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Was hat der Dies Academi- cus mit der ersten juristi- schen Prüfung zu tun? Viele mögen sich sagen: „Bologna, über das auf dem Dies Academicus diskutiert wird geht mich als Jura- studenten nichts an.“ Falsch, denn: Das Bachelor-Master- System hat in abgeänderter Form mit der Zwischenprüfung am Ende des Grundstudiums auch bei uns Einzug gehalten. Studiert wird auf die Prüfungen hin, die stumpf in Punkten abgearbeitet werden; so ist es auch mit den derzeit 15 Schei- nen, die in drei Semestern absol- viert werden müssen - vier gewinnt! Genau an diesem Punkt setzt auch die geplante Studienreform an, die die Pflichtanzahl verringern und Grundlagen stärken möchte. Die Hauptkritik an Bologna, dass zunehmendes Auswendiglernen von Wissen statt reflektiver Erkennt- nisse das Ergebnis der Reform sind, ist als Entwicklung so auch im rechtswissenschaftlichen Studium erkennbar: Vorlesungen und AGs anstatt Seminare, Wissensfülle statt Wissenstiefe, Gutachtenstil statt dif- ferenzierende Auslegung, um nur ein paar Punkte zu nennen. Zum Glück hat es hiergegen an der Uni Hamburg schon viel Bewegung gegeben: Nach der Konferenz „Schöne neue Bildung?“ im SoSe 2010, dem „Kampf um die Zukunft“ der gesamten Universität im SoSe 2011, unzähligen Auseinanderset- zungen in diversen Ausschüssen und Gremien sowie der Arbeit in den Fachschaftsräten findet nun seit mehreren Jahren das erste Mal eine gemeinsame Konferenz aller Fakultäten statt, auf der die grund- sätzliche Frage „Wie wollen wir in Hamburg studieren?“ von Studie- renden und Lehrenden – von allen Mitgliedern der Universität – erörtert werden soll, um die Studienreform selbst in die Hand zu nehmen. „Forschung und Lehre sollen zum gestaltenden Eingreifen in die Ge- sellschaft ermutigen und einer glo- bal menschenwürdigen Zivilisation dienen. […] Ein Erfolg des bisheri- gen „Kampfes um die Zukunft“ ist die Herausbildung einer neuen Kul- tur der Solidarität.“ Diese Positionierung des Akademi- schen Senats (dem höchsten Ent- scheidungsgremium der Uni) zeigt, dass ein neues Bewusstsein an der Universität erreicht wurde. Es scheint möglich, das „Klein-Klein“ und Herumgedoktere der letzten Jahre, den Schein-Druck und Ver- schulung zu überwinden und ge- samtuniversitär eine Position zu bil- den um herauszufinden, wie Studi- enreform sein muss. Die Konferenz, als Dies Academi- cus organisiert, soll einen Raum da- für schaffen, den grundsätzlichen Anspruch an Bildung und Wissen- schaft, „zur Entwicklung einer hu- manen, demokratischen und ge- rechten Gesellschaft“ beizutragen (Zitat aus dem Leitbild der Uni) zu diskutieren. Zugleich soll es darum Der Paragraphenreiter Der Paragraphenreiter wird herausgegeben von: Ausgabe V April 2012 paragraphenreiter.wordpress.com

Paragraphenreiter V

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Paragraphenreiter Nr. 5 April 2012

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Page 1: Paragraphenreiter V

Was hat der Dies Academi-cus mit der ersten juristi-schen Prüfung zu tun?

Viele mögen sich sagen: „Bologna, über das auf dem Dies Academicus diskutiert wird geht mich als Jura-studenten nichts an.“Falsch, denn: Das Bachelor-Master-System hat in abgeänderter Form mit der Zwischenprüfung am Ende des Grundstudiums auch bei uns Einzug gehalten. Studiert wird auf die Prüfungen hin, die stumpf in Punkten abgearbeitet werden; so ist es auch mit den derzeit 15 Schei-nen, die in drei Semestern absol-viert werden müssen - vier gewinnt! Genau an diesem Punkt setzt auch die geplante Studienreform an, die die Pflichtanzahl verringern und Grundlagen stärken möchte. Die Hauptkritik an Bologna, dass zunehmendes Auswendiglernen von Wissen statt reflektiver Erkennt-nisse das Ergebnis der Reform sind, ist als Entwicklung so auch im rechtswissenschaftlichen Studium erkennbar: Vorlesungen und AGs anstatt Seminare, Wissensfülle statt Wissenstiefe, Gutachtenstil statt dif-ferenzierende Auslegung, um nur ein paar Punkte zu nennen.

Zum Glück hat es hiergegen an der Uni Hamburg schon viel Bewegung gegeben: Nach der Konferenz „Schöne neue Bildung?“ im SoSe 2010, dem „Kampf um die Zukunft“ der gesamten Universität im SoSe 2011, unzähligen Auseinanderset-zungen in diversen Ausschüssen

und Gremien sowie der Arbeit in den Fachschaftsräten findet nun seit mehreren Jahren das erste Mal eine gemeinsame Konferenz aller Fakultäten statt, auf der die grund-sätzliche Frage „Wie wollen wir in Hamburg studieren?“ von Studie-renden und Lehrenden – von allen Mitgliedern der Universität – erörtert werden soll, um die Studienreform selbst in die Hand zu nehmen.

„Forschung und Lehre sollen zum gestaltenden Eingreifen in die Ge-sellschaft ermutigen und einer glo-bal menschenwürdigen Zivilisation dienen. […] Ein Erfolg des bisheri-gen „Kampfes um die Zukunft“ ist die Herausbildung einer neuen Kul-tur der Solidarität.“

Diese Positionierung des Akademi-schen Senats (dem höchsten Ent-scheidungsgremium der Uni) zeigt, dass ein neues Bewusstsein an der Universität erreicht wurde. Es scheint möglich, das „Klein-Klein“ und Herumgedoktere der letzten Jahre, den Schein-Druck und Ver-schulung zu überwinden und ge-samtuniversitär eine Position zu bil-den um herauszufinden, wie Studi-enreform sein muss.

Die Konferenz, als Dies Academi-cus organisiert, soll einen Raum da-für schaffen, den grundsätzlichen Anspruch an Bildung und Wissen-schaft, „zur Entwicklung einer hu-manen, demokratischen und ge-rechten Gesellschaft“ beizutragen (Zitat aus dem Leitbild der Uni) zu diskutieren. Zugleich soll es darum

Der ParagraphenreiterDer Paragraphenreiter wird herausgegeben von:

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gehen, Ableitungen für notwendige konkrete(!) Änderungen zu diskutie-ren (was das für Jura heißt siehe nächster Artikel) und sich – wenn möglich – gemeinsam zu positionie-ren.Der Dies Academicus besteht aus drei Teilen: einem Aufschlag beste-hend aus drei Inputs, in denen die unterschiedlicher Reichweiten der Reform erörtert werden, einer Ar-beitsgruppenphase, in der es we-sentlich um Änderungsvorschläge geht und einem Abschluss zur Erar-beitung einer gemeinsamen Erklä-rung.Lasst uns diese Gelegenheit nicht verstreichen und die Ausrichtung der Universität gemeinsam bestim-men!

Zur aktuellen Debatte um eine Studienreform an der juristischen Fakultät

Anlässlich der Diskussion um eine Erneuerung der Studienordnung zur Ersten Juristischen Prüfung, ange-stoßen von Prodekan Prof. Dr. Schmehl, möchten wir unsere Mei-nung hierzu darlegen. Denn gerade unter uns Studenten sollte eine Dis-kussion darüber entstehen, wie un-ser Studium zu gestalten ist. In Hin-blick auf Bologna sollten Jurastu-denten sich nicht von der Diskussi-on um Bildung ausnehmen, son-dern die juristische Ausbildung hin-terfragen und nicht als reformresis-tent und gegeben hinnehmen.

FreischussDer Freischuss, gedacht als Beloh-

nung für ein schnelles Studieren, wirkt zurzeit viel mehr als Festset-zung einer Regelstudienzeit, bei de-ren Verpassen einem ein unter Um-ständen entscheidender zusätzli-cher Anlauf für das erste Staatsex-amen verloren geht. Gerade in Hin-blick auf die enorme Stoffülle des ersten Examens und den Druck die-ses in nur fünf Klausuren abzubil-den, kann von einer wirklichen „Freiheit“ diese Vergünstigung wahrzunehmen nicht die Rede sein. Ein Verbesserungsversuch ist viel-mehr grundsätzlich zu gewähren.

Reihenfolge von Schwerpunkt und StaatsexamenDie Vorgabe des Hamburger Juris-ten Ausbildungsgesetzes, den Wahlschwerpunkt vor dem staatli-chen Teil des ersten Staatsex-amens ableisten zu müssen, lässt den bis hierhin gelernten Stoff in Vergessenheit geraten. Diese Ge-staltung des Studiums ist mit ein Grund für die Existenz von Repeti-torien, die grundsätzlich mit dem Anspruch an eine universitäre Aus-bildung nicht vereinbar ist.

GrundlagenDas Studium der Rechtswissen-schaft sollte den Studenten zu ei-nem verantwortungsbewussten Ju-risten, einem kritischen Entschei-dungsträger reifen lassen, der das Recht zum einen systematisch an-wenden kann, es zum anderen aber auch in seinen Auswirkungen auf die Gesellschaft begreift.

Im Zuge dessen ist die Bedeutung von Grundlagenfächern wie Rechts-

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philosophie zu stärken, die zurzeit der von reinen Sitzscheinen gleich kommt. Dies wird der zwar grundle-genden, jedoch nicht zwangsläufig für Anfänger fruchtbringenden Ma-terie nicht gerecht. Es lässt unbe-achtet, dass sich erst nach einigen Semestern ein ansatzweise ganz-heitliches Verständnis des Rechts entwickelt, rechtsphilosophische Fragestellungen also besonders im späteren Verlauf des Studiums un-erlässlich sind.

LeitbildAls wichtigen Meilenstein einer Re-form erachten wir es weiter, ein Leitbild der Rechtswissenschaftli-chen Fakultät zu entwickeln, das dieser Vorstellung von Bildung ge-recht wird. Ein Leitbild mutet beim Erarbeiten von „konkreten Lösun-gen und Änderungen“ vielleicht nachrangig und überhöht an, ist es jedoch keinesfalls. Damit die Re-form nicht nur ein weiteres kurzsich-tiges Umgraben des universitären Gartens wird, sondern Grundstein einer positiven Entwicklung der Fa-kultät, muss eben diese Entwick-lung als Vision der Rechtswissen-schaften in einem Leitbild umrissen werden. Unsere Fakultät sollten die Jurastudierenden nicht als wertneu-trale Rechtstechniker, sondern als verantwortungsvolle und hinterfra-gende Architekten unserer Gesell-schaft verlassen.

Die Gesamtfassung unseres Re-formvorschlags findet ihr unter paragraphenreiter.wordpress.com

Studentischer Freiraum

Die Studenten an unserer Fakultät unterhalten sich auf den Fluren, in der Bibliothek vor den Toiletten oder vor dem Info-Tresen. Allzu oft wer-den sie in der Bib vom Personal zu-rechtgewiesen, während sie über das Hausarbeitsthema diskutieren. Die steinernen Bänke sind zum län-geren Sitzen und entspannten Dis-kutieren auch nicht besonders ein-ladend.Der Fachschaftsratsraum ist nur zu begrenzten Zeiten – zur Einsicht von Klausuren und Hausarbeiten – geöffnet. Um mal eben kurz einen Kaffee zu trinken, muss man die Fakultät sogar verlassen. Jede andere Fakultät hat ein selbst verwaltetes Café, das von den Stu-denten in ihrem Sinne gestaltet wird und Getränke und Brötchen zu Selbstkostenpreisen anbietet. Ein solches ist auch an unserer Fakultät längst fällig: um Diskussionen einen fruchtbaren Raum zu geben, eine kritische Reflexion und ein kurzes Durchatmen von Leistungsdruck er-möglicht, und Begegnungen in ei-nem sonst sehr anonymen Rechts-haus fördert. Studentische Gruppen wie z.B. die HAJe, ELSA, das Bud-dy-Net oder die Tutoren hätten einen Ort um sich innerhalb der Fa-kultät zu treffen. Unser Konzept beinhaltet:

einen Raum im Rechtshaus, der Platz für mind. 15 Studie-rende bietet

eine Selbstverwaltung, unab-hängig einer politischen Rich-tung und vom FSR

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Raum für Veranstaltungen wie Diskussionsrunden, Vor-träge etc.

Kaffee- und möglicherweise Essensverkauf zu Selbstkos-tenpreisen

alternative Jurabibliothek

gemütliche Sitzecken

Kritische Jurastudierende?

Die kritischen Jurastudierenden, das sind Studierende der Fakultät für Rechtswissenschaft, die durch ihr gemeinsames Interesse an einer kritischen Betrachtung der Rechts und einer aktiven Mitgestaltung des Lebens und der Politik an der Fa-kultät verbunden sind.

SozialWir wollen das Zusammenhaltsge-fühl und den Kontakt der Studieren-den durch studentisch selbstorgani-sierte Veranstaltungen stärken. Dies sind beispielsweise sich mit dem Thema Recht auseinanderset-zende Filmabende, Diskussionsver-anstaltungen oder gemeinsame Ausstellungsbesuche. Ein Jurastu-dent muss kein paukender Einzel-kämpfer mit ausgestrecktem Ellen-bogen sein!

DemokratischEntscheidungen über die Struktur und den Inhalt des Studiums sollten nicht ohne Beteiligung der Studie-rendenschaft gefasst werden. Wir setzen uns an der Fakultät für ein möglichst freibestimmtes Studieren ein und suchen dazu den gleichbe-rechtigten Dialog zwischen allen

Beteiligten.Jeder Studierende ist Teil der ver-fassten Studierendenschaft und sei-ne Interessen in die Gestaltung des Studiengangs miteinzubeziehen.

EmanzipatorischUm das geltende Recht verstehen und verantwortungsvoll anwenden zu können, müssen seine sozialen, geschichtlichen und philosophi-schen Hintergründe reflektiert wer-den. Daher setzten wir uns für den kritischen Umgang mit Recht, ins-besondere in der juristischen Aus-bildung, ein. Wir wollen Interessierten ein Forum zum Austausch und Diskutieren bie-ten.

Nächstes Treffen der Kritischen Jurastudierenden23.04., 18 Uhr, wir treffen uns zunächst im Foyer des Rechtshauses auf der Seite Schlüterstr.

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DIES ACADEMICUS – Di. 17.04. Beginn 9 Uhr – ESA AStudienorganisation, Studienstruktur, Modularisierung, Prüfungs-wesen, Auseinandersetzung mit dem Bolognaprozess

Marktplatz Rechtsphilosophie 24.05., 14 - 15:30 Uhr, Rhs HörsaalVorgespräch 19.04. 15:45 Uhr, Rhs UG 10