auch, dass damit zum ersten Mal der direkte Nachweis einer Lymphvaskulogenese gelungen ist – ein Vorgang, der zuvor vergleichbar nur in der kardiovaskulären Entwicklung beob-achtet worden war. Parallel dazu wurde eine zweite Publikation von der selben Arbeitsgruppe veröffentlicht. Stanczuk et al. zeigten, dass auch die Lymphgefäße des

Mesenteriums dualen Ursprungs sind [23]. Die Studie belegt, dass sich hämo-gene Vorläuferzellen aus c-Kit-positiven Zelllinien im Mesenterium bündeln, durch Lymphvaskulogenese Gefäße bilden und sich in Lymphgefäße integrieren, die durch Sprossung aus dem venösen System entstanden sind. Ein weiteres Organ, für dessen LEZ-Vorläufer mittlerweile alter-native Quellen vermutet werden, ist das Herz [24, 25], in dem bei Vögeln sogar lympho-venöse Anastomosen gefunden wurden [25].

Neues Licht auf die Lymphgefäßentwicklung

Diese experimentellen Befunde werfen ein neues Licht auf die Lymphgefäßentwick-lung (Abb. 3). Sie bestätigen den Kernge-danken des Modelles von van der Jagt [7], wonach sowohl die zentrifugale Theorie von Sabin als auch die zentripetale Theorie von Huntington und McClure teilweise zutreffen und beide Mechanismen vereint zur Entwicklung des LS beitragen. Gleich-zeitig zeigen sie aber auch, dass das LS der verschiedenen Körperregionen und Organe sich unterschiedlich entwickelt. Dies könnte einen Erklärungsansatz dafür bieten, dass primäre Lymphgefäßerkran-kungen wie die Milroy-Krankheit oftmals auf bestimmte Körperregionen oder Organe beschränkt sind [26]. Die Ent-wicklung des LS ist demnach anscheinend deutlich komplexer als bisher angenom-men und ähnelt diesbezüglich der des kar-diovaskulären Systems.

Unsere Kenntnisse der Entwicklung des LS sind noch immer rudimentär, obwohl es bei vielen wichtigen humanen Erkrankungen eine bedeutende Rolle spielt [27].

Verschiedenste Gruppen und experi-mentelle Ansätze haben in den letzten 20 Jahren dazu beigetragen, dass wir begin-nen, zumindest die grundlegendsten Kon-zepte der Lymphgefäßentwicklung zu ver-stehen. Der scheinbare Widerspruch der Ergebnisse vieler Studien zur Entwicklung des LS liegt weitgehend in deren Interpre-tation, während sich die experimentellen Daten zumeist ergänzen und miteinander vereinbaren lassen. Dies demonstriert ein-drucksvoll unsere Abhängigkeit von den

Abb. 3A) In diesem Jahr veröffentlichte Studien an Mäusen zeigen, dass die Lymphgefäße des Mesenteri-ums, der Haut und des Herzens nicht nur durch lymphangiogenes, zentrifugales Wachstum aus den embryonalen Lymphsäcken gebildet werden, sondern auch aus Vorläuferzellen, die unter anderem im Mesenchym zu finden sind. B) Die Lymphgefäßsysteme der Haut und des Mesenteri-ums (grün) entwickeln sich durch Lymphangiogenese aus den embryonalen Lymphsäcken (blau) und aus Vorläuferzellen im Mesenchym (gelb). Die embryonalen Lymphsäcke wiederum bilden sich aus Endothelzellen der großen embryonalen Venen (z.B. der Kardinalvenen, rot), die lymphati-schen Charakter annehmen und aus den Venen auswandern (violett). Überdies wird vermutet, dass eine alternative, nicht-venöse Quelle lymphatischer Endothelzellen des Herzens im hämoge-nen Endothel des Dottersacks zu finden ist.

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verschiedenen Modellsystemen und deren Grenzen, die die unerwartete Komplexität der Entwicklung des LS jeweils nur teil-weise erfassen können. Die rapide techni-sche Entwicklung und die neuen Denkan-stöße zur heterogenen Entwicklung des LS werden jedoch sicher zu einer raschen Erweiterung unserer Kenntnisse der betei-ligten Vorgänge und letztendlich auch zu einer besseren Behandelbarkeit von Erkrankungen des LS führen.

Literatur

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KorrespondenzadressePD Dr. Michael JeltschWihuri Research Institute und Translational Cancer Biology ProgramBiomedicum HelsinkiPostfach 63 (Haartmaninkatu 8)FIN-00014 Universität Helsinki, FinnlandE-Mail: [email protected]

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LymphForsch 19 (2) 2015 89

Die operative Behandlung des massiven Übergewichtes und seiner BegleiterkrankungenC. Knappmann, Adipositaszentrum Klinikum Ibbenbüren, Deutschland

Einführung

Die Adipositas (Fettsucht) nimmt massiv zu und wird als ein Grund für die nicht weiter steigende Lebenserwartung der jetzigen Generation angegeben, sodass die Weltge-sundheitsorganisation (WHO) mittlerweile von einer Adipositasepidemie spricht. Bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 25 bis 29,9 kg/m2 spricht man von Übergewicht, ab einem BMI von 30 von Adipositas und ab einem BMI von 40 und mehr von morbi-der Adipositas [1]. Der Krankheitswert der Adipositas beruht auf dem in einer Vielzahl von wissenschaftlichen Studien belegten Risiko für Folgeerkrankungen und dem Anstieg der Sterblichkeit. Jedes Organsys-tem wird letztendlich durch die Adipositas beeinträchtigt. Zu nennen sind vor allem:• Diabetes mellitus Typ 2,• Hypertonus, Dyslipidämie, koronare

Herzkrankheit (KHK),• obstruktive Schlafapnoe (OSAS), • Fettleber (NASH),• Gelenkarthrosen,• einige Krebsarten,• Lymphödeme.

Als Ursache wird aktuell die Adipositas als heterogenes, multifaktoriell bedingtes Krankheitsbild mit genetischer Prädispo-sition betrachtet, die sich in einem niedri-gen Ruheenergieumsatz äußert [2]. Die aktuelle Auswertung der Qualitätssiche-rungsstudie der deutschen Adipositaschi-rurgie (zehn Jahre German Bariatric Sur-gery Registry 2005-2014) zeigt auch für die Lymphödeme eine deutliche Häufung von 5,6 % beim Gesamtkollektiv aller ope-rierten Adipositaspatienten. Zurzzeit sind in Deutschland 60 % der Bevölkerung übergewichtig (BMI >25 kg/m2) mit zunehmender Tendenz, wobei erstmals weltweit die übergewichtigen Menschen die Zahl der Hungernden übersteigt [3]. Prognosen zeigen, dass im Jahre 2040 die Hälfte der erwachsenen Weltbevölkerung einen BMI >30 kg/m2 haben werden.

Im Jahr 1991 kam das Consensus Panel des National Institute of Health (NIH) zu dem Schluss, dass die Adipositaschirurgie die einzige effektive Behandlung für eine langfristige Gewichtsreduktion bei morbi-der Adipositas (BMI >40kg/m2 oder BMI >35 kg/m2 mit Komorbiditäten) ist. Durch

ZusammenfassungDie morbide Adipositas nimmt weltweit massiv zu und schränkt vor allem durch die verge-sellschafteten Komorbiditäten die Lebenserwartung deutlich ein. Da die rein konservativen Verfahren insbesondere bei der morbiden Adipositas wenig Chancen zur dauerhaften und effektiven Gewichtsreduktion bieten, wurden unterschiedliche Operationsverfahren ent-wickelt, mit deren Hilfe bis zu 80 % des Übergewichtes verloren werden kann, um so die morbide Adipositas zu verlassen.

Schlüsselwörter: Morbide Adipositas, metabolische Chirurgie, Magenbypass

Surgical treatment of morbid obesity and its sequelaeSummaryMorbid obesity is increasing dramatically worldwide, significantly limiting life expectancy due to the associated comorbidities. Since purely conservative treatment measures offer limited chances of permanent and effective weight reduction, various surgical techniques have been developed. With these techniques, 80 % of overweight can be reduced, offering a means of permanently resolving morbid obesity.

Keywords: morbid obesity, metabolic surgery, gastric bypass

die postoperativ einsetzende massive Gewichtsreduktion mit teilweiser Halbie-rung des anfänglichem Körpergewichts reduzieren sich die vergesellschaften Nebenerkrankungen so stark, dass man mittlerweile weniger von Adipositaschir-urgie, sondern viel mehr von metaboli-scher Chirurgie spricht [4].

Adipositaschirurgie

Bei der morbiden Adipositas besteht die eindeutige Indikation zur dauerhaften und effektiven Gewichtsreduktion, um so die Fünf-Jahressterblichkeitsrate, die bei einem BMI >40 kg/m2 um das 60-fache erhöht ist, auf einen fast normalen Wert zu reduzie-ren. Die Adipositaschirurgie stellt zurzeit die effektivste Maßnahme zur Behandlung der morbiden Adipositas dar, dies gilt sowohl für die Nachhaltigkeit (also kein Jojo-Effekt mit ständigem Wechsel von Ab- und Zunahme des Gewichts) als auch für das Ausmaß der Gewichtsreduktion. Das Ausmaß der Beeinträchtigung der Lebens-erwartung und der Lebensqualität darf nicht unterschätzt werden. Es gilt trotz der häufig vorliegenden Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit der morbid adipösen Patienten eine sehr sorgfältige Auswahl der Patienten und der unterschiedlichen Ope-rationsverfahren zu treffen. Hier bedarf es ausführlicher Gespräche und guter Vorin-formationen der Patienten, um so die rich-tige Auswahl unter Berücksichtigung der speziellen Chancen und Risiken treffen zu können.

Die Adipositaschirurgie führt zu einer durchschnittlichen Reduktion von 45- 70 % des Übergewichtes bezogen auf das Ausgangsgewicht, im Gegensatz zu etwa 10 % vom Ausgangsgewicht bei nicht-chi-rurgischen Therapien [5, 6]. Ebenso wer-den die zahlreichen Begleiterkrankungen und somit die Lebensqualität deutlich ver-bessert.

Als Kontraindikationen für einen adi-positaschirurgischen Eingriff gelten:• instabile oder schwere koronare Arte-

rienerkrankung,• schwere Lungenerkrankung, wobei eine

maskenpflichtige OSAS nicht dazu gezählt wird,

• Pfortaderhypertonie mit gastrischen bzw. intestinalen Varizen,

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ÜBERSICHTSARBEITEN

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• ausgeprägte Immunsuppression,• Unfähigkeit, die Grundprinzipien der

Adipositaschirurgie zu verstehen, • mangelnde Compliance und Unfähig-

keit, die postoperativen Anweisungen zu befolgen.

Operationsverfahren

Es gibt verschiedene Operationsverfahren. Dazu gehören: „rein restriktive“, oder „teils restriktive und mäßig malabsorp-tive“ und selten „rein malabsorptive“.

Magenband

Das derzeitige, rein restriktive Verfahren ist das laparoskopische Magenband (LAGB). Dabei wird ein mit Kochsalz gefülltes Band kurz unterhalb des Mageneingangs um den Magen geschlungen, somit entsteht ein klei-ner Vormagen (20 ml). An das Magenband (Abb. 1) ist eine subkutan liegende Port-kammer angeschlossen, darüber kann der Stenosegrad des Magenbandes eingestellt werden. Letztendlich kommt es bei der Fül-lung des Vormagens zu einem Völle- bzw. Sättigungsgefühl. „Sanduhrartig“ zeitver-setzt gelangt der Speisebrei in den darunter liegenden Restmagen. Mit dem Magenband können etwa 50 % des Übergewichts abge-nommen werden. Bei der Operation han-delt es sich um einen Eingriff von circa 30 Minuten Dauer. Die Hauptprobleme nach der Implantation eines Magenbandes sind neben der Migrationsgefahr und der

Dilatation des Vormagen (Pouchdilatation) das rezidivierende Erbrechen [7].

Magenbypass

Beim Roux-en-Y-Magenbypass handelt es sich um einen Kombinationseingriff, der sowohl restriktiv als auch malabsorptiv arbeitet (Abb. 2). Es wird mittels Klammer-nahtgeräten ein Vormagen (20 ml) geschaf-fen und so restriktiv die Menge der Nah-rungsaufnahme reduziert. Nun wird das Jejunum 50 cm hinter dem Treitzschen Band durchgetrennt und der aborale Anteil mit dem Magenpouch anastomosiert. Der orale Anteil des Jejunums, auch biliopank-reatischer Schenkel genannt, wird erst 150 cm distal der oberen Anastomose, der Gastrojejunostomie, anastomosiert. So ent-steht eine Y-Anastomose. Dies ist die mal-absorptive Komponente, bei der circa in der Summe 200 cm Dünndarm aus der Nah-rungsmittelresorption „herausgenommen“ werden. Das hat einen doppelten Effekt, weil die geringe Menge, die gegessen wer-den kann, nur noch zu 70 % resorbiert wird. Mit dieser laparoskopischen Opera-tion, welche rund 90 Minuten dauert, kön-nen circa 70 % des Übergewichts abgenom-men werden. Bei den Komplikationen muss man Früh- von Spätkomplikationen unter-scheiden. Zu den Frühkomplikationen zäh-len in erster Linie die Anastomoseninsuffi-zienz und die operative Nachblutung. Zu

den Spätkomplikationen gehören die Anas-tomosenstenose und das Dumping, also die Sturzentleerung von Nahrungsbrei. Sowohl die Spätkomplikationen als auch die not-wendige lebenslange Supplementation von Vitaminen (Vitamin B12-Injektionen) und Spurenelementen müssen ausführlich und mehrfach mit den Patienten, auch präope-rativ, besprochen werden [8-10].

Sleevegastrektomie

Ein weiteres Verfahren ist die alleinige Sleevegastrektomie (Abb. 3), der soge-nannte Magenschlauch. Hierbei wird am Magenantrum beginnend kleinkurvatur-seitig ein circa 3-5 cm breiter Schlauchma-gen gebildet, somit wird ein Großteil des Magens entfernt. Unterstützt wird der restriktive Effekt der Operation durch die damit verbundene Entfernung des Magenfundus, in welchem das Hunger-hormon Ghrelin (growth hormone release inducing) größtenteils gebildet wird. Das Fassungsvermögen des Magens und das Hungergefühl werden insbeson-dere zu Anfang drastisch eingeschränkt, sodass man bei diesem Operationsver-fahren 60 % des Übergewichts abnehmen kann. Die Hauptkomplikationen dieses circa 60-minütigen laparoskopischen Engriffes liegen in der Anastomosen-insuffizienz und der Anastomosenste-nose. Da es sich beim Schlauchmagen intragastral im Gegensatz zum Magenby-pass um eine sogenannte Hochdruckzone handelt, kann die Behandlung dieser Insuffizienzen zu Problemen führen [11-13]. Die Mortalität beträgt 0,7 %.

Abb. 1Schematische Darstellung des Magenbandes.

Abb. 2Schematische Darstellung des Roux-en-Y-Magenbypasses. (Quelle von Abb. 1-3: Covidien Deutschland GmbH)

Abb. 3Schematische Darstellung der Sleeve-gastrektomie.

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ÜBERSICHTSARBEITEN

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Biliopankreatische Diversion (BPD) mit oder ohne Duodenalswitch (DS)

Die vermehrt malabsorptiven Verfahren, die biliopankreatische Diversion mit oder ohne Duodenalswitsch, führen zu einer erheblichen Malabsorption und somit zum größtmöglichen Gewichtsverlust. Auf-grund der erhöhten Komplexität der Ein-griffe werden diese Verfahren häufig zwei-zeitig durchgeführt, wobei erst im zweiten Schritt die stark malabsorptive Kompo-nente erfolgt, bei der im Gegensatz zum Magenbypass nur circa 50 cm des distalen Ileums als gemeinsamer Schenkel erhalten wird. Der Rest wird überbrückt. Bei diesen Operationen ist die Anzahl der Komplika-tionen höher (Mortalität bis 1,6 %), wobei insbesondere die Supplementation sehr umfangreich durchgeführt werden muss. Dies erfordert eine lebenslange hohe Com-pliance der Patienten. Darüber hinaus kla-gen die Patienten über sehr übelriechende Flatulenzen, die ein öffentliches Leben sehr erschweren können [14].

Der postoperative Verlauf

Nach der bariatrischen Operation erfolgt fast immer eine rapide postoperative Gewichtsreduktion. Die vorher bestehen-den Komorbiditäten reduzieren sich eben-falls rapide, sodass zum Beispiel beim Dia-betes mellitus Typ 2 schon nach ein bis zwei Wochen die Medikation deutlich reduziert werden muss. Bei Patienten mit einem medikamentös eingestellten Hyper-tonus kann eine Hypotonie auftreten, des-halb bedarf es einer Neueinstellung der Blutdruckmedikation. Die Verbesserungen bei der obstruktiven Schlafapnoe (OSAS) treten erst nach deutlicher Gewichtsreduk-tion auf und sollten nach drei bis sechs Monaten kontrolliert werden.

Die Nachsorge nach der Operation beinhaltet auch die Supplementation von Spurenelementen und Vitaminen. Das Risiko für Mangelerkrankungen erhöht sich mit der malabsorptiven Komponente des jeweiligen Operationsverfahrens. Beim Magenbypass liegt das Risiko im mittleren Bereich. Die Feststellung des Mikronähr-stoffstatus sollte sechs Monate nach der

Operation und mindestens einmal pro Jahr danach wiederholt werden und den Status in Bezug auf Eisen, Vitamin B12, Folat und Vitamin D umfassen. Alle adipositaschir-urgischen Patienten sollten täglich eine Multivitamin- und Kalziumsubstitution mit Vitamin-D-Zusatz einnehmen.

Nach besonders anfangs massiver Gewichtsreduktion in der „Honeymoon-Phase“ können Patienten ein bis zwei Jahre nach dem Eingriff in alte Verhaltens-muster mit entsprechendem Essverhalten und bewegungsarmen Lebensstil zurück-fallen. Ebenso bedarf es nach massiver Gewichtsreduktion und der begleitenden Lebensveränderung einer weitreichenden psychologischen und emotionalen Umstellung. Hilfreich ist hier die aktive und langfristige Eingliederung in eine hei-matnahe Selbsthilfegruppe (SHG) Adipo-sitas. Weiterhin muss von den Patienten ab vier Wochen nach der Operation eine sportliche Aktivität gefordert werden. Hier ist eine Frequenz von dreimal pro Woche und eine Dauer von jeweils min-destens einer Stunde zu verlangen, wobei der Sport sowohl Kraftsport (Muskelauf-bau) als auch Ausdauersport (Kalorienver-brauch) zu ähnlichen Teilen beinhalten sollte. Es empfiehlt sich besonders zu Anfang die Verordnung von Reha-Sport. Für diese umfassende, teils lebenslange Nachsorge ist ein multidisziplinäres Team aus Ärzten (z.B. plastische Hautstraffung), Ernährungsberatern und Psychologen am besten geeignet, um den langfristigen Anforderungen in Bezug auf die medizini-sche ernährungs- und verhaltenstherapeu-tische Betreuung von adipostaschirurgisch operierten Patienten nachzukommen.

Fazit

Die morbide Adipositas nimmt weltweit massiv zu und schränkt vor allem durch die vergesellschafteten Komorbiditäten die Lebenserwartung deutlich ein. Da die rein konservativen Verfahren insbesondere bei der morbiden Adipositas wenig Chancen zur dauerhaften und effektiven Gewichts-reduktion bieten, wurden unterschiedli-che Operationsverfahren entwickelt, mit deren Hilfe bis zu 80 % des Übergewichtes verloren werden kann, um so die morbide Adipositas zu verlassen. Hierbei geht es

primär nicht um den Gewichtsverlust, sondern um die deutlichen Verbesserun-gen der Komorbiditäten, sodass man eher von metabolischer Chirurgie und nicht primär von reiner Adipositaschirurgie sprechen sollte.

Literatur

1. AWF-Richtlinien der Deutschen Adipositasge-sellschaft: www.adipositasgesellschaft.de

2. Hauner H: Evidenzbasierte Therapie der Adipo-sitas. Internist 2006;47:159-170.

3. National Institutes of health: National Institute of health consensus Development Conference Statement. Am J Clin Nutr 1992;55:487-619.

4. Buchwald H, Avidor Y, Braunwald E, et al.: Bariat-ric surgery: A systematic review and meta-analy-sis. JAMA 2004;292:1724-1737.

5. NHLBJ Obesity Education Initiative Expert Panel on the Identification Evaluation and Treatment of Overweight and Obesity in Adults. Obes Res 1998;6 (suppl 2):51S-209S.

6. Padwal R,Li SK, Lau DCW: Long-termpharmaco-therapy for obesity and overweight. Cochrane Database Syst Rev 2004;2.Art No.D004094.

7. Vertruyen M: Experience with Lap-Band System up to 7 years. Obes Surg 2002;12:569-572.

8. Bachlar A, Federle MP, Pealer KM, Ikramuddin S, et al.: Gastrointestinal complcations of laparosco-pic Roux-en-Y gastric bypass surgery: clinicl and imaging findings. Radiology 2000;223:625-632.

9. Brolin RE. Complications of surgery for morbid obesity. Probl Gen Surg 2000;17:55-61.

10. Gagner M, Gentileschi P, De Csepel J, Kini S, Patterson E, Inabnet WB, et al.: Laparoscopic reoperative bariaty surgery: experience from 27 consecutive patients. Obes Surg 2002;12:254-260.

11. Adami GF, Cordera R, Marinari G, Laqmerini G, Andrahetti G, Scopinaro N.: Plasma ghrelin con-centration in the short-term following biliopan-creatic diversion. Obes Surg 2003;13:889-892.

12. Baltasar A, Serra C, Perez N, Bou R, Bengochea M, Ferri L.: Laparoscopic sleeve gastrectomy: a multi-purpose bariatric operation. Obes Surg 2005;15:1124-1128.

13. Cummings DE, Weigle DS, Frayo RS, et al.: Plasma ghrelin levels after diet-induced weight loss or gastric bypass surgery. N Engl J Med 2002;346:1623–1630.

14. Adami GF, Campostano A, Gandolfo P, Marinari G, Bessarione D, Scopinaro N: Body composition and energy expenditure in obese patients prior to an following biliopancreatic diversion for obe-sity. Eur Surg Res 1998;28:295-298.

KorrespondenzadresseDr. med. Clemens KnappmannKlinik für Allgemein- und ViszeralchirurgieAdipositaszentrum, Klinikum IbbenbürenGroße Straße 4149477 IbbenbürenE-Mail: [email protected]

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Das Noonan-SyndromS. Pauli1, B. Zoll1, M. Zenker2

1 Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Göttingen, Göttingen, Deutschland 2 Institut für Humangenetik, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Deutschland

Klinik des Noonan-Syndroms

Das Noonan-Syndrom (OMIM 163950) ist ein autosomal dominant vererbtes Fehlbildungssyndrom, welches erstmals durch Noonan und Ehmke 1963 beschrie-ben wurde [1]. Das Noonan-Syndrom zählt mit einer Prävalenz von 1:1000 – 1:2500 zu den vergleichsweise häufig auf-tretenden Fehlbildungssyndromen [2, 3]. Typische klinische Symptome sind ange-borene Herzfehler, ein Kleinwuchs und

faziale Dysmorphien [4, 5]. Unter den Herzfehlern findet man vor allem Pulmo-nalklappenstenosen, Vorhofseptum-defekte oder hypertrophe Kardiomyopa-thien. In seltenen Fällen sind andere Herzfehler wie eine Aortenstenose, Atrio-ventrikularklappenanomalien oder kom-plexe Herzfehler wie eine Fallot-Tetralogie beschrieben worden [6]. Zu den fazialen Dysmorphien, die zu den charakteristi-schen Gesichtszügen bei Noonan-Syn-drom-Patienten führen, gehören ein hoher

ZusammenfassungDas Noonan-Syndrom zählt mit einer Prävalenz von ca. 1:1000-2500 zu den häufiger vor-kommenden Fehlbildungssyndromen. Zu den typischen klinischen Manifestationen gehö-ren neben fazialen Dysmorphien, angeborenen Herzfehlern, einem Kleinwuchs, Entwick-lungsstörungen, Deformationen des Brustkorbs und hämatologischen Auffälligkeiten auch Störungen im Lymphsystem. Darüber hinaus wird ein erhöhtes Risiko für Tumorerkrankun-gen, insbesondere der juvenilen myelomonozytären Leukämie (JMML), beschrieben. Das Noonan-Syndrom zählt zusammen mit dem LEOPARD-, dem Costello-, dem Cardio-Fazio-Cutanen (CFC)-Syndrom, der Neurofibromatose Typ 1 und dem Legius-Syndrom zu den sogenannten Rasopathien. Die gemeinsame pathogenetische Grundlage dieser Gruppe ist eine durch pathogene Mutationen hervorgerufene Überaktivierung der RAS-Signalkaskade, einer Aktivierungskette mit Bedeutung für Zellproliferation, Differenzierung und Apoptose. In diesem Artikel geben wir einen Überblick über das klinische Erscheinungsbild des Noo-nan-Syndroms und verwandter Erkrankungen. Weiterhin geben wir einen Überblick über neu identifizierte Gene, die im mutierten Zustand mit einem Noonan-Syndrom in Verbin-dung gebracht werden, und erörtern gegenwärtige molekulare und pathologische Aspekte des Noonan-Syndroms.

Schlüsselwörter: Noonan-Syndrom, Rasopathien, RAS-Signalweg, Lymphödem

Noonan syndromeSummaryNoonan syndrome is a congenital disorder with an estimated prevalence of 1 in 1000-2500. The disorder is characterized by dysmorphic facial features, congenital heart defects, short stature, developmental delay, pectus deformities, hematological abnormalities and lym-phatic disorders such as lymphedema. Noonan syndrome is also associated with a higher risk of myeloproliferative diseases such as juvenile myelomonocytic leukemia (JMML). Together with LEOPARD, Costello, cardiofacio-cutaneous (CFC) syndrome, neurofibromato-sis type I and Legius syndromes, Noonan syndrome is classified as one of the „RASopathies“. The RASopathies are a clinically related group of developmental syndromes caused by genetic mutations that lead to an activation of the RAS signaling pathway. In this review, we describe the clinical aspects of Noonan syndrome and related disorders. We summarize the novel genes that have been reported to be associated with Noonan syndrome and highlight the pathophysiology and molecular aspects of this malformation syndrome.

Keywords: Noonan syndrome, rasopathy, RAS signalling pathway, lymphedema

Stirnhaaransatz, ein Hypertelorismus, eine Ptose, nach lateral abfallende Lidachsen und tief sitzende Ohren. Weitere Symp-tome wie zum Beispiel ein verbreiterter Nacken, Deformationen des Brustkorbs, hämatologische Auffälligkeiten, Lymph-ödeme bzw. Fehlbildungen des lymphati-schen Systems [6, 7] und Lernschwierig-keiten oder leichte kognitive Defizite sind häufig mit diesem Fehlbildungssyndrom assoziiert. Der Pubertätseintritt wird zumeist verzögert erreicht [8], und männ-liche Patienten weisen häufig einen Krypt-orchismus auf [6]. Pigmentstörungen, zum Beispiel multiple pigmentierte Naevi, Lentigines und/oder Café-au-lait-Flecken, können im Rahmen des Noonan-Syn-droms vorkommen. Weitere Hautauffäl-ligkeiten wie die Keratosis pilaris sind ebenfalls beschrieben [9]. Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Leukämien, insbesondere für die juvenile myelomonozytäre Leukämie (JMML), und für Riesenzelltumoren der Kieferknochen [10].

Molekulargenetik des Noonan-Syndroms

Beim Noonan-Syndrom handelt es sich um eine genetisch heterogene Erkran-kung, die zumeist durch Neumutationen, aber auch in seltenen Fällen auf familiär vorkommende Mutationen, zurückzufüh-ren ist. Keimbahn-Mutationen in den Genen PTPN11, SOS1, SOS2, KRAS, NRAS, RAF1, SHOC2, BRAF, MEK1, CBL, RIT1, RASA2 und LZTR1 wurden als ursächlich bei Noonan-Syndrom-Patien-ten beschrieben [11-25]. Die Produkte dieser Gene sind Komponenten oder Modulatoren des sogenannten RAS-Sig-nalweges (s.u.). Am häufigsten sind beim Noonan-Syndrom Mutationen in den Genen PTPN11, SOS1, RAF1 und RIT1.

In circa 50 % der Patienten mit Noo-nan-Syndrom kann eine heterozygote Mutation im PTPN11-Gen identifiziert werden [11, 26]. PTPN11 codiert für das Protein SHP-2 (Src-homology tyrosine phosphatase 2), eine Tyrosinphosphatase, die mit ihrer Adapterfunktion an der Sig-naltransduktion zwischen Rezeptor und RAS-Proteinen im RAS-Signalweg betei-ligt ist. SHP-2 weist N-terminal zwei tan-

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ÜBERSICHTSARBEITEN

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demartige SH2-Domänen (N-SH2 und C-SH2) und C-terminal eine katalytische Protein-Phosphatasedomäne (PTP) auf. Die katalytische Aktivität von SHP-2 wird durch einen autoinhibitorischen Mecha-nismus gesteuert, indem N-SH2 und PTP durch eine intramolekulare Interaktion binden [27]. Noonan-Syndrom verursa-chende PTPN11-Mutationen sind vor-nehmlich Missense-Mutationen, die die autoinhibitorische Funktion des SHP2-Proteins hemmen und damit zu einer ver-stärkten Aktivierung des RAS-Signalweges führen. Patienten mit Noonan-Syndrom aufgrund einer PTPN11-Mutation weisen häufig eine Pulmonalstenose und einen Kleinwuchs auf [6].

Am zweithäufigsten finden sich mit einem Anteil von circa 15–20 % bei Pati-enten mit Noonan-Syndrom SOS1-Muta-tionen. SOS1 codiert für einen GDP/GTP-Austauschfaktor, der die Freisetzung von GDP aus RAS-Proteinen beschleunigt und somit die Bindung von GTP an RAS-Pro-teine fördert [28]. SOS1-Mutationen bei Patienten mit Noonan-Syndrom sind ebenfalls heterozygote Gain-of-Function-Mutationen, die eine erhöhte Aktivität des RAS-Signalweges bewirken [15]. SOS1-mutationspositive Patienten zeigen weni-ger häufig einen Kleinwuchs und sind sel-tener von einer mentalen Beeinträchtigung betroffen. Der typische Herzfehler ist wie bei PTPN11-mutationstragenden Patien-ten die Pulmonalklappenstenose [6]. Im Gegensatz dazu dominiert die hypertro-phe Kardiomyopathie bei Patienten mit einer RAF1-Mutation. RAF1-Mutationen sind für circa 5–10 % der Fälle mit Noo-nan-Syndrom verantwortlich [16, 29]. Diese Patienten entwickeln häufig multi-ple Pigmentnävi [6].

Mit ähnlicher Häufigkeit (5–10 %) wer-den Mutationen in dem erst 2013 identifi-zierten Gen für Noonan-Syndrom, RIT1, gefunden [22, 30]. Klinische Besonderhei-ten der RIT1-mutationspositiven Patien-ten sind wiederum die hohe Frequenz hypertropher Kardiomyopathien, aber auch lymphatische Probleme scheinen bei diesen Patienten besonders häufig zu sein [30, 31]. Wachstums- und Entwicklungs-störungen fehlen nicht selten. Die weite-ren bekannten Gene machen nur jeweils weniger als 3 % – zum Teil unter 1 % – der Krankheitsfälle aus. Noonan-Syndrom-

Patienten mit einer KRAS-Mutation zei-gen häufig eine mentale Beeinträchtigung, und die Symptomatik weist starke Über-lappungen mit einem weiteren Syndrom aus dem RAS-Signalweg, dem CFC (Car-dio-Fazio-Cutanen)-Syndrom, auf. KRAS-Mutationen werden bei circa 2 % der Noo-nan-Syndrom-Patienten gefunden [6, 13].

In seltenen Fällen (<1 %) führen CBL-Mutationen zum Phänotyp des Noonan-Syndroms [21, 32]. CBL kodiert für ein Adapterprotein mit einer Ubiquitin-Ligase-Aktivität. Durch die Ubiquitinie-rung von aktiven Tyrosinkinase-Rezepto-ren kommt es zur Degradierung des Rezeptors und damit zu einer Unterbre-chung des Signalflusses. Patienten mit einer CBL-Mutation zeigen häufig einen unspezifischeren Phänotyp und weisen ein erhöhtes Risiko für eine JMML auf [21, 32, 33]. Ebenfalls selten finden sich Mutatio-nen im SHOC2-Gen, welches an der Akti-vierung der Kinase RAF1 beteiligt ist. SHOC2-Mutationen sind mit einer kli-nisch vom Noonan-Syndrom unterscheid-baren Variante, dem sogenannten Noo-nan-Syndrome with loose anagen hair, assoziiert. Diese Patienten weisen neben den typischen Noonan-Syndrom-Merk-malen Haaranomalien auf [19]. In selte-nen Fällen können Mutationen in weiteren Genen, die am RAS-Signalweg beteiligt sind, gefunden werden. All diesen Mutati-

onen gemeinsam ist eine Überaktivierung der RAS-Signalkaskade.

Der RAS-Signalweg

Der RAS-Signalweg (Abb. 1) stellt eine Aktivierungskette mit Bedeutung für Zellproliferation, Differenzierung und Apoptose dar. Die RAS-Signalkaskade kann durch verschiedene Wachstumsfak-toren wie zum Beispiel EGF (epidermal growth factor) oder PDGF (platelet deri-ved growth factor), Zytokine oder Hor-mone aktiviert werden. Der Hauptweg dieser Kaskade läuft über die Moleküle PTPN11 (SHP-2), SOS1, RAS, BRAF/RAF1, MEK1/2 und ERK. Nach Bin-dung des extrazellulären Stimulus an einen Tyrosinkinase-Rezeptor kommt es zur Phosphorylierung von Tyrosinresten des intrazellulären Rezeptorteils. Phos-photyrosine dienen als Andockstelle für verschiedene Adapterproteine wie zum Beispiel das Protein GRB2. GRB2 seiner-seits rekrutiert den Guaninnukleotidaus-tauschfaktor SOS1 (son of sevenless homo-log 1). Guaninnukleotidaustauschfaktoren bewirken den Austausch von GDP (Gua-nosindiphosphat) zu GTP (Guanosintri-phosphat) und somit eine Aktivierung von RAS-Proteinen. RAS-Proteine, zu denen unter anderem KRAS, HRAS, NRAS und RRAS zählen, stellen Guanin-

Zellmembran

Wachstumsfaktor

RezeptorSHP2

SHC

CBL

SOSGRB2

GAB2

RAS‐GDP

RAS‐GTP

inaktiv

aktiv

NF1

SHOC2 SPRED1

BRAFRAF1

MEK1/2

ERK

ZellkernTranskription

NoonanCBLPTPN11SOS1/2KRASNRASSHOC2RAF1BRAFMEK1

NF1/NFNSNF1

LegiusSPRED1

CFCKRASBRAFMEK1MEK2

CostelloHRAS

KRASHRASNRASRRAS

LEOPARDPTPN11RAF1

Abb.1: Der RAS-SignalwegAbb. 1Der RAS-Signalweg.

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nukleotid bindende Proteine dar, die im GTP-gebundenen aktiven Zustand oder im GDP-gebundenen inaktiven Zustand vorliegen können. Gegenspieler des SOS1-Proteins ist das Neurofibromin, welches zu den GTPase aktivierenden Proteinen zählt und somit zu einer Hemmung des nach-geschalteten Signalweges führt. Aktivierte, GTP-gebundene RAS-Proteine aktivieren wiederum die RAF-MEK-ERK-Kaskade. Diese Aktivierung ist durch eine Serie nacheinander ablaufender Phosphorylie-rungen gekennzeichnet. Die Phosphory-lierung von ERK führt zur Aktivierung und zum Eintritt des phosphorylierten ERKs in den Zellkern, wo durch weitere Phosphorylierungen Transkriptionsfakto-ren entweder direkt oder indirekt reguliert werden.

Noonan-Syndrom und verwandte Krankheitsbilder – die sogenannten Rasopathien

Keimbahnmutationen in Genen des RAS-Signalweges sind nicht nur als Ursache des Noonan-Syndroms beschrieben worden, sondern können zu den phänotypisch ähnlichen Syndromen LEOPARD-, Costello-, Cardio-Facio-Cutanem (CFC)-Syndrom, Neurofibromatose Typ1 und Legius-Syndrom führen. Diese Erkran-kungen mit klinisch überlappenden Phä-notypen werden als sogenannte Rasopa-thien zusammengefasst (Abb. 1).

LEOPARD-Syndrom (Noonan- Syndrom mit multiplen Lentigines)

Der Begriff LEOPARD stellt ein Akronym dar und beschreibt die Symptomatik Len-tigines, EKG-Abnormalitäten, okulärer Hypertelorismus, Pulmonalstenose, abnormes Genitale (gemeint ist z. B. ein Kryptorchismus), Retardierung des Wachstums und sensorineurale Schwer-hörigkeit (engl. deafness). Das LEOPARD-Syndrom ähnelt in seiner klinischen Aus-prägung sehr dem Noonan-Syndrom. Die Bezeichnung Noonan-Syndrom mit multi-plen Lentigines wird inzwischen von vie-len Experten vorgezogen. Die klinische Unterscheidung gelingt durch das Vor-kommen multipler Lentigines und einer Schwerhörigkeit (circa 20 % der Betroffe-

nen), beides Symptome die sich erst im Verlauf der Kindheit entwickeln und somit eine Abgrenzung im frühen Kindesalter häufig unmöglich machen [18]. Ursäch-lich sind bestimmte PTPN11-Mutationen, die spezifische funktionelle Auswirkungen haben. Auch RAF1-Mutationen wurden vereinzelt bei Patienten mit einem LEO-PARD-Phänotyp beschrieben [29, 34].

Costello-Syndrom

Beim Costello-Syndrom handelt es sich um eine seltene, in der Regel sporadisch auftretende Erkrankung, welche durch kra-niofaziale Auffälligkeiten, angeborene Herzfehler, Kleinwuchs und eine Entwick-lungsverzögerung gekennzeichnet ist. Die Kinder kommen zumeist mit einem erhöh-ten Geburtsgewicht zur Welt, fallen dann aber durch eine ausgeprägte Ernährungs-und Gedeihstörung auf. Neben einem Makrozephalus findet man typischerweise faziale Dysmorphien in Form eines Hyper-telorismus, eines Epikanthus, tief ansetzen-der, nach hinten rotierter Ohren, einer prominenten Unterlippe, spärlicher locki-ger Haare und eines kurzen Nackens. Cha-rakteristisch für das Costello Syndrom ist zusätzlich eine weiche, überschüssig wir-kende Haut, die an den Händen und Füßen zu tiefen Palmar- und Plantarfurchen füh-ren kann [35]. Zusätzlich besteht für Pati-enten mit einem Costello-Syndrom ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Tumoren, insbesondere von Rhabdo-myosarkomen, Neuroblastomen, Blasentu-moren und Papillomen [36]. Ursächlich für das Costello-Syndrom sind Missense-Mutationen im HRAS-Gen [37, 38].

Cardio-Fazio-Cutanes Syndrom (CFC)

Auch beim CFC-Syndrom weisen die Pati-enten häufig einen Herzfehler, einen Kleinwuchs, Ernährungs- und Gedeihstö-rungen, und Noonan-Syndrom ähnliche faziale Dysmorphien auf. Die mentale Beeinträchtigung ist sehr viel ausgeprägter als beim Noonan-Syndrom. Krampfan-fälle kommen bei etwa der Hälfte der Betroffenen vor. Charakteristisch sind auch ektodermale Auffälligkeiten, wie spärliche oder fehlende Augenbrauen, lockiges, leicht brüchiges und spärliches

Kopfhaar sowie trockene und hyperkera-totische Haut (Keratosis pilaris) [39]. Bei den meisten Patienten mit einem CFC-Syndrom werden die Symptome durch Mutationen im BRAF-Gen, gefolgt von Mutationen im MEK1- und MEK2-Gen, selten auch durch KRAS-Mutationen ver-ursacht [40].

Neurofibromatose Typ1 (NF1) und NF1-Noonan-Syndrom (NFNS)

Die Neurofibromatose Typ1 ist durch das Auftreten von Café-au-lait-Flecken, Neu-rofibromen, Sommersprossenzeichnung (Freckling) in den Achselhöhlen oder der Leiste, Optikusgliomen und Lisch-Knöt-chen gekennzeichnet. Zusätzlich können eine Skoliose sowie Lern-Leistungs- und Verhaltensstörungen vorkommen [41]. Der Basisdefekt betrifft das NF1-Gen-Pro-dukt, das Neurofibromin. Die heterozygo-ten NF1-Mutationen haben einen Funkti-onsverlust zur Folge. Da das Genprodukt Neurofibromin die RAS-Inaktivierung beschleunigt, rufen Mutationen, die einen Funktionsverlust von NF1 zur Folge haben, ebenso wie die oben genannte Gain-of-Function-Mutationen des Noonan-Syn-droms, LEOPARD-, Costello- und CFC-Syndroms, eine Aktivierung des RAS-Signalweges hervor. Für Patienten mit NF1, deren äußerlicher Phänotyp sehr dem der Noonan Patienten ähnelt, wurde der Begriff NF1-Noonan-Syndrom (NFNS) geprägt. Auch diese Patienten wei-sen Mutationen im NF1-Gen auf, sodass es sich bei dieser Ausprägung nicht um ein eigenständiges Krankheitsbild, sondern um eine Variante im phänotypischen Spek-trum der Neurofibromatose handelt [42].

Legius-Syndrom

Das Legius-Syndrom ist durch einen Sym-ptomkomplex bestehend aus multiplen Café-au-lait-Flecken, Sommersprossen-zeichnung in den Achselhöhlen, Makroze-phalie und fazialen Auffälligkeiten im Sinne des Noonan-Syndroms gekenn-zeichnet. Ursächlich sind Mutationen im SPRED1-Gen [43]. In Abgrenzung zur Neurofibromatose sind mit dem Legius-Syndrom keine Neurofibrome, Irisknöt-chen oder Tumoren des Nervensystems assoziiert [44].

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ÜBERSICHTSARBEITEN

Noonan-Syndrom und Tumorerkrankungen

Den RAS-Signalweg stark aktivierende Mutationen in RAS-Genen und dem RAS-Signalweg sind schon lange als Entste-hungsmechanismus für Leukämien und einige solide Tumoren bekannt [45, 46]. Bei diesen Mutationen handelt es sich in der Regel um sogenannte somatische Mutationen, die lediglich im Tumor zu finden sind, während die für das Noonan-Syndrom verursachenden Keimbahnmutationen bei den Patienten in allen Körperzellen vorliegen und bereits pränatal bei der früh-kindlichen Entwicklung zum Tragen kommen. Somatische Missense-Mutationen im PTPN11-Gen werden circa bei einem Drittel der isolierten juvenilen myelomonozytären Leukämien gefunden und ebenfalls bei anderen hämatologischen Maligno-men, wie der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) und der akuten myeloischen Leukämie (AML), beschrieben [47, 48]. Aufgrund dieser Daten wurde vermutet, dass für Patienten mit Noonan-Syndrom bzw. einem Syndrom der oben genannten Rasopathien ein erhöhtes Risko für das Auftreten von Leukä-mien und soliden Tumoren besteht. Anhand von Einzelfallbe-richten wurde vereinfacht postuliert, dass die verschiedenen PTPN11-Mutationen ein unterschiedlich starkes Aktivierungs-potenzial auf den RAS-Signalweg ausüben. Den ausschließlich in Tumoren vorkommenden somatischen Mutationen wurde das stärkste Aktivierungspotenzial zugewiesen. Es wurde ver-mutet, dass diese Mutationen, wenn sie als Keimbahnmutation bereits während der Embryonalentwicklung vorliegen, auf-grund der starken Fehlregulation des RAS-Signalweges das Absterben des Embryos herbeiführen würden. Mutationen mit mittlerem Aktivierungspotenzial wurden als ursächlich für das kombinierte Auftreten eines Noonan-Syndroms und einer myeloproliferativen Erkrankung (MDS) oder insbesondere der JMML angesehen. Den übrigen Noonan-Syndrom verursa-chenden Mutationen wurde ein niedrigeres Aktivierungspoten-zial zugeschrieben, sodass für diese betroffenen Patienten kein hohes Tumorrisiko angenommen wurde [47].

In diesem Zusammenhang berichteten wir über ein fünfjäh-riges Mädchen, das infolge der PTPN11-Mutation p.E139D an einem Noonan-Syndrom litt. Diese Mutation führt zu einem Aminosäureaustausch von Glutaminsäure zu Asparaginsäure an Position 139 des Proteins. Die Mutation betrifft die C-SH2-Domäne. Mutationen, die mit einer erhöhten Tumorneigung in Verbindung gebracht wurden, betreffen hauptsächlich die N-SH2- und PTP-Domäne und somit den autoinhibitorischen Mechanismus des Proteins. Unsere Patientin erkrankte in ihrem zweiten Lebensjahr an einer akuten lymphatischen Leu-kämie (ALL) und entwickelte nach Remission im Alter von vier Jahren eine JMML als zweite unabhängige Tumorerkrankung. Die Charakterisierung der JMML zeigte, dass die heterozygote Keimbahnmutation p.E139D in den Tumorzellen homozygot aufgrund einer partiellen uniparentalen Disomie (UPD) vorlag (Abb. 2) [49]. Eine UPD, die in ihrer Folge zu einer Duplikation der heterozygoten PTPN11-Keimbahnmutation und somit zum homozygoten Status führt, wurde in der Literatur bereits als Ereignis, welches in Malignomen bei Patienten mit Noonan-Syndrom resultieren kann, beschrieben [50,51]. Es wurde ver-

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mutet, dass durch ein derartiges Ereignis die Aktivierung des RAS-Signalweges, die bei einer heterozygoten Mutation im intermediären Bereich liegt, in Bereiche wie sie bei somatischen Mutationen in Leukämiezellen und Tumoren vorliegt, gesteigert werden kann [52]. Zur Identifi-zierung des Tumorrisikos bei Patienten mit einem Noonan-Syndrom oder ande-ren Rasopathien wurden erste große Kohortenstudien durchgeführt. Im Rah-men einer niederländischen Studie wurde gezeigt, dass Noonan-Syndrom Patienten mit einer PTPN11-Mutation allgemein ein 3,5-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten eines Tumorleidens im Vergleich zur All-gemeinbevölkerung haben [53]. Eine deutsche Studie untersuchte das Auftreten von Tumorerkrankungen im Kindesalter (<15 Jahre) bei Patienten mit einem Noo-nan-Syndrom, Costello- und CFC-Syn-drom. Hierbei zeigte sich für die drei Raso pathien ein kombiniertes Risiko, wel-ches 10,5-fach erhöht war. Das Risiko für Patienten mit einem Noonan-Syndrom wurde mit 8,1-fach erhöht angegeben, wobei auch in dieser Studie vor allem die JMML als Tumorerkrankung auftrat [10].

Noonan-Syndrom und Anomalien des lymphatischen Systems

Anomalien und Störungen des Lymph-gefäßsystems gehören zu den charakteris-tischen Manifestationen des Noonan-Syn-

droms. Ihnen wurde allerdings in der bisherigen Literatur nur wenig Aufmerk-samkeit zuteil. Bereits pränatal können ein fetales Nackenödem, ein Hygroma colli, ein fetaler Pleuraerguss/Chylothorax oder sogar das Vollbild des Hydrops fetalis vor-kommen [7, 54-56]. Es wird vermutet, dass diese pränatalen Auffälligkeiten auf eine Entwicklungsstörung des lymphati-schen Systems (kongenitale lymphatische Dysplasie) zurückzuführen sind. Eine genaue Häufigkeitsangabe gibt es nicht. Wir gehen aber davon aus, dass bei weit über der Hälfte der Patienten mit Noonan-Syndrom ein fetales Nackenödem/Nackenhygrom auftritt. Das deckt sich mit der Beobachtung, dass das Pterygium colli, welches als Residuum eines fetalen Nackenödems anzusehen ist, ein häufiges Merkmal des Noonan-Syndroms darstellt. Seit der großen Verbreitung der fetalen Nackentransparenzmessung als Screening für ein Down-Syndrom lässt sich bei Kin-dern mit Noonan-Syndrom häufig die pränatale Anamnese eines positiven Nackenödembefundes mit nachfolgend unauffälliger Chromosomenanalyse eruie-ren. Erste Studien und eigene unveröffent-lichte Daten weisen darauf hin, dass in der Konstellation eines fetalen Nackenödems/zystischen Nackenhygroms mit unauffälli-gem Chromosomensatz in 5–10 % ein Noonan-Syndrom vorliegt. Die schwer-wiegenderen lymphatischen Komplikatio-nen beim ungeborenen Kind (fetaler Chy-lothorax, Hydrops) sind seltener. Die pränatalen Zeichen einer Lymphstauuung

können bereits intrauterin verschwinden. Manche Kinder werden aber auch noch mit Lymphödemen an Hand- und Fußrü-cken, einem Chylothorax oder auch selten generalisierten Lymphödemen geboren. In fast allen Fällen sind die perinatalen Lymph ödeme und lymphatischen Ergüsse in Körperhöhlen reversibel.

Sowohl bei Noonan-Patienten mit peri-natalen lymphatischen Anomalien/Stö-rungen als auch bei Betroffenen ohne eine solche Anamnese können lymphatische Abflusstörungen vom Kindes- bis ins Erwachsenenalter erneut oder erstmals auftreten. Lymphödeme unterschiedlicher Lokalisation, Chylothorax und intestinale Lymphangiektasien, welche zu einem chy-lösen Aszites führen können, sind bei Pati-enten mit einem Noonan Syndrom beschrieben worden [56]. Neben Lymph-ödemen der Beine (Abb. 3) sind nach eige-ner Erfahrung der Autoren auch umschriebene genitale Lymphödeme nicht selten. Ein Chylothorax kann spontan oder getriggert durch thorakale Verletzun-gen oder operative Eingriffe auftreten. Bei der Entwicklung eines Chylothorax nach Herzoperation wird vermutlich oft der Zusammenhang mit der Grunderkran-kung nicht gesehen, sondern eine Verlet-zung des Ductus thoracicus angenommen. Eine Proteinverlust-Enteropathie als Folge einer intestinalen Lymphangiektasie wurde bei mehreren Einzelfällen von Noo-nan-Syndrom beobachtet [57-59]. In einer Kohorte, die 35 Patienten mit Noonan-Syndrom (19 Frauen, 16 Männer) im Alter

p.E139D WT 2 x p.E139DPTPN11

Chr. 12 Chr. 12

Körperzelle JMMLpat mat pat mat

partielle

UPD

Abb.2: Partielle Uniparentale Disomie (UPD) als Ursache der homozygoten PTPN11Mutation p.E139D in juvenilen myelomonozytären Leukämiezellen.

Abb. 2Partielle Uniparentale Disomie (UPD) als Ursache der homozygoten PTPN11-Mutation p.E139D in juvenilen myelomonozytären Leukämie-zellen.

Abb. 3Lymphödem beim Noonan-Syndrom.

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ÜBERSICHTSARBEITEN

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von 16–68 Jahren umfasst, wurden Lymph ödeme bei 49 % der Patienten beschrieben [60], was den Eindruck unter-mauert, dass bisher die lymphatischen Probleme beim Noonan-Syndrom zu wenig beachtet wurden. Grundsätzlich scheinen die später manifestierenden lym-phatischen Störungen bei Patienten mit Noonan-Syndrom im Gegensatz zu den prä- und perinatalen Manifestationen schwer therapierbar und mit einem hohen Risiko für Rezidive und Chronifizierung verbunden zu sein, sodass lymphatische Komplikationen bei Erwachsenen mit Noonan-Syndrom nicht unerheblich zur Morbidität beitragen. Die Prädisposition für lymphatische Erkrankungen gilt grundsätzlich für alle Typen der Rasopa-thien und alle bekannten Genveränderun-gen. Erste Erkenntnisse weisen darauf hin, dass Patienten mit RIT1-Mutationen innerhalb der heterogenen Erkrankungs-gruppe mit einem besonderen Risiko für lymphatische Manifestationen belastet sind (Kouz et al.; Manuskript in Vorbereitung).

Die genaue Pathogenese und Patho-physiologie der lymphatischen Dysplasie bei Rasopoathien ist bis heute unzurei-chend erforscht. Bei der embryonalen Ent-wicklung des Blut- und Lymphgefäßsys-tems (Lymphangiogenese), aber auch beim späteren Wachstum des Lymphge-fäßsystems, spielen vaskuläre Wachstums-faktoren (vascular endothelial growth fac-tor, VEGF), insbesondere der VEGF-C und dessen Rezeptor (VEGFR-3), eine zentrale Rolle. Eine fehlende oder über-schießende Lymphangiogenese kann ursächlich für eine Reihe von Erkrankun-gen, unter anderem auch der Ausbildung von Lymphödemen, sein [61]. Da die VEGF-C/VEGFR-3-Signalkaskade enge Verbindungen zum PI3K-AKT und RAS-Signalweg hat, wird vermutet, dass über diesen molekularen Mechanismus eine Fehlregulierung spezifischer Zielgene und somit die Ausbildung von Lymphödemen bei Patienten mit Mutationen im RAS-Signalweg zu erklären sind [62].

Neue Gene

Keimbahn-Mutationen in den Genen PTPN11, SOS1, KRAS, NRAS, RAF1, SHOC2, BRAF, MEK1 und CBL werden in

circa 75 %-80 % der Noonan-Patienten gefunden [25, 63]. Um eine Ursache bei den verbleibenden 20 % zu identifizieren, wurden in den letzten Jahren zunehmend Exom-Sequenzierungen (WES: whole-exome sequencing) bei Patienten, die keine Mutation in einem der oben genannten Gene aufweisen, durchgeführt. Die Exom-sequenzierung ist eine genetische Unter-suchung, bei der die kodierenden Bereiche aller bisher bekannten Gene (Exom) ana-lysiert werden. Aus der DNA-Probe wer-den zunächst alle kodierenden Bereiche des menschlichen Genoms angereichert und anschließend jede einzelne Base mit-tels Hochdurchsatz-Sequenzierung unter-sucht. Dabei fanden zwei Vorgehenswei-sen Anwendung: Die sogenannte De-novo-Strategie und die Analyse einer Studien-Kohorte. Bei der De-novo-Strate-gie erfolgt eine Exom-Sequenzierung bei jeweils einem Trio, bestehend aus beiden gesunden Elternteilen und dem betroffe-nen Kind. Die Exomdaten werden gegen-einander abgeglichen und die Mutationen, die nur beim Kind vorliegen (de novo ent-standen sind), werden im weiteren Verlauf berücksichtigt. Bei der Untersuchung einer Kohorte werden Kandidatengene identifiziert, indem bei Patienten mit dem gleichen oder ähnlichen Phänotyp Mutati-onen im gleichen Gen gefunden werden. Über diese Strategie konnten Mutationen in den Genen RIT1, RASA2, SOS2, LZTR1 und A2ML1 als seltene Ursachen des Noo-nan-Syndroms beschrieben werden [22, 23, 25, 64]. Während für die Gene RIT1, RASA2 und SOS2 ein klarer Bezug zum RAS-Signalweg besteht, wird für A2ML1 eine Funktion upstream der Signalkaskade angenommen. Für LZTR1 werden weitere funktionelle Studien benötigt, um die Rolle im RAS-Signalweg zu erschließen.

Schlussbemerkungen

Mit einer Prävalenz von eins auf 1000–2500 handelt es sich beim Noonan-Syn-drom um ein häufig vorkommendes Fehl-bi ldungssyndrom. Die k l inische Ausprägung kann stark variieren. In der Regel ist jedoch ein multidisziplinäres Management nötig, das häufig eine kar-diologische Therapie und Nachsorge, ein Wachstumsmonitoring, Frühfördermaß-

nahmen und allgemein internistische Untersuchungen umfasst. Lymphatische Störungen spielen beim Noonan-Syndrom eine bislang unterschätzte Rolle. Sie kön-nen für lebensbedrohliche perinatale Komplikationen verantwortlich sein und tragen nicht unerheblich zur Morbidität bei erwachsenen Patienten mit Noonan-Syndrom bei. Das Wissen um die Bedeu-tung des RAS-Signalweges beim Noonan-Syndrom und die zunehmenden Erkenntnisse aus onkologischer und tier-experimenteller Forschung in Bezug auf eine Modulierung des Aktivitätsgrades der RAS-Signalkaskade lassen hoffen, dass in Zukunft medikamentöse Therapien zur Verfügung stehen, die eine inhibitorische Wirkung auf den RAS-Signalweg ausüben und somit eine kausale Behandlung zumindest einiger Symptome ermögli-chen.

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KorrespondenzadressePD Dr. med. Silke PauliInstitut für Humangenetik,Universitätsklinikum Göttingen Heinrich-Düker-Weg 12D-37073 GöttingenE-Mail: [email protected]

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KASUISTIK

LymphForsch 19 (1) 2015 99

Umschriebener Schmerz am Amputationsstumpf – Acroangiodermatitis MaliU. Wollina1, B. Heinig2

1 Klinik für Dermatologie und Allergologie und 2 Zentrum für Physikalische und Rehabili-tative Medizin, Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt, Dresden, Deutschland

Einleitung

Beinamputierte Patienten sind auf eine gute prothetische Versorgung angewiesen, um mobil zu bleiben. Dermatosen im Bereich des Stumpfes können jedoch eine Rehabilita-tion verhindern und das Tragen der Bein-prothese erschweren oder gar unmöglich machen. Nicht ungewöhnlich sind Schmerz-sensationen. Die bekanntesten sind der Stumpfschmerz und der Phantomschmerz. Selten treten jedoch auch lokale Erkrankun-gen mit starken Schmerzen auf, die der diag-nostischen Abklärung und einer suffizienten Therapie zuzuführen sind [1-4]. Wir stellen einen solchen bemerkenswerten Fall vor.

Anamnese

Bei dem 52-jährigen Patienten musste infolge eines komplizierten Traumas eine

Unterschenkelamputation links vorge-nommen werden. Der Heilungsverlauf war komplikationslos, und der Patient wurde zur stationären Rehabilitation ein-gewiesen. Aufgrund einer lokalisierten starken Schmerzsensation am distalen Stumpf, insbesondere unter Druckbelas-tung bei angelegter Saugprothese, war die Rehabilitation gefährdet. Unter dem Ver-dacht eines Neuroms wurde der Patient dem Dermatologen vorgestellt.

Befund

HautbefundBei der Erstvorstellung des Patienten fan-den sich am Stumpf bläulich-livide Gefäß-zeichnungen und teils hyperkeratotische umschriebene Hautveränderungen. Ein erheblicher Druckschmerz bestand in einem knotigen Abschnitt von circa 3 cm

ZusammenfassungBeinamputierte leiden häufiger unter Schmerzsymptomen. Dabei sind der Stumpfschmerz und der Phantomschmerz die bekanntesten neurologischen Diagnosen. Schmerz kann zur Unmöglichkeit der Rehabilitation und Mobilisation führen. Wir berichten über einen 52-jäh-rigen männlichen Patienten, der nach Beinamputation eine schmerzhafte Acroangioder-matitis Mali entwickelte. Diese Erkrankung zählt zu den seltenen Ursachen von Stumpf-schmerzen. Durch konsequentes chirurgisches Vorgehen konnte der Schmerz beseitigt werden und der Patient seine Rehabilitation fortsetzen. Auf die Differenzialdiagnose des schmerzenden Beinstumpfes wird eingegangen.

Schlüsselwörter: Stumpfschmerzen, Beinamputation, Acroangiodematitis Mali, Operation

Circumscribed pain on the amputation stump – Acroangioderma­titis of MaliSummaryLeg amputees commmonly experience pain sensations. The major differential diagnoses are stump pain and phantom pain. Pain can keep patients from wearing their prosthesis, which impairs rehabilitation and mobility. We report on a 52-year-old male patient who developed painful acroangiodermatitis of Mali after leg amputation. This disorder is a rare cause of pain in leg amputees. Consistent surgical treatment resulted in a pain-free situation that allowed the patient to continue rehabilitation. Differential diagnoses of the painful stump are discussed.

Keywords: stump pain, leg amputation, acroangiodematitis of Mali, surgery

Durchmesser am lateralen Stumpfende (Abb. 1).

Bildgebende Diagnostik

Die Röntgenaufnahme des Stumpfes zeigte im Schmerzareal eine geringgradige orthotope Ossifikation am Tibiaende, jedoch keine heterotopen Verkalkungen (Abb. 2).

Labor

Das Routinelabor bot keine Auffälligkeiten.

Histologie (Hämatoxilin-Eosin- Färbung, Eisenreaktion, Elastika-van Gieson-Färbung)

Das Hautexzisat wird von einer unter-schiedlich breiten, teils reaktiv bedingt hyperplastischen, gering orthokeratotisch verhornten Epidermis bedeckt. Es finden sich dermale retikuläre und papilläre Gefäßproliferationen mit Gefäßspalten und verplumpten Endothelien, perivaskulären Hämosiderinablagerungen und Erythrozy-tenextravasaten (Abb. 3 und 4). Diese Gefäßveränderungen werden teils von nar-big fibrosiertem Bindegewebe umgeben.Diagnose: Acroangiodermatitis Mali.

Differenzialdiagnosen

Lokalisierte Schmerzen im Zusammenhang mit der Unterschenkelamputation lassen an eine Vielzahl von Differenzialdiagnosen denken, und Schmerzsensationen sind häu-fig in dieser Patientengruppe. In einer Stu-die mit insgesamt 537 Patienten waren nur 14,8 % schmerzfrei, 74,5 % litten unter Phantomschmerz, 45,2 % gaben Stumpf-schmerzen an. Es wurden unterschiedliche Schmerzqualitäten mitgeteilt, wie „bren-nend“, „krampfartig“, „elektrisierend“ oder „stechend“ [1]. Betrachtet man die Kinetik dieser schmerzassoziierten Beschwerden, so treten Stumpfschmerz und Missempfin-dungen unmittelbar nach (traumatischer) Amputation auf. Der Phantomschmerz beginnt etwas verzögert innerhalb des ers-ten Monats nach Amputation mit einem Peak nach circa zwölf Monaten [2].

Die Genese der Schmerzsymptome ist dabei nicht einheitlich. Supraspinale, spi-

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KASUISTIK

100 LymphForsch 19 (1) 2015

nale und periphere Mechanismen sind beteiligt. Zu den peripheren Faktoren zäh-len das Aussprossen von Axonen und die Bildung von Neuromen. Man nimmt an, dass in bis zu 80 % der Fälle Neurome ent-stehen können [3]. Dies war auch die erste Verdachtsdiagnose in unserem Fall.

Heterotope und orthotope Ossifikation können auch für Schmerzen im Stumpf verantwortlich sein [4, 5]. Schmerzhafte Hautläsionen wie Ulzera und follikuläre Keratosen sind ebenfalls zu berücksichti-gen [6].

Gefäßbedingte Ursachen umfassen unter anderem die Acroangiodermatitis Mali (Pseudo-Kaposi) wie im vorliegen-den Fall – aber auch das Kaposi-Sarkom. Bei der Acroangiodermatitis Mali werden durch die verplumpten Endothelien CD31 und CD34 exprimiert. Es fehlen allerdings CD34-positive perivaskuläre Spindelzellen und schlitzartige Gefäßformationen sowie der Nachweis des humanen Herpesvirus 8 – wie beim Kaposi-Sarkom [7]. Mit arte-rio-venösen Anastomosen geht das Ste-wart-Bluefarb-Syndrom einher, welches auch einmal schmerzhaft verlaufen kann. Darüber hinaus ist das Klippel-Trenau-nay-Weber-Syndrom abzugrenzen [8].

Bei der Acroangiodermatitis Mali ist die Schmerzhaftigkeit ein fakultatives

Symptom, das überwiegend bei Beinam-putierten zu beobachten ist [9-12].

Therapie und Verlauf

Unter dem Verdacht eines Neuroms wurde ein operativer Eingriff geplant. In Lokal-anästhesie wurde der schmerzhafte Bezirk exzidiert. Der Defekt wurde durch eine H-Plastik verschlossen. Die Wundheilung war komplikationslos. Wir führten eine Kompressionsbandagierung, eine Manu-elle Lymphdrainage sowie eine muskuläre

Trainingstherapie durch, um das postope-rative Ödem zu reduzieren und den Hei-lungsverlauf zu beschleunigen. In einer Nachbeobachtungszeit von zwölf Monaten ist es zu keinem Rezidiv gekommen. Die geplante Rehabilitation konnte durchge-führt werden, und der Patient ist seither schmerzfrei.

Diskussion

In der Rehabilitation Beinamputierter ist die Prothesenversorgung ein Grundstein. Doch nicht immer können die Prothesen getragen werden. Fast 50 % aller Patienten beklagen Hautprobleme (Infektionen, Irri-tationsdermatosen, Ulzerationen und Hyperhidrose) im ersten Jahr [13]. Schmerz ist ein wesentlicher negativer Faktor für die Lebensqualität Amputierter [14]. Rehabilitation mit aktivem Muskel-training und Mobilisierung mit Prothese sind durch starke Schmerzen gefährdet oder unmöglich. Ursachensuche und gezielte Behandlung sind unerlässlich.

In unserem Fall ergab die histologische Analyse eine Acroangiodermatitis Mali. Proliferierende dermale Gefäße mit ver-plumpten Endothelien, Hämosiderinabla-gerungen und Sideromakrophagen, Ery-throzytenextravasate sowie eine verruköse Hyperplasie der bedeckenden Epidermis sind typische Befunde [15]. Diese Verände-

Abb. 1Distaler Amputationsstumpf mit schmerzhaf-tem Plaque, Hyperkeratosen und Gefäßprolife-rationen.

Abb. 2Röntgenaufnahme des Stumpfes mit orthoto-per Ossifikation am distalen Tibiaende.

Abb. 3Histologie: A) Papillomatöse Epidermis und dermale Gefäßproliferationen mit perivaskulä-rer Fibrosierung und Erythrozytenextravasaten (Hämatoxilin-Eosin-Färbung x 4). B) In der Elastika-van Giesson-Färbung wird die Fibrosierung noch deutlicher (x 4). C) Gefäßproliferationen mit verplumptem Endothel und geringgradigen Hämosiderinab-lagerungen (Eisen-Färbung x 10).

Abb. 4Markierung der Blut- und Lymphgefäße mit Antikörpern gegen CD31/PECAM-1 (Platelet Endothelial Cell Adhesion Molecule-1; Immun-peroxidase-Technik, x 10). Zu sehen sind wandstarke reguläre Kapillargefäße im Stra-tum reticulare mit geringen Ektasien (kräftige Anfärbung) neben zarten Lymphgefäßen (schwache Anfärbung, keine prominenten Endothelien).

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KASUISTIK

rungen können teilweise auch druck-schmerzhaft sein [9, 11]. Als ursächliche Faktoren der Acroangiodermatitis Mali gel-ten die chronisch-venöse Insuffizienz und die schlaffe Beinparese – hier finden sich die hyperpigmentierten bläulich-lividen Plaques und Makeln überwiegend am streckseitigen Fuß und den Zehen, selten plantar [10, 16]. Arteriovenöse Shunts wie bei Hämodialysepatienten können hier dis-tal gelegene Läsionen verursachen [17]. In unserem Fall lag keine chronisch-venöse Insuffizienz vor. Ursächlich ist die Unter-schenkelamputation in Verbindung mit einer Saugprothese anzusehen. Erhöhter Venen- und Kapillardruck gelten als Trig-gerfaktoren der Acroangiodermatitis. Es kommt zur Gewebehypoxie durch ein chro-nisches Ödem, zur Neovaskularisation und Fibroblastenproliferation [12]. Die Kombi-nation mit einer verrukösen Epithelhyper-plasie ist dabei recht charakteristisch [15].

Die Behandlung bei chronisch-venöser Insuffizienz setzt auf die Kompressions-therapie ggfs. in Kombination mit einer Manuellen Lymphdrainage. Bei der Bein-stumpf assoziierten Form ist der Korrek-tur der Prothese Aufmerksamkeit zu schenken. Schmerzhafte Plaques und Noduli kommen auch für eine chirurgi-sche Therapie in Betracht – wie im vorge-stellten Fall. Die operative Korrektur hat den Wiedereintritt in die aktive Rehabili-tation ermöglicht und dazu beigetragen, die Lebensqualität zu verbessern.

Fazit für die Praxis:• Schmerzen bei Beinamputierten sind

ein negativer Faktor für Lebensqualität und Rehabilitation.

• Schmerzen bedürfen der exakten diag-nostischen Zuordnung und zielgerich-teten Therapie.

• Die Acroangiodermatitis Mali ist eine mögliche Ursache umschriebener Schmerzen am Amputationsstumpf.

Literatur

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8. Utermann S, Kahle B, Petzoldt D: Erfolgreiche Langzeittherapie bei Stewart-Bluefarb-Syndrom. Hautarzt 2000;51:336-339.

9. Meulenbelt HE, Geertzen JH, Dijkstra PU, Jonk-man MF: Skin problems in lower limb amputees: an overview by case reports. J Eur Acad Dermatol Venereol 2007;21:147-155.

10. Mehta AA, Pereira RP, Nayak CS, Dhurat RS: Acroangiodermatitis of Mali: A rare vascular phe-nomenon. Indian J Dermatol Venereol Leprol 2010;76:553-556.

11. Armenores P, James CL, Weightman W, Hilgol SC: Acroangiodermatitis in a lower leg amputee related to suction socket use. Australas J Derma-tol 2013;54:e37-e39.

12. Pietkiewicz P, Bowszyc-Dmochowska M, Gor-nowicz-Porowska J, et al.: Acroangiodermatitis in a leg amputee using suction-socket prosthesis: clinical, histological as well as HHV-8 and CD34 immunohistochemical study. Pol J Pathol 2013;64:153-156.

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14. Uustal H, Meier RH 3rd: Pain issues and treat-ment of the person with an amputation. Phys Med Rehabil Clin N Am 2014;25:42-52.

15. Sbano P, Miracco C, Risulo M, Fimiani M: Acro-angiodermatitis (pseudo-Kaposi sarcoma) associ-ated with verrucous hyperplasia induced by suc-tion-socket limb prosthesis. J Cutan Pathol 2005;32:429-432.

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17. Trindade F, Requena L: Pseudo-Kaposi sar-coma because of suction-socket limb prosthesis. J Cutan Pathol 2009;36:482-485.

KorrespondenzadresseProf. Dr. med. Uwe WollinaKlinik für Dermatologie und AllergologieKrankenhaus Dresden-Friedrichstadt Städtisches KlinikumAkademisches Lehrkrankenhaus der TU DresdenFriedrichstraße 41D-01067 DresdenE-Mail: [email protected]

:

Information und Anmeldung: Viavital Verlag GmbH, Belfortstraße 9, 50668 Köln, Tel.: 0221-988301-02 E-Mail: [email protected], www.bonner-venentage.de

22. Bonner Venentwage 2016

Offizielle Fortbildungsveranstaltung in Zusammen arbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Phlebo-logie und dem Berufsverband der Phlebologen

12.–13. Februar 2016Beethovenhalle BonnSüdforum

GEPLANTE THEMEN:

• Das postthrombotische Syndrom – Prophylaxe und Therapie

• Lymphödem und Lipödem

• Update Antikoagulation und thromboembolische Erkrankungen

• Update Therapie der Varikose

• Update Kompressionstherapie

• Kontroversen in der Phlebologie

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KASUISTIK

102 LymphForsch 19 (1) 2015

Außergewöhnliche Ursache einer ballonierten Bisgaardschen Kulisse beim Lymphödem: Eine Fallstudie W. J. BrauerRadiologische Praxis Dr. Przetak, Feiburg, Deutschland

Anamnese

58-jährige Patientin. Spinalkanalstenose mit Gefühlsstörungen in beiden Beinen. 2003 Strippingoperation der V. saphena magna beidseits, Perforansexhaerese und Venenverödungen an beiden Beinen. März 2009: distal betonte Schwellung des rech-ten Beines; Behandlung mit Manueller Lymphdrainage distal beginnend ohne Kompression und mit Blutegeln am rech-ten Außenknöchel. Mai 2009: Erysipel am rechten Unterschenkel; antibiotische The-rapie. Juni 2009: Objektivierung des Lymph ödems mittels Funktionslymph-szintigraphie; Beginn einer kontinuierli-chen Behandlung mit der Kombinierten Physikalischen Endstauungstherapie. Juli 2011: Nachweis einer Hypästhesie des N. suralis rechts und Verdacht auf schmerz-hafte Synovitis im Bereich des rechten Peronealfaches. Von einer operativen

Revision wurde wegen des Lymphödems Abstand genommen. Im Januar 2011 per-sitierende Schmerzen im Bereich des rech-ten oberen Sprunggelenks (OSG). Oktober 2011: sonographische Abklärung, die neben dem Nachweis einer Gewebsproli-feration und ödematöser Strukturen in der Bisgaardschen Kulisse [1] den Verdacht auf eine Fettgewebsproliferation im rech-ten Peronealfach ergab. Eine MR-Untersu-chung des rechten OSG bestätigt die sono-graphische Diagnose einer Fettgewebspro-liferation im rechten Peronealfach.

Diagnostik

Klinischer BefundMäßiggradige Verdickung des rechten Unterschenkels mit eingeschränkter Dell-barkeit, ausgeprägte kaum dellbare Ballo-nierung der Bisgaardschen Kulisse medial

ZusammenfassungBei der Lymphödemdiagnostik dient die Sonographie vorwiegend dem Nachweis intersti­tieller Flüssigkeit und sekundärer Gewebsveränderungen, der Abklärung unklarer Schwel­lungen und Tastbefunde sowie der Lymphknotendiagnostik und beim sekundären Lymph­ödem der Diagnostik auslösender Ursachen. In dem vorliegenden Fall ergab die Sonographie eine ungewöhnliche Ursache einer verdickten Bisgaardschen Kulisse bei einem primären Lymphödem: eine Fettgewebsproliferation in der gemeinsamen Pero­neussehnenscheide.

Schlüsselwörter: Lymphödem, interstitielle Flüssigkeit, Sonographie, Bisgaardsche Kulisse, perimalleoläre Region

Unusual cause of a thickened perimalleolar region in a patient with lymphedema: A case reportSummaryWhen diagnosing lymphedema, ultrasound is used mainly to detect interstitial fluid and secondary alterations of tissues including the lymph nodes, and to distinguish ambiguous localized swelling. It is also used to diagnose the triggers of secondary lymphedema. In this case of a patient with primary lymphedema, sonography revealed the proliferation of fatty tissue in the common sheath of the peroneal tendons, an unusual finding accompanied by a thickened perimalleolar region.

Keywords: lymphedema, liquid interstitial structures, sonography, perimalleolar region

und lateral, angedeutet verstrichenes Fuß-rückenrelief (Abb. 1a) und gering positives Stemmersches Hautfaltenzeichen. Dis-krete Narben über dem rechten Außen-knöchel (Blutegel) und diskrete Rötung des rechten Unterschenkels. Links geringe praetibiale Dellbarkeit bei sonst unauffäl-ligem Befund.

Funktionslymphszintigraphie

Methodik: Durchführung nach standardi-siertem Untersuchungsprotokoll [2, 3] mit dynamischer und statischer Studie. Nach subkutaner Injektion von 37 MBq Tc-99m-Humanserumnanokolloid (Nano-coll®) (0,1 ml) körperliche Belastung durch Gehen auf dem Laufband (4 km/h, 30 Minuten) bei gleichzeitiger kontinuier-licher Messung der Radioaktivität in den inguinopelvinen Lymphknoten. Aufzeich-nung der statischen Studie (Ganzkörper) im Anschluss an die dynamische Studie.

Ergebnisse: Verzögerte Ankunftszeit des radioaktiven Tracers in den inguinalen Lymphknoten beidseits (rechts acht Minu-ten, links elf Minuten; Normalbereich bis fünf Minuten) und erniedrigter schwä-chungs- und halbwertszeitkorrigierter Lymphknotenuptake inguino-iliakal 30 Minuten nach Belastungsbeginn (rechts und links je 1,1 %, Normbereich zwischen 8,39 % und 22,05 %, Grauzone zwischen 7,48 % und 8,39 %, pathologisch unterhalb 7,48 %).

In der statischen Studie Radioaktivi-tätsanreicherung im Verlauf der Lymph-kollektoren der vorderen praefascialen Längsbündel sowie flächige Aktivitätsbele-gung im proximalen medialen Unter-schenkel rechts. Verminderte Speicherung in den inguinalen und iliakalen Lymph-knoten beidseits.

Sonographie

B-Mode-Sonographie (GE Logiq 7, 12 MHz, Harmonic Imaging®, Speckle Reduction Imaging®, Automatic Tissue Optimisation®): Sonographisch lässt sich eine den Peroneussehnen anliegende echoarme inhomogene Struktur nachwei-sen, die als Fettgewebsproliferation inter-pretiert wird, sowie geringe peritendinöse liquide Strukturen (Abb. 1b, c). In der Bis-gaardschen Kulisse sind neben einer

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KASUISTIK

LymphForsch 19 (1) 2015 103

Gewebsproliferation gering ausgeprägte dreidimensional netzförmige liquide Strukturen zu erkennen.

Magnetresonanz (MR)-TomographieAm 20.03.2013 erfolgte eine MR-Tomogra-phie, rechter Rückfuß (Aufnahmen Prof. Dr. Markus Uhl, RKK Freiburg), (t1_tse_tra_3mm): Fettgewebsproliferation in der gemeinsamen Peroneussehnenscheide, außerdem in der Bisgaardschen Kulisse. Nur geringes subkutanes Ödem (Abb. 1d).

Diskussion

Eine medial und lateral ballonierte, nicht oder nur eingeschränkt dellbare Bisgaard-sche Kulisse ist ein häufiges und oft auch das erste Symptom eines Lymphödems. Die beim Lipödem selten zu beobachtende Ballonierung der Bisgaardschen Kulisse ist in der Regel lateral betont. Auch ein ver-strichenes Fußrückenrelief oder eine Bal-lonierung des Fußrückens ist bei einge-schränkter oder fehlender Dellbarkeit ein (häufiges) Symptom eines Lymphödems und dabei nicht zwingend mit einem posi-tiven Stemmerschen Hautfaltenzeichen vergesellschaftet [4]. Sonographisch lässt

sich bei einer verstrichenen oder ballo-nierten Bisgaardschen Kulisse in der Regel eine Vermehrung des subkutanen Gewe-bes und/oder ein subkutanes Ödem nach-weisen. Abhängig vom eingesetzten Equip-ment lassen sich die typischen Zeichen eines Ödems beobachten: Dreidimensio-nale netzförmige liquide Strukturen, redu-zierte Differenzierbarkeit von Kutis und Subkutis, feindisperse Struktur, erhöhte Echogenität, reduzierter Kontrast, und als Hinweis auf ein Lymphödem Kutisverdi-ckung und reduzierte bis aufgehobene Kompressibilität der Subkutis [4, 5].

Eine Verdickung des Peronealfaches, in unserem Fall durch eine Fettgewebsver-mehrung verursacht, hatten wir bis dahin nicht beobachtet. Allerdings hatten wir die Sehnen im Fuß und Sprunggelenksbereich beim Lymphödem nur in Einzelfällen zum Nachweis liquider Strukturen im Sehnen-fach gezielt sonographisch untersucht. Die hier nachgewiesenen Fettgewebsstrukturen weisen eine ähnliche Echogenität wie die anliegenden Sehnen auf und können somit leicht übersehen werden. Leicht zu überse-hen sind diese Befunde auch in der MR-Tomographie, da das Fettgewebe im Seh-nenfach nur durch e ine dünne Sehnenscheide vom umgebenden Fettge-

webe getrennt ist (Abb. 1c). Neben der Fib-roblastenaktivierung und der dadurch bedingten Bindegewebsvermehrung ist auch die subkutane Fettgewebsproliferation ein typisches Symptom beim chronischen Lymphödem. Ob die hier beschriebene Fettgewebsproliferation im Peronealfach durch das Lymphödem verursacht ist oder eine andere Ursache hat, bleibt unklar.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Der vorgestellte Fall zeigt eine ungewöhn-liche Ursache einer verdickten Bisgaard-schen Kulisse bei einer Patientin mit chro-nischem Lymphödem der Beine. Ob es sich hier um einen Einzelfall handelt oder ob es sich um ein häufigeres, bisher unbekanntes Symptom handelt, bleibt vorerst offen. Der Befund sollte Anlass geben, bei Einsatz der Sonographie beim Lymphödem der Beine bei entsprechendem klinischen Befund gezielt danach zu suchen. Zu erwägen wäre auch, bei einer Liposuktion im Bereich des Sprunggelenkes vorher sonographisch die Sehnenfächer zu untersuchen.

ErklärungenDer Autor versichert, dass keine Verbin-dungen zu Firmen bestehen, deren Pro-dukte in dem Artikel genannt sind. Die Patientin hat die Zustimmung zur Veröf-fentlichung ihrer Bilder erteilt.

Literatur

1. Bisgaard HO: Ulcus eczema cruris phlebitis sequelae m.m.: Studier over statiske Sygdomme i Underextremiteterne og deres Behandling. Verlag Munksgaard, Kobenhavn1939;192.

2. Brauer WJ, Brauer VS: Simplified method of attenuation correction for the lymphoscintigra­phic function test of the leg. In: Liu NF, Witte MH (Hrsg.): Progress in Lymphology XXI – Procee­dings of the 21. International Congress of Lym­phology, Shanghai 2007. Lymphology 2007;40(Suppl):231­236.

3. Weissleder H, Brauer WJ: Untersuchungsmetho­den. In: Weissleder H, Schuchhardt C (Hrsg.): Erkrankungen des Lymphgefäßsystems. Viavital Verlag Köln, 2011;99­109.

4. Brauer WJ: Anmerkungen zum Artikel „Lymphs­zintigraphie kritisch gesehen“ von Herpertz U. Vasomed 2015;(3):78­79.

5. Brauer WJ: Ultraschall in der Lymphologie, state of the art. Phlebologie 2015;44:110­117.

KorrespondenzadresseDr. med. Wolfgang Justus BrauerPropsteiweg 12D­79112 FreiburgE­Mail: [email protected]

Mall. lat

Sehne FettgewebeFettgewebe

Mall. lat

PeroneussehnenFettgewebe

Tibia

Sehne

a

b c

d

Liquide Struktur

Abb. 1 a) Verdickter rechter Unterschenkel, ballonierte Bisgaardsche Kulisse und verdicktes Außenknö-chelrelief sowie verstrichenes Fußrückenrelief. b, c) B-Mode Sonographie (GE Logiq 7, 12 MHz, Harmonic Imaging®, Speckle Reduction Imaging®, Automatic Tissue Optimisation®): den Pero-neussehnen anliegende, echoarme, inhomogen strukturierte Fettgewebsproliferation. d) MR-Tomographie rechter Rückfuß: (t1_tse_tra_3mm): Fettgewebsproliferation in der gemeinsamen Peroneussehnenscheide (mit freundlicher Genehmigung von M. Uhl, RKK Freiburg).

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KASUISTIK

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Sekundäres Lymphödem unter dem Bild einer einseitigen Lipohypertro-phie (non-pitting lymphedema)Eine KasuistikW. Schmeller, A. Baumgartner, Y. FrambachHanse-Klinik, Fachklinik für Liposuktion, Lübeck, Deutschland

Einleitung

Das nicht dellbare Lymphödem (non-pitting lymphedema) ist eine Sonderform eines meist sekundären Lymphödems. Hierbei besteht trotz erfolgter konsequenter physika-lischer Entstauung, das heißt trotz Beseiti-gung des krankheitstypischen Ödems, eine Volumenvermehrung der betroffenen Extre-mität gegenüber der gesunden Seite. Dies ist Folge der Vermehrung vorwiegend des sub-kutan gelegenen Fettgewebes. Eine weitere Volumenreduzierung mittels konservativer, das heißt entstauender Verfahren ist daher nicht möglich.

Im vorliegenden Fall hatte sich die einsei-tige Vermehrung des Unterhautfettgewebes im Bein- und Hüftbereich innerhalb sehr kurzer Zeit entwickelt, ohne dass ein Ödem bzw. eine Ödemneigung für die Betroffene merkbar bzw. klinisch nachweisbar war.

Kasuistik

AnamneseBei der 1972 geborenen Patientin wurde im Januar 2006 nach auffälliger zytologi-

scher Früherkennungsuntersuchung (PAP-Abstrich) eine Konisation durchge-führt, bei der sich histologisch ein invasi-ves Plattenepithelkarzinom (G2) fand. Therapeutisch erfolgte eine radikale Hys-terektomie nach Wertheim-Meigs mit pel-viner und unterer paraaortaler Lymphade-nektomie; dabei wurden über 40 Lymphknoten entfernt. Die abschließende Diagnose lautete: Zervixkarzinom, pT1b pN0 M0 L1 V0 R0.

Im Februar 2006 wurde über einen Zeitraum von sechs Wochen eine homo-gene Bestrahlung des Beckens mit Photo-nen (15 MV) durchgeführt (Einzeldosis 1,8 Gy, Gesamtdosis 50,4 Gy). Simultan erfolgte eine Chemotherapie mit Cisplatin. Eine vorgesehene intravaginale Brachythe-rapie mit Iridium-192 wurde auf Wunsch der Patientin nicht durchgeführt.

Im Sommer 2006, das heißt vier bis fünf Monate postoperativ, kam es zu einer Umfangsvermehrung des rechten Beines sowie – deutlich geringer – des linken Bei-nes, vorwiegend im Oberschenkelbereich. Diese Volumenzunahme wurde über einen Zeitraum von nur einem Monat bemerkt. Der Beinumfang blieb danach – trotz

ZusammenfassungWir berichten über den Fall eines nicht dellbaren Lymphödems unter dem Bild einer ein-seitigen Lipohypertrophie; das non-pitting lymphedema entwickelte sich ohne klinisch auffallendes Ödem. Eine wirksame Therapie ist nur mittels Liposuktion möglich.

Schlüsselwörter: Non-pitting lymphedema, nicht dellbares Lymphödem, Lipohyper-trophie, Liposuktion

Secondary lymphedema presenting as unilateral lipohypertrophy (non-pitting lymphedema): A case report SummaryWe present the case of non-pitting lymphedema without any clinically evident edema, but with manifestation of unilateral lipohypertrophy. Liposuction is the only effective treatment for this.

Keywords: non-pitting lymphedema, lipohypertrophy, liposuction

Durchführung Manueller Lymphdraina-gen und Tragen rundgestrickter Kompres-sionsstrumpfhosen KKL II – in den fol-genden Jahren weitgehend unverändert.

2011 erfolgte eine dreiwöchige statio-näre Behandlung in einer lymphologi-schen Fachklinik. Unter der Diagnose eines sekundären, stark bis massivgradi-gen Beinlymphödems beidseits, rechts mehr als links, mit Beteiligung der unte-ren Rumpfquadranten und des Mons-pubis-Bereiches wurden dort zweimal täg-lich Manuelle Lymphdrainagen mit anschließender Kompressionsbandagie-rung in Kombination mit einer speziellen lymphentlastenden Krankengymnastik der Beine durchgeführt. Dies führte links-seitig zu einer Abnahme des Beinvolu-mens um 256 ml; rechtsseitig, das heißt am betroffenen Bein, konnte keine Volu-menminderung erzielt werden.

2012 traten erstmals – im Rahmen einer Gewichtszunahme – mäßige Beschwerden in Form eines vermehrten Spannungsgefühls auf, mehr in den Unter- als in den Oberschenkeln. Es erfolgte erneut eine ambulante Entstauungsthera-pie, die eine Beschwerdeminderung, aber keine Beinverschlankung bewirkte. In all den Jahren waren nie Fuß- oder Fessel-ödeme bemerkt worden.

Befund bei Erstvorstellung im Juli 2012

Bei einem Körpergewicht von 93 kg fand sich eine kräftige, rumpfbetonte Figur. Es bestand eine deutliche Verdickung des wei-chen Subkutangewebes des rechten Ober- und – in geringerem Maße – des rechten Unterschenkels ohne auffallende Dellbar-keit und ohne Induration des Gewebes (Abb. 1a, 2a). Kein Druckschmerz, keine Verdickung im Fessel- oder Fußbereich, keine Querfaltenbildung an den Zehen, Stemmer‘sches Zeichen negativ. Linksseitig normal erscheinender Befund ohne kli-nisch nachweisbare Ödeme.

Umfänge: Taille 95,5 cm, Hüfte 102 cm, Oberschenkel inguinal rechts 82 cm, links 76 cm, Oberschenkel Mitte rechts 84 cm, links 74 cm, Oberschenkel oberhalb des Knies rechts 50 cm, links 45 cm, Unter-schenkel (US) unterhalb des Knies rechts 41,5 cm, links 38 cm, US-Mitte rechts 48,5 cm, links 45 cm, Fesseln rechts

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KASUISTIK

LymphForsch 19 (2) 2015 107

24,5 cm, links 24,5 cm, Vorfuß rechts 23 cm, links 23 cm.

An den Armen bestanden keine Umfangsdifferenzen.

Befund bei Zweitvorstellung im April 2014

Eine erneute Wiedervorstellung zwei Jahre später ergab – nach Gewichtsreduktion von 93 kg (2012) auf 69 kg (2014) – eine deutliche Umfangsverminderung beider Beine (Abb. 1b, 2b). Diese betrug am Oberschenkel inguinal rechts 16 cm und links 15 cm und in Oberschenkelmitte rechts 11,5 cm und links 9 cm. Aufgrund fehlender Beschwerden und nicht nach-weisbarer Ödeme war seit 2013 keine Manuelle Lymphdrainage mehr durchge-führt worden; Kompressionsstrümpfe wurden seit Jahren nicht mehr getragen.

Lymphszintigraphie

Die im August 2014 durchgeführte Lymphszintigraphie der Beine beidseits mit 37 MBq 99mTc-Nanocoll ergab fol-genden Befund:

Technik: Zehn bis 40 Minuten p.I. pla-nare Aufnahmen aus ventraler Ansicht zwischen Injektionsort am Fußrücken und Beckenregion. Anschließend körperliche Belastung (Beinarbeit über ca. 15 min) und erneut planare Aufnahmen nach 70 bis 90 Minuten. Definition von ROI über

den inguinalen Lymphknoten.Rechts: Initial rascher und kräftiger

Lymphabstrom, der nach zehn Minuten die Knie- und nach 20 Minuten die Leis-tenregion erreicht. Keine pathologischen Lymphgefäße oder unphysiologische Lymphknotenstationen. Im rechten Ober-schenkel lateral und leistennah ausgeprägte diffuse Mehrbelegung durch Extravasate. Diese zeigen sich nach der 80. Minute auch etwas oberhalb der Knieregion (Abb. 3).

Links: Auch hier initial rascher und kräf-tiger Lymphabstrom, der nach zehn Minuten die Knie- und nach 20 Minuten die Leisten-region erreicht. Keine pathologischen Lymphgefäße oder unphysiologischen Lymphknotenstationen. Keine Ex travasation.

Nach 90 Minuten zeigt sich im Bereich der inguinalen Lymphknoten das Vierfache an Aktivität gegenüber der rechten Seite.

Beurteilung: Zeichen eines sekundären Lymphödems rechts in Form eines sich rasch entwickelnden ausgeprägten Parava-sates im rechten Oberschenkel, bis auf Poplitealniveau herabreichend, mit post-operativer deutlicher Rarefizierung ilioin-guinaler Lymphknoten rechts (Befundung: D. Bumann, Radiologische Allianz Ham-burg-Speersort).

Magnetresonanztomographie

Ein MRT konnte aufgrund einer Klaustro-phobie nicht durchgeführt werden.

Therapie

Im November 2014 erfolgte die erste Lipo-suktion am rechten Oberschenkel innen und am Knie innen in Tumeszenz-Lokalanästhe-sie; dabei wurden 2400 ml Unterhautfettge-webe entfernt. Im Januar 2015 wurden beim zweiten Eingriff am rechten Oberschenkel vorne und außen 1700 ml Fettgewebe ent-fernt. Dadurch erfolgte eine weitgehende Angleichung der Oberschenkelumfänge. Die Abbildungen 1c und 2c zeigen den postope-rativen Befund im April 2015.

Besprechung

Die vorliegende Kasuistik demonstriert eindrücklich die in der Literatur beschrie-bene Vermehrung der Adipozyten des

Abb. 1Non-pitting lymphoedema Bein rechts. a) Ausgangsbefund 2012 (Körpergewicht 93 kg); b) Befund 2014 nach Gewichtsreduktion (69 kg); c) Befund 2015 nach zwei Liposuktionen (Entfernung von 4100 ml Unterhautfettgewebe am Oberschenkel rechts).

Abb. 2Non-pitting lymphedema Bein rechts. a) Ausgangsbefund rechtes Bein 2012; b) Befund 2014; c) Befund 2015 nach zwei Liposuktionen.

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KASUISTIK

108 LymphForsch 19 (2) 2015

Unterhautfettgewebes bei chronischem Lymphstau [1]. Sie bestätigt ferner die guten Ergebnisse der Fettabsaugung beim nicht dellbaren Lymphödem (non-pitting lymphedema). Diese Sonderformen eines Lymphödems können sowohl am Bein [2, 3] als auch am Arm auftreten [4, 5]. Hier-bei ist die Liposuktion die einzige wirk-same Therapie zur weitergehenden Volu-menreduzierung nach erfolgter konserva-tiver Behandlung der meist einseitig betroffenen Extremitäten [6, 7].

Auffallend im vorliegenden Fall war das über den gesamten Krankheitsverlauf wohl weitgehende Fehlen eines sichtbaren Ödems. Wie die Patientin berichtete, war die Vermehrung des Unterhautfettgewebes über einen recht kurzen Zeitraum wenige Monate nach der operativen Therapie (Ute-rus-, Adnex- und Lymphknotenentfer-nung) mit adjuvanter Radio-Chemothera-pie aufgetreten. Eine ödembedingte Beschwerdesymptomatik, wie sie klassi-scherweise beim Lymphödem vorkommt, war nur andeutungsweise vorhanden. Die Vermehrung des Unterhautfettgewebes bei diesem non-pitting lymphedema war somit „atypisch“, nämlich ohne den üblichen „Umweg“ über eine klassische Symptoma-tik mit klinisch manifestem Auftreten eines (Lymph-) Ödems. Aus diesem Grund wäre eigentlich auch die – an sich übliche – phy-sikalische Entstauung vor Einsatz der Lipo-suktion nicht notwendig gewesen. Das von Brorson geprägte Konzept: „A pitting lymphedema first should be treated conser-

vatively to remove excess fluid, then lipo-suction can be performed to remove excess volume bothersome to the patient“ [2] brauchte bei dem vorliegenden Sonderfall nicht beachtet zu werden. Das heißt, die anschließende kontinuierliche Kompressi-onstherapie, wie sie üblicherweise postope-rativ beim non-pitting lymphedema zur Vermeidung von Ödemrezidiven notwen-dig ist, war bei unserer Patientin nicht erforderlich. Von Seiten der operativen Technik kann bei diesen „Lipohypertro-phie-Formen“ wie beim klassischen Lip-ödem in Tumeszenz-Lokalanästhesie vor-gegangen werden [8].

Das Erkennen dieser sehr seltenen Fälle von sekundärem Lymphödem mit Lipohy-pertrophie – aber ohne klinisch manifes-tem Ödem – ist sowohl für den Arzt als auch für den Lymphtherapeuten und ganz besonders natürlich für den Patienten von großer Bedeutung.

Kernaussagen

Bei der hier vorliegenden Kasuistik sind folgende Aspekte ungewöhnlich:• Schnelles Auftreten einer einseitigen

Umfangsvermehrung des Beinvolu-mens (innerhalb eines Monats postope-rativ) praktisch ohne Beschwerden.

• Kein Ödemnachweis, keine Dellbarkeit, kein typischer Befund eines Lymph-ödems. Der Befund entspricht klinisch dem Bild einer Lipohypertrophie.

• Bei auffälliger Lymphszintigraphie mit eindeutigen Zeichen eines sekundären Lymphödems konnte trotz intensiv durchgeführter stationärer Behandlung in einer Fachklinik mittels Kombinier-ter Physikalischer Entstauung (KPE) keine Volumenabnahme erzielt werden.

• Demgegenüber wurde eine deutliche Volumenminderung, allerdings beid-seits, durch eine Abnahme des Körper-gewichts erreicht.

• Letztendlich war ein guter Behand-lungserfolg mit Beseitigung der einsei-tigen Umfangsvermehrung nur mittels Liposuktion möglich.

Literatur

1. Schneider M, Conway EM, Carmeliet P: Lymph makes you fat. Nat Genet 2005;37:1023-1024.

2. Brorson H, Ohlin K, Olsson G, Svensson B, Svens-son H: Controlled compression and liposuction treatment for lower extremity lymphedema. Lym-phology 2008;41:52-63.

3. Brorson H: Liposuction normalizes – in contrast to other therapies – lymphedema-induced adi-pose tissue hypertrophy. Handchir Mikrochir Plast Chir 2012;44:348-354.

4. Damstra RJ, Voesten HG, Klinikert P, Brorson H: Circumferential suction-assisted lipectomy for lymphoedema after surgery for breast cancer. Br J Surg 2009;96:859-864.

5. Czerniec SA, Ward LC, Meerkin JD, Kilbreath SL: Assessment of segmental arm soft tissue compo-sition in breast cancer-related lymphedema: a pilot study using dual energy X-ray absorptiome-try and bioimpedance spectroscopy. Lymphat Res Biol 2015;13:33-39.

6. Brorson H: From lymph to fat: liposuction as a treatment for complete reduction of lymphe-dema. Int J Low Extrem Wounds 2012;11:10-19.

7. Brorson H: Liposuction in lymphedema treat-ment. J Reconstr Microsurg 2015; DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0035-1549158.

8. Schmeller W, Baumgartner A: Operative Aspek-te bei Liposuktion des Lipödems: Zwölf Fragen – zwölf Antworten. LymphForsch 2014;18:6-12.

DanksagungDas Einverständnis der Patientin zur Ver-öffentlichung der Kasuistik liegt vor. Herrn Dirk Bumann und der Radiologischen Allianz Hamburg-Speersort sei für die freundliche Hilfe sowie die Überlassung der Szintigraphie-Bilder gedankt.

KorrespondenzadresseProf. Dr. med. Wilfried Schmeller Hanse-Klinik, Fachklinik für Liposuktion St.-Jürgen-Ring 66D-23564 LübeckE-Mail: [email protected]

Szintigraphie

Abb. 3Lymphszintigraphie. Paravasat rechter Oberschenkel, Rarefizierung ilioinguinaler Lymphknoten rechts.

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LymphForsch 19 (2) 2015 109

LYMPHOLOGIE-KONGRESS 2015

Refresher-Kurs

MLD und Kompressionsverbände sind nicht bei allen Ödem-Krank-heitsbildern gleich anzuwenden. Tipps für ein optimales Therapieer-gebnis. Patientenvorstellung

O. Gültig, Lymphologic® med. Weiterbil-dungs GmbH, D-Aschaffenburg / H. Prit-schow Zentrum für Manuelle Lymphdrai-nage und Physikalische Therapie, D-Waldkirch / T. Zähringer, Földiklinik, D-Hinterzarten

Vorstellung der Krankengeschichte, Diag­nose, Therapieplanung, Prognose, Thera­pieziel, Krankheitsselbstmanagement von drei Patienten im Plenum. In drei Grup­pen werden die Patienten gleichzeitig von den verschiedenen Therapeuten mit der KPE behandelt. Austausch über Therapie­eindrücke. „Marktplatz“: In drei gleichzei­tig stattfindenden Gruppen wird in einer Gruppe die Wiederholung der Grifftech­nik, in der zweiten die der Bandagetechnik und in der dritten die der Behandlungsab­läufe bei verschiedenen lymphologischen Krankheitsbildern gezeigt und geübt. Feedback und Ende der Veranstaltung. Ziel des Refreshers: Wiederholung und Festigung der Grundlagen der KPE und deren Anwendung am Patienten sowie Anregungen für eine Optimierung der „Vorortsituation in der Praxis“.

Workshops

Sensomotoriktraining für Lymphödempatienten

D. Engesser, Földiklinik, D-Hinterzarten

Ziel des Sensomotoriktrainings ist es, das Zusammenspiel von Sensorik, also der Reizaufnahme über Rezeptoren, deren Weiterleitung und Verarbeitung im Zen­tralnervensystem (ZNS), und Motorik und damit der Antwort des Gehirns auf die sensomotorischen Reize in Form des Aussendens von Signalen des ZNS an die Muskulatur zu verbessern. Es geht dabei erstens um ein neurophysiologisches Sta­bilisationstraining, das zu einer präziseren Ansteuerung der stabilisierenden Musku­latur führt, und um ein koordinatives Kräftigungstraining der kleinen, haltungs­stabilisierenden Muskeln. Die inter­ und intramuskuläre Koordination wird ver­bessert, was zu einer Optimierung der Bewegungsabläufe und Bewegungskont­rolle führt. Sensomotoriktraining ist von daher immer auch ein Sturzprophylaxe­training.

Warum macht ein Sensomotoriktrai­ning bei Patienten mit einem Lymphödem Sinn? Zum einen macht ein Sensomoto­riktraining als Sturzprophylaxe grundsätz­lich Sinn, um Stürze zu vermeiden. Denn ein Sturz ist für Lymphödempatienten immer mit einem erhöhten Risiko verbun­den. Zum anderen sind bei Lymphödem­patienten immer wieder Stabilitätsdefizite zu beobachten. Dabei spielt sicherlich auch der Faktor des Älterwerdens, ver­bunden mit Muskelabbau, Gang­ und Tritt unsicherheiten und Gleichgewichts­

schwierigkeiten eine Rolle. Kommen dann noch weitere Faktoren wie Übergewicht und orthopädische Probleme hinzu, ver­lieren die Patienten immer mehr an Mobi­lität. Ein Teufelskreis entsteht: Weniger Bewegung führt zu noch mehr Gewichts­zunahme, die orthopädischen Probleme werden verstärkt, die Muskel­ und Gelenks­pumpe wird zu wenig eingesetzt, das Ödem verschlechtert sich, Bewegung fällt noch schwerer, die Lebensqualität sinkt. Ein Sen­somotoriktraining kann helfen, diesen Teu­felskreis zu durchbrechen.In der Lymphologie begegnen uns auch Patienten mit Polyneuropathien. Die Ursachen dafür können vielfältig sein. Neben Diabetikern sind vor allem onkolo­gische Patienten, die mehrere Chemothe­rapiezyklen durchliefen und dadurch eine Chemotherapie induzierte Polyneuropa­thien (ciPN) entwickelten, betroffen. Oft­mals verschwinden diese Polyneuropathi­en von selbst wieder, viele Patienten leiden aber auch nach längerer Zeit noch unter Taubheits­ und Kribbelgefühlen und dar­aus resultierend unter Gangunsicherhei­ten. Geschädigt sind bei der ciPN vor allem die distalen, efferenten Nervenbah­nen, also die sensorische Reizaufnahme. Die für die motorischen Antworten ver­antwortlichen afferenten Nervenbahnen sind seltener tangiert. Da die sensorische Wahrnehmung aber diffus ist, gelingt die motorische Antwort nicht mehr exakt, was zu oben genannten Gangunsicherheiten/Ataxien führen kann. Studien deuten dar­auf hin, dass mit einem Sensomotoriktrai­ning diese Symptome positiv beeinflusst werden können. Ein konsequent durchge­führtes Sensomotoriktraining führt zu mehr Stabilität und Gangsicherheit. Die Patienten gewinnen dadurch wieder mehr Mobilität und Lebensqualität.

Im Workshop werden die Teilnehmer ganz praktisch eine Vielzahl sensomotori­scher Übungen kennenlernen, die sowohl

Lymphologie-Kongress01. bis 03. Oktober 2015

Titisee-Hochschwarzwald

Abstracts der Refresher-Kurse, Workshops und Vorträge

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LYMPHOLOGIE-KONGRESS 2015

110 LymphForsch 19 (2) 2015

in den Alltag integriert werden und in Trainingsprogramme einfließen können.

Funktionell elastische Taping-Maß-nahmen bei Lymphödempatienten

P. Gerstlauer, Städtische Rehakliniken, D-Bad Waldsee / T. Metzger, Timeout Med-vital GmbH, D-Schwäbisch-Gmünd

In der modernen Lymphologie gehört das elastische Taping zu den möglichen Thera­pieoptionen. Wo, wann und wie macht der Einsatz einer Tape­Maßnahme Sinn? Hierzu zeigen wir im Workshop an Praxis­beispielen einige innovative und praxisre­levante Weiterentwicklungen des „funkti­onellen“ elastischen Tapens. Struktur­ und dysfunktionsspezifische Tape­Anlagen (lymphatisch plus mögliche Optionen) stehen im Mittelpunkt des Workshops. Abgerundet wird die Praxisvorführung durch therapieergänzende bzw. unterstüt­zende Maßnahmen. Das eröffnet die Chance, neuro­muskulo­skeletal­fascial­vaskulär betroffene Strukturen positiv zu beeinflussen und somit den Wirkungsgrad der „Basistherapien“ zu erhöhen.

Psychohygiene für Lymph-therapeuten

M. Dutton, Földiklinik, D-Hinterzarten

Anforderungen und Belastungen der Lymphtherapeuten/­innen werden explo­riert. Kompetenzen im Umgang mit beruf­lichen Belastungen (z.B. Compliance bei „schwierigen“ Patienten) werden vermit­telt und eingeübt. Anregungen zur Burn­Out­Vorbeugung werden gegeben und mit praktischen Übungen zur Resilienzförde­rung begleitet.

Lymphtherapie beim Pferd

M. Fuggert, Lymphologic® med. Weiterbil-dungs GmbH, D-Glashütten / D. Berens von Rautenfeld, Zentrum Anatomie Med. Hochschule Hannover, D- Hannover

Informieren Sie sich über das Kurskonzept Manuelle Lymphdrainage (MLD) beim Pferd, welches durchaus auch für Physio­therapeuten und Ärzte interessant sein dürfte, die nicht am Pferd arbeiten wollen.

Am Pferd werden sowohl die MLD als auch kompressive Maßnahmen demons­triert, weshalb festes Schuhwerk erforder­lich ist, falls Sie am Pferd tätig werden wollen. Neben der unterschiedlichen Genese des Lymphödems beim Pferd und Menschen thematisieren wir die Präventi­on lymphologischer Erkrankungen bei Sportpferden, die Einbeziehung der Pati­entenbesitzer in das Therapiekonzept und die Behandlung des Sehnenapparates und der Muskulatur, die beim Pferd von besonderer Bedeutung ist. Es hat sich bewährt, Physiotherapeuten und Tierärzte zusammen auszubilden, da auch Tierärzte vermehrt selber Pferde behandeln. Bei Bedarf sichern wir Teilnehmern des Workshops bevorzugt einen Platz in einem unserer MLD­Kurse (Pferd) zu.

Wundversorgung in der lympholo-gischen Praxis

A. Glod, P. Völkle, Földiklinik, D-Hinter-zarten

Circa 3,8 % der primären Lymphödeme (Moffatt 2012) werden von einem Ulcus cruris begleitet. 7,8 % der in die Földikli­nik stationär aufgenommenen Patienten haben eine chronische Wunde. Die lym­phologische Wunde gibt es nicht, für die Wundentstehung verantwortlich sind Begleit­ oder Grunderkrankungen, wie die chronisch venöse Insuffizienz, Diabetes mellitus, Autoimmun­Vaskulitiden, pAVK, bakterielle Infektionen und Myko­sen. Die chronischen Wunden sind bereits über lange Zeit bestehend, und die Lymph ödeme liegen meist in einem dekompensierten Stauungszustand des Stadium II oder III vor. Den Kriterien der Wundbehandlung entsprechend liegt meist eine exsudativ inflammatorische Phase vor, und bei Anwendung des TIME­Konzeptes stehen Exsudatmanagement und Infektkontrolle im Vordergrund. Das standardisierte interdisziplinäre und inter­professionelle Konzept der Földiklinik sieht die medizinische Behandlung der Grunderkrankungen in Kombination mit einem eng verzahnten System aus intensi­vierter KPE und modernem Wundma­nagement vor. Im Rahmen der KPE ist die regelmäßige Wundranddrainage von Bedeutung, im Wundmanagement die

Verfügbarkeit der Wundvakuumversiege­lung (NPWT) und des Wasserskalpells (Débritom®).

Im ambulanten Bereich kann neben der KPE die Wundbehandlung nur in einem vereinfachten und vor allem kos­tengerechten Modus stattfinden. Dieser Workshop zeigt Möglichkeiten des statio­nären und ambulanten Wundmanage­ments. Die Möglichkeiten und juristischen Restriktionen im ambulanten Manage­ment werden diskutiert. Modelle der zeit­lichen Koordination zwischen Wundma­nager und Lymphtherapeut werden aufgezeigt und die Bedingungen, unter denen der Lymphtherapeut auch als zerti­fizierter Wundassistent WAcert® DGfW/Physiotherapeut oder Wundtherapeut WTcert®DGfW/ Physiotherapeut tätig sein kann.

Die Wundexpertin Peggy Völkle demonstriert im Nachgang die praktische Anwendung der geläufigen Wundpro­dukte des modernen feuchten Wundma­nagements.

Vorträge

I. Lymphologie interdisziplinär

Das multikausale Ödem: Die besondere Herausforderung für die Therapie

S. Wagner, Angiologie RehaClinic AG, CH-Bad Zurzach

Häufigster Grund für die Ödembildung, neben einer beeinträchtigten Lymphtrans­portkapazität, ist eine verstärkte Filtration durch eine Hypertonie im venösen Kreis­laufsystem, sei es als Folge einer venösen Insuffizienz oder Herzinsuffizienz, Nieren­insuffizienz, erhöhtem intraabdominalen Druck (Adipositas), um nur einige häufige der zahlreichen Ursachen zu nennen, die zudem meist noch in Kombinationen vor­liegen. Das dekompensierte Ödem als „gemeinsames Symptom“ vieler zugrunde liegender Krankheiten ist aber immer wie­der der Hauptzuweisungsgrund zur statio­nären KPE­Behandlung. Ohne Behand­lung der Grundkrankheit wird sich somit

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LymphForsch 19 (2) 2015 111

LYMPHOLOGIE-KONGRESS 2015

das „Ödemsymptom“ nur unbefriedigend, nicht anhaltend oder gar nicht bessern. So sehen wir im klinischen stationären Alltag häufig multimorbide, ältere Patienten mit multikausalen Ödemen, sehr häufig auf­grund der oben aufgeführten Ursachen. Multikausale Ödeme benötigen eine inter­disziplinäre Therapie. Wegen der zeitli­chen Limitation des stationären Aufent­haltes in einer Rehaklinik, häufig rund drei Wochen, muss neben dem Therapie­beginn als Behandlungsauftrag gleich nach Eintritt (oder sofort nach Problem­manifestation) ärztlich die medizinischen Krankheitsfaktoren erkannt, zeitnah abge­klärt und therapiert werden. So werden Patienten mit einer latenten Herzinsuffizi­enz ab Eintritt zusätzlich forciert diure­tisch behandelt, bevor durch die Entstau­ungstherapie eine Dyspnoe manifest wird. Patienten mit zusätzlichen (rezidivieren­den) Ulzera müssen fachärztlich auf Veneninsuffizienz oder Venenobstruktion abgeklärt und poststationär der epifaszia­len Venensanierung oder gegebenenfalls der venösen Rekanalisation zugeführt werden. Eine periphere arterielle Ver­schlusskrankheit, arteriosklerotisch oder postaktinisch, sollte bei Eintritt immer abgeklärt werden, um so die Wundheilung einschätzen zu können, den Kompressi­onsdruck der Perfusion anzupassen oder den Patienten der arteriellen Rekanalisati­on zuzuführen. Aber auch die Behandlung von Patienten mit Ödem und größeren Wunden erfolgt interdisziplinär zwischen Pflege und KPE­Therapeut/in. So wird bei Ulcera cruris, in zeitlicher Abstimmung mit der Pflege, die Manuelle Lymphdrai­nage mit sterilen Handschuhen bis in den Wundgrund durchgeführt, nach Ver­bandsentfernung und Wundreinigung und vor Wiederanlage des Wundverban­des.

Die wahrscheinlich wichtigste Voraus­setzung für eine effiziente, ziel­ und kostenorientierte stationäre KPE­Behand­lung des Patienten mit einem multikausa­len Ödem ist die interdisziplinäre Zusam­menarbeit zwischen Therapie, Pflege und Arzt und die Mitarbeit des Patienten. Im Rahmen eines stationären Settings ist eine solche Zusammenarbeit wegen der kurzen Kommunikationswege einfacher zu errei­chen (aber nicht selbstverständlich) als in der Physiotherapieambulanz.

Lymphödeme in der Kardiologie

S. Sörensen, Interne Abteilung, Kranken-haus Mainburg, D-Mainburg

In Deutschland leiden circa 1,3 Millionen (2,2 %) Menschen an der häufigsten Herz­rhythmusstörung, dem Vorhofflimmern, zusätzlich besteht bei jedem fünften Euro­päer ein erhöhter Blutdruck. Beide Erkrankungen führen zu strukturellen Veränderungen am Herzen mit Folgen für die Auswurffraktion. Als häufigsten Ursa­chen einer kardialen Dekompensation sind diese beiden Entitäten dabei völlig unterschätzt. Die Tachyarrhythmia abso­luta mit ihrer sogenannten Tachymyopa­thie führt dabei zu einer systolischen Herzinsuffizienz, die hypertensive Krise oft durch ihre hervorgerufene Compli­ancestörung zu einer diastolischen Herz­insuffizienz. Beides geht mit peripheren Ödemen und Dyspnoe bis zum Lungen­ödem einher. Das richtige Erkennen und die Einleitung einer adäquaten Therapie sind auch in der Lymphologie von großer Bedeutung und können helfen, die lympo­logischen Therapiemöglichkeiten respekti­ve den Abbruch oder die Fortführung zum Beispiel einer KPE differenzierter zu beurteilen.

(Lymph-)Ödeme in der Gynäkolo-gie und Geburtshilfe

M. Kunze, Universitätsfrauenklinik, D-Freiburg

Einleitung: Bis zu 80 % der Schwangeren entwickeln periphere Ödeme vor allem der unteren Extremität. Diesen Schwan­gerschaftsödemen wird keine wesentliche pathologische Bedeutung beigemessen, da sie die Prognose von Mutter und Fötus nicht negativ beeinflussen. Die Schwange­re empfindet diese Ödeme jedoch meis­tens als sehr beeinträchtigend. Periphere Ödeme werden auch in der Genese des Karpaltunnelsyndroms oder der Faszialis­parese in der Schwangerschaft diskutiert. Es gibt in der Literatur kaum Studien zu therapeutischen Interventionen bei Bein­ödemen in der Schwangerschaft und daher keine klaren Empfehlungen.

Während der Schwangerschaftsvor­sorge sollte auf die Entwicklung von Öde­

men geachtet werden. Dies soll vor allem der frühzeitigen Erkennung einer Prä­eklampsie (Hypertonie und Proteinurie) dienen. Früher wurde dieses Krankheits­bild auch als EPH­Gestose nach der Trias der Leitsymptome (Edema, Proteinurie und Hypertonie) bezeichnet. Da die Ödeme ein unspezifisches Symptom sind, wurden sie aus der Definition entfernt. Die Ödementwicklung hat nur dann eine prognostische Bedeutung, wenn sie schnell entsteht oder ein ausgeprägtes Gesichtsödem besteht. Bei präeklampti­schen Schwangeren ist das Risiko eines generalisierten Ödems (u.a. Lungenödem) deutlich höher. Bereits vorbestehende Lymphödeme, wie zum Beispiel bei einer Patientin mit sekundärem Lymphödem nach Trachelektomie und Lymphonodek­tomie bei Zervixkarzinom (Falldarstel­lung), verschlechtern sich meistens wäh­rend der Schwangerschaft. Solche Patientinnen erfordern eine gute interdis­ziplinäre Zusammenarbeit.

Zusammenfassung: Ödeme in der Schwangerschaft sind häufig und haben keinen besonderen Krankheitswert. Jedoch können sie auch eine Hinweis auf eine Schwangerschaftserkrankung sein. Differenzialdiagnostisch müssen in der Schwangerschaft alle Arten von Ödemen (kardial, renal, hepatogen, Thrombosen usw.) bedacht werden.

Lymphödem als erstes Zeichen eines Malignoms – drei Fallbei-spiele aus der interdisziplinären Ambulanz

M. Plett, Interdisziplinäres Venenzentrum, Helios Klinikum, D-Wuppertal (Co-Autoren: S. C. Hofmann, M. Tosch, U. Kusenack, P. Lehmann, Hautklinik, Helios Klinikum, D-Wuppertal)

Das erstmalig aufgetretene zentrale Lymph ödem kann ein Zeichen einer mali­gnen Erkrankung sein. In unserem inter­disziplinären Venenzentrum wurden retrospektiv im Zeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2013 insgesamt 1607 Patienten ambulant und/oder stationär untersucht und behandelt, davon waren 253 Patienten mit lymphologischen Erkrankungen erfasst. Die Akten mit dem im SAP­Sys­

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LYMPHOLOGIE-KONGRESS 2015

112 LymphForsch 19 (2) 2015

tem erfassten ICD­10 Code I89.0 wurden eingesehen und ausgewertet. Bei drei (1,2 %) der untersuchten ambulanten Pati­enten ergab eine umfangreiche Ursachen­suche wegen des neu diagnostizierten Lymph ödems eine maligne Erkrankung. Diese Fälle werden im Folgenden darge­stellt.

Eine 43­jährige Frau stellte sich mit Varikose rechts zur Planung einer Opera­tion vor. Sie klagte zusätzlich über eine Schwellneigung mit Spannungsgefühl des linken Beines. Klinisch fand sich links keine fassbare Schwellung des Beines. In der Duplexsonographie beider Beine fie­len neben der bekannten Stammvarikose rechts in der linken Leiste zwei echoarme Lymphknoten auf. Letztendlich wurde ein Non­Hodgkin­Lymphom Stadium II A

diagnostiziert und mittels Radiatio beider iliakalen und inguinalen Lymphabflussge­biete kurativ therapiert.

Im zweiten Fall wurde ein 24­jähriger Tennislehrer mit Gesichtsschwellung in die Hautklinik eingewiesen. Bei der konsi­liarischen Duplexsonographie fand sich ein ausgedehntes s.c. Lymphödem des Kopfes, beider Schultern und des proxi­malen Thorax. Im Röntgen­Thorax wurde eine ausgeprägte Raumforderung im obe­ren Mediastinum nachgewiesen. Es erfolgte bei einer oberen Einflussstauung notfallmäßig eine perkutane Bestrahlung mediastinal und schlussendlich wurde ein hochmalignes B­Zell­Lymphom Stadium II A, IPI 2 diagnostiziert und behandelt.

Die dritte Patientin (65 Jahre) stellte sich wegen zunehmender s.c. Ödeme des Unterbauches und der Genitalregion mit Beteiligung zunächst des rechten Ober­schenkels vor. Die hausärztlichen Untersu­chungen mit Labor und MRT des Unter­bauches sowie die gynäkologische Kontrolle ergaben keinen pathologischen Befund. Bei Verdacht auf Lymphabfluss­

störung im Epigastrium erfolgte eine Duplexsonographie des Abdomens. Dabei wurde eine circa 2 cm große hypodense Raumforderung in Höhe des Pankreas präaortal nachgewiesen. Die laparosko­pisch gewonnene Biopsie ergab ein solides Karzinominfiltrat. Trotz ausgedehnter Untersuchungen wurde der Primärtumor nicht gefunden und die Diagnose des CUP­Syndroms gestellt.

Diskussion: Die interdisziplinäre und fachübergreifende Zusammenarbeit in der Klinik ermöglichte in kurzer Zeit die Dia­gnosestellung und die Therapieeinleitung. Die frühzeitige Diagnosestellung eines Karzinoms verbessert die Überlebens­chancen der Patienten. Bei Betrachtung dieser drei Fälle und deren Verläufe wird deutlich, dass ein diskretes Lymphödem als erstes Zeichen einer malignen Erkran­kung leicht übersehen oder fehlinterpre­tiert werden kann. Unter Würdigung der Patientenangaben im Rahmen einer aus­führlichen Anamnese können auch bei klinisch diskreten Befunden maligne Erkrankungen in frühen Stadien diagnos­tiziert und dann auch erfolgreicher behan­delt werden.

Das multikausale Ödem: Die besondere Herausforderung aus Sicht des Lymphtherapeuten

T. Zähringer, Földiklinik, D-Hinterzarten

Das „multikausale Lymphödem“ ist eine Erkrankung, welche durch Co­Morbidität unterschiedlicher Erkrankungen entsteht oder verschlechtert wird. Besonders bei älteren Menschen werden vermehrt multi­kausale Lymphödeme diagnostiziert. Auch Adipositas und Bewegungsarmut können Gründe für die Entstehung einiger ödem­relevanter Krankheiten sein. Jede Erkran­kung, welche entweder die lymphpflichti­gen Lasten erhöht oder aber die Transportkapazität herabsetzt, ist Teil des multikausalen Lymphödems.

Folgende Faktoren können Bestandteile des multikausalen Lymphödems sein:• Lymphödem primär/sekundär,• chronische venöse Insuffizienz,• Herzinsuffizienz,• Adipositas,• Lipödem,• entzündliche Prozesse,

• Diabetes mellitus,• AVK nach Revaskularisation,• hormonelle Erkrankungen (zum Bei­

spiel Hypothyreose),• neurologische Erkrankungen mit

Paresen,• orthopädische Erkrankungen mit Ein­

schränkung der Mobilität,• altersbedingte Gangunsicherheiten und

Mobilitätsdefizit,• immunologische Erkrankungen mit

Kortisontherapie.

Eine physiotherapeutische Herausfor­derung stellt das Erkennen von thera­pierelevanten Problemen dar. Im Ein­gangsbefund sollten unbedingt die für die KPE­Behandlung wichtigen Kontraindika­tionen erfasst sowie alle gewonnen Infor­mationen, wie Durchblutungssituation, Hautbeschaffenheit, Kraft­ und Sensibili­tätsstörungen, Haltung, Stand­ und Gang­sicherheit usw., in den Behandlungsplan einbezogen werden. Die Komplexe Physi­kalische Entstauungstherapie (KPE) wird hinsichtlich der Griffintensität und Kom­pressionsanlage modifiziert werden müs­sen. Eine interdisziplinäre Betrachtungs­weise in der Therapie ist bei diesen Patienten besonders wichtig. Im Vortrag werden die Herausforderungen, denen sich der Lymphtherapeut stellen muss, beschrieben und mögliche Lösungsansätze aufgezeigt. Um eine Verbesserung der Ödemsituation zu erreichen, muss es gelingen, alle ödemrelevanten Faktoren mit in die Therapie einzubeziehen. Nur so kann der Patient dauerhaft von der Ent­stauungstherapie profitieren.

II. Neues aus Klinik und Forschung I

Stationäre Rehabilitation von Patienten mit Ödemerkrankungen in einer spezialisierten Klinik. Wirk-samkeit der Behandlung

W. Schneider, Baumrainklinik, Haus am Schlosspark, D-Bad Berleburg (Co-Autoren: S. Tobisch2, R. Reintjes3

,4,

K. Schönweiß5, A. Kassen2: 2BSN medical GmbH, D-Hamburg; 3Department

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Page 41: originalarbeiten übersichtsarbeiten kasuistik lymphologie-kongress

LymphForsch 19 (2) 2015 113

LYMPHOLOGIE-KONGRESS 2015

Gesundheitswissenschaften, Hochschule für Angewandte Wissenschaften, D-Ham-burg; 4School of Health Sciences, Univer-sity of Tampere, FIN-Tampere; 5BSN-JOBST GmbH, D-Emmerich am Rhein)

Einleitung: Aufgrund der Chronifizierung und der Beeinträchtigung der Arbeitsfä­higkeit ist das Lymphödem eine Erkran­kung mit hoher Public­Health­Relevanz (1). Daher stellt sich die Frage, inwieweit eine stationäre Rehabilitation die Arbeits­fähigkeit der Patienten verbessert?

Material und Methoden: Es wurde eine historische Kohortenstudie im Ödemzentrum Bad Berleburg durchge­führt. Die Studienpopulation umfasste 155 zufällig ausgewählte Patienten zwischen 30­60 Jahren, welche 2008 an einer statio­näre Reha im Ödemzentrum teilnahmen (86,5 % weiblich, mittleres Alter 47,0±7,4 Jahre). Pseudonymisierte Daten zu Demo­graphie, Risikofaktoren, Krankheitsbild und Therapie wurden aus Patientenakten erfasst. Arten der Ödeme wurden anhand der Diagnose im Therapieplan identifi­ziert. Deskriptive Analysen (absolute und relative Häufigkeiten, Mittelwert und Standardabweichung) wurden mit IBM SPSS Statistics 20 durchgeführt.

Ergebnisse: Patienten mit verschiede­nen Ödemen (14,8 % primäres, 33,5 % sekundäres Lymphödem) wurden in dem Ödemzentrum stationär behandelt. Dar­über hinaus stellten sich 52,9 % der Pati­enten mit einem Lipödem vor. Vor der Aufnahme in die Klinik wurden diese Patienten mit Manueller Lymphdrainage (73,5 %) oder Kompressionsbandagierun­gen (29,7 %) versorgt. 76,8 % erhielten Kompressionsstrümpfe. Davon wurde bei 57,1 % die Kompressionsklasse II und bei 11,8 % die Kompressionsklasse III ver­wendet. Während des Aufenthalts, wurde bei 94,2 % der Patienten die bestehende Kompressionsbestrumpfung angepasst und eine individualisierte Bestrumpfung gewählt (z.B. Flachstrick, geteilte Versor­gung). 19,4 % der Patienten erhielten erstmalig Kompressionsstrümpfe. Bezüg­lich der Arbeitsfähigkeit zeigte sich, dass 40,6 % der Patienten Arbeitsunfähigkeits­zeiten von bis zu drei Monaten innerhalb des letzten Jahres vor der Reha berichte­ten. Zum Zeitpunkt der Aufnahme arbei­teten 29,7 % der Patienten. Nach

Abschluss der Behandlung wurden 74,2 % der Patienten arbeitsfähig entlas­sen. Ebenfalls wurden von 21 Patienten, die vor der Reha mehr als sechs Monate arbeitsunfähig waren, sechs arbeitsfähig entlassen.

Diskussion: Veränderungen in der Kompressionsbestrumpfung deuten darauf hin, dass es Verbesserungsbedarf in der ambulanten Versorgung der Patienten gibt, um die Arbeitsfähigkeit der Patienten wie­derherzustellen. Die Wirksamkeit der Reha zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit unterstreicht deren Notwendigkeit. Kosten­Effektivitäts­Analysen sowie Studien zur Verifizierung der Ergebnisse dieser mono­zentrischen Studien sind notwendig.

Literatur

1. Hodgson P, Towers A, Keast DH et al. Lymph-edema in Canada: a qualitative study to help deve-lop a clinical, research, and education strategy. Curr Oncol 2011;18(6):e260-264.

Vorstellung einer Metastudie des Axillary Web Syndroms/AWS (1/2015) – Management des AWS in der Praxis

E. Josenhans, D-Hamburg

Das Krankheitsbild: Das Axillary Web Syndrom (AWS) (auch Geigensaitenphä­nomen, Cording oder Strangbildung) ist eine schmerzhafte und funktionsein­schränkende Komplikation nach einer Brustkrebsoperation mit Entnahme von Lymphknoten aus der Achsel. Charakte­ristisch sind strangartige Veränderungen, die meist von der Achsel in den Arm rei­chen und die Beweglichkeit der Schulter und des Ellenbogens beeinträchtigen. Stränge können sich auch unterhalb der Brust über den Rippen zeigen.

Metastudie zum AWS: Vorgestellt wird eine Metastudie zum AWS, die im Januar 2015 erschien. Sie fasst die Ergebnisse von 37 englischsprachigen Studien (drei ran­domisierte kontrollierte, elf prospektive, acht retrospektive Studien, eine Disserta­tion, 14 Fallstudien) zusammen. Die Stu­dien untersuchten die Häufigkeit des Auf­tretens, den Zeitpunkt des Auftretens, den Zeitpunkt der Auflösung, die Stärke der Schmerzen, die Ursache, die Risikofakto­ren, Einschränkung der Mobilität, psycho­soziale Faktoren und die Behandlung des AWS.

Es gibt sehr widersprüchliche Aussagen zur Auflösung der Stränge. Einige Autoren (retrospektive Studien) geben an, dass sich das Phänomen innerhalb von drei Mona­ten selbst behebt. Da dies bereits in der ersten Studie von Moscowitz (2001) behauptet wurde, war das Interesse, eine Therapie zu erforschen, gering. Andere Studien (Josenhans 2007, Lacomba 2009) zeigten, dass Patientinnen noch zwölf Monate postoperativ eine Strangbildung aufwiesen (bis 17 % der Fälle). Neun der Studien empfehlen manueller Techniken zur Lösung der Stränge, es gibt allerdings keine Untersuchungen, die verschiedene physiotherapeutische Interventionen ver­gleichen.

Eine Studie erwähnt, dass es keinen zusätzlichen positiven Effekt brachte, wenn neben manuellen Lösungstechniken auch Lymphdrainagen angewandt wurden.

Als ein Fazit der Metastudie wird drin­gend empfohlen, weiter zu erforschen, welche Interventionen zur Verkürzung der schmerzhaften und einschränkenden Symptome des AWS führen können.

Management des AWS in der physio-therapeutischen Praxis: Die Autorin hat in ihrer Praxis in Hamburg eine spezielle manuelle Therapie zur Lösung der Symp­

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tome des AWS entwickelt. Im Rahmen einer Studie an 105 Patientinnen mit Strangbildung wurde die Therapie auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen über­prüft. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Therapie äußerst effektiv ist und keine Komplikationen, wie zum Besipiel Lymphödeme, provoziert. 2007 wurde diese Studie über die Behandlung des AWS veröffentlicht und gewann den Wis­senschaftspreis des ZVK. Vorgestellt wird im Vortrag das Krankheitsbild, die Behandlung und das Management des AWS in der physiotherapeutischen Praxis. Empfohlen wird die Aufnahme der AWS­Therapie in das Curriculum der Lymph­drainageausbildung, um das Wissen darü­ber zu verbreiten und Therapeuten für dieses nicht seltene Krankheitsbild auszu­bilden.

Apparative intermittierende Kompression bei Balletttänzern

A. Miller, Praxis „die hautexperten“, D-Berlin

Balletttanz ist die Kombination aus Leis­tungssport und Ästhetik, die insbesondere bei Profitänzern täglich Höchstleistungen abfordert. Während im Spitzensport die Behandlung durch Manuelle Lymphdrai­nage und apparative Kompression fester Bestandteil der physiotherapeutischen Betreuung ist, gibt es bisher keine Studien zum Balletttanz.

Die Tänzer des Staatsballetts Berlin erhielten zwei verschiedene Geräte zur apparativen intermittierenden Kompres­sion und füllten anschließend Fragebögen aus, die das Allgemeinbefinden, die kör­perliche Leistungsfähigkeit, das Schwel­lungsgefühl der Beine, die Schmerzhaftig­keit der Beine und das Spannungsgefühl erfragten. Zudem wurden Alter, Behand­lungsdauer und Gerät erfasst.

Trotz einer durchschnittlichen Behand­lungszeit von nur zehn bis 20 Minuten zeigten sich bei fast allen Tänzern eine deutliche Steigerung von Leistungsfähig­keit und Allgemeinbefinden sowie eine Linderung der Beschwerden der Beine. Das entspricht den Studienergebnissen, die bei Kompressionstherapie im Leis­tungssport berichtet werden. Vermutet werden ein beschleunigter Abtransport

von Laktat und eine Optimierung des Stoffwechsels der Muskulatur.

Der Versorgungsvertrag „Behand-lung des chronischen Lymph-ödems“ in Sachsen-Anhalt – Erfahrungen nach einem Jahr

T. Hirsch, D-Halle

Einleitung: Als Ergebnis jahrelanger Gespräche und Verhandlungen wurde am 01. November 2014 ein Versorgungsver­trag nach §73a SGB V zur ambulanten Versorgung von Patienten mit chroni­schem Lymphödem, Lipödem und ver­wandten Ödem­Entitäten zwischen der AOK Sachsen­Anhalt, der KV Sachsen­Anhalt und lymphologischen Schwer­punktpraxen abgeschlossen. Ziele waren die Vereinfachung der bürokratischen Strukturen, die rechtliche Absicherung und eine wirtschaftliche Abbildung des Aufwandes, den die Umsetzung einer leit­liniengerechten Entstauungstherapie erfordert. Die Schwierigkeiten in der Ver­tragsentwicklung resultierten unter ande­rem daraus, dass die Leistungen der Kom­plexen Physikalischen Entstauung im Prinzip bereits Bestandteil der Regelver­sorgung durch die GKV sind, diese aber von unterschiedlichen Leistungserbrin­gern vollzogen werden.

Chancen und Limitierungen des Ver-sorgungsvertrages: Die AOK Sachsen­Anhalt hat die Notwendigkeit einer Ver­besserung der Versorgungsstrukturen für Ödempatienten erkannt und den festen Willen unter Beweis gestellt, die Prozesse zu optimieren.

Gesetzliche Vorgaben erschweren die interdisziplinäre Kooperation der an der Behandlung beteiligten Leistungserbrin­ger unter ambulanten Bedingungen, was die Umsetzung der Behandlung analog einer stationären Reha­Einrichtung erschwert. Der Vertrag bezieht sich aus diesem Grund allein auf den ärztlichen Behandlungsabschnitt. Die Vergütung erfolgt extrabudgetär und orientiert sich an bereits bestehenden Verträgen nach §73a SGB V (z.B. zur chronischen Nieren­insuffizienz). Zur Kostenkontrolle wurde der Vertrag von Seiten der GKV auf Versi­cherte mit Krankentagegeldanspruch

(nicht berentet) beschränkt und im Falle eines positiven Assessments bezüglich der Anzahl der pro Jahr eingeschlossenen Patienten limitiert. Die für die Heil­ und Hilfsmittelversorgung zuständigen Mitar­beiter der AOK Sachsen­Anhalt und auch Beratungsärzte des MDK wurden speziell geschult. Eine bevorzugte Bearbeitung der Verordnungen durch die beteiligten Ver­tragspraxen konnte vereinbart werden.

III. Lymphgefäße, Interstitium und Mikrozirkulation

Die endotheliale Glykokalix – Ein Nano-Kosmos der besonderen Art

H. Zöltzer, Universität Kassel/FB 19, Humanbiologie, D-Kassel

Die Glykokalix ist der an Proteine und Lipide gebundene Kohlenhydratanteil auf der äußeren Seite der Zellmembran. Die Zusammensetzung und der Aufbau der Glykokalices sind unterschiedlich bei den verschiedenen Zellarten und zwischen Individuen einer Art.

Auch befindet sich die Glykokalix in einem ständigen Auf­ und Abbau.

Die Funktionen der Glykokalix sind äußerst vielfältig, so zum Beispiel:• Stabilisierung der Zellmembran,• Bindung von Zellen untereinander

(Gewebeaufbau),• Aufbau von temporären Kontakten

(z.B. Interaktion zwischen Endothel und Granulozyt),

• Schutz vor Selbstverdauung,• Selektion von Stoffen, die resorbiert

werden sollen,• Aufbau eines kolloidosmotischen Gra­

dienten durch das Endothel,• Rezeptor für extrazelluläre Signale (z. B.

für Hormone),• Verantwortlich für die Antigeneigen­

schaften einer Zelle.

Die Glykokalix aller Zellen und damit auch der Endothelzellen spielt für alle von der Zelle zu erbringenden Leistungen eine Schlüsselrolle.

Diese circa 500 nm dünne, gelartige endotheliale Glykokalix ist die Schnitt­stelle zwischen Endothelzellen und dem

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fließenden Blut mit Plasma und Zellen. Sie moduliert die Permeabilität des transkapil­lären Wasseraustausches, ist mechanischer Wandler für Flüssigkeitsscherstress in das endotheliale Zytoskelett, welches dann chemische Antworten induziert, und regu­liert das Zusammenspiel mit den Blutzel­len, insbesondere bei Entzündungen.

Die Rolle der Lymphgefäße bei Tumorwachstum und Metasta sierung

L. Dieterich, M. Detmar, Institut für Phar-maz. Wissenschaft, ETH Zürich, CH-Zürich

Tumorwachstum und ­progression wird häufig von einer Aktivierung des lympha­tischen Systems begleitet, welches sich in einer Erweiterung bestehender Gefäße sowie Gefäßneuwachstum (Lymphangio­genese) im Bereich des Primärtumors, aber auch im nächstgelegenen Lymphkno­ten äußern kann. Diese Aktivierung resul­tiert aus der Ausschüttung von Wachs­tumsfaktoren und Zytokinen, allen voran Vascular Endothelial Growth Factor C (VEGF­C) und VEGF­A, durch Tumorzel­len sowie den Tumor infiltrierende Leuko­zyten. In einigen Tumorarten, zum Bei­spiel beim malignen Melanom, konnte mithilfe klinischer Studien nachgewiesen werden, dass Lymphangiogenese in der Tumorperipherie sowie die Gegenwart intratumoraler Lymphgefäße mit einer erhöhten Neigung zur Metastasierung und einer generell schlechteren Prognose für den Patienten einhergehen. Hierfür gibt es vermutlich mehrere Gründe. Einerseits sind lymphatische Gefäße bekannterweise aktiv am Metastasierungsprozess beteiligt, da sie als Transportsystem und als Spei­cher für metastasierende Tumorzellen fungieren können. Andererseits deuten neueste Erkenntnisse darauf hin, dass lymphatische Endothelzellen, vor allem solche im Lymphknoten, einen erhebli­chen Einfluss auf das Immunsystem haben. So konnte in Tierversuchen gezeigt werden, dass lymphatisches Endothel im gesunden Organismus für die Aufrechter­haltung peripherer Toleranz eine große Bedeuting hat, indem es T­Zellen inhi­biert. Daher wird vermutet, dass es auch die Immunantwort gegen Tumore schwä­chen kann.

In unserem Labor arbeiten wir mit ver­schiedenen orthotopischen Tumormodel­len (Brustkrebs, Melanom) in der Maus, mit dem Ziel, eine genaue, molekulare Charakterisierung tumorassoziierter Lymphgefäße durchzuführen. Hierzu wird Tumorgewebe enzymatisch verdaut, und die lymphatischen Endothelzellen werden mittles Durchflusszytometrie isoliert. Anschließend erfolgt RNA­Sequenzierung zur Bestimmung der Genexpression. Mit­hilfe dieser Technik konnten wir einige potenzielle Zielproteine für zukünftige, zielgerichtete Therapien identifizieren, die die Metastasierung als auch die Immunre­gulation durch lymphatische Endothelzel­len verringern könnten. So konnten wir unter anderem zeigen, dass VCAM­1, ein Adhäsionsprotein, welches normalerweise in entzündeten Blutgefäßen exprimiert wird, auch in tumorassoziierten Lymphge­fäßen vorhanden ist und die Interaktion mit Tumorzellen ermöglicht. Weiterfüh­rende Studien werden zeigen, ob VCAM­1­blockierende Antikörper die Krebsmeta­stasierung in vivo verringern können

Gynäkologische Endokrinologie: Sexualhormone und Ödemnei-gung

A. Hanjalic-Beck, Centrum für Endokrino-logie und Reproduktionsmedizin, D-Frei-burg

Beginnend mit der Pubertät bis zu den Wechseljahren ist der weibliche Körper stets physiologischen Hormonschwankun­gen ausgesetzt. Dies betrifft insbesondere die Sexualhormone, zu denen Östrogene, Gestagene (z.B. Progesteron) und Andro­gene (z.B. Testosteron) gehören. Neben der primären Wirkung auf den weiblichen Zyklus und die Fortpflanzung beeinflussen diese Hormone vielfältig den Stoffwechsel und die Psyche.

Durch den typischen zyklischen Ver­lauf der Sexualhormone während der reproduktiven Phase oder durch physiolo­gische Schwankungen in den Übergangs­phasen wie Pubertät, Schwangerschaft oder Wechseljahren können für einen Teil der Frauen bemerkbare Symptome auftre­ten, die mit einem Leidensdruck einherge­hen. Solche Symptome, bekannt auch als prämenstruelles Syndrom (PMS) oder kli­

makterische Beschwerden, beinhalten häufig auch das Problem der Ödemnei­gung und der Gewichtszunahme/­schwan­kung. Des Weiteren können Hormonstö­rungen wie Hyperandrogenämie oder Schilddrüsenfunktionsstörungen zu unre­gelmäßigen Zyklen und somit zum Hor­monmangel führen, im Rahmen dessen auch Gewichtsveränderungen und Ödeme auftreten können. Im folgenden Beitrag wird die besondere Rolle der Sexualstero­ide auf die Gefäßaktivität, Salz­ und Was­serretention sowie auf das Fettgewebe dar­gestellt. Außerdem werden therapeutische Ansätze aus dem gynäko­endokrinologi­schen Gebiet erläutert.

IV. Lymphologische Notfälle

Anatomische Varianten der Zis-terna chyli und des D. thoracicus

D. Berens v. Rautenfeld, Zentrum Anato-mie, Medizinische Hochschule, D-Hanno-ver / S. Aurenz, Tierärztliche Praxis für Pferdephysiotherapie, D-Neustadt

Es mag verwunderlich sein, dass makro­anatomische Untersuchungen immer noch erforderlich erscheinen. Wir führen dies darauf zurück, dass die Anzahl der untersuchten Präparate in den Veröffentli­chungen aus statistischer Sicht gering war, um Zusammenhänge zwischen der post­mortalen in Abhängigkeit zur physiologi­schen bzw. pathophysiologischen indivi­duellen Situation des Ductus thoracicus (DT) zu rekonstruieren. Im Rahmen des Hannoveraner Untersuchungsprojektes werden seit 2010 geeignete Präparate der Präparierkurse im Hinblick auf den DT evaluiert. In diesem Beitrag werden erst­mals Zahlen von 2014/2015 im Zusam­menhang zu einigen Befunden vorgestellt.

So ist in der Literatur der topographi­sche Verlauf des DT nicht restlos geklärt. Besonders die Topographie seines Endab­schnittes ist von sonographischer Bedeu­tung, worauf bereits Seegr (2007) hinge­wiesen hat. Die funktionelle Variabilität des Lymphzeitvolumens hat offenbar einen Einfluss auf cisternenartige Ausbil­dungen nicht nur im Anfangsabschnitt des DT. Wir gehen davon aus, dass die Cis­

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terna chyli keine genetisch angelegte Erweiterung des DT repräsentiert. Darü­ber hinaus ist die Lage des DT mit der flankierenden V. azygos und Aorta durch häufig vorhandene skoliotische Verände­rungen der Wirbelsäule nach rechts bzw. links der Wirbelsäule verschoben.

Fallvorstellung: Konservative The-rapie einer Patientin mit Chylaskos und chylösen Pleuraergüssen

E. Triantafyllou, GR-Athen

Die primären Lymphödeme unserer 46­jährigen Patientin wurden im Alter von zwei Jahren während eines Krankenhaus­aufenthaltes diagnostiziert. Seit diesem Krankenhausaufenthalt entwickelte die Patientin nach und nach Lymphödeme des Thorax, des Perikards, des Darmes und der ganzen Bauchregion, der unteren Rumpfquadranten, der Beine und des Genitals. Pro Jahr hatte die Patientin bis zu zehn Erysipelinfektionen zu überstehen. Von 1991 bis 2008 war die Patientin für neun Aufenthalte von 20 bis 40 Tagen in der Földiklinik, Lymphologische Fachkli­nik, Hinterzarten. Seit 2013 ist diese multi­morbide Patientin in unserem interdiszipli­nären Zentrum für Physiotherapie „Bionadrasis” in Athen in Behandlung. Die ganze KPE Phase I wird in unserer lympho­logischen Fachabteilung bis zur Flachstrick­Kompressionsversorgungsanmessung durchgeführt. Wegen ihres guten Krank­heitsselbstmanagements kommt die Patien­tin für die nächsten zehn Tage bis zur Liefe­rung der Kompressionsversorgung alle zwei bis drei Tage zur KPE in unsere Praxis.

Ich werde Ihnen die Entwicklung der Erkrankung von Anfang an und das Ergebnis unseres ambulanten Lymph­ödemmanagements und der Komplexen Physikalischen Entstaungstherapie anhand einer Fotodokumentation, Umfangsmes­sung und von Ultraschallbildern des Her­zens zeigen.

V. Komplexe Fehlbildungen und Syndrome in der Lymphologie

Genetik der Lymphangiogenese

J. Wilting, Universitätsmedizin, Zentrum Anatomie, Abt. Anatomie und Zellbiolo-gie, D-Göttingen

Während das embryonale Blutgefäßsystem des Menschen mit dem Einsetzen des Herzschlags am 21. Entwicklungstag bereits angelegt ist, entsteht das Lymphge­fäßsystem deutlich später. Mittels Routine­histologie lassen sich die jugulären Lymphsäcke erst in der sechsten bis sieb­ten Woche nachweisen. Die Differenzie­rung von venösem Endothel in lymphati­sches Endothel wird dabei wesentlich von dem Transkriptionsfaktor SOX18 indu­ziert und durch den Transkriptionsfaktor PROX1 aufrechterhalten. Mutationen im PROX1­Gen sind beim Menschen bislang nicht beobachtet worden. Das Molekül ist essenziell für die Entwicklung verschiede­ner Organsysteme, sodass seine Fehlfunk­tion sehr wahrscheinlich schon in Früh­

stadien zum Abort führt. Mutationen im SOX18­Gen rufen das Hypotrichose­Lymph ödem­Teleangiektasie­Syndrom (HLTS) hervor (Online Mendalian Inheri­tance in Man, OMIM Nr.: 607823). Das embryonale Wachstum der Lymphgefäße wird durch den Vascular Endothelial Growth Factor­C (VEGF­C) und seinen Hauptrezeptor, VEGFR­3, kontrolliert. Die Mehrzahl der primären Lymphödeme geht auf Mutationen in der VEGF­C­ VEGFR­3­Signalkaskade zurück: • Hereditäres Lymphödem I­A (Nonne­

Milroy­Lymphödem); Gen: FLT4 = VEGFR­3; OMIM Nr.: 153100.

• Hereditäres Lymphödem I­D; Gen: VEGF­C; OMIM Nr.: 615907.

• Die Protein­Tyrosin­Phosphatase PTPN14 reduziert die Aktivität des VEGFR­3. Mutationen des PTPN14 Gens bewirken Choanen­Atresie und Lymphödem; OMIM Nr.: 613611.

Die vermutlich zweithäufigste Ursache für primäre Lymphödeme sind Fehlent­wicklungen der Lymphgefäßklappen. Hier besitzt der Transkriptionsfaktor FOXC2 eine wichtige Funktion. Mutationen des FOXC2­Gens rufen das Lymphödem­Dis­tichiasis­Syndrom hervor; OMIM Nr.: 153400. Neben Beinlymphödemen kann bei vielen Patienten auch ein Reflux in die V. saphena magna und die Bildung von Varizen beobachtet werden, da FOXC2 auch die Entwicklung der Venenklappen steuert. Einige weitere „Lymphödem­Gene“ sind in den letzten Jahren entdeckt worden, ihr Wirkmechanismus ist aber meistens nicht bekannt.

Kürzlich wurden erstmals somatische Mutationen entdeckt, die mit der Entste­hung von lymphatischen Malformationen (Lymphangiomen) einhergehen. Dabei handelt es sich um Mutationen im Gen PIK3CA, also in der katalytischen Unter­einheit der Phosphatidylinositol­4,5­bis­phosphat­3­Kinase. Dieses Molekül leitet „Überlebenssignale“ weiter, die zum Bei­spiel vom VEGFR­2 kommen können. VEGFR­2 ist auf Blut­ und Lymphendo­thelzellen vorhanden. Fazit: Für Patienten mit Kinderwunsch wird es wichtig sein zu diagnostizieren, ob die entsprechende Mutation in den Keimzellen vorhanden ist oder ob es sich um eine spontane somati­sche Mutation handelt.

Komplexe Vaskuläre Malformatio-nen aus lymphologischer Sicht

E. Földi, Földiklinik, D-Hinterzarten

Gefäßfehlentwicklungen können die Abschnitte der Arterien, Venen und Lymphgefäße betreffen. Primäre Lymph­ödeme sind Folgen der Fehlentwicklung der Lymphgefäße. Sie können in verschie­denen Formen vorliegen und auch in Kombination mit weiteren Malformatio­nen. Bedingt durch die embryonale Ent­wicklung unterscheiden wir trunkuläre und extratrunkuläre Fehlentwicklungen der Lymphgefäße. Zu den trunkulären gehören Hyperplasie, Hypoplasie und Aplasie der Gefäße mit der Konsequenz eines primären Lymphödems. Die extrat­runkulären Fehlbildungen treten in einem früheren Stadium der embryonalen Ent­wicklung auf als lokalisiertes retikuläres

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Netzwerk mit amorphem Cluster. Zu die­ser Gruppe der Malformationen gehören mikrozystische Lymphangiome oder auch Hygrome. Charakteristisch ist, dass sich in diesen Gebilden auch residuelle mesente­riale Zellen befinden mit der Eigenschaft, unter entsprechenden Stimuli zu wachsen, zum Beispiel bei Pubertät, Schwanger­schaft oder nach Traumata. Selten sind trunkuläre und extratrunkuläre Fehlbil­dungen gleichzeitig vorhanden.

Die Fehlentwicklungen der Lymphge­fäße können auch ein Teil eines Syndroms sein, sie können in Kombination mit venö­sen oder arteriellen Malformationen – am häufigsten mit arteriovenösen Shunts – kombiniert sein. Die komplexen vaskulä­ren Malformationen können wir aus lym­phologischer Sicht, insbesondere aus der Sicht möglicher Therapien, unterscheiden in solche, die mit einer Einschränkung der Lymphtransportkapazität einhergehen und solche, welche neben der Einschrän­kung der Transportkapazität auch mit einer Erhöhung der lymphpflichtigen Las­ten verlaufen. 12 % der Patienten mit pri­mären Lymphödemen weisen weitere Gefäßmalformationen auf. Der Vortrag beschäftigt sich mit klinischen Sympto­men, welche auf weitere Gefäßfehlbildun­gen hinweisen und die möglichen konser­vativen Therapieoptionen.

Bildgebung der Gefäßfehlbildungen: Diagnostik und Verlaufskontrolle

J. Geiger, Universitätskinderklinik, Bilddiagnostik, CH-Zürich

Zur Diagnostik und Verlaufskontrolle von (Lymph­)Gefäßfehlbildungen stehen als bildgebende Verfahren in erster Linie die Sonographie und die MRT zur Verfügung. Für lokale Befunde kommt die Sonogra­phie mit Farbdoppler zum Einsatz, um eine Einschätzung von der Art einer Mal­formation zu bekommen. Bei komplexe­ren Fehlbildungen jedoch hat die Sonogra­phie Limitationen, sowohl was die Ausdehnung in die Tiefe als auch was die Manifestation in anderen Körperregionen betrifft.

Die MRT bietet den Vorteil einer genaueren Beurteilung und Charakterisie­rung der Gefäßfehlbildungen. Sie kann auf

eine betroffene Körperregion hin ausge­richtet werden, um beurteilen zu können, ob es sich um lymphatische, venöse, arte­rio­venöse oder gemischte Malformatio­nen handelt, ob beispielsweise eine Kno­chenbeteiligung oder eine zusätzliche Hypertrophie des Fettgewebes vorliegt. Insbesondere bei Kindern mit komplexen syndromalen Gefäßfehlbildungen eignet sich die Ganzkörper­MRT, um eine Stand­ortbestimmung über das Ausmaß der von den vaskulären Malformationen betroffe­nen Körperregionen zu bekommen. Mit­hilfe geeigneter MRT­Sequenzen und der

Gabe von Kontrastmittel gelingt es in der Ganzkörper­MRT, die Ausdehnung kom­plexer vaskulärer Malformationen in weniger als einer Stunde zu untersuchen. Dies ist vor allem bei Patienten mit syn­dromalen Erkrankungen, wie zum Beispiel dem Proteus­Syndrom oder Klippel­Trénaunay­Syndrom, von großer Bedeu­tung. Die MRT eignet sich auch sehr gut für Verlaufskontrollen, um nach Interven­tionen, operativen Eingriffen oder konser­vativer/medikamentöser Behandlung das Therapieansprechen oder einen möglichen Progress der Erkrankung im Verlauf zu beurteilen. Eine orientierende Bewertung des Therapieerfolgs kann je nach Lokalisa­tion des Befunds und Art der Behandlung bei isolierten Läsionen auch sonogra­phisch erfolgen.

Im Einzelfall sollten Röntgen­ oder CT­Aufnahmen angefertigt werden, wenn es um die Beurteilung der knöchernen Stabi­

lität bei aggressiven destruktiven Prozes­sen im Rahmen von Lymphangiomatose oder Gorham Stout disease geht.

Therapieoptionen bei komplexen Gefäßfehlbildungen im Kindesalter

J. Rößler, Zentrum für Kinder- und Jugend-medizin, Universitätsklinikum, D-Freiburg

Fehlbildungen und Syndrome sind in der Lymphologie seltene Beobachtungen, die schwierig einzuordnen sind. Nach der neusten ISSVA­Klassifikation werden bei

Lymphgefäß­Malformationen (LM) zwi­schen zystischen LM (makro­, mikro­ und gemischt­zystischen LM), primären Lymph ödemen, kanalartigen LM und der generalisierten lymphatischen Anomalie (GLA) sowie der „Gorham Stout disease“ (GSD) mit LM differenziert.

LM können einen Hinweis auf gene­tisch determinierte Syndrome geben, zum Beispiel auf das Nonne­Milroy­Meige­Syndrom, das durch eine Mutation im „Fms­related tyrosinekinase 4“(FLT4)­Gen verursacht wird. Diese Patienten prä­sentieren zusätzlich Haut­ und Nagelano­malien. Umgekehrt können einige genetische Syndrome LM aufweisen. Hier­bei muss betont werden, dass viele Syn­drome genetisch noch nicht aufgeklärt sind und deshalb eine genaue Zuordnung nicht möglich ist. So ist zum Beispiel die Mutation für das Klippel­Trénaunay­Syn­drom (KTS) noch nicht bekannt und Pati­

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enten, die Gefäßfehlbildungen an einer Extremität mit Überwuchs aufweisen, können deshalb nicht eindeutig als KTS­Patienten benannt werden. Vor allem bei den Überwuchssyndromen mit bekannten somatischen Mutationen, wie dem Pro­teus­ und dem CLOVE­Syndrom („conge­nital lipomatous overgrowth, vascular malformations, epidermal nevi syn­drome“), können Lymphangiome und/oder Lymphödeme auftreten.

Bei der Diagnostik von Fehlbildungen und Syndromen spielt das kontrastmittel­gestützte MRT und die genetische Analyse nicht nur der Keimbahn­DNA, sondern insbesondere der DNA aus den entspre­chenden Läsionen, eine Rolle.

Das therapeutische Vorgehen bei kom­plexen Fehlbildungen und Syndromen mit LM kann prinzipiell nach den Leitlinien der Lymphologie durchgeführt werden. Letztendlich scheint aber auch aufgrund der genetischen Befunde, die vor allem im mTOR­Signalweg zu finden sind, eine medikamentöse Therapie sinnvoll. Erste Fallberichte zur Wirkung von Sirolimus (Rapamycine) als mTOR­Inhibitor bei komplizierten Gefäßfehlbildungen sind veröffentlicht. Aktuell ist eine Studie in Vorbereitung, die die Gabe von mTOR­Inhibitoren bei Überwuchssyndromen untersucht

VI. Lymphödem, Lipödem und Adipositas

Fettgewebe und die Funktion des Lymphgefäßsystems

E. Gousopoulos, S. Karaman, K. Blum, M. Detmar, Institut für Pharmaz. Wissen-schaft, ETH Zürich, CH-Zürich

Das Lymphgefäßsystem ist ein integraler Bestandteil des Kreislaufsystems, dass eine wichtige Rolle in der Homöostase der Gewebeflüssigkeit, der Immunüberwa­chung und der diätetischen Lipidaufnah­me spielt. Lymphgefäße sind an einer Reihe von Krankheiten beteiligt, wie chro­nische Entzündungskrankheiten und Tumormetastasierung. Von besonderem Interesse sind Hinweise auf eine Verbin­dung zwischen Lymphgefäßfunktion und

Adipositas. Bei Erkrankungen mit lym­phatischer Insuffizienz kommt es zur Ver­mehrung des Fettgewebes, was darauf hin­deutet, dass Lymphe adipogen wirkt. Wir konnten kürzlich zeigen, dass fettreiche Kost („high fat diet“; HFD) im Mausmo­dell mit eingeschränkter Funktion der Lymphkollektoren verbunden ist, insbe­sondere mit einer geringeren Frequenz der Kontraktionen und einer verminderten Reaktion auf Mechanostimulation. Darü­ber hinaus fanden wir eine signifikante negative Korrelation zwischen Funktion der Lymphkollektoren und Körperge­wicht. Andere Autoren fanden, dass Adi­positas chirurgisch­induzierte Lymphöde­me in einem Tiermodell verstärkte. Diese Befunde zeigen, dass die Expansion des Fettgewebes aufgrund einer HFD zu einer Funktionsbeeinträchtigung des Lymphge­fäßsystems, vorwiegend der Kollektoren, führt. Ein direkter Effekt der erhöhten Lipide auf die lymphatische Funktion kann jedoch derzeit nicht ausgeschlossen werden. Um die Wirkung einer HFD ohne manifeste Adipositas auf die Lymphfunk­tion zu untersuchen, setzten wir weibliche Mäuse vor der chirurgischen Induktion eines Lymphödems kurzfristig auf HFD. Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine HFD bereits in einem Stadium ohne Überge­wicht die Kontraktilität der Lymphgefäße vermindert und das chirurgisch­induzier­te Lymphödem verstärkt, zusammen mit einer vermehrten Entzündungsreaktion.

Adipositas assoziertes Lymphödem kompakt

T. Bertsch, E. Földi, Földiklinik, D-Hinterzarten

Die weltweit beobachtbare Adipositasepi­demie hat auch unmittelbare Auswirkun­gen auf unsere lymphologische Arbeit. So hat sich die Patientenpopulation unserer Lymphödempatienten in den vergangenen zehn Jahren dramatisch verändert. Wir sehen heute weniger „klassisch“ sekundäre Lymphödeme nach Krebsoperationen, dafür aber stetig mehr Patienten mit mul­tikausalen – Adipositas assoziierten ­ Lymphödemen. Morbide Adipositas (d. h. Patienten mit einem Body­Mass­Index >40 kg/m²) trägt hierbei wesentlich zur Entstehung von Lymphödemen bei, kann

aber auch sekundäre Lymphödeme ver­schlechtern.

Teil 1 des Vortrages befasst sich mit kli­nischen Aspekten sowie der Epidemiologie des Adipositas assoziierten Lymph ödems. Teil 2 skizziert die Pathophysiologie; Teil 3 setzt sich kritisch mit gängigen Thera­pieschemata auseinander und weist auf weitere therapeutische – chirurgische – Optionen hin, auf die dann in einem späte­ren Vortrag dieser Session ausführlicher eingegangen wird.

Ziel dieser sehr kompakten Zusam­menfassung ist zum einen auf die zuneh­mende Bedeutung des Adipositas assozi­ierten Lymphödems aufmerksam zu machen, andererseits ein Konzept vorzu­stellen, bei dem unseren Patienten nicht nur kurzfristig, sondern nachhaltig gehol­fen wird.

Lipödem: Krankheit oder Medien-Hype?

T. Bertsch, E. Földi, Földiklinik, D-Hinter zarten

Frauen mit der Diagnose Lipödem sind eine stetig zunehmende Patientengruppe in der Földiklinik; in unserer lympholo­gischen Ambulanz stellen diese Patien­ten inzwischen sogar die Mehrheit dar. Dies korreliert mit der zunehmenden Präsenz des Themas Lipödem in den Medien. Dabei ist die differenzialdiag­nostische Abgrenzung zu anderen Erkrankungen nicht immer einfach. Auch gibt es pathophysiologische Rätsel um das Lipödem, die noch zu lösen sind. Der Vortrag beschreibt diese Probleme und versucht, das Lipödem in den Kon­text mit anderen Erkrankungen auf der einen Seite und seiner Beachtung in den Medien auf der anderen Seite einzuord­nen.

Lipödem oder Lymphödem? Ein ungewöhnlicher Fall

W. Schmeller, A. Baumgartner, Hanse- Klinik, D-Lübeck

Vorgestellt wird der Fall einer 36­Jährigen, die im Jahre 2006 im Verlauf von vier Monaten eine Umfangsvermehrung des rechten Oberschenkels – und auch der

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unteren Rumpfquadranten – von weicher Konsistenz und ohne auffallende Dellbar­keit entwickelte. Subjektiv bestand ein mäßiges Schwere­ und Spannungsgefühl. Eine 2011 durchgeführte dreiwöchige Kombinierte Physikalische Entstauung (KPE) in einer Lymphologischen Fachkli­nik bewirkte keine Volumenverminde­rung des rechten Beines; auf eine ambu­lante Fortsetzung der KPE bei dem ansonsten schmerzlosen Befund wurde daraufhin von der Patientin verzichtet. Erstaunlicherweise führte jedoch eine Gewichtsreduktion von 93 kg im Jahre 2012 auf 69 kg im Jahre 2014 zu einer Umfangsverminderung des rechten Ober­schenkels um 16 cm (von 82 auf 66 cm). Über das weitere erfolgreiche therapeuti­sche Vorgehen sowie über die Auflösung dieses in vielen Aspekten ungewöhnlichen Befundes soll erst beim Vortrag berichtet werden.

Lymphödemmanagement in der ambulanten physiotherapeuti-schen Praxis

M. Hörner, Klinikverbund Südwest, Klini-ken Böblingen, D-Böblingen / V. Kurs, D-Ettlingen / H. Pritschow und Mitarbei-ter, Zentrum für Manuelle Lymphdrainage und Physikalische Therapie, D-Waldkirch

• Einführung,• Erfahrungsbericht lymphologisches

Netzwerk Böblingen,• Störungsfreie KPE Phase I, der Kosten­

voranschlag für Kompressionsflach­strick­Versorgung? Mögliche Lösun­gen.

Während in der Vergangenheit die Phase I KPE fast ausschließlich in der Fachklinik für Lymphologie durchgeführt wurde, hat sich aufgrund von Kompetenz­erweiterung und der Spezialisierung von Ärzten und Lymphdrainagetherapeuten diese Situation grundlegend verändert. Immer mehr Ödempatienten können in der ambulanten physiotherapeutischen Praxis entödematisiert werden und müssen ihr vertrautes soziales Umfeld nicht mehr verlassen. Die Lymphdrainagetherapeuten sehen den Patienten während der Phase I KPE täglich, daher ist es naheliegend, dass sie die Versorgungskette in Zusammenar­

beit mit Arzt, Sanitätshaus, ggf. Wundma­nagement und häuslichem Pflegedienst organisieren und koordinieren.

Nicht adäquate ärztliche Verordnun­gen, fehlendes Bandagematerial (z.B. Pols­terung), Verzögerungen bei der Erstellung oder/und der Bearbeitung des Kostenvor­anschlags für die Kompressionsflach­strickversorgung, Missverständnisse und Kommunikationsstörungen in der inter­disziplinären Versorgungskette können diesen „Workflow“ erschweren und das KPE­Therapieergebnis völlig infrage stel­len. Diese „Alltagsprobleme“ werden beim Lunchsymposium thematisiert.

Ziel der Veranstaltung: Jede(r) Teilneh­mer/in erhält anhand der vorgestellten Praxiserfahrungen Anregungen für eine Optimierung seiner „Vorortsituation“ in der Lymphödemversorgungskette!

VII A. Neues aus Klinik und Forschung II

Erkennung, diagnostische Validie-rung und diagnostische Wegweiser lymphologischer Erkrankungen in einer Universitätshautklinik

A. Czarnecka, Universitätsklinik und Poli-klinik für Dermatologie und Venerologie, D-Halle

Einleitung: Lymphologische Krankheits­bilder werden bis heute, selbst im medizi­nischen Bereich, „stiefmütterlich“ betrach­tet, somit geraten diese nicht selten in eine medizinische Versorgungslücke. Die Therapie lymphologischer Patienten wird aufgrund ihrer dermatologischen Kompli­kationen (wie Erysipele und Rezidiverysi­pele, Stauungsdermatitis, irritative oder allergische Kontaktekzeme, Papillomato­sis lymphostatica) häufig durch Derma­tologen wahrgenommen. Somit zeigt die Analyse und Evaluation der Versorgung der im stationären Bereich einer Univer­sitäts­Hautklinik erkannten Patienten mit Lymphgefäßerkrankungen, welche Rolle eine universitäre Hautklinik in der Erster­kennung, diagnostischen Validierung und Therapie lymphologischer Erkrankungen spielen könnte und sollte.

Material und Methoden: Es wurde eine retrospektive Datenanalyse von 376 lymphologischen Patienten (mit 500 ein­zelnen stationären Fällen) der Univer­sitäts­Hautklinik Halle/Saale in einem fünfjährigen Zeitraum (2009–2013) durchgeführt.

Ergebnisse: Am gesamten stationären Patientengut der Hallenser Hautklinik im Zeitraum von 2009 bis 2013 (gesamt etwa 7500 Fälle) hatten die Lymphgefäßerkran­kungen einen Anteil von 6,6 %. Unter allen lymphologisch erkannten Fällen war ein sekundäres chronisches Lymphödem (I89.0) mit einer Häufigkeit von 53,1 % führend. Die primären Aufnahmegründe (Indikationen für eine stationäre Betreu­ung) bei unseren 500 stationären lympho­logischen Fällen waren am häufigsten Erysipele, tiefe Weichgewebeinfektionen und Tumore mit 83 %. Erysipele, Rezidi­verysipele, Phlegmonen/tiefe Weichgewe­beinfektionen stellten auch gleichzeitig die häufigsten Komplikationen und Lymph ödem assoziierten Dermatosen (40 %) dar. Originäre lymphologische Erkrankungen als primärer Aufnahme­grund betrafen 10,4 % aller 500 lympho­logischen Fälle.

Bei fast der Hälfte der „lymphologi­schen“ Fälle im Jahr 2013 ermittelten wir die Lymphgefäßerkrankung erstmalig, konnten deshalb bei 65 % dieser Gruppe auch eine spezifische Therapie bereits in der stationären Betreuungsphase einleiten. Bei 46,5 % dieser lymphologischen Fälle in diesem Jahr wurden anamnestische und befundorientierte Datenlücken in der Patientendokumentation registriert.

Diskussion: Die Versorgungsdefizite lymphologischer Patienten ergaben sich aus fehlenden standardisierten Abläufen am Aufnahmetag und könnten durch einen Aufnahmetag­Algorithmus ausge­glichen werden. Der Gebrauch des erstell­ten Algorithmus­Bogens würde eine strukturierte und rasterartige stationäre Aufnahme, eine Orientierung auf diagnos­tische und therapeutische Ziele sowie fol­gend eine optimierte Versorgung lympho­logisch Erkrankter erleichtern. Somit könnte eine lymphologische Diagnose­ und Therapiebedürftigkeit bereits bei der stationären Aufnahme in eine Hautklinik erkannt und derartige Patienten besten­falls einer adäquaten und dauerhaften

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lymphologischen Therapie ohne zeitliche Verzögerung zugeführt werden.

KPE bei Charcotfuß

F. Hahn, Schwerpunktpraxis ML, D-Saar-brücken

Thema: Zusammenarbeit zwischen Arzt, Lymphtherapeut und Orthopädieschuh­macher.

Materialien: Wundauflagen, Kompres­sionsmaterial, Orthopädische Schuhe.

Behandlungsmethode: KPE.Ergebnisse: Behandlungsbeginn, Zwi­

schenbilanz, Gegenwart.Fallbeispiel: Patient mit Charcotfuß

bds., Amputation nach Lisfranc und Cho­part, Wundheilungsstörungen, Malum perforans, Spitzfußstellung linker Fuß.

Problemlösung: KPE, Wundauflagen, Orthopädischer Schuh mit Entlastung und Aussparung der Schuheinlage im Bereich des Malum perforans.

Installation der Funktionslymph-szintigraphie in einer radiologi-schen- nuklearmedizinischen Gemeinschaftspraxis. Ein Wettlauf mit der Zeit!

A. Stahl, D-Augsburg

Ziel: Die Ergebnisse der Funktions­lymphszintigraphie werden für eine Gemeinschaftspraxis präsentiert, wobei über einen Zeitraum von zwei Jahren eine zunehmende Standardisierung der Unter­suchung in mehreren Schritten vorgenom­men wurde.

Methodik: Es wurde eine Testphase (keine standardisierte Laufbelastung, keine standardisierte Auswertung; n=3), eine Phase 1 (vorgegebene Laufbelastung/nicht kontrolliert; standardisierte Auswer­tung, n=20), eine Phase 2 (vorgegebene Laufbelastung/kontrolliert; n=18) und eine Phase 3 (zusätzlich Schrittzählung, n=12) durchgeführt.

Ergebnisse: Die Untersuchung lieferte ohne Kontrolle der Laufbelastung (Phase 1) einen deutlich höheren Radionuklidup­take in den regionalen (inguinalen) Lymphknoten (Median 33 %) als mit Kon­trolle (Phase 3; Median 8 %, p<0,05). Die

Schrittzählung (Phase 3) erbrachte im Durchschnitt eine etwas niedrigere Schrittzahl pro Untersuchung (ca. 3000) als gefordert (ca. 3300). Es ergaben sich aber große intraindividuelle Unterschiede (581­5009, Stbw.: 1125).

Zusammenfassung: Die Ergebnisse der Funktionslymphszintigraphie sind hoch­gradig von der Durchführung abhängig. Eine kontrollierte, standardisierte Durch­führung ist unerlässlich für den Erhalt plausibler Ergebnisse. Selbst dann kommt es zu relevanten interindividuellen Unter­schieden in der Laufbelastung, die in die Interpretation der Untersuchung einflie­ßen sollten.

Sekundäre Lymphödeme nach gynäkologischen Malignomen und Mamma-Ca: Prävalenz, Risi-kofaktoren und Lebensqualität

D. Schopen, Földiklinik, D-Hinterzarten, (Co-Autoren: N. Vaezipour1, S. Müller1, J. Farthmann2, A. Hanjalic-Beck3, A. Hasenburg2, E. Földi1, M. Földi1: 1Földiklinik, D-Hinterzarten; 2Universitäts-Frauenklinik, D-Freiburg; 3Centrum für Endokrinologie und Reproduktionsmedi-zin, D-Freiburg)

Einleitung: Das sekundäre Lymphödem ist eine häufige Komplikation nach Thera­pie gynäkologischer Malignome und des Mammakarzinoms. Als chronische Erkrankung kann das Lymphödem sowohl somatisch als auch psychosozial zu Ein­schränkungen führen. Von großer medizi­nischer und gesundheitsökonomischer Relevanz wäre die Etablierung möglicher präventiver Maßnahmen zur Verhinde­rung der Entstehung sekundärer Lymph­ödeme. Voraussetzung dafür ist die Defi­nition von Risikofaktoren, die eine

zuverlässige Risikostratifizierung ermög­licht.

Material und Methoden: Retrospek­tive Fall­Kontroll­Studie mit zwei Kohor­ten, die zwischen 2001 und 2010 an der Universitäts­Frauenklinik Freiburg behan­delt wurden: 1. Patientinnen mit gynäko­logischen Malignomen (Ovarialkarzinom, Zervixkarzinom, Endometriumkarzinom, Vulvakarzinom), 2. Patientinnen mit Mammakarzinom.

Die Patientinnen wurden telefonisch kontaktiert und nach Aufklärung zu einer Untersuchung eingeladen. Es erfolgte eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung einschließlich lympholo­gischer Befunderhebung unter Berück­sichtigung möglicher Lymphödem­Risi­kofaktoren. Daten zur Lebensqualität und Sexualität wurden durch standardisierte, validierte Fragebögen erhoben (EORTC­QLQ­C30, HADS­D, SAQ). Onkologi­sche Daten aus den Krankenakten wur­den berücksichtigt. Berechnet wurden kollektivbezogene Daten, die Prävalenz sekundärer Lymphödeme sowie uni­ und multivariat mögliche Lymphödem­Risi­kofaktoren und der Einfluss sekundärer Lymph ödeme auf die Lebensqualität (QoL).

Ergebnisse: Kohorte 1: Patientinnen nach gynäkologi­schen Malignomen: n=128 Patientinnen, 47 Endometriumkarzinome (37 %), 36 Ovarialkarzinome (28 %), 32 Zervixkarzi­nome (25 %), 13 Vulvakarzinome (10 %), Lymphödemhäufigkeit insgesamt: 34 % (n=44), Häufigkeit pro Tumorart: Zervix­karzinom 50 %, Vulvakarzinom 46 %, Endometriumkarzinom 28%, Ovarialkar­zinom 25 %.

Lymphödem­Risikofaktoren: Zervix­karzinom, N1, BMI >35, Laparoskopie, Bestrahlung, Chemotherapie, Depression. QoL: Kein Einfluss des sekundären Lymph ödems.

Kohorte 2: Patientinnen nach Mam­makarzinom: n=305 Patientinnen, n=326 Karzinome (auch bilaterale Karzinome). Lymphödem kombiniert (Arm mit/ohne Brust/Thoraxwand): n=116 (36 %), reines Brustlymphödem: n=13 (11 % der Lymph­ödempatientinnen, 4 % des Gesamtkollek­tivs).

Risikofaktoren kombiniertes Lymph­ödem: N1, BMI >35, Bestrahlung der

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Lymphabflusswege, taxanhaltige Chemo­therapie, Axilladissektion, >10 Lymph­knoten entfernt, postoperative Komplika­tionen, arterielle Hypertonie, körperliche Beanspruchung. Risikofaktoren reines Brust­Lymphödem: Sentinellymphono­dektomie, Diabetes mellitus. QoL: Negati­ver Einfluss des Lymphödems auf Depres­sion und Sexualität.

Diskussion: Wir fanden tendenziell höhere Inzidenzen für sekundäre Lymph­ödeme im Vergleich zu Literaturdaten. Eine mögliche Begründung könnte die in unserer Studie durch ein lymphologisch geschultes Studienteam erfolgte Befunder­hebung sein.

Wir konnten zum Teil bereits publi­zierte Lymphödem­Risikofaktoren bestäti­gen, außerdem ergaben sich Hinweise auf bislang nicht beschriebene Risikofaktoren.

Negative Einflüsse des Lymphödems auf die Lebensqualität und Depression zeigten sich vor allem bei der Kohorte der Mammakarzinom­Patientinnen. Die Ergebnisse unserer Studie sollten in der Aufklärung vor onkologischer Therapie sowie in der langfristigen Betreuung von Patientinnen mit gynäkologischen Tumo­ren und Mammakarzinomen berücksich­tigt werden. Diese Ergebnisse bilden außerdem die Grundlage einer prospekti­ven Evaluierung im Sinne einer Risiko­stratifizierung.

VII B. Neues aus Klinik und Forschung III

Herstellung von bioartifiziellen Lymphknoten mithilfe von Polycaprolactone scaffolds

M.-S. Kwak, Abt. Plastische u. Handchirur-gie, Universitätsklinik Rechts der Isar, Tech-nische Universität München (TUM), D-München (Co-Autoen: E. Rosado Balmayor1, M. Chhaya2, D. Hutmacher2, S. Gottschalk3, X. L. Dean Ben3, D. Razansky3, D. Müller1, M. Pramanik4, H.-G. Machens1, J.-T. Schantz1: 1Klinik und Poliklinik für Plastische Chirur-gie und Handchirurgie, Klinikum rechts der Isar, TUM, D-München; 2Institute of Health and Biomedical Innovation, Queensland University of Technology,

Brisbane, Australia; 3Institut für biologi-sche und medizinische Bildgebung (IBMI), Helmholtz Zentrum, D-München; 4Divi-sion of Bioengineering, School of Chemi-cal and Biomedical Engineering, Nanyang Technological University, Singapore)

Einleitung: Die Behandlung des chroni­schen Lymphödems ist weiterhin ein sig­nifikantes medizinisches und soziales Pro­blem. In den vergangenen Jahren gewinnt die mikrochirurgische Lymphknoten­transplantation zunehmend an Popularität mit vielversprechenden Ergebnissen. Seit 2011 haben wir erfolgreich die mikrochir­urgische Lymphknotentransplantation als erste Klinik in Deutschland eingeführt. Nach wie vor ist jedoch die lange OP­Zeit mit den entsprechenden Komplikationen eine nicht zu vernachlässigende Belastung für jeden Patienten. Wir möchten daher einen neuen Therapieansatz mit bioartifi­ziellen Lymphknoten vorstellen.

Methode: Menschliche Lymphknoten werden mechanisch zerkleinert und mit biologischem Kleber auf PCL scaffolds fixiert. Wir haben diese in die Leistenre­gion gefäßnah von insgesamt 14 immun­defizienten Nacktmäusen implantiert. Die erste Gruppe wurde nach acht Wochen, die zweite Gruppe nach 16 Wochen explantiert. Alle Gewebeproben wurden histologisch aufgearbeitet (HE­Färbung) und ein LYVE1­Antikörper verwendet zur Darstellung von neuen Lymphgefäßen. Zusätzlich wurde vor Euthanasie in vivo eine digitale Bildgebung mittels MSOT durchgeführt.

Ergebnisse: Die bioartifiziellen Lymph­knoten zeigen im Vergleich zur Kontrolle eine sehr gute Vaskularisierung und wur­den problemlos vom Empfängerorganis­mus angenommen. Die mechanische Ver­arbeitung der Lymphknoten zeigte keinen signifikanten negativen Effekt auf das Zell­überleben. In­vitro­Studien ergaben eine exzellente Zelladhäsion, ­proliferation und ­migration auf den PCL scaffolds.

Schlussfolgerung: Die mikrochirurgi­sche Lymphknotentransplantation ist eine vielversprechende Technik zur Behandlung des chronischen Lymphödems. Dennoch ist die lange OP­Zeit durch die erforderli­che Mikrochirurgie eine Belastung für den Patienten. Wir haben daher bioartifizielle Lymphknoten entwickelt als neuen Thera­pieansatz, der schneller und risikoärmer durchführbar ist. Lymphknoten haben ein großes Regenerationspotenzial und indu­zieren Lymphangiogenese. Weitere Arbeits­schritte sind, die optimale Fragmentgröße der Lymphknoten zu finden und eine effek­tive Kultivierung des Lymphknotengewe­bes zu etablieren mit dem Ziel, aus wenigen Lymphknoten mehrere bioartifizielle Lymphknoten herstellen zu können.

Vier Jahre mikrovaskuläre Lymph-knotentransplantation zur Behandlung des chronischen Lymphödems

M.-S. Kwak, Abt. Plastische u. Handchirur-gie, Universitätsklinik Rechts der Isar, TUM, D-München

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(Co-Autoren: J.-T. Schantz1, Y. Harder², M. Eder1, L. Kovacs1, H.-G. Machens1 , D. Müller1: 1Klinik und Poliklinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie, Klinikum rechts der Isar, TUM, D-München; ²Division of Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery, Ente Ospedaliero Cantonale, CH-Lugano)

Einleitung: Die Behandlung des chroni­schen Lymphödems stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar. Der Goldstan­dard ist weiterhin die konservative Behand­lung, chirurgische Maßnahmen haben sich nach wie vor nicht als Standard durchge­setzt. In den vergangenen Jahren gewinnt die mikrochirurgische Lymphknotentrans­plantation zunehmend an Popularität. Im Februar 2011 haben wir die mikrochirurgi­sche Lymphknotentransplantation einge­führt und können mittlerweile auf vier Jah­re Erfahrung zurückgreifen.

Material und Methoden: 53 Patienten mit chronischem Lymphödem am Arm (n=22), am Bein (n=36) sowie am Kopf (n=1) wurden nach ausgeschöpfter kon­servativer Therapie mit 59 freien Lymph­knotentransplantationen operiert. Die prä­ und postoperative Erfassung beinhal­tete die Umfangsmessung, Fotografie und einen 3D­Oberflächenscan. Folgende Parameter wurden ebenfalls erfasst: Schmerzen, Wetterfühligkeit, Hautspan­nung, Beweglichkeit, Infekte, Kompressi­onsstrümpfe und Wickelung. Bei sechs Patienten wurde im Verlauf zur weiteren Volumenreduktion eine Liposuktion durchgeführt. Außerdem führten wir bei sechs Patientinnen eine simultane Lymph­knotentransplantation plus Brustrekon­struktion mit Eigengewebe durch. Zwei Patientinnen erhielten eine bilaterale Lymphknotentransplantation.

Ergebnisse: Eine Volumenabnahme am Arm konnte klinisch gesehen werden. Wegen methodischer Messschwierigkeiten sind aber keine Prozentangaben möglich. Die Abnahme des Beinvolumens betrug nach zwei Jahren im Schnitt –19,6 %. Die Begleitsymptome veränderten sich wie folgt: Schmerzen waren bei 57 % reduziert oder nicht mehr vorhanden. Die Wetter­fühligkeit verringerte sich bei 73 %. Das Spannungsgefühl besserte sich bei 75 %. 50 % gaben eine bessere Beweglichkeit der Extremität an. Hinsichtlich der konserva­tiven Therapie konnten 38 % mit dem

Wickeln nachts aufhören, 25 % reduzier­ten die Kompressionsklasse ihrer Strümpfe und 13 % tragen keinen Strumpf mehr. Die Lymphdrainagefrequenz reduzierte sich bei 38 %. 71 % zeigten postoperativ keine Infekte mehr. Es traten sieben revisi­onsbedürftige Komplikationen auf.

Schlussfolgerung: Die mikrovaskuläre Lymphknotentransplantation ist eine gut reproduzierbare Methode mit geringer Morbidität, die für die Patienten in hoher Prozentzahl zu einer Verbesserung führt. Daher ist die Patientenzufriedenheit sehr hoch. Im Verlauf kann eine Liposuktion zur weiteren Volumenreduktion angeboten wer­den. Die Paradigmen der rein konservativen Therapie sollten deswegen überdacht wer­den. Welche Patienten durch eine bessere Selektion oder in Kombination mit direkt ableitenden Verfahren bessere Resultate erzielen können, sollte bei der immer noch kleinen Patientenzahl durch vergleichende Multicenterstudien erforscht werden.

Brussel Balls: Algorithmus zur Indika-tion und möglichen Kombination der verschiedenen operativen Ver-fahren zur Therapie des Lymph-ödems anhand von Stadium, Bild-gebung und klinischer Manifestation

K. Seidenstücker, D-Solingen (Co-Autoren: A. Zeltzer1, M. Hamdi1: 1Department of Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery University Hospital, B-Brüssel; 2Praxis Dr. K. Seidenstücker, D-Solingen)

Zielsetzung: Ein Lymphödem primärer oder sekundärer Genese ist nach wie vor eine große Belastung für die betroffenen Patienten. Die konservative Therapie mit Manueller Lymphdrainage (MLD) und Kompressionsbehandlung führt eine Symp tomminderung herbei und kann den Progress der Erkrankung herauszögern. Kurative operative Ansätze waren bis dato limitiert. Neuste Entwicklungen in der Mikrochirurgie und der Bildgebung geben Hoffnung, dass man die Lebensqualität der Betroffenen langfristig verbessert.

Material und Methodik: Zuerst erfolgt einen Überblick der aktuellen Literatur zum Thema rekonstruktive Lymphchirur­gie. Genauer werde ich auf den vaskulären

Lymphknotentransfer (VLNT) und die Anlage von lymphovenösen Anastomosen in „Supermicrosurgery Technique“ (LVA) eingehen und Ihnen in diesem Bereich die Ergebnisse unserer Quality­of­life­Studien präsentieren. Anhand der Literatur und unserer eigenen Erfahrung möchten wir Struktur in die Indikationsstellung je nach Stadium des Lymphödems bringen.

Ergebnisse: Seit 2007 praktizieren die Autoren Lymphchirurgie unter Anwen­dung des mikrochirurgischen Lymphkno­tentransfers und der Anlage von lymphove­nösen Anastomosen in „supermicrosurgery technique“. Die Indikationsstellung ist sehr wichtig für die Ergebnisqualität. Aufgrund der Analyse unserer Ergebnisse haben wir einen Algorithmus für die Bildgebung und Verfahrenswahl erstellt – die sogenannten „Brussels Balls“. Eine Kombination der mikrochirurgischen Verfahren ist ebenfalls erfolgversprechend. Unsere Lebensquali­tätsstudien zeigen eine deutliche Verbesse­rung nach den chirurgischen Eingriffen. Für die Patienten war vor allem eine Reduktion des Ausmaßes der konservativen Therapie ausschlaggebend (wöchentliche Frequenz der MLD und das notwendige Tragen von Kompressionsmiedern).

Zusammenfassung: Sowohl der vasku­läre Lymphknotentransfer als auch die Anlage von lymphovenösen Anastomosen führen bei richtiger Indikationsstellung zu einer Befundverbesserung und einer Ver­besserung der Lebensqualität bei Patien­ten mit chronischem Lymphödem.

Faktoren mit Einfluss auf die Menge der Drainageflüssigkeit nach radikaler Lymphadenektomie beim Melanom

L. Kretschmer, S. Hellriegel, F. Brehmer, A. Baltzer, P. Al Ghazal, K.-M. Thoms, Abt. Dermatologie, Venerologie, Allergologie, Universitätsmedizin, D-Göttingen

Einleitung: Große Mengen an postope­rativer Drainageflüssigkeit nach Lymph­adenektomie können mit Seromen im Operationsgebiet und mit Extremitäten­schwellungen assoziiert sein.

Patienten und Methoden: Wir regis­trierten die postoperative Drainagemenge bei 761 Patienten mit axillärer oder ingui­

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naler Sentinel­Lymphknotenbiopsie (SLNB). Die Drainagemenge nach einer anschließenden radikalen Lymphadenekto­mie (CLND) wurde in 150 Fällen ermittelt.

Ergebnisse: Die mittlere Drainage­menge nach inguinaler SLNB war mit 150 ml größer als die nach axillärer SLNB (46 ml, p<0,0001). In einer multivariaten Regressionsanalyse waren die folgenden Faktoren signifikant mit vermehrter Drai­nageflüssigkeit nach SLNB assoziiert: Die Zahl der entfernten Sentinel­Lymphkno­ten (LK), höheres Lebensalter, distale Ex tremitätenlokalisation des Primärmela­noms und inguinale SLNB.

Das mittlere kumulative Drainagevolu­men nach radikaler (ilio)inguinaler Lymph­adenektomie fiel mit 1720 ml signifikant höher aus als das nach axillärer Lymphade­nektomie (1234 ml, p=0,005). Eine Drai­nagemenge von >200 ml nach der SLNB war mit einer signifikant erhöhten mittleren Drainagemengen nach CLND von 2728 ml assoziiert. In der multivariaten Regressions­analyse waren die folgenden Faktoren signi­fikant für eine große Drainagemenge nach der CLND: Große Drainagemenge bei der vorangegangenen SLNB, höheres Lebensal­ter, steigender Body­Mass­Index und ingui­nale LK­Chirurgie.

Diskussion: Die Faktoren, die mit einer großen Drainagemenge korrelieren, sind identisch mit den bereits beschriebenen Risikofaktoren von Serombildung und Lymph ödem. Die Drainagemenge nach SLNB könnte somit ein weiterer prädiktiver Faktor sein, die Wahrscheinlichkeit eines Lymphödems nach CLND vorauszusehen. Dies wäre insbesondere für die Beratung über das weitere Vorgehen nach positiver inguinaler SLNB von Bedeutung. Immerhin ist ein therapeutischer Effekt durch eine pro­phylaktische CLND nicht eindeutig belegt.

VIII. Lymphödem und Psyche

Die Psyche des Lymphpatienten – UND die Psyche des Lymphthera-peuten?

M. Dutton, Földiklinik, D-Hinterzarten

Einführung: Die AWMF­Leitlinie zum Lymphödem betont die hohe Prävalenz

komorbider psychischer Störungen und eine verminderte Lebensqualität bei Lymph ödempatienten. In diesem klini­schen Übersichtsreferat werden nicht nur die Psyche des Lymphpatienten, sondern auch das eher „verschwiegene“ Thema der psychischen Belastungen des Lymphthera­peuten aufgezeigt. Der chronisch kranke Lymphödempatient hat über einen meist längeren Zeitraum Kontakte zu seinem Lymphtherapeuten, ambulant mehrfach pro Woche, vielleicht über Jahre hinweg, stationär bis zu acht Stunden pro Woche. Der Lymphtherapeut wird mit vielen Pati­enten konfrontiert, die behandlungsbe­dürftige psychische Belastungen haben (lt. Forschung über ein Drittel). Es werden verschiedene emotionalen Reaktionen, von „normal“ bis behandlungsbedürftig, die der Patient mit seinem Lymphödem erlebt, kurz erläutert. Die emotionalen Auswirkungen eines Lymphödems werden beleuchtet: depressive Verstimmungen, negatives Selbstbild, Frustration, Wut, Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, Angst, Schuldgefühle usw.

Hintergrund: Es gibt nur wenige wis­senschaftliche Untersuchungen, die sich mit arbeitsbezogenen Belastungen von Physiotherapeuten in Deutschland beschäftigen. Ergebnisse von zwei großen Studien zur psychischen Belastung von Physiotherapeuten werden zusammenge­fasst, allerdings beziehen sich diese nicht explizit auf die psychischen Belastungen von Lymphtherapeuten.

Methodik: Zu dieser Fragestellung hat die Referentin eine klinikinterne Umfrage unter den Lymphtherapeuten, die in der stationären Therapie von Pati­enten mit primärem und sekundärem Lymphödem und Lipödem in der Földi­klinik in Hinterzarten arbeiten, durch­geführt. Ziel war keine repräsentative, umfassende Evaluation mit differenzier­ter statistischer Auswertung, sondern eher Hypothesensteuerung und Anre­gung von Erfahrungsaustausch im Hin­blick auf die Situation der stationären Lymphtherapeuten.

Ergebnisse: Die Ergebnisse dieser Befragung werden dargestellt. Insbeson­dere die Fragestellung, was die Lymphthe­rapeuten in ihrer Rolle am Arbeitsplatz aktuell als belastend empfanden und über die Jahre hinweg als zunehmend belastend

empfinden. Als progrediente Belastung wurden vor allem Umgang mit adipösen Patienten und unrealistische Erwartungen und Erfolgsdruck durch den Patienten genannt. Mehr Raum und Angebote für Psychohygiene wurden von fast 95 % als wünschenswert erachtet.

Schlussfolgerung: So wie es ein viel größeres Bewusstsein über die Förderung der persönlichen Ressourcen der Lymph­patienten mit ihrer chronischen Erkran­kung gibt, muss man auch der zunehmen­den Belastungen der Lymphtherapeuten Rechnung tragen. Die Erkenntnisse der Salutogenese besagen, dass Mitarbeiter deutlich weniger Belastung erleben, wenn sie Sinn in ihrer Arbeit erkennen. Die Sinnhaftigkeit einer Lymphbehandlung (v.a. bei Lipödem und Adipositas assozier­tem Lymphödem) muss für Lymphthera­peuten klarer werden. Die Ergebnisse die­ser Befragung geben Hinweise für Bedarf und Relevanz eines begleitenden Fortbil­dungscurriculums, um den persönlichen Ressourcenaufbau und Resilienz des Lymphtherapeuten zu fördern. Wün­schenswert wäre eine weiterführende For­schung durch eine Langzeituntersuchung, die ergänzend auch das Thema der Belas­tungen ambulant arbeitender Physiothera­peuten beleuchtet.

Quality-of-Life-Assessment in der Lymphologie

M. Koller, Zentrum für Klinische Studien, Universitätsklinikum, D-Regensburg

Quality of life (QL, Lebensqualität) ist eine Zielgröße, die heute in der medizinischen Versorgung und in klinischen Studien all­gemein anerkannt ist. Dies wird besonders deutlich in regulatorischen Texten wie dem Sozialgesetzbuch (SGB V) oder der Arzneimittel­Nutzenbewertungsverord­nung (AMNOG), die darlegen, dass beim Patienten­Nutzen „eine Verlängerung der Lebensdauer, eine Verringerung der Nebenwirkungen sowie eine Verbesserung der Lebensqualität … berücksichtigt wer­den muss“. Zur QL­Messung stehen inter­national etablierte, in viele Sprachen über­setzte Fragebögen zur Verfügung. Neben generischen, krankheitsübergreifenden Bögen (z.B. SF­36, EQ­5D, EORTC QLQ­C30) sind für die Lymphologie vor allem

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Messinstrumente von Interesse, die spezi­fisch die Beschwerden von lymphologi­schen Patienten erfassen: FLQA­I, LYMPH QOL, LQOLI, PBI, diverse Modu­le (z.B. EORTC QLQ­BR23), etc. Aller­dings werden diese Bögen noch viel zu wenig genutzt. Vor allem das Fehlen rele­vanter klinischer Studien in der Lympho­logie ist ein großes Manko. Hier besteht großer Handlungsbedarf – zur Weiterent­wicklung des Faches, zur Absicherung der Leitlinien und, vor allem, zum Wohle der Patienten!

Lebensqualität bei Lymphödempa-tienten: Das „Wolfsberger Modell“

F. Flaggl, Klinische Psychologie, Landes-krankenhaus, A-Wolfsberg

Die im Rahmen des „Wolfsberger Modells“ durchgeführten Studien belegen eine erhöhte psychische Belastung und eine verringerte Lebensqualität von Lymph­ödempatienten. Um die Lebensqualität nachhaltig zu verbessern, ist ein biopsy­chosoziales Behandlungsmodell und eine konsequente psychologische Mitbehand­lung von psychisch belasteten Patienten im Rahmen der Rehabilitation unbedingt notwendig. Studien belegen, dass dadurch die Behandlungsergebnisse sowohl auf psychischer als auch auf körperlicher Ebe­ne signifikant verbessert werden können. Aktuell wird ein Selbstbehandlungsalgo­rithmus zur weiteren Verbesserung der Lebensqualität erarbeitet.

Erfassung der Lebensqualität bei Lymphödempatienten in der Türkei

Y. Bakar, Abant Izzet Baysal University, School of Physical Therapy & Rehabilit., Gölköy Campus, TR-Bolu

Das Lymphödem ist eine chronische Erkrankung, die von den Ärzten oft ver­nachlässigt wird. Dabei haben Lymph­ödempatienten häufig eine reduzierte Lebensqualität und erleben sehr deutliche Einschränkungen im Alltag. Sie leiden unter zahlreichen funktionellen und psy­chosozialen Belastungen. Hinzu kommen noch finanzielle Belastungen, wie MLD, Verbandsmaterial und maßangefertigte Kompressionstrümpfe. Soziale Kontakte

sind meistens eingeschränkt. Alles führt zu einer schlechten Lebensqualität. Die aktuelle Datenlage bezüglich der Lebens­qualität von Lymphödempatienten ist auf­grund der Verwendung generischer Frage­bogen unzureichend. Da die generischen Fragebögen unabhängig vom Krankheits­bild sind, ist es wichtig, krankheitsspezifi­sche Fragebögen zu benutzen. Da sich die krankheitsspezifischen Fragebögen auf besondere Merkmale einer Erkrankung konzentrieren, bringen sie den Vorteil einer exakten Erfassung von Belastungen dieser Krankheit. Diese vorliegende Studie hat das Ziel, Daten zur Lebensqualität und alltagsrelevanten Einschränkungen bei türkischen Lymphödempatienten mit der türkischen Version des LYMQOL (QoL measure for lymphoedema of the limbs) Fragebogens zu erfassen.

Lebensqualität bei Lipödem

Y. Frambach, A. Baumgartner, W. Schmel-ler, Hanseklinik, D-Lübeck

Einleitung: Bei vielen Frauen mit Lip­ödem wird noch immer die korrekte Dia­gnose erst nach Jahren des Leidens gestellt. Berührungs­, Druck­ und Spannungs­schmerzen sowie Bewegungsbehinderung führen zur physischen Minderung der Lebensqualität (LQ). Die umschriebene Fettgewebsvermehrung mit typischer Dis­proportion zwischen Oberkörper und unterer Körperhälfte bewirkt Stigmatisie­

rung und psychische Beeinträchtigung. Trotzdem gibt es kaum wissenschaftliche Untersuchungen zur LQ bei Lipödem. Erste orientierende Befragungen durch Meier-Vollrath, Schmeller und Rapprich (1, 2, 3) ergaben nach Liposuktion eine Besse­rung der deutlich reduzierten LQ. Dass die Steigerung der LQ nach Liposuktion auch langfristig anhält, zeigen kürzlich veröf­fentlichte Langzeitdaten von Baumgartner (4). Auf einer Fünf­Punkte­Skala war vor Liposuktion die LQ durchschnittlich stark beeinträchtigt (3,35±0,84). Nach im Mittel vier bzw. acht Jahren betrug sie lediglich 0,73±0,87 bzw. 0,94±1,0 Punkte (= geringe Beeinträchtigung) und war somit signifi­kant und dauerhaft gebessert.

Patienten und Methoden: Um die LQ von Lipödempatientinnen genauer mit der LQ der weiblichen Normalbevöl­kerung und der Einschränkung bei ande­ren chronischen Erkrankungen ver­gleichen zu können, wurden zwei monozentrische Querschnittsbefragun­gen mit dem SF­36­Fragebogen durchge­führt. 54 Patientinnen mit gesichertem Lipödem im Stadium I und II wurden bei Erstvorstellung und 75 Patientinnen mit Lipödem circa acht Jahre nach Liposuk­tion untersucht.

Ergebnisse und Diskussion: Die Werte des SF­36 zeigen bei den 54 sich erstmalig vorstellenden Lipödempatientinnen eine im Vergleich mit den Werten der weibli­chen Allgemeinbevölkerung (6) in allen Bereichen erheblich reduzierte LQ. Das

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LYMPHOLOGIE-KONGRESS 2015

signalisiert einen deutlichen Behandlungs­bedarf. Besonders starke Defizite zeichnen sich in den Domänen „emotionale Rollen­funktion“, „soziale Funktionsfähigkeit“, „Vitalität“ und „körperliche Schmerzen“ ab. Auch die Summenskalen zeigen große Diskrepanzen, wobei die „psychische Gesundheit“ bei Lipödempatientinnen stärker beeinträchtigt ist als die „körperli­che Gesundheit“.

Die Befragung von 75 Patientinnen nach Liposuktion ergab, dass die LQ im Vergleich zu den Lipödempatientinnen, die bislang keine Liposuktion erhalten haben, signifikant besser ist. Im Vergleich zur weiblichen Normalbevölkerung weist diese Kohorte in allen Dimensionen nur noch eine geringe Abweichung und damit eine annähernde Normalisierung der Lebensqualität auf. Das bedeutet, dass Lipödempatientinnen von der Liposuk­tion in allen gesundheitsbezogenen Lebensqualitätsbereichen profitierten. Damit erreicht die Liposuktion eine Bes­serung der LQ, wie sie bei anderen chro­nischen Erkrankungen durch eine sonst übliche spezifische, somatische Behand­lungsmethode meist nicht erlangt wird (7). Da der Erhalt oder die Verbesserung der LQ chronisch Kranker ein wesentli­ches Behandlungsziel darstellt, sollte die Erfassung der LQ in die routinemäßige Untersuchung integriert werden. Weitere longitudinale Untersuchungen zu LQ und zum Einfluss unterschiedlicher Therapie­optionen sind dringend erforderlich.

Literatur

1. Meier-Vollrath I, Schneider W, Schmeller W: Lipö-dem: Verbesserte Lebensqualität durch Therapie-kombination. Dtsch Arztebl 2005;102: A1061-1067 [Heft 15].

2. Schmeller W, Hueppe M, Meier-Vollrath I: Tume-scent liposuction in lipoedema yields good long-term results. Br J Dermatol 2012; 166(1):161-8.

3. Rapprich S, Dingler A, Podda M: Liposuction is an effective treatment for lipedema – results of a study with 25 patients. JDDG 2011; 9:33–41.

4. Baumgartner A, Hueppe M, Schmeller W: Wie lange profitieren Lipödempati-entinnen von der Liposuktion? LymphForsch 2015; 19(1): 8-14.

5. Bullinger M, Kirchberger I: SF-36-Fragebogen zum Gesundheitszustand. Handanweisung. Hog-refe, Göttingen 1998.

6. Ellert U, Kurth BM: Gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Erwachsenen in Deutschland: Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachse-ner in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsbl 2013;56:643-649.

7. Rose M: Messung der Lebensqualität bei chroni-schen Erkrankungen. Habilitationsschrift 2002, vor-gelegt der Medizinischen Fakultät Charité der Humboldt-Universität zu Berlin.

Das artifizielle Lymphödem – eine diagnostische und therapeutische Crux

K.-P. Martin, Földiklinik, D-Hinterzarten

Einleitung: Bei artifiziellen Lymphöde­men handelt es sich in der Gesamtgruppe der sekundären Lymphödeme um eine nur geringe Anzahl von Patienten, allerdings sollte man hier von einer erhöhten Dun­kelziffer für die Diagnose dieser speziellen Form sekundärer Lymphödeme ausgehen. Schon die Diagnose, aber auch die Thera­pie dieser Sonderform sekundärer Lymph­ödeme ist von besonderen Schwierigkeiten geprägt.

Material und Methoden: Neben dem Ergebnis einer auch internetbasierten Lite­raturrecherche werden ausgewählte Kasu­istiken von Patientinnen und Patienten mit sekundären Lymphödemen aus dem Patientengut der Földiklinik vorgestellt.

Ergebnisse und Diskussion: Bei der Literaturrecherche finden sich nur sehr wenige Studien, die größere Patientenzah­len mit artifiziellen Lymphödemen beschreiben, meistens liegen nur Einzel­fallbeobachtungen vor. Die häufigste Dif­ferenzialdiagnose oder Vordiagnose bei artifiziellem Lymphödem ist ein CRPS (Chronicle Regional Pain Syndrom, früher Morbus Sudeck). Bei diesem Krankheits­

bild haben sich die diagnostischen Krite­rien mit den modifizierten Budapest­Kri­terien geändert. Auch in der Therapie des CRPS haben invasive Verfahren an Bedeu­tung verloren und die Therapie der Funk­tionsdefizite mit Ergo­ und Physiothera­pie, wie zum Beispiel der Spiegeltherapie nach Ramachandran, an Bedeutung gewonnen. Artifizielle Störungen sind ins­gesamt in dem Patientengut einer allge­meinmedizinischen Praxis mit circa 1,5 % der Patienten vertreten und werden oft spät diagnostiziert (Eckhardt 2014). Im Vergleich der Zahl der Patienten mit arti­fiziellen Lymphödemen im Patientengut der Földiklinik der Jahre 1983 bis 1987 scheint die Häufigkeit im Vergleich mit Zeitraum 2008 bis 2014 rückläufig zu sein. Möglicherweise befördert aber die zuneh­mend verkürzte Liegedauer in Kranken­häusern und der Zeitmangel bei Erhebung der detaillierten medizinischen Vorge­schichte und Wertung von Vorbefunden das seltenere Erkennen artifizieller Stö­rungen (Eckhardt 2014).

Mit einzelnen Fallbeispielen aus dem Patientengut der Földiklinik der letzten Jahre werden die Verläufe kurz dargestellt. Bei der Therapie eines artifiziellen Lymph­ödems ist ein interdisziplinärer Therapie­ansatz bei allerdings trotzdem nur einge­schränkter Erfolgsquote bezüglich der Symptomfreiheit dringend erforderlich. Das Etablieren eines stabilen Behand­lungssettings und Teams wird allerdings durch bei artifiziellen Störungen häufig zu beobachtenden wiederholten Arztwech­seln weiter erschwert.

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BUCHREZENSIONEN

Erkrankungen des Lymph­gefäßsystems, 6. Auflage

H. Weissleder, C. Schuchhardt (Hrsg.)6. erweiterte und vollständig überarbeitete Auflage, mit 322 Abbildungen und 94 Tabellen, 719 Seiten, Viavital Verlag 2015, ISBN 978-3-934371-53-8, Preis: 46,00 Euro

Das Versprechen – erwei-terte und vollständig überarbeitete Auflage – wird gehalten.

Aus meiner Sicht füh-ren die geänderte Schrift-größe, kleinere Zeichen und geringerer Zeilenab-stand zu einem deutlich erschwerten Lesevergnü-gen. Auch die Lebendig-keit der Bilder hat im Ver-

gleich zur vorherigen Auflage etwas gelitten. Ein größeres Buchformat wäre sicherlich leserfreundlicher.

Inhaltlich wurden sowohl die anato-misch-pysiologischen Grundlagen adap-tiert als auch neuere Untersuchungs-methoden, wie zum Beispiel die ICG (Indocyanin-Grün)-Untersuchung mit ihrem Stellenwert in der Lymphologie the-matisiert. Die Verbesserungen der Sono-graphie mit ihren Auswirkungen auf die lymphologische Diag-nostik sind genauso auf dem neuesten Stand wie die Mög-lichkeiten und Stolpersteine der Lymphfunktionsszintigraphie.

Im klinischen Abschnitt wurde das Kapitel zu den Adi-positas assoziierten Lymphöde-men deutlich erweitert – ent-sprechend der zu erwartenden weiteren Zunahme der Zahl eben dieser Patienten und im Hinblick auf die zu erwarten-den neuen Herausforderungen und mög-liche Strategien.

Bei den Angiodysplasien vermisse ich persönlich die geforderten morphologi-schen Einteilungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel die im deutschsprachigen Raum geläufige „Hamburger Klassifikation“, weil sich hieraus auch therapeutische Optionen für die Betroffenen ableiten lassen.

Neu hinzugekommen sind Kapitel zu den genetisch bedingten Ursachen

primärer Lymphödeme mit den bisher bekannten Fehlfunktionen und den sich möglicherweise daraus ergebenden medi-kamentösen Therapieoptionen sowie das Thema Qualitätssicherung.

Insgesamt eine weitere Verbesserung der Vorauflage mit einer ausgezeichneten Verbindung von Grundlagen, Klinik und therapeutischer Relevanz. Ein MUSS für jeden, der sich schwerpunktmäßig mit der Lymphologie beschäftigt.

Dr. med. Christine Heim Wittlinger Therapiezentrum, A-Walchsee

Leitfaden Lymphologie

O. Gültig, A. Miller, H. Zöltzer (Hrsg.)336 Seiten, ca. 184 farbige Abbildungen, Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2015, ISBN 978-3-437-48780-4, Preis: 39,99 Euro

Die Behandlung von lymphangiologischen Ödemen ist komplex und wird optimaler Weise kooperativ von mehrere Berufs-gruppen durchgeführt: Ärzte, Physio-/Lymphtherapeuten, Mitarbeiter von Sani-tätshäusern und Pflegeberufen. Eine glei-che Wissensbasis und enge Kommunika-tion der Beteiligten sind Grundlage für eine effektive Patientenbetreuung und ent-

scheidend für den Therapie-erfolg. Der Leitfaden Lym-phologie beschreibt die komplette Versorgungskette für jedes einzelne lymphan-giologische Krankheitsbild. Er listet die relevanten Informationen für eine kor-rekte Diagnosestellung, wel-che Voraussetzung für eine passgenaue und erfolgreiche Therapie ist. In übersicht-lich Weise werden Defini-tion, pathophysiologische

Grundlagen, Klinik, Diagnostik, ärztliche Therapie, Komplexe Physikalische Ent-stauungstherapie (KPE) und medizinische Strumpfversorgung für die unterschiedli-chen Krankheitsbilder und Ödemarten beschrieben. Für die Manuelle Lymphdrai-nage wird die Behandlungsstruktur zu den einzelnen Krankheitsbildern abschließend als Zusammenfassung in Wort und Bild präsentiert.

Quelle: Elsevier

Phlebologischer Bildatlas

E. Rabe, M. Stücker (Hrsg.)Mit 296 Abbildungen und 24 Tabellen, inkl. CD-ROM, 191 Seiten, ISBN: 978-3-934371-52-1, Viavital Verlag 2015, Preis: 44,50 Euro

Die Phlebologie hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt, es gibt viele neue Verfahren zur Behandlung der Varikosis, neue Therapien in der Behandlung der Thrombose sowie neue Erkenntnisse in der Behandlung des Lymph- und Lip-ödems und von vaskulären Malformatio-nen. All dies hat dazu geführt, dass es immer mehr Fachrichtungen gibt, die sich für die Phlebologie interessieren. E i n w i cht i ge r Bestandteil, um sich mit einem neuen Fach aus-einander zu set-zen, ist neben dem geschriebe-nen Wort auch der visuelle Ein-druck.

I n v i e l e n medizinischen Fächern gibt es Bildbände zu ver-schiedenen The-men, bei phlebologischen Erkrankungen suchte man danach vergebens. Der vorlie-gende Phlebologische Bildatlas schließt diese Lücke. Hervorragend bebildert gibt er einen kurzen Überblick über verschie-dene Aspekte der Phlebologie, von der Anatomie der Venen über die Varikose, die chronisch venöse Insuffizienz bis zum offenen Bein. Die Duplexsonographie mit tollen Bildern der oberflächlichen Beinve-nen wird erläutert, außerdem das Lymph- und Lipödem und die Thrombose. Auch Therapiemöglichkeiten wie die konserva-tive Kompressionstherapie, die Sklerothe-rapie, die endovenöse Lasertechnik sowie operative Verfahren werden reichlich bebildert beschrieben.

Dieses Buch ist wertvoll für jeden, der in die Phlebologie einsteigen will, interessant auch für den Kenner der Materie.

Dr. med. Karsten Hartmann Venenzentrum Freiburg

PhlebologischerBILDATLAS

Mit 296 Abbildungen und 24 TabellenE. Rabe, M. Stücker (Hrsg.)

Unter Mitarbeit vonH. P. Berlien, F. X. Breu, B. Burkert, J. Dissemond,

H. J. Hermanns, E. Mendoza, A. Miller, D. Mühlberger, A. Mumme, F. Pannier, C. Philipp, M. Poetke,

S. Reich-Schupke

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Durch zahlreiche Abbildungen illustriert der Phlebologische Bildatlas auf anschauliche Art und Weise die verschiedenen Erscheinungsformen venöser Erkrankungen. Die Anatomie des Venensystems und das wichtige Diagnose-verfahren Duplexsonographie werden dargestellt.

Mit einer kurzen Einführung zu Symptomatik, Diagnostik und Therapie beschreibt das Buch die häufigsten phlebologischen Erkrankungen und veranschaulicht diese durch viele Fotos. Zusätzlich behandelt das Buch die wichtigsten Therapiemethoden venöser Erkrankungen in Bild und Text.

Auf der beigefügten CD-ROM können die Abbildungen vergrößert am Bildschirm betrachtet werden.

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ISBN 978-3-934371-52-1

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MITTEILUNGEN

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Lymphologie e.V.

Liebe Mitglieder,Nur wenige Wochen liegt der Jahreskongress der beiden lymphologischen Gesellschaften GDL und DGL in Titisee zurück, aber jetzt, im grauen Spätherbst, erinnern wir uns gerne an das strahlende Spätsommerwetter zurück, bei welchem unsere Tagung stattfand. Das attraktive Programm, vorgestellt von einer Fülle hochkarätiger Referenten, und ein gelungener Gesellschaftsabend wurden durch eine bisher kaum erreichte Zahl von Teilnehmern von fast 500 Personen belohnt. Ich darf mich an dieser Stelle noch einmal persönlich für die großartige Zusammenarbeit mit der Kongresspräsidentin der GDL, Frau Dr. Martha Földi, bedanken, welche die Vorbereitungsphase des Kongresses wie auch die Durchführung desselben zu einem Genuss werden ließen.

Die Arbeiten der verschiedenen Fachgesellschaften an der Neuerstellung der Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Lymphödemen werden in vielen Sitzungen vorangetrieben. Neue Gesichtspunkte müssen eingefügt werden, wie zum Beispiel die Zusammenhänge zwischen morbider Adipositas und Lymphödemen oder die inzwischen als „fünfte Säule“ der Therapie betrachtete notwendige Verankerung der Mitverantwortung und Mitgestaltung der Therapie durch den Patienten. Die grundlegende Neufassung ist jedoch so arbeitsintensiv, dass vor Ende 2016 nicht mit der Verabschiedung zu rechnen ist.

Vielleicht kommt etwas Bewegung in die ewige Baustelle ICD-Kodierung: Am 09. 12. 2015 treffen sich Kollege Dr. Schrader (BVL), Dr. Strubel (DGfW) und ich in Köln beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation (DIMDI), um schneller eine gemeinsame aktualisierte ICD-10-Kodierung lymphologischer Erkrankungen zu entwickeln, die später in die zurzeit auch laufende Neufassung der internationalen ICD-11-Kodierung leicht eingefügt werden kann. Die internationalen Mühlen mahlen eben doch langsam.

Erfreulicherweise werden zwischenzeitlich mehr Förderanträge auf Unterstützung von Studien gestellt, vorrangig chirurgische Studien zur Entwicklung lymphologischer Ersatzbahnen, zum Beispiel mittels autogener Lymphknoten-transplantationen oder über die Herstellung bioartifizieller Lymphknoten: Hierüber wurde in Titisee durch die Münch-ner Arbeitsgruppe Kwak erstmals berichtet.

Auf unserer Mitgliederversammlung in Titisee verabschiedete sich Prof. Horst Weissleder aus seiner aktiven Tätigkeit für unsere Gesellschaft; er wird uns aber weiter als unser Ehrenpräsident zur Verfügung stehen. Jahrzehntelang arbei-tete er unermüdlich für unsere Gesellschaft und stand uns auch nach seiner Präsidentschaft immer mit Rat und Tat zur Seite. Alle Mitglieder, die sich noch an das Jammertal der DGL in den frühen 90er Jahren erinnern, wissen, dass die DGL und unsere Zeitschrift „Lymphologie in Forschung und Praxis“ ohne Prof. Weissleder nicht das wären, was sie heute darstellen. Durch seine hervorragenden Verbindungen in die USA wurden wir immer mit den neuesten lymphologi-schen Forschungsergebnissen der sehr aktiven amerikanischen und kanadischen Arbeitsgruppen in Form der Info-Briefe versorgt. Auch diese werden uns sehr fehlen! Herzlichen Dank für alles!

2016 ist der Austragungsort des dann 40. Jahreskongresses, also eines „Jubiläumskongresses“ der DGL, die Stadt Hof in Bayern. Dem Tagungspräsident Dr. Klaus Schrader ist es gelungen, die Stadthalle von Hof für unseren Kongress fest zu buchen. Sie eignet sich hervorragend als Tagungsstätte. Zudem wurden enge Kontakte zum Nachbarland Tsche-chien geknüpft, und wir freuen uns wieder auf eine internationale Beteiligung.

Mit freundlichen Grüßen und allen guten Wünschen zu einem gesegneten Weihnachtsfest und erfolgreichen neuen Jahr 2016!

Für den VorstandDr. med. Christian Schuchhardt – Präsident der DGL –

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MITTEILUNGEN

128 LymphForsch 19 (2) 2015

Protokoll der Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Lymphologie e.V.

Veranstaltungsort: Kurhaus Titisee, Seestraße1 am 02. 10. 2015 von 17:30 Uhr bis 18:20 Uhr

Tagesordnungspunkte1. Bericht des Vorstandes2. Bericht der Geschäftsführerin3. Bericht der Kassenprüfer4. Wahl eines Kassenprüfers5. Zeitschrift „Lymphologie in Forschung und Praxis”6. 40. Jahreskongress 20168. Verschiedenes

Begrüßung durch Frau Dr. Miller.Es sind 63 Mitglieder anwesend. Die Versammlung ist beschlussfähig.

Nachruf:Verstorben sind:Herr Walter Gwerch aus Hagenow, Mitglied seit 01.0 7.2014Frau Ingrid Wilke aus Essen, Mitglied seit 1981Zu Ehren und zum Gedenken an die Verstorbenen erhe-ben sich die Teilnehmer.

TOP 1 Bericht des VorstandesDr. Schuchhardt berichtet den Mitgliedern aus der Arbeit des Vorstandes. Die Konferenzen werden aus Kosten-gründen in der Regel etwa alle drei Monate als Skype-Sitzungen abgehalten.Einiges konnte vorangebracht werden z. B.:

Entwicklung der Leitlinien: Die Leitlinien für das Lipödem wurden federführend durch Frau Dr. Reich-Schupke erstellt und sind inzwi-schen verabschiedet. An der zukünftigen S2k-Leitlinie für das Lymphödem wird noch gearbeitet. Pro Jahr wer-den in verschiedenen Arbeitskreisen drei bis vier Sitzun-gen abgehalten. Ein erneutes Treffen wird am Sonntag, den 04.10.2015 stattfinden.

Studien:Zurzeit werden drei Studien durch die DGL gefördert.– Herr Kwak, München, über Lymphknotentransplanta-

tion

– Herr Früh, Zürich/Homburg (Saar), Neubildung von Lymphgefäßen

– Frau Pandey, Helsinki, genetische Ursachen primärer Lymphödeme

Lymphologe/Lymphologie für ÄrzteAngeregt durch Dr. Lulay und die Ärztekamme Westfa-len-Lippe wird der erste Kurs „Lymphologie für Ärzte” Ende dieses Jahres mit 40 Teilnehmern starten. Prof. Braumeister bittet die Mitglieder um möglichst aktive Unterstützung bei der Arbeit mit den jeweiligen Landes-ärztekammern, um die Anerkennung der Zusatzbezeich-nung „Lymphologe” voranzutreiben.

Kooperation mit anderen GesellschaftenDr. Schuchhardt berichtet über die Kooperation mit anderen Gesellschaften, z. B. der Europäischen Gesell-schaft für Lymphologie (ESL), mit der Dr. Schuchhardt korrespondiert, sowie der Gesellschaft für Phlebologie, bei der z. B. Dr. Miller die lymphologischen Sitzungen bei den Kongressen organisiert. Herr O. Gültig war als Refe-rent bei der Deutschen Gesellschaft für Angiologie gela-den und konnte dort die Kontakte pflegen.

ICD-CodeDr. Schuchhardt berichtet von der Entwicklung des ICD 11. Ein gemeinsamer Gesprächstermin der DGL, des BVL und der DGfW ist für den 9. Dezember beim DIMDI in Köln vorgesehen.

HomepageKarin Schiller berichtet über die Überarbeitung der Homepage, um sie für Smartphones und Tabletts kom-patibel zu machen. Mitglieder können dann die Zeit-schrift unterwegs per Smartphone lesen. Ebenso wurde die Umkreissuche optimiert. Sie wird voraussichtlich Ende Oktober verfügbar sein. Eine Überarbeitung der Präsentation der in der Homepage aufgeführten ver-schiedenen Krankheitsbilder mit unterschiedlichen Ödem entwicklungen wurde durch Dr. Schuchhardt durchgeführt.Rückfragen von Seiten der Mitglieder zur Arbeit aus dem Vorstand werden keine gestellt.

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LymphForsch 19 (2) 2015 129

MITTEILUNGEN

TOP 2: Bericht der GeschäftsführerinAnhand des Jahresabschlussberichtes des EGS Wirt-schaft und Steuer-Büros erläutert Frau Drews die Ein- und Ausgaben der Gesellschaft sowie die Rücklagen und Kontostände des vergangenen Jahres. Die Mitglieder-zahlen sind konstant geblieben.Fragen zum Thema „Finanzen” gibt es von Seiten der MV keine.

TOP 3: Bericht der KassenprüferHerr Bessel und Herr Göpel haben die DGL-Unterlagen am 14.08.2015 geprüft. Anfangs- und Endbestände der Kon-ten stimmten überein. Ordner und Unterlagen waren übersichtlich geführt, und die Buchführung ergab keine Beanstandungen. Deshalb bittet Herr Bessel die Mitglie-der um Entlastung des gesamten Vorstandes. Die Entlas-tung wird ohne Enthaltungen und Gegenstimmen erteilt.

TOP 4: Wahl eines KassenprüfersDas Amt von Herrn Bessel als Kassenprüfer steht zur Dis-position. Es gibt keine weiteren Vorschläge für die Besetzung des Amtes. Herr Bessel gibt seine Zustim-mung, das Amt zwei weitere Jahre durchzuführen. Es gibt keine Einwendungen gegen eine offene Wahl. Herr Bessel wird mit 0 Gegenstimmen/1 Enthaltung im Amt bestätigt.

TOP 5: Zeitschrift „Lymphologie in Forschung und Praxis”Prof. Wilting berichtet aus der Arbeit der Zeitschrift „Lym-phologie in Forschung und Praxis”. Er bedankt sich bei den Autoren und ruft die Mitglieder auf, sich als Neuau-toren zu versuchen. Unterstützung wird durch ihn und Frau Breitenborn gerne gegeben.Frau Dr. Miller bedankt sich bei Prof. Wilting für die Arbeit und Betreuung an der Zeitschrift.

An dieser Stelle dankt Herr Dr. Schuchhardt Frau Dr. Rüger und Frau Dr. Netopil für die Arbeit als Ansprech-partner für Patienten in der „Ödemsprechstunde” unse-rer Gesellschaft.

TOP 6: Kongress 2016Der nächste Jahreskongress wird ein Jubiläumskongress – 40 Jahre DGL –.Hierzu geht es nach Hof. Herr Dr. Schrader berichtet und lädt herzlich nach Hof ein. Thema: „Grenzen überwin-den”.

TOP 7: VerschiedenesIn berührender Weise bittet Herr Prof. Weissleder um das Wort: Er möchte sich an dieser Stelle aus der aktiven Arbeit in der DGL verabschieden, nicht ohne den Mit-gliedern zu danken, die durch ihre Mitgliedschaft zum Erfolg der Gesellschaft beitragen haben. Nach Jahrzehn-ten der klinischen Tätigkeit, der Beschäftigung mit der wissenschaftlichen Lymphologie, des Vorantreibens der Lymphologie als Lehrer für Ärzte und Therapeuten sei es an der Zeit, Ballast abzuwerfen, und dazu gehöre auch die ihn zunehmend belastende Arbeit für die DGL. Noch-mals dankt er allen und wünscht den Mitgliedern alles Gute für die Zukunft. Frau Dr. Miller dankt Herrn Prof. Weissleder für seine unermüdliche Arbeit in der DGL in über dreißig Jahren. Alle Anwesenden erheben sich, um in stehenden Ovati-onen minutenlang Prof. Weissleder zu danken, für alles, was er in den vielen Jahren für die Gesellschaft getan hat.

Im Hinblick auf die Wahlen im nächsten Jahr bittet Frau Dr. Miller die Mitglieder nachzudenken, wer im nächs-ten Jahr in den Vorstand kommen möchte. Auch Herr Dr. Schuchhardt wünscht eine Verjüngung des Vorstan-des und bittet die Mitglieder, sich Gedanken zu machen über eventuelle Nachfolger für die Posten im engeren und erweiterten Vorstand der DGL. Für sich selber schließt er eine weitere Amtszeit als Präsident für die nächste Legislaturperiode aus. Auch er dankt Herrn Prof. Weissleder mit einem Präsent für die Arbeit in der DGL.

Herr Prof. Weissleder weist auf die Wintertage in Walchsee hin, zu denen Frau Prof. Wittlinger herzlich einlädt.

Frau Dr. Miller beendet die Mitgliederversammlung um 18:20 Uhr.

Rita Negele-Strauss Dr. med. Christian Schuchhardt Dr. med. Anya Miller Schriftführerin Präsident Generalsekretärin

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MITTEILUNGEN

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Mitteilungen der Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen e.V.

Geschafft – die neue Homepage der GDL: www.gdlymph.eu

Nach längerer Vorbereitungsphase ist die neue Homepage der GDL e.V. fertiggestellt. Neben einem öffent-lich zugänglichen Bereich wird es einen Passwort geschützten Mitgliederbereich geben, der aktuell bereits den Zugang zur digitalen Auflage der Zeitschrift „Lymphologie in Forschung und Praxis“ zurück bis ins Jahr 1998 enthält. Dieser interne Bereich wird kontinuierlich durch weitere Literatur, Zugang zu Kongressbän-den der GDL e.V. und Mitgliederlisten ergänzt.

Um den internen Bereich zu nutzen, müssen Sie sich lediglich einmal registrieren. Geben Sie bitte in den Browser „gdlymph.eu/mitglied-werden“ ein, nennen Sie ihren Vor- und Nachnamen sowie ein frei wähl-bares Passwort. Binnen kurzer Zeit erhalten Sie eine Bestätigung an die gewünschte E-Mail-Adresse – damit haben Sie sich für den internen Mitgliedsbereich registriert. Falls es Ihrerseits interessante Beiträge für die übrigen GDL-Mitglieder gibt, können Sie diese Texte an den Generalsekretär Dr. Michael Oberlin ([email protected]) senden.

Wir wünschen Ihnen viel Freude an der neuen Homepage.

Der Vorstand der GDL

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MITTEILUNGEN

Protokoll der ordentlichen Mitgliederversammlung der Gesellschaft Deutschsprachiger Lymphologen e.V.

Veranstaltungsort: Hotel Maritim, Titisee-Neustadtam Freitag, den 02.10.2015 von 13:00 bis 14:15 Uhr

TOP1: Das auf der schriftlichen Einladung abgedruckte Protokoll vom 05.10.2013 wird von den insgesamt 18 anwe-senden Mitgliedern ohne Änderungsantrag genehmigt.

TOP 2: Prof Baumeister berichtet über den aktuellen Stand der Leitlinienentwicklung S2K (Lymphödem), die guten Kontakte zur Deutschen Gesellschaft für Lymphologie (DGL), International Society of Lymphology (ISL) und European Society of Lymphology (ESL). Die beantragte Zusatzweiterbildung „Lymphologe“ steht weiterhin zur Diskussion und ist zumindest nicht abgelehnt worden. Prof. Baumeister bittet die anwesenden Mitglieder, diesbezüglich mit den zuständigen Landesärztekammern Kontakt aufzunehmen, er selbst hat bereits mit der LÄK Bayern Kontakt. Beim letzten ISL-Kongress in San Francisco, USA, mit 800 Teilnehmern konnte Prof. Baumeister die GDL vorstellen. Der nächste ISL-Kongress wird 2017 in Antalya, Türkei, stattfinden.

TOP 3: Dr. Oberlin berichtet über zwei abgehaltene Vorstandssitzungen in Halle im Oktober 2014 und in Titisee im Oktober 2015. Zusätzlich über die Teilnahme an den AWMF-Delegierten-Sitzungen in Frankfurt jeweils im Mai und November jeden Jahres, die organisatorischen Tätigkeiten für die Leitlinienarbeit unter Federführung der GDL sowie die vor der Fertigstellung stehende neue GDL-Homepage (www.gdlymph.eu), die bis Ende 2015 auch in Google gelistet sein wird. Im Passwort geschützten Mitgliederbereich soll ein digitaler Zugang zur Zeitschrift „Lymphologie in Forschung und Praxis“ über den Viavital Verlag, Köln, möglich sein, außerdem ist ein Zugang zu Mitgliederlisten sowie Literatur geplant.

TOP 4: Schatzmeister Dr. Döller berichtet über die Einnahmen und Ausgabenseite, die Kosten von 5000 Euro/Jahr für die Leitlinienarbeit sowie die 5000 Euro für die Erstellung der neuen GDL-Homepage. Dr. Döller gibt die Beendigung seiner 13-jährigen Tätigkeit als Schatzmeister bekannt und schlägt Dr. Stephan Wagner als Nachfolger vor.

TOP 5: Seitens der Rechnungsprüfer Dr. Rühsing und Dr. Zvonik werden keine Abweichungen beanstandet, ein schriftlicher Prüfbericht liegt dem Generalsekretär vor. Die Jahresrechung 2013/2014 sowie der gesamte Vorstand der GDL werden seitens der anwesenden Mitglieder einstimmig (bei Enthaltung des Vorstandes) entlastet.

TOP 6: Die anstehenden Vorstandswahlen werden von Dr. Martin geleitet und erfolgen per Handzeichen: Präsident: Prof. Dr. Dr. R. Baumeister, 1. Vizepräsident: Prof. Dr. J. Wilting, 2. Vizepräsident: Dr. G. Felmerer, Schatzmeister: Dr. S. Wagner, Generalsekretär: Dr. M. OberlinWeitere Vorstandsmitglieder: PD. Dr. V. Schacht, Prim. Dr. W. Döller, Dr. C. Ure, Dr. M. FöldiRechnungsprüfer: Dr. Rühsing, Dr. ZvonikErweiterter Vorstand: Prof. Dr. E. Földi, Dr. W. Lüdemann, Dr. J. Wallmichrath, Prof. Dr. M. Koller, Dr. P. Klein-WeigelAlle Gewählten nehmen die Wahl an. Besonderer Dank ergeht an den langjährigen Schatzmeister Prim. Dr. W. Döller.

TOP 7: Bericht über die beiden beantragten Zuschüsse für Forschungsvorhaben – geplant sind zusammen circa 7000 Euro Gesamtfördersumme, die mit dem DGL-Vorstand koordiniert werden müssen, da Anträge einer Forschergruppe bei beiden Gesellschaften zur Förderung vorliegen. Für die nächste Lymphologica 2017 wird Münster diskutiert bei dort vertretener Angiogenese-Forschung am Max-Planck-Institut und der Anatomie.Auf der zukünftigen Homepage soll neben einem Bereich „Konservative Lymphologie“ auch die „Operative Lympho-logie“ vertreten sein. Hierzu lag auch ein Mitgliedsantrag vor, der im Vorstand diskutiert und weiterverfolgt wird.Prof. Wilting appelliert an alle Mitglieder, Beiträge für die Zeitschrift LymphForsch einzureichen – er ist bei der Arti-kelgestaltung behilflich.

Prof. Dr. Dr. med. Rüdiger Baumeister Dr. med. Michael Oberlin Präsident Generalsekretär

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MITTEILUNGEN

132 LymphForsch 19 (2) 2015

Mitteilungen der Gesellschaft für manuelle Lymphdrainage nach Dr. Vodder und sonstige lymphologische Therapien

Die Gesellschaft für manuelle Lymphdrainage nach Dr. Vodder und sonstige lymphologische Therapien veranstaltet in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Lymphologie

am Freitag, den 08. 01. 2016, bis Samstag, den 09. 01. 2016, die

Lymphologische Wintertagung 2016 in Walchsee.

Das Thema diesmal ist die Gesellschaft im Wandel und dessen Auswirkungen auf das Krankheitsbild des Lymphödems.

Der praktische Teil am Freitag im Wittlinger-Therapiezentrum umfasst zahlreiche Workshops und Firmen-vorstellungen, bevor am Abend die wissenschaftliche Tagung in der Mehrzweckhalle der Gemeinde Walchsee mit zwei Festvorträgen beginnt. Der Samstag ist dann ganz der Wissenschaft gewidmet, zu der wir zahlreiche renommierte Vortragende gewinnen konnten.

Im Rahmen der wissenschaftlichen Sitzungen wird auch diesmal der Dr. Vodder/G. Wittlinger-Preis verlie-hen werden. Dazu können gerne auch noch weitere Bewerbungen eingereicht werden.

Details zur Anmeldung finden Sie unter: www.tagungsmanagement.org bzw. [email protected]

Ich darf Sie auch im Namen der Kongresspräsidentin Dr. Melanie Wohlgenannt, MPH, herzlich zu dieser Tagung einladen.

Ihr

Univ.Prof. Dr. Erich Brenner, MME (Bern)Präsident GfMLV und ÖGL

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MITTEILUNGEN

Mitteilungen des Schweizerischen Fachverbandes für Manuelle Lymphdrainage

Unser Highlight in diesem Herbst war der Lymphologie-Kongress in Titisee. Spannende Themen und Referate begeis-terten den vollständig anwesenden Vorstand des Schweizerischen Fachverbandes für Manuelle Lymphdrainage (SFML). „Grenzen überwinden, Lymphologie interdisziplinär und fächerübergreifend“ waren die Themen, die für besonderen Gesprächsstoff sorgten. Denn wir sitzen doch alle im selben Boot: Viele Therapeuten kämpfen auch in 2015 mit Miss- oder gar Unverständnis in ihrem Berufsalltag; Hausärzte und Krankenkassen sind nach wie vor nicht oder nur mäßig mit der Lymphologie vertraut. Andererseits wurden uns in Titisee neueste Forschungsresultate und OP-Techniken präsentiert, wir lauschten spannenden Vorträgen von engagierten und hochqualifizierten Referenten (auch aus der Schweiz!). Gerade an Sie, liebe Referenten, richten wir unseren Weihnachtswunsch: Mit Ihrer Präsenz, Ihrem Wissen, Ihrem Engagement und Ihrer Überzeugungskraft könnten Sie wunderbar Brücken schlagen und Ärzte samt Krankenkassen in unser Boot holen!

Highlight im Frühling 2016 wird die 4. Fachtagung des SFML mit anschließender Gesellschafterversammlung (GV). Sie findet am Samstag, den 23. 04. 2016, im Granolissimo in Sursee statt. Unter dem Motto:

„Lymphologische Knacknüsse - Lösungsorientierte Ansätze“

erwarten Euch/Sie spannende Referate – wir hoffen auf rege Teilnahme!Details dazu werden demnächst auf unserer Homepage publiziert – es lohnt sich auch sonst, hin und wieder vorbei-zuschauen!Apropos Engagement: Wie wir bereits bei der letzten GV informiert haben, brauchen wir dringend Verstärkung im Vorstand! Interessierte Mitglieder sind herzlich eingeladen, an unserer nächsten Sitzung am 01.12. 2015 Vorstandsluft zu schnuppern. Unser neuer Messestand steht zum Einsatz bereit – Details und Infos dazu auf unserer Homepage.Die Fortbildungsnachweise sind bereits versandt, und wir bedanken uns für die pünktliche Zusendung Eurer/Ihrer Unterlagen.

Übrigens: Auch in 2016 gibt es wieder spannende und tolle Kurse zur Weiterbildung. Wiederum lohnt sich ein Blick auf unsere Homepage!

Renate WyssSchweiz. Fachverband für Manuelle Lymphdrainage

– Öffentlichkeitsarbeit –

www.lymphdrainage-verband.ch

[email protected]

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MITTEILUNGEN

134 LymphForsch 19 (2) 2015

08.-09. 01. 2016 Walchsee/Österreich Walchseer Lymphologische WintertagungInformation: www.tagungsmanagement.org

12.-13. 02.2016 BonnBonner VenentageInformation: www.bonner-venentage.de

15.-19. + 27. 02. 2016 DuisburgÄrztlicher Wundexperte ICW/TÜVInformation: www.icwunden.de

17.-20. 02. 2016 Münster60. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostase-forschungInformation: www.gth2016.org

18.-20. 02. 2016 Oberhausen4. Westdeutsches GefäßsymposiumInformation: www.gg-west.de

20.-21.02. 2016 Kassel16.-17.0 4. 2016 Aschaffenburg28.-29.05. 2016 OchtrupÄrztliches Fortbildungsseminar LymphologieInformation: www.lymphologic.de

26.-27. 02. 2016 Frankfurt/MainCampus LymphologicumInformation: www.lymphologicum.de

05. 03. 2016 Bochum5. Bochumer LymphtagInformation: [email protected]

10.-12. 03. 2016 Würzburg7. ICW-Süd/HWX-KongressInformation: www.institutschwarzkopf.de

11.-12. 03. 2016 KölnAngio-Update – 7. interdisziplinäres Update GefäßmedizinInformation: www.med-update.com

11.-12. 03. 2016 Budapest/Ungarn31. Internationaler Várady-Work-shop für Phlebologie, Lymphologie und Angiologie Information: www.phlebo-varady.de

02. 04. 2016 BerlinLymphselbsthilfetagInformation: www.lymphselbsthilfe.org

09. 04. 2016 Berlin5. Berliner Lymphologisches SymposiumInformation: [email protected]

16. 04. 2016 Iserlohn2. Südwestfälischer LymphtagInformation: www.mcs-medicalcenter.de

11. 05. 2016 BremenInternational Compression Club (ICC)-SessionInformation: www.tagungsmanagement.org

11.-13. 05. 2016 BremenDEWU – Deutscher Wundkongress der ICW e.V. & Kongress der EWMA European Wound Management Association & WundD-A-CH- Kongress 2016Information: www.ewma2016.org

13.-14. 05. 2016 Mulhouse/Frankreich42nd Congress of the European Society of LymphologyInformation: www.esl2016.com

26.-28. 05. 2016 Darwin/Australien2016 Asia Pacific Lymphology ConferenceInformation: www.2016asiapacific- lymphologyconference.com

03.-05. 06. 2016 Fleesensee10. meeting Phlebologie & LymphologieInformation: www.meeting-fleesensee.de

25. 06. 2016 München7. Münchner Lymph-SymposiumInformation: [email protected]

22.-24. 09. 2016 Hof40. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für LymphologieInformation: www.dglymph.de

T E R M I N E

Ulcus cruris venosum: neues Kompressionsstrumpf-SystemFür die erfolgreiche Behandlung eines Ulcus cruris venosum ist die Kompressionstherapie – am besten in Verbindung mit Bewegung – von entscheidender Bedeutung. Juzo hat nun für die Therapie des Ulcus cruris venosum das Kompressionsstrumpf-System Juzo® Ulcer Pro entwickelt, welches in Seriengrößen sowie als individuelle Maßanfertigung erhältlich ist. Es besteht aus zwei Komponenten: Der Unterziehstrumpf Juzo Ulcer Liner ist ein rundgestrickter Kompressi-onsstrumpf mit der Kompressionsklasse (KKL) I, dessen Naht im Zehenbereich nach außen gelegt worden ist, damit die sensible Haut im Zehenbereich geschont wird. Der Unterziehstrumpf ermöglicht die sichere Fixierung von Wundauflagen und Pelotten und schützt die empfindliche Haut des Patienten beim Anziehen des Überzieh-strumpfes. Eingestrickte Markierungen helfen zudem bei der exakten Positionierung. Jedes Set enthält zwei Unterziehstrümpfe.Der Überziehstrumpf Juzo Ulcer Expert ist ein flachgestrickter Kompressionsstrumpf mit der KKL II, der tags-über zur Verstärkung der Kompression über den Juzo Ulcer Liner angelegt wird. Er weist – wie in den medizi-nischen Leitlinien empfohlen – einen hohen Arbeitsdruck und einen niedrigen Ruhedruck auf. Die Kompressi-onsdruckwerte von Unter- und Überziehstrumpf addieren sich in Kombination zur KKL III.Gegenüber dem Kompressionsverband hat die Verwendung des Kompressionsstrumpf-Systems Vorteile: Der medizinisch notwendige Kompressionsdruck ist definiert und bleibt konstant, der Patient kann seine gewohnten Schuhe anziehen, die Kompressionsstrümpfe sitzen sicher auch in Bewegung und verrutschen nicht. Quelle: Juzo

PRODUKT-MITTEILUNGEN

Foto

: © J

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LymphForsch 19 (2) 2015 135

MITTEILUNGEN

Ankündigung

Verleihung der JACOB-HENLE-MEDAILLE an den Lymphangiogenese-Forscher Prof. Kari AlitaloAm Freitag, den 29. Januar 2016, wird die Medizinische Fakultät der Georg-August-Uni-versität Göttingen Herrn Prof. Kari Alitalo die Jacob-Henle-Medaille für seine Verdienste auf dem Gebiet der molekularen Lymphangioge-neseforschung verleihen. Die Laudatio wird von Prof. Jörg Wilting gehalten. Interessierte Teilnehmer werden gebeten, sich zu melden unter: [email protected] – Tel.: +49(0)551-39-7050.

Kari Alitalo wurde in Kuopio, Finnland, geboren und studierte Medizin an der Universi-tät Helsinki, wo er auch promoviert wurde. Er bekleidet heute die Position eines Akademie-Professors des Forschungsrats für Gesundheit der Akademie von Finnland, des Direktors am Wihuri Research Institute, Hel-sinki, des Direktors des Translational Cancer Biology Research Program an der Universität Helsinki, des Direktors am Centre of Excellence in Translational Cancer Biology der Akademie von Finnland an der Universität Helsinki und der Universität Turku.

Vater der molekularen Ära der Lymphgefäßforschung.

Seit ihrer Entdeckung (oder Wiederentdeckung) durch Gaspare Aselli (1581–1626) sind Lymphgefäße mittels mor-phologischer Techniken auf makroskopischer und mikrosko-pischer Ebene untersucht worden. Es war aber erst die Entde-ckung der Wachstumsfaktoren VEGF-C und VEGF-D und des entsprechenden Rezeptors VEGFR-3 durch das Labor von Kari Alitalo, die die Möglichkeit funktioneller und translationaler Untersuchungen dieses spezialisierten Gefäßsystems eröffnete.

Von Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere an lag der Fokus von Kari Alitalo auf der translationalen biomedizini-schen Forschung. Während seiner Zeit als Postdoc arbeitete er in San Francisco im Labor der Nobelpreisträger J. Michael Bishop und Harold E. Varmus. Er wurde sehr bald zum Spezi-alisten auf dem Gebiet der Wachstumsfaktoren und Tyrosin-Kinase-Rezeptoren. Er klonierte und charakterisierte als ers-ter FGFR4-, Bmx- und Csk-Tyrosin-Kinasen, sowie den ersten endothelzellspezifischen Rezeptor Tie1. Seine Entde-ckung lymphendothelspezifischer Proteine, die das Wachstum und den Erhalt lymphatischer Gefäßnetze induzieren und kontrollieren, sind die Basis für molekulare Therapien, die zurzeit in klinischen Studien getestet werden.

Professor Alitalo ist einer der bedeutendsten europäischen Forscher auf dem Gebiet der Tumor- und Zellbiologie mit zurzeit 575 gelis-teten, internationalen Publikationen, mehr als 62.000 Zitationen, einem H-Index von 135 und mehr als 400 eingeladenen Vorträgen bei internationalen Kongressen. Kari Alitalo erhielt eine Vielzahl beruflicher Angebote, scheint dabei aber ein sehr heimatverbundener Finne zu sein, da er ausschließlich Positionen in seinem Heimatland angenommen hat. Er erhielt zudem eine große Anzahl hochrangiger Auszeichnungen, von denen hier exemplarisch genannt seien: der A.H.-Heineken-Preis für

Medizin (Niederlande), der Prix Leopold Griffuel (Frank-reich), der InBev-Baillet Latour Health Prize (Belgien) sowie der Louis-Jeantet-Preis für Medizin (Schweiz).

Inspiration vieler junger Wissenschaftler

Prof. Alitalo ist im Editorial Board hochrangiger wissenschaft-licher Journale tätig und Mitglied im Beratungsausschuss vie-ler Stiftungen auf den Gebieten der vaskulären Biologie und der Krebsbehandlung. Er ist, neben vielen anderen, Mitglied der Academy of Europe, der Finnish Academy of Science and Letters, der European Academy of Tumour Immunology, der Swedish Royal Academy of Sciences und zudem auch auswär-tiges Mitglied der U.S. National Academy of Sciences.

Prof. Alitalo konnte mit seinen Arbeiten viele junge Wis-senschaftler inspirieren, sich mit großer Begeisterung den Fragen nach der Kontrolle der Entwicklung des Gefäßsystems bei Embryonen, bei Gefäßmalformationen und Erkrankun-gen, wie der Krebserkrankung, zuzuwenden. Die molekularen Interaktionen zwischen den vaskulären Endothelzellen und ihrem lokalen Milieu waren, und sind noch immer, das zentrale Forschungsinteresse von Prof. Alitalo.

Wir sind zuversichtlich, dass die Translation seiner Arbei-ten von ‚bench to bedside’ gelingen möge zum Wohle von Patienten, die an Lymphödemen und ihren Folgeerkrankun-gen oder an vaskulären Verschlusskrankheiten leiden. Zudem geben wir die Hoffnung nicht auf, dass eine gezielte Beeinflus-sung des Gefäßsystems eines Tages auch Patienten helfen wird, die an metastasierenden Tumoren leiden.

J. Wilting, Göttingen

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