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1. Einleitung zum Forschungsstand 1 Als Hugo Koch und Josef Stiglmayr Ende des 19. Jahrhunderts unabhängig voneinander den Nachweis über die direkte literarische Abhängigkeit des Corpus' Dionysiacum 2 vom Neuplatoniker Proklos liefern konnten, markierten sie damit eine für die moderne Rezeptionsgeschichte der vier Traktate und zehn Briefe konstitutiv gewordene Zäsur. 3 Ausgehend von den termini post und ante quem der Abfassung, die Stiglmayr wenig später mit dem Erlassjahr des Henotikons 482 und der frühesten Benutzung der Schriften im angehenden 6. Jahrhundert identifizierte, dominierten seither vor allem zwei Fragestellungen das Interesse der Forschungsdiskussion. 4 Erstens wurde nun konsequenterweise in einer historisch-kritisch geleiteten Untersuchung nach dem realen Urherber der Schriften, respektive seines unmittel- baren religiokulturellen Umfelds gefahndet. Zweites erneuerte und intensivierte sich daran anschließend die Frage nach der geistigen Heimat, bzw. der ideengeschicht- lichen Verortung des Autors. 5 Was den Untersuchungsfortgang der erstgenannten Fragestellung anbelangt, ist bereits seit geraumer Zeit eine ambivalente Sachlage zu konstatieren. Ein konsensfähiger Vorschlag zur Klärung der Autorenfrage scheint bis auf weiteres – z.B. den Fund unbekannter oder bisher übersehener Beweisdokumente – wenig wahrscheinlich. 6 Dabei herrscht alles andere als Hypothesenmangel. Im Gegenteil ist 1 Literaturangaben werden an der Stelle ihrer Ersterwähnung ausführlich angegeben, ab dem zweiten Mal kürze ich sie ab (Autor: Titel, Erscheinungsjahr). 2 Im Folgenden kürze ich das Corpus Dionysiacum mit den beiden Anfangsbuchstaben CD ab. 3 Beide Autoren stützen sich in ihrer Analyse auf einen literarischen Vergleich des vierten Kapitels der ,De divinis nominibus’ mit der proklischen Schrift ,De malorum subsistentia’. Siehe: Schäfer, Christian: Unde Malum. Die Frage nach dem Woher des Bösen bei Plotin, Augustinus und Dionysius, Würzburg 2002, S.401. 4 Stiglmayr widmet sich insbesondere einer ausführlichen Erörterung der Bedeutung des von Kaiser Zenon erlassenen Henotikons für das CD. Den Verfasser selbst verortet er in einer das Henotikon unterstützenden Mittelpartei zwischen Mia- und Dyophysiten. Siehe dazu: Stiglmayr, Josef: Das Aufkommen der Pseudo-Dionysischen Schriften und ihr Eindringen in die christliche Literatur bis zum Laterankonzil 649. Ein zweiter Beitrag zur Dionysiuos-Frage von Professor Josef Stiglmayr, in: IV. Jahresbericht des öffentlichen Privatgymnasiums an der Stella matutina zu Feldkirch, Feldkirch 1895, S.39-45. 5 Bereits auf dem Religionsgespräch von 532 in Konstantinopel wurden erste Zweifel an der Authentizität der Schriften laut. Später hatte Lorenzo Valla vermutet, dass es sich eher um einen neuplatonisch beeinflussten Autoren der Spätantike als um den in der Apostelgeschichte erwähnten Dionysius vom Areopag handelt. Allerdings gelang es weder ihm, noch Erasmus von Rotterdam, der eben jene Bedenken wenig später erneuern und für ein größeres Publikum multiplizieren sollte, eindeutige Beweise für diese These zu erbringen. Siehe dazu: Ritter, Adolf M.: Pseudo-Dionysius Areopagita. Über die Mystische Theologie und Briefe, Bibliothek der griechischen Literatur, Bd.40, Stuttgart 1994, S.5-6. Außerdem: Suchla, Beate R: Dionysius Areopagita. Leben – Werk – Wirkung, Freiburg im Breisgau 2008, S.20. 6 Zur Verfasserfrage siehe Ibid. S.25. Außerdem: Beierwaltes, Walter: Platonismus im Christentum, Philosophische Abhandlungen, Bd. 73, Frankfurt am Main 1998, S.45. Und ausführlich: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.8-19. 1

Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

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Page 1: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

1. Einleitung zum Forschungsstand1

Als Hugo Koch und Josef Stiglmayr Ende des 19. Jahrhunderts unabhängig

voneinander den Nachweis über die direkte literarische Abhängigkeit des Corpus'

Dionysiacum2 vom Neuplatoniker Proklos liefern konnten, markierten sie damit eine

für die moderne Rezeptionsgeschichte der vier Traktate und zehn Briefe konstitutiv

gewordene Zäsur.3 Ausgehend von den termini post und ante quem der Abfassung,

die Stiglmayr wenig später mit dem Erlassjahr des Henotikons 482 und der frühesten

Benutzung der Schriften im angehenden 6. Jahrhundert identifizierte, dominierten

seither vor allem zwei Fragestellungen das Interesse der Forschungsdiskussion.4

Erstens wurde nun konsequenterweise in einer historisch-kritisch geleiteten

Untersuchung nach dem realen Urherber der Schriften, respektive seines unmittel-

baren religiokulturellen Umfelds gefahndet. Zweites erneuerte und intensivierte sich

daran anschließend die Frage nach der geistigen Heimat, bzw. der ideengeschicht-

lichen Verortung des Autors.5

Was den Untersuchungsfortgang der erstgenannten Fragestellung anbelangt,

ist bereits seit geraumer Zeit eine ambivalente Sachlage zu konstatieren. Ein

konsensfähiger Vorschlag zur Klärung der Autorenfrage scheint bis auf weiteres –

z.B. den Fund unbekannter oder bisher übersehener Beweisdokumente – wenig

wahrscheinlich.6 Dabei herrscht alles andere als Hypothesenmangel. Im Gegenteil ist

1 Literaturangaben werden an der Stelle ihrer Ersterwähnung ausführlich angegeben, ab dem zweiten Mal kürze ich sie ab (Autor: Titel, Erscheinungsjahr).

2 Im Folgenden kürze ich das Corpus Dionysiacum mit den beiden Anfangsbuchstaben CD ab. 3 Beide Autoren stützen sich in ihrer Analyse auf einen literarischen Vergleich des vierten Kapitels

der ,De divinis nominibus’ mit der proklischen Schrift ,De malorum subsistentia’. Siehe: Schäfer, Christian: Unde Malum. Die Frage nach dem Woher des Bösen bei Plotin, Augustinus und Dionysius, Würzburg 2002, S.401.

4 Stiglmayr widmet sich insbesondere einer ausführlichen Erörterung der Bedeutung des von Kaiser Zenon erlassenen Henotikons für das CD. Den Verfasser selbst verortet er in einer das Henotikon unterstützenden Mittelpartei zwischen Mia- und Dyophysiten. Siehe dazu: Stiglmayr, Josef: Das Aufkommen der Pseudo-Dionysischen Schriften und ihr Eindringen in die christliche Literatur bis zum Laterankonzil 649. Ein zweiter Beitrag zur Dionysiuos-Frage von Professor Josef Stiglmayr, in: IV. Jahresbericht des öffentlichen Privatgymnasiums an der Stella matutina zu Feldkirch, Feldkirch 1895, S.39-45.

5 Bereits auf dem Religionsgespräch von 532 in Konstantinopel wurden erste Zweifel an der Authentizität der Schriften laut. Später hatte Lorenzo Valla vermutet, dass es sich eher um einen neuplatonisch beeinflussten Autoren der Spätantike als um den in der Apostelgeschichte erwähnten Dionysius vom Areopag handelt. Allerdings gelang es weder ihm, noch Erasmus von Rotterdam, der eben jene Bedenken wenig später erneuern und für ein größeres Publikum multiplizieren sollte, eindeutige Beweise für diese These zu erbringen. Siehe dazu: Ritter, Adolf M.: Pseudo-Dionysius Areopagita. Über die Mystische Theologie und Briefe, Bibliothek der griechischen Literatur, Bd.40, Stuttgart 1994, S.5-6. Außerdem: Suchla, Beate R: Dionysius Areopagita. Leben – Werk – Wirkung, Freiburg im Breisgau 2008, S.20.

6 Zur Verfasserfrage siehe Ibid. S.25. Außerdem: Beierwaltes, Walter: Platonismus im Christentum, Philosophische Abhandlungen, Bd. 73, Frankfurt am Main 1998, S.45. Und ausführlich: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.8-19.

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es gerade die schier unüberschaubare Fülle an sich gegenseitig disqualifizierenden,

jedoch bis dato in keinem Fall triftigen Identifizierungsversuchen, die eine wissen-

schaftliche Einigung in der Autorenfrage in den Bereich gut gemeinter Wunschvor-

stellungen rückt.

Auf der anderen Seite lassen sich mittlerweile eine ganze Reihe Indizien

anführen, die für „(West-)Syrien oder aber syrische Kreise in der Reichshauptstadt

Konstantinopel als Heimat des CD“7 sprechen. Schon Stiglmayr hat im Rahmen

seiner rezeptionsgeschichtlichen Untersuchungen auf den Syrer Severus von

Antiochien als ersten nachweisbaren Benutzer der Schriften aufmerksam gemacht.8

Beachtlich zeitnah zum Abfassungstermin ist auch die Übersetzung des CD ins

Syrische anzusetzen, da der Tod des Übersetzers, Sergius von Reshaina, bereits in

das Jahr 536 datiert.9 Neben diesen indirekten, werkemanenten Zeugen deutet

insbesondere auch ein umfangreicher Bestand spezifischen Lokalkolorits auf den

christlich-syrischen Ursprung der Schriften hin.10 Genauer gesagt, weisen die

liturgischen Ausführungen der Schrift ,De ecclesiastica hierarchia’ große

Ähnlichkeiten zum syrisch-antiochenischen Ritus auf, wobei vor allem die präzisen

Beschreibungen der Taufwasserepiklese und der Myronweihe hervorzuheben sind.11

Darüber hinaus entspricht auch der zitierte Bibeltext am ehesten einer syrischen

Version der Heiligen Schrift.12 Wenn die exakte Identität des Autors also auch

weiterhin als ungeklärt gelten muss, oder jedenfalls keine der bislang veröffent-

lichten Verfasserhypothesen weithin zu überzeugen vermochte, so kann doch

zumindest der christlich-religiokulturelle Kontext, aus dessen Tradition das CD

schöpft, cum grano salis auf ein syrisch geprägtes Milieu eingeengt werden.13

Von den Forschungsergebnissen zum religiokulturellen Umfeld des CD führt

7 Siehe: Ibid. S. 9, Z.18-19.8 Genau genommen hatte Stiglmayr noch für Andreas von Cäsarea in Kappadokien als ersten

Zeugen des CD plädiert. Severus von Antiochien behandelt er erst als zweiten nachweisbaren Rezipienten. Allerdings handelt es sich neueren Forschungsergebnissen nach schlicht um eine Fehldatierung im Bezug auf Andreas von Cäsarea, dessen Lebenszeit viel wahrscheinlicher in die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts zu datieren ist (563-614). Siehe: Fitschen, Klaus: Messalianismus und Antimessalianismus. Ein Beispiel ostkirchlicher Ketzergeschichte, Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd.71, Göttingen 1998, S.266. Vgl. dazu: Stiglmayr, Josef: Das Aufkommen der Pseudo-Dionysischen Schriften, 1895, S.45-47.

9 Zu Sergius von Reshaina siehe: Ibid. S.55-57. Außerdem: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.10. Und: Suchla, Beate R: Dionysius Areopagita, 2008, S.22; 67.

10 Siehe dazu: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.10.11 Ibid.12 Ibid.13 Dementgegen hat sich Suchla zuletzt dafür ausgesprochen, das CD in Caesarea (Palaestinae) zu

verorten. Vgl.: Suchla, Beate R: Dionysius Areopagita, 2008, S.22; 30.

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die Darstellung des Diskussionsstandes nahtlos zur Frage nach der geistigen Heimat

des Verfassers, der zweiten forschungsbestimmenden Fragestellung also, die sich in

der Sukzession Kochs und Stiglmayrs entwickelt, bzw. intensiviert hatte.14 Hinter der

Frage nach der ideengeschichtlichen Verortung des Autors verbirgt sich, wenn man

so will, die „Gretchenfrage“ der Dionysforschung. Zur Beantwortung der Frage

orientieren sich die Interpreten jeweils mehr oder weniger explizit an der

Leitdifferenz (Neu-)Platonismus/Christentum.

Vor dem Hintergrund der Leitdifferenz lässt sich Johann Wolfgang von

Goethes berühmt gewordene Bekenntnisfrage, „nun sag, wie hast du's mit der

Religion“15, im Bezug auf den unbekannten Verfasser – der aufgrund seiner

Abwesenheit freilich von einer Version seines Textes vertreten werden muss –

folgendermaßen umformulieren: Wie genau ist das Mengenverhältnis von pagan-

philosophischen Traditionsanteilen vornehmlich neuplatonischer Provenienz und

„genuin christlichen“16 Traditionsanteilen innerhalb des CD bemessen? Welche

Anteile überwiegen am Ende? Auf welcher Seite der Unterscheidung war der

spätantike „Ideenexperimentator“ mit seinem Versuch verblieben, auf der christ-

lichen oder der neuplatonischen? Welcher geistigen Tradition ist er letztlich selbst

zuzuordnen?

Doch egal, ob nun mit Bernhard Brons17 eher kritisch, oder mit Andrew

Louth18 und Paul Rorem19 überwiegend positiv über den Status des Korpus' als einem

genuin christlichen Zeugnis geurteilt wird, in beiden Fällen bleibt ein schaler

Beigeschmack.20 Zum einen bringen sich beide Seiten in die aus theologischer Sicht

problematische Position eines Richters über die Rechtgläubigkeit des unbekannten

Autors. Zum anderen muten sich beide Seiten zusätzlich die methodisch gesehen

14 Siehe oben: S.1, Anm.3. 15 Siehe: Goethe, Joahann W.: Faust. Der Tragödie Erster Teil, Stuttgart 2000, S.100, Z.3.16 Zur Wendung des „genuin Christlichen“ siehe: Beierwaltes, Walter: Platonismus im Christentum,

1998, S.77.17 Brons skeptische Haltung dem CD gegenüber offenbart sich in Diagnosen wie z.B.: „Auch darin

vermag Dionys Kirche und Theologie wider Willen einen Dienst zu tun, daß sich an ihm als einem Modellfall aufzeigen läßt, wie leicht soteriologisches Interesse in „love of approbation“ und darum die Verkündigung von Gericht und Gnade in Christus in die geringfügig modifizierte Übernahme einer gerade gängigen Weltanschauung umschlagen können.“ Siehe: Brons, Bernhard: Gott und die Seienden. Untersuchungen zum Verhältnis von neuplatonischer Metaphysik und christlicher Tradition bei Dionysius Areopagita, Göttingen 1976, S.329, Z. 29-34.

18 Louth urteilt sinngemäß, der Verfasser des CD sei kein Neuplatoniker, sondern ein Christ. Siehe: Louth, Andrew: Denys the Areopagite, Outstanding Christian Thinkers, London 1989, S.32.

19 Ähnlich sieht das auch Rorem. Siehe: Rorem, Paul: Biblical and Liturgical Symbols within the Pseudo-Dionysian Synthesis, Studies and Texts, Bd. 71, Toronto 1984, S.5.

20 Für eine ausführliche Darstellung der Debatte siehe: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.19-31.

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Page 4: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

schier unlösbare Aufgabe zu, ein definitorisch trennscharfes Instrumentarium zu

entwickeln, mit Hilfe dessen sich diagnostizieren ließe, an welchem neuralgischen

Punkt genau christliche Theologie beginnt, sich in Uneigentlichkeit aufzulösen.

Der umgekehrten Problematik dagegen unterliegt Walter Beierwaltes' um

Vermittlung bemühtes Votum, „Dionysius: Christianus simulque vere Platonicus“21.

Hier wird implizit eine Differenz eingeführt und dann durch die Bestimmung

„simulque vere“ wieder aufgehoben – was mir zwar ehrenwert, jedoch nicht sinnvoll

erscheint. Beierwaltes dürfte es wohl in erster Linie darum gehen, sich allgemein für

eine Vereinbarkeit von Theologie und Philosophie auszusprechen, worin ihm

sicherlich zuzustimmen ist. Allerdings geht diese Vereinbarkeit nicht bis zu einer

Entsprechung von Platonismus und Christentum. Wer sich also im Bezug auf das CD

der Wesensfrage stellt, muss sich wohl oder übel für eine der beiden Seiten entschei-

den.

Angesichts der Tatsache aber, dass der Autor sich selbst unmissverständlich

zum Christentum bekannte22 und seine Schriften – was werkimmanent durch die

fingierte Adressatenschaft und werkemanent durch die früheste Rezeptions-

geschichte belegt ist – ausschließlich an christliche Empfängerkreise richtete, sollte

sich die Frage in meinen Augen ohnehin erübrigen. Der Text spricht in dieser

Hinsicht für sich, er bedarf weder eines Advokaten, noch eines Anklägers.

2. Vorhaben:

Eine in der Forschung bislang weit weniger intensiv bearbeitete Fragestellung

widmet sich der Erörterung der Pseudonymität des Werkes und der dahinter

verborgenen autorspezifischen Agenda. Weshalb gerade diesbezüglich ein vergleichs-

weise geringes Interesse herrscht, ist besonders vor dem Hintergrund der weit

aussichtsreicheren Faktenlage schwer einzusehen. Nicht nur gibt der Autor selbst

Hinweise zum motivatorischen Hintergrund seiner Schriften, auch die relative

Sicherheit ihrer historischen und religiokulturellen Verortung macht eine erfolgreiche

Bearbeitung der Frage deutlich realistischer.

Mit der Intention, einen Beitrag zu dieser bisher eher verhaltenen Diskussion

21 Siehe: Ibid. S.84, Z.30. Vgl. dazu: Brief VII 1080 A f. B.22 Im VII. Brief (Ep. VII 1081 Cf.) bekennt sich der Verfasser in einer expliziten Abkehr von der

paganen Philosophie zum Christentum als der wahren Religion. Dort heißt es: „Vielleicht hält er es nicht für unter seiner Würde, in Sanftmut die Wahrheit unserer Religion in Erfahrung zu bringen, (jene Wahrheit), die alle Weisheit übertrifft.“ Zur Übersetzung siehe: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.96, Z.25-27.

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Page 5: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

zu leisten, werde ich daher in der vorliegenden Arbeit eine ausführliche

Untersuchung der Pseudonymität und der mit ihr auf das Engste verknüpften Agenda

des CD vorlegen. Im Rahmen meines Vorhabens nehme ich zunächst zum aktuellen

Diskussionsstand Stellung. Daran anschließend erfolgt eine insbesondere diskurs-

theoretisch interessierte Einordnung der Schriften in ihren religions- und kulturge-

schichtlichen Entstehungskontext. Vorbereitet durch die Rekontextualisierung will

ich in einem die Untersuchung abschließenden Schritt zeigen, welche exakte

Motivation der Pseudonymität des CD zugrunde liegt und welches „Kalkül“ der

unbekannte Verfasser mit der herkunftsmäßigen Chiffrierung seines Werkes ver-

folgte. Diesbezüglich werde ich zwischen einem Mindest- und einem Optimalziel

unterscheiden.

3. Zum Diskussionsstand der Pseudonymität des CD

„In der Tatsache aber, dass der echte Verfasser seinem Werk den Namen des Apostelschülers Dionysios vom Areopag vorsetzte, erblicken einige einen groben Betrug; andere urtheilen über das Factum milder, indem sie billigerweise an das literarische Gebahren jener alten Zeit nicht den modernen Maßstab anlegen.“23

Das obenstehende Zitat aus Joseph Stiglmayrs Untersuchungen zur Rezep-

tionsgeschichte des CD eignet sich noch über 100 Jahre nach seiner Abfassung als

pointierte Zusammenfassung einer im Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion

des Werkes verbreiteten Tendenz zum „milden“ Urteil bezüglich der Pseudonymität.

Dennoch – und hier fällt der antithetische Duktus des Zitats mit der schematischen

Auffassung einiger zeitgenössischer Interpreten zusammen – scheint mir die

angebotene Leitdifferenz zwischen dem „literarischen Gebahren jener alten Zeit“,

dessen Berücksichtigung quasi automatisch zu einer milden Beurteilung veranlasse,

und unserem „modernen Maßstab“ zu holzschnittartig und der Revision bedürftig.

Richtig ist zunächst, dass es bei einer Untersuchung der Pseudonymität der

Schriften weder um eine krude, inquisitorische Polemik gegen den unbekannten

Autor, noch um eine inkriminierende Fundamentalkritik am Text gehen kann, die

sich das Faktum der inszenierten Apostelschülerschaft zum Anlass nähme, das

gesamte Werk als „grobe Fälschung“ abzutun, und damit, bildlich gesprochen, das

Kind mit dem Bade ausschüttete. Beinahe selbstredend muss ebenfalls die Gefahr

eines anachronistisch verstiegenen Maßstabs zur Beurteilung der Pseudonymität im

Blick behalten werden. Auf der anderen Seite ist aber auch ein mildes Urteil, wie es

23 Siehe: Stiglmayr, Josef: Das Aufkommen der Pseudo-Dionysischen Schriften, 1895, S.5, Z.2-7.

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Page 6: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

offensichtlich schon Stiglmayr favorisierte, nur dann auch (sach-)gerecht und

wissenschaftlich redlich, wenn es mit direktem Bezug auf das Selbstverständnis des

realen Autors und/oder den Kontext der Abfassung der Schriften, z.B. ein empirisch

nachvollziehbares Konzept antiker Autorenschaft, plausibel gemacht werden kann.

Halbwahrheiten und scheinbare Allgemeinplätze, wie bspw. die Überzeugung, die

hellenistische Antike entbehre eines dem modernen Verständnis vergleichbaren

Konzepts von Autorenschaft und geistigem Eigentum, tragen denn auch im

Zusammenhang der Pseudonymität des CD wenig bis gar nichts zur Klärung des

konkreten Ursprungs bei.24

Um nun von der Ebene allgemein gehaltener Anmerkungen in medias res zu

gehen, bieten sich Beate R. Suchla und Charles M. Stang als die beiden – soweit ich

sehen kann – aktuellsten Vertreter eines „milden“ Urteils an. In ihren Interpretations-

vorschlägen wenden sich die beiden Autoren auf ganz unterschiedliche Art und

Weise gegen die These einer bewussten Verschleierung der realen Verfasserschaft

und meinen, ihr Urteil jeweils aus dem „literarischen Gebahren der alten Zeit“

begründen zu können.

3.1. Beate R. Suchlas Hypothese eines ,impliziten Autors’

In ihrer 2008 erschienen Monographie ,Dionysius Areopagita. Leben – Werk

– Wirkung’ trägt Beate R. Suchla erstmals die Hypothese vor, der verwendete

Vorname Dionysius, der allein im VII. Brief des Korpus' begegnet, „entspräche einer

literarischen Figur, die die Aufgabe habe, als impliziter apostolischer Autor zu

wirken“25. Hinter der autoritativen Strahlkraft dieses impliziten Autors sei der reale

Verfasser schon bald ins geschichtliche Dunkel unbehelligter Anonymität ausge-

blendet worden. Weiter beurteilt Suchla die suggerierte Apostolizität der Schriften,

als das „autortypische“26 und in diesem Sinne „legitime literarische Programm eines

philosophisch und theologisch gebildeten Christen um 500 herum“27. Im selben Zuge

weist sie ausdrücklich das Konzept der Pseudonymität als unzutreffend zurück mit

24 Laut Wolfgang Speyer ist doch anzunehmen, dass die antike griechische Welt ein Konzept von geistigem Eigentum kannte, wenn dieses freilich noch nicht juristisch und damit allgemein verbindlich fixiert war. Siehe: Speyer, Wofgang: Frühes Christentum im antiken Strahlungsfeld. Ausgewählte Aufsätze I, Wissenschaftliche Studien zum Neuen Testament, Bd. 50, Tübingen 1989, S.23ff.

25 Siehe: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.18, Z.6-8.26 Zum Begriff des „autortypischen Programms“ siehe: Ibid. S.18, Z. 8; S.20, Z.10.27 Ibid. S.18, Z.2-4.

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Page 7: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

der Begründung, die fiktive Identität sei „keine Lüge und keine Deckung“28.

Ebenso detail-, wie aufschlussreich gelingt Suchla in diesem Zusammenhang

die Verknüpfung ihrer Hypothese mit einer Erläuterung der Entstehungssituation der

Schriften, durch die sich eine funktionale und zeitgeschichtlich kontextualisierte

Relation des fiktiven Rahmens mit der intentio auctoris ergibt. So diene die

Einführung der literarischen Figur des Areopagiten gewissermaßen als diploma-

tischer Kunstgriff, um im Anschein apostolischer Autorität „eine irenische

Überbrückung“29 des schmalen, jedoch umso tieferen Grabens zwischen der

„natürlichen Theologie der Griechen und der christlichen philosophischen

Theologie“30 zu lancieren. Was die Beurteilung der funktionalen Dimension des

Pseudonyms in Verbindung mit dem literarischen Programm des CD angeht, ist

Suchla unbedingt zuzustimmen.

Auf welchem gedanklichen Wege die Autorin jedoch zu der Auffassung

gelangte, die Verwendung der persona des Areopagiten entspräche einem dem

damaligen Verständnis nach legitimen Unternehmen und gerade nicht der Einführung

eines Pseudonyms – im Sinne der bewussten Verschleierung der realen Identität, die

Suchla offensichtlich ex negativo auch dem damaligen „literarischen Gebahren“

entsprechend für illegitim hält – scheint widersprüchlich und vermag selbst nach

eingehender Betrachtung nicht einzuleuchten. Eine notwendige Ergänzung bildet an

dieser Stelle Suchlas Hinweis, sich in ihrem Verständnis des Konzepts der impliziten

Autorenschaft an der Arbeit des Neutestamentlers Thomas Söding zu orientieren.31

Überraschender Weise aber enthält Södings eigene begriffliche Erläuterung der

impliziten Autorenschaft weder eine antagonistische Abgrenzung, noch eine sonstig

geartete Kontrastierung dem Terminus der Pseudonymität gegenüber – mehr noch:

Södings Nomenklatur enthält den Begriff der Pseudonymität nicht einmal!32 Sehr

wohl aber ordnet Söding dem Phänomen eines impliziten Autors den Terminus der

Pseudepigraphie positiv zu, was letztlich gerade einer Gegenposition zu Suchla

gleichkommt.33 Immerhin verhalten sich die beiden Termini, Pseudonymität und

(primäre) Pseudepigraphie, zueinander weitgehend synonym.34

28 Ibid. S.20, Z.3.29 Ibid. S.35, Z.22.30 Ibid. S.35 S.23-24.31 Ibid. S.18 unten, Anmerkung 12. 32 Vgl.: Söding, Thomas: Wege der Schriftauslegung. Methodenbuch zum Neuen Testament,

Freiburg im Breisgau 1998, S.47; 107; 147; 238.33 Ibid. S.107.34 Ich folge an dieser Stelle der begrifflichen Erläuterung der beiden Termini durch den Artikel Petr

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Page 8: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

Der Vollständigkeit halber sei auch das einzige echte, sich jedoch auf den

Umfang eines Satzes beschränkende Argument genannt, das Suchla zur Plausibili-

sierung ihrer Hypothese bietet. Namentlich besteht das Argument in der Folgerung,

wenn der Autor seitenweise seinen Zeitgenossen Proklos zitiere35, bzw. para-

phrasiere, unterminiere dieses Vorgehen geradezu den Versuch einer systematischen

Verdunklung seiner aktuellen Bezüge.36 Interessanterweise widerspricht Suchla an

dieser Stelle ihren eigenen Ausführungen aus dem Jahr 1995, denen zufolge der

unbekannte Autor das gesamte Werk hindurch „seine christliche Rechtfertigungs-

pflicht unterlassen und darüber hinaus seine Abhängigkeit vom Platonismus [womit

Suchla auch hier vor allem auf das Exzerpieren proklischer Schriften abhebt]

verschleiert habe.“37 Woher Suchlas Sinneswandel rührt, bleibt mangels schlüssiger

Erklärungen ihr Geheimnis. Ihr Argument jedenfalls vermag nicht zu überzeugen.

Hätte der Verfasser seine aktuellen Bezüge nicht vertuschen wollen, so hätte er

Proklos auch beim Namen nennen können. Stattdessen scheint er seine wortwört-

liche, wie gedankliche Abhängigkeit vom proklischen System auf narrativer Ebene

durch die Einführung des enigmatischen Hierotheus', in Form einer sowohl

personifizierten, als auch mystifizierten, literarischen Spiegelung zu verarbeiten.38

Letztlich – und dieser Aspekt ist entscheidend – unterminiert Suchla mit dem

genannten Argument sogar ihre eigene Hypothese, insofern sie doch Eingangs

angenommen hatte, dass es das literarische Programm des Verfassers vorsah, durch

Pokornýs in der Theologischen Realenzyklopädie. Im übrigen ist auch Pokorný davon überzeugt, dass die irrationale Identifizierung mit dem angeblichen Verfasser nur begrenzt zur Rechtfertigung der Pseudepigraphie dienen kann. Siehe: Pokorný, Petr: Pseudepigraphie I., in: Müller, Gerhard (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie, in 36 Bdn., Bd. 27, Politik/ Politologie – Publizistik/ Presse, Berlin 1997, S.645-655.

35 Suchla spricht hier explizit von der Zitation der proklischen Schrift De malorum subsistentia durch das CD, genauer in De divinis nominibus IV 18 - IV 35. Siehe: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.20.

36 Ibid. S.20.37 Siehe: Suchla, Beate R.: Verteidigung eines platonischen Denkmodells einer christlichen Welt. Die

philosophie- und theologiegeschichtliche Bedeutung des Scholienwerks des Johannes von Skythopolis zu den areopagitischen Schriften, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen I. Philologisch-Historische Klasse, Jg. 1995, Nr.1, Göttingen 1995, S.11, Z.22-23.

38 Mit Bezug auf die persona des Hierotheus' vertrete ich die These einer chiffrierten Hommage an Proklos, der entweder ein direkter Lehrer, oder aber in schriftlicher Form eine herausragende Inspirationsquelle für den unbekannten Verfassers war. Schon aufgrund der enormen Fülle an wörtlichen und gedanklichen Anleihen beim proklischen System ist diese Interpretation naheliegend. Laut Suchla hat der unbekannte Verfasser an nicht weniger als 722 Stellen Proklos entweder zitiert, paraphrasiert, oder gedanklich übernommen. Möglich wäre auch die Hypothese eines bereits „proklisch-neuplatonisch“ gebildeten christlich-mystischen Lehrers, den der Autor auf narrativer Ebene in der fiktiven Figur des Hierotheus' gewürdigt hat. Dass er sich aber veranlasst sah, diesen Einfluss verbergen und mystifizieren zu müssen, spricht eher für erstere Annahme, eine mehr oder weniger direkte Abhängigkeit. Zur Abhängigkeit des CD von Proklos siehe: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.59.

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Page 9: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

die Inanspruchnahme der Identität eines Apostelschülers und der damit einher-

gehenden Rückdatierung der Schriften in das 1. Jahrhundert deren Autorität und

Ansehen zu erhöhen.39

Einzig die supplementäre Prämisse einer „irrationalen Inspiration“40 des

realen Autors könnte Suchla helfen, ihr mildes Urteil zu plausibilisieren. Aber auch

dergestalt müsste sie ihre auf der Zweckrationalität der intentio auctoris fußende

Argumentation zur Kontextgebundenheit der Autorfiktion aufgeben.

Abschließend scheint hier in der Tat ein mildes, aber eben nicht (sach-)ge-

rechtes Urteil als Ausgangspunkt und agens der Argumentation gedient zu haben.

Jedenfalls konnte Suchla ihre Hypothese zur Legitimität der literarischen Figur als

einer Form impliziter Autorenschaft in Abgrenzung zum Terminus der Pseudo-

nymität nicht als von „modernen Maßstäben“ abweichendes „literarisches Gebahren

jener alten Zeit“ verständlich machen. Kaum zu überschätzender Verdienst ihrer

Arbeit ist jedoch der Vorschlag, den Entstehungszusammenhang und die Grund-

intention der Schriften aus einer eingehenden Untersuchung des geistes- und kultur-

geschichtlichen Kontextes zu rekonstruieren.

3.2. Charles M. Stangs Hypothese der irrationalen Inspiration

Anders als Suchla, deren Konzept der impliziten Autorenschaft mehr einer

interpretatorischen Spitzfindigkeit mit apologetischer Schlagseite gleicht, die sich

jedoch nicht weiter auf ihre Rezeption der Schriften auswirkt, verspricht Charles M.

Stang in seinem Aufsatz ,Dionys, Paul and the Significance of the Pseudonym’,

vermittels einer Re-Interpretation der Pseudonymität des CD einen neuen Zugang

zum gesamten Textmaterial zu erschließen.

Schon der programmatische Titel des von Stang im Jahr 2009 mitherausge-

gebenen Sammelbandes ,Re-thinking Dionysius the Areopagite’, in dessen Rahmen

der Aufsatz veröffentlicht wurde, deutet unmissverständlich auf ein „aufklärerisches“

Sendungsbewusstsein hin. Stang und seine Co-Autoren möchten nichts weniger, als

einen Paradigmenwechsel innerhalb der Dionysius-Forschung einläuten.

Indes, Stangs Ausgangsüberlegung ist nicht grundsätzlich neu und klang

ihrem Wesen nach bereits im vorletzten Paragraph der Besprechung von Suchlas

39 Vgl. hierzu oben: S.6.40 Das Konzept der durch Traum, bzw. Ekstase induzierten, irrationalen Pseudonymität entnehme ich

dem Artikel Pseudonymität I von Peter Gerlitz in der Theologischen Realenzyklopädie. Siehe: Gerlitz, Peter: Pseudonymität I, in: Müller, Gerhard (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie, in 36 Bdn., Bd. 27, Politik/ Politologie – Publizistik/ Presse, Berlin 1997, S.661.

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Hypothese an.41 In seinem Aufsatz geht es dem Kirchenhistoriker im Kern darum zu

demonstrieren, „that the very practice of writing under a pseudonym may be integral

to the ascetic and mystical enterprise described in the CD, the unknowing of both

God and self“42. Im Mittelpunkt seines Interpretationsvorschlags steht also die

Annahme einer irrationalen Inspiration des Autors, der den Akt schriftlicher

Produktion selbst als Teilbereich einer rituellen Frömmigkeitspraxis mystisch-

kontemplativer Gottverähnlichung verstanden habe.

Den steilen Aufstieg zum Gipfel seiner Hypothese unternimmt Stang in drei

Etappen: Erstens geht er von der Prämisse aus, der Autor schreibe „under the name

of Dionysius the Areopagite in order to suggest that […] he will effect a new

rapprochement between the wisdom of pagan Athens and the revelation of God in

Christ“43. Im Hintergrund jener interpretatio sui stehe durchgehend Paulus' Areopag-

rede nach Apg 17, aus der heraus sich der unbekannte Verfasser konsequent selbst

deute. Zur Gänze sei das Korpus daher sinngemäß als imitatio Pauli44 zu lesen, sein

gesamtes inhaltliches Programm auf die theologischen Grundsätze der paulinischen

Tradition reduzibel.

Zweitens vertrete der Verfasser des CD eine „apophatic anthropology“45,

derzufolge der Weg zum wahren Menschsein allein über eine Frömmigkeitspraxis

der kompromisslosen Selbstnegation zu beschreiten sei. Am Endpunkt jenes Weges

vollziehe sich im Praktizierenden eine unio mystica, die, wie bereits zitiert, von

Stang als „the unknowing of both God and self”46 gefasst wird. Imitatio Pauli sei

diese Frömmigkeitspraxis nun deshalb, weil der Autor Paulus von Gal 2,20 aus als

„exemplary ecstatic lover“47 verstehe, der den Weg der Selbstverneinung als erster

Mensch in voller Konsequenz beschritten habe.

Drittens und letztens ermögliche das Konzept der „apophatic anthropology“48

41 Siehe oben: S.9, Anm.38.42 Siehe: Stang, Charles M.: Dionys, Paul and the Significance of the Pseudonym, in: Coakley, Sarah

– Stang, Charles M.: Re-Thinking Dionysius the Areopagite, Oxford 2009, S.18, Z.29-31.43 Ibid. S.12, Z.2-4.44 Stang gebraucht den Ausdruck der „imitatio Pauli“ zwar nicht explizit, jedoch impliziert er ihn

sinngemäß, wenn er immer wieder betont, dass aus der Sicht des unbekannten Verfassers alle seine Hauptüberzeugungen auf Aussagen der paulinischen Literatur reduzibel seien. Siehe: Ibid. S.14-15. In apologetischer Absicht hat schon Johannes von Skythopolis in seinem Scholienwerk eine solche Lesart vorgeschlagen, die jedoch, wie sich im weiteren Verlauf der Arbeit zeigen wird, aus werkimmanenten Gründen zu kurz greift. Siehe dazu ausführlich: Suchla, Beate R.: Verteidigung eines platonischen Denkmodells einer christlichen Welt, 1995.

45 Stang, Charles M.: Dionys, Paul and the Significance of the Pseudonym, 2009, S.18.46 Ibid. S.12.47 Ibid. S.18.48 Ibid. S.18.

10

Page 11: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

schließlich eine Deutung der Pseudonymität, die zu einer Gesamtdeutung des CD

auszuweiten sei: Die schriftliche Produktion des unbekannten Verfassers erscheine

von hier aus betrachtet selbst als Teilbereich jener mystisch-ekstatischen Frömmig-

keitspraxis kompromissloser Selbst-Apophatik. Im wahrsten Sinne des Wortes selbst-

vergessen, in vollkommener Dissoziation von seiner eigentlichen Identität, habe der

reale Autor sein Alter-Ego, Dionysius, gewissermaßen die Feder führen lassen.

Bleibt die Frage, wie genau es zur Fremdidentifikation des Verfassers mit

Dionysius dem Areopagiten gekommen ist; oder anders formuliert: Wie erklärt sich

der Ursprung der pseudonymen Verfasserschaft, wenn bislang lediglich von einer

„apophatic anthropology”, also einer Frömmigkeitspraxis der konsequenten Selbst-

negation, als hypothetischem Hintergrund der schriftlichen Aktivität des unbekannten

Autors die Rede war? Zur Klärung dieser Frage verweist Stang auf die nicht

unerhebliche Zusatzannahme eines vermeintlich „peculiar understanding of time and

writing in the late antique Christian East“49. Dieses trete pointiert in der

Überzeugung zu Tage, „that historical time can be collapsed such that the apostolic

past and the present enjoy 'contemporaneity,' and that writing is a means by which to

collapse that distance [...]“50. Jenem Konzept von „time travel“51 folgend hätten sich

Autoren im Kontext ihrer Schreibpraxis letztlich als die in die Gegenwart ausge-

dehnte Verlängerung „of the personality of the ancient authority“52 erfahren.

Als Aufweis der übergreifenden Gültigkeit und der dadurch ermöglichten,

interpretatorischen Übertragbarkeit seines Konzepts führt Stang exemplarisch das,

seiner Ansicht nach analoge schriftstellerische Selbstverständnis Johannes Chrysos-

tomos' und des anonymen Verfassers der Thekla-Hagiographie aus dem 5.

Jahrhundert an. Ersterer pflegte, folge man seinem theologisch-schriftstellerischen

und homiletischen Selbstverständnis, sich Paulus zum Helfer seiner Verkündigungs-

arbeit anzurufen, wobei er den Apostel jeweils im Gebet bat, ihm während des

Schreibens, bzw. Predigens bei, oder sogar inne zu wohnen.53 Letzterer dagegen

schildere als 31. Wunder der Thekla, dass ihm die Heilige selbst, während er ihre

Wunder niederschrieb, erschienen sei, um ihn zu bestärken.54 Im Falle des Verfassers

49 Ibid. S.20 Z.42-43.50 Ibid. S.20 Z.45 – S.21 Z.2.51 Ibid. S.20.52 Ibid. S.21 Z.4.53 Ibid. S.20.54 Dadurch taucht der Verfasser der Hagiographie selbst auf der Seite der von ihm schriftlich fixierten

Wunderberichte auf – es entsteht gewissermaßen ein Bild im Bild, die literarische Figur einer mise en abyme.

11

Page 12: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

des CD trete freilich nun an die Stelle des „verschwindenden“ Selbst des Autors sein

Alter-Ego, der von Paulus zur Konversion bewegte Athener Aristokrat Dionysius.

So klar und strukturiert Stang seine Hypothese auch vorträgt, sind dennoch

im Bezug auf alle ihre drei Teilbereiche jeweils sachliche Schwächen zu benennen,

die es am Ende schwer bis unmöglich machen, dem Kirchenhistoriker zuzustimmen.

Schon im Hinblick auf den ersten Teil seiner Hypothese lässt sich feststellen, dass

Stang zu generalisierenden Interpretationen neigt, die nicht selten einer gewaltsamen

Simplizifierung des durch den Text Gesagten gleichkommen.

Mitnichten ist es damit getan, die interpretatio sui des unbekannten Verfassers

von Apg 17 aus als imitatio Pauli zu formulieren und – damit nicht genug – zu

fordern, das gesamte CD von diesem Vorverständnis her zu lesen. Zwar ist die Wahl

des Pseudonyms und damit untrennbar verbunden die programmatische Bedeutung

von Apg 17 konstitutiv für den fiktiven Rahmen des CD. Ganz ohne Zweifel fand der

Verfasser in der Personaltradition des Areopagiten, eines aus der hellenistisch-

paganen Kultursphäre stammenden Christen also, ein idealtypisches role-model für

seine philosophisch-theologische Agenda. Jedoch greift die von Stang im Anschluss

daran implizierte Denkfigur der imitatio Pauli als umfassende Interpretationsfolie für

das CD aus (mindestens) zwei Gründen zu kurz:

Zum einen stellt der Verfasser den spezifischen, von Paulus divergierenden

Geistes- und Gesinnungswandel des Dionysius' ganz bewusst heraus. Der Aristokrat

Dionysius aus Athen wird zum „Vatermörder“55, wie der Autor dies in seinem VII.

Brief dem Sophisten Apollophanes in den Mund legt. Indem er sich dem Christentum

zuwendet, bricht er bis zu einem gewissen Punkt mit dem religiös-weltanschaulichen

Erbe der hellenistischen Kultursphäre und verrät damit die ihm „patrilineal“

überantwortete Verpflichtung zu dessen unbedingter Bewahrung. Er wird – wenn

man so will – zu einem traditor!56 Paulus von Tarsus, der in seinem „ersten Leben“

bekanntlich Pharisäer war, ging als bekehrter Christ mit missionarischem Eifer auf

Heiden in der römisch-hellenistischen Welt zu, um sie zur Konversion zu bewegen.

Die kritische Frage nach der Bedeutung seiner jüdischen Abstammung hat sich

Paulus zwar bspw. in Phil 3,4-13 gestellt, für den unbekannten Verfasser des CD

dagegen spielte diese Tatsache offenbar keine erwähnenswerte Rolle – er interes-

55 Ep. VII 1080 Af., B. Zur Übersetzung siehe: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.94.

56 Insbesondere geht es hier natürlich um den Neuplatonismus und dessen Erbe, das durch das CD an das Christentum „ausgeliefert und verraten“ wird.

12

Page 13: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

sierte sich allein für Paulus als christlichen Apostel.57 Die Denkfigur des

„Vatermörders“ geht somit eben gerade nicht im Paulusbild des CD auf! Mit der

Wahl des Pseudonyms bringt der Verfasser sich und sein philosophisch-theologisches

Programm zwar gezielt in die Nähe der paulinischen Tradition, zugleich aber setzt er

sich auch von ihr ab. Insbesondere durch die Nicht-Thematisierung des Saulus

(Paulus' jüdischer Vergangenheit) stellt der Text einen Kontrast zwischen Paulus und

dem Areopagiten her.

Zum anderen begnügt sich der unbekannte Verfasser ausdrücklich nicht allein

mit einer fiktiv inszenierten Paulus-Schülerschaft. Im Gegenteil zieht er im III.

Kapitel der ,De divinis nominibus’ nicht zuletzt auch den bereits erwähnten

Hierotheus, den er expressis verbis als seinen zweiten wichtigen Lehrer neben Paulus

bezeichnet, mit durch das literarische „Epochenportal“ in die legendarische Urzeit

des Christentums; und wird im weiteren Verlauf nicht müde, ihn als einen alle

anderen apostolischen Theologen – darunter Petrus und der Herrenbruder Jakobus –

an ekstatischer Virtuosität überragenden Mystagogen und Hymnendichter zu feiern.58

Auch sei an den fiktiven X. Brief des Korpus' erinnert, der an den Evangelisten

Johannes in seinem Exil auf der Insel Patmos adressiert ist.59 Obgleich der Verfasser

im Bezug auf Johannes nicht wie angesichts Paulus' und des Hierotheus' von einer

ausdrücklichen Schülerschaft spricht, betont er durch die Fiktion einer engen und

vertrauten Beziehung zwischen seinem literarischen Alter-Ego und dem Evangelisten

eine unüberhörbar tiefe, theologische Verbundenheit mit dem „hell leuchtenden

Lichtstrahl“60 der johanneischen Tradition. Auf diese Weise gelingt es dem Autor sein

eigenes philosophisch-theologisches Denken geschickt mit der johanneischen

Tradition zu verweben, wodurch sich erstens der religiöse Autoritäts- und

57 Eine Parallelisierung schließt sich hier auch deswegen aus, da Paulus seine Herkunft im 3. Kapitel des Philipperbrief mit drastischen Worten für nichtig erklärt, während das CD (Ep. VII. Cf.) sehr wohl die Weisheit der Hellenen zu schätzten weiß, solange sie dazu genutzt wird, „die Wahrheit unserer Religion [des Christentums] in Erfahrung zu bringen“. Diesem Geist verpflichtet ist eine antiintellektualistische „Torheitsrhetorik“, wie sie Paulus in 1.Kor 1,18-31entwickelt, undenkbar für das CD. Siehe dazu: Ibid. S.96, Z.26. Vgl. auch: Phil 3,4-13; und 1.Kor 1,18-31.

58 Der Abschnitt der „Hierotheusfeier“ findet sich in DN 681 A-C. Zur Übersetzung siehe: Suchla, Beate R.: Pseudo-Dionysius Areopgaita. Die Namen Gottes, Bibliothek der griechischen Literatur, Bd.26, Stuttgart 1988, S.39-41.59 Insofern sich der Autor auf die Version der Lebensgeschichte des Evangelisten Johannes, der in der

Antike in der Regel mit dem Verfasser der Offenbarung identifiziert wurde, bezieht, wie sie auch Eusebius von Caesarea in seiner Kirchengeschichte überliefert, ist der X. Brief zudem als ein vaticinium ex eventu konstruiert, da er die Rückkehr des Evangelisten aus seinem Exil auf der Insel Patmos in prophetischer Rede vorwegnimmt.

60 Zur Wendung des „hell leuchtenden Lichtstrahls“ siehe Ritters Übersetzung von Ep. X 1120,1: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.117, Z.31.

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Page 14: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

Symbolwert seiner Schriften erhöht und diese zweitens als systemisch abge-

schlossene Summe der prominentesten neutestamentlichen Theologien – und eben

nicht ausschließlich der paulinischen – lesbar werden sollten.61 Obendrein hebt der

unbekannte Autor in seinem berühmten Kurztraktat ,De mystica theologia’

ausdrücklich Mose nach Exodus 20,21 als Prototyp und lehrreiches Vorbild für die

Ausübung der von ihm beschriebenen mystisch-kontemplativen Frömmigkeitspraxis

hervor und wählt sich damit nicht allein Paulus als „exemplary ecstatic lover“.

Um es kurz zu machen: Das Pseudonym des Areopagiten dient dem Verfasser

– worin Stang prinzipiell beizupflichten ist – zur idealtypischen Rückprojektion

seines Programmes in die konstitutive „Gründungszeit“ des Christentums. Sicher

spielt das Konzept der imitatio Pauli dabei eine prominente Rolle – worauf an

späterer Stelle noch einzugehen sein wird. Dafür spricht allein schon das

mengenmäßige Übergewicht an Zitaten der Proto-/Deuteropaulinen und nicht zuletzt

auch die fingierte Adressierung der vier Hauptschriften an Timotheus. Nichtsdesto-

weniger sind es am Ende jedoch werkimmanente Entgegensetzungen, an denen

Stangs Vorschlag scheitert, das Programm des CD insgesamt auf eine von Apg 17

ausgehende philosophisch-theologische Elaboration und Re-Interpretation der

paulinischen Tradition eng zu führen. Schon der erste Teil seiner Hypothese scheint

mir so betrachtet auf einer tendenziösen Interpretation zu basieren.

Auch was die prononcierte Annahme einer ausgearbeiteten „apophatic

anthropology“ für das CD anbetrifft, die den zweiten Teil und zugleich das Herzstück

von Stangs Pseudonymitätshypothese ausmacht, ist zumindest vorsichtige Zurück-

haltung angebracht. Der Sache nach ist Stang gewiss Recht zu geben, wenn er

feststellt, dass die unio mystica als Höhepunkt der im CD begegnenden Ausführ-

ungen zur kontemplativen Frömmigkeitspraxis immer auch den ekstatischen Moment

völliger Selbstverneinung mit in sich schließt. Jedoch findet sich dieser Teilaspekt

der mystischen Versenkung an keiner Stelle des Korpus' zu einer spekulativen

Anthropologie extrapoliert, wie Stang sie voraussetzt. Die Absage an das eigene

Selbst bildet vielmehr den konsequenten letzten Schritt des apophatischen Aufstiegs

zur Einung, der den praktizierenden Mystagogen in einem sukzessiven Ablösungs-

prozess seines intentionalen Bewusstseins von der Sinnenwelt über die Sphäre der

61 An dieser Stelle stimme ich mit Suchlas Diagnose überein, wonach der Autor des CD angeregt durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Neuplatonismus – und hier prominent der proklischen Philosophie – eine abgeschlossene und vor allem gedanklich konsistente „summa theologia et philosophia perennis“ vorlegen wollte. Siehe: Suchla, Bettina R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.33-35.

14

Page 15: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

intelligibilia bis in das „überlichte Dunkel“62 des Einen führt.

Im Gegensatz zu Stangs überdehnt wirkender „apophatic anthropology“ hätte

der Versuch, eine in sich geschlossene, normative Anthropologie des wahren

Menschseins aus dem CD zu extrahieren, meiner Ansicht nach die komplementäre

Relation dreier Aspekte zu berücksichtigen: 1. den ethischen Aspekt der

Vervollkommnung durch asketischen Lebenswandel und rigoros praktizierte

Nächstenliebe;63 2. den gnoseologischen Aspekt fortschreitenden philosophisch-

theologischen Wissens- und Erkenntniserwerbs durch Schrift(en)studium und

Reflexion;64 3. den mystisch-ekstatischen Aspekt einer sowohl gemeinschafts-

bezogenen, theurgisch-gottesdienstlichen, als auch individuell kontemplativen

Frömmigkeitspraxis.65

Unter dem Strich erscheint mir daher auch Stangs Konzept der „apophatic

anthropology“, das sich exklusiv auf den mystisch-ekstatischen Aspekt des wahren

Menschseins kapriziert, als eine überspitzte Simplifizierung des Textes.

Schwerer noch im Bezug auf die Plausibilität seiner Hypothese – und damit

komme ich zur Besprechung ihres dritten und letzten Teils – wiegt allerdings das

Fehlen jedwedes Hinweises im CD auf eine direkte konzeptuelle Verbindung der

schriftstellerischen Aktivität des unbekannten Autors mit Elementen der von ihm

illustrierten mystisch-ekstatischen Frömmigkeitspraxis.

An keiner Stelle der Schriften thematisiert der unbekannte Autor überhaupt

den distinkten Akt des Schreibens! Den Prozess schriftlicher Produktion als

Teilbereich philosophisch-theologischer Wissensvermittlung gedeutet, ließe sich

dieser viel eher im Bereich der Ethik des CD verorten. In diese Richtung weist

zumindest die präzise Rechtfertigung des philosophisch-theologischen Selbstver-

ständnisses des Autors im III. Kapitel der De divinis nominibus.66 Hier wird deutlich,

dass es dem Verfasser mit Blick auf die Grundintention seiner Schriften darum geht,

anderen Christen, die in der kirchlichen Hierarchie unter ihm stehen und

dementsprechend erkenntnismäßig weiter vom Einen entfernt sind, durch den

62 Zur Formulierung des „überlichten Dunkels” in der ,De Mystica Theologia’ 1025,2 siehe: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.76, Z.25.

63 Der ethische Aspekt begegnet vor allem im Briefkorpus. 64 Der gnoseologische Aspekt entfällt weitgehend auf die ,De divinis nominibus’.65 Der mystisch-ekstatische Aspekt trennt sich in den gemeinschaftlichen Bereich der Liturgie, des

gottesdienstlichen Rituals und der theurgischen Praxis nach ,De ecclesiastica hierarchia’auf und den individuell-kontemplativen Bereich der Versenkung, wie er in ,De mystica theologia’ entfaltet wird.

66 Besonders interessant sind diesbezüglich die Stellen: DN 681 B f.; 684 B f.; C f. Zur Übersetzung siehe: Suchla,Beate R.: Die Namen Gottes, 1988, S.39-41.

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Page 16: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

Transfer seines Wissens dabei zu helfen, das ihnen jeweils mögliche Maß an

Gotteserkenntnis zu erlangen. Die schriftstellerische Tätigkeit des Autors kann

demzufolge als „Liebesdienst“ an seinen Nächsten, in diesem Fall seinen Adressaten,

interpretiert werden. Als eine Form gelebter Nächstenliebe ist die schriftstellerische

Tätigkeit ihrerseits wiederum eingebettet in das umfangreiche ethische Programm

eines an Vervollkommnung orientierten asketischen Lebenswandels, wie es Suchla

beispielhaft für das CD herausgearbeitet hat.67

Weiterhin seiner verkürzenden Lesart der im CD entfalteten Anforderungen

an das wahre Menschsein verpflichtet ordnet Stang den Prozess schriftlicher

Produktion somit schlicht dem falschen anthropologischen Aspekt zu. Der Schreibakt

ist nicht etwa dem mystisch-ekstatischen Aspekt der Versenkung zuzurechnen,

sondern er fällt in den Bereich des ethischen Aspekts frommer Devotion im Dienst

am Nächsten.

Wie sollte dem praktizierenden Mystagogen im Rahmen seiner schriftlichen

Tätigkeit überhaupt auch nur die Ablösung von der Sinnenwelt gelingen – ganz zu

schweigen von der Stillung seiner Gedanken? Das Schreiben ist allem voran

immerhin auch eine handwerkliche Tätigkeit, ein Akt intentionalen Bewusstseins

also, der als Mindestvoraussetzung zwei offene, auf ein zuhandenes Blatt und die

federführende Hand fixierte Augen für sich reklamiert. Mit anderen Worten: der

Mystagoge würde sich mit einiger Wahrscheinlichkeit davor hüten, den Versuch zu

unternehmen, seiner Ekstase gewissermaßen entgegen schreiben zu wollen – und

vom aktuellen Widerfahrnis einer Ekstase her zu schreiben, fehlten ihm schlicht die

Worte.68

Allenfalls assoziativen Ursprungs scheint schließlich auch das Konzept eines

„peculiar understanding of time and writing in the late antique Christian East“, das

Stang, wie oben beschrieben, als Zusatzannahme für die Plausibilisierung seiner

Hypothese angeführt hatte. Abgesehen davon, dass zwei Beispiele sicherlich nicht

ausreichen, um den extensiven Deutungsanspruch eines literaturtheoretischen

Konzepts ausreichend zu fundieren, ergeben sich zudem weder materialiter noch

formaliter echte Parallelen von Johannes Chrysostomos einerseits und dem

anonymen Verfasser der Thekla-Hagiographie anderseits zur Pseudonymität des CD.

67 Siehe: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.119-128. 68 Ich spiele hier auf die Unsagbarkeit des mystischen Geschehens der Einung, bzw. dem

Anteilnehmen am Einen an, wie es innerhalb des CD in ,De mystica theologia’ seinen prägnantesten Ausdruck findet.

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Page 17: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

Weder bittet der unbekannte Autor des Korpus' um die hilfespendende

Einwohnung eines Apostels, bzw. in seinem konkreten Falle die eines Apostel-

schülers, noch berichtet er davon, dass ihm beim Schreiben während einer „waking

vision“69 ein(e) Heilige(r) begegnete. Im Gegenteil ist es der unbekannte Verfasser

selbst, der die narrativen Anstrengungen einer „Zeitreise“ auf sich nimmt, wobei ihm

die „Personalakte“ des Dionysius' vom Areopag als idealtypische, historisch-

historisierende Vorlage für die strategische Rückdatierung seines philosophisch-

theologischen Programmes in die Heiligkeitssphäre der apostolische Ära dient. So

sehr sich Stang auch bemüht, seine Pseudonymitätshypothese auf das genuine

„literarischen Gebahren“ spätantiker christlicher Schriftsteller zurückzuführen, seine

Anstrengungen können letztlich nicht überzeugen.

Insgesamt beurteilt, scheinen mir am Ende alle drei Teile von Stangs

Hypothese als ausgesprochen wenig hilfreich, um die philosophisch-theologische

Grundintention des unbekannten Autors angemessen wahrzunehmen, geschweige

denn, um die grundlegenden Motive hinter der Pseudonymität der Schriften auf eine

nachvollziehbare Art und Weise einholbar zu machen. Ferner scheitert Stang in

meinen Augen zugleich mit seinem Anspruch, eine schlüssige Re-Interpretation des

CD liefern zu wollen, wie es sein Aufsatz, aber vor allem auch der programmatische

Titel des von ihm mit herausgegebenen Sammelbandes suggerieren möchten.

Besonders die weitgehende religions- und kulturgeschichtliche Kontextvergessenheit

ist als ein deutliches Defizit seines Unternehmens zu benennen.

3.3. Fazit zum Diskussionsstand

Den zurückliegenden Abschnitt der Arbeit resümierend bleibt nun festzu-

halten: Weder Suchla noch Stang können ihr „mildes“ Urteil – will heißen ihre

jeweilige Apologie des Korpus' bezüglich eines Verdachts der Vorspiegelung falscher

Tatsachen – auf das Selbstverständnis des Autors, oder ein zumindest milieuweise

„normalverteiltes“ Autorenverständnis „jener alten Zeiten“ gründen.

In Abgrenzung zu beiden Autoren halte ich es nicht nur für sinnvoll, sondern

für einzig angemessen, im Hinblick auf den motivatorischen Hauptgrund für die

Pseudonymität von einer bewussten Verdunklung der realen Entstehungshinter-

gründe zu sprechen. Weiter bin ich davon überzeugt, dass es unter der Voraussetzung

einer strikten Reduktion des Erkenntnisinteresses allein auf die Beantwortung der die

69 Stang, Charles M.: Dionys, Paul and the Significance of the Pseudonym, 2009, S.20.

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Page 18: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

Pseudonymität betreffenden Warum-Frage hinreicht, den mittels der suggerierten

Autorenschaft des Areopagiten gestifteten Autoritätswert des Korpus' und damit eng

verknüpft den erhofften Schutz vor Zensur, oder gar persönlichen Repressalien gegen

den Autor selbst stark zu machen. Allerdings – an dieser Stelle ist Suchla Recht zu

geben – verrät die exakte Wahl des Pseudonyms in Verbindung mit der besonders

durch das Briefkorpus geleisteten, fiktiven Rahmung der Schriften in der Tat weit

mehr über den exakten Entstehungszusammenhang und das spezifisch-inhaltliche

Programm des Autors.

Im Folgenden möchte ich daher Suchlas Vorschlag einer durch den

zeitgeschichtlichen Kontext informierten Lesart der Motivation des Werkes zu einer

diskurstheoretisch geleiteten Rekonstruktion der Entstehungsumstände des CD

ausarbeiten. Nur von hier aus, so meine ich, also ausgehend von einer Vergegen-

wärtigung der historischen Lebenswelt des Autors, konkreter des entsprechenden

religiokulturellen Makrokontextes und seiner diskurstheoretischen Fundamental-

dimension, erschließt sich dem heutigen Interpreten ein gangbarer Weg hin zu einem

tiefenscharfen Verständnis der Agenda und der mit ihr untrennbar gekoppelten

pseudonymen Form des Schriftenkorpus.

4. Religions- und kulturgeschichtliche Rekontextualisierung

Wie bereits der zu Beginn der Arbeit erfolgte Hinweis auf die wissenschaft-

lich favorisierte Beheimatung der Schriften im syrischen Raum nahelegt, hat sich ein

Rekonstruktionsversuch der Entstehungssituation des CD vor allem auf den Osten

des Reiches zu konzentrieren. Im Mittelpunkt der religions- und kulturgeschicht-

lichen Rekontextualisierung stehen dabei die wesentlichsten religions- und bildungs-

politischen Maßnahmen der frühbyzantinischen Potentaten, sowie deren mittel- und

unmittelbare Auswirkungen.

Die Gründe dafür, weshalb ich die religiokulturelle Rekontextualisierung der

Schriften aus dem Blickwinkel kaiserlicher Maßnahmen entwerfen werde, sind

schlicht pragmatischer Natur: Zunächst einmal gingen die maßgeblichen kirchen-

und bildungspolitischen Entscheidungen in letzter Konsequenz jeweils von den

Kaisern aus. Ferner lässt sich aus dieser Perspektive die diskurstheoretisch

begründete Fundamentalproblematik am besten darstellen, deren Verständnis sowohl

für die Interpretation des Programmes als auch der Pseudonymität des CD von hoher

Bedeutung ist: Die Rede ist von der prekären Situation, theologisch-dogmatisch

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verkapselte Wahrheitsfragen – wohl oder übel – auf dem Wege politischer Diskurse,

also durch Konsens- bzw. Kompromissentscheide klären zu sollen; oder aber ihre

Entscheidung gar gewaltsam durchsetzten zu müssen.

Zunächst empfiehlt es sich der Übersichtlichkeit halber, die angesprochenen

religions- und bildungspolitischen Maßnahmen grob in zwei unterschiedliche

Kategorien zu gliedern: Erstens handelt es sich um jene spezifisch inner-christlichen,

also kirchenpolitisch gerichteten Maßnahmen, worunter autoritative Ein- und

Übergriffe „profaner“ Macht in ekklesiale Angelegenheiten auf der einen und

theologisch-dogmatische Kontroversen auf der anderen Seite zu verstehen sind; und

zweitens um jene religions- und bildungspolitischen Maßnahmen des herrschaft-

lichen Souveräns, die an die Anhänger und Repräsentanten dezidiert paganer, nicht-

christlicher Kulte, Religionen und philosophisch-weltanschaulicher Lehren adressiert

waren. Sinnvoll und ihrem Gegenstand angemessen ist eine solche Einteilung, da sie

sich an den jeweiligen Auffassungen der Herrscher orientieren kann, die ebenfalls

von zwei klar differenzierbaren Adressatengruppen ausgingen.

Dass sich nichtsdestoweniger eine eindeutige Unterscheidung zwischen

christlich orthodoxer und heterodoxer, bzw. pagan-häretisierender Gesinnung nicht

überzeitlich markieren lässt und insofern immer wieder um die „korrekte“ Setzung

der Grenzmarkierungen gerungen werden muss, wird sich im weiteren Verlauf der

Darstellungen als eine zweite, diskurstheoretisch begründete Voraussetzung zum

Verständnis der Pseudonymität herausstellen.

Der historischen Fragestellung, ob die religions- und bildungspolitischen

Maßnahmen der Staatsoberhäupter von Konstantin an jeweils als Resultat

individueller Glaubensüberzeugung, mithin eines frommen Sendungsbewusstseins,

oder demgegenüber als Resultat eines instrumentalen, von machtpolitischen

Interessen geleiteten Kalküls zu beschreiben sind, kann sich im Rahmen dieser

Untersuchung guten Gewissens enthalten werden. Die Arbeit muss sich nicht an der

methodisch gesehen unmöglichen Möglichkeit, „to make a window into men's

souls“70 abarbeiten, wie sie bereits vor über zweihundert Jahren von Edward Gibbon

in seiner ,History of Decline and Fall of the Roman Empire’71 pointiert formuliert

70 Siehe dazu: Straub, Johannes: Gibbons Konstantin-Bild, in: ders. Regeneratio Imperii. Aufsätze über Roms Kaisertum und Reich im Spiegel der heidnischen und christlichen Publizistik, Bd. 2, Darmstadt 1986, S.271.

71 Gibbon, Edward: The History of the Decline and the Fall of the Roman Empire, 6 Bde., London 1776-1788, hrsg. v. J. B. Bury, 7 Bde., London 1900.

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worden ist.72 Im gegenwärtigen Zusammenhang reicht die heuristische Annahme,

dass jeder Machthaber, der sich für die voranschreitende Etablierung des

Christentums als römische Staatsreligion eingesetzt hat, in Handlungs-Einstellungs-

Konsistenz auch auf die Wirkmächtigkeit der christlichen Religion vertraut hat – ob

aus machtpragmatischen Gründen oder aus einem frommen Sendungsbewusstsein

heraus. Darüber hinaus wird die Darstellung, wie allgemein üblich, stets unter der

methodischen Prämisse, etsi deus non daretur, erfolgen.

4.1. Die kirchenpolitischen Maßnahmen der Kaiser73

Als erste Kategorie stehen nun die wichtigsten kirchenpolitischen Maßnah-

men im Blickfeld der Untersuchung. Während der ersten beiden Jahrhunderte seit

Konstantins Sieg über Licinius im Jahre 324, durch die dem nominellen Augustus

des Westens faktisch die Alleinherrschaft über das gesamte Reichsgebiet zukam,

gelangte das Christentum sukzessive in die Rolle der neuen römischen Staatsreligion.

Der Religionspolitik des großen Flaviers folgend, hofften auch die Augusti nach

Konstantin, über die Förderung einer gesinnungsmäßig christlich geprägten

Sozialstruktur den salus rei publicae, das Heil des Reiches, seinen innenpolitischen

Frieden, und damit die Voraussetzung für imperiale Stärke und Stabilität

sicherzustellen.74

An dieser sich allmählich durchsetzenden, epochemachenden Kulturwende

konnte letztlich auch die kurze Periode so genannter heidnischer Restauration unter

Kaiser Julian in den Jahren 361-363 nichts ändern.75 Als gescheitertes Experiment

war das religionspolitische Reformprogramm des als Apostaten in die Geschichte

eingegangenen letzten flavischen Augusten eher noch der abschließende Aufweis für

die Unumkehrbarkeit der in Gang gesetzten religiokulturellen Makrodynamik.

Doch die voranschreitende christlich codierte „Symbolmonopolisierung“76

des Reiches war für die spätantiken Herrscher von Anfang an ein zweischneidiges

72 Siehe dazu auch: Lehmeier, Eva – Gottlieb, Gunther: Kaiser Konstantin und die Kirche, in: von Schlange-Schöningen, Heinrich (Hrsg.): Konstantin und das Christentum. Neue Wege der Forschung, Darmstadt 2007, S.150-171.

73 Soweit es den historischen Aspekt meiner Darstellung betrifft, halte ich mich im Folgenden aus pragmatischen Gründen überwiegend an: Hauschild, Wolf-Dieter: Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte. Alte Kirche und Mittelalter, Bd.1, Gütersloh 32007, S.177-203.

74 Siehe dazu: Lehmeier, Eva – Gottlieb, Gunther: Kaiser Konstantin und die Kirche, 2007, S.150.75 Zu Kaiser Julian siehe: Rosen, Klaus: Julian. Kaiser, Gott und Christenhasser, Stuttgart 2006, S.

226-344.76 Zum Konzept des Symbolmonopols siehe: Berger, Peter L. – Luckmann, Thomas: Die

gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt am Main 2009, S.130ff.

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Schwert. Auf der einen Seite eignete sich das Christentum als missionarische

Offenbarungs-, Schrift- und Bekenntnisreligion hervorragend dazu, eine über

symbolische Vermittlung konstituierte, intersubjektive Fundamentalwirklichkeit zu

objektivieren; und auf diese Weise in einem beständig an ethnischer und kultureller

Diversität gewinnendem Weltreich die Genese einer einheitsstiftenden Gesellschafts-

mentalität und eines sozialen Zusammengehörigkeitsgefühls zu fördern.77

Auf der anderen Seite aber hing die Stabilität des Reiches – und damit die

Souveränität seiner Herrscher – nun gleichzeitig auch an theologisch-dogmatischen

Streitfragen in all ihrer sprachlichen und gedanklichen Diffizilität. So sehr also die

Herrscher mit dem Christentum auf eine über lange Zeiträume hinweg autonom

herangewachsene und sich überregional selbstorganisierende Formation sozialer

Netzwerke als Entlastungsgaranten ihrer Innenpolitik bauen konnten, so sehr standen

sie letztlich auch in der Gefahr, sich auf eine Religion zu stützen, die – zumal unter

erhöhtem Kohärenzdruck – drohte, sich an intern be-, bzw. entstehenden

Deutungsdifferenzen auseinander zu dividieren.78 Jederzeit konnte die religiös

induzierte concordia des Staates ausgelöst von theologischen oder ekklesialen

Streitigkeiten in discordia umschlagen, konnte das Heil(s)mittel zum Gift werden.

Wie ein Damoklesschwert hing die potentielle Gefahr eines kirchlichen Schismas

über dem Reich und bedrohte dessen Einheit von innen her.

Sollte deshalb sinnvollerweise an der Idee einer kohärenten, ihrer Aufgabe

mächtigen, christlichen Staatsreligion festgehalten werden, mussten die Herrscher in

der Lage sein, von staatlicher Seite her auf die Sphäre kirchlicher Entscheidungs-

findung einzuwirken. Wenn sich daher mit der Ablösung der alten Staatsreligion

durch das Christentum das Verantwortungsbewusstsein der Kaiser für die Pflege der

vera religio keinesfalls grundlegend geändert hatte, so ergab sich dennoch eine wich-

tige Neuerung für die Religionspolitik seit Konstantin: Christliche Herrscher konnten

ihre religions-politischen Maßnahmen nicht länger auf die ihrer Person qua kaiser-

licher Titulatur zuerkannte priesterlich-sakrale Autorität eines pontifex maximus

stützen.79

77 Zur Konstruktion einer intersubjektiv verbindlichen Wirklichkeit über symbolische Vermittlung siehe: Ibid.

78 Mit dem Konzept des Christentums als einer sich überregional selbstorganisierenden Formation sozialer Netzwerke spiele ich auf Niklas Luhmanns systemtheoretische Grundlegung der Religionssoziologie an. Siehe dazu: Luhmann, Niklas: Die Religion der Gesellschaft, Frankfurt am Main 2002.

79 Wenngleich erst Theodosius I. den Titel des pontifex maximus ganz ablegte. Siehe dazu: Hauschild, Wolf-Dieter: Alte Kirche und Mittelalter, 2007, S.156.

21

Page 22: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

Als Bedingung der Möglichkeit, trotz dieses Verlusts an Sakralität wirkungs-

voll für die Verfügbarmachung einer weitgehend homogenen, christlichen

Staatsreligion einzutreten, war deshalb eine geeignete staatlich-institutionelle

Handhabe notwendig, die es den Kaisern erlaubte, teils mediierend, teils steuernd

Einfluss auf die höchsten Ebenen theologischer und ekklesialer Entscheidungs-

findung zu gewinnen. Die maßgeblichen Vorkehrungen zur Etablierung eines solchen

kirchenpolitischen Instrumentariums, das den Kaisern auf institutionellen Umwegen

den Wiedereintritt in die Situation aktiver Einflussnahme auf inner-religiöse

Entscheidungsprozesse ermöglichen sollte, hatte bereits Konstantin getroffen.

In diesen Zusammenhang fällt allen voran die Weiterentwicklung regionaler

und überregionaler Bischofsversammlungen zu ökumenischen Kirchenkonzilien. Als

jurisdiktive Letztinstanzen sollten Reichssynoden sowohl in dogmatisch-theolo-

gischen, als auch in kirchenpraktischen Fragen allerhöchste Autorität und damit

katholische Geltung besitzen. Wenn man so will, lassen sich ökumenische

Kirchenkonzilien als kaiserlich-ekkesiale „Spitzendiskurse“ klassifizieren, die ge-

wissermaßen „sub specie aeternitatis“ über den orthodoxen Glauben zu entscheiden

hatten.80

Sowohl die Einberufung als auch die Ausrichtung dieser Spitzendiskurse

oblagen dem Kaiser. Unter seiner Aufsicht, respektive der seiner Legaten, sollte eine

repräsentative Auswahl an Bischöfen verbindliche „Standards“ für die Lehre, die

Praxis und die Organisation der Kirche festlegen. Zumeist erfolgte die Entschei-

dungsfindung dabei direkt über einen Vorschlagsentwurf aus den Reihen des Kaisers

und seiner theologischen Berater, der in der Folge durchsetzungsfähig gemacht

wurde. Die Ergebnissicherung der Reichssynoden sollte über eine Politik systema-

tischer Repression gewährleistet werden, Kritiker und Abweichler wurden im

Normalfall durch Exilierung und Lehrverbot bestraft.

Verbunden mit der sich verändernden religionspolitischen Situation,

unterlagen nun allerdings kirchliche Strukturen vermehrt einem Prozess der

Institutionalisierung, Hierarchisierung und Politisierung. So erfuhr z.B. die gesell-

schaftliche Bedeutung des Episkopats eine nachhaltige und folgenreiche Aufwertung.

Gerade in den Metropolen des Reiches wurde der Bischofsstuhl zu einem profilierten

und mit allen Mitteln umkämpften Amt von hohem gesellschaftlichen Status und

80 Ich orientiere mich maßgeblich am Diskursbegriff von Michel Foucault, wie er ihn in seiner Inauguralvorlesung am Collège de France entwickelt hat. Siehe: Foucault, Michel: Die Ordnung des Diskurses. Mit einem Essay von Ralf Konersmann, Frankfurt am Main 112010, S.9-49.

22

Page 23: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

einer politischen Geltung, die weit über die Grenzen der Kirche hinaus reichte.

Außerdem griff die Politisierung auch auf das sich herausbildende Mönchstum über,

womit in der Folge nicht selten gewaltförmige Exzesse einhergingen. Insbesondere

aber auch die Bestimmung der internen Hierarchieverhältnisse unter den

Patriarchaten wurde in diesen Transformationsprozess hineingerissen – mit irrever-

siblen Folgen für die Kircheneinheit. Immer mehr geriet die seit Jahrhunderten

ausstehende Klärung der Frage nach der dogmatisch-theologischen Deutungshoheit,

zu einem erbitterten Kampf um die innerkirchliche Vormachtstellung und damit um

reichsweiten Einfluss und politisches Prestige. In der Folge eigneten sich

theologische Streitfragen immer zugleich auch als – mehr oder weniger günstige –

Gelegenheiten, um die kircheninterne „Hackordnung“ der Patriarchate auszufechten.

Symptomatisch standen selbst lokale oder regionale Auseinandersetzungen in der

Gefahr, sich zu reichsweiten Kontroversen auszuwachsen, sobald die beteiligten

Parteien an verschiedene Patriarchen appellierten.

Da sich die ekklesialen Machtkämpfe der Patriarchate im Rahmen dog-

matisch-theologischer Kontroversen mit der Entscheidung über Wahrheitsfragen

verschränkten, entstanden regelmäßig dilemmatische Situationen, die es den Kaisern

im Rahmen ökumenischer Kirchenkonzile nur in Ausnahmefällen erlaubten,

einheitsstiftend oder zumindest deeskalierend zwischen den beteiligten Parteien zu

vermitteln. Denn ließen sie sich von einer der Parteien überzeugen und engagierten

sich – in der Regel vorentscheidend – für deren Position, so fühlten sich jeweils die

Vertreter der „unterlegenen“ Parteien übergangen, ihrer theologischen Autorität

beraubt und um die Wahrheit gebracht. Versuchten die Kaiser hingegen einen

theologischen Kompromiss zwischen den vorgebrachten Positionen zu erzielen,

sahen sich tendenziell die Vertreter aller beteiligten Parteien um die Wahrheit

betrogen und dies aus einem diskurstheoretisch gut nachvollziehbaren Grund heraus:

Wahrheitsfragen, zumal des Glaubens, entziehen sich per definitionem einer Klärung

durch Kompromissentscheid!81 Die christliche Religion jedenfalls, die sich bekan-

ntermaßen seit neutestamentlicher Zeit vorwiegend auf das Wahrheitskriterium des

81 Peter Janich verweist auf die unterschiedliche Konstitution religiöser und säkularer Diskurse. Ich stimme mit ihm darin überein, dass genuin religiöse Diskurse zumeist auf dem Prinzip von Autoritätswahrheiten basieren. Ein Blick auf die Fülle der neutestamentlichen Pseudepigraphen, sowie die Idee der apostolischen Sukzession genügt, um diese These zumindest für das antike Christentum zu bestätigen. Siehe dazu: Janich, Peter: Was ist Wahrheit? Eine philosophische Einführung, München 32005, S.58.

23

Page 24: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

argumentum ad verecundiam82, des personenabhängigen Autoritätsbeweises, als

Ordnungsprinzip ihrer zahlreichen theologischen und glaubenspraktischen Diskurse

stütze, ließ sich nicht auf Dauer durch kompromissorientierte Kommunikations-

prozeduren zu einer orthodoxen Einheit verschweißen. Das zeigt der Blick in die

Geschichte deutlich.

Im Gegenteil standen Konzilien eher in der Gefahr, Differenzbestände zu

konsolidieren und damit zentrifugale Dynamiken zu intensivieren, als zu helfen, den

diskursiven Raum der Orthodoxie letztgültig und vor allem konsensfähig abzu-

stecken. Schließlich brachte es die unmittelbare Konfrontationssituation der

Konzilien mit sich, dass die sich zwischen den beteiligten Parteien dialektisch83

herausbildenden, bekenntnismäßigen „Grenzverläufe“ in größtmöglicher Deutlich-

keit hervortreten konnten, was wiederum positive Verstärkungs- und Polarisations-

effekte für jeweils gruppenintern stattfindende Sondierungs- und Identitätsbildungs-

prozesse nach sich ziehen musste.84

Noch weniger geeignet, auf längere Sicht ekklesialen Frieden zu stiften,

waren freilich von kaiserlicher Seite oktroyierte Entscheidungen. Ebenso wenig

trugen begleitend eingeleitete Sanktionsmethoden, wie Zwangsexilierung und

Lehrverbot, die den oft zähneknirschend akzeptierten Kompromissen, respektive von

kaiserlicher Seite erzwungenen Autoritativentscheidungen, flächendeckend zur

Durchsetzung verhelfen sollten, zum Gelingen dauerhafter Orthodoxie und

Kircheneinheit bei. Mögen solche Prozeduren kurz nach einem Konzil mitunter auch

die vordergründige Katholizität der Entscheidungen bewirkt haben, unter der

82 Wenngleich hier strikt im Sinne der sprachanalytischen Tradition der angelsächsischen Philosophie die Definition des argumentum ad verecundiam im Artikel zu „informal fallacies“ verhandelt wird, siehe: Audi, Robert (Hrsg.): The Cambridge Dictionary of Philosophy, Cambridge 22009, S.433-434.

83 Mit dem Konzept einer dialektischen Entwicklung der verschiedenen theologischen Positionen und „Parteien“ rekurriere ich auf die Wissenssoziologie Peter L. Bergers und Thomas Luckmanns, sowie auf George H. Meads sozialpsychologische Identitätstheorie. Sowohl die Überlegungen Berger/Luckmanns in ,Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit’ – im Anschluss an die Anthropologie des frühen Karl Marx – als auch Meads Leitgedanken in ,Geist – Identität – Gesellschaft’ bauen auf Friedrich Hegels Konzept von (sozialer) Dialektik auf, wie dieser es in seiner ,Phänomenologie des Geistes’ am Beispiel der Herr-Knecht-Relation entwickelt hatte. Siehe dazu: Jörisson, Benjamin: George Herbert Mead: Geist, Identität und Gesellschaft aus der Perspektive des Sozialbehaviorismus, in: Jörisson, Benjamin – Zirfas, Jörg (Hrsg.): Schlüsselwerke der Identitätsforschung, Wiesbaden 2010, S.87-108. Außerdem: Berger, Peter L. – Luckmann, Thomas: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, 2009, S.1-20.

84 Vom sozialpsychologischen Standpunkt aus beurteilt handelt es sich hier um das mittlerweile gut dokumentierte und allgemein anerkannte Phänomen der gruppendynamischen Verstärkung, bzw. Polarisation, das während gruppenbasierten Entscheidungsprozessen von hoher Bedeutung ist. So ließ sich unter anderem nachweisen, dass die in einer Gruppensituation gefällten Entscheidungen in der Regel extremer ausfallen als die Entscheidungen einzelner Probanden vor der Gruppenphase. Siehe: Sader, Manfred: Psychologie der Gruppe, München 92008, S.17.

24

Page 25: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

Oberfläche brodelten die konkurrierenden Machtansprüche der unterschiedlichen

Parteien meist weiter.

Wo allerdings den kirchenpolitischen Maßnahmen der Kaiser während der

trinitarischen Kontroversen des 4. Jahrhunderts immerhin noch ein relativer Erfolg

beschieden war und sich durch die mit großem Nachdruck geführte Konzilienpolitik

immer wieder eine weitgehende Einheit der Kirchentümer herzustellen ließ,

scheiterte das „Unternehmen Staatskirche“ im 5./6. Jahrhundert, also gerade zu

Lebzeiten des Autors des CD, zusehends. Zumal im griechischen Osten des Reiches,

wo – abgesehen vom donatistischen Schisma in Nordafrika – theologischer Konsens

in den entscheidenden dogmatischen Fragen durchgehend schwerer zu haben war als

im lateinischen Westen, hatte die kaiserliche Kirchenpolitik nun zu einem

erheblichen Teil kontraproduktive Auswirkungen auf die Kircheneinheit.

Ein Datum von entscheidender Bedeutung bildet in diesem Zusammenhang

das vierte ökumenische Reichskonzil, das im Jahre 451 vom oströmischen Kaiser

Markian und seiner Frau Pulcheria nach Chalkedon in Bithynien einberufen wurde.

Ziel des größten und bestdokumentiertesten Konzils der Alten Kirche war es, die

bestehenden christologischen Streitigkeiten zwischen Miaphysiten und Dyophysiten

zu beenden, die sich in den zurückliegenden Jahrzehnten sukzessive zu einer ernsten

Bedrohung der kirchlichen Einheit und des innenpolitischen Frieden des Reiches

zugespitzt hatten.

Ausgelöst durch den Nestorianischen Streit der Jahre 428-431 hatten sich die

bis dato unter der Oberfläche einer scheinbaren, dogmatischen Kircheneinheit

verborgen, christologischen Meinungsverschiedenheiten erstmals zu einer offenen

Auseinandersetzung von ökumenischen Ausmaßen aufgeschaukelt. Besonders brisant

war diese Entwicklung, da hier – wie schon im Arianischen Streit ein Jahrhundert

zuvor – dogmatisch-theologischen Meinungsverschiedenheiten mit erbittert

geführten innerkirchlichen Machtkämpfen zu einem schwer durchsichtigen Problem-

komplex verschränkt waren.

Weder die von Kaiser Theodosius II. initiierte, jedoch desaströs gescheiterte

Reichssynode von Ephesus im Jahre 431, noch die zwei Jahre später folgende

Unionsformel von 433, die ebenfalls einen reichsoffiziell sanktionierten Schlicht-

ungsversuch darstellte, vermochten die Hitze der Kontroverse erfolgreich

abzukühlen. Faktisch herrschte seit 431 beständig ein tiefschneidender Dissens

zwischen Miaphysiten und Dyophysiten, dessen völlige Eskalation nur mit Mühe

25

Page 26: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

zurückgehalten werden konnte. Von einer dogmatischen und darauf gründend einer

ekklesialen Einheit des Reiches konnte seither jedenfalls nur noch eingeschränkt die

Rede sein.

Unmittelbar vor Chalkedon verschärfte sich die Situation nun ein weiteres

Mal. War der bestehende Dissens der beiden Parteien, inklusive der jeweils implizit

mitverhandelten Machtansprüche der Patriarchate, für beinahe 20 Jahre weitgehend

unter der Oberfläche des Tagesgeschäftes verborgen geblieben, so brach dieser im

Eutychianischen Streit der Jahre 448-451 erneut offen und noch dazu in qualitativ

gesteigerter Form hervor.

Steigerung erfuhr das einheitsgefährdende Konfliktpotenzial der Kontroverse

dabei insbesondere durch die sich im Vergleich zum Nestorianischen Streit verän-

dernde Rolle Roms. Anders als während des Nestorianischen Streits, in dessen

Rahmen der römische Bischof lediglich als Allianzpartner Alexandrias aufgetreten

war, um sich gegen Konstantinopels Ansprüche als gleichrangige Appellationsinstanz

zu behaupten, bildete Rom nun eine eigenständige Größe, die sowohl für eine eigene

theologische Konzeption einstand, sowie expliziten Anspruch auf das inner-

kirchliche Jurisdiktionsprimat erhob. Letzteres wurde erheblich von der Ratlosigkeit

Theodosius' II. begünstigt, der sich selbst an die Autorität des römischen Bischofs

gewandt hatte.

Nicht weniger als die Wiederherstellung der Kircheneinheit und damit

untrennbar verknüpft die Bewahrung des inneren Friedens des Reiches standen

demnach im Fokus der Zielsetzung, als direkt nach dem Tod Theodosius' II. im Juli

des Jahres 450 seine Schwester, die neue Kaiserin Pulcheria und ihr Ehemann Kaiser

Markian die notwendigen Vorbereitungen für eine Reichssynode trafen. Erreicht

werden sollte dieses Ziel über die Zurückweisung der als häretisch aufgefassten

Extreme des radikal dyophysitischen Nestorianismus auf der einen und des radikal

miaphysitischen Eutychianismus auf der anderen Seite.

Auf den ersten Blick mochte das Ergebnis der Synode durchaus noch nach

einem gelungenen Kompromiss, einer dogmatischen Ausgleichshandlung zwischen

den jeweils gemäßigten Anhängern des Miaphysitismus und des Dyophysitismus

aussehen. Genauer betrachtet enthielt die 27 Glieder umfassenden Lehrformel des

Chalkedonese allerdings unter dem Anschein diplomatischer Ausgeglichenheit eine

klare dyophysitische Konzession der kaiserlichen Kommission an die Adresse Roms,

die damit die Kompromissbereitschaft der vor allem in Westsyrien, Palästina und

26

Page 27: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

Ägypten zahlenmäßig dominierenden Miaphysiten dramatisch überschätzt hatte.

Nachdem die machtpolitische Souveränität des westlichen Reichsteils in den

letzten Jahrzehnten zunehmend an Stabilität verlor, hoffte das Kaiserpaar Pulcheria

und Markian ihren Einfluss im Westen über kirchliche Strukturen weiterhin aufrecht

erhalten zu können und wollte deshalb auf keinen Fall ein Schisma mit der

Westkirche und deren profiliertem Oberhaupt, dem Bischof von Rom, riskieren. Das

Resultat war katastrophal. Letztlich gelang es weder, zwischen den dogmatisch

zerstrittenen Parteien zu vermitteln, noch eine Regelung des theologischen und

ekklesialen Jurisdiktionsverhältnisse der Patriarchate zu etablieren. Trotz seiner

später für die orthodoxe, katholische und auch evangelische Kirche konstitutiv

Bedeutung, manifestiert das Chalkedonese nicht zuletzt auch eine dogmatisierte

Problemanzeige, ein Symbol der bis heute unauflöslich gebliebenen Differenz

zwischen Miaphysiten und Dyophysiten.

Trotz dem Einsatz des üblichen Unterdrückungsinstrumentariums gegen die

Abweichler war es Kaiser Markian und seinen Nachfolgern nicht mehr möglich, eine

übergreifende Kircheneinheit zu realisieren. Zwar approbierte der Westen die

Beschlüsse der Reichssynode bis auf das 28. Glied der Lehrformel, das Konstan-

tinopel als gleichrangige Appellationsinstanz vorsah, einspruchslos, im Osten aber

provozierte das Chalkedonese auf Dauer schismatische Verhältnisse.

In der Folge mussten sich die Regenten des Ostens jeweils zu dieser

innerkirchlichen Disharmonie verhalten und befanden sich damit in vielerlei Hinsicht

in einer kirchenpolitischen Zwickmühle. Dass die zerbrochene kirchliche Einheit in

der Tat auch staatspolitischen Sprengstoff barg, wird besonders im Bezug auf die

Usurpation des Basiliscus deutlich, der sich im Jahr 475 gegen Kaiser Zenon erhoben

hatte. Sein vorübergehender Erfolg begründete sich nicht zuletzt auf der durch ihn

vertretenen Rücknahme des Chalkedonese, die ihm die Unterstützung der zahl-

reichen und, wie gesagt, in machen Teilen des Ostreiches dominierenden Anhänger

des Miaphysitismus sicherte.

Im Jahr 482 sah sich Kaiser Zenon schließlich nach wiedererlangter

Herrschaft endgültig dazu gezwungen, den Miaphysiten entgegenzukommen, um

seine Herrschaft für die Folgezeit zu sichern. Deshalb erklärte er das Henotikon, eine

vom konstantinopolitanischen Patriarchen Acacius formulierte Einigungsformel zum

Reichsgesetz. Auch diese kirchenpolitische Maßnahme offenbarte nur die dilem-

matische Situation der Machthaber. Zwar sicherte das Henotikon dem Kaiser die

27

Page 28: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

innenpolitisch dringlich nötige Unterstützung der Miaphysiten, durch deren

Profilierung sich auf der anderen Seite aber wiederum der Widerstand der Verfechter

des Chalkedonese konsolidierte und im Jahr 484 schließlich sogar zur formalen

Aufkündigung der Kircheneinheit durch den römischen Bischof Felix III. führte. Das

nach dem konstantinopolitanischen Patriarchen benannte Acacianische Schisma

zwischen Ost- und Westkirche hatte weit über den Tod Kaiser Zenons bis ins Jahr

518 Bestand.

Erst die von Justin I. begonnene und von seinem Neffen Justinian erfolgreich

weitergeführte und erweiterte Restaurationspolitik erreichte zumindest wieder eine

vorübergehende Verständigung mit der Westkirche. Unter dem Vorzeichen des Neo-

chalkedonismus, der die Erweiterung des Chalkedonese durch die theopaschitische

Formel „einer aus der Trinität ist inkarniert und hat im Fleisch gelitten“85 vorsah,

revidierte Justin I. das Henotikon, das nach heftigen Widerständen des konstantino-

politanischen Kirchenvolkes unhaltbar geworden war.

Machtpragmatisch gesehen war diese Maßnahme fruchtbarer Boden für

Justinians wenige Jahre später folgende Rückeroberungspolitik des Westen. Der

römische Bischof Hormisdas hatte sich 518 der neuen dogmatischen Sprachregelung

unter der Bedingung der posthumen Verdammung der Kaiser Zenon und Anastasios

I., den Unterstützern des Henotikons, sowie der Bekräftigung der Bekenntnisformel

gegen Nestorianismus und Eutychianismus angeschlossen und ermöglichte mit

diesem diplomatischen Zug die Wiederherstellung der Kircheneinheit.

Durchsetzen ließ sich der klar anti-miapysitisch gerichtete Erneuerungskurs

allerdings nur unter Rückgriff auf rigorose Unterdrückungs- und Verfolgungs-

maßnahmen von reichsoffizieller Seite durch einen Kaiser, der sich selbst als Gottes

Repräsentant auf Erden und damit zur autoritativen Entscheidung theologisch-

dogmatischer Wahrheitsfragen berufen sah. Systematisch wurden miaphysitische

Bischöfe und Kleriker abgesetzt, verfolgt und exiliert.

Als die jedoch die miaphysitische „Partei“ Konstantinopels Kaiser Justinian

während des Nikaia-Aufstandes im Jahr 532 ihre Loyalität zusicherte, lenkte dieser

ein und lud noch im selben Jahr zu einem Religionsgespräch nach Konstantinopel,

das eine Duldung des Miaphysitismus zum Ergebnis hatte – wenn dieser Kompro-

miss auch nur für überschaubare Zeit Geltung besaß. Da eben zu jenem Anlass das

85 Zu dieser Übersetzung siehe wiederum: Hauschild, Wolf-Dieter: Alte Kirche und Mittelalter, 2007, S.201.

28

Page 29: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

CD erstmals Gegenstand öffentlicher Diskussion wurde und dieses Datum demnach

mit Sicherheit nach dem terminus ad quem der Abfassung der Schriften einzuordnen

ist, kann eine Darstellung der imperialen Kirchenpolitik an dieser Stelle verbleiben.

Insgesamt gesehen bestätigt sich, was ich zu Beginn der Untersuchungen des

religiokulturellen Makrokontextes bereits angedeutet hatte: Den Kaisern standen

keine suffizienten, ihrer Aufgabe adäquaten, politischen Mittel zur Verfügung, um

der fortschreitenden dogmatisch-theologischen Entfremdungsdynamik innerhalb des

Christentums – insbesondere zwischen den Extrema des Miaphysitismus und

Dyophysitismus – effektiv entgegenwirken zu können. Mit dem Verzicht auf das den

altrömischen Imperatoren qua kaiserlicher Titulatur anvertraute Amt des pontifex

maximus erlitten die christlichen Augusti einen Verlust an Sakralität, der sich in

kirchenpolitischen Belangen nicht vollständig kompensieren ließ. Erschwerend kam

die zunehmende Politisierung der christlichen Religion hinzu, die den notwenig

gewordenen, diskursiven Entscheid über glaubensbasierte Wahrheitsfragen nach und

nach zu einem mit allen Mitteln ausgetragenen Kampf der Patriarchate um die

gesamtkirchliche Vormachtstellung zuspitzte. In konstruktiver Aufnahme der

diskurstheoretischen Gedanken Michel Foucaults liegt es meiner Ansicht nach nahe,

diesbezüglich von einer in der Tat unentwirrbaren Verstrickung von menschlichem

Wahrheitsstreben und dem „allzumenschlichen“ Willen zur Macht zu sprechen, die

den diskursiven Raum der Orthodoxie regelmäßig in die Arena eines erbitterten

„Kirchenkampfes“ verwandelte.86 Der unbekannte Autor sah sich also mit der

prekären Situation eines „herrenlos“ gewordenen und sich zunehmend entzweienden

Diskurses konfrontiert, in den hinein er sein Werk verfasste musste.

4.2. Die religions- und bildungspolitische Maßnahmen der Kaiser

Im Zuge der christlichen Symbolmonopolisierung des Reiches gesellte sich –

wie bereits zu Beginn dieses Abschnitts festgehalten – neben die kirchenpolitische

Aktivität der Kaiser ein zweiter, wechselseitig bedingter Bereich der Religions- und

Bildungspolitik. Er betraf den Umgang mit Anhängern und Repräsentanten paganer

Kulte, Religionen und philosophisch-weltanschaulicher Lehren.

Soweit die Kaiser diesem Aufgabenbereich gemäß einer überwiegend

repressiven oder gar radikal anti-paganen Gesinnung begegneten – was ab Ende des

86 Zu Foucaults Konzept des „wahren Diskurses“, der „seit den Griechen“ eine unauflösbare Verschränkung des „Willens zur Wahrheit“ mit dem menschlichen Streben nach Macht darstellt, siehe: Foucault, Michel: Die Ordnung des Diskurses, 2010, S.16-17.

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Page 30: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

5. Jahrhunderts die vorherrschende Haltung der Kaiser zu treffen scheint – erwiesen

sich die entsprechenden religions- und bildungspolitischen Maßnahmen im

Gegensatz zur stets problembehafteten Kirchenpolitik als weitgehend zielführend

und effektiv:87 Im Rahmen eines bis weit ins 6. Jahrhundert währenden, langsamen

aber stetigen Christianisierungsprozesses wurden bekennende Heiden beinahe restlos

aus führenden Positionen in Politik, Bildung und Militär verdrängt, oder zur Kon-

version gezwungen.88

In diesem Zusammenhang sei exemplarisch die vita des alexandrinischen

Philosophen Horapollon erwähnt, der unter dem Eindruck der im Jahr 484 von

Kaiser Zenon initiierten Heidenverfolgung gezwungenermaßen zum Christentum

übertrat und abata, heidnische Kultplätze, verriet.89 Ähnlich wie Horapollon dürfte es

wohl vielen gesellschaftlich profilierten Heiden ergangen sein.

Ferner wurden im Rahmen der kaiserlichen Religionspolitik explizit-pagane

Kulturanteile, wie etwa nicht-christlicher Kulte, Religionen und philosophisch-

weltanschauliche Lehren entweder bis zur Bedeutungslosigkeit marginalisiert und

schließlich ganz verdrängt, oder aber sie gingen im Kontext der interpretatio

christiana in einer Vielzahl an christlich übergeprägten Synkretismen auf.90

Dergestalt wurde seinerseits aber auch das Christentum in einem synchron

verlaufenden Prozess der Inkulturation durch die von ihm assimilierte pagane Kultur

von innen heraus „hellenisiert“.

Trotzdem – oder gerade auch deshalb – ließ sich auch im Bezug auf das

pagane Erbe des Christentums der diskursive Raum der Orthodoxie nie eindeutig und

für alle Zeiten gültig festlegen und gegen Häresien abgrenzen. Dabei setzte sich in

der Unsicherheit der Unterscheidung von Orthodoxie und paganisierender Häresie

lediglich die prinzipielle Unschärfe der Grenzmarkierung zwischen christlicher und

römisch-hellenistischer Kultursphäre fort. Kategorisch zu trennen waren beide

87 Wenn sich die Ausführungen hier auch meist auf die Reichshauptstadt Konstantinopel konzentrieren, bietet Heinrich Schlange-Schöningen dennoch nützliche Hinweise zum Thema der Christianisierung des Bildungswesens. Siehe: Schlange-Schöningen, Heinrich: Kaisertum und Bildungswesen im spätantiken Konstantinopel, Historia Einzelschriften 94, Stuttgart 1995, S.141ff.

88 Ibid. S.141; 148.89 Ibid. S.153.90 Hervorzuheben ist die erste intensive „Welle“ dezidiert anti-paganer Religionspolitik durch

Theodosius I., in dessen Regierungszeit unter anderem die Zerstörung des Serapeums in Alexandria, die Schließung heidnischer Orakelstätten (z.B. Delphi), das Verbot der eleusinischen Mysterien, ebenso wie das Ende der Olympischen Spiele der Antike fällt. Sein Enkel Theodosius II. befielt 426 gar die Zerstörung aller heidnischen Tempel im Osten. Siehe: Hauschild, Wolf-Dieter: Alte Kirche und Mittelalter, 2007, S.156-157.

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Page 31: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

Sphären schon allein deshalb nicht, weil sich das Christentum bereits von seinen

frühesten Anfängen an maßgeblich im römisch-hellenistischen Mittelmeerraum

entwickelt und ausgebreitet hatte.

Als theoretisches Fundament einer solchen, makroskopisch angelegten

Geschichtsbetrachtung ist noch immer Adolf von Harnacks These zur „Helleni-

sierung des Christentums“91 hilfreich; wenn diese auch ihres normativen Gewandes

entkleidet, d.h. in ihrem „neureformatorischen“ Anspruch entschärft werden muss

und über die Grenzen der Dogmenkritik hinweg für eine allgemein kulturgeschicht-

liche Perspektive fruchtbar zu machen ist. Ohne dabei die jüdische „Volksfrömmig-

keit“ als religiöse Matrix des Christentums in Zweifel ziehen zu wollen, ist in diesem

Sinne Matthias Lutz-Bachmann recht zu geben, wenn er in seinem Aufsatz ,Helleni-

sierung des Christentums?’ konstatiert: „Schon das Judentum der Zeit Jesu sei, wie

auch die Schriften des Neuen Testaments zeigen, nachhaltig durch die geistige

Signatur des hellenistischen Zeitalters bestimmt.“92

Zwischen den Extrema der christlichen Orthodoxie auf der einen Seite und

möglichen paganisierenden Häresien auf der anderen Seite bestand so zu allen Zeiten

eine Art diskursiver Graubereich, ein Grenzstreifen, geistiges „Kulturland“, dessen

Zugehörigkeit, bzw. Zuschreibung, sich gekoppelt an die Transformationsdynamik

des Zeitgeistes stets verändern konnte. Dass sich gerade intellektuelle Christen dieses

religiokulturellen Graubereichs nur allzu bewusst waren, beweist nicht zuletzt der

berühmt gewordene Traumbericht des Hieronymus', der sich angeblich in einem

Nachtgesicht Gottes höchstrichterlicher Anklage ausgesetzt sah, er sei kein Christ,

sondern vielmehr ein Ciceronianer.93

Unter keinen Umständen wollten sich christliche Theologen auf der dem

diskursiven Raum christlicher Orthodoxie abgewandten Seite, also auf dem als

häretisch gebrandmarkten „Hoheitsgebiet“ der heidnischen Kultursphäre verortet

91 Von Harnack schreibt exemplarisch: „Das Einströhmen des Griechentums, des griechischen Geistes, und die Verbindung des Evangeliums mit ihm ist die größte Thatsache der Kirchengeschichte des 2. Jahrhunderts und sie setzt sich, grundlegend vollzogen, in den folgenden Jahrhunderten fort.“ Siehe: von Harnack, Adolf: Das Wesen des Christentums. Sechzehn Vorlesungen vor Studierenden aller Fakultäten im Wintersemester 1899/1900 an der Universität Berlin, hrsg. v. Claus-Dieter Osthövener, Tübingen 2005, S.115, Z.30-33.

92 Lutz-Bachmann, Matthias: Hellenisierung des Christentums, in: Colpe, Carsten – Honnefelder, Ludger – Lutz-Bachmann, Matthias (Hrsg.): Spätantike und Christentum: Beiträge zur Religions- und Geistesgeschichte der griechisch-römischen Kultur und Zivilisation der Kaiserzeit, München 1992, S.83, Z.27-29.

93 Siehe: Müller, Roman: Sprachbewusstsein und Sprachkonvention im lateinischen Schrifttum der Antike, Zetemata – Monographien zur Klassischen Altertumswissenschaft, Heft III., München, 2001, S.71-72.

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Page 32: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

wissen. Schmerzlich waren einige sich dennoch im Klaren darüber, wie unleugbar

nahe sie diesem mit manchen ihrer Gedanken, Überzeugungen und insbesondere

ihrer intellektuellen Vorlieben standen.

Dergestalt perpetuierte sich Tertullians neuralgische Frage, „was nun Athen

mit Jerusalem zu schaffen habe, was die Akademie mit der Kirche, was die Häretiker

mit den Christen“94, zu einer stets virulenten Bekenntnisfrage, an der sich jede Zeit

abzuarbeiten hatte.

Was nun die Religionspolitik der Kaiser zu Lebenszeiten des unbekannten

Verfassers angeht, so zeichnete sich diese durch eine mit unvermindertem Nachdruck

geführte Reinigungs- und Abgrenzungsstrategie aus, deren erklärtes Ziel die

Verwirklichung der totalen christlich-codierten Symbolmonopolisierung des oströ-

mischen Territoriums war. Auf der einen Seite traten dadurch die Grenzmarkierungen

zwischen christlicher und paganer Wirklichkeitssphäre immer deutlicher hervor. Auf

der anderen Seite unterlag der eben beschriebene geistig-kulturelle Graubereich

einem nachhaltigen Schrumpfungsprozess.

Besonders anschaulich – wenn auch einige Jahre nach der Abfassung des CD

– offenbart sich diese Tendenz Mitte des 6. Jahrhunderts an der posthumen

Anathematisierung des Origenes' und der im selben Zuge erfolgenden Vernichtung

eines Großteils seiner Schriften. Kaiser Justinian I., der persönlich in diesem

„Häresieprozess“ auf der Seite der Richter auftrat, lässt sich aus seinem ,Edictum

contra Origenem’ mit den richtungsweisenden Worten zitieren: „Was nämlich

anderes als das durch Platon Gesagte, der den Unsinn der Griechen verbreitete, legte

Origenes vor?“95 An diesem Beispiel zeigt sich nunmehr, dass sich der Grenzstreifen

zwischen christlicher Orthodoxie und paganisierender Häresie mitunter auch zu

Ungunsten des gesamten Werkes eines der über Jahrhunderte hinweg einfluss-

reichsten Theologen verschieben konnte.

Auch war es gerade einmal ein gutes Jahrzehnt her, als Kaiser Justinian I.

angetrieben von einem anti-paganen furor im Jahr 529 ein striktes Lehrverbot für

Damaskios, den letzten „diadochos Platons“96, und die übrigen Philosophen der

94 Siehe: Honnefelder, Ludger: Christliche Theologie als „wahre Philosophie“, in: Colpe, Carsten – Honnefelder, Ludger – Lutz-Bachmann, Matthias (Hrsg.): Spätantike und Christentum: Beiträge zur Religions- und Geistesgeschichte der griechisch-römischen Kultur und Zivilisation der Kaiserzeit, München 1992, S.55, Z.1-3.

95 Suchla, Beate R.: Verteidigung eines platonischen Denkmodells einer christlichen Welt, 1995, S.13, Z.12-13.

96 Beierwaltes gebraucht die Bezeichnung des „diadochos Platons“ für Proklos, für den sich ja das Cognomen „diadochos“ nachweisen lässt. Versteht man den Begriff synonym zum Scholarch (der

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Page 33: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

Akademie ausgesprochen hatte – was faktisch das endgültige Aus für Athens

traditionsreichste „Bildungsanstalt“ bedeutete. Nicht umsonst projizierte Justinian I.

seinen anti-hellenistischen furor auch auf die Akademie, war es doch die

neuplatonische „Vereinigungs- und Erlösungsphilosophie,“97 die besonders in

Intellektuellenkreisen eine ernstzunehmende Konkurrenz für das ihr gedanklich

nahestehende christlich-theologische Lehrgebäude darstellte.98

Auf der anderen Seite war vielleicht gerade auch eine Mischung aus

intellektuellem Respekt und geistiger Wahlverwandtschaft von Seiten gebildeter

Christen dafür verantwortlich, dass die Akademie bis ins 6. Jahrhundert hinein relativ

unbehelligt blieb. Schon Augustin hatte in seiner Schrift ,De vera religione’ (IV 7,23)

über zeitgenössische Neuplatoniker durchaus anerkennend bemerkt, „sie bräuchten

nur wenige Worte und Ansichten zu ändern, um selbst Christen zu werden (paucis

mutatis verbis atque sententiis Christiani fierent), wie es denn auch die meisten

Platoniker der jüngeren Zeit getan hätten.“99

Bis zuletzt aber tat sich die Akademie selbst – ungeachtet der damit

verbundenen Gefahren – durch eine erklärtermaßen kritische Haltung gegenüber dem

Christentum hervor.100 Für Zeitgenossen dürfte es daher kaum mehr Wunder

genommen haben, dass sich ein christlicher Kaiser, der sich offenbar für den

legitimen „Mandatar“ Gottes auf Erden hielt, in dieser Sache provoziert sah, ein

Zeichen rigoroser Nicht-Duldung zu setzten.

Abschließend gesprochen kündigte sich also zu Lebzeiten des Autors der

aeropagitischen Schriften ein Übergang der christlichen Symbolmonopolisierung in

ihre letzte und entscheidende Phase an. Der knapp 200 Jahre währende

„Kulturkampf“ konzentrierte sich nunmehr auf die vollständige Ersetzung der

heidnischen Intelligenz101 durch Christen.102 Derart wurde die religiokulturelle

Athener Akademie), so kann man Damaskios den letzten „diadochos Platons“ nennen. Vgl. dazu: Beierwaltes, Walter: Procliana. Spätantikes Denken und seine Spuren, Frankfurt am Main 2007, S.9, Z.1.

97 Zum Terminus der Vereinigungsphilosophie siehe: Heinrich, Dieter: Hegel im Kontext. Mit einem Nachwort zur Neuauflage, Frankfurt am Main 2010, S.19. Die Bezeichnung der Erlösungsphilosophie stammt von Suchla. Siehe: Suchla, Bettina R.: Dionysius Areopagita, 2008, S. 33-35.

98 Ibid.99 Zitiert nach: Schupp, Franz: Geschichte der Philosophie im Überblick Bd.2. Christliche Antike und

Mittelalter, Leipzig 2003, S.63, Z.20-22.100 Suchla spricht sogar von einer „traditionell christenfeindlichen” Haltung der Akademie. Siehe:

Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.24, Z.16.101 Ich verwende die Kollektivbezeichnung der gesellschaftlichen Intelligenz in einem neutralen,

nicht-marxistischen Sinne.102 Heinrich Schlange-Schöningen rechnet in seiner Studie über die kaiserliche Bildungspolitik im

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Page 34: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

Grenzmarkierung unweigerlich auf Kosten der Anschlussfähigkeit genuin pagan-

philosophischer Einflüsse an die diskursive Sphäre der Orthodoxie verschoben und

durch ein komplexes Raster an Verbots- und Ausschlussprozeduren konserviert.103

5. Das Pseudonym und die autorspezifische Agenda des CD

5.1. Das Minimalziel des Autors

Vor dem eben skizzierten Hintergrund der religiokulturellen Zeitgeschichte

lässt sich nun die exakte Agenda und die mit ihr untrennbar verwobene

Pseudonymität des Schriftenkorpus' entfalten.

Schon die reine Tatsache der Pseudonymität des Werkes weist unmissver-

ständlich auf die durch den unbekannten Autor selbst diagnostizierte, bzw.

antizipierte Verortung seiner philosophisch-theologischen Gedankenwelt im hochge-

ladenen Spannungsfeld eines „Kulturkampfes“ zwischen dem prosperierenden

Christentum und einer im ausgehenden 5. Jahrhundert bereits im Absterben

begriffenen paganen Religions- und Bildungskultur. Und in der Tat: das CD fällt

exakt in eben jenen noch nicht abschließend definierten, kulturellen „Grenzstreifen“

und war damit, wie beschrieben, unmittelbar von dessen fortschreitender Schrum-

pfung bedroht. Jederzeit konnte die geistig-religiöse Heimat des Autors den

Abgrenzungs-, Tabuisierungs- und Ausschlussprozeduren des orthodoxen Diskurses

anheimfallen – wenn ihr dieses Schicksal nicht (insgeheim) schon zuteil geworden

war.

Was daher das Minimalziel der Agenda des CD angeht, so war dem Autor

daran gelegen, speziell (neu-)platonisch präfigurierte Gedankenstrukturen und

Glaubenspraktiken – die neben der christlichen Tradition zu den inkommensurablen

Konstituenten seiner reichhaltigen, religiokulturellen Lebenswelt zählten – im

christlichen Mainstream-Diskurs zu platzieren und so in einer historischen Situation

existentieller Bedrängung vor der Marginalisierung zu bewahren, oder gar zu

rehabilitieren.

spätantiken Konstantinopel bereits für das ausgehende 5. Jahrhundert damit, dass zumindest in Konstantinopel alle offiziell anerkannten Lehrstühle mit Christen besetzt waren. Das eingangs genannte Beispiel des während der Heidenverfolgung am Ende des 5. Jahrhunderts zum Christentum konvertierten alexandrinischen Philosophen Horapollon weist jedoch auf die induktive Erweiterbarkeit der konstantinopolitanischen Zustände zu einer umfassenderen Tendenz hin: An der Schwelle des 5. zum 6. Jahrhundert steht die heidnische Intelligenz im Osten des Reiches kurz vor ihrer restlosen Ablösung durch Christen. Siehe dazu: Schlange-Schöningen, Heinrich: Kaisertum und Bildungswesen im spätantiken Konstantinopel, 1995, S.141.

103 Zum begrifflichen Instrumentarium der Verbots- und Ausschlussprozeduren und ihrer Anordnung in einem komplexen Raster siehe: Foucault, Michel: Die Ordnung des Diskurses, 2010, S.11-12.

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Page 35: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

Demzufolge diente dem unbekannten Verfasser sien Pseudonym als eine Art

Trojanisches Pferd, eine Larve unter der er heterodoxes/häretisierendes104

Gedankengut – das er vorher anonymisiert oder seinerseits wie im Falle der

,Theologischen Grundlehren’ des mysteriösen Hierotheus chiffriert hatte –

unbemerkt zwischen den Kontroll- und Selektionsmechanismen des orthodoxen

Diskurses hindurch schleusen konnte. Gelänge ihm sein ambitioniertes

„Rückdatierungsprojekt“, erreichte also der unter Zuhilfenahme fiktiver Apostolizität

beanspruchte Heiligkeitsstatus seiner Schriften katholische Geltung, würde die

gesamte platonische Tradition seit dem ersten Jahrhundert nach Christus als

depravierende Rezeptionsgeschichte der wahren christlichen Lehre einholbar, wie der

Autor sie im CD vorgelegt hatte.

In die Richtung eines kontrafaktischen, intertextuellen Abhängigkeitsverhält-

nisses der proklischen Philosophie vom CD sollte jedenfalls wenig später schon

Johannes Philoponos als einer der ersten Kommentatoren der areopagitischen

Schriften argumentieren, wobei er sich in seiner Interpretation auf die Selbstaussage

des VII. Briefes verlassen konnte.105

Weshalb aber lancierte der Verfasser sein Werk ausgerechnet unter dem

Pseudonym des Athener Ratsherrn Dionysius Areopagita? Wodurch wurde seine

Wahl begünstigt? Drei Aspekte lassen sich nennen: Erstens bot sich die

„Personalakte“ des Areopagiten dem Autor rein pragmatisch gesehen als ein beinahe

„unbeschriebenes Blatt“ an, das er nach Belieben ausfüllen, interpretieren und

(be-)deuten konnte. Anders formuliert: Die hinsichtlich der realen Existenz des

Areopagiten herrschende Informationsarmut gewährte dem Verfasser größtmöglichen

Spielraum, um eine partielle Neu-, bzw. Uminszenierung der christlichen Urge-

schichte zu entwerfen. Was zu Lebzeiten des Verfasser über Dionysius bekannt war,

beschränkte sich auf die Nachricht seiner Bekehrung durch Paulus, wie sie in der

104 Aus der Sicht des Verfassers des CD beurteilt, handelte es sich freilich keinesfalls um heterodoxes, bzw. häretisierendes Gedankengut, sondern um Gedankengut, von dem er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen konnte, dass es im diskursiven Raum der Orthodoxie keine Zustimmung finden würde, solange er es unchiffriert kommunizierte.

105 Zu seiner Apologie veranlasst wurde Johannes Philoponos durch die Synode von Konstantinopel auf der die Abhängigkeit des CD von Proklos vermutlich zum ersten Mal ins Gerede gekommen war. Siehe dazu: Suchla, Beate R.: Verteidigung eines platonischen Denkmodells einer christlichen Welt, 1995, S.11-12. Weiter ist anzunehmen, dass sich Johannes Philoponos an die rechtfertigende Haltung des VII. Briefes (Ep. VII. 1080 Bf.) anlehnt, in dem es heißt: „Es sind Heiden, die sich in unfairer Weise der göttlichen Gaben als Waffen wider das Göttliche bedienen, indem sie nämlich die Weisheit, (die doch) von Gott (kommt), zu dem Versuch benutzen, die Ehrfurcht gegenüber Gott auszutreiben.“ Zur Übersetzung siehe: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.94, Z.20-23.

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Page 36: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

Apostelgeschichte überliefert wird, sowie zwei Notizen in Eusebius' Kirchen-

geschichte (III. 4,10; IV 23,3), die Dionysius als Apostelnachfolger und späteren

ersten Bischof Athens identifizieren.106

Trotz der spärlichen Informationslage aber, kam der Personaltradition

zweitens eine formidable Autorität zu, womit sie sich – was sicherlich den

bedeutsamsten Aspekt ausmacht – nach instrumentalen Gesichtspunkten hervor-

ragend eignete, in der diskursiven Sphäre der Orthodoxie als ein gewichtiges

argumentum ad verecundiam zu reüssieren.

Last but not least fand der unbekannte Verfasser in der Person des

konvertierten Heiden zusätzlich ein idealtypisches Symbol, eine glaubhafte Projek-

tionsfläche, auf die er seine eigene religiokulturelle Lebenssituation, inklusive seines

philosophisch-theologischen Programmes, zurückspiegeln konnte. Insofern kommt

an dieser Stelle zu den vorher ausgeführten, instrumental-pragmatischen Aspekten

ein programmatisch-identifikatorischer Aspekt hinzu. Selbstverständlich darf sich

eine Parallelisierung der vita des – trotz alledem – unbekannten Autors mit dem

Areopagiten an dieser Stelle nicht in vagen Spekulationen verlieren.107

Soviel aber ist sicher: Der Autor des CD setzte sich, wie erwähnt, in seinem

VII. Brief – ob prophylaktisch, oder aus bereits gegebenem Anlass – intensiv mit

dem Vorwurf des Vatermordes auseinander. Gemeint ist damit, dass der Verfasser

sich aus dem Lager der „originären“ Vertreter des Neuplatonismus, z.B. der Athener

Akademie, den Vorwurf gefallen lassen musste, sowohl das rituell-religiöse, als auch

das philosophische Erbe Platons an das Christentum verraten zu haben; und damit

metaphorisch gesprochen seinem geistigen Vater hinterrücks den Todesstoß versetzt

zu haben.

Er war sich also, wie oben bemerkt, vollkommen bewusst, wie nahe er der

paganen Kultursphäre stand, wie sehr er doch ein „Wanderer zwischen den Welten“108 war, und dass in seinem Systementwurf nicht etwa christliche Theologie Anleihen

106 Die ,Apostolischen Konstitutionen’, die ebenfalls eine Notiz zu Dionysius enthalten, scheinen mir nicht mehr als eine Elaboration des Textes aus Eusebius' Kirchengeschichte zu enthalten. Siehe dazu: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.15-16.

107 Eine solche Spekulation wäre z.B., ob der unbekannte Verfasser nicht selbst vielleicht ein zum Christentum konvertierter Neuplatoniker war. In diese Richtung haben denn bisher auch nicht Wenige argumentiert. Hathaway vermutet gar Damaskios oder seinen Freund und Schüler Heraiscus hinter der Maske des Areopagiten. Siehe: Hathaway, Ronald F.: Hierarchy and the definition of order in the Letters of Pseudo-Dionysius. A Study in the Form and meaning of the Pseudo-Dionysian Writings, Den Haag 1969, S.28-29.

108 So lautet der Untertitel eines Aufsatzes von Helmut Thielicke über Paul Tillich. Siehe: Thielicke, Helmut: Paul Tillich – Wanderer zwischen zwei Welten, in: Hennig, Karl (Hrsg.): Der Spannungsbogen. Festgabe für Paul Tillich zum 75. Geburtstag, Stuttgart 1961, S.9-24.

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Page 37: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

beim Neuplatonismus nahm, sondern vice versa Platon christianisiert und im

Jordanwasser getauft wurde.

Deshalb wird ihm der vormalige Heide Dionysius zur symbolhaften

Identifikationsfigur und zugleich erfährt dessen Bekehrungsgeschichte, in der

unüberhörbar Paulus' Areopagrede resoniert, programmatische Bedeutung: Der

unbegreifliche Gott der Akademie, ebenso wie der unbekannte Gott der Athener, sind

mit dem christlichen Gott zu identifizieren und zu bekennen! Gleichwohl – nur um

kein Missverständnis aufkommen zu lassen – es war nicht etwa die Intention des

Autors, mit seinen Schriften in den Kreisen paganer Philosophen Proselyten zu

werben, sondern, wie gesagt, umgekehrt heterodoxe/häretisierende109 Traditionen in

der diskursiven Sphäre der christlichen Orthodoxie einzuführen und dort fest zu

verankern.

3.2. Das Optimalziel des Autors

Allein mit der Konservierung seines eigenen geistigen Universums wollte es

der Autor dabei allerdings nicht bewenden lassen, sein Anspruch ging einen

bedeutenden Schritt weiter: Er wollte das Christentum von innen heraus reformieren,

es zum wahren Verständnis seiner selbst und vor allem zur Einheit rufen!

In einer freilich rein äußerlich zutreffenden Reminiszenz an Johann Gottlieb

Fichtes religionsphilosophisches Frühwerk ließe sich die Agenda des CD mit

einigem Recht als der „Versuch einer Kritik aller Offenbarung“ formulieren. Mit

anderen Worten schwebte dem Verfasser nichts weniger als eine kritisch-exegetische

Gesamtdeutung der christlichen Tradition vor, die in den konsistenten, aber vor allem

auch diskursiv belastbaren Systementwurf einer „summa theologia et philosophia

perennis“110 gegossen sein sollte. Dem Ergebnis seiner im wahrsten Sinne des Wortes

fundamental-theologischen Bemühungen ordnete der Verfasser dabei – wie gesagt –

sinngemäß das unbescheidene Prädikat der „wahren Lehre“111 zu.

Ungeachtet dessen entsprach seine Agenda keineswegs einer anderen

Auffassungen von Christentum gegenüber feindselig, hybrid oder besserwisserisch

aufgelegten Polemik, sondern einem irenischen, von wohlwollender Kompromiss-

109 Siehe dazu oben: S.35, Anm.104.110 Den meiner Auffassung nach wohl gewählten Begriff der „summa theologia et philosophia

perennis“ entnehme ich Suchlas Monographie. Siehe: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.32.

111 Siehe: VII. Brief (Ep. VII 1077 C)

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Page 38: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

bereitschaft gekennzeichneten Vermittlungs- und Reformversuch.112

Wichtig ist an dieser Stelle auch der Hinweis auf die weithin konsensfähige

Diagnose, dass sich das CD für keine der beiden prominenten christologischen

Richtungen, weder den Miaphysitismus, noch den Dyophysitismus stark macht –

wenn zu ersterer auch eine gewisse Nähe bestehen mag.113 Seine Stellungnahme zur

Christologie kommt eher einer Strategie konsequenter Kommunikationsverweig-

erung, bzw. symboltheoretisch grundgelegter Umkodierung des Problemfeldes

gleich, als einer irgendwie gearteten Parteinahme.

Aus der Perspektive der beiden Hierarchien (,De caelesti hierarchia’, ,De

ecclesiastica hierarchia’) betrachtet, lässt sich für diese wie auch die generelle

irenische Haltung anderen theologischen Überzeugungen gegenüber eine schlüssige,

werkimmanente Erklärung anführen:114 Für den Verfasser ist die Idee individueller

Vervollkommnung unlösbar an ein überwertiges Konzept ekklesialer Einheit und

Harmonie geknüpft.

„Rettung und Vergöttlichung“115 lassen sich allein in der gott-gestifteten,

kirchlichen Hierarchie erlangen, die im göttlichen Medium der Liebe von Gott auf

Gott zustrebt.116 Erhalten wird die Heiligkeitssphäre der Hierarchie durch den

112 Als Beispiel der irenischen Haltung des Autors eignet sich am besten ein Zitat aus dem VI. Brief (Ep. VI. 1077 Af.), der an den Presbyter Sopater adressiert ist: „Halte es nicht für einen Sieg, ehrwürdiger Sopater, eine Religion oder eine Anschauung, die Dein Missfallen erregt, in den Schmutz zu ziehen. Und glaube nur ja nicht, wenn Du sie in überlegener Manier ihres Irrtums überführen wirst, dann schlage das bereits für die Sache des Sopater positiv zu Buche. […] Wünscht Du, meinem Beispiel zu folgen, dann halte es so: Du hörst auf damit, gegen andere zu polemisieren.“ Zur Übersetzung siehe: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.93, Z.9-13; 18-19.

113 Ein gewichtiges Argument in diese Richtung stellt die Tatsache dar, dass sowohl der Scholist Johannes von Skythopolis, als später auch Maximus Confessor, die sich beide an prominenter Stelle für die Orthodoxie des Chalkedonese einsetzten, in den areopagitischen Schriften keine miaphysitischen Irrlehren ausmachen konnten. Siehe dazu: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita – ein Vater der Kirche, in: Arnold, Johannes – Berndt, Rainer – Stammberger, Ralf M. W.: Väter der Kirche. Ekklesiales Denken von den Anfängen bis in die Neuzeit, Paderborn 2004, S.314. Siehe auch: Ritter, Adolf, M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.120, Anm. 22. Anders sehen dies Wear und Dillon. Für sie ist die Christologie des unbekannten Verfassers „crucial for his relationship to the circle of Severus of Antioch“. Wobei sie für ihre These letztlich keine direkten Belege anführen. Siehe: Wear, Sarah K. - Dillon, John: Dionysius the Aeopagite and the Neoplatonist Tradition. Despoiling the Hellenes, Hampshire 2007, S.4, Z.19ff.114 Auch im VIII. Brief tritt die irenische Haltung des Verfassers deutlich zu Tage. Hier weist der

Verfasser einen Mönch namens Demophilus – wohl im Sinne eines exemplarischen Lehrstücks – zurecht, da dieser einem anstößigen Priester gegenüber handgreiflich geworden sei. Siehe dazu auch: Stiglmayr, Josef: Des heiligen Dionysus Areopagita angebliche Schriften über „Göttliche Namen“/ Angeblicher Brief an den Mönch Demophilus. Des heiligen Dionysus Areopagita ausgewählte Schriften Bd. 2, Bibliothek der Kirchenväter, 2. Reihe, Bd. 2, München 1933.

115 Siehe zu dieser Übersetzung der ,De ecclesiastica hierarchia’ (EH 376, B): Heil, Günter: Pseudo-Dionysius Areopagita. Über die himmlische Hierarchie. Über die kirchliche Hierarchie, Bibliothek der griechischen Literatur, Bd.22, Stuttgart 1986, S.99, Z.9.

116 Siehe ,De ecclesiastica hierarchia’ (EH 392, Af.). Zur Übersetzung: Ibid. S.101.

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Page 39: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

gemeinschaftlichen Vollzug theurgischer, sowie liturgischer Riten und Zeremonien.117

Sollte es sich bei dieser ontologisch118 fundierten Ekklesiologie – wovon doch

auszugehen ist – nicht um eine wild herbeiphantasierte Utopie, sondern um eine für

realisierbar gehaltene Vision handeln, für deren Durchsetzung der Autor mit seinem

Werk eintrat, so musste eines der vornehmlichen Ziele seines Programmes die

(Wieder-)Herstellung der Kircheneinheit sein.

Vor dem Hintergrund der Zeitgeschichte galt es deshalb in erster Linie den

tiefschneidenden Dissens – ja das phasenweise gleichsam schismatische Verhältnis –

zwischen Mia- und Dyophysiten zu überbrücken. Hegelianisch gedacht lässt sich der

im CD entfaltete fundamentaltheologische Systementwurf daher als ein reformato-

rischer Ruf zur Kircheneinheit verstehen, der die im Rahmen des beschriebenen

„Kirchenkampfes“ vorherrschende und sich gegenseitig negierende, dogmatisch-

theologische Entzweiung des Christentums zu einer höheren Synthese aufheben

wollte.

Bedingung der Möglichkeit eines durchsetzungsstarken Reformvorschlags

war, wie die diskurstheoretische Untersuchung des religiokulturellen Makrokon-

textes erbrachte, zunächst einmal ein gewichtiges, an Personalautorität gebundenes

Argument für die Wahrheit der vertretenen Position. Hier, wie schon hinsichtlich des

Minimalziel seines Unternehmens, verließ sich der unbekannte Verfasser auf die

persona des Areopagiten als Überbringer seiner Botschaft.

Weiter ließe sich im Anschluss an Stiglmayrs Überlegungen mutmaßen, ob

der Autor nicht in Kaiser Zenons vermittlungsorientiertem Henotikon einen kairos,

für die Umsetzung seines Programmes gekommen sah.119 Einer dem Henotikon

verpflichteten „Mittelpartei“120, wie Stiglmayr nahelegt, ist der Autor meiner Ansicht

nach allerdings nicht zuzuordnen. Denn auch in jener „Mittelpartei“ hätte der

Verfassder des CD mit seinem philosophisch-theologischen Programm im besten

Falle am äußersten Rand des Vertretbaren gestanden.

117 Speziell zur theurgischen Konzeption der kirchlichen Hierarchie siehe: Stock, Wiebe-Maria: Theurgisches Denken. Zur kirchlichen Hierarchie des Dionysius Areopagita, Berlin 2008.

118 Suchla hat den Gedanken einer ontologisch fundierten Ekklesiologie in ihrer Monographie ausgesprochen. Siehe dazu: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.103.

119 Stiglmayr weist hier auf Analogien zwischen der Christologie des CD und des Henotikons. Zum Literaturnachweis siehe oben: S.1, Anm. 2.120 Ibid.

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Page 40: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

Auf der inhaltlichen Ebene begegnet das CD der Problematik des „Kirchen-

kampfes“ zusätzlich durch eine schlüssige, systemisch-selbstreferentielle Gesamt-

konzeption, die sich in einem kleinen Schaubild veranschaulichen lässt:

G RÜN: Reale/Erhaltene Schriften DN = De divinis nominibusMTh = De mystica theologiaEp = Epistulae I-XCH = De caelesti hierarchiaEH = De ecclesiastica hierarchia

ROT: Fiktive/Verlorene SchriftenÜGH = Über die göttlichen HymnenThG = Theologische GrundzügeSyTh = Symbolische TheologieÜS = Über die SeeleÜGG = Über das gerechte GottesgerichtÜIS = Über das Intelligible und das sinnlich Erfassbare

Erläuterung: Das Schaubild illustriert die selbstreferentielle Verweisungsstruktur des CD. Jeder Pfeil markiert jeweils mindestens eine explizite Nennung derjenigen Schrift, auf die er gerichtet ist, durch die Schrift, von der er ausgeht. Die exakten Stellenangaben finden sich hier.121

Für eine systemische Grundkonzeption des Werkes – das kann hier aufgrund

des begrenzten Umfangs der Arbeit nur angedeutet werden – spricht an erster Stelle

der Eindruck, die Schriften seien am „Reißbrett“ entstanden. Zu dieser Überzeugung

gelangt, wer sich die komplexe, selbstreferentielle Verweisungsstruktur des Werkes

genauer ansieht, insbesondere auch, was die sechs fingierten/verlorenen Schriften

angeht. Immer wieder nehmen die Schriften aufeinander Bezug und suggerieren auf

diese Weise, dass sie als zusammenhängende, sowohl ekklesiologisch, wie auch

gnoseologisch und ethisch vollständige „zweite Heilige Schrift“ gelesen werden

möchten. Diese „zweite heilige Schrift“ sollte, ginge es nach ihrem Autor, zukünftig

als dogmatisches Fundament der ersehnten Kircheneinheit dienen. Was den Umfang

121 Suchla bietet eine vollständige Übersicht der exakten Textstellen an. Dabei führt sie sieben fiktive/verlorene Schriften an. Ich folge in diesem Punkt allerdings Stiglmayr, der die Schrift ,Über die Proprietäten und Ordnungen der Engel’ mit ,De caelesti hierarchia’ identifiziert und zähle daher nur sechs fiktive/verlorene Schriften. Im Rahmen dieser Arbeit habe ich zudem eine eigene Liste der werkinternen Referenzen des CD erstellt, da diese sich jedoch nicht von Suchlas Zusammenstellung unterscheidet, ziehe ich es vor, erst gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen und verweise hiermit auf: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.210, Anhang 8.

40

DN

ThG

ÜGG

MTh

CH EH

SyTh

ÜIS

ÜSDN

Ep

ÜGH

Page 41: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

des Korpus' anbetrifft, lagen offensichtlich bereits dem Scholisten Johannes von

Skythopolis lediglich vier Traktate und zehn Briefe vor.122 Plausiblerweise mag das

Fehlen der übrigen sechs Werke, ,Über die göttlichen Hymnen’, ,Über das

Intelligible und das sinnlich Erfassbare’, ,Theologische Grundzüge’, ,Symbolische

Theologie’, ,Über die Seele’, ,Über das gerechte Gottesgericht’ darin begründet sein,

dass es der Autor erst gar nicht für nötig erachtet hatte, die Schriften in voller Länge

darzureichen und er es stattdessen dabei bewenden ließ, die ihnen zugrundeliegenden

Grundgedanken auszugsweise in den realisierten Werken zu skizzieren.123 Für diese

Hypothese spricht auch der Befund EDV-basierter Stemmatisierungsversuche, die

eine von Beginn an konservative Tradierung der vorhandenen Schriften des Korpus'

nahelegen.124 Vielleicht aber sind die Schriften schlicht schon bald nach ihrer

Abfassung verloren gegangen.

Weiter bin ich entgegen der weitverbreiteten interpretatorischen Überbe-

tonung der theologischen Apophatik und Hyperbolik des CD der Meinung, dass der

gedankliche Dreh- und Angelpunkt des Systems im elaborierten Symbolverständnis

des Autors zu suchen ist. Dies illustriert allein schon die Zentralstellung der

fiktiven/verlorenen Schrift der ,Symbolischen Theologie’. Sowohl ,De divinis

nominibus’, ,De mystica theologia’, ,De caelesti hierarchia’ und der IX. Brief

rekurrieren (zum Teil mehrfach) direkt auf die Schrift und weisen damit

unmissverständlich auf die herausragende Bedeutung der Symbolhermeneutik für das

CD hin. Auf keine andere Schrift entfällt innerhalb des Korpus' eine vergleichbar

hohe Anzahl interner Verweise – hierzu ist nochmals das obige Schaubild zu

vergleichen. Die detaillierteste Explikation seines Symbolverständnisses bietet der

Autor dabei im IX. Brief des Korpus'. Ihr zufolge verbietet sich eine wortwörtliche

Lesart der Bibel, sowie der Sakramente. Es existiert keine unmittelbare Korrespon-

denz zwischen der oberflächlichen Ebene der Worte – respektive den äußerlichen

122 Zur Bedeutung des Scholisten für die Tradierung des CD siehe: Suchla, Beate R.: Eine Redaktion des griechischen Corpus Dionysiacum Areopagiticum im Umkreis des Johannes von Skythopolis, des Verfassers von Prolog und Scholien. Ein dritter Beitrag zur Überlieferungsgeschichte des CD, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen I. Philologisch-Historische Klasse, Jg. 1985, Nr.4, Göttingen 1985, S.179-193.

123 In der neueren Forschung hat es sich mittlerweile die opinio communis etabliert, wonach es sich bei den sechs nicht vorhandenen Schriften um fingierte Werke handle, die der Verfasser von Beginn seines Projektes an nie zu realisieren gedacht hatte. Ich schließe mich dieser Einschätzung an. Siehe: Ritter, Adolf, M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.20. Ebenso: Beierwaltes, Walter: Platonismus im Christentum, 1998, S.45.

124 Siehe dazu: Ritter, Adolf M.: Stemmatisierungsversuche zum Corpus Dionysiacum Areopagiticum im Lichte des EDV-Verfahrens, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen I. Philologisch-Historische Klasse, Jg. 1980, Nr.6, Göttingen 1980, S.133.

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Page 42: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

theurgischen und rituellen Akten – und der Wahrheit, die dergestalt symbolhaft

vermittelt werden soll. Nur die symbolische Form, nicht aber das Wesen der

Wahrheit ist diskursiv konstituiert. Die Wahrheit kann nicht herbeizitiert werden, ihr

„vorreflexives“125 Wesen leuchtet phänomenal als intuitives und unausprechliches

„Evidenzerlebnis“126 ein. Wiederum symbolisch ausgedrückt ist sie wesenhaft

göttliche Einstrahlung! Mit Hilfe seines paradoxalen Symbolverständnisses, demzu-

folge jedes Signifikat durch das ihm zugeordnete Symbol zugleich affirmiert und

verneint wird, ist der Autor überzeugt, dem Christentum zur wahren Erkenntnis

seiner selbst zu verhelfen. Konstitutiv für dieses wahrhafte Selbstverständnis ist eine

Haltung der erkenntnismäßigen Bescheidung, die es ermöglicht, unauflösbare, in das

mystische Dunkel getauchte Fragen, wie z.B. eben jene nach der Menschwerdung

Gottes, als die Vorläufigkeit alles Erkenn- und Sagbaren zu akzeptieren und zum

„Kerngeschäft“ der Religion überzugehen, nämlich den von Gott gestifteten,

symbolisch-rituellen Vermittlungsformen phänomenaler Wahrheitserfahrung. Am

Herzen des Systemaufrisses liegt also – was schließlich das philosophisch-

theologische Programm der Schriften mit dem diskursbezogenen Kalkül ihrer

Pseudonymität verbindet – eine Art „Immunisierungsstrategie“ gegen das

Aufkommen strittiger Wahrheitsfragen. Diese „Immunisierungsstrategie“ ist es, die

dem Christentum zur Verwirklichung seiner wahren Gestalt, einer geeinten

heiligmäßigen Hierarchie gereichen und damit insbesondere der Überwindung des

bereits zum Dauerzustand gewordenen „Kirchenkampfes“ zwischen Dyophysiten

und Miaphysiten dienen sollte.

6. Resümee

Am Ende der Untersuchung zur Pseudonymität des Corpus' Dionysiacum

Areopagiticum angekommen ergibt sich schließlich folgendes Fazit. Der unbekannte

Verfasser bediente sich des Pseudonyms des Paulusschülers Dionysius Areopagita

vorwiegend aus instrumental-pragmatischen Gründen, die dem religions- und

125 Zur Erläuterung des „vorreflexiven“ Wesens der Wahrheit im CD siehe: Beierwaltes, Walter: Platonismus im Christentum, Philosophische Abhandlungen, Bd. 73, Frankfurt am Main 1998, S.67. Auch Völker hat in seiner Interpretation den ekstatischen Aspekt des CD hervorgehoben und die Schriften von einem mystischen „Irrationalismus“ her gelesen. Siehe: Völker, Walter: Kontemplation und Ekstase bei Dionysius Areopagita, Wiesbaden 1958.

126 Ich spiele hier bewusst auf Husserls phänomenologisches Konzept von Wahrheit als einem Evidenzerlebnis an – wenn auch zu beachten ist, dass Husserls Wahrheitskonzept sicher nicht deckungsgleich mit dem des unbekannten Autors ist. Siehe dazu: Janich, Peter: Was ist Wahrheit?, 2005, S.48; 51.

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Page 43: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

kulturgeschichtlichen Makrokontext seiner Lebenszeit geschuldet waren.

Minimalziel des Autors war es dabei, auf Basis der autoritativen Beweiskraft

des Pseudonyms für die Konservierung und die Anerkennung der heterodoxen/

häretisierenden127 Anteile seines geistig-religiösen Universums in Zeiten eines sich

sukzessive verschärfenden „Kulturkampfes“ einzutreten.

Indem er seine Überzeugungen in Form eines umfassenden fundamental-

theologischen, sich maßgeblich auf neuplatonische Traditionen verlassenden System-

entwurfs vorlegte, erhoffte er sich zudem als Optimalziel seines Unternehmens, alle

bestehenden theologischen Lehrgebäude an inhaltlicher Konsistenz und irenischer

Vermittlungsfähigkeit zu übertreffen. Auf diese Weise wollte der Verfasser dazu

beitragen, den bestehenden „Kirchenkampf“ zwischen Dyo- und Miaphysiten zu

befrieden und zudem eine tolerantere Haltung des Christentums gegenüber anderen

philosophisch-weltanschaulichen Geistesströmungen und Religionen zu befördern.

Darüber hinaus transportiert ein weiterer, programmatisch-identifikatorischer

Aspekt des Pseudonyms das Selbstverständnis des Autors, der sich in der persona

des Areopagiten gewissermaßen selbst zu erkennen gibt; dies allerdings nur in der

Gestalt einer symbolischen Spiegelung, die die realen Hintergründe gleichermaßen

offenbart und verdunkelt. Hinter der wahrheitsautoritativen Strahlkraft des Areopa-

giten stand der unbekannte Autor – trotz bereits früh gehegter Zweifel – für Jahr-

hunderte unbemerkt in der Heiligkeitssphäre der konstitutiven Gründungsakten des

Christentums.

127 Vergleiche hierzu oben: S.35, Anm. 104.

43

Page 44: Orthodoxie Als Anspruch Und Herausforderung

7. Literaturverzeichnis

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