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PROZESSE I: KONFLIKT, KONFLIKTTYPEN, KONFLIKTURSACHEN Ansätze der Konfliktbearbeitung und Konfliktregelung im internationalen System

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PROZESSE I: KONFLIKT, KONFLIKTTYPEN, KONFLIKTURSACHENAnsätze der Konfliktbearbeitung und Konfliktregelung im internationalen System

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Konfliktforschung

Krieg als Teilmenge der Gesamtmenge sozialer Konflikte

Vergleichend-kontrastierende Untersuchungen derEntstehungsmomente und -ursachenVerlaufsformenVerhaltensweisen der KonfliktparteienErgebnisseWirkungen

von gesellschaftlich-kollektiven Konflikten

Prämisse

Ziel

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Ansätze

Untersuchung der Natur und des Verlaufs

gesellschaftlicher Konflikte; Übertragung der

so gewonnenen Erkenntnisse auf

zwischenstaatliche Konflikte

Untersuchung der Natur und des Verlaufs

gesellschaftlicher Konflikte; Übertragung der

so gewonnenen Erkenntnisse auf

zwischenstaatliche Konflikte

Untersuchung von Konflikten in der relativ

unstrukturierten internationalen (Staaten-) Gesellschaft; Übertragung der Ergebnisse auf weniger

destruktive und oft strukturiertere/reguliertere gesellschaftliche Ebenen

Untersuchung von Konflikten in der relativ

unstrukturierten internationalen (Staaten-) Gesellschaft; Übertragung der Ergebnisse auf weniger

destruktive und oft strukturiertere/reguliertere gesellschaftliche Ebenen

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Konflikt: Definition Die Friedenswissenschaft geht traditionellerweise von

der Annahme aus,

(1)dass Konflikte zu begreifen sind als Ausdruck von (verhandelbaren) Interessengegensätzen

(2)die wiederum modernen (Industrie-) Gesellschaften endemisch sind und als ihr charakteristisches Merkmal auftreten.

„A conflict exists when two people wish to carry out acts which are mutually inconsistent. They may both want to do the same thing, such as eat the same apple, or they may want to do different things where the different things are mutually incompatible, such as when they both want to stay together but one wants to go to the cinema and the other to stay at home. A conflict is resolved when some mutually compatible set of actions is worked out. The definition of conflict can be extended from individuals to groups (such as states or nations), and more than two parties can be involved in the conflict. The principles remain the same.“ (M.Nicholson: Rationality and the Analysis of International Conflict. 1992:11)

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Im Gegensatz zu älteren Erwartungen an die Friedenswissenschaft gehen wir heute nicht mehr davon aus, dass Analyse Prävention Bearbeitung / Management oder Lösung

Von Konflikten nach der Abschaffung des Konflikts oder gar der Abschaffung von Interessengegensätzen strebt. Das Ziel ist vielmehr die Entwicklung solcher Austragungsformen von Konflikten, die eine gewaltfreie, (rechts-) förmliche Bearbeitung von Interessengegensätzen ermöglichen.

sei es aus einem wohlverstandenen, rational kalkulierten Eigeninteresse der Akteure, oder

aus Respekt vor dem „Schatten der Zukunft“ (d.h. der Erwartung einer Vergeltungsaktion der Gegenseite dann, wenn die eigenen Handlungen deren Erwartungen enttäuschen oder Prinzipien und Interessen verletzen)

[vgl. unten Politik der Abschreckung].

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Literaturtipp

Ulrich Eckern u.a. (Hrsg.): Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme. Wiesbaden 2004.

Peter Imbusch/Ralf Zoll (Hrsg.): Friedens- und Konfliktforschung. Eine Einführung. 4., überarbeitete Auflage Wiesbaden 2006.

David P. Barash/Charles P. Webel: Peace and Conflict Studies. Thousand Oaks, California 2002.

Charles Webel/Johan Galtung (Hrsg.): Handbook of Peace and Conflict Studies. London 2007.

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Situation, in der ein Individuum zwei oder mehr sich gegenseitig ausschließende Tätigkeiten vollführt oder vollführen will und in

der die handlungsoffenen verbalen, symbolischen oder emotionalen (Re-) Aktionen, die der Verwirklichung eines Zieles dienen, inkompatibel mit solchen sind, die der Verwirklichung

eines anderen Zieles dienen.

Konfliktdefinition:

Konflikt: Psychologischer Aspekt

Konflikt: Psychologischer Aspekt

(Handlungs- oder Antriebs-) Hemmung

durch äußere Umstände: Frustration

durch innere Umstände:Konflikt

Ergebnis: wachsende (An-) Spannung

• zwischen einander ausschließenden Ideen, Normen und Wertvorstellungen

• zwischen Sexualtrieb und Selbsterhaltungstrieb

• zwischen biologischen Instinkten und gesellschaftlich erworbenen

Hemmungen

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Literaturtipp

Gert Sommer / Albert Fuchs (Hrsg.): Krieg und Frieden. Handbuch der Konflikt- und Friedenspsychologie. Weinheim 2004.

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Konfliktdefinition:

Streit gesellschaftlicher Akteure über Werte oder Ansprüche auf knappe Ressourcen, Status, Einfluss, Macht. Die Konfliktparteien beschränken sich nicht darauf, die erstrebten Werte zu erlangen,

sondern sie versuchen auch, die Rivalen zu neutralisieren, zu verletzen oder auszuschalten

Konflikt: Sozialer Aspekt

Konflikt: Sozialer Aspekt

Innergruppenkonflikt Zwischengruppenkonflikt

Ziel: Erhaltung der Gruppe

in der Auseinandersetzung zwischen Gruppenmitgliedern

in der Auseinandersetzungmit anderen Gruppen

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Literaturtipp

Thorsten Bonacker (Hrsg.): Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien. Eine Einführung. 4. Auflage Wiesbaden 2008.

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Umgang mit Konflikten

Wenn Konflikte einmal durch die Unvereinbarkeit der Ziele der Akteure gekennzeichnet sind, zum anderen aber auch durch das Bemühen jedes Akteurs, bestimme Verhaltensweisen und/oder Handlungen zu nutzen, um seine Ziele zu erreichen und wenn jede Konfliktpartei die andere als Hindernis auf dem Weg zur Verwirklichung der eigenen Ziele wahrnimmt, dann können wir drei Grundelemente eines jeden Konflikts beschreiben, die uns erlauben, unterschiedliche Erklärungen für die Entstehung eines Konflikts ebenso zu formulieren wie unterschiedliche Empfehlungen für seine Bearbeitung/Lösung

• die Konfliktsituation• das Konfliktverhalten• die Einstellung zum Konflikt.

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Das Konfliktdreieck

SITUATION

VERHALTEN EINSTELLUNG

VERMEIDUNG

PRÄVENTION

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Konfliktbearbeitung: Ansatzpunkte

Intensität i

Zeitablauft

Gewaltschwelle

MANAGEMENT

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Formen des Umgangs mit Konflikten

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Literaturtipp Jacob Bercovitch/Richard Jackson: Conflict

Resolution in the Twenty-first Century. Principles, Methods, and Approaches. Ann Arbor 2009.

Kathrin Ahlbrecht/Annegret Bendiek/ Reinhard Meyers/Sabine Wagner: Konfliktregelung und Friedenssicherung im internationalen System. Wiesbaden 2009.

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AbschreckungBemühen, den Willen eines potentiellen Gegenspielers so zu

beeinflussen, dass er auf eine mögliche Handlung verzichtet, weil deren Risiko kalkuliert untragbar ist

Bemühen, den Willen eines potentiellen Gegenspielers so zu beeinflussen, dass er auf eine mögliche Handlung

verzichtet, weil deren Risiko kalkuliert untragbar ist

Abschreckung durch Verweigerung („deterrence by denial“) dem Gegenspieler wird damit gedroht, durch geeignete

eigene Massnahmen den möglichen Erfolg der von ihm beabsichtigten Handlung zu

unterbinden

Abschreckung durch Vergeltung („deterrence by

retaliation/punishment“) dem Gegenspieler wird im Falle seines

Handelns mit Vergeltungsmassnahmen gedroht,

deren Kosten für ihn untragbar sind

Anwendung vor Konfliktbeginn

Anwendung nach

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PrämisseRationalitätsvorbehalt – beide Seiten einer Abschreckungsbeziehung handeln auf der Grundlage eines rationalen Kosten-Nutzen-Kalküls und nehmen von einer beabsichtigten Handlung Abstand, falls deren Kosten deren Nutzen übersteigen

Erfolgsbedingungen

Fähigkeit des Abschreckers, dem Gegenspieler einen untragbaren Schaden zuzufügen („capability“)

Möglichkeit des Abschreckens, dem Gegenspieler eine solche Drohung zu übermitteln („communication“)

Geschick des Abschreckers, den Gegenspieler eine solche Drohung glauben zu machen („credibility“/Glaubhaftigkeit)

ABHALTUNG

Bemühen, dem Gegenspieler zu verdeutlichen, dass

der „Eintrittspreis“ für eine Invasion (und ggfs. Besetzung) des eigenen Territoriums so

hoch ist, dass er die aus einer solchen Aggressionshandlung entstehenden Gewinne

überschreitet

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Problem:

Abschreckung ist das Produkt, nicht die Summe ihrer Erfolgsbedingungen:

A = (Cap. x Cred. ) Comm.

Fällt eine der drei Bedingungen aus, muss Abschreckung versagen!

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Bedeutung, Funktion und Wirksamkeit von Abschreckung

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Konfliktgründe

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Wesentliche Konfliktursachen

Ursachenpaket 1

Ungleichgewicht politischer,

ökonomischer, sozialer und kultureller

Chancen zwischen unterschiedlichen Identitätsgruppen

• Sozioökonomische Ungleichheit

• Exklusive Regierungselite

• Verletzung politischer Gruppenrechte

• Destabilisierung durch Flüchtlinge und intern Vertriebene

• Demographischer Druck

Ursachenpaket 4

Abwesenheit einer aktiven und

organisierten Zivilgesellschaft

• Schwache Organisationen der Zivilgesellschaft

• Abwesenheit professioneller und unabhängiger Medien

• Mangel ökonomischer „peace interests“

Ursachenpaket 3

Fehlende Möglichkeiten für friedlichen Ausgleich von

Gruppeninteressen und für das Überwinden von Trennungslinien

von Identitätsgruppen

• Abwesenheit effizienter Konfliktlösungsme-chanismen

• Abwesenheit von Pluralismus und offener Debatte

• Misstrauen zwischen Identitätsgruppen

• schädliches externes Engagement

Ursachenpaket 2

Illegitime, undemokratischeund ineffiziente

Regierungsführung

• Legitimitätsdefizit von

• Regierung und öffentlichen Einrichtungen

• Unzureichende, sich verschlechternde öffentliche Dienste

• Kriminalität, soziale und politische Gewalt

• Parteiliche Auslegung und Anwendung von Gesetzen durch Justiz und Sicherheitskräfte

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Anwendung tödlicher Gewalt

Drohung mit Gewaltanwendung

Rechtsstreit/Prozess/Urteil

schiedsrichterliches Verfahren

Aussöhnung/Versöhnung

Vermittlung

kollaborative Verhandlung

Interessenausgleich durch

Kompromiss

Integrative Verhandlung

Kompetitiver Pol

Kooperativer Pol

Kontinuum von Konfliktlösungsmustern

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1. Vorhaltung einer den Ansprüchenaller Parteien genügenden Mengeknapper Werte2. Förderung von Verhaltensein- stellungen, die das Streben nach inkompatiblen Zielen sanktionierenoder unterbinden

1. Konfliktregulierung: Konfliktaustragin einem anerkannten Regelsystem2. Konfliktunterdrückung: Verhinderungunerwünschten Konfliktverhaltens durch Drohung mit oder Anwendung von Zwang

Vermeidung von Situationender Ziel, Werte- oder

Interessen-inkompatibilität

Verhinderung der Konfliktsituationen,

die zu unerwünschtem Konflikt-verhalten führen

Konfliktvermeidung

Konfliktprävention

Konfliktvermeidung/Konfliktprävention

Modus

Ziel

Mittel

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Austragungsphase (Konflikt-

Management)

Eskalationsphase

Entstehungsphase

Konsolidierungs-phase

Post-conflict peacebuilding

Frühe Prävention:verhindert das

Entstehengewaltträchtiger

Konflikte

Späte Prävention:verhindert die Eskalation

gewaltträchtigerKonflikte

Kontinuierliche Prävention:

Verhindert den Wiederausbruch

gewaltträchtiger Konflikte

Prävention im engeren Sinne

Prävention im engeren Sinne

Prävention im weiteren Sinne

Prävention im weiteren Sinne

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Existenz in-kompatibler

Ziele

Perzeption in- kompatibler Ziele durch die Parteien

Konfliktverhalten

Entwicklungs-stadien des Konflikts

Konflikt-bearbeitungs-modus

Potentieller Konflikt Latenter Konflikt

Manifester Konflikt

Konfliktregulierung

Konfliktlösung

Konfliktprävention

Konflikt-vermeidung

Sequenz von Konfliktbearbeitungsmodi

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Entwicklungsstadien

Sozialer oder politischer Wandel

Entwicklung eines

potentiellenKonfliktzustands

Latenter Konflikt

Bearbeitungsmodi

KONFLIKTVERMEIDUNG

Einfluss auf

Situation

KONFLIKTPRÄVENTION

Verhalten

Einstellung

(Einfluss auf)

Peaceful Change: gewaltfreier Prozess

einvernehmlicher Veränderung von Normen und

(Völkerrechts-)Regeln sowie der auf diesen beruhenden

Strukturen des internationalen Systems

Peaceful Change: gewaltfreier Prozess

einvernehmlicher Veränderung von Normen und

(Völkerrechts-)Regeln sowie der auf diesen beruhenden

Strukturen des internationalen Systems

Good Management: Antizipation und kooperative

Aufhebung möglicher Konfliktgründe und -anlässe

Good Management: Antizipation und kooperative

Aufhebung möglicher Konfliktgründe und -anlässe

Unterdrückung: keine Bearbeitung der Konfliktursachen, aber

Verhinderung des Konfliktausbruchs

Unterdrückung: keine Bearbeitung der Konfliktursachen, aber

Verhinderung des Konfliktausbruchs

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Gewaltfreier Konflikt

Drohung mit/Anwendun

gvon Gewalt

Krise

Krieg

Verregelung des Konfliktaustrags(z.B. durch internationale Regime)Verregelung des Konfliktaustrags(z.B. durch internationale Regime)

Institutionalisierung des Konfliktaustrags (z.B. durch die Schaffung internationaler Organisationen)

Institutionalisierung des Konfliktaustrags (z.B. durch die Schaffung internationaler Organisationen)

keine Konfliktlösung, aber Verhinderung des Ausbruchs gewaltsamer Konflikte

Präventive Diplomatie mita) Monitorfunktion (Vorwarnung vorund Überwachung von sich zuspitzenden Konflikten)b ) Schlichtungsfunktion (Ingangsetzenvon Streitbeilegungsmechanismen)

Präventive Diplomatie mita) Monitorfunktion (Vorwarnung vorund Überwachung von sich zuspitzenden Konflikten)b ) Schlichtungsfunktion (Ingangsetzenvon Streitbeilegungsmechanismen)

Krisenmanagement: keine Konfliktlösung, aber Eskalationsverhinderung sowie Beschränkung und Einhegung der Konfliktintensität

Krisenmanagement: keine Konfliktlösung, aber Eskalationsverhinderung sowie Beschränkung und Einhegung der Konfliktintensität

Verrechtlichung: rechtliche Einhegungdes Krieges durch Beschränkung des ius ad bellum (Bestimmung legitim Kriegführender) und Entwicklung und Kodifizierung des ius in bello (= Regelung der völkerrechtl. Zulässigkeit bestimmter Kriegshandlungen

Verrechtlichung: rechtliche Einhegungdes Krieges durch Beschränkung des ius ad bellum (Bestimmung legitim Kriegführender) und Entwicklung und Kodifizierung des ius in bello (= Regelung der völkerrechtl. Zulässigkeit bestimmter Kriegshandlungen

Peace Making/Peace Enforcement: bewaffnete Intervention Dritter zur Unterbindung der militärischen Gewaltanwendung zwischen den Kriegs- oder Konfliktparteien

Peace Making/Peace Enforcement: bewaffnete Intervention Dritter zur Unterbindung der militärischen Gewaltanwendung zwischen den Kriegs- oder Konfliktparteien

KONFLIKTREGULIERUNG

Entwicklung von Verfahren

a) zur Beschränkung möglicher Konfliktformen

b) der Regelung und Regulierung des Konfliktverlaufs

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Waffenstillstand

Friedensvereinbarung

Versöhnung der Konfliktparteien

,Aufhebung der Konfliktgründe

Peace Keeping: Trennung der Konfliktparteien

durch (i.d.R. unbewaffnete) Kräfte Dritter mit dem Ziel der

Sicherung von Pufferzonen und der Zeitbeschaffung für Verhandlungslösungen

Peace Keeping: Trennung der Konfliktparteien

durch (i.d.R. unbewaffnete) Kräfte Dritter mit dem Ziel der

Sicherung von Pufferzonen und der Zeitbeschaffung für Verhandlungslösungen

Wiederaufbauhilfe: wirtschaftliche und finanzielle

Unterstützung der Konfliktparteien durch Dritte

(ggfs. mit bestimmten Auflagen)

Wiederaufbauhilfe: wirtschaftliche und finanzielle

Unterstützung der Konfliktparteien durch Dritte

(ggfs. mit bestimmten Auflagen)

KONFLIKTBEENDIGUNG(“Settlement”) durch Übereinkunft oder stillschweigende Anerkenntnis der Konfliktparteien (bei möglichem Weiterbestehen des grundsätzlichen Interessengegensatzes)

KONFLIKTLÖSUNG(“Resolution”) durch Veränderung der Beziehung (en) zwischen den Konfliktparteien durch Aufhebung des grundsätzlichen Interessengegensatzes

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1. Intervention (bewaffnet/unbewaffnet)2. zwangsweise Beendigung der Feindseligkeiten (Peace Enforcement)3. Peace keeping4. Gute Dienste, Vermittlung, Streitschlichtung, Vergleich, richterlicheStreitentscheidung, d.h. in der Summe: Verfahren der friedlichen Streitbeilegung

1. Förderung von Empathiebildungund gegenseitiger Perspektivenübernahme2. Kommunikationskontrolle3. Anwendung von Konfliktlösungstechniken aus der Sozialarbeit, Eheberatung, Arbeitgeber Arbeitnehmerbeziehungen, Rassenbeziehungen, Sozialpädagogik

Beendigung des Konfliktverhaltens der Parteien, Erzielen einer

Kompromisslösung

Modifizierung mehrerer oder allerKonfliktaspekte mit der Intention,

eine selbsttragende Lösung zu formulieren

Konfliktbearbeitung durch Interventionen Dritter

Konfliktbeendigung

Konfliktlösung

Modus

Ziel

Mittel

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PROZESSE II: KRIEG, KRIEGSTYPEN, KRIEGSURSACHENAlte und Neue Kriege als Gegenstand der Friedens- und Konfliktforschung

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zunehmende Machtrivalität

KRIEG

FRIEDEN

Konflikt

aktuelle Gewalt strukturelle Gewalt

Umschlagspunkt : Zivilisierung des Konflikts

Gewaltfreiheit/Gewaltlosigkeit

Kooperation

Integration

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INTERNATIONALE ANARCHIE INTERNATIONALE GESELLSCHAFT

Gewaltsame Regulierung von Beziehungen

Verregelung von Beziehungen

Internationale Beziehungen als Nullsummenspiel

KRIEG

KONFLIKT• gewaltsame Interessendurchsetzung

• Rüstung/Rüstungswettläufe

• Sicherheitsdilemma

• Abhängigkeit durch (Fremd-) Herrschaft

• (sozioökonomische) Dependenz und Verteilungsungerechtigkeit/Marginalisierung

• (negative) Interdependenz als Beschränkung von Handlungsoptionen

Zivilisierung des Konfliktaustrags

durch seine Verrechtlichung

Internationale Beziehungen als positives Summenspiel

KOOPERATION

FRIEDEN

• Abschreckung

• Gleichgewichtspolitik

• Kollektive Verteidigung

• Rüstungskontrolle

• kollektive Sicherheit

• Peace Enforcement/Peace Keeping/Peace Building

• Integration

• (Kon-) Föderation

• positive Interdependenz : (friedens-)stabilisierende Wirkungen von Interessenverflechtungen

• funktionale spill-over-effekte

Überlagerung internationaler

Konfliktformationen durch multi- und transnationale

(Interessen-) Verflechtungs- und Entscheidungsprozesse

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Soziale Akteure erlangen

Konfliktfähigkeit und verhalten sich

konfliktiv Umschlag von Objektivität in Subjektivität-

Wahrnehmung der Widersprüche

DER ESKALATIONSPROZESS ODER DIE SCHRITTE ZUM KRIEG

Potentiell konfliktive Bereiche

in einer Gesellschaft

Umschlag zum gewaltförmigen

kollektiven, organisierten

Konfliktaustrag

Darstellung der Verdichtung und Verknüpfung kriegsrelevanter Strukturen und Prozesse. Es

handelt sich mehr um einen kumulativen Prozess als um eine lineare Entwicklung

WIDERSPRUCH

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Krieg Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu

zwingen Erweiterter Zweikampf mit dem Zweck [durch Gewalt], den

Gegner niederzuwerfen und dadurch zu jedem ferneren Widerstand unfähig zu machen.

Carl von Clausewitz: Hinterlassenes Werk vom Kriege, S. 191ff.

Versuch von Staaten oder gesellschaftlichen Großgruppen, machtpolitische, wirtschaftliche

oder weltanschauliche Ziele mittels organisierter bewaffneter Gewalt durchzusetzen

Seit der Ausbildung des souveränen (Territorial-) Staats und des internationalen Systems (17. Jh.) gilt eine gewaltsame Auseinander-setzung nur dann als Krieg,

•wenn daran geschlossene Gruppen regulärer Streitkräfte beteiligt sind

•wenn die Tätigkeit dieser Gruppen sich in organisierter, zentral gelenkter Form entfaltet

•wenn diese Tätigkeit über einen längeren Zeitraum hinweg unter regelmäßiger, strategischer Leitung anhält

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Allgemeine Trends

Nach Untersuchungen der Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) wurden im Jahr 2009 weltweit 34 Kriege und bewaffnete Konflikte geführt. Gegenüber dem Vorjahr wurden damit fünf Kriege/bewaffnete Konflikte weniger gezählt.

http://www.sozialwiss.uni-hamburg.de/publish/Ipw/Akuf/publ/AKUF-Analysen-08.pdf

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Trends II

Die von organisierten Kämpfen am stärksten betroffenen Weltregionen sind zwar nach wie vor Asien und Afrika mit 11 und 11 kriegerischen Konflikten. Mit 9 Kriegen und bewaffneten Konflikten weist aber auch der Vordere und Mittlere Orient eine große Anzahl kriegerischer Auseinandersetzungen auf. In Lateinamerika waren 3 kriegerische Konflikte zu verzeichnen.

Damit bestätigt sich auch im Jahr 2009 die regionale Ungleichverteilung des weltweiten Kriegsgeschehens: Weit über 90 Prozent aller Kriege seit 1945 fanden in der "Dritten Welt" statt.

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Definition: KRIEGIn Anlehnung an den ungarischen Friedensforscher István Kende) definiert AKUF Krieg als einen gewaltsamen Massenkonflikt, der alle folgenden Merkmale aufweist: (1)an den Kämpfen sind zwei oder mehr bewaffnete Streitkräfte beteiligt, bei denen es sich mindestens auf einer Seite um reguläre Streitkräfte (Militär, paramilitärische Verbände, Polizeieinheiten) der Regierung handelt; (2)auf beiden Seiten muß ein Mindestmaß an zentralgelenkter Organisation der Kriegführenden und des Kampfes gegeben sein, selbst wenn dies nicht mehr bedeutet als organisierte bewaffnete Verteidigung oder planmäßige Überfälle (Guerillaoperationen, Partisanenkrieg usw.); (3)die bewaffneten Operationen ereignen sich mit einer gewissen Kontinuierlichkeit und nicht nur als gelegentliche, spontane Zusammenstöße, d.h. beide Seiten operieren nach einer planmäßigen Strategie, gleichgültig ob die Kämpfe auf dem Gebiet einer oder mehrerer Gesellschaften stattfinden und wie lange sie dauern.

Kriege werden als beendet angesehen, wenn die Kampfhandlungen dauerhaft, d.h. für den Zeitraum von mindestens einem Jahr, eingestellt bzw. nur unterhalb der AKUF-Kriegsdefinition fortgesetzt werden.

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Kriegstypologie Die AKUF unterscheidet zwischen fünf Kriegstypen:

A = Antiregime-Kriege: Kriege, in denen um den Sturz der regierenden oder um die Veränderung oder den Erhalt des politischen Systems oder gar der Gesellschaftsordnung gekämpft wird.

B = Autonomie- und Sezessionskriege: Kriege, in denen um größere regionale Autonomie innerhalb des Staatsverbandes oder um Sezession vom Staatsverband gekämpft wird.

C = Zwischenstaatliche Kriege: Kriege, in denen sich Streitkräfte der etablierten Regierungen mindestens zweier staatlich verfaßter Territorien gegenüberstehen, und zwar ohne Rücksicht auf ihren völkerrechtlichen Status.

D = Dekolonisationskriege: Kriege, in denen um die Befreiung von Kolonialherrschaft gekämpft wird.

E = Sonstige innerstaatliche Kriege.

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Kriegstypologie II Zahlreiche Kriege lassen sich nicht eindeutig

einem dieser Typen zuordnen, weil sich verschiedene Typen überlagern oder sich der Charakter des Krieges im Verlauf der Kampfhandlungen verändert, so dass sich Mischtypen bilden.

Ein weiteres Kriterium für die Typologisierung von Kriegen ist die Fremdbeteiligung. Als Intervention oder Fremdbeteiligung berücksichtigt die AKUF nur diejenigen Fälle, in denen die Streitkräfte eines weiteren Staates unmittelbar an den Kämpfen teilnehmen. Bloße Waffenlieferungen, finanzielle oder logistische Unterstützung und dergleichen werden nicht als Intervention gewertet.

1 = Krieg mit unmittelbarer Fremdbeteiligung 2 = Krieg ohne unmittelbare Fremdbeteiligung

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Weitere InformationenHeidelberger Institut für Internationale

Konfliktforschung e.V. (HIIK)

Am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg

KONFLIKTBAROMETER 2009 Krisen . Kriege . Putsche Verhandlungen . Vermittlungen .

Friedensschlüsse

13. JÄHRLICHE KONFLIKTANALYSE überarbeitete Ausgabe http://hiik.de/

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Konflikt-Eskalationsleiter1. Latenter Konflikt Eine Positionsdifferenz um

definierbare Werte von nationaler Bedeutung ist dann ein latenter Konflikt, wenn darauf bezogene Forderungen von einer Partei artikuliert und von der anderen Seite wahrgenommen werden.

2. Manifester Konflikt Ein manifester Konflikt beinhaltet den Einsatz von Mitteln, welche im Vorfeld gewaltsamer Handlungen liegen.Dies umfasst beispielsweise verbalen Druck, die öffentliche Androhung von Gewalt oder das Verhängen von ökonomischen Zwangsmaßnahmen.

3. Krise Eine Krise ist ein Spannungszustand, in dem mindestens eine der Parteien vereinzelt Gewalt anwendet.

4. Ernste Krise Als ernste Krise wird ein Konflikt dann bezeichnet, wenn wiederholt und organisiert Gewalt eingesetzt wird.

5. Krieg Kriege sind Formen gewaltsamen Konfliktaustrags, in denen mit einer gewissen Kontinuität organisiert und systematisch Gewalt eingesetzt wird. Die Konfliktparteien setzen, gemessen an der Situation, Mittel in großem Umfang ein. Das Ausmaß der Zerstörung ist nachhaltig.

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Globale Entwicklungen

Im Jahr 2009 werden 365 politische Konflikte geführt, davon 7 als Kriege und 24 als ernste Krisen. Demnach werden insgesamt 31 Konflikte mit hohem Gewalteinsatz ausgetragen. In 112 weiteren Auseinandersetzungen mit der Intensität einer Krise wird von den Konfliktparteien vereinzelt Gewalt zum Erreichen ihrer Ziele eingesetzt.

Demgegenüber wird mit einer Anzahl von 222 der weit größere Anteil politischer Konflikte ohne den Einsatz von physischer Gewalt ausgetragen.Diese lassen sich in 114 manifeste and 108 latente Konflikte unterteilen.

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Globale Entwicklungen II

Quelle: HIIK (2009): Konfliktbarometer 2009. Seite 1.

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ANALYSE Iinnerstaatlich vs. zwischenstaatlich

Quelle: HIIK (2009): Konfliktbarometer 2009. Seite 2.

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ANALYSE IIinnerstaatlich vs. zwischenstaatlich

2009 werden insgesamt 273 innerstaatliche und 92 zwischenstaatliche Konflikte ausgetragen.

Nur 6 der 112 Krisen wurden zwischen zwei Staaten geführt: Armenien – Adersbaidschan, Tschad – Sudan, Pakistan – Indien, Thailand – Kambodscha, Nord Korea – Süd Korea, Dominikanische Republik – Haiti

Alle 31 Konflikte mit hoher Intensitätsstufe waren in 2009 innerstaatlicher Art.

Auf der Intensitätsstufe manifester Konflikte ist die Anzahl innerstaatlicher Dispute mit 78 zu 36 ebenfalls beachtlich höher als die internationaler Konflikte.

Auch bei den latenten Konflikten ist die Zahl der innerstaatlichen Konflikte mit 58 höher als die der zwischenstaatlichen mit 50.

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Literaturtipp

Geoffrey Parker (Hrsg.): The Cambridge Illustrated History of Warfare. Cambridge 1995.

David Jordan u.a.: Understanding Modern Warfare. Cambridge 2008.

Rüdiger Voigt (Hrsg.): Krieg – Instrument der Politik? Bewaffnete Konflikte im Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert. Baden-Baden 2002.

Viel mehr Literatur in meinem Artikel: Krieg und Frieden, in: W. Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch Internationale Politik. 11. Auflage Opladen 2008, S.290 – 310. (12. Auflage Opladen 2010 in Vorbereitung)

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KRIEGE ZWISCHEN STAATEN

WARUM KRIEG ?WARUM KRIEG ?

KRIEGE INNERHALB VON STAATEN

Interner Kolonialismus Ökonomische

Ausbeutung und politische

Unterdrückung von Bevölkerungsgruppen

und Regionen

Machtkonkurrenz Kampf um

Vormachtstellungen in der Region

Territorialansprüche Konkurrenz um

Grenzen und

Gebiete

Herrschaftssicherung Furcht vor einer Bedrohung von

aussen

Herrschaftsinteressen Durchsetzung politischer und

ökonomischer Interessen durch Eliten

Ethnisch-kulturelle Heterogenität

Kein Interessensausgleich angesichts

unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen, die keine „einheitliche Nation“

bilden

Rohstoffbedarf Konkurrenz um

knappe Ressourcen

Ablenkung Ablenkung von

Konflikten innerhalb des Staates

Fehlwahrnehmung Falsche Beurteilung

der Stärke und Absichten anderer

Staaten

Sozio-ökonomische Heterogenität

Auf krasser sozialer Ungerechtigkeit

beruhende Gesellschaftssysteme

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Literaturtipp Irene Etzersdorfer: Krieg. Eine

Einführung in die Theorien bewaffneter Konflikte. Wien 2007.

Dieter Ruloff: Wie Kriege beginnen. Ursachen und Folgen. München ³2004.

Bernd Wegner (Hrsg.): Wie Kriege entstehen. Zum histori-schen Hintergrund von Staatenkonflikten. Paderborn ²2003.

Dietrich Beyrau u.a. (Hrsg.): Formen des Krieges. Von der Antike bis zur Gegenwart. Paderborn 2007.

Bernd Wegener (Hrsg.): Wie Kriege enden. Wege zum Frieden von der Antike bis zur Gegenwart. Paderborn 2002.

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Ansatzebenen der Typologie von Kriegsursachen nach Kenneth

Waltz1. Natur des Menschen Die Gewalt liegt in den Akteuren – oder: Kriege entstehen

in den Köpfen der Menschen als Folge von Dummheit, Selbstsucht oder fehlgeleiteten aggressiven Impulsen

2. Wesen der menschlichen Gesellschaft Die Gewalt liegt in der Organisation und Struktur der

Akteure – oder: Kriege sind das Ergebnis despotischer Herrschaft, mangelnder rechtsstaatlicher Verfassung der Staaten und ungerechter Verteilung sozioökonomischer Werte in einer Gesellschaft

3. Struktur des internationalen Systems Die Gewalt liegt im (Staaten-) System – oder: Kriege sind

das notwendige Korrelat eines anarchischen internationalen Naturzustandes souveräner Akteure, die im Innern über das Monopol legitimer physischer Gewaltanwendung verfügen und im Aussenverhältnis keiner höheren Macht unterworfen sind

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B rüstet marginal stärker als AA fühlt sich

bedroht

A fühlt sich bedroht

Die Struktur des Sicherheitsdilemma-Theorems

Anarchisches internationales Selbsthilfesystem

Unsicherheit des einzelnen Akteurs

Sicherheit begriffen als militärische Überlegenheit

Militärischer Schutz durch Rüstung

A rüstet

A rüstet

B fühlt sich bedroht

A rüstet marginal stärker als B

A rüstet marginal stärker als B B fühlt sich

bedroht usw.

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Thesen: Der Neue Krieg – Entstaatlichung der Kriegführung – Privatisierung der Gewaltanwendung?

AusgangslageThese I

Die Entwicklung militärischer Konflikte im 21. Jahrhundert – die Realität von Bürgerkriegen, Neuen Kriegen (Kaldor), Kleinen Kriegen (Daase) - ist nicht zu trennen von den allgemeinen weltpolitischen Entwicklungen nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, insbesondere

• dem Niedergang des Systems bipolarer Abschreckung, das zwar als ein auf die Befähigung zum nuklearen Zweitschlag gestütztes System organisierter Friedlosigkeit begriffen werden muss

• gleichwohl aber die Eskalationsdominanz der Supermächte (nach Kuba !) behauptete und intersystemare Auseinandersetzungen allenfalls als Stellvertreterkriege zuließ.

Allerdings haben unter dem Deckel der nuklearen Abschreckung vornehmlich in der Dritten Welt seit 1945 mehr als 120 zwischenstaatliche Kriege stattgefunden, in denen mehr als 25 Mio.Menschen getötet und mehr als 75 Mio. schwer verwundet wurden. Auch hat sich ein seit dem Zweiten Weltkrieg zu beobachtender Trend fortgesetzt: das Opfer militärischer Auseinandersetzungen ist vornehmlich die Zivilbevölkerung (Verhältnis derzeit ca. 10 : 1)

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These IIAls Randbedingungen der Entwicklung von Konflikten sind von besonderem Interesse

die Phänomene der Globalisierung weil sie die Handlungsspielräume des klassischen internationalen Akteurs – nämlich des Nationalstaats – überwölben, unterlaufen oder schlichtweg ignorieren;

und damit seine Leistungsfähigkeit als Daseinsvorsorgestaat und als Ordnungsmacht gesellschaftlichen Zusammenlebens im Binnen- wie im zwischenstaatlichen Handlungsbereich beeinträchtigen ;

die Veränderungen in Kriegsbild und Kriegführung, die sich zusammenfassen lassen in den Behauptungen,

dass heute militärische Gewaltanwendung von einem überwiegend zwischenstaatlichen zu einem überwiegend innergesellschaftlichen Problem geworden ist,

das nicht nur die Dritte Welt ganz besonders beeinträchtigt, sondern auch jene Bereiche des alten Sowjetimperiums kennzeichnet, in denen wir die typischen Entwicklungen einer nachholenden Entkolonialisierung feststellen können

und dass nicht nur in der Dritten Welt, sondern auch im Alten Europa der klassische zwischenstaatliche Krieg entstaatlicht und organisierte militärische Gewaltanwendung vergesellschaftet, wenn nicht gar privatisiert wird.

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These IIIAus der : Aus der : Abdankung des nationalen Akteurs als unhinterfragtem alleinigem Inhaber des Monopols legitimer physischer Gewaltanwendung, sowie derVerwicklung der Staaten in unkonventionelle Kriegführung zwischen Staaten und nichtstaatlichen Akteuren

resultiert

einmal die Auflösung des klassischen Kriegsbildes (vgl.Abb.); militärische Gewaltanwendung wendet sich aus dem zwischenstaatlichen Bereich in den innergesellschaftlichen, aus der Sphäre zwischen den handelnden Subjekten der internationalen Politik in die innergesellschaftliche Sphäre sich zersetzender und zerfallender staatlicher Handlungseinheiten

zum zweiten die Aufhebung der klassischen Trennung von Innen und Außen (-Politik) (bei der freilich auch die Globalisierung eine entscheidende Rolle spielt)

zum dritten die Aufhebung des klassischen Interventionsverbots, das sich in bestimmten Fällen zu einem Interventionsgebot wandelt.

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Zwar versuchen unterschiedliche Ansätze – etwa Global-Governance-Modelle- die Ordnungsprinzipien der je länger desto weniger auf staatliche Akteure gestützten Gesellschaftswelt dingfest zu machen; sie reflektieren dabei jedoch eher auf Konflikte, die der durch die Suche nach Interessengemeinsamkeiten gekennzeichneten rationalen Konfliktbearbei-tung zugänglich sind.

Ich behaupte allerdings, dass die mit der Auflösung des klassischen Kriegsbildes verbundenen und/oder diesen Prozess hervorrufenden Phänomene nur sehr beschränkt einem ordnungsmodellierenden Denken unterworfen werden können: mein Verweis ginge eher in die Richtung der Hobbes’schen Politischen Philosophie des Naturzustandes denn in Richtung auf die Übertragung zivilgesellschaftlicher Ansätze auf den Konfliktbereich innerhalb und zwischen Staaten

Diese Vorgänge wollen wir etwas genauer betrachten, bevor wir uns den weiteren Folgen der Entwicklung Neuer Kriege zuwenden:

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Auflösung des klassischen Kriegsbildes

Krieg

• Wendung des staatlichen Gewaltmonopols nach aussen

• Fortsetzung des politischen (Staaten-) Verkehrs unter Einmischung anderer Mittel

Auseinandersetzung zwischen

militärischen Grossverbänden

Zentrale Gesamtleistung nach rationalen strategischen

Prinzipien

Zentrale politische Kontrolle durch legitimierte

Entscheidungsträger

Prinzip von Befehl

und Gehorsam

Primat der Politik

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Auflösung des klassischen Kriegsbildes

• Wendung militärischer Gewaltanwendung in die Innensphäre zerfallender einzelstaatlicher Subjekte

• Zweck: innergesellschaftlicher Machterhalt von Interessengruppen, Clans, Warlords, Sicherung von Beute , schnellem Profit und persönlichen Abhängigkeiten

Auseinandersetzung zwischen bewaffneten

Volksgruppen, Milizen, Privatarmeen,

Partisanenverbänden, marodierenden Gangs

und Banden unabhängig operierender

Heckenschützen usw.

Aufhebung der zentralen politischen

Kontrolle und rationalen

strategischen

Gesamtleitung

Primat der (ethnonationalen)

Gruppeninteressen

Aufhebung des Prinzips

von Befehl und Gehorsam

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Veränderungen der Randbedingungen der Kriegführung (1)

Annahme I:Der klassische Krieg ist der Krieg zwischen Staaten – im Sinne des Generals v.Clausewitz die Fortsetzung des diplomatischen Verkehrs unter Einmischung anderer Mittel, geführt um der Durchsetzung staatlicher Territorial- und/oder Machtansprüche willen, gipfelnd in der Entscheidungsschlacht, gestützt durch eine Produzenten und Produktivkräfte mobilisierende, allumfassende Kriegswirtschaft.

Der klassische Friede ist ein völkerrechtlich garantierter Zustand des Nicht-Kriegs; das Gewaltverbot des Art.2(4) Uno-Charta ist eine Fundamentalnorm des Völker- [oder präziser: des zwischenstaatlichen] Rechts. Krieg und Frieden sind Ergebnisse des politischen Handelns staatlicher Akteure in der Staatenwelt

Annahme II:Die überkommenen staatenweltlichen Randbedingungen des Handelns nationaler Akteure in Sachen Krieg und Frieden werden verändert durch die Phänomene der• funktionalen Interdependenz staatlicher und nichtstaatlicher internationaler Akteure• transnationalen Vernetzung gesellschaftlicher Akteure in einer Vielzahl von Gesellschaften• Globalisierung der Ökonomie, Politik, Kommunikation, Kultur, materiellen Erwartungen …

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Beeinträchtigung der Handlungs- und

Durchsetzungsfähigkeit nationaler Akteure in der

Staatenwelt

Allmählicher Wandel der Staatenwelt zur

Gesellschaftswelt

Infragestellung des durch den nationalen Akteur (typischerweise des

modernen Wohlfahrts-/Daseinsvorsorgestaats) seinen Bürgern

gegebenen Schutzversprechens

Reduzierung der Bedeutung des nationalen Akteur

gegenüber einer kontinuierlich wachsenden

Zahl von global-governance-Akteuren

Legitimationsproblem des nationalen

Akteurs

Als alleiniger, auf das Gewaltanwendungsmonopol gestützter Führer von Krieg wie alleiniger Garant von Frieden dankt der nationale Akteur klassischer Prägung ab.

Aber es entsteht ein gravierendes Problem: werden seine Schutz- und Ordnungsaufgaben teilweise durch andere Akteure übernommen, oder bildet sich in

seiner alten Kompetenzsphäre ein Macht- und Handlungsvakuum, das andere gesellschaftliche Kräfte besetzen ?

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Veränderungen der Randbedingungen der Kriegführung (2)

Annahme III:

Mit der Abdankung des nationalen Akteurs als klassischer Kriegführungsmacht wird auch der zwischenstaatliche Krieg zunehmend zum Anachronismus: die seit 1945 geführten über 25o Kriege entpuppen sich überwiegend als inner- oder zwischengesellschaftliche gewaltsame Auseinandersetzungen, an denen öffentliche und private, internationale und nationale, regionale und lokale Kriegsparteien gleicherweise teilnehmen. An die Stelle organisierter zwischenstaatlicher Gewaltanwendung tritt ein neuer Kriegstyp, in dem sich Momente des klassischen Krieges, des organisierten Verbrechens und der weitreichenden Verletzung der Menschenrechte miteinander verbinden. Augenfällige Charakteristika der Neuen Kriege sind

•die Verwicklung der Staaten in unkonventionelle Prozesse und Formen der Kriegführung zwischen staatlichen und sub- oder nichtstaatlichen Akteuren,•die Vergesellschaftung des Gewaltmonopols, •die Aufhebung der Unterscheidung zwischen Armee und Zivilbevölkerung, die Zivilisten übergangslos zu Kombattanten werden, Wohnviertel und Schlachtfeld in eins fallen lässt,•die die Brutalität der eingesetzten Mittel steigernde quantitative wie qualitative, zeitliche wie räumliche Entgrenzung eines Konflikts zwischen sich gegenseitig als illegitim bezeichnenden Einheiten, •schliesslich die Abwanderung all dieser Auseinandersetzungen aus der Zuständigkeit des Völker- oder besser: zwischenstaatlichen Rechts in die normative Grauzone zwischen innerstaatlichem und zwischenstaatlichem Recht

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Dieser Kriegstypus ist kein blosser ethnonationalistischer Bürgerkrieg, gekennzeichnet durch die Privatisierung der Gewaltanwendung durch vorgeblich ethnische Ziele verfolgende gesellschaftliche Gruppen, sondern durchaus auch ein politisches Phänomen, an dem regierungsamtliche wie nichtregierungsamtliche Akteure gleicherweise teilhaben.

In ihm geht es weniger um klassische machtpolitische und/oder territoriale Ziele, sondern um (auch gewaltsame) Identitätsstiftung, d.h. er wird einerseits genutzt von herrschenden Eliten („Ethnokraten“), um ihre materielle und ideelle (gruppenpsychologische) Machtausübung zu verteidigen, zu erweitern, zu legitimieren, andererseits instrumentalisiert von Führungsmitgliedern politisch und/oder sozioökonomisch ehedem benachteiligter Gruppen, um die Chance zur Erringung von Macht, Herrschaft und Beute in einem beschreibbaren territorialen Zusammenhang überhaupt erst zu realisieren.

Dazu dienen Taktiken des Terrors und der Destabilisierung, die das moderne Kriegsvölkerrecht längst geächtet hat (Genocide, ethnische Säuberungen, (Massen)Vergewaltigungen usw.). Getragen werden diese bewaffneten Auseinandersetzungen nicht länger von herkömmlichen, dem Primat der Politik unterstellten und dem Prinzip von strategischer Rationalität, einheitlicher Führung, Befehl und Gehorsam verpflichteten militärischen Großverbänden. An ihre Stelle treten die Privatarmeen ethnisch-nationaler Gruppen, Partisanenverbände, unabhängig operierende Heckenschützen, marodierende Banden, Mafiagangs: „What are called armies are often horizontal coalitions of local militia, breakaway units from disintegrating states, paramilitary and organized crime groups“ (Kaldor 1997: 16). Dabei schwindet nicht nur die klassische Unterscheidung von Kombattanten und Zivilisten – die Schlachtfelder des Neuen Krieges werden bevölkert von Figuren, die Europa seit dem Absolutismus aus der Kriegführung verbannt hatte:

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dem Warlord, einem lokalen oder regionalen Kriegsherrn, der seine Anhängerschaft unmittelbar aus dem Krieg , der Kriegsbeute und den Einkünften des von ihm eroberten Territoriums finanziert (Rich 1999);

dem Söldner, einem Glücksritter, der in möglichst kurzer Zeit mit möglichst geringem Einsatz möglichst viel Geld zu verdienen trachtet;

dem Kindersoldaten, dessen Beeinflussbarkeit und Folgebereitschaft ihn zu einem gefügigen Instrument des bewaffneten Terrors macht

dem Kriegschamäleon, einem Angehörigen der Regierungstruppen, der nach Sonnenuntergang – oder sonst je nach Zeit und Umständen – vorübergehend auf die Seite der irregulären Einheiten wechselt, weil er dort seine materiellen Bedürfnisse besser befriedigen kann.

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Gestützt und finanziert werden solche bewaffneten Auseinandersetzungen durch eine demobilisierende, parasitäre, globalisierte Mafiaökonomie, die die Produktion, d.h. die Erzeugung von Mehrwert, zum Erliegen bringt, den Krieg aus Überweisungen, Diaspora-Spenden, Subsidien dritter Regierungen, Schwarzmarkt- und Schmuggelgeschäften und Expropriation humanitärer Hilfe und/oder Helfer finanziert, nicht nur die eigene Kriegszone beschädigt, sondern auch die Volkswirtschaften benachbarter Regionen.

Damit aber verändert sich auch die Ökonomie des Krieges: rekurrierte der klassische Staatenkrieg noch auf die Ressourcenmobilisierung durch den Staat (Steuern, Anleihen, Subsidien, totale Kriegswirtschaft), passte er die Wirtschaft als Kriegswirtschaft an den Ausnahmezustand an, so finanzieren sich die Guerrilla- und low intensity-warfare- Konflikte der Gegenwart aus Kriegsökonomien, in denen die illegale Aneignung von Gold und Edelsteinen, der Menschen- und Rauschgifthandel, der Zigaretten- und Treibstoffschmuggel Hochkonjunktur haben – und das nicht nur während der Phase militärischer Auseinandersetzungen, sondern gerade auch in den Zwischenzeiten, in denen Fronten begradigt, Kräfte gesammelt, Waffenarsenale neu aufgefüllt werden.

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Die politische Ökonomie dieser Konflikte ist nicht mehr staatszentriert: - die Staaten werden zu Schatten ihrer selbst, während die Kriegsökonomien in regionale und globale, sich der staatlichen Kontrolle entziehende Transaktionsnetze eingebunden werden. „Bürgerkriegsökonomien sind wie schwärende Wunden an den weichen Stellen von Friedensökonomien, die sie mit illegalen Gütern, wie Rauschgift und zur Prostitution gezwungenen Frauen, aber auch durch erzwungene Fluchtbewegungen infiltrieren und zur Finanzierungsquelle des Bürgerkriegs machen...“ (Münkler 2001).

Das die (Bürger-) Kriegsökonomie kennzeichnende Moment ist das der Deinvestitionsspirale: je länger die Kampfhandlungen dauern, desto mehr schrumpft die Zukunftsperspektive, desto eher verliert die zivile Wirtschaftsweise an Bedeutung, desto schneller gerät die Deinvestitionsspirale in Abwärtsdrehung: „Die unmittelbar verfügbaren Ressourcen werden hemmungslos ausgeplündert, und Investitionen kommen nicht mehr zustande. Am Ende ist im Grunde jeder Einzelne auf Gewaltanwendung angewiesen, um Nahrung und Wohnung zu sichern...“(Münkler 2001). Diese Art Ökonomien hinterlassen schließlich eine räuberische Gesellschaft, die sich von der des Hobbes’schen Naturzustandes nur noch wenig unterscheidet.

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Schließlich: wie erfolgreiche transnationale Konzerne geben die Akteure des Neuen Krieges in ihrer Organisationsstruktur das herkömmliche Prinzip einer pyramidal-vertikalen Kommandohierarchie auf, nähern sich den komplexen horizontalen Netzwerken und flachen Hierarchien, die die Führungsstrukturen moderner Wirtschaftsunternehmen kennzeichnen. Zu einem Gutteil ist selbst ihre Kriegführung transnational: sie werden finanziert durch Spenden oder „Abgaben“ in der Diaspora lebender Volksangehöriger oder ihren Zielen geneigter Drittstaaten; sie greifen logistisch auf einen globalisierten Waffenmarkt zu; sie rekrutieren ihre Kämpfer aus Angehörigen (fundamentalistisch-) weltanschaulich gleichgerichteter Drittgesellschaften; sie nutzen die Dienste weltweit operierender kommerzieller Anbieter militärischer Beratungs-, Trainings- und Kampfleistungen; und sie beschränken ihre Aktionen nicht auf das angestammte Territorium oder regionale Kriegsschauplätze, sondern tragen ihren Kampf mittels spektakulär-terroristischer Akte an solche Orte, an denen ihnen die Aufmerksamkeit einer multimedial rund um den Globus vernetzten Weltöffentlichkeit sicher sein kann.

Über Zeit führen die – eher camouflierend als „ethnopolitisch“ bezeichneten - Auseinandersetzungen zur Auflösung der staatlichen Handlungssubjekte und ~-Strukturen und zur Delegitimierung jeglicher im Namen usurpierter staatlicher Autorität umgesetzten Politik.

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Konsequenz I: Aufhebung der klassischen Trennung von Innen und Außen (-

Politik)

Subsystemische gesellschaftliche Akteure werden auf der systemaren

Ebene unmittelbar handlungsrelevant, externe Konflikte/Konfliktgründe werden internalisiert, nationale

gesellschaftliche Akteure externalisieren sich und/oder treten in

Interessenkoalitionen mit vergleichbaren Akteuren in anderen Gesellschaften. Das überkommene state-as-gatekeeper-Prinzip wird ausgehebelt; der einzelstaatliche

Rückfall in den Naturzustand unterfüttert und durchdringt die

internationale Anarchie.

Konsequenz II: Aufhebung des

klassischen Interventionsverbots

Der Schutz der Souveränität der Akteure durch das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten war eine existenznotwendige Bedingung des naturzuständlichen Staatensystems; seine Ausserkraftsetzung durch das Prinzip der humanitären Intervention ebenso wie durch ethnopolitische Unterstützung von Volks- oder Glaubensgenossen bedeutet einen erheblichen Schritt vorwärts in Richtung auf weltgesellschaftliche Organisationsformen

Konsequenz III: Auflösung des klassischen Kriegsbildes

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Fazit

Der Neue Krieg ist mit den herkömmlichen Kategorien einer dem zwischenstaatlichen Konflikt und seiner Bearbeitung verhafteten Sicherheitspolitik und strategischen Analyse nicht zu fassen (vgl. Abb.).

Er zeigt sich aber auch resistent gegenüber all jenen Versuchen, die ihn unter dem Zeichen der Prävention, der Verregelung oder gar Verrechtlichung zu domestizieren suchen. Wir brauchen ein neues begriffliches Instrumentarium, das uns weiterhelfen kann, seine Phänomene zu klassifizieren, historisch-genetisch zu verorten und wenigstens einer Erklärung zugänglich zu machen. Damit wird eine Anforderung an Friedens- und Konfliktforschung formuliert, der sie bis dato gern ausgewichen ist: die Entwicklung einer qualitativen Kriegsursachenforschung, die über die blosse Bildung von Zeitreihen und Formulierung statistikgestützter wenn-dann-Vermutungen weit hinausgeht.

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Literaturtipp Mary Kaldor: Neue und alte Kriege. Organisierte

Gewalt im Zeitalter der Globalisierung. Frankfurt/M. 2000.

Herfried Münkler: Die neuen Kriege. Reinbek b. Hamburg 2002.

Siegfried Frech/Peter I. Trummer (Hrsg.): Neue Kriege. Akteure, Gewaltmärkte, Ökonomie. Schwalbach/Ts. 2005.

Sabine Kurtenbach/Peter Lock (Hrsg.): Kriege als (Über)Lebenswelten. Schattenglobalisierung, Kriegs-ökonomien und Inseln der Zivilität. Bonn 2004.

Christopher Daase: Kleine Kriege – Große Wirkung. Wie unkonventionelle Kriegführung die internationale Politik verändert. Baden-Baden: Nomos 1999

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These IV

Warum hat die Friedenswissenschaft hat diese Entwicklungen bislang allenfalls recht partiell nachvollzogen ?Sie war einerseits gefangen im Vorstellungskreis der organisierten Friedlosigkeit, des Abschreckungsfriedens, den es zu stabilisieren und zu perfektionieren galt, um einen nuklear entfachten Weltbrand zu verhindern. Andererseits war sie befangen in der antiimperialistischen Optik einer auf Befreiung der Dritten Welt von weltmarkt- vermittelten Dependenzverhältnissen gerichteten Analyse struktureller, seit neuerem auch kultureller Gewalt.

Die neue Qualität der „kleinen Kriege“ (Daase), der militärischen Auseinandersetzungen der dritten Art, blieben ihr weitgehend verborgen. Ihr begriffliches und politisch-praktisches Instrumentarium der Konfliktbearbeitung und Konfliktlösung stammt ganz überwiegend noch aus der Sphäre der zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen – von der Phase der Prävention über die Phase des Peacemaking und Peacebuilding bis zur Phase des Peacekeeping.

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Womit wir uns in diesem Kontext vor allem auseinandersetzen müssen, sind jene Konfliktakteure, die Konflikte für ihre eigenen persönlichen (Gewinn-, Ausbeutungs-, Herrschafts- und Macht-) Interessen instrumentalisieren, demgemäß einer auf rationalen Prinzipien fussenden Konfliktbearbeitung nicht zugänglich sind. Für den Umgang mit Akteuren, die prototypenhaft durch die Karadzics, Milosevics und Mladics – oder auch die Chilubas, Mobutus, Taylors oder Kabilas – dieser Welt repräsentiert werden, reichen die Konzepte und Handlungsanleitungen der traditionellen Friedenswissenschaft nicht aus; denn diese Konzepte stehen in guter analytischer Tradition unter Rationalitätsvorbehalt, verkörpern aber eine Rationalität, die von den nicht an der (westlichen) Vernunft, sondern an der Hab-Gier orientierten Akteuren des Neuen Krieges nicht länger geteilt wird.

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Thank you for your attention …