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Dmitri Nedrenco Lehrstuhl für Geometrie Übersicht Papierfalten, auch Origami ( jap. oru - falten, kami - Papier), ist in erster Linie als kunstvoller Zeitvertreib bekannt. Ab den 1980er Jahren ist Papierfalten jedoch mehr und mehr zu einer reichhaltigen geometrischen Disziplin herangereiſt. Eine der wichtigsten geometrischen Erkenntnisse ist: Durch Papierfalten können einige seit der Antike bekannte Probleme der Geometrie exakt gelöst werden. Die so genannten klassischen Probleme der griechischen Mathematik sind Winkeldreiteilung, Würfelverdopplung (auch als Delisches Problem bekannt) und adratur des Kreises. Alle drei Probleme sind im Allgemeinen nicht mit Zirkel und Lineal (eigentlich Richtscheit) lösbar; dies beweist man üblicherweise mit algebraischen Mieln. Dagegen gestaet Papierfalten leicht nachvollziehbare Konstruktionen, mit denen beliebige Winkel gedrielt und das Delische Problem gelöst werden können. Grundlegend ür geometrisches Papierfalten ist die folgende Beobachtung: Sind zwei Punkte und zwei Geraden bereits durch Falten konstruiert, dann ist es fast immer möglich, einen Punkt auf eine der Geraden und den anderen auf die zweite Gerade simultan zu falten. Obschon dies eine leichte Faltung ist, ist sie jedoch sehr überraschend. Im Jahr 1936 von der Italienerin Margharita Piazzola Beloch veröffentlicht, 1984 von Jacques Justin und 1989 von Humiaki Huzita wiederentdeckt, sorgt eben diese Faltung (heute oſt HJ6 genannt) ür das Lösen oben genannter Probleme. Macht man sich zuerst klar, dass das Falten eines Punktes p auf eine Gerade L mit p ∉ L eine Tangente an die Parabel mit Brennpunkt p und Leitgerade L liefert (diese Tangente ist der Falz, der beim Falten entsteht), so liefert HJ6 eine simultane Tangente an zwei Parabeln. In der euklidischen Ebene gibt es höchstens drei solche Tangenten und das ermöglicht es, eine beliebige kubische Gleichung aufzulösen. Insbesondere können wir damit ∛2 nach Peter Messer bzw. nach Hisashi Abe (Ergebnis aus dem Jahr 1980) konstruieren, wie unten bzw. rechts im Abschni Winkeldreiteilung genauer beschrieben ist. A P D f(C) f(A) f θ 2θ Gute Literatur zum Thema Thomas Hull, Project Origami, Taylor & Francis Ltd., 2013, David C. Cox, Galois Theory, John Wiley & Sons, 2012. A P D C B l m Papierfalten und klassische Probleme der Geometrie 2/3s B l A 2 3 1 D E Winkeldreiteilung Wir zeigen unten wie Winkel zwischen π/4 und π/2 gedreiteilt werden können. Sieht man wie Winkel durch Papierfalten halbiert und verdoppelt werden können (wie?), dann kann man einen beliebigen Winkel drieln. Wichtig ist hier, dass wir nur solche Faltungen betrachten wollen, die einen Falz auf einmal erzeugen. Das heißt, das Papier wird nach einer Faltung vollständig entfaltet und erst dann darf man fortfahren. Delisches Problem oder Würfelverdopplung Peter Messer zeigte 1986 wie Papierfalten das mit klassischen Werkzeugen unlösbare Problem der Würfelverdopplung bewerkstelligen kann. Besonders auffallend ist die Leichtigkeit, mit der die Konstruktion von ∛2 erfolgt. Zuerst wird ein adrat mit Seitenlänge s in drei kongruente Rechtecke geteilt. Dazu halbiert man die obere Seite des adrats und faltet die rechte untere Ecke auf den Mielpunkt der oberen Seite (Diagramm oben links). Anschließend markiert man den Schnipunkt der linken Seite des adrats mit der auf sie gefalteten rechten Seite: Die so konstruierte Länge ist der adratseite der Länge s (Diagramm oben rechts). Falten wir nun A auf die linke Seite und B auf l (Diagramm links), so zerlegt das Bild von A die linke Seite des adrats in zwei Strecken, die im Verhältnis ∛2 zueinander stehen. Der Grund daür ist die Ähnlichkeit der Dreiecke D und E sowie der Satz des Pythagoras. Quadratur des Kreises Die adratur des Kreises miels Falten bleibt dagegen unerreichbar – das liegt wesentlich an der Transzendenz von π. Es gibt Versuche √π zu konstruieren: Dabei muss man allerdings nichtgeradlinige Falze falten. Das wollen viele Forscher nicht akzeptieren (siehe Thomas Hull, Constructing π via Origami, 2007). Ist ein Winkel PAD wie im linken oberen Diagramm gegeben, der gedreiteilt werden soll, so falten wir zuerst einen Falz l und dann m so, dass l und m zu AD parallel sind und | AB | = | BC | gilt. Danach erlaubt HJ6 den Punkt A auf m und C auf AP zu falten: Wir erhalten den Falz f wie in den Diagrammen rechts oben und rechts. Es ist leicht Af(A) zu falten (wie?), und der Winkel f(A)AD ist genau ein Driel des Winkels PAD ; das folgt aus dem Beweis: Nach Konstruktion ist Cf(C) parallel zu Af(A) und es gilt |AC | = | f(A) f(C) |. Daher liegt der Schnipunkt O von f und Af(C) auch auf Cf(A). Damit ist das Dreieck AOf(A) gleichschenklig. Der Winkel Af(A)B ist gleich θ . Nach Konstruktion ist das Dreieck Af(A)C gleichschenklig, so dass der Winkel Af(A)C = 2θ ist. Aber damit ist auch OAf(A) = 2θ und DAf(A) ein Driel von PAD . Dieser Beweis stammt von Clemens Fuchs, 2011. θ A P D C f (C) f (A) O B f ! ! ! ! ! ! ! ! Axiomatisierung des Papierfaltens Die Huzita-Justin-Axiome (HJ) sind sieben Anleitungen, um genau einen Falz – im Wesentlichen eine Gerade in der Ebene – aus vorgegebenen Punkten zu falten. Man kann beweisen, dass es keine anderen Möglichkeiten gibt, einen einzigen Falz zu erzeugen, außer eine Kombination dieser sieben Axiome zu verwenden. Interessanterweise lässt sich sogar beweisen, dass sich jede kubische und damit (nach Lodovico Ferrari) jede quartische Polynomgleichung miels dieser Faltanleitungen lösen lässt. Betrachtet man dazu die beiden Parabeln und /2 und findet mit HJ6 eine gemeinsame Tangente an sie, dann ergibt sich durch Nachrechnen, dass die Steigung dieser Tangente die Gleichung löst. Ferner kann man beweisen, dass z.B. Winkelquintisektion mit diesen Axiomen nicht durchührbar ist. Das gelingt jedoch, erlaubt man simultane Erzeugung mehrerer Falze – denken Sie an die übliche Methode einen Brief kuvertreif so zu falten, dass drei kongruente Rechtecke entstehen. Allgemein ist bisher ungeklärt, mit welchem Axiomensystem eine möglichst große Struktur von durch Papierfalten konstruierbaren Punkten realisierbar ist. x 3 + ax + b = 0 (y a /2) 2 = 2bx y = x 2 e iϕ /3

Papierfalten und klassische Probleme der Geometrienedrenco/origami/... · Dmitri Nedrenco • Lehrstuhl für Geometrie Übersicht Papierfalten, auch Origami (jap. oru - falten, kami

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Dmitri Nedrenco • Lehrstuhl für Geometrie

ÜbersichtPapierfalten, auch Origami ( jap. oru - falten, kami - Papier), ist in erster Linie als kunstvoller Zeitvertreib bekannt. Ab den 1980er Jahren ist Papierfalten jedoch mehr und mehr zu einer reichhaltigen geometrischen Disziplin herangereift . Eine der wichtigsten geometrischen Erkenntnisse ist: Durch Papierfalten können einige seit der Antike bekannte Probleme der Geometrie exakt gelöst werden.

Die so genannten klassischen Probleme der griechischen Mathematik sind Winkeldreiteilung, Würfelverdopplung (auch als Delisches Problem bekannt) und Qu adratur des Kreises. Alle drei Probleme sind im Allgemeinen nicht mit Zirkel und Lineal (eigentlich Richtscheit) lösbar; dies beweist man üblicherweise mit algebraischen Mitt eln.

Dagegen gestatt et Papierfalten leicht nachvollziehbare Konstruktionen, mit denen beliebige Winkel gedritt elt und das Delische Problem gelöst werden können. Grundlegend ür geometrisches Papierfalten ist die folgende Beobachtung: Sind zwei Punkte und zwei Geraden bereits durch Falten konstruiert, dann ist es fast immer möglich, einen Punkt auf eine der Geraden und den anderen auf die zweite Gerade simultan zu falten. Obschon dies eine leichte Faltung ist, ist sie jedoch sehr überraschend. Im Jahr 1936 von der Italienerin Margharita Piazzola Beloch veröff entlicht, 1984 von Jacques Justin und 1989 von Humiaki Huzita wiederentdeckt, sorgt eben diese Faltung (heute oft HJ6 genannt) ür das Lösen oben genannter Probleme.

Macht man sich zuerst klar, dass das Falten eines Punktes p auf eine Gerade L mit p ∉ L eine Tangente an die Parabel mit Brennpunkt p und Leitgerade L liefert (diese Tangente ist der Falz, der beim Falten entsteht), so liefert HJ6 eine simultane Tangente an zwei Parabeln. In der euklidischen Ebene gibt es höchstens drei solche Tangenten und das ermöglicht es, eine beliebige kubische Gleichung aufzulösen. Insbesondere können wir damit ∛2 nach Peter Messer bzw. nach Hisashi Abe (Ergebnis aus dem Jahr 1980) konstruieren, wie unten bzw. rechts im Abschnitt Winkeldreiteilung genauer beschrieben ist.

A

P

D

f(C)

f(A)

f

θ2θ

Gute Literatur zum ThemaThomas Hull, Project Origami, Taylor & Francis Ltd., 2013,David C. Cox, Galois Theory, John Wiley & Sons, 2012.

A

P

D

C

B

l

m

Papierfalten und klassische Probleme der Geometrie

2/3s

B

l

A

23

1D

E

WinkeldreiteilungWir zeigen unten wie Winkel zwischen π/4 und π/2 gedreiteilt werden können. Sieht man wie Winkel durch Papierfalten halbiert und verdoppelt werden können (wie?), dann kann man einen beliebigen Winkel dritt eln. Wichtig ist hier, dass wir nur solche Faltungen betrachten wollen, die einen Falz auf einmal erzeugen. Das heißt, das Papier wird nach einer Faltung vollständig entfaltet und erst dann darf man fortfahren.

Delisches Problem oder WürfelverdopplungPeter Messer zeigte 1986 wie Papierfalten das mit klassischen Werkzeugen unlösbare Problem der Würfelverdopplung bewerkstelligen kann. Besonders auff allend ist die Leichtigkeit, mit der die Konstruktion von ∛2 erfolgt.

Zuerst wird ein Qu adrat mit Seitenlänge s in drei kongruente Rechtecke geteilt. Dazu halbiert man die obere Seite des Qu adrats und faltet die rechte untere Ecke auf den Mitt elpunkt der oberen Seite (Diagramm oben links). Anschließend markiert man den Schnitt punkt der linken Seite des Qu adrats mit der auf sie

gefalteten rechten Seite: Die so konstruierte Länge ist ⅔ der Qu adratseite der Länge s (Diagramm oben rechts). Falten wir nun A auf die linke Seite und B auf l (Diagramm links), so zerlegt das Bild von A die linke Seite des Qu adrats in zwei Strecken, die im Verhältnis ∛2 zueinander stehen. Der Grund daür ist die Ähnlichkeit der Dreiecke D und E sowie der Satz des Pythagoras.

Quadratur des KreisesDie Qu adratur des Kreises mitt els Falten bleibt dagegen unerreichbar – das liegt wesentlich an der Transzendenz von π. Es gibt Versuche √π zu konstruieren: Dabei muss man allerdings nichtgeradlinige Falze falten. Das wollen viele Forscher nicht akzeptieren (siehe Thomas Hull, Constructing π via Origami, 2007).

Ist ein Winkel PAD wie im linken oberen Diagramm gegeben, der gedreiteilt werden soll, so falten wir zuerst einen Falz l und dann m so, dass l und m zu AD parallel sind und |AB| = |BC| gilt. Danach erlaubt HJ6 den Punkt A auf m und C auf AP zu falten: Wir erhalten den Falz f wie in den Diagrammen rechts oben und rechts. Es ist leicht Af(A) zu falten (wie?), und der Winkel f(A)AD ist genau ein Dritt el des Winkels PAD ; das folgt aus dem

Beweis: Nach Konstruktion ist Cf(C) parallel zu Af(A) und es gilt |AC |= | f(A) f(C)|. Daher liegt der Schnitt punkt O von f und A f(C) auch auf C f(A). Damit ist das Dreieck AOf(A) gleichschenklig. Der Winkel Af(A)B ist gleich θ . Nach Konstruktion ist das Dreieck Af(A)C gleichschenklig, so dass der Winkel Af(A)C = 2θ ist. Aber damit ist auch OAf(A) = 2θ und DAf(A) ein Dritt el von PAD.

Dieser Beweis stammt von Clemens Fuchs, 2011.

θA

P

D

C

f (C)

f (A)

O

B

f

△!

! !

△ !! ! !

!

Axiomatisierung des PapierfaltensDie Huzita-Justin-Axiome (HJ) sind sieben Anleitungen, um genau einen Falz – im Wesentlichen eine Gerade in der Ebene – aus vorgegebenen Punkten zu falten. Man kann beweisen, dass es keine anderen Möglichkeiten gibt, einen einzigen Falz zu erzeugen, außer eine Kombination dieser sieben Axiome zu verwenden.

Interessanterweise lässt sich sogar beweisen, dass sich jede kubische und damit (nach Lodovico Ferrari) jede quartische Polynomgleichung mitt els dieser Faltanleitungen lösen lässt. Betrachtet man dazu die beiden Parabeln und / 2 und fi ndet mit HJ6 eine gemeinsame Tangente an sie, dann ergibt sich durch Nachrechnen, dass die Steigung dieser Tangente die Gleichung löst. Ferner kann man beweisen, dass z.B. Winkelquintisektion mit diesen Axiomen nicht durchührbar ist. Das gelingt jedoch, erlaubt man simultane Erzeugung mehrerer Falze – denken Sie an die übliche Methode einen Brief kuvertreif so zu falten, dass drei kongruente Rechtecke entstehen.

Allgemein ist bisher ungeklärt, mit welchem Axiomensystem eine möglichst große Struktur von durch Papierfalten konstruierbaren Punkten realisierbar ist.

x 3+ax +b= 0

(y−a / 2)2 = 2bxy = x 2

eiϕ/3