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45 KU Gesundheitsmanagement 1/2016 I SPEZIALISIERTE MEDIZIN D er anhaltende Kosten- druck in deutschen Kran- kenhäusern zwingt seit Jahren die Anbieter stationärer Gesundheitsleistungen, sich zu spezialisieren. Dabei sind auch Fragen des Outsourcings ein dauerndes Thema. Durch die Spezialisierung auf seine Kern- kompetenzen und die darauf ausgerichtete Allokation seiner Ressourcen wird die Wirtschaft- lichkeit nachhaltig verbessert und gleichzeitig die Leistungsfä- higkeit und –qualität erhöht. Während in vielen anderen Be- reichen der Wirtschaft Umstruk- turierungen, Outsourcing und Bewirtschaftung seit vielen Jah- ren erfolgreich und mit deutli- chen Kostensenkungen umge- setzt werden, gibt es bei den deutschen Krankenhäusern noch erhebliches Potenzial. Ne- ben zahlreichen positiven Aspek- ten sind im Krankenhaussektor dabei immer die Sicherstellung des Versorgungsauftrages und Outsourcing von Therapieabteilungen Chancen in der Spezialisierung von Krankenhäusern Am Beispiel des Outsourcings der Physiothe- rapie stellen ist festzustellen, dass die Ausgliederung hier sowohl eine höhere Professionalisierung bringt als auch wirt- schaftliche Ressourcen freisetzt, die in die Bereiche gelenkt werden können, in denen das Krankenhaus seine spezifischen medizi- nischen Stärken besitzt. Diese werden im Versorgungsauftrag in der Festlegung von zugelassenen Fachrichtungen im Kranken- hausplan definiert. Dazu gehören auch die in der Krankenhausorganisation jederzeit verfügbaren Therapieabteilungen. Der Umfang liegt hingegen im Ermessen des Klinikmanagements oder wird in OPS- Prozedurenschlüsseln bestimmt. Inzwischen liegen auch erste Umsetzungserfahrungen und Ergebnisse einer empirischen Studie der Hochschule Fresenius vor, die belegen, dass Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlich- keit bei optimaler Verfügbarkeit durch Outsourcingentscheidungen verbessert werden. die Versorgungsqualität zu be- achten, durch die Outsourcin- gentscheidungen beeinflusst werden. Daher eignen sich nicht alle Abteilungen eines Kranken- hauses für Outsourcingüberle- gungen. Leistungsvergleich zwischen Krankenhäusern schwierig In vielen Krankenhäusern wur- den zahlreiche Abteilungen im ärztlichen Bereich, in der Pflege und in der Verwaltung bereits neu strukturiert, Prozesse wur- den effizienter gestaltet. Von die- sen Veränderungen häufig noch unberührt sind Physiotherapie und Physikalische Therapie Ab- teilungen. Neben Apotheke, Rei- nigungsdienst, Transportdienst Radiologie und zahlreichen an- deren Bereichen tritt jedoch auch die Physiotherapie beziehungs- weise Physikalische Therapie im- mer mehr in den Fokus. Dadurch, dass deren Anforderungen nur in den Fällen der Komplexpauscha- len im Katalog der Operationen Foto: VadimGuzhva - Fotolia

Outsourcingvon Therapieabteilungen · Radiologie und zahlreichen an-derenBereichentrittjedochauch die Physiotherapie beziehungs-weisePhysikalischeTherapieim-mermehrindenFokus.Dadurch,

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Der anhaltende Kosten-druck in deutschen Kran-kenhäusern zwingt seit

Jahren die Anbieter stationärerGesundheitsleistungen, sich zuspezialisieren. Dabei sind auchFragen des Outsourcings eindauerndes Thema. Durch dieSpezialisierung auf seine Kern-kompetenzen und die daraufausgerichtete Allokation seinerRessourcen wird die Wirtschaft-lichkeit nachhaltig verbessertund gleichzeitig die Leistungsfä-higkeit und –qualität erhöht.

Während in vielen anderen Be-reichen der Wirtschaft Umstruk-turierungen, Outsourcing undBewirtschaftung seit vielen Jah-ren erfolgreich und mit deutli-chen Kostensenkungen umge-setzt werden, gibt es bei dendeutschen Krankenhäusernnoch erhebliches Potenzial. Ne-ben zahlreichen positiven Aspek-ten sind im Krankenhaussektordabei immer die Sicherstellungdes Versorgungsauftrages und

Outsourcing vonTherapieabteilungenChancen in der Spezialisierung von Krankenhäusern

AmBeispiel des Outsourcings der Physiothe-rapie stellen ist festzustellen, dass dieAusgliederung hier sowohl eine höhereProfessionalisierung bringt als auch wirt-schaftliche Ressourcen freisetzt, die in dieBereiche gelenkt werden können, in denendas Krankenhaus seine spezifischen medizi-nischen Stärken besitzt. Diese werden imVersorgungsauftrag in der Festlegung vonzugelassenen Fachrichtungen im Kranken-hausplan definiert. Dazu gehören auch diein der Krankenhausorganisation jederzeitverfügbaren Therapieabteilungen. DerUmfang liegt hingegen im Ermessen desKlinikmanagements oder wird in OPS-Prozedurenschlüsseln bestimmt. Inzwischenliegen auch erste Umsetzungserfahrungenund Ergebnisse einer empirischen Studieder Hochschule Fresenius vor, die belegen,dass Leistungsfähigkeit undWirtschaftlich-keit bei optimaler Verfügbarkeit durchOutsourcingentscheidungen verbessertwerden.

die Versorgungsqualität zu be-achten, durch die Outsourcin-gentscheidungen beeinflusstwerden. Daher eignen sich nichtalle Abteilungen eines Kranken-hauses für Outsourcingüberle-gungen.

Leistungsvergleich zwischenKrankenhäusern schwierigIn vielen Krankenhäusern wur-den zahlreiche Abteilungen imärztlichen Bereich, in der Pflegeund in der Verwaltung bereitsneu strukturiert, Prozesse wur-den effizienter gestaltet. Von die-sen Veränderungen häufig nochunberührt sind Physiotherapieund Physikalische Therapie Ab-teilungen. Neben Apotheke, Rei-nigungsdienst, TransportdienstRadiologie und zahlreichen an-deren Bereichen tritt jedoch auchdie Physiotherapie beziehungs-weise Physikalische Therapie im-mer mehr in den Fokus. Dadurch,dass deren Anforderungen nur inden Fällen der Komplexpauscha-len im Katalog der Operationen

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und Prozedurenschlüssel (OPS)relativ eindeutig definiert sindund dadurch, dass die physio-therapeutische Leistungserfas-sung keinen allgemeingültigenStandards unterliegt, herrschthier in vielen KrankenhäusernUnklarheit. Das Problem wirdhäufig erkannt, allerdings fehlendie grundlegenden Daten für ei-ne Verbesserung der Situation.Die Berechnungsgrundlagen derVollkräfte in der Physiotherapiesind unterschiedlich und als Ori-entierung helfen meist nur Mit-telwerte. Daher sind eine genaueBerechnung und ein Vergleichmit anderen Krankenhäusern in

vielen Fällen schwer möglich.Die Grundlage aller Outsourcing-überlegungen des Krankenhaus-managements ist eine ausrei-chende Datenlage über die eige-ne physiotherapeutische Abtei-lung. Gerade hier fehlen oft aus-sagekräftige Daten. Ein Vergleichzu anderen Krankenhäusern istwegen der unterschiedlichen Da-tenerhebung in der Physiothera-pie schwer möglich. Bisher wur-de die Leistungsfähigkeit physio-therapeutischer Abteilungen inKrankenhäusern auf wissen-schaftlicher Grundlage nochnicht verglichen.

Als sicher gilt in vielen Kliniken,dass die physiotherapeutischenAbteilungen nicht ökonomischarbeiten. Durch die fehlenden

exakten Berechnungsmöglich-keiten im Rahmen der DRGs unddes OPS ist allerdings eine ge-naue Bewertung der Leistungender Physiotherapie nicht mög-lich. Im OPS, dem „Operationen-und Prozedurenschlüssel, deramtlichen Klassifikation zumVerschlüsseln von Operationen,Prozeduren und allgemein medi-zinischen Maßnahmen im statio-nären Bereich und beim ambu-lanten Operieren“ werden phy-siotherapeutische Leistungenzwar bei den sogenannten Kom-plexpauschalen immer wiederaufgeführt, diese können in denmeisten Fällen aber durch ande-re Heilmittel ersetzt werden.

Datenflut bisher nichthinreichend bewertetBeim Gespräch mit Praktikern,Klinikgeschäftsführern und Con-trollern, wurden regelmäßig diehohen Personalkosten und dievermutete unzureichende Leis-tung Ihrer physiotherapeuti-schen Abteilungen angespro-chen. Diese konnte aber in kei-nem der Fälle mit Fakten belegtwerden. Die Datenlage zur Leis-tungsfähigkeit der Physiothera-pie / Physikalischen Therapie indeutschen Krankenhäusern istsehr gering. Die vorhandenenDaten aus unterschiedlichenKrankenhäusern haben keinengemeinsamen Standard undwurden bisher nicht in größeremUmfang verglichen. Auch scheintes einen Unterschied zwischender Leistungserbringung durchexterne Anbieter und der Leis-tungserbringung durch eigenesPersonal zu geben. In vielenKrankenhäusern gibt es großeMengen an dokumentierten Da-ten, allerdings kann diese Daten-flut dort niemand hinreichendbewerten.

Um Prozesse in diesen Abteilun-gen bewerten zu können, effi-zienter zu gestalten oder ein Out-sourcing dieser Abteilungen zuplanen, sind vergleichbare undaussagekräftige Daten notwen-dig. Diese Daten müssen einenBezug zwischen den erbrachtenLeistungen, der Anzahl der Mit-arbeiter, den über die Komplex-pauschalen verpflichtendenLeistungen und den Kosten her-

stellen. Eine Unterscheidung derüber die aus Abrechnungsgrün-den erforderlichen und den me-dizinisch notwendigen Behand-lungen ist erforderlich.

In verschiedenen Krankenhäu-sern in Bayern wurde die Physio-therapie, teilweise auch anderetherapeutische Berufsgruppen,in den letzten Jahren an die dar-auf spezialisierte Gesellschaft vi-spo aus Regensburg übertragen.Die Grundidee unter den Ge-sichtspunkten der Spezialisie-rung besteht darin, dass sich ausdem Versorgungsvertrag einesKrankenhauses nicht ableitenlässt, dass die Kernkompetenz inder Physiotherapie liegt. Wennein externer Partner die Leistungbesser und kostengünstiger er-bringen kann, handelt es sich si-cher um keine Kernkompetenzeines Krankenhauses.

Wenn man als oberstes Ziel einesKrankenhauses die Versorgungvon Patienten gemäß dem Ver-sorgungsauftrag definiert, kannman dann Diagnosestellung, me-dizinische Behandlung und Pfle-ge als Kernkompetenz einesKrankenhauses ansehen. DurchKonzentration auf diese Bereichekann die Wertschöpfung verbes-sert werden und sich ein Kran-kenhaus durch die höhere Spe-zialisierung besser gegen seineWettbewerber positionieren.

Haftungsrisiken übertragenNeben den hier noch zu beschrei-benden finanziellen Vorteilen,haben die Krankenhäuser ver-traglich auch gesichert, dass dieHaftungsrisiken gegenüber denzu behandelnden Patienten aufdas spezialisiertere externe Un-ternehmen reduziert und über-tragen werden. Bei Veränderun-gen in der strategischen Ausrich-tung des Krankenhauses undauch bei Entscheidungen im ope-rativen Tagesgeschäft profitierendie Krankenhäuser, die ihre Phy-siotherapie ausgegliedert haben,enorm von der uneingeschränkthöheren Flexibilität des externenDienstleisters. Dazu gehört auchdie erleichterte Möglichkeit, denKernkompetenzen des Kranken-hauses angepasste komplemen-täre Leistungen wie ambulante

Christian WolfsteinerGeschäftsführer vispo-UnternehmensgruppeRegensburg

Matthias DetersLehrbeauftragter Hochschule FreseniusManagement im Gesundheitswesen undGesundheitsökonomieBerlin

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Dienste oder Schulungen anzu-fügen. Nicht zuletzt wird die Leis-tungsfähigkeit des Krankenhau-ses auch durch den Wissens-transfer durch den externen Spe-zialisten bei betrieblichen Pro-zessen erhöht.

In einer empirischen Arbeit ander Hochschule Fresenius imJahr 2015 wurden Daten aus denPhysiotherapeutischen Leis-tungsbereichen verschiedenerKrankenhäuser erhoben, umauch erstmals wissenschaftlichzu analysieren, welcher zusätzli-che Nutzen aus dem Outsourcingder Physiotherapie generiertwerden kann. Es wurden der Un-tersuchung Fragen zugrunde ge-legt:

� Wieviel kostet eine physiothe-rapeutische Behandlungsein-heit für ein Krankenhaus?

� Sind die Kosten pro Behand-lungseinheit bei Krankenhäu-sern, die ihre Physiotherapieoutgesourct haben günstiger?

� Gibt es einen Unterschied beiden Kosten pro Therapieeinheitzwischen Krankenhäusern un-terschiedlicher Trägerschaft?

� Müssen Krankenhäuser inländlichen Regionen mehr füreine physiotherapeutische Be-handlungseinheit bezahlen?

Schließlich soll die Untersu-chung praktisch allen, die vor ei-ner Outsourcingentscheidungstehen, eine belastbare Daten-grundlage liefern.

Zugrunde liegt der Erhebung ei-ne Stichprobe. Obwohl die Da-tenerhebung von den knapp2000 Krankenhäusern inDeutschland nur 32 bewertet,dürfte nach Ansicht des Verfas-sers dennoch ein repräsentativesBild entstehen, da Häuser allerGrößenordnungen und Träger-schaften in verschiedenen Regio-nen Deutschlands untersuchtwurden. Auch wurden die Datenvon Krankenhäusern bewertet,die ihre Physiotherapieabteilun-gen bereits outgesourct haben.Die vergleichsweise geringe An-zahl an Absagen ist ein Indiz fürdie Aktualität des Themas.

Bei den Teilnehmern wurden fol-gende Daten schriftlich ange-fragt: Anzahl der Vollkräfte anPhysiotherapeuten und Masseu-ren im Jahr 2014; Leistungsstatis-tik der Physiotherapie (und derPhysikalischen Therapie, fallsdiese Abteilungen getrennt seinsollten) von 2014, wenn möglichmit Zeitangaben; Gesamt- Brut-toarbeitgeberkosten der Physio-therapie beziehungsweise derPhysikalischen Therapie des Jah-res 2014.

Im Ergebnis wurde als günstigs-ter Wert für eine Behandlungs-einheit 9,88 Euro und die bewer-teten Behandlungseinheiten proVollkraft mit 5.498 ermittelt und.Diese wurden als Benchmark ge-nommen und mit den teilneh-menden Krankenhäusern vergli-chen. Dabei scheint das komplet-te Outsourcing einer physiothe-rapeutischen Abteilung wirt-schaftlich sehr sinnvoll sein zukönnen.

Private Betreiber schnittenbesser abEin deutlicher Unterschied zwi-schen Krankenhäusern in ländli-chen und städtischen Regionenkonnte im Durchschnitt nichtfestgestellt werden. Sehr großesPotential war in dieser Analysebei einigen Krankenhäusern infreigemeinnütziger und in öffent-licher Trägerschaft zu beobach-ten, die eine eigene physiothera-peutische Abteilung vorhalten.Private Betreiber schnitten öko-nomisch betrachtet deutlich bes-

ser ab. Bei den in dieser Gruppeausgewerteten Häusern hattendie Kliniken der Größenordnungvon 150 bis 399 Betten die höchs-ten Kosten pro Behandlungsein-heit. Betrachtet man die einzel-nen Bundesländer, so hatten indieser Auswertung die Häuserin Baden-Württemberg diegeringsten, diejenigen in Berlindie höchsten Kosten. Das durch-schnittliche Einsparvolumenaller an der Erhabung beteiligtenHäuser betrug mehr als 300.000Euro pro Jahr.

Als Fazit dieser sehr interessan-ten Analyse bestätigt sich, dasseine Outsourcingentscheidungfür die Physiotherapie und ande-re therapeutische Bereiche nach-weislich sowohl die Leistungsfä-higkeit steigert als auch die Wirt-schaftlichkeit. Sie unterstützt dieKrankenhäuser in vielerlei Hin-sicht in ihren Spezialisierungs-bestrebungen. �

ChristianWolfsteinerHildegard-von-Bingen-Str. 1

93053 [email protected]

Matthias DetersHochschule Fresenius

Jungfernstieg 2812207 Berlin

30 €

25 €

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15 €

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5 €

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BM 1 9 19 292 10 20 303 11 214 12 225 13 236 14 247 17 2715 258 18 2816 26

= Benchmark = Kosten pro bewerteter Einheit in Euro