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PACE-Studie Treppennutzung Neuronale Netze Kreatin ... · Institut für Anatomie und Phy-siologie der Marathon. Ich wünsche Ihnen eine spannen-de und erkenntnisreiche Lektüre! Editorial

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1PACE-Studie Treppennutzung Neuronale Netze Kreatin & Gehirn Biotestverfahren Digitale Spiele

Liebe Leserin, lieber Leser,

können wir videospielend Bewegungen lernen? Kanndie Gehirnleistung von älteren und alten Menschendurch Kreatinzufuhr verbessert werden? Fragen, denenunsere Autorinnen und Autoren im aktuellen Wissen-schaftsmagazin auf den Grund gehen. In sechs span-nenden Beiträgen bieten wir Ihnen einen Einblick indie Arbeit unserer Universität. Die enge Kooperationvon Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern derDeutschen Sporthochschule Köln mit anderen For-schergruppen steht dabei ebenso im Vordergrund wiedie Darstellung des facettenreichen Themenspektrumsdes Sports und der Sportwissenschaft.

Der erste Beitrag führt Sie in die digitale Welt der Com-puter- und Konsolenspiele. Digitale Spiele erfreuen sichgroßer Beliebtheit und haben sich zu einem bedeu-tenden Wirtschafts- und Gesellschaftsfaktor entwickelt.Ob Singen, Skifahren, Gedächtnistraining oder Yoga, inForm digitaler Spiele sind sie für viele ein attraktivesFreizeitvergnügen. Durch die stetige Weiterentwick-lung der Gerätehardware können komplexe Bewegun-gen realitätsnah dargestellt werden. Daher erscheintder Einsatz und die Erforschung der Effekte digitalerSpiele aus sportwissenschaftlicher Sicht besonders at-traktiv. Videospielend Bewegungen lernen?, fragenThomas Heinen, Konstantinos Velentzas, Marco Waltherund Ruben Goebel und präsentieren ihre Ergebnisse.

Aus der digitalen Sportwelt kehren wir im nächstenBeitrag in die reale zurück: in die reale Welt des Do-pings im Sport. Um Dopingsündern auf die Spur zukommen entwickeln Arbeitsgruppen der DeutschenSporthochschule Köln gemeinsam mit der TechnischenUniversität Dresden biologische Nachweisverfahren füranabole Steroide. Genetisch veränderte Hefen, einzel-lige Lebewesen, die vor allen Dingen zur Produktionvon Alkohol und als Backtriebmittel Verwendung fin-den, sind dabei die neuen Helfer im Kampf gegen dasDoping. Das Forscherteam erläutert den biologischenNachweistest und nennt Vorzüge gegenüber der her-kömmlichen Methode der Gaschromatographie undMassenspektrometrie.

Auch Kreatin ist ein häufig eingesetztes Mittel zurLeistungssteigerung im Sport. Im Beitrag „Kreatinund Hirnleistung“ geht es jedoch nicht um Muskel-zuwachs oder die Erhöhung der Kurzzeitleistung. Ju-lia Diehl, Wildor Hollmann, Andreas Mierau, StefanSchneider und Heiko K. Strüder untersuchen den Ein-fluss von Kreatin auf kognitive und psychomotorischeLeistungen des älteren und alten Menschen. Kreatinist eine körpereigene Substanz, die hauptsächlich inder Leber und in der Bauchspeicheldrüse synthetisiertwird. Besonders in Fisch und Fleisch sitzt der Ener-gielieferant, der vor allem für die Muskelkontraktion,aber auch für Hirn- und Nervenfunktion benötigtwird. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Über-legung, dass der Effekt einer Kreatinzufuhr in einervergrößerten ATP-Resynthese bestehen könnte. Vorallem für ältere Menschen könnte dies von Vorteilsein, da infolge des Alterungsprozesses die Kreatin-

und Phosphokreatinkonzentratio-nen im Körper abnehmen.

Taktische Fähigkeiten spielen immodernen Fußball eine bedeutsa-me Rolle. Neben fußballspezifi-schen Individualtaktiken werdenim Leistungsfußball insbesonderedie Gruppentaktiken stark disku-tiert. Welche Akteure müssen zuwelchem Zeitpunkt und unter wel-chem Einfluss der gegnerischen Ak-teure wie zusammenspielen, damitTorgefahr entsteht? Dieser Fragegehen Daniel Memmert vom Insti-tut für Kognitions- und Sportspiel-forschung und Kollegen der Uni-versität Mainz und Universität Hei-delberg nach. Sie analysieren fuß-ballspezifische Gruppentaktikenmit Hilfe adaptiver Neuronaler Net-ze. Der Beitrag „Weltstandsanalyse im Spitzen-Fuß-ball“ beschreibt die Ergebnisse des von der DeutschenForschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts.

Treppensteigen ist gesund – das weiß jeder. Es akti-viert das Herz-Kreislauf-System, regt den Stoffwechselan und verbraucht Kalorien. Doch wer setzt dieses Wis-sen im Alltag tatsächlich um? Birgit Wallmann und ihrTeam vom Zentrum für Gesundheit haben das getestet.Über acht Wochen hinweg haben sie die hochsteigen-den bzw. fahrenden Personen innerhalb eines KölnerEinkaufszentrums von einer parallel angeordneten Roll-treppe zur Treppe erfasst. Das Ergebnis: Lediglich 6,6%nehmen die Treppe. Können spezielle Plakate mit Ge-sundheitsbotschaft die Treppennutzung fördern?, hatsich das Forscherteam gefragt, zwei unterschiedlichePlakate aufgestellt und erneut gezählt. Die Ergebnis-se der Plakatinterventionen können Sie hier lesen.

Um körperliche Gesundheit und ihre Aufrechterhaltunggeht es auch im letzten Beitrag. Durch die verlänger-te Lebensarbeitszeit, den demographischen Wandelund die starke Verbreitung von Bewegungsmangel undÜbergewicht gewinnt sie seit geraumer Zeit weiter anBedeutung. Doch was sind die entscheidenden Krite-rien für den Erhalt von Gesund-heit und Leistungsfähigkeit undwie lassen sich Präventionsmaß-nahmen optimieren? Die PACE-Studie der Deutschen Sporthoch-schule Köln liefert Antworten. Alsleistungsphysiologisches Unter-suchungsmodell dient DieterLeyk, Max Wunderlich, AlexanderSievert und Thomas Rüther vomInstitut für Anatomie und Phy-siologie der Marathon.

Ich wünsche Ihnen eine spannen-de und erkenntnisreiche Lektüre!

Editorial

Univ.-Prof. mult. Dr. Walter Tokarski,Rektor

Ihr

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3PACE-Studie Treppennutzung Neuronale Netze Kreatin & Gehirn Biotestverfahren Digitale Spiele

Inhaltsverzeichnis

EditorialUniv.-Prof. mult. Dr. Walter Tokarski Seite 1

(Video-)Spielend Bewegungen lernen?!Thomas Heinen, Konstantinos Velentzas, Marco Walther, Ruben Goebel Seite 4

Mikroorganismen im Kampf gegen DopingsünderSylvi Lehmann, Patrick Diel, Wilhelm Schänzer, Oliver Zierau Seite 8

Kreatin und HirnleistungJulia Diehl, Wildor Hollmann, Andreas Mierau, Stefan Schneider,Heiko K. Strüder Seite 16

Weltstandsanalyse im Spitzen-FußballDaniel Memmert, Andrea Schmidt, Jürgen Perl, Julian Bischof,Stefan Endler, Andreas Grunz, Markus Schmid Seite 24

Treppe statt RolltreppeBirgit Wallmann, Sara Mager, Ingo Froboese Seite 32

Die Pace-StudieDieter Leyk, Max Wunderlich, Alexander Sievert, Thomas Rüther Seite 38

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4 Biotestverfahren Kreatin & Gehirn TreppennutzungNeuronale Netze PACE-StudieDigitale Spiele

Digitale Spieleals Trainingstool im Sport?

Digitale Spiele beinhalten in variabler Form immerBewegungen (WIEMEYER 2009). Die Spielsteuerungkann dabei kleinmotorisch (z.B. über Maus, Tasta-tur oder Joystick) oder großmotorisch (z.B. überneuere Controllersysteme mit integrierten Be-schleunigungssensoren, Kontaktmatten, Kraftmess-platten oder Kameras zur Bewegungserkennung)erfolgen.

Insbesondere in neueren digitalen Sportspielenwerden vom Spieler Bewegungsausführungen ver-langt, welche sich deutlich an sportlichen Bewe-gungstechniken orientieren. Der Controller der Nin-tendo-Wii© Konsole kann beispielsweise wie einTennisschläger oder ein Golfschläger bewegt wer-den. Aus den Beschleunigungs-Zeit-Verläufen des

Controllers werden Bewegungen eines virtuellenAgenten berechnet, welcher dann einen gespieltenTennisball oder einen ruhenden Golfball schlägt.Im Spiel Eyetoy Kinetic Combat© lernt der SpielerGrundtechniken des Kung-Fu. Seine Bewegungenwerden von einer Kamera aufgezeichnet und inEchtzeit mit den Bewegungen eines Modells ver-glichen. Je genauer der Spieler die Bewegungendes Modells imitiert, desto besser ist seine Spiel-leistung. Im Spiel Walabers’ Trampoline steuert derSpieler die Bewegungen eines Trampolinturnersmit der Tastatur. Über die Eingabe von Tastatur-kombinationen führt der virtuelle Trampolinturnerunterschiedlich komplexe Bewegungen aus (Basis-sprünge, Salti und Schrauben). Je korrekter und jeschwieriger die Sprünge sind, desto mehr Punkteerhält der Spieler.

Unterschiedliche Schwierigkeitsstufen oder Kom-plexitätsgrade in den genannten Spielen könnenbeispielsweise mit den Phasen des sportmotori-schen Lernens assoziiert werden (z.B. MAGILL2008). Ungeübte Personen könnten daher mit Hil-fe von digitalen Spielen zunächst eine Bewe-gungsvorstellung erlangen (kognitive Phase),während geübte Personen gezielt Bewegungsmög-lichkeiten ausprobieren (assoziative Phase) oderoptimieren könnten (autonome Phase). Ein Vorteilvon solchen digitalen Spielen könnte deshalb ge-rade darin bestehen, dass der Spieler die Effekteeiner Bewegung in einem Umfeld mit definiertenEinflussfaktoren explorieren kann.

Werden digitale Spiele in systematischer Weisezur Unterstützung perzeptuell-kognitiver und/odermotorischer Lernprozesse im Sport eingesetzt,dann sprechen wir von einem sogenannten Digi-tal-Game-Training (DGT). Für die Sportwissen-schaft stellt sich die grundlegende Frage, welcheTransferwirkungen dabei zu erwarten sind (WIE-MEYER 2009).

(Video-)Spielend Bewegungen lernen?!Einsatz und Erforschungder Effekte digitaler Sportspiele

Ein Beitrag vonThomas Heinen1

KonstantinosVelentzas 1

Marco Walther 1

Ruben Goebel 2

1PsychologischesInstitut SportinternatKnechtsteden2Institut für Bewe-gungswissenschaftin den Sportspielen

Foto:DSHS/Pressestelle

Digitale Spiele sind ein attraktives Freizeitmedium und der Sektor hat sich unlängst zu einem be-deutenden Wirtschafts- und Gesellschaftsfaktor entwickelt (KELLER 2007). Digitale Spiele sindSpiele, die mit Hilfe von Medien mit Mikroprozessoren realisiert werden. Diese umfassen u.a. Com-puter-, Konsolen-, aber auch Handy- und PDA-Spiele (WIEMEYER 2009). Mit der Weiterentwick-lung innovativer Eingabegeräte (z.B. Nintendo Wii-Remote Controller) haben sich neue Interak-tionsmöglichkeiten mit virtuellen Agenten in virtuellen Umgebungen ergeben. Mit der Weiter-entwicklung der Gerätehardware (z.B. neuere Graphikprozessoren) können komplexe Bewegungenrealitätsnah hinsichtlich ihrer Struktur- und Oberflächenmerkmale dargestellt werden. Daher er-scheint der Einsatz und die Erforschung der Effekte digitaler Spiele aus sportwissenschaftlicherSicht besonders attraktiv.

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5PACE-Studie Treppennutzung Neuronale Netze Kreatin & Gehirn Biotestverfahren Digitale Spiele

Transferwirkungenvon digitalen Spielen

Transferwirkungen von digitalen Spielen beinhal-ten zunächst aufgabenunspezifische Wirkungen, wiebeispielsweise die Verbesserung der räumlichenWahrnehmung oder der Reaktionsfähigkeit, wel-che durch ein Training mit digitalen Spielen einenhohen Grad an Generalisierung erfahren können(z.B. GREEN & BAVELIER 2007). Aufgabenspezifi-sche Transferwirkungen zeigen sich dann, wenn di-gitale Spiele gezielt zur Verbesserung bestimmter(Bewegungs-)Aufgaben eingesetzt werden (z.B.FERY & PONSERRE 2001). Für den Bereich desSports sind dabei aufgabenspezifische Effekte inerster Linie auf perzeptuell-kognitiver und moto-rischer Ebene zu erwarten.

Mit Blick auf den aktuellen Forschungsstand wirddeutlich, dass im Bereich der Sportwissenschaftprimär die Effekte von einem DGT isoliert oder inKontrastierung mit motorischem Training überprüftwurden. FERY und PONSERRE (2001) untersuchtenbeispielsweise die Transferwirkung eines Golfsi-mulationsspiels auf die Leistung beim Putting. Inihrer Studie wurden 62 Versuchspersonen ohneVorerfahrung im Golf auf fünf Gruppen aufgeteilt.Zwei der fünf Gruppen sollte das Golfputting mitHilfe eines virtuellen Agenten (Methode 1) im Golf-simulationsspiel üben. Weitere zwei Gruppen üb-ten das Putting unter Zuhilfenahme einer dynami-schen Balkengraphik im Golfspiel (Methode 2). Diefünfte Gruppe diente als Kontrollgruppe und erhieltkein spezifisches Training.

Die Autoren fanden einen positiven Transfer auf diePuttingleistung unter realen Bedingungen, für dieMethode 2 (Balkengraphik). Die Methode 1 (virtu-eller Agent) brachte keine Vorteile hinsichtlich derrealen Puttingleistung. Es ist anzunehmen, dassdie Versuchspersonen durch die Golfsimulation aufperzeptuell-kognitiver Ebene eine adäquate Effekt-repräsentation hinsichtlich der Kraftdosierungbeim Golfschwung entwickelten und diese bei derrealen Ausführung des Puttens nutzen konnten.

Allerdings ist auch anzunehmen, dass sich bei Nut-zung von Methode 1 (virtueller Agent) gerade des-halb kein positiver Transfer zeigte, weil die Ver-suchspersonen beim virtuellen Putten im Vergleichzu Methode 2 eine zusätzliche Transformation vonhorizontaler Mausbewegung (Eingabe) und verti-kaler Schwungbewegung (Effekt) herstellen mus-sten. Eine im digitalen Spiel umgesetzte Symme-trie zwischen realem und virtuellem (Bewegungs-)Effekt könnte im Umkehrschluss dazu führen, dasssich deutliche Transferwirkungen finden lassen,welche im optimalen Fall einem motorischen Trai-ning vergleichbar sind.

Zur Überprüfung der skizzierten Annahme, solltenVersuchspersonen in einer Serie von eigenen, auf-einander aufbauenden Experimenten sportliche Be-wegungen mit dem Nintendo Wii-System erlernen

und optimieren. Die Forschungsleitende Hypothe-se in der nachfolgend dargestellten Untersuchungwar: Wenn Personen Golf-Putting mit einem digi-talen Golfspiel lernen, dann verbessern sie ihreLeistung in gleicher Weise wie Personen welcheGolf-Putting motorisch lernen. Obwohl im virtuel-len Golf-Putting ein verändertes sensomotorischesFeedback (u.a. fehlende taktile Informationen überdas Treffen des Balles) vorliegt, die Bewegung je-doch keine hohe Komplexität aufweist, wurde fer-ner vermutet, dass die Lernpersistenz beim Video-spiel-Training ebenfalls einem motorischen Trai-ning vergleichbar ist.

Abb. 1:Foto einer Versuchs-person beim DGT derskizzierten Untersu-chung zum Erlernenund Optimieren desGolf-Puttings.

Abb. 2:Fotos vomVersuchsaufbau(Putting-Test).

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6 Biotestverfahren Kreatin & Gehirn TreppennutzungNeuronale Netze PACE-StudieDigitale Spiele

N = 27 Sportstudierende (Alter: 26 +/- 2 Jahre) oh-ne Vorerfahrung im Golf nahmen an einer Unter-suchung zur Verbesserung ihrer Putting-Leistungteil. Die Studierenden wurden zufällig einer vondrei Gruppen zugeordnet: 1. Digital-Game-Gruppe(DGG), 2. Putting-Training-Gruppe (PTG) und 3.Kontrollgruppe (KG). Die Versuchspersonen derDGG spielten das Golfspiel Tiger Woods PGA Tour08 im sogenannten MiniPutt-Modus auf der Nin-tendo Wii-Konsole (Abbildung 1). Der Wii RemoteController wurde dazu an einem Golfschläger befe-stigt. Die Versuchspersonen der PTG übten das Put-ten auf einem Putting-Green im Labor mit einemPuttingschläger (Abbildung 2). Die Versuchsper-sonen der KG erhielten kein Putting Training.

Das Design der Untersuchung bestand aus vier Pha-sen: 1. Prätest, 2. Intervention, 3. Posttest und 4.Retentionstest. In allen Testphasen (Prä, Post undRetention) sollten die Versuchspersonen 30 Putts(inklusive 4 Übungsversuche) auf einem 4.20m lan-gen Putting-Green ausführen. Als abhängige Varia-ble wurde die Anzahl eingelochter Bälle erfasst.

Für die Versuchspersonen der DGG und der PTG be-stand die Intervention aus sechs 25-minütigen Sit-zungen welche über einen Zeitraum von 3 Wochen(2 Sitzungen pro Woche) durchgeführt wurde. Injeder Übungssitzung fand eine fünfminütige Er-wärmung und Beweglichmachung statt. In eineranschließenden 20-minütigen Übungsphase solltendie Versuchspersonen insgesamt 50 Putts durch-führen. Die Versuchspersonen der DGG spielten da-zu den MiniPutt Modus des Spiels Tiger Woods PGATour 08. Die Versuchspersonen der PTG übten diePutts auf einem Putting Green (siehe Abbildung 2).In beiden Gruppen wurden von Sitzung zu Sitzungdie Anforderungen beim Putting (unterschiedlicheDistanzen zum Loch, unterschiedliche Neigungs-winkel) systematisch variiert. Die Versuchsperso-nen erhielten die gleichen standardisierten In-

struktionen zur Technik des Golfputts, jedoch keinzusätzliches verbales Feedback. Der Posttest wur-de drei Tage nach Abschluss der letzten Trainings-sitzung durchgeführt. Der Retentionstest fand zweiWochen nach dem Posttest statt.

Die Versuchspersonen der DGG und der PTG zeigenim Prätest keine signifikanten Unterschiede hin-sichtlich ihrer Puttingleistung im Vergleich zurKontrollgruppe (Kontrastschätzer = 4.11, p = .03,siehe Abbildung 3), jedoch eine höhere absolutePuttingleistung im Posttest (Kontrastschätzer =6.00, p = .02) und Retentionstest (Kontrastschät-zer = 4.11, p = .02). Ferner existiert kein signifi-kanter Unterschied zwischen DGG und PTG beimPrä-, Post- und Retentionstest (KontrastschätzerPrätest = 0.22, p = .83, Kontrastschätzer Posttest= 0.88, p = .52 und Kontrastschätzer Retentions-test = 1.88, p = .07). Die DGG weist jedoch im Ver-gleich zur PTG eine größere Abnahme in ihrer Put-tingleistung vom Post- zum Retentionstest auf.Beim Test aller Effekte konnte ein signfikanter In-teraktionseffekt zwischen Gruppe und Testzeit-punkt, F (4,48) = 2.79, p = .04, Cohens’ f = 0.48,gefunden werden. Ferner fand sich ein signifikan-ter Haupteffekt für den Faktor Zeitpunkt, F (1.39,33.41) = 13.19, p < .05, Cohens’ f = 0.74, jedochkein signifikanter Haupteffekt für den Faktor Grup-pe, F (2,24) = 2.77, p = .08, Cohens’ f = 0.48, po-wer = .70.

Diskussion und FazitDigital-Game-Training (DGT) hat einen positivenEinfluss auf das Bewegungslernen bei kleinmoto-rischen Bewegungen, welcher einem motorischenTraining vergleichbar ist, insbesondere dann, wenndas DGT auch motorische Komponenten beinhaltet,welche die reale Bewegung zumindest in Teilenabbilden. Dies ist insbesondere deshalb interes-sant, da Probanden durch das Videospiel ein – ge-genüber dem motorischen Training – unterschied-liches propriozeptives Feedback in Kombinationmit begleitendem visuellen Feedback erhalten (vgl.FERY & PONSERRE 2001). Die Befunde anderer Au-toren (z.B. HEBBEL-SEEGER 2008; SOHNSMEYER2009) unterstützen diese Schlussfolgerung.

Durch die prinzipiell beliebige Ausgestaltung vir-tueller Umgebungen in Kombination mit einerMöglichkeit zur sportnahen Interaktion mit virtu-ellen Agenten könnte ein DGT in Zukunft zu einerUnterstützung für traditionelle Verfahren dessportlichen Trainings werden.

So ist es vorstellbar, dass zukünftige digitale Spie-le die Option beinhalten, reale Daten des Spielersin Form von anthropometrischen, kinematischenund dynamischen Kenngrößen bei Bewegungen un-terschiedlicher Komplexität zu importieren unddiese in Echtzeit auf einen virtuellen Agenten zuübertragen. Der Spieler könnte dann den virtuel-len Agenten durch seine eigene Bewegungen steu-ern. Dies heißt, dass DGT im Sinne der Selbstmo-

Abb. 3:Absolute Puttinglei-stung (Mittelwert undStandardabweichung)der Digital-Game-Gruppe (DGG), derPutting-Training-Grup-pe (PTG) und der Kon-trollgruppe (KG) imPrä-, Post- und Reten-tionstest.

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dellierung (z.B. MCCULLAGH & WEISS 2001) undBewegungsexploration (z. B. BERNSTEIN 1967) zurUnterstützung psychomotorischer Trainingsver-fahren eingesetzt werden kann.

Die Spielindustrie könnte bereits jetzt stärker vonder Expertise der Sportwissenschaft (und angren-zender Disziplinen) profitieren. So könnte bei-spielsweise die Sportpsychologie oder Sportbiome-chanik dazu beitragen, bestehende Spielkonzepteoder Interfacesysteme weiter zu entwickeln, die denGrad an simulierter Realität erhöhen (z.B. durchden vermehrten Einsatz von Feedback Systemen,oder durch die Implementierung experimentell ab-gesicherter Effekte in den Spieleengines).

Allgemein ist zu erwarten, dass sich in Zukunft ei-ne differenziertere Forschung zu den Mechanismenund Ebenen des Transfers digitaler Spiele im Sportentwickeln wird (WIEMEYER 2009).

Literatur bei den Autoren.

Dr. Thomas HEINEN, Di-plom-Sportwissenschaft-ler (DSHS), Promotion inSportwissenschaft mit denFächern Psychologie undBiomechanik (DSHS). Seit04/2007 Post-Doktorandin der Abteilung Leis-tungspsychologie (Lei-tung: Prof. Dr. Dr. MarkusRaab) am Psychologi-

schen Institut der Deutschen SporthochschuleKöln. Schwerpunkt in der Forschung: VisuelleWahrnehmung bei komplexen Bewegungen,Übungsbedingungen beim motorischen Lernen.

E-Mail: [email protected]

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8 Biotestverfahren Kreatin & Gehirn TreppennutzungNeuronale Netze PACE-StudieDigitale Spiele

Genetisch veränderte Hefen, einzellige Lebewesen,die vor allen Dingen zur Produktion von Alkoholund als Backtriebmittel Verwendung finden, sinddie neuen Helfer im Kampf gegen das Doping. MitIhrer Hilfe können in Zukunft Urinproben zeitspa-

rend und kostengünstig vor-analysiert werden, um die klas-sische Methode der GC/MS ge-zielter einsetzen zu können.Zudem ermöglichen sie dasAufspüren von Substanzen, de-ren chemische Struktur denDopinganalytikern noch garnicht bekannt ist. Seit demJahre 2005 entwickeln Ar-beitsgruppen der DeutschenSporthochschule Köln und derTechnischen Universität Dres-den gemeinsam, mit finanziel-ler Unterstützung der Welt-An-ti-Doping-Agentur (WADA),derartige Testsysteme.

Was sind anaboleSubstanzen?Anabole Substanzen werdenneben Cannabinoiden und Sti-mulanzien am häufigsten zumDoping missbraucht. In denvon der WADA 2008 positivgetesteten Proben wurden inca. 60% anabole Substanzennachgewiesen.

Die Klasse der anabolen Substanzen besteht unteranderem aus beta-2-sympathomimetischen Sub-stanzen, Wachstumshormonen und anabolen Stero-iden. Beta-2-sympathomimetische Substanzen wir-ken stimulierend auf den Sympathikus – ein Anteildes vegetativen Nervensystems. Dadurch werdeneine Erhöhung des Blutdruckes und der Herzfre-quenz, eine Erweiterung der Atemwege, eine all-gemeine Leistungssteigerung und ein erhöhter En-ergieverbrauch bewirkt. Wachstumshormone sindSubstanzen, die das Wachstum unter anderem desMuskelgewebes stimulieren. Die höchstwahr-scheinlich an meisten konsumierten anabolenSteroide sind vom Testosteron abgeleitete Stero-idhormone.

Anabole SteroidhormoneDiese Hormone sind relativ kleine Moleküle, die dieZellmembran passieren können. In der Zelle bindensie nach dem so genannten Schlüssel-Schloss-Prin-zip an spezifische Rezeptoren. Das heißt, ein spe-zieller Rezeptor erkennt meist nur ein für ihn spe-zielles Hormon. Testosteron bindet zum Beispielnur an den Androgenrezeptor. Durch diese Bin-dung wird der Rezeptor aktiviert, wandert in denZellkern und lagert sich dort an regulierende Be-reiche der DNA an. Dadurch werden spezielle, durchdas entsprechende Steroidhormon regulierte Gene,abgelesen und eine Kopie dieser Gene, die soge-nannte messenger RNA (mRNA) als „Blaupause“gebildet. Die mRNA wandert aus dem Zellkern indas Zellplasma. Dort wird sie an spezifischen Zell-organellen, den Ribosomen, in Protein übersetzt.

Mikroorganismen im Kampf gegenDopingsünderBiologisches Nachweisverfahrenfür anabole Steroide

Der Missbrauch anaboler Substanzen wird von den meisten Sportverbänden und auch vom Olympi-schen Komitee verurteil und sanktioniert. Trotzdem bleibt die Einnahme solcher Substanzen wei-terhin ein schwerwiegendes Problem, sowohl im Leistungs- als auch im Freizeitsport. Beim Leis-tungssport waren 2008 knapp 2% der von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) durchgeführtenDopingkontrollen positiv. Im Freizeitsport gibt es eine Konzentration des Missbrauchs dieser ver-botenen Substanzen vor allem im Bodybuilding. Bei einer Studie in norddeutschen Sportstudios ga-ben 24% der befragten Männer und 8% der Frauen an, anabol wirkende Medikamente zu sich zunehmen. In 94% der Fälle handelte es sich um potentiell hoch lebertoxische Substanzen, diehauptsächlich auf dem Schwarzmarkt besorgt und nur zu 14% von Ärzten verschrieben wurden (BOOSet al. 1998). Erschwerend kommt hinzu, dass auch unter Jugendlichen Doping ein wachsendes Pro-blem darstellt. In einer 2007 veröffentlichten Studie unter 2319 Thüringer Schülern gaben 15% an,im Vorjahr, von der WADA verbotene Substanzen genommen zu haben (WANJEK et al. 2007). Bis-her erfolgte der Nachweis von Anabolikamissbrauch mittels der kosten- und zeitintensiven Metho-de der Gaschromatographie und Massenspektrometrie (GC/MS). Diese Methode kann nun durch einbiologisches Nachweisverfahren ergänzt werden, welches im vorliegenden Beitrag dargestellt wird.

Ein Beitrag vonSylvi Lehmann 1

Patrick Diel 2

Wilhelm Schänzer 3

Oliver Zierau 1

1Institut für Zoolo-gie, TechnischeUniversität Dresden2Institut für Kreis-laufforschung undSportmedizin3Institut für Bio-chemie

Foto: TU Dresden/Institutfür Zoologie

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Die so entstandenen Proteine können entweder ei-ne direkte Wirkung haben oder regulatorisch wir-ken und zum Beispiel zu verstärktem Zellstoff-wechsel oder Zellteilung führen. Steroidhormonedie an den Androgenrezeptor binden erhöhen diezelluläre Proteinsynthese, was zu einem Gewebe-aufbau, vor allem im Muskelgewebe, führt.

Die Einnahme oder Injektion von anabolen Stero-iden zur Leistungssteigerung bringt die empfindli-che körpereigene Regulation durcheinander undverursacht eine Reihe von Nebenwirkungen, die inBeeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems, Le-berschäden, Vermännlichung von Frauen, aber auchin Brustwachstum beim Mann münden können. Umden Missbrauch anaboler Substanzen, der gleich-zeitig schwerwiegende Nebenwirkungen hervorruft,zu verhindern, so die einhellige Meinung, müsstedie Anzahl der Dopingtests erhöht werden. Wenndas Doping im Leistungssport reduziert werdenkann, könnte auch der Missbrauch unter Freizeit-sportlern zurück gehen, denn unter Doping erziel-te Erfolge im Leistungssport steigern auch den Miss-brauch verbotener Substanzen im Freizeitsport.

Klassischer Dopingtest füranabole Steroide

Der klassische Nachweis für anabole Substanzen er-folgt mittels der Methode der Gaschromatographieund Massenspektrometrie (GC/MC) (BORGES et al.2007). Bei dieser Methode werden die Urinprobenzuerst durch die Gaschromatographie in die ein-zelnen Bestandteile zerlegt und anschließend wer-den die einzelnen Fragmente durch Massenspek-trometrie bestimmt. Grundlage der Identifizierungist jedoch die genaue Kenntnis der Verstoffwech-selung (Metabolisierung) der jeweiligen Doping-substanz. Im Urin nachgewiesen werden nämlichdie im Körper aus der Muttersubstanz gebildetenAbbauprodukte, die Metabolite. Genau hier liegt je-doch ein grundlegendes Problem der GC/MS-Ana-lytik. Ist die chemische Struktur des eingenom-menen anabolen Steroids nicht bekannt, oder seinMetabolismus nur ungenügend aufgeklärt, ist einNachweis erschwert.

Auf dieses Problem wurde man zum ersten Mal imFall des so genannten Designer-Steroids Tetrahy-drogestrinon (THG) aufmerksam. Diese Substanzwurde ausschließlich zum Zwecke des Missbrauchssynthetisiert und illegal an Athleten verkauft. Zudiesem Zeitpunkt war weder die Existenz, der Ein-satz oder gar die chemische Struktur dieser Sub-stanz den Dopingkontrolllaboratorien bekannt. Dieamerikanische Sprinterin Marion Jones konnte soTHG jahrelang zum Doping missbrauchen ohne je-mals in einer einzigen Dopingkontrolle positiv ge-testet zu werden (Abb. 1). Nur Ihr eigenes Ge-ständnis überführte sie schließlich. Der Nachweisvon THG konnte damals nicht erfolgen, weil garnicht bekannt war, dass diese Substanz zum Dopenmissbraucht wird, dementsprechend wurde auch

nicht nach auffälligen THG-Metaboliten gesucht.Heute stellt der Nachweis von THG kein analyti-sches Problem mehr dar. Jedoch ist mittlerweilebekannt, dass neben THG noch eine Vielzahl wei-tere Designer-Steroide teilweise unbekannterStruktur zum Doping missbraucht werden und dieZahl dieser Substanzen steigt kontinuierlich.

Darüber hinaus befinden sich zurzeit eine neue Klas-se von anabolen Steroiden in der Entwicklung, diesogenannten Selektiven Androgen Rezeptor Modu-latoren (SARMs). Hierbei handelt es sich um Mo-leküle die an den Androgenrezeptor binden, ihn ak-tivieren, aber im Gegensatz zu den bisherigen ana-bolen Steroiden fast ausschließlich anabole Wirkungentfalten. Nebenwirkungen wie Störungen der Fer-tilität oder Vermännlichungserscheinungen bei Frau-en (Virilisierung) treten bei diesen Substanzen nichtauf. Daher können sie auch in der Frau Anwendungfinden. Ihre Einsatzgebiete sollen die Behandlungvon Muskeldystrophieerkrankungen, altersbeding-ter Muskelschwund sowie das metabolische Syndromsein. Derartige Substanzen befinden sich bereits inklinischen Studien. Natürlich können sie auch zumDoping missbraucht werden. Der Nachweis dieserSubstanzen mittels GC/MS ist zurzeit problematisch.Zum einen wird die chemische Struktur dieser Sub-stanzen von den Firmen aus patentrechtlichen Grün-den nicht offen gelegt. Zum anderen weisen vieleder Substanzen chemische Strukturen auf, die sichdeutlich von denen klassischer anaboler Steroideunterscheiden. Einige der Substanzen haben nochnicht einmal eine steroidale Struktur.

Ein weiterer Nachteil der klassischen GC/MS-Me-thodik ist der relativ hohe Zeit- und Kostenauf-wand und die Tatsache, dass Kontrolllaboratorienmit den teuren und komplexen Analysegeräten aus-gestattet sein müssen. Aus diesem Grund konntedie GC/MS-Methodik bisher nicht für einengroßflächigen Einsatz in Trainingskontrollen ge-nutzt werden.

Biologischer Nachweistest füranabole Steroide

Eine Ergänzung zur strukturgeleiteten Identifizie-rung von anabolen Steroiden stellt die aktivitäts-geleitete Identifizierung dar. Hier wird die Anwe-

Abb. 1: Die amerikanischeSprinterin MarionJones konnte jahre-lang unentdeckt mitdem Designer-SteroidTetrahydrogestrinon(THG) dopen, da nichtbekannt war, dass die-ses Steroid zu Doping-zwecken eingesetztwurde.

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senheit einer Substanz nicht mittels dem Nachweisihrer Metabolite detektiert sondern anhand ihrerbiologischen Wirkung. Da die Aktivität eines ana-bolen Steroids, wie oben beschrieben, auch überdie Bindung und Aktivierung des Androgenrezep-tors (AR) gemessen werden kann, ist es möglichdie androgene Wirkung von Substanzen mittelseines künstlichen, durch einen AR gesteuerten sogenannten „Reporter“-Gens nachzuweisen. Solchein System existiert bereits auf Basis der genetischveränderten Bierhefe Saccharomyces cerevisiae(SOHONI und SUMPTER 1998).

Bei diesem System ist in die Hefe das normaler-weise nicht vorhandene Gen für den menschlichenAndrogenrezeptor fest eingebaut. Die Hefe kanndementsprechend den Rezeptor bilden, der dann

10 Biotestverfahren Kreatin & Gehirn TreppennutzungNeuronale Netze PACE-StudieDigitale Spiele

in der Zelle vorliegt. Außerdem ist in die Zelle einringförmiges DNA-Konstrukt integriert worden,dass das so genannte „Reporter“-Gen trägt. Ein„Reporter“-Gen ist dadurch gekennzeichnet, dasses nur unter bestimmten Umwelteinflüssen, in die-sem Fall dem Vorhandensein von Androgenen, ab-gelesen wird und sein Genprodukt sehr leichtnachzuweisen ist. Häufig verwendete „Reporter“-Gene produzieren ein grün leuchtendes (fluores-zierendes) Protein oder ein Enzym wie die Galac-tosidase, die einen Farbstoff umwandelt. Werdenanabole Substanzen dem Hefenährmedium zuge-setzt, gelangen diese passiv durch die Zellwandder Hefe und binden an den „künstlichen“ Andro-genrezeptor. Durch diesen Kontakt wird der Re-zeptor aktiviert und bewirkt in diesem Fall dieSynthese der Galactosidase. Dieses Enzym gelangtin das die Hefezellen umgebende Nährmedium undwandelt dort einen gelben Farbstoff in einen ro-ten um (Abb. 2). Die Intensität dieser Farbände-rung kann man nach zwei Tagen messen und soquantitativ bestimmen. Ein Beispiel für eine sol-che Messung in einer 96-Lochplatte ist in Abbil-dung 3 dargestellt. Derartige Testsysteme werdenbereits erfolgreich zur Identifizierung pharmako-logisch interessanter Naturstoffe und in der Um-weltanalytik, z.B. zum Nachweis von Hormonen inAbwässern eingesetzt.

Ist dieses System als Dopingtestverwendbar?

Ziel unseres gemeinsamen Projektes ist es einenschnellen, leistungsstarken und preisgünstigen bio-logischen Dopingtest für anabole Steroide mit Hilfedes bereits bestehenden Systems zu entwickeln undzu validieren. Nach ersten Tests mit verschiedenenanabolen Steroiden konnten wir zeigen, dass das

Hefesystem eine Vielzahl die-ser Steroide, wie 1-Testoste-ron, Norbolethon und dasDesigner-Steroid Terahydroge-strinon erkennt. Dabei wurdendie zu testenden Substanzenin dem Lösungsmittel DMSOverdünnt und in einer End-konzentration von 10-6 bis 10-11

Molar eingesetzt. Indem sechsverschiedene Konzentratio-nen verwendet wurden, er-hält man eine Konzentrati-ons-Wirkungs-Kurve (Abb. 4).In dem Hefetest konnte keinesder getesteten Steroide so gutwie Dihydrotestosteron (DHT),das stärkste natürliche anabo-le Steroid, nachgewiesen wer-den. 1-Testosteron und Nor-bolethon waren jedoch nur 5-fach und Terahydrogestrinon10-fach schwächer als DHT.Somit konnte gezeigt werden,dass das Hefesystem unab-

Abb. 2:Schematische Darstel-lung des Hefesystems.

Abb. 3:96-Lochplatten mit jedrei getesteten Sub-stanzen in Vierfachbe-stimmung (1-4, 5-8,9-12) in acht aufstei-genden Konzentratio-nen (B-H).

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13PACE-Studie Treppennutzung Neuronale Netze Kreatin & Gehirn Biotestverfahren Digitale Spiele

hängig von der chemischen Struktur anabole Stero-ide wie Norbolethon und sogar das Designer-Stero-id Terahydrogestrinon erkennt.

Da die Dopingtests vorrangig mit Urinprobendurchgeführt werden, wurde die Verträglichkeit derHefen mit Urin getestet. Hierfür wurde der Urin vonzehn zufällig ausgewählten Männern gemischt undsteril filtriert. Dieses Uringemisch nennt man Sam-melurin und wird auch für die Negativkontrollenbenutzt. Dem Hefenährmedium wurden bis zu 50%mit 10-8 Molar DHT (anaboles Steroid) versetzterSammelurin zugegeben. Es konnte gezeigt werden,dass selbst die Zugabe von 50% Urin keinen nega-tiven Einfluss auf das Hefesystem hat.

Um zu prüfen, ob das Hefesystem anabole Stero-ide auch im Urin von Athleten erkennt, wurdenacht positiv getestete anonyme Urinproben, die zu-vor vom Institut für Biochemie der DeutschenSporthochschule Köln durch GC/MS charakterisiertwurden, getestet. Die Urinproben stammen vonAthleten, die unterschiedliche anabole Steroidegenommen haben. Dementsprechend sind auch inden Urinproben unterschiedliche Substanzen ent-halten. Für den Test wurden die Urinproben derAthleten mit Sammelurin verdünnt und so in denHefetest eingesetzt, dass die Urinkonzentrationim Hefenährmedium immer 10% betrug. Durch denEinsatz von immer stärker verdünnten Urinprobenin den Hefetest, kann wieder eine Konzentrations-Wirkungs-Kurve aufgenommen werden (Abb. 5).Außerdem wurde der Sammelurin als Negativkon-trolle verwendet. In einigen positiven Urinprobenbetrug die Konzentration der Abbauprodukte vonden eingenommenen anabolen Steroiden laut

GC/MS-Analyse nur 5 bis 200 ng/ml Urin. Trotzdemwurden diese Proben von dem Hefesystem als po-sitiv erkannt. In sechs von acht Proben haben wirden Steroidmissbrauch mit unserem Hefesystemnachweisen können. Zwei Proben hat das Hefesys-tem nicht erkannt. In diesen beiden Urinprobenwar die Konzentration der Abbauprodukte ca.

Abb. 5:Konzentrations-Wir-kungs-Kurven(B und C) von achtUrinproben von Do-pingsündern (SampleA-H) im Hefetest. ZumVergleich wurde DHTmitgeführt. Die Probenwurden zuvor mitGC/MS analysiert unddie Konzentrationender vorhandenen Meta-boliten bestimmt (A).

Abb. 4:Konzentrations-Wir-kungs-Kurven von 1-Testosteron (1-Test)(A), Terahydrogestri-non (THG) und Norbol-ethon (NB) (B) imVergleich zu Dihydro-testosteron (DHT).

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14 Biotestverfahren Kreatin & Gehirn TreppennutzungNeuronale Netze PACE-StudieDigitale Spiele

10ng/ml. Für diese beiden speziellen Substanzen istdie Nachweisgrenze in unserem Hefesystem offen-sichtlich höher. Die Abbauprodukte einer anderenSubstanz konnten allerdings schon in einer Kon-zentration von 5ng/ml Urin nachgewiesen werden.

Mit diesen Experimenten konnte gezeigt werden,dass das Hefesystem sehr sensitiv anabole Stero-ide und deren Abbauprodukte erkennt und dassdieses System auch für den Dopingnachweis ge-eignet ist. Hierbei ist von besonderer Bedeutung,dass sich die Kosten für einen Test mittels Hefe nurbei ca. 10% der GC/MS-Kosten bewegen dürftenund dass dieser Test auch in kleinen Laboratorienohne aufwändige Geräteausstattung durchgeführtwerden kann. Selbst Testungen unter Feldbedin-gungen sind möglich.

PerspektivenZurzeit wird das Testsystem von uns in vielfältigerWeise validiert, weiterentwickelt und verbessert.So gehen wir z. B. der Frage nach, ob das Systemdurch die Anwesenheit köpereigener Steroidhor-mone beeinflusst wird und wie sich der Menstrua-tionszyklus der Frau mit seinen schwankenden Hor-monspiegeln auf die Nachweisgrenzen auswirkt. InLangzeituntersuchungen wird die Zuverlässigkeitdes Tests an ausgewählten Probanden analysiert.In Trainingsstudien werden Trainingseinflüsse un-tersucht. In Ausscheidungsstudien werden dieNachweisgrenze und die Nachweisbarkeit von an-abolen Steroiden im Vergleich zur GC/MS bestimmt.Auch versuchen wir durch die gezielte Vorbereitungder Urinproben die Sensitivität weiter zu steigern.Allerdings funktioniert das System auch mit völligunaufgereinigtem Urin, ein großer Vorteil mit Be-zug auf Kosten und Testgeschwindigkeit.

Um den Test schneller und sensitiver zu gestalten,wurde das „Reporter“-Gen ausgetauscht. Statt ei-ner Farbveränderung erfolgt der Nachweis nun

durch ein fluoreszierendes Protein (Abb. 6). Hier-durch können die Tests nun schon nach 18 Stun-den ausgewertet werden. Dies stellt eine Zeiter-sparnis von über einem Tag, im Vergleich zu demvorherigen System, dar. Auch mit diesem neuenSystem wurde eine Vielzahl anaboler Steroide ge-testet, die die Hefen ohne Probleme erkannten.

Unser zurzeit größtes Projekt stellt die Generierungeiner völlig neuen genetisch veränderten Hefe dar.Hierbei arbeiten wir eng mit dem Institut für Ge-netik der TU Dresden zusammen. Statt der Bierhe-fe Saccharomyces cerevisiae kommt hier dieSpalthefe Schizosaccharomyzes pombe zum Einsatz.Hiervon versprechen wir uns weitere Vorteile. Soist das bisherige System zwar bereits in der La-ge die Anwesenheit von SARMs in Urinprobennachzuweisen, durch die Verwendung der neuenAnti-Dopinghefe soll die Sensitivität für derarti-ge Substanzen jedoch noch um ein Vielfachesgesteigert werden. Die finanzielle Unterstützungfür die zukünftigen Vorhaben ist uns bereits vonder WADA zugesichert worden.

FazitDie Standardmethode für den Nachweis von ana-bolen Steroiden ist die Gaschromatographie ge-folgt von einer Massenspektrometrie. Dieses Ver-fahren ist das einzige mit dem zurzeit rechtlich ver-wertbare Nachweise zum Dopingmissbrauch mitanabolen Steroiden erbracht werden können. Je-doch weist auch dieses Verfahren Nachteile auf. Esist relativ teuer. Daher ist der intensive Einsatz derGC/MS-Analytik im Bereich der Trainingskontrollen,insbesondere in niedrigeren Leistungskadern, li-mitiert. Zudem können anabole Steroide mit un-bekannter chemischer Struktur nur sehr einge-schränkt nachgewiesen werden. Eine hervorragen-de Ergänzung zu dieser Methodik stellt unser akti-vitätsgeleitetes Biotestverfahren dar. Dieses Bio-testverfahren auf der Grundlage genetisch verän-derter Hefen kann Substanzen nachweisen, die anden Androgenrezeptor binden und somit anaboleWirkung besitzen, ohne dass ihre chemische Struk-tur bekannt sein muss. Hierdurch können auchneuartige Substanzen, die zum Beispiel speziellfür Dopingzwecke hergestellt und über illegaleKanäle verbreitet wurden, identifiziert werden. Zu-dem ist das Verfahren kostengünstig. Es kann inkleinen Laboratorien ohne aufwendige Geräteaus-stattung durchgeführt werden. Hiermit ist es bes-tens geeignet um gerade bei Trainingkontrollenzum Einsatz zu kommen. Sinnvoll erscheint zurzeitdas System als einen Vortest für die GC/MS-Me-thode zu verwenden. Große Probenumfänge kön-nen somit untersucht werden. Bei Auffälligkeitenerfolgt eine genaue Analyse der Probe mittelsGC/MS. Darüber hinaus bieten sich aber noch wei-tere Einsatzmöglichkeiten an. So kann das Systemz.B. auch eingesetzt werden um Nahrungsergän-zungsmittel auf Verunreinigungen mit anabolenSteroiden zu testen. Wie in der Vergangenheit do-kumentiert wurde, sind einige Dopingsperren der

Abb. 6:Leuchtende Hefezellenals Antwort auf einenAndrogenreiz. Bei die-sen Zellen wurde das„Grün FluoreszierendenProtein“ als „Repor-ter“-Gen verwendet.

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15PACE-Studie Treppennutzung Neuronale Netze Kreatin & Gehirn Biotestverfahren Digitale Spiele

vergangenen Jahre auf die unbewusste Einnahmeanaboler Steroide über kontaminierte Nahrungser-gänzungsmittel zurückzuführen. Auch bei der Wei-terentwicklung der GC/MS-Analytik kann unser Sys-tem hilfreich sein. So können die Hefen in Aus-scheidungsversuchen helfen besonders langlebigeMetabolilte anaboler Steroide zu identifizieren.Hiermit könnte die Nachweisdauer der GC/MS-Ana-lytik deutlich gesteigert werden. Zusammenfas-

send lässt sich feststellen, dass Biotestverfahrenin der Zukunft eine wichtige Ergänzung zur klassi-schen GC/MS-Analytik darstellen könnten. Durchden gezielten und kombinierten Einsatz der Ver-fahren werden sich Kosten sparen lassen und wirdsich gleichzeitig die Nachweissicherheit deutlicherhöhen lassen.

Literatur bei den Autoren.

Sylvi LEHMANN, geboren 1981 inDresden, studierte von 2000 bis 2005Biologie mit dem Schwerpunkt „Gene-tik“ an der Technischen UniversitätDresden. Erfahrungen in der Kultivie-rung und Differenzierung von Kno-chenzellen hat sie 2006 in den Uni-versitätskliniken in Dresden und Hei-delberg gesammelt. Ab Februar 2007

ist Sylvi Lehmann als wissenschaftliche Mitarbeiterin am In-stitut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der DSHS, ab2008 im Institut für Zoologie, Professur für Molekulare Zell-physiologie und Endokrinologie an der TU Dresden ange-stellt und forscht dort im Rahmen ihrer Promotion an derEntwicklung eines androgen-sensitiven Hefetests zur Do-pinganalyse und außerdem an der Aufreinigung der Östro-genrezeptoren alpha und beta.

E-Mail: [email protected]

Dr. Patrick DIEL, geboren 1963 in Of-fenbach, studierte Biologie und Bio-chemie an der Universität Frankfurt undpromovierte dort 1993 zum Dr. rer.nat.im Fachbereich Biochemie/Pharmazie.Seit 1995 an der DSHS angestellt, seitseiner Habilitation 2003 an der TU Dres-den ist er auch dort als Privatdozenttätig. An der DSHS leitete er eine Ar-beitsgruppe mit dem Forschungs-

schwerpunk molekulare Endokrinologie in der Abteilung fürmolekulare und zelluläre Sportmedizin. Er ist Mitglied desZentrums für präventive Dopingforschung der DSHS und alsBerater zum Themenkomplex Gendoping für den DeutschenBundestag und den Europarat tätig. Zudem gehört er der Se-natskommission für Lebensmittelsicherheit der DeutschenForschungsgemeinschaft an.

E-Mail: [email protected]

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16 Biotestverfahren Kreatin & Gehirn TreppennutzungNeuronale Netze PACE-StudieDigitale Spiele

Zur Bestimmung der kognitiven Leistungsfähigkeitdiente das „Wiener Testsystem“ (WTS) mit Mes-sung der Langzeit-Aufmerksamkeit (Signal-Detec-tion-Test), der sprachfreien Intelligenz (Raven’sAdvanced Progressive Matrices), dem Kurzzeitge-dächtnistest (Fortlaufende Visuelle Wiedererken-nungsaufgabe) und der Reaktionszeit (Wiener Re-aktionstest). Zusätzlich absolvierten die Probandennach der ersten Einnahmephase einen motorischenTest mit sensomotorischer Diskordanz.

In beiden Altersgruppen stiegen der Serum-Krea-tin-, Serum-Kreatininspiegel und der Kreatin/Krea-tinin-Quotient im Urin nach Kreatinsupplementa-tion hochsignifikant an, fielen in der Auswasch-phase wieder auf den Ausgangswert zurück undblieben in der Placebo-Einnahmephase unverän-dert. Die orale Kreatinsupplementation hatte kei-nen Einfluss auf die kognitiven Leistungen ältererund alter sowie junger Personen. Allerdings ergabsich eine signifikant positive Korrelation zwischen

dem Serum-Kreatinin-Spiegel und den Leistungenim Reaktionszeittest bei den älteren Probandensowie den Leistungen im Kurzzeitgedächtnistestbei den jüngeren Probanden. Im motorischen Testmit sensomotorischer Diskordanz war nach Krea-tinsupplementation die motorische Lernleistungbei den jüngeren Probanden signifikant erhöht,nicht jedoch bei den älteren Probanden.

AusgangslageEine grundlegende Aufgabe der sportmedizinischenForschung besteht in Untersuchungen über denEinfluss von akuter Arbeit und chronischem Trai-ning auf Herz, Kreislauf, Atmung, Stoffwechsel undhormonelle Steuerung. Bis Mitte der 1980er Jahreentzog sich jedoch ein Organ des menschlichenKörpers spezifischeren leistungsdiagnostischenFragestellungen: das Gehirn.

Das änderte sich Ende der 1980er/Anfang der1990er Jahre mit der Einführung und technischenWeiterentwicklung bildgebender Verfahren. Dieseerlaubten erstmals Einblicke in hämodynamischeund metabolische Reaktionen des menschlichenGehirns bei dosierter Arbeit sowie vor und nachkörperlichem Training.

Eine der ersten Arbeitsgruppen auf diesem neuen in-terdisziplinären Forschungsgebiet „Bewegungs-Neu-rowissenschaft“ war der Arbeitskreis um Hollmannund Strüder von der Deutschen SporthochschuleKöln. In Zusammenarbeit mit dem Forschungszen-trum Jülich und dem Max-Planck-Institut für Hirn-forschung begannen sie 1985 mit experimentellenUntersuchungen von Hämodynamik und Metabolis-mus des menschlichen Gehirns in Körperruhe, beidosierter Ergometerarbeit sowie nach körperlichemTraining. Aus den Untersuchungen ist eine Vielzahlneuer Befunde hervorgegangen.

Die Relevanz der aus dieser Arbeitsgruppe ent-standenen Ergebnisse geht weit über den Sport

Kreatin und HirnleistungDer Einfluss von energiereichen Phosphatenauf kognitive und psychomotorische Leistungendes älteren und alten Menschen

Ein Beitrag vonJulia Diehl 1

Wildor Hollmann 2

Andreas Mierau 1

Stefan Schneider 1

Heiko K. Strüder 1

1Institut für Bewe-gungs- und Neuro-wissenschaft2Institut für Kreis-laufforschung undSportmedizin

Im Vordergrund der Untersuchungen stand die Frage, inwieweit es durch eine artifizielle Kreatin-gabe möglich ist, kognitive und psychomotorische Leistungen bei älteren und alten Menschen imVergleich zu jungen Kontrollpersonen beeinflussen zu können. In einem placebo-kontrollierten Dop-pelblindversuch mit Cross-over-Design erhielten die Probanden über sechs Wochen 5 g täglich Krea-tin-Monohydrat bzw. die gleiche Dosis Placebo. Die Auswaschzeit zwischen den beiden Einnahme-perioden betrug ebenfalls sechs Wochen.

Foto:DSHS/Institut fürBewegungs- undNeurowissenschaft

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17PACE-Studie Treppennutzung Neuronale Netze Kreatin & Gehirn Biotestverfahren Digitale Spiele

hinaus. Nimmt man z.B. an, dass bestimmte Me-tabolite und energiereiche Phosphate im Gehirnnicht nur bei körperlicher, sondern auch bei kog-nitiver Arbeit eine leistungsbegrenzende Rollespielen, so wäre es denkbar, durch gezielte oraleZufuhrmaßnahmen auch die kognitive Leistungverbessern zu können.

So wurde z.B. bei jungen Frauen, die über 16 Wo-chen lang hinweg Eisen als Nahrungsergänzung zusich genommen hatten, Aufmerksamkeitsgrad, Ar-beits- und Langzeitgedächtnis verbessert (MUR-RAY-KOLB et al. 2004).

Weitere Untersuchungen dieser Art betrafen denGehirnstoffwechsel und mentale Leistungen unterdem Einfluss von zusätzlicher Glukosezufuhr. Esergab sich eine signifikante Steigerung verschie-dener Formen geistiger Leistungsfähigkeit (SIE-BERT et al., 1987; BENTON et al. 1994; PARKER undBENTON 1995; KENNEDY und SCHOLEY 2000; SCHO-LEY et al. 2001).

Es besteht die Möglichkeit, dass man mit gezielteroraler Supplementierung von Kreatin ähnliche Leis-tungsverbesserungen auf kognitiver Ebene erzielenkann. Folgende Überlegungen und einige wenigeinternationale Studien geben darauf einen Hin-weis.

Kreatin ist eine körpereigene Substanz, wobei dietägliche Umsatzrate bei ca. 2 g liegt. Die endoge-ne Biosynthese von ca. 1 g Kreatin/Tag findethauptsächlich in der Leber und in der Bauchspei-cheldrüse statt. Die exogene Zufuhr erfolgt über dieNahrungsaufnahme tierischer Produkte, vor allemüber Fleisch und Fisch (WALKER 1979). Vegetarierweisen durchweg eine niedrigere Kreatinkonzen-tration in der Skelettmuskulatur auf (DELANGHE1989). Kreatin bzw. Kreatinphosphat wird immenschlichen Körper durch eine spontane undnicht-enzymatische irreversible Reaktion zu Krea-tinin abgebaut und über die Nieren mit dem Urinausgeschieden.

Eine mehrtägige Supplementierung mit Kreatin(ca. 20 g/d) führte in kontrollierten Studien so-wohl zu einer Erhöhung der Plasmakonzentrati-on als auch zu einem Anstieg des Gesamtkrea-tins (freies und phosphoryliertes Kreatin) in derMuskulatur (durchschnittlich 15-20%) (HARRISet al. 1992; BALSOM et al. 1993). VergleichbareKreatinkonzentrationen können jedoch auch beiniedrigeren Dosierungen über einen längerenZeitraum (3g/d über 30 Tage) erreicht werden(HULTMAN et al. 1996). Bei erfolgter Steigerungder Kreatinkonzentrationen in der Muskulaturkonnte in den meisten placebo-kontrolliertenUntersuchungen nach Kreatingabe eine signifi-kante Verbesserung der Kraftausdauer und In-tervallleistungsfähigkeit nachgewiesen werden.Dies gilt jedoch nur für kurzzeitige, maximaleanaerobe Belastungen vor allem bei schnellerWiederholungsfrequenz (Übersicht bei TERJUNGet al. 2000).

Grundsätzlich stellt sichin den Neuronen des Gehirnsdieselbe Situation darwie in der Muskelzelle

Das Enzym Kreatinkinase sowie dessen SubstrateKreatin und Kreatinphosphat sind auch in Hirn-und Nervenzellen in relativ hohen Konzentrationenzu finden. Die höchsten Konzentrationen tretendabei in denjenigen Zellen auf, die für die Koordi-nation von Bewegungen (Purkinje-Zellen im Klein-hirn) und für Lernen und Gedächtnis (Pyramiden-zellen des Hippocampus) verantwortlich sind (KAL-DIS et al. 1996). Dies lässt darauf schließen, dassKreatin für die Energetik dieser Hirnfunktionen ei-ne wichtige Rolle spielt, und dass Kreatinsupple-mentierung diese Leistungen des Gehirns verbes-sern kann.

So stellten DECHENT et al. (1999) mittels Protonen-Magnet-Resonanz-Spektroskopie (1-H-MRS) einenAnstieg der Kreatinkonzentration im Gehirn vonProbanden fest, die vier Wochen lang täglich 20 gKreatin zu sich nahmen. Eine erneute Messung 12Wochen nach Abbruch der Supplementierung er-gab, dass die Werte wieder auf das Ausgangsniveauzurückgegangen waren.

WATANABE et al. (2002) verabreichten Probandenin einem Doppelblindversuch fünf Tage lang täg-lich 8 g Kreatin. Nach der Einnahmephase konntenverschiedene Rechenaufgaben besser gelöst wer-den. Mit Infrarot-Spektroskopie konnte zudem ei-ne Verbesserung in der Energieversorgung und derSauerstoffaufnahme in den entsprechenden Re-gionen des Gehirns gezeigt werden.

In einem anderen Fall wurde Vegetariern sechs Wo-chen lang täglich 5 g Kreatin verabfolgt. Eine zwei-te Vegetariergruppe bediente sich eines Placebos.Nach sechs Wochen wurden die Rollen getauscht.Unter Einfluss von Kreatin hatten Kurzzeit- undLangzeitgedächtnis sowie das Reaktionsvermögeneine hochsignifikante Leistungszunahme erfahren(RAE et al. 2003).

Hingegen sind bisher noch keine vergleichendenUntersuchungen durchgeführt worden über denEinfluss von Kreatingabe auf Faktoren geistigerLeistungsfähigkeit beim älteren und alten Men-schen im Vergleich zu jungen Menschen als Ver-gleichsgruppe.

Methodik Für die Untersuchungen stellten sich 24 Personenzur Verfügung. Das mittlere Alter der männlichenund weiblichen Probanden der Gruppe A betrug69,5 ± 5,8 Jahre, die mittlere Körpergröße 168,4± 8,4 cm und der mittlere Body-Mass-Index 25,5 ±4,4 (n = 11). In der Gruppe B belief sich das mitt-lere Alter der männlichen und weiblichen Proban-

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18 Biotestverfahren Kreatin & Gehirn TreppennutzungNeuronale Netze PACE-StudieDigitale Spiele

den auf 26,4 ± 2,8 Jahre, die mittlere Körpergrößeauf 181,1 ± 7,1 cm und der mittlere Body-Mass-In-dex auf 23,7 ± 2,2 (n = 13).

Durch eine eingangs vorgenommene Anamnese undeine anschließende klinische Untersuchung stelltenwir den einwandfreien Gesundheitszustand der Pro-banden fest. Laborchemische Blut- und Urinun-tersuchungen sicherten diese Feststellung zusätz-lich ab. Personen mit Nierenschäden und/oder Er-krankungen des Gehirns wurden generell von derTeilnahme an der Studie ausgeschlossen. Keinerder Probanden war Vegetarier oder nahm zusätzli-che Nahrungsergänzungsmittel ein, was anhand ei-nes Ernährungsfragebogens festgestellt wurde.

Der Untersuchungszeitraum betrug 18 Wochen undgliederte sich in drei Phasen à sechs Wochen: Ein-nahmephase – Auswaschphase – Einnahmephase.Vor und nach jeder Einnahmephase stellten sich dieProbanden zwecks Untersuchungen am Institut fürKreislaufforschung und Sportmedizin vor (insge-samt vier Untersuchungstage; Abb. 1).

In einem Doppelblindversuch mit Cross-Over-De-sign erhielt eine zufällig aufgeteilte Hälfte der Pro-banden über sechs Wochen 5 g Kreatin-Monohydrattäglich („Creapure“, Fa. Degussa). Die restlichenProbanden bekamen über denselben Zeitraum diegleiche Dosis Placebo (Maltodextrin, Fa. SHS In-ternational). Es schloss sich eine sechswöchigeAuswaschphase an. Der Zeitraum von sechs Wochenscheint dabei eine adäquate „Auswachszeit“ fürKreatin zu sein (HARRIS et al. 1992). In den letz-ten sechs Wochen wurden die Rollen getauscht:Probanden, die in der ersten Einnahmephase Krea-tin bekamen, erhielten nun Placebo und umgekehrt.

Über den gesamten Untersuchungszeitraum wurdenin regelmäßigen Abständen Urinproben gesam-melt, mit Hilfe von deren Analyse die Einnahme desKreatins kontrolliert werden konnte. Die Proban-

den waren weiterhin aufgefordert, ihren normalenLebens- und Essstil fortzuführen.

Die Untersuchungsdauer an den Untersuchungsta-gen betrug jeweils 120 Minuten und war für alleProbanden identisch. Jeweils zur gleichen Tages-zeit erschienen sie im Institut. Es erfolgtenzunächst eine venöse Blutentnahme sowie Blut-druckmessung und Feststellung des Körpergewichtsund -fetts. Im Anschluss daran absolvierten siedie kognitive Testbatterie des „Wiener Testsys-tems“ (Fa. Schuhfried GmbH, Mödling/Österreich),mit der Aufmerksamkeits- und Differenzierungsleis-tung, Gedächtnisleistung, Intelligenz und Reakti-onsfähigkeit überprüft wurden (Abb. 2)

ErgebnisseDie wesentlichen Ergebnisse lauten:

■ In beiden Altersgruppen stieg der Serum-Krea-tinspiegel nach der Einnahmephase von Krea-tin hochsignifikant an (Gruppe A: p < 0,001;Gruppe B: p < 0,001). Nach Placebogabe hin-gegen traten keine Unterschiede auf. Die älte-ren Probanden der Gruppe A wiesen zudem überden gesamten Untersuchungsverlauf hinweghöhere Serum-Kreatinwerte auf als diejenigender Gruppe B (p < 0,001; Abb. 3)

■ Der Serum-Kreatininspiegel stieg in beidenGruppen nach der Einnahmephase von Kreatinhochsignifikant an (Gruppe A: p < 0,01; Grup-pe B: p < 0,001). Nach Placebogabe konntewiederum kein Unterschied festgestellt werden.Über den gesamten Untersuchungsverlauf hin-weg hatten die Probanden der Gruppe A einenniedrigeren Kreatininspiegel im Blutserum alsdie jungen Probanden der Gruppe B.

■ Der Kreatin/Kreatinin-Quotient im Urin lag inder Einnahmephase von Kreatin in beiden Grup-pen hochsignifikant über dem in der Einnah-mephase von Placebo (Gruppe A: p < 0,01; Grup-

Abb. 2:Das „Wiener Testsystem“. Zu sehen ist die universale Pro-bandentastatur und der 17’’-Monitor der Firma Fujitsu-Siemens.

Abb. 1:Übersichtsdarstellungdes Untersuchungs-ganges (UTx = Unter-suchungstagx).

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21PACE-Studie Treppennutzung Neuronale Netze Kreatin & Gehirn Biotestverfahren Digitale Spiele

pe B: p < 0,001). Die älteren Probanden derGruppe A hatten über den gesamten Untersu-chungsverlauf hinweg einen höheren Quotien-ten von Kreatin zu Kreatinin im Urin als die Pro-banden der Gruppe B (p < 0,01).

■ Das Körpergewicht in Gruppe A veränderte sichweder nach Einnahme von Kreatin noch vonPlacebo; auch der Body-Mass-Index blieb un-verändert. Bei den jungen Probanden der Grup-pe B stiegen das Körpergewicht und der Body-Mass-Index nach der Kreatingabe hochsignifi-kant an (Körpergewicht: p < 0,01; BMI: p <0,01). Nach Placebogabe hingegen war kein Un-terschied festzustellen.

■ Im Rahmen des Aufmerksamkeitstests (Signal-Detection-Test) wurden die Variablen „AnzahlRichtige und Verspätete“, „Median Detektions-zeit“ und „Anzahl Falsche“ gemessen. Bei kei-nem dieser Werte konnte ein Einfluss von Krea-tingabe festgestellt werden. Im Vergleich derjüngeren mit den älteren Personen ergab sichjedoch ein hochsignifikanter Unterschied im„Median der Detektionszeit“ (p < 0,001).

■ Im Gedächtnistest („Fortlaufende Visuelle Wie-dererkennungsaufgabe“) wurden die Variablen„Treffer“, „Reaktionszeit Treffer“, „AnzahlFalsch Positiver“ und „Bearbeitungszeit“ un-tersucht. Die Kreatingabe hatte in allen drei Va-riablen keinen Einfluss auf die Testergebnisse.Festzustellen war jedoch die größere Leis-tungsfähigkeit innerhalb der jüngeren Gruppeim Vergleich zur älteren („Treffer“: p < 0,05;„Anzahl Falsch Positiver“: p < 0,001).

■ Im Rahmen des Intelligenztests („Raven’s Ad-vanced Progressives Matrices“) wurden die Va-riablen „Anzahl Richtige“, „Intelligenzquotient“und „Bearbeitungszeit“ gemessen. Die Kreatin-

supplementation hatte keinen Einfluss auf dieLeistungen in beiden Gruppen. Die erbrachteLeistung fiel allerdings bei den Jüngeren hoch-signifikant besser aus als bei den älteren („An-zahl Richtige“: p < 0,001; „Intelligenzquotient“:p < 0,001; „Bearbeitungszeit“: p < 0,01).

■ Im „Wiener Reaktionstest“ untersuchten wir dieVariablen „mittlere Rektionszeit“ und „mittleremotorische Zeit“. Die Kreatingabe hatte auf bei-de Variablen keinen signifikanten Einfluss. Hin-gegen ergab sich die theoretisch zu erwarten-de verkürzte Reaktionszeit hochsignifikanterNatur bei den jüngeren Probanden der GruppeB („mittlere Reaktionszeit: p < 0,001; „mittle-re motorische Zeit“: p < 0,001).

■ In Gruppe A ergab die einfache Regressionsana-lyse einen hochsignifi-kanten Korrelationsef-fekt zwischen Serum-Kreatininspiegel im Blutund der mittleren Reak-tionszeit (r = 0,4, p <0,01) sowie einen signi-fikanten Effekt zwischenSerum-Kreatininspiegelund mittlerer motori-scher Zeit (r = 0,34, p <0,05). Je höher der Se-rum-Kreatininspiegel imBlut ausfiel, desto kürzerwaren Reaktionszeit undmotorische Zeit (Abb. 4)

■ Im Gedächtnistest ließsich für die Gruppe B inder Korrelation zwischen„Anzahl Treffer“ und Se-rum-Kreatininspiegel imBlut ebenfalls ein signi-fikanter Effekt nachwei-sen (r = 0,3, p < 0,05).Je höher der Serum-Kreatininspiegel im Blutlag, desto größer wardie Anzahl der Treffer.

Abb. 3:Serum-Kreatin [mg/dl]vor und nach Einnahmevon Kreatin bzw. Place-bo in beiden Alters-gruppen (Mittelwerteund Standardabwei-chungen). Nach Ein-nahme von Kreatin warder Kreatinwert imBlutserum hochsignifi-kant erhöht. Die älte-ren Probanden derGruppe A hatten im ge-samten Untersuchungs-zeitraum signifikanthöhere Kreatinwerteals die jungen Proban-den der Gruppe B.

Abb. 4:Korrelation zwischen dem Serum-Kreatinin-Spiegel im Blut [mg/dl] und der mittlerenReaktionszeit [ms] im „Wiener Reaktionstest“. Dargestellt sind die älteren Proban-den. Die einfache Regressionsanalyse ergab einen hochsignifikanten Korrelationsef-fekt beider Größen (p = 0,006; r = 0,413).

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22 Biotestverfahren Kreatin & Gehirn TreppennutzungNeuronale Netze PACE-StudieDigitale Spiele

■ Untersuchte man die Korrelation zwischen der„Anzahl Falsch-Positiver“ mit dem Serum-Krea-tininspiegel im Blut der Gruppe B, so ergab sichebenfalls für die Regressionsanalyse ein signi-fikanter Effekt (r = 0,3, p < 0,05). Je höher derSerum-Kreatininspiegel im Blut war, desto nied-riger fiel die „Anzahl Falsch Positiver“ aus.

■ Im motorischen Test mit sensomotorischer Dis-kordanz führte die Kreatingabe zu keiner signi-fikanten Beeinflussung des gemessenen RMS-Fehlers. Hingegen zeigte sich ein hochsignifi-kanter Unterschied zwischen den Altersgrup-pen im Sinne einer Überlegenheit wiederum derjüngeren Gruppe (p < 0,001).

■ Die tatsächliche motorische Lernleistung ergabhinsichtlich der prozentualen Adaptation beiden älteren Probanden nach Kreatingabe keinenUnterschied, während in der jüngeren Gruppe Bdie Kreatingabe zu einer signifikant höherenmotorischen Lernleistung führte (p < 0,05; Abb.5). Wiederum erbrachte die ältere Gruppe einenniedrigeren Leistungswert als die jüngere (p <0,001).

Diskussion

Es gehörte zu den theoretischen Eingangsüberle-gungen, dass der Effekt einer artifiziellen Kreatin-zufuhr in einer vergrößerten ATP-Resynthese be-stehen könnte. Vor allem für ältere Menschenkönnte dies von Vorteil sein, da infolge des Alte-rungsprozesses die Kreatin- und Phosphokreatin-konzentrationen im Körper abnehmen (CAMPBELLet al. 1999; FORSBERG et al. 1991; TARNOPOLSKY2000). Gleichzeitig erfordern ältere Personen fürvergleichbare kognitive Aufgaben eine größere ze-rebrale Energiemenge (BEHZADI u. LIU 2005; TOE-SCU 2005).

Im Gegensatz zu dieser Aussage konnte jedochz.B. von PFEFFERBAUM et al. (1999) mit Magne-

tresonanzspektroskopien festgestellt werden, dassdie Kreatinmengen im Gehirn mit dem Alter zu-nehmen, wenn es sich um gesunde Personen han-delt. Daher lässt sich nicht ausschließen, dass einmöglicher energiesteigernder Effekt einer Kreatin-gabe nur einer von möglichen Ursachen für einepotentielle Leistungssteigerung darstellt.

Ein zusammenfassender Vergleich zwischen unse-ren Ergebnissen und denen in der Literatur vor-handenen führt zu dem Schluss, dass Menschen mitpathologischen Befunden im Sinne zerebraler bzw.nervlicher Beeinträchtigungen von einer Kreatin-gabe profitieren könnten (z. B. Patienten mit Par-kinson, Alzheimer, Huntington). Auch bei tem-porärer zentraler Ermüdung oder nach Schlafent-zug dürfte von außen zugeführtes Kreatin denvorübergehenden Leistungsabfall verlangsamen.Weiterhin scheint bei Vegetariern oder älteren Per-sonen mit niedrigen Kreatinkonzentrationen imGehirn eine zusätzlichen Kreatingabe positivenEinfluss auf kognitive und psychomotorische Leis-tungen auszuüben. Weitere Forschungen auf die-sem Gebiet sind durchaus wünschenswert auch be-züglich der Frage, inwieweit die Dosis einer Krea-tingabe für Gehirnleistungen eine Rolle spielt.

Abschließend ist festzustellen, dass eine sechs-wöchige orale Kreatinverabreichung von täglich5g in unseren Untersuchungen überwiegend zukeinen signifikanten Veränderungen der gemesse-nen Leistungsparameter führte. Unter Zugrundele-gung der einschlägigen Literatur kann man jedochdavon ausgehen, dass bei pathologischen Fällen –im Gegensatz zu unseren gesunden Probanden –positive Einflüsse metabolischer und psychischerArt ausgelöst werden können. Die zugrundelie-genden biochemischen Mechanismen bedürfennoch der Abklärung.

Literatur bei den Autoren.

Abb. 5:Dargestellt ist die mo-torische Lernleistung[%] der jungen Pro-banden (B1 = Placebo;B2 = Kreatin). DasMaß der Adaptationwurde in sechs aufein-ander folgendenBlöcken berechnet. Al-le Probanden verbes-serten ihre Lernleis-tung von Block 1 zuBlock 6 hochsignifi-kant (p = 0,000). DerVerlauf der beidenLernleistungskurvenist nicht signifikantunterschiedlich (p =952). Es konnte je-doch gezeigt werden,dass die Probanden,welche Kreatin verab-folgt bekamen (Grup-pe B2), über den ge-samten Testverlaufhinweg eine signifi-kant höhere Lernleis-tung erzielten als die-jenigen Probanden,welche Placebo zu sichnahmen (Gruppe B1)(p = 0,011).

Dr. Julia DIEHL, geboren1979 in Offenbach, stu-dierte von 1999 bis 2004Sportwissenschaften ander Deutschen Sporthoch-schule Köln. Anschlie-ßend begann sie ihre Pro-motion am Institut für

Kreislaufforschung und Sportmedizin, für diesie von der Deutschen Sporthochschule mitdem Graduiertenstipendium unterstützt wurdeund 2009 abschloss. Seit 2001 ist sie zunächstals studentische und wissenschaftliche Hilfs-kraft, inzwischen als Lehrkraft für besondereAufgaben am Institut für Bewegungs- undNeurowissenschaft tätig.

E-Mail: [email protected]

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24 Biotestverfahren Kreatin & Gehirn TreppennutzungNeuronale Netze PACE-StudieDigitale Spiele

ProblemgegenstandTaktische Fähigkeiten spielen im modernen Fußballin allen Altersbereichen und jedem Leistungsni-veau eine bedeutsame Rolle. Eine Reihe von Ex-perten sieht in der Taktik sogar die Größe, der bisjetzt im Trainingsprozess am wenigsten Aufmerk-samkeit gewidmet wurde. Aus diesem Grund schei-nen im taktischen Bereich die größten Potenzialezu schlummern. Neben fußballspezifischen Indivi-dualtaktiken, wie beispielsweise dem Lösen von1:1 Situationen, werden im Leistungsfußball seit

einiger Zeit verstärkt gruppentaktische Maßnah-men diskutiert, die insbesondere in höheren Ligenmittlerweile von besonderem Interesse sind. Fürden Bereich der Gruppentaktik existieren zwar ein-zelne Zeitschriftenartikel, eine systematische Zu-sammenfassung ist jedoch noch nicht erhältlich.Noch schwerer wiegt jedoch, dass empirisch abge-sicherte inhaltliche Ausdifferenzierungen grup-pentaktischer Anforderungen im Fußball gänzlichfehlen. Anders formuliert: Natürlich sind vereinzeltSystematiken über Gruppentaktiken in Lehrbüchernzu finden, jedoch wurde noch nicht gezeigt, ob

diese irgendeine Relevanz imAmateur- bzw. Profi-Fußballhaben.

Ziel eines Forschungsprojektes(„Optimales Taktiktraining imLeistungsfußball“, MEMMERT2006) aus dem Jahre 2000 bis2005 war es, die aufgezeigtenDefizite dahingehend aufzuar-beiten, dass eine fundierteAnalyse fußballspezifischerGruppentaktiken geleistet wird.Ausgehend von Pilotstudienbeim SV Waldhof Mannheim (2.Bundesliga) wurde auf der Ba-sis von 27 Regionalliga-Heim-spielen von 1899 Hoffenheimin den Spielzeiten 2002-2003und 2003-2004 die Trainerphi-losophie von Hansi Flick (aktu-eller Co-Trainer der DeutschenFußball-Nationalmannschaft)indirekt ermittelt. Beide wähl-

Weltstandsanalyse im Spitzen-FußballAnalyse und Simulationvon fußballspezifischen Gruppentaktikenmit Hilfe adaptiver Neuronaler Netze

Ein Beitrag vonDaniel Memmert 1

Andrea Schmidt 1

Jürgen Perl 2

Julian Bischof 2

Stefan Endler 2

Andreas Grunz 2

Markus Schmid 3

1Institut für Kogni-tions- und Sport-spielforschung2Institut für Infor-matik, UniversitätMainz3Institut für Sportund Sportwissen-schaft, UniversitätHeidelberg

Foto:DSHS / Institut fürKognitions- und Sport-spielforschung

In einem aktuellen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt (Ko-operation: Prof. Perl, Universität Mainz; Prof. Memmert, Deutsche Sporthochschule Köln) werdenFußballspiele auf höchstem internationalen Niveau hinsichtlich der Effektivität von gruppentak-tischen Prozessen untersucht. Dazu werden in einem ersten Schritt Spielsequenzen des WM-Finalsvon 2006 (Italien gegen Frankreich) unter dem Einsatz spezieller Neuronaler Netze hinsichtlichsemantischer Auffälligkeiten analysiert. Zusammenfassend wird der generellen Forschungsfragenachgegangen, welche Akteure zu welchem Zeitpunkt und unter welchem Einfluss der gegnerischenAkteure wie zusammenspielen müssen, damit Torgefahr entsteht. Nachfolgend kann nach einer kur-zen Darstellung des theoretischen Hintergrunds (Problemgegenstand) das umfassende For-schungsprogramm nur ansatzweise skizziert werden, welches sich insgesamt durch ein dreistufi-ges methodisches Vorgehen strukturieren lässt: 1) Weltstandsanalyse nach konventioneller undnetzgestützter Positionsdaten-basierter Vorgehensweise, 2) Übereinstimmungsbestimmungen bei-der Verfahren (Validierungsstudie), 3) netzbasierte erfolgsabhängige Analysen. Der Schwerpunktdes Artikels liegt auf dem ersten und dem dritten Schritt.

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25PACE-Studie Treppennutzung Neuronale Netze Kreatin & Gehirn Biotestverfahren Digitale Spiele

ten während des Spiels, das videotechnisch aufge-zeichnet wurde, für sie bedeutsame positive und ne-gative Aktionen einzelner Mannschaftsteile aus, oh-ne zu wissen, dass ihre Trainerkompetenz evaluiertwerden sollte. Im Nachhinein konnten 585 Spiel-ausschnitte vom Trainergespann verbal beurteilt wer-den. Das über diese Einzelfallanalyse gewonnene im-plizite Expertenwissen (Videoszenen und Kommen-

tare) wurde mit Hilfe qualitativer Inhaltsanalysenweiter verdichtet. Die daraus resultierenden offen-siven und defensiven gruppentaktischen Aufgabenwurden mittels induktiver Kategorienbildung in über-geordnete Basiskategorien eingeordnet.

Generell wurden dadurch Gruppentaktiken gefun-den, die durch das Zusammenwirken von mehreren

Tab. 1: Darstellung von 14offensiven und defen-siven Gruppentakti-ken, die durch die in-duktive Kategorienbil-dung und weitere qua-litative Auswertungs-schritte resultieren(MEMMERT 2006).

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Abb. 1: Darstellung des Soft-ware-Systems (Eigen-entwicklung) zur kon-ventionellen (a) undpositionsdatengestütz-ten Analyse (b) vonSportspielen(hier: Fußball).

26 Biotestverfahren Kreatin & Gehirn TreppennutzungNeuronale Netze PACE-StudieDigitale Spiele

Spielern einer Mann-schaft (= Positions-gruppen) gelöst wer-den müssen. SolchePositionsgruppensind beispielsweiseAngriffsspieler oderMittelfeldspieler, aber auch Spieler in bestimmtenAktionsräumen (u.a. linke/rechte Außenseite) oderSpieler mit unterschiedlichen Aufgaben, die zufäl-lig in bestimmten Räumen zur gleichen Zeit agie-ren. Aufgrund dieser Analyse konnten die in Tabel-le 1 dargestellten gruppentaktischen Kategorienempirisch validiert werden.

Diese Gruppentaktiken bilden jetzt den theoreti-schen Rahmen für das aktuelle DFG-Projekt, in demAuswertungs-Tools zur Analyse von Gruppentakti-ken entwickelt werden. Dazu werden Fußballspie-le auf höchstem internationalem Niveau (Welt-standsanalyse) auf der Basis von Positionsdatenhinsichtlich der Effektivität von gruppentaktischenProzessen untersucht. „Welche Akteure müssen zuwelchem Zeitpunkt und unter welchem Einfluss dergegnerischen Akteure wie zusammenspielen, damitTorgefahr entsteht?“ oder spezifischer: „Wie lassensich gruppentaktische Verhaltensprozesse im Fuß-ball modellieren und zu charakteristischen Typenverdichten?“ Dieser Frage wird in Abschnitt 2 desBeitrages nachgegangen. Anhand eines Beispielswird dargestellt, welche Probleme dabei auftreten

können, und es werden mögliche Lösungen vorge-stellt. Zudem wird auch kurz von ersten vorläufi-gen Ergebnissen berichtet, die eine netzgestütztePositionsdaten-bezogene Vorgehensweise mit ei-ner konventionellen Methode vergleicht (Validie-rungsstudie). Im Abschnitt 3 wird beschrieben,wie sich Verhaltensprozesse bewerten lassen, wieman einen Zugang zur Erkennung der kreativenVerhaltensprozesse erhält und wie die Simulationzur prognostischen Überprüfung der Wirksamkeiteingesetzt werden kann.

Modellierung und Typisierungvon gruppentaktischenVerhaltensprozessen anhandvon Positionsdaten (Schritt 1)

Zurzeit werden in verschiedenen Sportarten (z.B.Fußball, Handball, Basketball oder Volleyball)Sportspiele anhand von Video-Szenen analysiert(konventionelle Analyse; vgl. Abb. 1a). Aktuelletechnische Entwicklungen machen es jedoch mög-lich, Positionsdaten aller Spieler und des Balles fürkomplette Spiele zu erfassen (vgl. Abb. 1b). Dasheißt, dass man auf die xy-Koordinaten von 22Spielern sowie des Spielballs über 90 Minutenzurückgreifen kann. Bei einer Abtastfrequenz von25 Frames pro Sekunde hat man so von jedem Spie-ler 135.000 xy-Daten. Betrachtet man alle Spielereinschließlich Ball, dann erhält man entsprechendinsgesamt 135.000 Datensätze aus jeweils 23 xy-Daten. Insgesamt ergibt das 3.105.000 xy-Daten.

Über das in Abbildung 1b ebenfalls dargestellteSoftware-System lassen sich einzelnen Spielse-quenzen verschiedene Kategorien zuordnen. Überdiese Kategorien kann man die zugehörigen Posi-tionsdaten extrahieren und damit Neuronale Net-ze trainieren (MEMMERT & PERL 2005). Dies wirdanhand eines Beispiels im Folgenden dargestellt.

Abb. 2:Darstellung der Video-sequenz eines Flügel-spiels sowie eineschematische Darstel-lung, wie sie üblicher-weise zur Darstellungvon Aktionen verwen-det werden.

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27PACE-Studie Treppennutzung Neuronale Netze Kreatin & Gehirn Biotestverfahren Digitale Spiele

Im Videobild wird ein Flügelspiel ausgemacht (vgl.Abb. 2, oben). Die betroffene Spielsequenz wird nunim Software-System der Kategorie „Flügelspiel“ zu-gewiesen. Dazu werden auch die beteiligten Spie-ler festgehalten. Auf einem graphischen Spielfeldkann das Flügelspiel mit Hilfe der extrahierten Po-sitionsdaten schematisch dargestellt werden (vgl.Abb. 2, rechts unten). Abbildung 2 zeigt nur einemögliche Realisierung eines Flügelspiels. Einigeweitere Variationen sind in Abbildung 3 schema-tisch dargestellt. Die von mehreren solchen Flügel-spielen erhaltenen Positionsdaten der beteiligtenSpieler sollen nun im Folgenden dazu verwendetwerden, ein Neuronales Netz zu trainieren und sodas Muster „Flügelspiel“ einzuprägen.

Beim Betrachten der Flügelspiele stellt sich in ih-rer Erfassung durch ein Neuronales Netz ein erstesProblem. Die Anzahl der beteiligten Spieler kannvariieren. Links unten in Abbildung 3 sind es dreiSpieler, in den anderen Fällen zwei. Dementspre-chend umfasst der aus den Positionsdaten derSpieler und des Balls konstruierte xy-Datensatz imlinken unteren Fall 4 xy-Daten und in den übrigenFällen 3 xy-Daten. Ein Neuronales Netz hat jedocheine feste Dimension, es kann nur Datensätze ei-ner festen Länge verarbeiten.

Eine Lösung kann darin bestehen, dass man für dieverschiedenen Anzahlen an beteiligten Spielern je-weils ein eigenes Neuronales Netz trainiert. Auf dieAbbildung 3 bezogen: eines für zwei Spieler und ei-nes für drei Spieler. Es könnte natürlich auch nochmehr beteiligte Spieler geben, dann wären ent-sprechend mehr Netze nötig.

Ein zweites Problem entsteht dadurch, dass aufNetzen mit fester Neuronen-Struktur Bereiche desNeuronalen Netzes mit viel Information im Trainingnicht mehr Neuronen zur Verfügung haben als Be-reiche mit wenig Information. Dadurch könnte derhöhere Informationsgehalt schlechter aufgelöst

werden als der niedrigere. Für das Beispiel „Flü-gelspiel“ könnte das bedeuten, dass bestimmteKonstellationen der beteiligten Spieler häufigerauftreten als andere und dass dann gerade diewichtigen häufigeren auf dem Netz schlechter re-präsentiert sind.

Dieses Problem kann beispielsweise mit Hilfe einerdynamischen Generierung und Verwaltung vonKnoten gelöst werden. Anhand eines 2-dimensio-nalen Neuronalen Netzes ist dies exemplarisch inAbbildung 4 dargestellt: Ganz links gibt es einenBereich in dem keine Neuronen zu finden sind.Rechts bzw. unten rechts erkennt man dagegen ei-ne Häufung an Neuronen. Von links nach rechtslässt sich so ein Übergang in der Dichte der Neu-ronen feststellen.

Nachdem das Training der Netze abgeschlossen ist,lassen sich die Bewegungsmuster einzelner Spie-ler, von Mannschaftsteilen oder der ganzen Mann-

Abb. 4:Exemplarische Darstellung eines Neuronales Netzes mitvariabler Neuronendichte (PERL, MEMMERT, BISCHOF &GERHARZ 2006).

Abb. 3: Darstellung von Varia-tionen des Flügel-spiels.

Abb. 5:Exemplarische Darstellung einer Trajektorie als Bild einerSpielsequenz auf dem Neuronalen Netz (PERL et al. 2006).

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28 Biotestverfahren Kreatin & Gehirn TreppennutzungNeuronale Netze PACE-StudieDigitale Spiele

schaft als Trajektorien auf dem Netz darstellen(vgl. Abbildung 5).

Dabei wird durch jeden Datensatz in einer Spiel-sequenz ein Neuron im Netz aktiviert. Verbindetman die nacheinander aktivierten Neuronen, dannerhält man die Trajektorie. Klassen ähnlicher Mus-ter von Spielsequenzen sollen nun durch ein Neu-ronales Netz einer höheren Ebene einem gemein-samen Neuron oder einem Cluster benachbarterNeuronen zugeordnet werden. Zum Beispiel sollenalle Realisierungen eines Flügelspiels durch einNeuron oder ein Neuronen-Cluster „Flügelspiel“ er-kannt werden. Dazu muss das Netz vorher mit hin-reichend vielen verschiedenen Flügelspiel-Musterntrainiert worden sein.

Hieraus entsteht ein drittes Problem: Für gewöhn-lich steht nur eine begrenzte Anzahl an Realisie-rungen eines Musters zur Verfügung, da diese ausaufgezeichneten Spielen extrahiert werden. Da-durch könnte zum Beispiel der Fall eintreten, dassfür einige der möglichen Variationen eines Flügel-spiels keine Positionsdaten vorhanden sind. EineLösung könnte darin bestehen, dass man die ver-schiedenen Variationen des Bewegungsmustersschematisch in die graphische Darstellung desSpielfeldes einzeichnet und das Programm mit Hil-fe von Monte-Carlo-Simulation daraus die Positi-onsdaten für das Training berechnet. Dieser Ansatzklingt zunächst etwas „abenteuerlich“, hat sichaber aufgrund der speziellen Trainingstechnikenals außerordentlich erfolgreich und wirksam er-wiesen (PERL 2004).

Bei der Verarbeitung der Trajektorien stellen sichschließlich im Wesentlichen die oben bereits an-gesprochenen Probleme: Zum einen können Tra-jektorien zu lang sein. Man bekommt dann zu hoch

dimensionale Netze. Zum zweiten können Trajek-torien auch unterschiedlich lang sein. Man erkenntanhand der schematischen Darstellung in Abbil-dung 3, dass sich die zurückgelegte Strecke der be-teiligten Spieler und die des Balles zwischen denverschiedenen Ausführungen unterscheiden. Wer-den die von der Strecke längeren Bewegungsmu-ster nicht schneller ausgeführt, dann ergeben sichhieraus über den zeitlichen Verlauf der Sequenzenlängere Trajektorien. Für jede Länge spezifischeNeuronale Netze zu trainieren, ist – wie oben be-reits ausgeführt wurde – nicht praktikabel. Durchdas systematische Entfernen überzähliger Vektorenkönnten zu lange Trajektorien auf eine einheitli-che Länge gekürzt werden. Dieses Vorgehen wäreaber durchaus problematisch, da es implizit dieGeschwindigkeiten der Aktionen beschleunigt. Ei-ne praktikable Lösung für dieses Problem bestehtin der „Sliding Window“-Technik, bei der aus denSequenzen variabler Länge fortlaufend Sequenzenfester Länge herausgeschnitten werden.

Validierungsstudie (Schritt 2)Zur Validierung der trainierten Neuronalen Netzemüssen nun die aus der traditionellen Spielanaly-se („golden standard“) einerseits und die aus dernetzgestützten Positionsdaten-basierten Vorge-hensweise andererseits erzielten Ergebnisse mit-einander verglichen werden. In ersten Vorstudienzeigt sich, dass fast 90% von den durch die tradi-tionelle Spielanalyse erkannten Spielereignissendurch unsere Neuronalen Netze hinsichtlich der inTabelle 1 definierten Gruppentaktiken wie Spie-leröffnung, Standardsituationen (weiter ausdiffe-renziert in Einwurf, Freistoß und Eckball) und To-rabschluss erkannt wurden. Zurzeit finden weitereOptimierungsschritte statt, um Übereinstimmungs-

raten von über 95% zu erhalten.

Bewertung, Kreativitätund Simulation (Schritt 3)

Durch die trainierten Neuronalen Netzeist es möglich, sich für ein nicht kate-gorisiertes Spiel automatisch die ein-zelnen, zu den verschiedenen Kategori-en gehörenden, Spielsequenzen bestim-men zu lassen. Zum Beispiel möchteman alle Flügelspiele einer Begegnungautomatisch ermitteln, im Video anfah-ren und für die übergreifende Analyse ineiner Datenbank erfassen lassen. Hierkann man dann zum Beispiel für diedurch die Netz-basierte Typisierung ge-wonnenen Aktionsmuster statistischeAnalysen durchführen. So kann zum ei-nen die Häufigkeit bestimmt werden,mit der ein bestimmtes Muster auftritt.Zum anderen können auch die Über-gangshäufigkeiten zwischen verschie-denen Mustern festgestellt werden.

Abb. 6:Repräsentation der intraindividuellen Tra-jektorien eines Fuß-balltrainings. DerLernprozess beginntim roten und endet imgelben Quadrat(vgl. MEMMERT & PERL2009b).

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29PACE-Studie Treppennutzung Neuronale Netze Kreatin & Gehirn Biotestverfahren Digitale Spiele

Dazu wurden in Vorstudien bereits Neuronale Net-ze entwickelt und validiert, die den individuellenTrainingsprozess insbesondere kreativer Verhal-tensweisen von Fußballspielern repräsentierenkönnen (vgl. MEMMERT & PERL 2009b): Beginnendmit einem roten und endend mit einem gelbenQuadrat sind in Abbildung 6 auf den einzelnenNetz-Exemplaren die Zeitschritte des jeweiligenProzesses als rote Kanten auf dem Netz dargestellt.In den drei Schritten des Prozesses durchläuft dieTrajektorie dabei die entsprechenden farbig mar-kierten Qualitätsbereiche des Netzes (hellgrün –sehr gut bis dunkel violett – extrem schlecht). ImErgebnis zeigt die Entwicklung der Kreativität der20 in Abbildung 6 repräsentierten Fußballspielerüber die 15 Trainingsmonate sehr unterschiedlicheAusprägungen: In 5 von 20 Fällen (25%) steigt dieLeistung anfangs, ist aber am Ende dann schlech-ter als in der Mitte des Trainingprozesses (up-down-Fluktuations-Prozess). Das umgekehrte Verhaltenwar bei 30% der Probanden zu beobachten (down-up-Fluktuations-Prozess). In 25% der Fälle stiegdie Leistung monoton, während sie in 10% derFälle monoton fiel. In 10% der Fälle blieb die Leis-tung (fast) völlig unverändert.

Schließlich ist für die qualitative Einordnung ei-ner Aktion bzw. eines Aktions-Typs eine Bewer-tung erforderlich, die allerdings in der Regel nichtaus der Aktion allein, sondern nur aus der jewei-ligen Interaktion mit der gegnerischen Mannschaftableitbar ist. Die Netz-basierte Lösung für diesesProblem besteht in der Verwendung Mannschafts-spezifischer Netze für die Aktionen, die dann ineinem hierarchisch übergeordneten Netz die Er-kennung und Analyse der Interaktions-Typen er-möglichen. Auf diese Weise lassen sich den Ak-tionen bzw. den Aktions-Typen der Mannschaftenim Kontext der jeweiligen Interaktion Bewertun-gen zuordnen.

Abbildung 7 verdeutlicht die dabei verwendeteMethodik: Die Sequenz der Angriffsaktionen derMannschaft A wird vom entsprechenden Angriffs-Netz (links-oben) in eine farblich codierte Folgesog. Phasen umgesetzt (Phasendiagramm „An-griff“, oben), die zeitlich mit den entsprechen-den Abwehr-Phasen der Mannschaft B korre-spondiert (Phasendiagramm „Abwehr“, unten).Diese korrespondierenden Phasenfolgen werdenauf das Interaktions-Netz übertragen und lieferndort das Material für Interaktions- und Bewer-tungsanalysen.

Aus diesem Ansatz ergeben sich u.a. zwei wesent-liche Einsatzmöglichkeiten: Zum einen kann dieWirksamkeit eines Verhaltensprozesses mit Hilfeder Simulation prognostisch überprüft werden. Da-bei wird das Spiel angehalten und statt des näch-sten Aktionstyps ein anderer Typ, mit einer höhe-ren Bewertung für die zu untersuchende Mann-schaft, gewählt. Anschließend wird das Spiel fort-gesetzt und eine Ist-Soll-Analyse durchgeführt, umden möglichen Vorteil der simulierten Aktion zu er-mitteln. Auf diese Weise können zum Beispiel tak-

tische Varianten simulativ erprobt und gegebe-nenfalls rechtzeitig verworfen werden. Zum ande-ren lassen sich so Handlungen, die kreativ im Sin-ne von informationstheoretisch relevant (überra-schend, temporär selten) sowie adäquat (erfolg-reich im situativen Kontext) sind, erkennen undinsbesondere auch in den simulativen Analyse-Pro-zess einfügen.

In Abbildung 8 ist schematisch ein Verhaltenspro-zess mit einem gegenüber Abbildung 5 neuen,kreativen Anteil dargestellt. Der Verlauf aus Ab-bildung 5 wird durch den gestrichelten Teil der Tra-jektorie veranschaulicht. Durch den kreativen An-teil wird ein neues Neuron aktiviert und die Tra-jektorie bekommt an dieser Stelle eine deutlicheAbweichung vom erwarteten Verlauf.

MEMMERT und PERL (2009a,b) konnten solche Neu-ronale Netze, die kreative Aktionen identifizierenkönnen, bereits mit Hilfe von Daten einer Längs-schnittstudie im Rahmen eines BISp-Projektes va-lidieren. Dazu wurden spezielle Neuronale Netzekonstruiert, die sich aus DyCoN-Komponenten und„Neuronal-Gas“-Komponenten zusammensetzen.Mit ihnen war es möglich, sowohl seltene als auchrelevante taktische Verhaltensweisen aus einerVielzahl von taktischen Verhaltensweisen zu se-lektieren.

Abb. 8: Exemplarische Darstel-lung einer kreativenVerhaltensweise imRahmen des Neurona-len Netzwerkes(vgl. Abb. 5).

Abb. 7:Hierarchische Interak-tions- und Bewer-tungsanalyse (GRUNZ,MEMMERT & PERL2009).

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30 Biotestverfahren Kreatin & Gehirn TreppennutzungNeuronale Netze PACE-StudieDigitale Spiele

Mit Hilfe dieser Vorarbeiten (MEMMERT & PERL2009a,b) wird in dem 3. Forschungsabschnitt imRahmen verschiedener Gruppentaktiken (vgl. Ta-belle 1) nach seltenen, aber erfolgreichen Aktio-nen gesucht. Konkret – und anhand dieses Bei-spiels beschrieben – wird der insbesondere für dieFußballpraxis wichtigen Frage nachgegangen, obes ungewöhnliche Aktionen in einer Reihe von Flü-gelaktionen gibt, die Torgefahr erzeugt haben.

Zusammenfassung undpraktische Einsatzmöglichkeitenim SpitzenfußballDie entwickelten Neuronalen Netze ermöglichen es,Spielszenen aus einem Spiel oder aus verschiedenenSpielen miteinander zu vergleichen, um herauszu-finden, welche Konstellationen auf dem Platz zuwelchen Resultaten führen. Ziel ist es, dass das Se-lektieren einzelner Spielsequenzen aus Fußballspie-len nicht mehr manuell durchgeführt werden muss(konventionelle Analyse), sondern von NeuronalenNetzen übernommen und so automatisiert werdenkann. Damit wird es möglich, dass auch sehr um-fangreiche Datenmengen im Zeitrahmen von Minu-ten nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten klas-sifiziert werden können. Das auf Neuronalen Netzenbasierende Analyse-System kann so in Sekundenunüberschaubar viele Spielsituationen nach Erfolgund Misserfolg ordnen – und zum Beispiel heraus-finden, ob ein 4-2-3-1-System gegen eine Mann-schaft in einem 4-4-2-System unter bestimmten Vo-raussetzungen überlegen ist. Weiter ließe sich,durch den Einsatz von Simulation, die Beantwortungder Frage unterstützen, welche Veränderungen inAngriff und Abwehr, ob personell oder im System,zu welchen Veränderungen der Erfolgswahrschein-lichkeit bestimmter Spielzüge führen würden.Schließlich hilft der Netz-basierte Ansatz nicht nur,Standard-Spielsequenzen zu analysieren, sondernist insbesondere auch in der Lage, seltene und über-raschende Sequenzen zu erkennen und bezüglichihres Erfolges und ihrer Adäquatheit im situativenKontext zu bewerten. So werden oft außergewöhn-liche Aktionen oder seltene Typen von Torerfolgenals Zufall abgetan, die bei genauerer Analyse als

nicht-zufällige, sondern spontane kreative Prozes-se erkannt werden könnten.

Dabei werden Neuronale Netze Experten natürlichniemals ersetzen können. Sie bieten aber die Mög-lichkeit, mit hoher Geschwindigkeit und damit on-line in einer interaktiven Kommunikation dem Trai-ner gezielt Daten und Informationen zu präsen-tieren, die dieser dann mit seiner Expertise inter-pretieren und einordnen kann. Auf diese Weisekönnen schnell und komfortabel Ergebnisse be-reitgestellt werden, die zur Vorbereitung auf geg-nerische Mannschaften hilfreich sind, wie etwa,welche Spielsysteme eher als andere geeignet sind,gegen eine bestimmte Mannschaft mit einer be-stimmten Taktik und Aufstellung erfolgreich zuspielen.

Literatur bei den Autoren.

Prof. Dr. Daniel MEM-MERT, geboren 1971 inNürnberg, studierte von1991 bis 1997 an der Uni-versität Konstanz undHeidelberg die FächerSportwissenschaft undMathematik, mit Ab-schluss (1999) des Zwei-ten Staatsexamen für das

Lehramt an Gymnasien (Pädagogik, Mathema-tik, Sport und Ethik). Er promovierte 2003(„Kognitionen im Sportspiel“) und habilitier-te („Kreativität im Sportspiel“) 2008 an derUniversität Heidelberg. Er ist seit 2009 Insti-tutsleiter und Universitätsprofessor am Insti-tut für Kognitions- und Sportspielforschungan der Deutschen Sporthochschule Köln. Seit2009 ist er Geschäftsführer der Arbeitsge-meinschaft für Sportpsychologie (asp).

E-Mail: [email protected]

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32 Biotestverfahren Kreatin & Gehirn TreppennutzungNeuronale Netze PACE-StudieDigitale Spiele

Körperliche Aktivitätals GesundheitsgutDer Bewegungsmangel in den Industrieländern unddessen gesundheitliche Folgen stellen ein massi-ves Problem der derzeitigen Zeit dar. In Deutsch-land sind 41,4% der Männer und 44,2% der be-fragten Frauen des telefonischen Gesundheitssur-veys 2004 des Robert Koch Institutes sportlichnicht aktiv (ELLERT et al. 2006). Neben der sport-lichen Inaktivität reduziert sich im Verlaufe derletzten Jahrzehnte zusätzlich immer deutlicher dieNotwendigkeit der spontanen Aktivität im Alltag.Eine innovative Technologisierung und Moderni-sierung mündet nicht selten in einer zunehmendenmenschlichen Bequemlichkeit, was in mangelndenBewegungsreizen resultiert. Aus diesem Grund zie-len die Aktivitätsempfehlungen zur Aufrechterhal-tung der Gesundheit nicht nur auf die sportlicheAktivität, sondern vor allem auch auf die körperli-che Aktivität in Form von sogenannten Lebenssti-laktivitäten oder Alltagsaktivitäten ab (PHYSICALACTIVITY GUIDELINES ADVISORY COMMITTEE 2008;HASKELL et al. 2007). Diese Aktivitätsempfehlun-

gen besagen mindestens fünf Mal pro Woche min-destens 30 Minuten moderate Aktivität, wobei die-se in mindestens zehn Minuten dauernden Umfän-gen akkumuliert werden sollte.

Das Treppensteigen gilt dabei unter den Lebens-stilaktivitäten wohl als intensivste Belastung, dieman im Alltag bewältigen kann (HOLLMANN &STRÜDER 2009). Obwohl diese meist nur eine kur-ze Dauer einnimmt und somit nicht die empfohle-nen zehn Minuten Umfänge erreicht, wird demTreppensteigen eine wichtige gesundheitliche Be-deutung beigemessen (LÖLLGEN et al. 2006). DasTreppensteigen provoziert zum einen eine deutli-che Aktivierung des Herz-Kreislauf-Systems undzum anderen eine ausgeprägte Aktivierung desMuskelskelettapparats, welches zusammen in einerStoffwechselaktivierung resultiert. Zusätzlich er-hält die Wissenschaft immer mehr Evidenz darüber,dass lange Inaktivitätszeiten wie z.B. das Sitzenals unabhängiger Risikofaktor einzuschätzen ist(OWEN et al. 2009; HAMILTON et al. 2007; TREM-BLAY et al. 2007). Dem Sitzen kommt aufgrund derAusschaltung von großen Muskelgruppen der Bei-ne und des Rumpfes eine besondere Rolle als Risi-kofaktor zu. Das längere Nicht-Aktivieren dieserMuskelgruppen führt zu einer Reduktion des Grund-umsatzes sowie des Stoffwechsels, was Zivilisati-onserkrankungen wie Adipositas, Diabetes Typ 2und Herz-Kreislauf Erkrankungen zur Folge habenkann (HAMILTON et al. 2007; ZDERIC & HAMILTON2006). Somit erhält eine Unterbrechung von Inak-tivität beispielsweise durch das einfache kurze Ge-hen oder das Treppensteigen im Alltag eine zu-sätzlich gesundheitliche Bedeutung aufgrund einerDurchbrechung von längeren Inaktivitätszeiten.

Ziel dieser Studie ist es einerseits eine Bestands-aufnahme zur Nutzung von Treppen in einem Köl-ner Einkaufszentrum durchzuführen sowie ande-rerseits den Effekt zweier unterschiedlicher Plaka-te mit Aufforderung zur Treppennutzung zu unter-suchen. Hierbei soll der Effekt eines reinen Auf-forderungsplakates gegenüber einem Plakat beidem eine Aufforderung mit einer Gesundheitsbot-schaft kombiniert wird untersucht werden.

Treppe statt RolltreppeFördern spezielle Plakate die Treppennutzung?Ein Beitrag vonBirgit WallmannSara MagerIngo FroboeseZentrumfür Gesundheit

Foto:Helmut J. Salzer/PIXELIO

Trotz eindeutiger Belege über eine positive gesundheitliche Wirkung von körperlicher Aktivitätfällt die praktische Umsetzung eines aktiven Lebensstils vielen Menschen schwer. Abgesehen vomfehlenden Sport, werden Bewegungsmöglichkeiten des Alltages nicht genutzt oder gar nicht erstwahrgenommen. Die Steigerung der Aktivitäten im Alltag kann einen Beitrag zur Erhaltung der Ge-sundheit liefern und neben einer Erhöhung des Kalorienverbrauchs den Stoffwechsel nachhaltiganregen (HASKELL et al. 2007). Aus diesem Grund ist vor allen Dingen wichtig bisher inaktivenMenschen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie körperliche Aktivität in den Alltag integrieren kön-nen. Diese Aktivitätsgelegenheiten sollten ihnen des Weiteren wiederkehrend ins Bewusstsein ge-rufen werden. Eine solche Gelegenheit stellt die Nutzung von Treppen statt Rolltreppen oder Auf-zügen dar.

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MethodikMit Hilfe eines paper-pencil Zählprotokolls werdenüber insgesamt acht Wochen die hochsteigendenbzw. fahrenden Personen innerhalb eines Einkaufs-zentrums von einer parallel angeordneten Rolltrep-pe zur Treppe erfasst (siehe Abb. 1). Hierzu werden34 Zähltermine von jeweils 1,5 Stunden an ver-schiedenen Wochentagen und Uhrzeiten ausgewählt(dienstags, mittwochs und samstags jeweils von 11bis 12.30 sowie dienstags und samstags von 17 bis18.30 Uhr) (siehe Abb. 2). Die ersten zwei Wochendienen der Basiserhebung, daran schließt sich einezweiwöchige Intervention mit dem Plakat „Nimm dieTreppe“ an (siehe Abb. 3), gefolgt von einer Wocheohne Plakat zur Kontrollerhebung. Die zwei folgen-den Wochen erfolgen mit Hilfe der Plakatinterven-tion „Treppen steigen hält Dich fit und gesund, aufgeht’s“ (siehe Abb. 4) und wird durch eine ab-schließende Kontrollwoche abgerundet. Die Kon-trollwochen dienen dazu, um Überlagerungseffekteder Plakate auszuschließen.

Im Gesamtuntersuchungszeitraum werden insge-samt 17.277 Personen gezählt, die die Treppe auf-wärts gehen bzw. die Rolltreppe hoch nutzen. Hin-sichtlich der Zählung wird das Geschlecht berück-

sichtigt sowie geschätzt,ob es sich um Kinder, umErwachsene (bis 60 Jahre)bzw. um ältere Erwachsene(über 60 Jahre) handelt.Zusätzlich werden offen-sichtliches Übergewicht no-tiert. Innerhalb dieserStichprobe sind 9.243 Per-sonen weiblich (53,5%),1.028 Kinder (6%), 4.679ältere Erwachsene (27,1%)sowie 10% der gezähltenPersonen offensichtlich

übergewichtig. Von der Zählung ausgeschlossenwerden Personen mit Gehhilfen, Kinder- oder Ein-kaufswagen bzw. Personen, die sichtbar schweresGepäck oder zwei und mehr Tüten tragen.

Abb. 1:Treppe und Rolltreppedes Kölner Einkaufs-zentrums.

Abb. 3:Plakatintervention I.

Abb. 4:Plakatintervention II.

Abb. 2:Zeitlicher Studienablauf (ZT = Zähltermine).

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34 Biotestverfahren Kreatin & Gehirn TreppennutzungNeuronale Netze PACE-StudieDigitale Spiele

Ergebnisse ■ Treppennutzungsver-

halten derGesamtstichprobe

Während der Basiserhebungzur Bestandaufnahme desTreppennutzungsverhaltensnehmen 6,6% der beobach-teten Personen die Treppe(262 von 3980). Durch diebeiden Plakatinterventio-nen erhöht sich der Anteilder Treppenbenutzer signi-fikant (p < 0,001). Inner-halb der ersten Plakatpha-se („Nimm die Treppe“) ge-hen 9,5% die Treppe, wäh-rend innerhalb der zweitenPhase („Treppen steigenhält Dich fit und gesund,auf geht´s“) 10,4% der ge-zählten Personen die Trep-pe hochgehen. Einen Un-terschied zwischen den bei-den Plakatinterventionenist nicht festzustellen (sie-he Tab. 1 und Abb. 5).

■ Treppennutzungsver-halten im Geschlecht-und Altersvergleichsowie von übergewich-tigen Personen

Die Treppennutzung im Ge-schlechtervergleich zeigtkeine Unterschiede. ImLaufe des Altersgangeszeigt sich, dass mit stei-gendem Alter die Treppen-aktivität nachlässt. Kindernutzen die Treppe im Ver-gleich zu Erwachsenen amhäufigsten. Die Plakatin-terventionen sprechen alleAltersgruppen in ähnli-

chem Maße an (siehe Abb. 6). 3% der offensicht-lich übergewichtigen Personen nutzen während derBaseline-Erhebung die Treppe. Allerdings verdop-pelt sich dieser Anteil auf 6,6% bzw. 5,6% währendder beiden Plakatinterventionen (siehe Abb. 7). Al-le Treppen- bzw. Rolltreppennutzungswerte sindTab. 1 im Überblick zu entnehmen.

■ Chance zur Treppennutzung

Die Plakate „Nimm die Treppe“ und „Treppen stei-gen hält Dich fit und gesund, auf geht’s“ habenbeide einen signifikanten Einfluss auf die Ent-scheidung die Treppe zu nutzen und erhöhen dieChance um ca. 50% (OR = 1.5 [1.27-1.75]) für daserste Plakat bzw. um fast 70% (OR = 1.7 [1.43-1.98]) für das zweite Plakat. Es bestehen keine Un-terschiede zwischen den Plakataktionen. Während

Abb. 5:Prozentuale Treppen-nutzung der Gesamt-stichprobe währenddes gesamten Untersu-chungszeitraumes.

Tab. 1:Häufigkeitsverteilung der Treppen- und Rolltreppennutzung der Gesamtstichprobe,der Altersgruppen sowie von offensichtlich übergewichtigen Personen über den Ge-samtuntersuchungszeitraum.

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der Kontrollmessungen gibt es zur Baseline keineVeränderung. Zusätzlich beeinflusst das Alter dieNutzung der Treppe. Kinder steigen zu 40% mehrdie Treppen als Erwachsene unter 60 Jahren (OR =1.4 [1.13-1.7]) und diese wiederum häufiger alsdie über 60-jährigen Personen (OR = 0.8 [0.67-0.88]). Offensichtlich normalgewichtige Personenhaben mit über 90% eine signifikant höhere Aus-sicht die Treppe zu steigen als Personen mit Über-gewicht (OR = 1.9 [1.53-2.46]).

Diskussion & FazitEin wichtiger Beitrag zur Steigerung des Bewe-gungsverhaltens stellt unter anderem die Alltags-bewegung dar. Alltagsaktivitäten durchbrechen pro-blemlos länger andauernde Inaktivitätszeiten undüben somit kurzfristige aber bedeutende Effekte aufverschiedene Körpersysteme wie die Muskulatur oderden Stoffwechsel aus (LEVINE et al. 2006). Die vor-liegenden Ergebnisse zeigen eine sehr geringe Trep-pennutzung innerhalb des beobachteten Baseline-Zeitraumes und spiegelt somit die allgemein herr-schende Bequemlichkeit im Alltagsverhalten wider,die unter anderem durch Technik und Innovation dermodernen Welt hervorgerufen wird. Die Baseline-Un-tersuchung zum Treppennutzungsverhalten zeigt einAusgangsniveau von 6,6% auf, welches einerseitsvergleichbar ist mit korrespondierenden Studien(WEBB & EVES 2007), andererseits auf ein hohesEntwicklungspotenzial zur Förderung der Alltagsak-tivität hindeutet.

Hinweise auf Schildern zählen unter Gesundheits-förderungsmaßnahmen dabei zu den kosteneffizien-testen Interventionen (DUNN et al. 1998). Mit Hilfevon einfachen Plakataufrufen konnte der Anteil vonTreppenbenutzern in dem Kölner Einkaufszentrumsignifikant erhöht werden und insgesamt betrachtetvon 6,6% auf 9,5% bzw. 10,4% gesteigert werden.Hierbei zeigen die Ergebnisse, dass es nicht von Be-deutung ist, ob es sich um einen einfachen Appelloder um einen Appell kombiniert mit einer Gesund-heitsbotschaft auf dem Plakat handelt. Die erste undzweite Kontrollmessung zwischen den Plakaten be-stätigen zum einen die Nutzungszahlen der Baseline-Untersuchung und zeigen zum anderen, dass einNachhaltigkeitseffekt von zwei Wochen Plakatakti-on nicht vorhanden ist. Zusätzlich wird deutlich,dass offensichtlich übergewichtige Personen weni-ger die Treppe nutzen als normalgewichtige Perso-nen. Allerdings kann das Nutzungsverhalten durchPlakate für diese Zielgruppe nahezu verdoppelt wer-den. Allerdings ist hierbei darauf hinzuweisen, dassder Prozentsatz insgesamt von offensichtlich über-gewichtigen Personen mit ca. 10% als gering einzu-stufen ist. Im telefonischen Gesundheitssurvey desRobert-Koch-Institutes sind 70% der Männer und50% der Frauen mit einem BMI > 25 übergewichtigund davon 17% der Männer und 19% der Frauenadipös (ELLERT et al. 2006). Diese Daten als Refe-renzwerte genommen deuten darauf hin, dass in dervorliegenden Beobachtungsstudie vor allen Dingenadipöse Personen als offensichtlich übergewichtig

eingestuft wurden und weniger Personen mit einemBMI zwischen 25-30kg/cm2.

Das geschätzte Alter der Kunden des Einkaufzen-trums beeinflusst zudem das Treppensteigen. Kin-der nutzen signifikant häufiger die Treppe als Er-wachsene. Vergleichsstudien bezüglich des Trep-pennutzungsverhaltens von Kindern sind selten, daKinder bei Beobachtungsstudien häufig von der Zäh-lung ausgeschlossen werden (IVERSEN et al. 2007;RUSSEL & HUTCHINSON 2000). Im Gegensatz zu Stu-dien anderer Arbeitsgruppen (EVES 2007; KERR2001) sind in der vorliegenden Beobachtungsstudiekeine Genderunterschiede zu erkennen.

Vieles spricht dafür, dass die Rolltreppennutzungeine feste Gewohnheit und somit eine automati-sierte Handlung darstellt (OUELETTE & WOOD1998), die durch einfache Plakate durchbrochenwerden kann. Der Vorteil von Hinweisen an Trep-penaufgängen besteht darin, dass die Gesund-heitsförderungsmaßnahme in der natürlichen Um-gebung der Menschen präsent ist. AngesprocheneZielgruppen innerhalb des Settings müssen keinenfinanziellen oder zeitlichen Aufwand in Kauf neh-men, um diese kurzfristige Bewegungspause inihren Alltag zu integrieren, womit eine hohe Nie-derschwelligkeit der Maßnahme gewährleistet wird.Um Treppensteigen wiederum zur Gewohnheit derBevölkerung werden zu lassen, können Hinweis-schilder in verschiedenen Settings hilfreich sein.

Abb. 6:Prozentuale Treppen-nutzung im Altersver-gleich während desgesamten Untersu-chungszeitraumes.

Abb. 7:Prozentuale Treppen-nutzung von offen-sichtlich übergewichti-gen Personen währenddes gesamten Untersu-chungszeitraumes.

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Kommunen, öffentliche Gebäude, Schulen, Seni-orenheime etc. könnten mögliche Settings seinund somit die Gelegenheiten der Alltagsaktivitätstärker ins Bewusstsein rufen. Zusätzlich kanndurch das Ergreifen der sich bietenden Möglich-keiten im Alltag auch die Einstellung insgesamt zurkörperlichen Aktivität positiv beeinflusst werden.

Eine aktive Gesundheitsförderung fängt somit be-reits im unmittelbaren Wohn-, Freizeit bzw. Ar-beitsumfeld an. In öffentlichen sowie privaten Ge-bäuden spielt beispielsweise die Innenarchitektureine nicht zu unterschätzende Rolle. Zum einen istdie Platzierung von Treppen in Gebäuden wichtig,zum anderen spielt auch die Attraktivität von Trep-penhäusern eine wichtige Rolle um aktivitätsför-dernd zu sein und sollte zunehmend Beachtung ge-schenkt werden.

Literatur bei den Autoren.

Birgit WALLMANN, geboren 1979 in Bonn, stu-dierte von 2000 bis 2005 Sportwissenschaftenmit dem Schwerpunkt „Prävention und Rehabili-tation“ an der Deutschen Sporthochschule Köln.Seit April 2005 arbeitet sie zunächst als wissen-schaftliche Hilfskraft später als wissenschaftlicheMitarbeiterin im Zentrum für Gesundheit und seit2008 zusätzlich mit einer halben Stelle am In-

stitut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Präventionund Rehabilitation der Deutschen Sporthochschule Köln. Im Rahmenihrer Tätigkeit bearbeitet sie Projekte im Bereich der Gesundheitsför-derung und Prävention. Innerhalb ihres Promotionsthemas beschäf-tigt sich Birgit Wallmann mit den gesundheitlichen Effekten von kör-perlicher Aktivität, im speziellen mit der Alltagsaktivität.

E-Mail: [email protected]

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Alterungsprozessevs. Lifestyle-FaktorenOftmals werden Leistungsreduktionen auf einset-zende Alterungsprozesse zurückgeführt. Auch zahl-reiche sportmedizinische Studien gehen von früheintretenden altersbedingten Leistungsminderun-gen aus: So soll beispielsweise die Ausdauerleis-tungsfähigkeit nach dem 30. Lebensjahr um 10%bis 15% pro Dekade abnehmen. Ohne Zweifel ist dasAltern ein unausweichlicher biologischer Vorgang,der letztlich auch zu objektivierbaren Leistungs-verlusten führt. Wie aber der Vergleich zwischen„Altersleistungssportlern“ und gleichaltrigen Pfle-geheimbewohnern zeigt, verläuft der Alterungs-prozess individuell sehr unterschiedlich und unter-liegt zudem einer Vielzahl von Einflussfaktoren.

Die Ermittlung tatsächlich altersbedingter Leis-tungsänderungen ist nicht trivial und gelingt auchnicht ohne weiteres mithilfe von Längsschnittun-tersuchungen. Ein generelles Problem ist nämlichdie Abgrenzung altersbedingter Einflüsse gegenü-

ber Effekten, die in erster Linie durch veränderteLebensgewohnheiten oder Erkrankungen bedingtsind. Selbstverständlich kann eine Minderung derkörperlichen Leistungsfähigkeit die Folge biologi-scher Alterungsvorgänge sein. Im Laufe der Jahrekann es aber auch zu deutlichen Leistungsverlustenkommen, weil z.B. bedingt durch beruflicheund/oder familiäre Verpflichtungen (Kindererzie-hung, Karriere, etc.) kaum noch Zeit für ein regel-mäßiges Training bleibt.

Der „Marathon“ als leistungs-physiologischesUntersuchungsmodellIn diesem Zusammenhang ist der Marathon einhervorragendes leistungsphysiologisches undpräventivmedizinisches Untersuchungsmodell. ImGegensatz zu kurzen/kürzeren Laufdistanzen (z.B.5.000m oder 10.000m), die auch ohne intensiveVorbereitung von „Untrainierten“ bewältigt wer-den können, wird ein Marathonlauf aufgrund derStreckenlänge und der hohen körperlichen Belas-tung üblicherweise nur dann erfolgreich absol-viert, wenn über einen längeren Zeitraum ausrei-chend trainiert wird und im Alltag eine deutlicheAusrichtung auf den Sport erfolgt. Daher ist esnicht erstaunlich, dass die in der Bevölkerungverbreiteten, ungünstigen gesundheitsrelevantenMerkmale wie Rauchen, Bewegungsmangel undAdipositas bei Marathonläufern nur selten zu fin-den sind. Somit lassen sich beim Marathon auf-tretende altersassoziierte Leistungsminderungeneher auf den biologischen Alterungsprozess undweniger auf ungünstige Alltagsgewohnheitenzurückführen.

„Marathon-Events“ besitzen zudem noch einenweiteren großen methodischen Vorteil: Über die Er-gebnislisten der großen Marathonveranstaltungensind epidemiologisch relevante Daten mit Alter,Geschlecht und elektronisch gemessene Laufzeitender Sportler verfügbar.

Die Pace-StudieLifestyle, Gesundheit und LeistungsfähigkeitEin Beitrag vonDieter LeykMax WunderlichAlexander SievertThomas RütherInstitut fürPhysiologie undAnatomie

Foto:Marco Kröner/PIXELIO

Durch die verlängerte Lebensarbeitszeit, den demographischen Wandel und die starke Verbreitungvon Bewegungsmangel und Übergewicht gewinnt die Aufrechterhaltung von Gesundheit und Leis-tung seit geraumer Zeit weiter an Bedeutung. Dies gilt nicht nur für die wachsende Zahl von älte-ren Personen und das soziale Sicherungssystem. Auch in der Arbeitswelt finden die Aspekte Alter,Gesundheit und Leistung zunehmend mehr Aufmerksamkeit: Gesunde und leistungsstarke ältereBeschäftigte werden für viele Betriebe auch deshalb immer wichtiger, da eine Vielzahl der über-gewichtigen und untrainierten Jüngeren alltäglichen Arbeitsbelastungen kaum noch genügen. Be-dingt durch einen überwiegend inaktiven Lebensstil und gesundheitlich ungünstige Alltagsge-wohnheiten (z.B. Fehlernährung, übermäßiger Alkohol- bzw. Tabakkonsum) können bereits im mitt-leren Lebensalter deutliche Leistungseinbußen eintreten.

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Die primär altersbedingteLaufzeitverschlechterungbei den über 50-Jährigenfällt zudem erstaunlich ge-ring aus (siehe Abb. 1). Einbeachtlicher Teil der Seni-orensportler erzielt imhöheren Lebensalter sogarbessere Ausdauerleistun-gen als die meisten jünge-ren Athleten: So sind diebesten 25% der 60- bis 69-jährigen Marathon- und

Halbmarathonläufer schneller als die Hälfte der20- bis 50-jährigen Sportler.

Das „PACE-Projekt“ –ein multizentrischer und mehr-stufiger StudienansatzErgebnislisten von Laufveranstaltungen liefernwichtige Daten über Leistung, Geschlecht und Al-ter der Teilnehmer. Weitere relevante und reprä-sentative Informationen fehlten allerdings bislang.Im Rahmen des PACE-Projektes (Performance-Age-Competition-Exercise) werden weiterhin Laufzeit-analysen durchgeführt. Es ist zwischenzeitlich ei-ne erhebliche inhaltliche Erweiterung erfolgt: Über

eine internationale Online-Umfrage (www.dshs-koeln.de/pace) mit einem skalierten, mehrsprachigvorliegenden Fragebogen werden seit geraumer Zeitweltweit Sportler zum durchgeführten Training, zurMotivation zum Sporttreiben, zur Gesundheit, zursportärztlichen Betreuung, zu Alltagsgewohnhei-ten, aber auch hinsichtlich biometrischer Angaben(Größe, Gewicht) befragt (siehe Abb. 2).

Inzwischen haben sich über 10.000 Ausdauer-sportler an der Internet-Befragung beteiligt. Zu-sätzlich wurden etwa 10% der Teilnehmer auf Lauf-veranstaltungen persönlich befragt, um Fehler beider Online-Eingabe bzw. Auswirkungen einer po-tenziellen „Online-Selektion“ abschätzen zu kön-nen (Abb. 3).

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Alterseinflussauf Ausdauerleistungen

Unsere Forschungsgruppe hat mittlerweile mehr als220 Marathon-/Halbmarathonveranstaltungen undüber 800.000 Marathon- und Halbmarathonlaufzei-ten 20- bis 79-jähriger Sportler analysiert (sieheTab. 1). Etwa 45% (Marathon) bzw. 55% (Halbma-rathon) der Ausdauertrainierten waren „Mehrfach-läufer“. Wiederholungsläufe wurden für die Aus-wertung nicht berücksichtigt. Wie in Tabelle 1 auf-geführt, ist der Frauenanteil beim Marathon(18,5%) deutlich niedriger als beim Halbmarathon(28,7%). Die größten Teilnehmerzahlen sind fürbeide Laufstrecken sowie für Männer und Frauen inder Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen zu finden.

Abbildung 1 zeigt am Beispiel der Marathonlauf-zeiten die Verteilungscharakteristik der Lauflei-stungen der 20- bis 79-Jährigen. Frauen benöti-gen für den Marathon im Durchschnitt 26 Minu-ten (10%) und für den Halbmarathonlauf durch-schnittlich 15 Minuten (13%) länger als Männer(p < 0,01).

Aus den weiterführenden Laufzeitanalysen gehthervor, dass erst nach dem 50. Lebensjahr signifi-kante Leistungseinbußen auftreten. Auch unsereLaufzeitanalysen beim Halbmarathon belegen, dassdurch regelmäßiges Training eindrucksvolle Leis-tungen erzielt werden können und vor dem 50. Le-bensjahr keine statistisch signifikanten Leis-tungsverluste auftreten.

Abb. 1:Laufzeiten von männ-lichen (linke Seite;n = 284.686) undweiblichen (rechteSeite; n = 64.778)Teilnehmern von 121Marathonwettbewer-ben. Dargestellt sindMedian und 5., 25.,75. und 95. Perzentil.

Tab. 1:Absolute und relative Anzahl der Teilnehmer von 121 Marathon- und 100 Halbmara-thonwettbewerben in Deutschland in den Jahren 2002 bis 2008 (n = 558.423).

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Die PACE-Studie wurde durch die Ethikkommissionder Deutschen Sporthochschule Köln sowie vomLandesbeauftragten für den Datenschutz Nord-rhein-Westfalen als unbedenklich eingestuft undzur Durchführung genehmigt.

BefragungsergebnisseIm Rahmen dieses Beitrages für das f.i.t. Wissen-schaftsmagazin werden einige Ergebnisse aus denBefragungen der Langstreckenläufer näher vorge-stellt. An der durchgeführten Befragung nahmen10.127 Läufer im Alter von 20 bis 69 Jahren teil(Tab. 2).

Der Vergleich zwischen denStudienpopulationen (Lauf-zeitanalysen vs. „Onlinebe-fragungen“) zeigt, dass dieKollektive hinsichtlich Al-ters- und Geschlechtsver-teilung sowie der Teilnah-mequoten beim Marathonund Halbmarathon gut über-einstimmen. Analog zur Al-tersverteilung beim Studi-enkollektiv „Laufzeitana-lyse“ liegen bei den Befra-gungen die höchsten Teil-nehmerzahlen in der Grup-pe der 40- bis 49-Jährigen.Auch der Anteil von männ-

lichen und weiblichen Studi-enteilnehmern ist in den Un-tersuchungskollektiven („Lauf-zeitanalyse“ vs. „Online-Befra-gung“) sowohl bei den Mara-thonteilnehmern wie auch beimHalbmarathon nahezu iden-tisch (vgl. Tab. 1 und Tab. 2).

■ Training

Die wöchentliche Trainings-häufigkeit sowie die wöchent-lichen Trainingskilometer lie-gen bei den Marathonläufernsignifikant über den Ver-gleichszahlen der Halbmara-thonsportler (Tab. 3). Sowohlbeim Marathon- wie auchbeim Halbmarathontrainingtreten allerdings zwischenLäuferinnen und Läufern (p >0,01) und im Altersgang (p >

0,01) keine nennenswerten Unterschiede auf. DieHäufigkeitsverteilungen der Tabelle 3 zeigen, dassdie Halbmarathonläufer im Jahresmittel 10 Kilo-meter und Marathonläufer 13 Kilometer je Trai-ningseinheit absolvieren (p < 0,01). Bei einer mitt-leren Trainingsdauer von 59 Minuten bzw. 68 Mi-nuten (Halbmarathon- vs. Marathonläufer; p <0,01) ergibt sich rechnerisch eine durchschnittli-che Laufgeschwindigkeit von 10,5 km/h bzw. 10,9km/h (Halbmarathon- vs. Marathonläufer; p <0,01). Bezüglich der mittleren Trainingsgeschwin-digkeiten bestehen keine signifikanten ge-schlechts-, alters- oder wettbewerbsspezifischenUnterschiede.

■ Sportliche Selbsteinstufung und Vorerfahrung

Die Antwortverteilung zur Beurteilung der sportli-chen Ambitionen zeigt, dass sich 77% der Läufer alsFreizeitsportler und 23% als Leistungssportler ein-stufen. Signifikante Kollektiv-, Alters- und Ge-schlechtsdifferenzen konnten nicht ermittelt wer-den. Rückblickend geben 36% der Befragten an, vor

Tab. 2:Geschlechts- und lauf-streckenbezogene Ver-teilung des befragtenLäuferkollektivs(n = 10.127).

Abb. 2:Datenerfassung beider PACE-Studie imOnline-Portal(www.dshs-koeln.de/pace).

Tab. 3:Umfang und Häufigkeit des wöchentlichen Lauftrainings der befragten Marathon-(Männer n = 5.991, Frauen n = 1.310) und Halbmarathonläufer (Männer n = 1.968,Frauen n = 774). Dargestellt sind Median und 5., 25., 75. und 95. Perzentil.

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Aufnahme des Lauftrainings keinen Sport regelmäßigbetrieben zu haben. Die weiterführende Analysezeigt, dass hier ein starker Alterseinfluss vorliegt: Be-zogen auf die jüngste Altersgruppe haben in der äl-testen Läufergruppe deutlich weniger Personen eineSportanamnese (OR 3,0; 95% KI: 2,34-3,83).

■ Lauftrainingserfahrung

Abbildung 4 zeigt die Verteilung der kontinuierli-chen Trainingsjahre der Langstreckenläufer. Hier-bei wird deutlich, dass lediglich 50% aller Läuferseit mehr als 5 Jahren regelmäßig aktiv sind. Mitzunehmendem Alter nimmt zwar der Anteil der„Neueinsteiger“ (≤ 5 Jahre Lauftraining) ab, den-noch sind es unter den 50- bis 59-Jährigen nochetwa 40%.

Motivation zum LauftrainingEine Übersicht mit Angaben zur Motivation derLangstreckenläufer liefert Abbildung 5. Der Erhaltbzw. die Verbesserung der körperlichen Leistungs-fähigkeit ist unabhängig von Alter und Geschlechtder stärkste Attraktor (83,3% Zustimmung). Sportals „Stressabbau bzw. Ausgleich“ (76,5%) wie auchder „Spaß am Sport“ (73,3%) werden deutlich häu-figer als „Gesundheitliche Gründe“ (54,2%) ge-nannt. Interessanterweise treten bei diesen Moti-ven altersbezogene Veränderungen auf (p < 0,01).So werden „Spaß am Sport“ und besonders „Ge-sundheitliche Gründe“ mit zunehmendem Alter im-mer häufiger als Motiv für ein Lauftraining ge-nannt. Demgegenüber verliert der Aspekt „Stress-abbau bzw. Ausgleich“ ab dem 50. Lebensjahr anBedeutung.

■ Body-Mass-Index (BMI) und Raucherquote

Neben den bereits genannten Häufigkeiten zursportlichen Aktivität wurde mit der Körperge-wichtseinstufung nach WHO (BMI-Einteilung) und

der Raucherquote zwei weitere präventivmedizi-nisch bedeutsame Indikatoren analysiert.

Die Raucherquote liegt im Läuferkollektiv bei 6,2%.Als ehemalige Raucher stufen sich 23,3% der Be-fragten ein; 70,5% haben nie regelmäßig geraucht.Alters- oder geschlechtsspezifische Differenzen(p > 0,01) liegen nicht vor.

Läuferinnen (21,7 ± 2,3) haben deutlich niedrige-re BMI-Werte (p < 0,01) als Läufer (23,7 ± 2,3). ImAltersgang nimmt der BMI lediglich bei den Män-nern geringfügig zu (p < 0,01). Die BMI-Werte derbefragten Ausdauersportler verteilen sich hin-sichtlich der WHO-Einteilung wie folgt: 1,3% mitBMI < 18,5; 77% mit BMI ≥ 18,5 und < 25; 20,5%mit BMI ≥ 25 und < 30; 1,2% mit BMI ≥ 30.

Schlussfolgerungen Mit Blick auf den Erhalt der Ausdauerleistungs-fähigkeit liefern die Befragungen erstaunlicheErkenntnisse. Die Vorstellung, dass eine hohe

Abb. 3:Persönliche Befragun-gen im Rahmen vonLaufveranstaltungen.

Abb. 5:Anteil (%) der amhäufigsten genanntenMotive zum Laufen(Männer n = 7.964,Frauen n = 2.079).

Abb. 4:Verteilung der Lauftrainingsjahre der Marathon- undHalbmarathonläufer als kumulierte Prozentdarstellung(Männer n = 7.898, Frauen n = 2.071).

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Leistungsfähigkeit im Alter nur durch umfang-reicheres Training zu erzielen ist, wird durch dieAngaben der Langstreckenläufer widerlegt: Die20- bis 70-Jährigen unterschieden sich nicht hin-sichtlich der relevanten Trainingsparameter(wöchentliche Laufkilometer, Trainingshäufigkeitund -intensität). Darüber hinaus wird deutlich,dass die meisten Langstreckenläufer ein regel-mäßiges und moderates Training durchführen,dass sogar nicht wesentlich über die von der WHOpräventivmedizinisch empfohlenen sportlichenAktivitäten (5x Sport/Woche für mindestens 30Minuten) hinausgeht. Etwa 50% der Ausdauer-trainierten laufen nicht mehr als 3- bis 4-mal proWoche bei einer mittleren Trainingsdauer von et-wa 1 Stunde.

Die PACE-Studie hat außerdem gezeigt, dass mehrals 40% der 50- bis 60-jährigen Marathonläufer erstin den vergangenen 5 Jahren mit einem regel-mäßigen Lauftraining begonnen hat. Auch die Da-ten aus Abbildung 4 lassen vermuten, dass eine be-trächtliche Anzahl von Langstreckenläufern tat-sächliche „Sport-Neueinsteiger“ sind. Der Nach-weis, dass sich die Aufnahme eines regelmäßigenTrainings auch für ältere Nichtsportler lohnt, wur-de kürzlich in einer umfangreichen Längsschnitt-untersuchung erbracht: Über 50-jährige „Sport-Neueinsteiger“ konnten ihr Mortalitätsrisiko im

Vergleich zu gleichaltrigen Nichtsportlern halbie-ren. Auch aus den PACE-Befragungen geht hervor,dass die in der Bevölkerung weitverbreiteten kar-diovaskulären Risikofaktoren Rauchen, Überge-wicht und Bewegungsmangel bei den untersuchtenLangstreckenläufern kaum vorliegen.

Die Motivation zum Sportreiben hat insbesonderemit Blick auf Präventionsmaßnahmen und derenZielgruppe, die „Nicht-Sportler“, große Bedeutung.Diesbezüglich liefern die Befragungsergebnisseüberraschende Ergebnisse. Motive wie „Gesund-heitliche Gründe“ gewinnen zwar mit zunehmen-dem Alter an Bedeutung, werden aber im Vergleichzu den Motiven „Leistungsfähigkeit“, „Stressab-bau“ und „Spaß am Sport“ deutlich seltener ge-nannt. Dieser Sachverhalt steht im Gegensatz zurAusrichtung zahlreicher Gesundheitsinitiativen,die vermehrt auf Krankheitsvermeidung und Risi-kofaktoren fokussieren. Mit Blick auf den demo-graphischen Wandel sprechen die vorliegenden Er-gebnisse dafür, dass künftige Präventionskampa-gnen stärker leistungs-, arbeits- und freizeitrele-vante Aspekte berücksichtigen sollten.

AusblickDie weiterhin laufende „PACE-Studie“ zielt letztlichauch auf eine Optimierung von Präventionsmaß-nahmen ab und hat keineswegs nur Langstrecken-läufer im Fokus. Seit 2008 werden die PACE-Befra-gungen auch in anderen Sportbereichen (Walken,Schwimmen, Radfahren, Ballspiele, Gymnastik etc.)durchgeführt.

Ein Ziel ist es u.a., ein umfassendes Bild zu denMotiven der unterschiedlichen Sportlergruppenzu erhalten. Mit diesem Ansatz wird jedoch einewichtige Zielgruppe der Prävention, die mit ge-sundheitlichen Risikofaktoren behafteten undleistungsgewandelten Nichtsportler, kaum er-reicht. Um detaillierte Angaben über die Hinter-gründe der Sportabstinenz zu erhalten, aber auchum potenzielle Attraktoren zum Sporteinstieg zuermitteln, werden derzeit im Rahmen der PACE-Studie umfangreiche Befragungen von Inaktivendurchgeführt.

Angesichts der zunehmenden Verbreitung von Be-wegungsmangel, Übergewicht und der geringenkörperlichen Leistungsfähigkeit in der Bevölkerungwird es für das Gesundheitssystem wie auch für Un-ternehmen immer wichtiger, über adressatenge-rechte Interventionsmaßnahmen zu verfügen. Nurauf diese Weise kann es gelingen, Betroffene zu ei-ner körperlich aktiven und gesundheitsorientiertenLebensgestaltung zu motivieren. Das „Untersu-chungsmodell Marathon“ unterstreicht, dass diekörperliche Leistungsfähigkeit und die Ausprägungkardiovaskulärer Risikofaktoren stärker durch All-tagsgewohnheiten als durch die Alterung per se be-einflusst werden.

Literatur bei den Autoren.

Prof. Dr. Dr. Dieter LEYK hat in Köln Sport(DSHS) und Medizin (Universität zu Köln) studiertund war als wissenschaftlicher Assistent an derDSHS und an der Johann-Goethe-UniversitätFrankfurt tätig. Als promovierter Diplom-Sport-lehrer und approbierter Mediziner (Facharzt fürPhysiologie, Weiterbildungsbefugnis für Sport-medizin) leitet er die Forschungsgruppe „Leis-tungsphysiologie und Public Health“ an derDSHS und die Abteilung „Ergonomie und Leis-

tungsphysiologie“ im Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bun-deswehr in Koblenz.

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Dr. Max Wunderlich, geboren 1979 in Hanno-ver, studierte von 1999 bis 2004 Sportwissen-schaften an der DSHS und promovierte 2009 ander Medizinischen Fakultät der Uni Köln. Seit2004 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitar-beiter im Institut für Physiologie und Anato-mie. Neben der Durchführung von epidemiolo-gischen Studien mit Kindern, Jugendlichen undjungen Erwachsenen („Fit-fürs-Leben-Studie“)ist er für die Entwicklung und Pflege einer in-terinstitutionellen SQL-Datenbank verantwort-

lich. Einen besonderen Schwerpunkt seiner Forschungstätigkeitnimmt die Arbeitsmedizin ein.

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