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Bartholomäus Kilian d. J. nach Egid Schor, Thesenblatt der Universität Innsbruck, 1674 Originalveröffentlichung in: Probst, Jörg (Hrsg.): Reproduktion: Techniken und Ideen von der Antike bis heute. Berlin 2011, S. 14-33

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Bar tho lomäus Kilian d . J. nach Egid Schor , Thesenbla t t der Universi tät Innsbruck, 1674

Originalveröffentlichung in: Probst, Jörg (Hrsg.): Reproduktion: Techniken und Ideen von der Antike bis heute. Berlin 2011, S. 14-33

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Eckhard Leuschner

D a s G n a d e n b i l d z w i s c h e n Ä s t h e t i k

u n d B i l d t h e o l o g i e

Zur frühen grafischen Reproduktion der Madonna von Mariahilf

Kunst der Gnadenbilder

Für die Erörterung von Praxis und Theorie der „Reproduktion" in der Frühen Neuzeit bietet sich, was den mittel­ und westeuropäischen Kontext angeht, das Gnadenbild von Mariahilf wie nur wenige andere Werke an. Dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass das infrage stehende, in Passau bewahrte Bild selbst schon als Kopie eines der Öffentlichkeit zeitweise entzogenen „Originals", noch dazu eines Gemäldes von Lucas Cranach d. Ä., geschaffen wurde, mithin alle seine Nachahmungen in technischer Hinsicht von Anfang an den Status von Wiederholungen einer Wiederholung hatten. Der erhebliche Anteil der auf Holz, Leinwand oder Glas gemalten Kopien bzw. der freieren, aber auf einen unveränderbaren „Gestaltkern" des Madonnenbildes bezo­genen Zitationen in narrativen Votiven, ist bekannt, doch die internationale Wirksamkeit des Bildes war wesentlich dessen druckgrafischer Verbreitung geschuldet. Anders als bei den kultur­ und religionsgeschichtlichen sowie volkskundlichen Aspekten, denen bereits bedeutende wissenschaftliche Stu­dien gewidmet wurden, ' fehlt jedoch für das Mariahilf­Bild bis heute eine systematische Sammlung und Auswertung dieses umfangreichen Materials unter kunst­ bzw. bildhistorischen Gesichtspunkten. Auch im vorliegenden Beitrag können diesbezüglich nur einige Aspekte erörtert werden, wobei die Frühgeschichte der druckgrafischen Reproduktion des Mariahilf­Bildes im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Gefragt werden soll dabei unter anderem nach dem künstlerischen bzw. verlegerischen Umgang mit der reproduzierten Vorlage, der Herausbildung von Konventionen der grafischen Vervielfältigung eines solchen Gnadenbildes und den Bezügen der Mariahilf­Reproduktionen zur zeitgenössischen Wiedergabe von „Kunst".

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16 Form

Bauten für ein Bild

Die Wallfahrt nach Mariahilf wurde im frühen 17. Jahrhundert begründet. Sie geht zurück auf den Domdekan Freiherr Marquard von Schwendi (1574­1634), der 1622 auf dem Passauer Schulerberg über der Innstadt eine kleine Kapelle mit einem Mariengnadenbild errichten ließ, das ihm wenige Jahre zuvor ein anonymer Künstler als Kopie eines Mariengemäldes von Lucas Cranach dem Älteren angefertigt hatte.2 Die Wahl des Ortes für die Kapelle war bedingt durch wiederholte Visionen von Schwendis, der bei Spaziergängen auf der damals noch bewaldeten Anhöhe Lichter gesehen haben wollte, die sich wohlgeordnet in der Art einer Prozession bewegten, wobei ihm die Lichter an Samstagen und vor Marienfesten besonders hell zu leuchten schienen.

Das Bild stellt Maria mit dem Kind als Hilfe der Christen nach Art der by­zantinischen Eleousa (Glykophilousa) dar. Die Madonna blickt aus dem Bild. Das Kind, das sich wie Hilfe suchend an das Gesicht der Mutter schmiegt, gibt frommen Betrachtern die Rezeptions vorgäbe, sich ähnlich vertrauensvoll an Maria zu wenden. Der Überlieferung nach hat Lucas Cranach das Bild für den Sächsischen Hof zu Dresden gemalt, wobei er Anregungen vorgängiger Werke aufgenommen haben dürfte . Sowohl auf die Ähnlichkeit mit dem (byzantinischen) Marienbild von Cambrai als auch auf Raffaels „Madonna Tempi" ist mehrfach hingewiesen worden. ' Inzwischen geht die Forschung aus stilistischen Gründen von einer Entstehung im Spätwerk Cranachs, gegen 1537, also lange nach Beginn der Reformation, aus.4

Nach Angabe von Quellen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts soll Erzherzog Leopold V. anlässlich eines Besuchs bei seinem protestantischen Cousin Kurfürst Johann Georg [. in Dresden 1611 das Bild Cranachs als Gastgeschenk aus dessen Kunstgalerie gewählt haben.5 Woher auch immer Leopold V. das Werk tatsächlich hatte, er brachte es in seine Hofkapelle nach Passau, wo er bis 1625 Fürstbischof war. Nachdem er 1619 zum Regenten von Tirol ernannt worden war, nahm e re s nach Innsbruck mit. Auch dort verwahrte Leopold V. das Marienbild in seiner Privatkapelle, insofern scheint dessen öf­fentliche Wirkung in Innsbruck anfangs nicht sehr groß gewesen zu sein. Erst Leopolds Sohn, Erzherzog Ferdinand Karl, schenkte es 1650 der Innsbrucker Jakobskirche, dem heutigen Dom. behielt sich aber die Möglichkeit vor, es auf Reisen weiterhin mit sich zu führen.

Die Passauer Wallfahrtskirche Mariahilf ließ Marquard von Schwendi von 1624 bis 1627 vermutlich durch Francesco Garbanino erbauen. 1628 errichtete man eine erst im 19. Jahrhundert in Stein ausgeführte überdachte Wallfahrtsstiege, die in der Art einer „Scala Santa" auf den Hügel führt. Im Nachgang zu den Bauarbeiten für die „feste" Kapelle, baute Schwendi sich, um dem verehrten Bild nahe zu sein, ein Schlösschen gegenüber dem Portal der Wallfahrtskirche. Die Wallfahrt wurde von Papst Urban VIII. offiziell ge­

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nehmigt. Kapuziner, die schon 1610 ihr Kloster am Fuße des Berges errichtet hatten, übernahmen die Wallfahrtsseelsorge. 1627 begründete Schwendi eine Maria­Hilf­Bruderschaft , der zahlreiche Gläubige beitraten. Die Kunde von Wundern, die das in der neuen Kapelle bewahrte Marienbild gewirkt habe, verbreitete sich in der an Sorgen und Nöten reichen Zeit des Dreißigjährigen Krieges schnell. Sogar die Abwendung des Vormarsches der Schweden auf Passau 1633 durch den bayerischen Reiteroberst Johann von Werth wurde später als Werk der Fürbitte Marias dargestellt.''

Seitenrichtigkeit

Wenn man, auf der Basis des aktuell zur Verfügung stehenden Materials, eine Entwicklungsgeschichte und Typologie der grafischen Reproduktionen des Gnadenbildes von Mariahilf anstrebt, ist es geraten, mit den frühesten datierten oder datierbaren Werken zu beginnen. Dieser Ansatz ist insofern zielführend, als unter den ersten datierten Stichen gleich mehrere des Augsburger Kupfer­stechers und Verlegers Lucas Kilian (1579­1637) sind. Es handelt sich, was in der Wiedergabe von Gemälden zu dieser Zeit keine Selbstverständlichkeit war7 , um seitenrichtige Darstellungen des Passauer Bildes, von denen die meisten ohne Schmuckrahmen auskommen (Abb. 1). Wegen des kleinen Formats (ca. 1 5 x 9 cm) sind die grafischen Möglichkeiten bescheiden, doch hat Kilian versucht, mit Graustufen den chromatischen Effekt des Gemäldes ansatzweise zu imitieren. Weder die Madonna noch das Kind haben einen Nimbus. Im Unterrand steht ein lateinischer Bittvers, der ­ oder dessen deutsche Übersetzung ­ zur Standardinschrift von Wiedergaben des Passauer Madonnenbildes (und damit zu einem indirekten Erkennungszeichen) werden sollte: „Tu nos iuvando respice / Et nos ab hoste protege / Pestem famemque remove / Horaque mortis suscipe". Eine genaue Betitelung als Darstellung der „Passauer Madonna" oder des „Gnadenbildes von Mariahi l f ' fehlt, eben­so wenig findet man einen Verweis auf Lucas Cranach als Inventoren oder Verfertiger des Gemäldes ­ letzterer sollte in der druckgrafischen Karriere des Bildes so gut wie immer unerwähnt bleiben.

Die zeitlich frühere derartige Grafik Lucas Kilians ist auf 1625 datiert, eine spätere, in der Form weitgehend unveränderte, auf 1636.s Nach diesen Kupfern existieren diverse undatierte Kopien, u. a. von Philipp Sadeler (1600­1650) und Philipp Kilian (1628­1693). Eine Variante der grafischen „Urform" Kilians von Johann Sadeler d. J. (1588­1665) , die mit einer schmalen Rahmenleiste umgeben ist, trägt das Datum 1644 und das kaiserliche Privileg.9 Alle diese Kopien sind seitenrichtig. Erst der größere räumliche (und zeitliche?) Abstand scheint bedingt zu haben, dass. wie bei dem in Paris tätigen Pierre Mariette d. J.

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18 Form

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Abb. I Lucas Kilian, Passauer Gnadenbild von Mariahilf . 1625

T V N O S I V ^ X N D O H E S P I C E , PESTEMEAMEMOVE REMOVX :

ET NOS AB H O S T E F R O T E G E ,

(1634-1716) , die Übernahme der Komposition nicht mehr mit dem Bemühen um Seitenriehtigkeit verbunden war.1"

Parallel zu den „schlichten", wenn aueh nicht ausdrücklich vermittels In­schrift als Wiedergaben des Gnadenbildes gekennzeichneten Drucken schuf Kilian Darstellungen des Madonnenbildes in fiktiven, starker geschmückten Rahmen, und zwar einerseits mit Blumenkränzen, andererseits mit plastischen und architektonischen Formen (Abb. 2)." Die Formate dieser „reicheren" grafischen Reproduktionen waren dennoch keineswegs größer als diejenigen der erstgenannten Variante.

Popularis ierungen

Die Tatsache, dass Kilians Drucke zu einer Zeit in Umlauf kamen, in denen Marquard von Schwendi gerade erst dabei war, seine kleine Marienkapelle durch einen Steinbau zu ersetzen und die Passauer Wallfahrt ins Leben zu rufen, mag überraschen. Gleichwohl spielte Druckgrafik im Kontext von

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Abb. 2 Lucas Kilian. Passauer Mariah i l f -Gnadenbi ld

im O r n a m e m r a h m e n , undatiert

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T V N O S I V T ; 4 N D O R E S P I C E , F E S T E M K A M E H O V E R E M O V E

E T N O S A B H O S T E P R O T E G E , H O R A O V E M O R T I S S V S C I F L .

Z.W4S Kilun icula/ir-

Wallfahrten und Wallfahrtsorten längst eine bedeutende Rolle.12 Insofern könnte man meinen, dass ein geschäftstüchtiger Verleger wie Lucas Kilian bei den ersten Anzeichen des aufkeimenden Wallfahrtsbetriebs von sich aus mit der Produktion von . .Reproduktionen" des Mariahilfer Gnadenbildes begonnen hätte. Allerdings gibt es ein von Kilian geschaffenes, 1628 datier­tes Porträt des Marquard von Schwendi. das auch eine Ansicht der damals womöglich noch kaum fertig gestellten Anlage von Mariahilf enthäl t ." Die Folgerung liegt nahe, dass Kilian bereits Mitte der 1620er Jahre im Auftrag des Domdekans eine systematische Verbreitung der Hauptattraktion eines neuen Wallfahrtsziels, also dessen Popularisierung, mitbetreiben sollte. Die Marienbilder Kilians dürften damit zumindest anfangs eher Anreize zu einer Wallfahrt als f romme Souvenirs oder Mitbringsel von einer solchen gewesen sein. Womöglich wurden die Drucke im kirchlichen Kontext großflächig verteilt, nicht ohne einen mündlichen Hinweis auf den Standort des Gnaden­bildes. Dass sich von Schwendi an einen Grafikverleger im nicht ganz nahen Augsburg wandte, dürfte der Tatsache zuzuschreiben sein, dass die Stadt am Lech, anders als Passau, ein großes Druckzentrum und damit in Produktion und Vertrieb entsprechend leistungsfähig war.

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Abb. 3 Melchior Kusel, Passauer Mariahill'-Gnadenbild undatiert

Ob die in den frühen Stichen unterlassene Benennung der Vorlage als Pas­sauer „Gnadenbild von Mariahi l f ' mit dem Umstand zu tun hatte, dass von Schvvendis Bild nur die Kopie nach einem damals nicht öffentlich zugänglichen „Original" war oder man gar nicht zwischen diesem und dem Bild in der neuen Kapelle differenzieren wollte, ist kaum zu klären. Die später übliche Betitclung von grafischen Wiedergaben als „S. MARIA AVXILIATRIX PASSAVIENSIS, MIRACVLIS CLARA" zeigte jedenfalls klar an, dass sich diese Stiche auf das Bild in der Kirche auf dem Schulerberg bezogen und war dadurch bedingt, dass dieses sich längst als wunderwirksam gezeigt hatte. Dass im Kontext solcher grafischen „Reproduktionen" die Gründungsgeschichte der Wallfahrtskirche keineswegs aus dem Blick geriet, ergibt sich schon daraus, dass der Kupferste­cher Melchior Küsel (1622­1683) eine entsprechend beschriftete, repräsentativ großformatige Darstellung des Gnadenbildes Michael von Schwendi, einem Verwandten des 1630 verstorbenen Stifters Marquard, dedizierte (Abb. 3).14

Von diesem Kupfer ­e insch l ieß l ich der Dedikation ­ existiert mindestens ein weiterer Druckzustand, den Jean Boulanger (1607­ca . 1680) signierte.15

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Abb. 4 Johann Heinrich und Johann Eckhard Löftier nach

Johannes Schot. Blick in eine Kapelle mit Version des

Mariahilf-Gnadenbildes, 1640

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Interessen

Die weitere Abbildungsgeschichte der Madonna von Mariahilf war wesent­lich von deren Indienstnahme durch verschiedene kirchliche oder weltliche Interessen geprägt. Auf der einen Seite nutzten die zur Seelsorge auf dem Passauer Wallfahrtsberg abgeordneten Kapuziner sie zur Selbstdarstellung. Die von Karl von Arenberg verfasste Ordenspublikation „Flores Seraphici", Köln 1640, macht gleich nach dem Frontispiz mit dem Blick in eine kleine Kapelle auf, über deren mit Blumen bedecktem Altar eine seitengleiche Ver­sion des Mariahilfer Madonnenbildes angebracht ist16 (Abb. 4) ­ zwar mag mit diesem Ambiente auf von Schwendis erste Kapelle auf dem Schulerberg angespielt worden sein, doch die tatsächliche Größe des Gnadenbildes scheint dabei keine Rolle gespielt zu haben. Anders formuliert: Vermutlich hatten weder der verantwortliche Vorlagenzeichner Johannes Schot noch die Kölner Kupferstecher­Brüder Löffler noch der in Brüssel ansässige Kapuziner Karl von Arenberg jemals das Werk in Passau mit eigenen Augen gesehen, d.h. sie waren auf grafische oder andere Darstellungen angewiesen, die allesamt keine Maßangaben boten. Das erste Kapitel der „Flores Seraphici" ist den Marienvi­

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Abb. 5 Matthias Kusel, Innsbrucker Mariahilt'-Gnadenbild. undatiert

sionen von Kapuzinern, also Mitgliedern dieses damals noeh vergleichsweise jungen Reformordens der Franziskaner gewidmet.1 7 Aufgrund der durch von Arenberg herangezogenen schriftlichen Quellen handelt es sich dabei ausnahmslos um Italiener. Umso wichtiger muss es dem Autoren gewesen sein, mit der von Kapuzinern seit kurzem betreuten Passauer Marien wallfahrt innerhalb der Ordensgeschichte einen nordalpinen Akzent zu setzen.

Dieses Vorgehen bot sich schon deswegen an, weil spätestens um 1640 das Passauer Gnadenbild, und zwar als in Passau lokalisiertes Bild, in den deutsch­sprachigen Landen, Flandern und Frankreich auf dem Weg zur überregionalen Berühmtheit war. Besonders Antwerpener Grafikverleger wie Cornelis Galle (wohl Galle d. J., 1615­1678) stiegen in das Geschäft mit Reproduktionen ein. Galles wichtigste Modifikation der Erscheinung des Gnadenbildes war die Hinzufügung von Strahlennimben bei Maria und dem Kind.1* Auch wurde die Madonna bei ihm etwas „rubenshafter". Die zahlenmäßig nochmalige Stei­gerung der grafischen Reproduktion des Gnadenbildes dürfte wiederum nicht nur dem internationalen Zustrom der Wallfahrer nach Mariahilf entsprochen, sondern auch der weiteren Werbung für diesen Ort gedient haben.

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Wahrscheinlich war es der Augsburger Kupfers techer Matthias Kusel (1621-1682), w e l c h e r e r s t m a l s - i m Unterrandeines undatierten Kupferstichs (Abb. 5) - einen eindeutigen Hinweis darauf anbrachte, dass er nicht das Pas­sauer Exemplar, sondern das in Innsbruck befindliche Marienbild darstelle.19

Mit Nachdruck bezeichnete Kusel das von ihm reproduzierte Gemälde als die „Vera effigies originalis"; noch dazu thematisierte seine Stichlegende die Herkunft des Bildes aus Dresden und die Tatsache, dass das Bild in Innsbruck von „zahlreichem Volk verehrt" werde.2" Mindestens ebenso bedeutsam ist, dass Küsels Darstellung des Gemäldes in einem wichtigen Punkt von den bisherigen Konventionen abwich, dass nämlich bei ihm der fast durchsichtige Schleier der Madonna auch über den Kopf des Kindes fällt ­ ein Detail, das tatsächlich nur das Innsbrucker Werk Cranachs, nicht aber die Kopie in Passau und deren grafische Wiederholungen auszeichnet. Es ist davon auszugehen, dass Küsels Stich nach Beginn der öffentlichen Präsentation des Innsbrucker Bildes, also nach 1650, datiert.

Angesichts eines solchen Kupferstichs ist zu erwägen, ob nicht Drucke, in denen die Madonna mit ihrem Kind „freigestellt" und vor der Passauer Wall­fahrtsanlage sitzend ­ sowie gelegentlich auch von Engeln gekrönt ­ gezeigt wird, Reaktionen auf die wachsende Konkurrenz des nun öffentlich zugäng­lich gewordenen Innsbrucker Bildes waren.21 Wegen der ökonomischen und politischen Bedrängnisse des Fürstbistums Passau, das sich aus Furcht vor bayerischen Expansionsgelüsten mehr und mehr an Österreich anlehnte, war seit Mitte des Jahrhunderts allerdings absehbar,dass das Innsbrucker Mariahilf­Bild gegenüber dem Passauer Gnadenbild an Prestige gewinnen würde, zumal man auch letzterem inzwischen eine vergleichbare Wirkmächtigkeit attestierte.

Politische Ikonologie

Insofern dürfte das von Bartholomäus Kilian d. J. (1630­1696) 1674 nach einem Entwurf von Egid Schor (1627­1701) fü r zwei Absolventen der Universität Innsbruck gestochene Thesenblatt (Abb. 6), das auf den ersten Blick wie der Versuch einer visuellen Versöhnung beider Bilder wirken mag, Ausdruck dieser neuen Innsbrucker Dominanz sein ." Gezeigt sind inmitten von Wolken links Kaiser Leopold I. (vor der Stadtkulisse von Passau, ein­schließlich der Anlage von Mariahilf) und rechts die kurz zuvor von Leopold I. geehelichte Claudia Felizitas von Österreich­Tirol (vor der Kulisse von Innsbruck). Beide knien unter der himmlischen Erscheinung des von Engeln getragenen Madonnenbildes, von welchem rechts und links je ein Lichtstrahl auf einen Rundschild oder Spiegel fällt, den ein Engel trägt. Der von diesen Spiegel­Schilden reflektierte göttliche Licht­ und Gnadenstrahl fällt auf das

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Abb. 6 Bar tho lomäus Kilian d. J. nach Egid Schor . Thcsenbla t t der Universität Innsbruck . 1674 (s. auch S. 14)

Gesicht von Leopold bzw. Claudia Felizitas. Von beiden Rundschilden wird das Gnadenbild seitenrichtig (!) reflektiert. Der Rahmen des linken Schildes trägt die Aufschrift „Austria Inferior", der Rahmen des rechten „Austria Su­perior". Leopold hält im Licht der Madonna seinen Reichsapfel in die Höhe, Claudia Felizitas eine Muschelschale, der im Strahl eine Perle als Sinnbild der Fruchtbarkeit entgegenschwebt. Eine leporelloartige Wappenschärpe mit den Kronen und Namen der Habsburgerherrscher seit Rudolf [. windet sich vom Madonnenbild bis vor den Leib von Claudia Felizitas, wo eine körperlose Hand mit Federkiel sich bereit macht, den von dieser erwarteten Thronfolger als Nummer XVI der Sukzession aufzulisten. In der Mitte, zwischen Leopold und seiner Gemahlin, .sieht man die eigens im Auftrag der Tiroler Stände für das Innsbrucker Gnadenbild neu gebaute und 1660 geweihte Votivkirche Mariahilf, in welcher schließlich aber doch nur eine Kopie des Bildes in ein üppiges, von Egid Schors Bruder Johann Paul geschaffenes Rahmengemälde in der Art von Rubens ' Vallicella­Hochaltarbild gesetzt wurde, weil das längst öffentlich zugängliche Gnadenbild selbst in St. Jakob bleiben sollte. Die Komposition des Stichs von Bartholomäus Kilian nimmt dennoch unverkennbar auf dieses Rahmengemälde Bezug.2 '

Es ist unbestreitbar,dass Leopold l . ,der ursprünglich füre ine klerikale Kar­riere,nämlich als Bischof von Passau, bestimmt war,dem PassauerGnadenbild eine besondere Verehrung entgegenbrachte. Dafür spricht auch die noch heute in der Wallfahrtskirche von Mariahilf befindliche Ampel, ein Geschenk des Kaisers anlässlich seiner in Passau stattgefundenen dritten Hochzeit 1676.

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Insofern ist das in der Unterschrift von Bartholomäus Kilians Stich zu lesende Motto „Stringit felices una Corona duos" (Eine Krone verbindet die beiden Glücklichen/Fruchtbaren) womöglich nicht nur auf die nun zur Fortsetzung der Dynastie vereinten Eheleute, sondern auch auf die beiden scheinbar gleichrangig als „Spiegel" des einen Urbildes dargestellten Gnadenbilder in Passau und Innsbruck zu beziehen. Und doch irritiert sowohl, dass der Stich Kaiser Leopold I. als Haupt von Oberösterreich (Austria Superior) wie selbstverständlich vor dem keineswegs österreichischen, sondern autonomen Passau zeigt, es also visuell „eingemeindet", als auch die Tatsache, dass bei genauem Hinsehen in keinem der beiden Rundspiegel die Passauer Fassung, sondern (wegen des Marienschleiers über dem Kopf des Jesuskindes) jeweils das Innsbrucker Cranach­Bild reproduziert ist. Das von Engeln direkt aus dem Himmel herab getragene vermeintliche „Urbild", die „Mutter"24 aller Reproduktionen des Mariahilf­Bildes, so die subtile Botschaft, befand sich nach Ausweis dieser Grafik spätestens jetzt in Innsbruck.

Grundsätzl ich war dieses Insistieren auf dem ­ übrigens von Cranach signierten ­ „Original" im Kontext der religiösen Kunst ein gefährliches Spiel, denn spätestens seit dem Tridentinum war klar, dass die Ehre nicht der einzelnen Darstellung (und schon gar nicht dem Ruhm eines Malers), sondern dem dargestellten Prototyp gebühre.25 Angesichts der ökonomischen oder .statustechnischen Vorteile, die man mit dem Besitz des „wahren", zur Mitte des 17. Jahrhunderts kaum mehr als hundert Jahre alten Mariahilf­Bil­des verband, wurden solche Bedenken in Innsbruck offenbar hintan gestellt: Es ist bezeichnend, dass im oben besprochenen Kupfer von Küsel, der wohl frühesten expliziten grafischen Reproduktion des Innsbrucker Bildes, auch die vermeintliche Herkunft aus Dresden erstmals ausbuchstabiert wurde. Die hier schon konstatierte, später immer weiter ausgeschmückte Herkunft des Bildes aus einer (protestantischen) Kunstgalerie, in der es verstaubt und vernachläs­sigt gehangen habe26, also seine angebliche Rettung durch Leopold V. und „Konversion" in den Kult­Kontext27, erleichterte die theologisch eigentlich grenzwertige Strategie.

Die Maria Passaviensis hatte aufgrund der unruhigen Zeitläufte allerdings noch einen Trumpf: Als 1683 Wien durch die Türken belagert wurde, entzog sich Leopold I. der Aufgabe, die Verteidigung seiner Hauptstadt zu leiten, und setzte sich in das vermeintlich sichere Passau ab. Vor dem Gnadenbild von Mariahilf betete das Kaiserpaar täglich um Rettung aus der Türkenge­fahr. Als einige Wochen nach der Abreise Leopolds aus seiner Hauptstadt die christliche Allianz die Entsatzschlacht um Wien am Kahlenberg unter dem Kampfmotto „Maria hilf!" gewann, wurde dieser Erfolg nicht zuletzt dem Passauer Mariahilf­Bild zugeschrieben. Bei der Schlacht erbeutete Waffen der besiegten Türken stellte man auch in der Wallfahrtskirche auf dem Schu­lerberg zur Schau.28

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26 Form

Filiation und Stagnation

Es ist allerdings auffäl l ig , dass diese speziell dem Passauer Gnadenbild zugeschriebenen Verdienste kaum visuellen Niederschlag in der Grafik bzw. Bildpublizistik der Zeit fanden ­ weder außerhalb noch in der Stadt selbst.2'' Womöglich war dies so, weil die inständigen Gebete Leopolds [. vor dem Gnadenbild von Mariahilf mit einer Phase äußerster politischer Schwäche (um nicht zu sagen: Feigheit) des deutschen Kaisers assoziiert wurden. So groß die Marienverehrung Leopolds, seiner Entourage und Nachfolger bleiben sollte, so wenig scheint dieser Aspekt habsburgischer Religiosität sich nach 1683 noch ausschließlich oder schwerpunktmäßig auf die Passauer Madonna bezogen zu haben. Während um das Innsbrucker Bild noch bis weit ins 18. Jahrhundert eine bedeutende Fest­, Predigt­ und Publikationskultur florierte30 ,entstanden zwar weiter „einfache" Reproduktionen der Passauer Madonna in der Tradition der von den immer gleichen Bittversen unterschriebenen Klein­ und Kleinstfor­mate der Kilians, außerdem Gebetszettel mit einer (teils in Umrisszeichnung) eingefügten Wiedergabe des Bildes und der Kirche", doch in der künstlerischen Interpretation des Passauer Gnadenbildes findet man seit den letzten Jahren des 17. Jahrhunderts kaum noch bedeutende neue Akzente.

Paradoxerweise war diese (anfangs noch auf qualitativ erträglichem Niveau vor sich gehende) Stagnation der bildlichen Verarbeitung und Verbreitung des Passauer Bildes Ausdruck und Ergebnis des zuvor so großen Erfolges der Ma­donna von Mariahilf. Nicht erst das gestiegene Prestige des Cranach­Gemäldes in Innsbruck, sondern das internationale Florieren der nach Passauer Modell gegründeten Mariahilf­Bruderschaften und die bereits zur Mitte des 17. Jahr­hunderts betriebene Anfertigung von Kopien nach dem Passauer Bild, die in Kirchen im gesamten süddeutschen, böhmischen und alpenländischen Raum ihren Platz fanden und denen teils ihrerseits der Status eines wundertätigen Gna­denbildes zufiel, sorgten für eine immer weitere Replizierung der Komposition. Genannt sei nur die zuerst 1656 für ein solches Bild errichtete Mariahilferkirche in Wien, nach der noch heute ein ganzes Stadtviertel benannt ist, oder die 1653 von Johann Carl Loth für die Peterskirche in München angefertigte und dort in einem prächtigen Rahmen präsentierte Kopie.12 Letztgenanntes Bild wurde, mitsamt dem Rahmen, auch im Kupferstich verbreitet, wobei die Unterschrift konsequenterweise „Wahre abbildung der wunderthätigen Maria Hilf beij St. Peter in München" lautete, also jeder Hinweis auf Passau unterblieb.11 Kaum zufällig hat man auch des himmlischen Beistands bei den militärischen Erfol­gen des bayerischen Herrschers Max Emanuel gegen die Türken in den 1680er Jahren mit einer grafischen Darstellung dieses Neu­Münchner Gnadenbildes gedacht." Durch solche Integrationen des Mariahilf­Bildes in spezifische lokale Zusammenhänge dürfte eine Wallfahrt nach Passau vielfach nicht mehr als sonderlich zwingend erschienen sein.

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Ikonen 27

Bild und Kult?

Georg Henkel hat darauf hingewiesen, dass der frühneuzeitliche Umgang mit Gnadenbildern wie demjenigen von Mariahilf ein Oszillieren des zeit­genössischen Bildverständnisses erweist, das kaum mit Hans Beltings These einer linearen Entwicklung vom Kult­ zum Kunstbi ld zu erfassen sei.35

Ohnehin: Was ist ein Kultbild? Die italienische Kunst ­ „Kunst" im Sinne einer spezifischen fachlichen Kompetenz und selbstreflexiven Praxis in der Verfertigung von Bildwerken ­ war spätestens seit dem 13. Jahrhundert mit Ikonen, meist Mitbringseln oder Beutestücken aus Byzanz, konfrontiert , und vor allem die Maler mussten sich, ob sie es mochten oder nicht, mit diesen für sie ungewohnten halbfigurigen Christus­ und Madonnenbildern auf Goldgrund auseinandersetzen, die vermeintlich aus dem Frühchristentum stammten oder zumindest angeblich unverändert substituierte Formen aufwiesen." ' Bei aller Vertrautheit mit den christlichen Sujets der Ikonen resultierte deren „Fremd­heit", abgesehen von der dem Westen damals weit überlegenen Maltechnik, paradoxerweise aus der ungewohnt großen Nähe, in der diese meist klein­formatigen Tafelbilder die biblischen Figuren zeigten. Nimmt man dazu die Tatsache, dass nach Maßgabe der Quellen solche Werke in der Liturgie der früh­ und hochmittelalterlichen Westkirche kaum eine Rolle spielten ­ und „Kult" (cultus) meinte im Mittelalter genau dies: Liturgie" ­ , wird es schwer, Ikonen überhaupt als „mittelalterliche Kultbilder" zu bezeichnen. Überspitzt gesagt: Das Kultbild in seinen heute landläufigen Definitionen, etwa als „un­mittelbares didaktisches und devotionales Gegenüber des Einzelnen", nicht der ganzen sakramentalen Gemeinschaft '*, ist ein Produkt des späteren Mittelalters und des Übergangs zur Frühen Neuzeit. '9 Es geht also um eine Epoche, die einerseits „Gnadenbilder", d.h. von Gott vermeintlich mit besonderer Gnade versehene Bilder4", suchte, teils in Ikonen oder Ikonenimitationen fand, die­se in Kirchen oder Kapellen ausstellte und deren Formen zur individuellen „Heilsvermittlung" replizierte, eine Epoche, für die andererseits aber auch „Kunst" bei der Herstellung vieler solcher Werke fast automatisch ein Faktor wurde, und sei es dadurch, dass sich renommierte Maler bei der Kopie oder Nachahmung von Ikonen von ihrem eigenen Stil weitgehend verabschieden mussten und sich dessen auch bewusst waren.41 Es wundert nicht, dass solches Kopieren oder Imitieren von Ikonen schon im Quattrocento durch Reflexionen über „Autorschaft" begleitet war; bekannt ist etwa der Fall einer Kopie von Melozzo da Forli nach der römischen Madonna del Popolo (ca. 1470), zu der ein Zeitgenosse dichtete, dieses Bild sei das authentische Porträt der Madonna, bestellt von Alessandro Sforza, gemalt von Melozzo. und der heilige Lukas selbst würde es zu seinem eigenen Werk erklären.42 Die Ironie des Gedichts ist unverkennbar: Der Evangelist und Patron aller Maler würde nicht davor zurückschrecken, eine im 15. Jahrhundert geschaffene, aber technisch her­

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28 Form

vorragende Kopie als sein „Original" auszugeben: Lukas als Plagiator! Doch selbst wenn der Wunsch nach Verfügbarkeit einer „authentischen" visuellen Wiedergabe der physischen Natur Christi oder Marias in scheinbar „ursprüng­lichen" Bildern bestand, machte man sich über die Verfügbarkeit solcher Werke keine Illusionen. Offenbar war eine völlige Unveränderlichkeit (oder unveränderte Substitution) aller religiösen Bilder selbst im 15. Jahrhundert nie herrschendes Bedürfnis. Die je eigene künstlerische Leistung im Umgang mit den alten „Prototypen" war Teil der zeitgenössischen Verfertigung reli­giöser Bilder und des Nachdenkens über solche; sie wurde nicht automatisch als „störend" empfunden. Im Gegenteil, die Vermittlungsleistung der Maler zwischen Ikonenschemata und aktuellen Darstellungstechniken muss min­destens von Teilen des Publikums als der eigentliche Reiz bestimmter Werke gegenwärtiger Malerei empfunden worden sein: Jan van Eycks ­ nicht im Original erhaltener ­ Christuskopf folgte einem Ikonenmodell , war aber im naturalistischen Modus der gleichzeitigen Porträtkunst gemalt45; Giovanni Bellini, darin Lucas Cranach vorausgehend, übernahm für seine Madonnen­bilder die Pose von Madonna und Kind aus byzantinischen Ikonen, stellte sie aber in seinem eigenen Stil dar.44 Kaum überraschend ist in diesem Kontext, dass es noch im 16. und 17. Jahrhundert kontinuierlich Fälle eines „Aufstiegs" signierter Gemälde jüngster Produktion mit religiösen Sujets zu (als solche auch druckgrafisch reproduzierten) „Gnadenbildern" gab, darunter Werke von Tizian, Willem Key und Anton van Dyck.45

Der früheste belegbare Fall einer Druckgrafik, die sich durch Unterschrift als präzise Reproduktion „ad instar et similitudinem" eines in einem anderen Medium ausgeführten Bildes ausweist, ist Israhel van Meckenems Wieder­gabe der byzantinischen „Imago Pietatis" von Santa Croce in Gerusalemme (1490er Jahre). Angesichts der erst zu dieser Zeit wachsenden Bekanntheit dieser römischen Kirche und des in ihr bewahrten Mosaikbildes fragt Peter Schmidt4 ' ' zu Recht, ob das zuvor ungekannte Insistieren der Stichlegende auf der Faktizität und Verlässlichkeit in der Abbildungeines anderen Werkes nicht weniger Ausweis der Bekanntheit der Ikone als vielmehr Teil einer Kampagne war, durch welche die Wertschätzung für sie und damit die Bekanntheit ihres Aufbewahrungsortes und das Bedürfnis nach einem Besuch dort erst generiert werden sollten. Wenn dem so war, wurde hier ein Verfahren der Aufmerksam­keitsweckung erprobt, das im 17. Jahrhundert bereits konventionalisiert war, als nämlich „reproduktive" Kupferstiche eingeführte Medien der visuellen Kommunikation waren und die, wenn man so will, als grafische Normalform einer „korrekten" Abbildung von Gnadenbildern (in unserem Fall: Lucas Kili­ans Drucke) auch ohne Beischrift, nur aus den verwendeten visuellen Mitteln heraus, auf ein dem Stich zugrunde liegendes „Original" schließen l i e ß ­ o h n e dabei allerdings den Betrachter der Gefahr auszusetzen, den Stich mit diesem zu verwechseln. Inschriftliche Bekundungen der unbedingten Richtigkeit der

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Ikonen 29

Abbildung wie einst bei van Meckenem traten anscheinend vor allem dort auf, wo, wie bei den beiden Mariahilf-Gnadenbildern in Passau und Innsbruck, ein Rangstreit ausgefochten werden musste. Es ist gleichwohl eine offene Frage, ob die Praktiken der grafischen Reproduktion von „heiligen Bildern" seit dem späten 15. Jahrhundert den heutigen „Original"­Begriff mitgeprägt oder modifiziert haben47, oder ob es die immer umfangreichere Reproduktion von (gemalter, skulpierter und gesammelter) „Kunst" war, die solchermaßen auf die grafische Verbreitung und Wertschätzung religiöser Bilder „abfärbte".48

Man kennt historische Belege für die Nutzung grafischer Darstellungen der Madonna von Mariahilf als leicht transportabler thematischer Anhalt für die pri­vate Gebetspraxis4 ' ' ­eine Nutzung, die keineswegs nur das so genannte einfache Volk betraf. Gelegentlich ist sogar die Verwendung von Mariahilf­Kupfern im Sinne von Amuletten bezeugt.5" Aber wie weit gingen solche Praktiken? Thomas Ketelsen schreibt mit Bezug auf den oben genannten Kupferstich Israhel van Meckenems, das grafische Bild der Imago Pietatis von Santa Croce „vermochte für den Gläubigen [...] vollständig an die Stelle des repräsentierten Originals zu treten. Denn nicht die Legitimation des Repräsentationsverhältnisses stand im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern jene durch die memorierende Andacht des Betrachters aktivierte Wirkkraft des Bildes, die vom Original auf seine Re­präsentation im Stich überzugehen vermochte."'1 Wahrscheinlich ist es aber an der Zeit, sich von der Annahme zu verabschieden, dass alle oder auch nur die Mehrzahl der druckgrafischen Reproduktionen von Gnadenbildern auf solche individuell zu vollziehenden „mystischen" Bildsubstitutionen angelegt waren. Insbesondere bei den ästhetisch aufwändigeren Kupferstichen des 17. Jahr­hunderts scheint der Verweis auf den Aufbewahrungsort des verehrten Bildes, also letztlich die Betonung der Nicht­Identität oder Differenz von grafischer Darstellung und „Original", Kern der Aussage gewesen zu sein: Kunst und Kunstfertigkeit wurden ausdrücklich mit dem Ziel eingesetzt, die Anmutung allzu großer Präsenz zu vermeiden. Der reproduzierende Stich sollte ästhetisch attraktiver Anreiz, aber kein das Gnadenbild vollgültig repräsentierender Ersatz für eine Pilgerreise nach Rom, Passau oder Innsbruck sein." Womöglich lag für die Auftraggeber gerade im erfolgreichen Ausgleich zwischen vermeintlich „exakter Abbildung" des Originals (Anhalts­ oder Informationswert) und der expliziten Abwesenheit dieses Originals die künstlerische Leistung der gra­fischen Reproduktion. In diesem unausgesetzten, mit jeweils zeitgenössischen ästhetischen Mitteln betriebenen Verweisen auf ein „anderes Bild" standen solche Drucke gleichwohl in direktem Bezug auf eine spezifisch christliche Bildtradition, insofern als der Mensch gewordene Gottessohn, „Prototyp der Ikone"53, schon der Bibel als das vom Vater zu den Menschen kommende Bild des Vaters galt. Christus selbst war demgemäß Verweisbild.

Zusammenfassend sei nochmals unterstrichen, dass zeitgenössische oder verhältnismäßig rezente „Kunst" zur Zeit der ersten grafischen Reprodukti­

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30 F o r m

o n e n d e r P a s s a u e r C r a n a c h - K o p i e a ls G n a d e n b i l d b e r e i t s seit J a h r h u n d e r t e n

e in b e d e u t e n d e r F a k t o r bei d e r W a h r n e h m u n g , V e r f e r t i g u n g , V e r v i e l f ä l t i g u n g

u n d V e r e h r u n g d e s s e n w a r , w a s v o n T e i l e n d e r F o r s e h u n g g e l e g e n t l i e h n o c h

i m m e r p a u s c h a l a l s „ K u l t b i l d " b e z e i c h n e t w i r d . E s ist b e z e i c h n e n d , d a s s

e r s t i m a l l e r s p ä t e s t e n 17. u n d d a n n i m 18. J a h r h u n d e r t d i e „ B e f r e i u n g " d e s

v e r e h r t e n I n n s b r u c k e r G n a d e n b i l d e s a u s d e r p r o t e s t a n t i s c h e n D r e s d e n e r G a ­

ler ie in e x t e n s o k o n f e s s i o n e l l g e f e i e r t w u r d e . A u ß e r d e m g a b e s ­ w a s e b e n s o

b e z e i c h n e n d ist ­ e r s t zu d i e s e r Z e i t V e r s u c h e , w i d e r a l le s t i l i s t i s che E v i d e n z

d a s A l f e r d e s I n n s b r u c k e r B i l d e s zu s t e i g e r n , e s b e i s p i e l s w e i s e z u m M i t b r i n g ­

sel K a r l s d e s G r o ß e n a u s I t a l i en zu e r k l ä r e n . 5 4 Ers t j e t z t , a l s d i e p r o d u k t i v e

S p a n n u n g z w i s c h e n z e i t g e n ö s s i s c h e r Ä s t h e t i k u n d B i l d t h e o l o g i e n a c h l i e ß , j a :

mit a l l e r M a c h t s is t ie r t w e r d e n s o l l t e , w a r d i e g r o ß e Z e i t d e r R e p r o d u k t i o n

d e s G n a d e n b i l d e s v o n M a r i a h i l f e n d g ü l t i g v o r b e i .

Anmerkungen

* Für wertvolle Hilfe bei der Materialrecherche in den Kunstsammlungen von Waldburg­Wolfegg danke ich Ronja Mail, für wichtige Hinweise Wolfgang Augustyn, Alois Brunner, Walter Hartinger. Ulrich Heilten und Gosbert SchüBler.

1 Vgl. Joseph Siegler. Mariahilf bei Passau. Eine geschichtliche Beschreibung dieses berühm­ten Wallfahrtsortes, Passau 1862; Hans Aurenhammer, Marienbilder Wiens und Nieder­österreichs in der Barockzeit, Wien 1956. S. 119­125; Gisela Luther. Sinnlichkeit und Heils­erwartung: Lucas Cranachs Mariahilfbild und dessen Rezeption im kleinen Andachtsbild und Bildvotiv, Diss. Marburg 1980; Walter Hartinger. Mariahilf ob Passau. Volkskundliche Untersuchung der Passauer Wallfahrt und der Mariahilf­Verehrung im deutschsprachigen Raum, Passau, 1985; Walter Hartinger. Mariahilf ob Passau. Entstehung einer volkstümli­chen Wallfahrt und Andachtsform, in: Lenz Kriss­Rettenbeck. Gerda Möhler (Hg.). Wallfahrt kennt keine Grenzen. Themen zu einer Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums und des Adalbert Stifter Vereins. München und Zürich 1984, S. 284­299; Jürgen Lenssen (Hg.). Maria­Hilf: ein Cranach­Bild und seine Wirkung: Ausst.Kat. des Kunstreferats der Diözese Würzburg im Marmelsteiner Kabinett. Würzburg. 1994; Georg Henkel. Vom Kunstbild zum Kultbild: Mariahilf zu Innsbruck, in: David Ganz/ Georg Henkel (Hg ). Rahmen­Diskurse: Kultbilder im konfessionellen /.eilalter (d.i. Kultbild: Visualität und Religion in der Vor­moderne. Bd. 2). Berlin 2004, S. 143­171; Georg Henkel, Rhetorik und Inszenierung des Heiligen. Eine kulturgeschichtliche Untersuchung zu barocken Gnadenbildern in Predigt und Festkultur des 18. Jahrhunderts, Weimar 2004. bes. S. 223­252; Larry Silver, Füll of Grace: .Mariolatry' in Post­Reformation Germany, in: Michael Wayne Cole/ Rebecca Zorach (Hg.). The Idol in the Age of Art: Objects. Devotions, and the Modem World. Ash­gate 2009, S. 289­316, bes. S. 294­296.

2 Bezeichnenderweise heißt der Maler in einigen späteren Quellen „Pius", was ­ wie schon Hartinger 1985 (wie Anm. D.S. 13, betonte ­ Ergebnis eines Lesefehlers der Passage „a pio piclore passaviensi" war.

3 Luther 1980 (wie Anm. D.S.26L; Hartinger 1985 (wie Anm. I) ,S. 14­16. 4 Vgl. dazu zusammenfassend Sibylle Weber am Bach,Hans Baidung Grien (1484/85­1545):

Marienbilder in der Reformation. Regensburg 2006, S. 42­44.

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Ikonen 31

5 Hart inger 1985 (wie A n m . D . S . 2 0 - 2 2 ; Henkel . Kunstbi ld (wie A n m . 1), S. 2 2 8 - 2 2 9 .

6 Siegler (wie A n m . 1) ,S . 38 . 7 Z u m Phänomen der .Seitenrichtigkeit in der f lühneuzei t l ichen Reprodukt ion vgl. zuletzt

Stephan Brakens iek . Gemal t e Interpretation ­ G e m ä l d e nach druckgraphischen Erfindun­

gen. Über legungen zu einigen medialen Aspekten der Reprodukt ionsgraph ik , in: Markus A. Castor / Jasper Ketten/ Christ ien Melzer/ Claudia Schnitzer (Hg.) . Druckgraphik: zwischen Reproduktion undInvention (d . i . Passagen . Bd. 31) . Berlin 2010 , S. 3 9 ­ 5 3 .

8 Lucas Kilian, Passauer Gnadenbi ld von Mariahi l f , 1625, 15 x 8,8 c m . Wolfegg , Bd. 152, Stich 155.

9 Johann Sadeler . Passauer Gnadenb i ld von Mariahi l f . 1644. 7 x 4 .4 c m . Wolfegg . Bd. 152. Stich 173.

10 Pierre Marie t te fils e x e . Passauer G n a d e n b i l d von Mariah i l f , 15,9 x 10,1 c m . W o l f e g g . Bd. 152. Stich 154.

11 Lucas Kilian. Passauer Gnadenbi ld von Mariahi lf im B l u m e n r a h m e n . 1625. 9,6 x 6,4 c m . Wolfegg . Bd. 152. Stich 171. Lucas Kilian. Passauer Gnadenbi ld von Mariahi lf im Orna­men t r ahmen , undat ier t . Wolfegg . 14 x 9.7 c m , Bd. 152. Stich 156.

12 Vgl. das Fallbeispiel der Ansichten der Casa Santa in Loreto von Giovanni Battista de 'Cava l i e r i in Eckhard Leuschner . Antonio Tempesta. Ein Bahnbrecher des römischen Ba­rock und seine europäische Wirkung. Petersberg 2(X)5. S. 141­143 .

13 Lucas Kilian. Porträt des Marquard von Schwendi mit Ansicht der Anlage von Mariahi l f , 1628, 20,1 x 12,8 c m , Herzog Anton­Ulr ich Museum Braunschweig . Inv. Nr. LKil ian A B 3.278. Bibelzitat am Fuße des gezeigten Mariahi l ferberges : „Levavi oculos meos ad montem

Unde / veniet auxi l ium mihi. Ps 120". 14 Melchior Kusel . Passauer Gnadenbi ld von Mariahi l f , undatier t , 38.7 x 27,5 c m . Wolfegg ,

Bd. 10. Stich 50. 15 Jean Boulanger . Passauer Gnadenbi ld von Mariahi l f , undat ier t , 39.5 x 27.6 c m . Wolfegg .

Bd. 12, Stich 13. 16 Johann Löff ler . Kupfers t ich in: Karl von Arenberg . Flores seraphici ex amoen i s anna l ium

hortis adm. r.p.f. Zachar iae Bouer i j ord . FF. Minorum S. Francisci Capuc ino rum defini toris

general is collect] sive icones . vitae et gesta virorum LUustrium; (qui ab anno 1525 usque ad annuni 1580 in eodem ord ine . miracul is . ac vitae sanet imonia claruerunt) compend iose

descr ip ta . Köln 1640. Das Widmungsged ich t an Maria in Anschluss an den Stich ist u . a . . .Austr iacorum Tutrici" und „Passav iens ium Protectr ici" gewidmet . Die Einlei tung Karl von Arenbergs enthält dagegen keine direkte Erläuterung seiner Wahl der Darstel lung des Gnadenb i ldes in e inem Kape l l en raum. Wie von Arenberg schon im Titel e rwähn t , waren die „Anna les Ordinis Minorum C a p u c i n o r u m " von Bover ius (Lyon. 1632) Grund lage sei­nes Buches . Zu den Kupfers techer ­Brüdern Löff le t vgl. Zwei Meister ihres Faches: Die Kupferstecher Johann Eckhard Löffler d. A. und Johann Heinrich Löffler d. J., Ausst .Kat Klos te rgar tenmuseum Arnsberg­Oel inghausen 2010.

17 Von Arenberg (wie A n m . 16). S. 1 ­ 6 5 . 18 Comel is Galle. Passaiier Gnadenbild von Mariahilf, undatiert. 30.1 x 21.6 cm. Wolfegg. Bd. 131.

Stich 369. 19 Matthias Küsel. Innsbrucker Mariahilf­Gnadenbild. undatiert. 34.9 x 24,1 c m . Wolfegg. Bd. 12.

Stich 169. Luther (wie A n m . 1). S. 84 . nahm noch an. dass dieser Stich Kusels „wohl in keinem Exemplar mehr erha l ten" sei.

­ 0 Im Unterrand: Vera ef l ig ies Original is B.ae V.is M A R I A E AVX1LIATRIC1S / Dresda Oeni ­ponturfl dela tae . quae miraculis clara . in parix'hia / D. Jacobi ibidem a f requenl i s s imo populo visitur. et h o n o r a t u r

21 A n o n y m . Die Madonna von Mariahilf vor einer (se i tenverkehr ten) Ansicht der Anlage , un­dat ier t . 49 ,7 x 37.3 c m . Wolfegg . Bd. 12. Stich 249.

22 Bar tho lomäus Kilian d. J. nach Egid Schor . Thesenbla t t der Universität Innsbruck , 1674.

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32 Form

55,6 x 42,5 c m , Stift Gö t twe ig , lnv. Nr. T U , 22 . Vgl. Gregor M. Lechner und Michael Grün­wald (Hg.) , „Unter Deinen Schutz...": Das Marienbild in Göttweig. Ausst .Kat . Göt twe ig 2 0 0 5 ­ 2 0 0 6 , S. 162­163 , Kat. Nr. [, 63 b) (mit weiterer Literatur) und Christian Hecht , Die Glorie. Begriff. Thema. Bildelement in der europäischen Sakralkimst vom Mittelalter bis zum Ausgang des Barock. Regensburg 2003 . S. 302. Die von Lechner und Grünwald nicht ab­gedruckten Thesen der beiden Defendenten (Mitte des Sockels) finden sich transkribiert bei Sibylle Appuhn Radtke, Das Thesenblatt im Hochbarock. Weißenhorn 1988, S. 106­108.

23 Appuhn Radtke (wie A n m . 22) , S. 106. 24 Auf­ und Ankunf f t Der Wunder thä t igen Original M A R I A ­ H ü l f f ­ B i l d n u ß In St. Jacobs­Pfar r ­

Kirchen zu Ynßprugg , o. O . und o . J . . S. 12. zitiert nach Henkel (wie A n m . 1), S. 234. 25 Vgl . dazu e t w a Volker Herzner . Honor refertur ad prototypa: noch einmal zu Rubens'

Altarwerken für die Chiesa Nuova in Rom. in: Zei t schr i f t fü r Kuns tgesch i ch t e , 4 2 . 1979. S. 1 1 7 ­ 1 3 2 .

26 „ D a , da stehet , hanget , oder liget an je tzo mit Staub gantz bedecket , ohne der mindist ver­dienten Hochachtung in e inem unach tsamen Winckel unsere Marianische Gnaden­Bi ldnuß . und wird l igen. biß endl ichen jener g l ü c k s e l i g s t e Zei ten­Punct anrucken wird, in welchem der vorsichtigiste G O T T diese Liebvolle Bildnuß seiner geliebtisten Mutter aus denen Hän­den deren so undanckbaren Sachsen entr issen, und an j ene s Ort Ubersetzet wird darstel­len wollen , w o ihme die von denen Sachsen zugefüg te Undanckbarke i t vergolten werden solle.": Jubel in Jubel­Jahr , Das ist: K u n z e Beschre ibung Des in Jubi laei ­Jahr 1750 Den zweyten August i ange fangenen und den neunten selben Monats geendigten Jubel ­Fes ts , Als von der ersten Überse tzung 1650 Des wunder thä t igen Mariä­HUIff Bilds in der Löbl . St. Jacobs­Pfar r ­Ki rchen der Kayserl . Königl . Tyrol ischen Residentz­Sladt Insprugg das erste Saecu lum oder hunder t ­ jähr ige Zei t ­Lauf feyerl ich begangen worden , Augsburg o. J. , zitiert nach Henkel , Kunstbi ld (wie A n m . D . S . 224 , A n m . 952 .

27 Henke l . Kunstbi ld (wie A n m . I), S. 251. 28 Vgl . Siegler (wie A n m . I) , S. 53 . 29 A u s n a h m e ist ein Thesenbla t t e ines anonymen Künst lers , das Leopold [. als Türkens ieger

zu Pferde darstel l t , neben dem u. a. links oben im Himmel die (sei tenverkehrt gezeigte) Passauer Madonna in e inem von Tauben gezogenen Wagen zu sehen ist ­ vgl. Gregor Martin

Lechner . Das barocke Thesenblatt: Entstehung ­ Verbreitung ­ Wirkung. Der Göttweiger Bestand. Göt twe ig 1985, Nr. 39.

30 Vgl. zum Innsbrucker Kontext des späten 17. und des 18. Jahrhunder t s ausführ l ich Henkel (wie A n m . 1), S. 2 2 3 ­ 2 5 2 .

31 Abbi ldung: Hart inger 1985 (wie A n m . I ) , T a f e l XVIII . 32 Vgl. dazu David Freedberg , The Power of Images. Studies in the History and Theory of

Response, Chicago und London 1991, S. I I6f . ­ das Münchner Mariah i l f ­Büd in St. Peter zeigt den Kopf des Jesusk indes unbedeckt von dem Schle ier Mariens . folgt also eindeut ig d e m Passauer Model l .

33 E b d . . S . 117. Abb. 51. 34 Ebd. , S. 117, Abb . 50 .

35 Henkel , Kunstbi ld (wie A n m . 1), S. 251 u n d p a s s i m . 36 Z u m Konzept der Substi tut ion vgl. Alexander Nagel/ Chr is topher S. Wood. Anachronic Re­

naissance, New York 2010 . bes. S. 2 9 ­ 3 4 . 37 Peter S c h m i d t . Tagmgsbericht ..Sinn und Un­Sinn des Kühhudes", in: Kunstchronik 2008 ,

S. 4 5 7 ­ 4 6 1 . 38 Ebd.

39 Nagel / Wood (wie A n m . 36), S.l 18. ­ „To adapt the terms bin adjusl the Schema developcd by Hans Bölling: Bild (the cull image) did not cede to Kunst (art); rather. Bild was a retro­

spect ive myth invented by Kunst."

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Ikonen 33

40 Vgl . dazu Peter Schmidt , Heilsvermit t lung und Reprodukt ion: die Mediengesch ieh te der

„Gnadenb i ldkop ie" im ausgehenden Mittelalter, in: Wolfgang Augustyn/ Ulrich Söding (Hg.) , Original - Kopie - Zitat: Kunstwerke des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Passau 2010, S. 3 7 3 ­ 4 0 3 (mit weiterer Literatur zur Begr i f fsgeschichte von „Gnadenb i ld" ) .

41 Die These einer bewuss ten Ause inanderse tzung Giot tos mit archaischen Formen zum Z w e c k der A u s f o r m u n g seines eigenen „ m o d e r n e n " Stils vertritt Klaus Krüger , Medium and Imaginat ion: Aesthet ic Aspects of Trecento Panel Paint ing. in: Italian Panel Painting ofthe DuecentO and Trecento (d . i . Studies in the History of Art 37) , Washington 2002, S. 5 6 ­ 8 1 ,

h i e r S . 6 3 f . 42 „Ad Marian) de Populo / Hanc divus Lucas vivo de virginis ore / pinxerat : haec propria est

Virginis eff ig ies . / Sfort ia Alexander iussit, Melot ius ipsam / eff inxi t , Lucas diceret esse suam." Zitiert nach Nagel/ Wood (wie A n m . 36), S. 395. Ebendort ein ähnl iches Gedicht zur Kopie eines Madonnenb i ldes durch Antoniazzo R o m a n o .

4 3 Ebd. , S. 112. 4 4 Ebd. , S. 112­114. 4 5 Vgl. Freedberg (wie A n m . 32) . S. 121­123 . Zu Tizians als Gnadenb i ld verehr tem „Kreuztra­

genden Chr is tus" vgl. Hans Ost . Tizian-Studien, Köln/Wien 1992, S. 67. 4 6 Schmidt (wie A n m . 40) , S. 3 8 7 ­ 3 9 2 . 47 Eine kurze kunstgeschicht l iche Begr i f f sgeschichte von „Orig ina l" in Abgrenzung zu Nach­

barbegr i f fen boten zuletzt Wolfgang Augustyn und Ulrich Söding . Original ­ Kopie ­ Zitat: Versuch einer begrifflichen A n n ä h e r u n g , in: Augustyn/ Söding (wie A n m . 40) , S. 1 ­ 1 4 .

48 Abgesehen von dem schon oben angemerk ten Fehlen einer fundier ten Mater ia l sammlung steht u. a. auch eine Untersuchung des Wortfe ldes von „Or ig ina l" (original , original is . origi­nale etc.) in Z u s a m m e n h a n g mit Bildern bzw. Kuns twerken der Frühen Neuzei t aus , wobei die momen tan oft im Mittelpunkt s tehende Auswer tung von „Kunst l i tera tur" oder Künstler­schr i f ten hierzu bestenfal ls Teilergebnisse l iefern kann ­ vie lmehr wären auch Stichlegen­

d e n , Inven ta re .Gu iden und Bildbeschre ibungen von „La ien" , Reisenden etc. heranzuz iehen . Besonders prominent ist das Wort „or iginal" auf Titeln d r u c k g r a f i s c h e r C o r p u s w e r k e des 18. Jahrhunder t s , e twa in S a m m l u n g e n von Zeichnungsreprodukt ionen „Alter Meis ter" . Den­noch lassen sich auch sehr viel f rühere Beispiele f inden, e twa die „Arti di Bologna" nach

Vorlagen von Annibale Carracc i , betitelt als „Diverse figure al numero di ottanta , disegnate ili pcnna nel l 'hore di recreat ione da Anniba le Carracci intagliate in r ame , e cavate dagli originali da Simone Guil ino , 1646". oder ein Stich von Cornel i s Bloemaer t nach e inem Al­targemälde (!) seines Vaters A b r a h a m fü r die Jesui tenki rche von s ' H e r t o g e n b o s c h , der wohl in den 1620er Jahren ents tanden ist. In der Legende heißt es: „Ha 'c original is pictura q u a m tccit Ahrahamus Bloemaert extat Sylva;ducis in t emp lo Patrum Societat is Jesu" .

49 Luther (wie A n m . 1) ,S . 58 . 50 Hart inger (wie A n m . I) . pass im. 51 T h o m a s Ketelsen, Der Widerstrei t der Linien. Z u m Status von Zeichnung und Stich(el) bei

Vasari und van Mander . in: Castor / Ketter/ Melzer / Schni tzer (wie A n m . 7), S. 2 0 5 ­ 2 2 2 . hier S. 211 (mit Hinweis auf Hans Belting).

52 Denkbar ist al lerdings die Funktion von am Gnadenb i ld angerühr ten Drucken als „Berüh­rungsre l iquien" (vgl. die in Maria allerorten: die Muttergottes mit dem geneigten Haupt I699-I99V. Das Gnadenbild der Ursulinen zu Landshut. Kat. Landshut 1999, präsentier ten

Beispiele) . 53 Prototyp der Ikone „ist der Mensch gewordene Got tessohn als das v o m Vater zu den Men­

schen k o m m e n d e Bild des Vaters (Kol 1.15; Joh 1,14)": Reinhard Hoeps . Ursprünge des Hildes im Chr is ten tum. Diskurse /w i schen Spätant ike und Frühromant ik , in: Stefan Majet­

schak . Bild­Zeichen: Perspekt iven einer Wissenschaf t v o m Bild. Berlin 2005 . S. 1 2 3 ­ 1 3 6 , h i e r S . 124.

54 Henkel (wie A n m . D . S . 230.