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Paramyotonia congenita 1. Von Dr. Max Serog-Breslau. Mit 4 Textabbildungen. (Eingegangen am 5. August 1930.) In dem Fall, der im Folgenden geschildert wird, handelt es sich um ein junges M~dehen von 24 Jahren, Frl. Sch., die im Januar 1930 mit der Angabe zu mir kam, da6 sich unter KMteeinwirkung bei ihr ein ,,Krampf" in den Muskeln, und zwar haupts~chlich in den H~nden und im Gesicht, aber auch in der Zunge einstelle. Beim Lachen bleibt dann oft das Gesicht in gleicher Stellung stehen. Wenn es die Zunge I-1 m~'nn//~h Abb. 1. bef~llt, kann sie nicht sprechen. Wenn sie die Augen bei K~lteeinwirkung fest schliei~t, bekommt sie sie nicht wieder auf. Das ist ihr z. B. einmal im Schneewind beim Skilaufen passiert. Wenn sie jemandem in der Kiilte die Hand lest driickt, kommt sie mit der Hand nicht wieder los. Diese StSrungen dauern gewShnlich nur etwa eine Viertelstunde an. Sie treten ausschlie61ich unter der Einwirkung von Ki~lte, niemals in der W~rme auf, und machen sieh daher auch nur in der kalten Jahreszeit bemerkbar. Sonst ist sie ganz gesund, auch frfiher niemals ernstlich krank gewesen. Frl. Sch. gibt selbst bald an, dab dieses Leiden in der Familie erblich ist. Die Erblichkeitsverh~ltnisse zeigt die bier wiedergegebene Famflien- tafel (s. Abb. 1). Wie aus ihr ersichtlieh, ist Frl. Sch. die jiingste yon 1 Nach einem bei der Tagung der sfidostdeutschen psychiatrisch-neurologischen Vereinigung im M~rz dieses Jahres gehaltenen Vortrag.

Paramyotonia congenita

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Paramyotonia congenita 1. V o n

Dr. Max Serog-Breslau.

Mit 4 Textabbildungen.

(Eingegangen am 5. August 1930.)

In dem Fall, der im Folgenden geschildert wird, handelt es sich um ein junges M~dehen von 24 Jahren, Frl. Sch., die im Januar 1930 mit der Angabe zu mir kam, da6 sich unter KMteeinwirkung bei ihr ein , ,Krampf" in den Muskeln, und zwar haupts~chlich in den H~nden und im Gesicht, aber auch in der Zunge einstelle. Beim Lachen bleibt dann oft das Gesicht in gleicher Stellung stehen. Wenn es die Zunge

I-1 m~'nn//~h

Abb . 1.

bef~llt, kann sie nicht sprechen. Wenn sie die Augen bei K~lteeinwirkung fest schliei~t, bekommt sie sie nicht wieder auf. Das ist ihr z. B. einmal im Schneewind beim Skilaufen passiert. Wenn sie jemandem in der Kiilte die Hand lest driickt, kommt sie mit der Hand nicht wieder los. Diese StSrungen dauern gewShnlich nur etwa eine Viertelstunde an. Sie treten ausschlie61ich unter der Einwirkung von Ki~lte, niemals in der W~rme auf, und machen sieh daher auch nur in der kalten Jahreszeit bemerkbar. Sonst ist sie ganz gesund, auch frfiher niemals ernstlich krank gewesen.

Frl. Sch. gibt selbst bald an, dab dieses Leiden in der Familie erblich ist. Die Erblichkeitsverh~ltnisse zeigt die bier wiedergegebene Famflien- tafel (s. Abb. 1). Wie aus ihr ersichtlieh, ist Frl. Sch. die jiingste yon

1 Nach einem bei der Tagung der sfidostdeutschen psychiatrisch-neurologischen Vereinigung im M~rz dieses Jahres gehaltenen Vortrag.

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3 Gesckwistern. Ein itlterer - - verstorbener - - Bruder hat das Leiden nicht gehabt. Dagegen besteht es in der gleichen Weise bei der i~lteren Sehwester und deren jetzt etwa 5j/ikrigen Tochter. Ebenso leidet der Vater und der Grol3vater vs an den gleichen Stkrungen. Der Vater hat 5 Gesckwister. Die 3 ~lteren Briider haben das Leiden nicht, aber auck keiner von ihren vielen Kindern. Dagegen leidet ein jtingerer Bruder und eine Schwester, das Jtingste der Gesehwister, an dieser Erkrankung. Dieser Bruder hat zwei Skhne, von denen der iiltere Sohn das Leiden hat. Die Sekwester hat eine Tochter und einen jiingeren Sohn. Dieser jiingere Sokn leidet an den gleichen Stkrungen.

Es ergibt sick also die interessante, in der Familientafel anschaulieh zum Ausdruck kommende Tatsaehe, dab das Leiden niemals eine Gene- ration iiberspringt. Bleibt ein Familiermaitglied frei von der Erkrankung, so bleiben es auck stets dessen Nacb_kommen.

Bei allen Familienmitgliedern, die das Leiden kaben, auch bei Frl. Sch., besteht es yon Geburt an. In der Schule schon kam es z. B. im Turnen vor, da6 sie beim Klet tern yon einer Stange, an der sie hing, nicht kerunter kam. Das passierte aber nur an den (kalten!) Eisenstangen, nie an Holzstangen.

Der Vater hat trotz des Leidens beim Milit~r gedient, da eben unter gewkhnlichen Verh~ltnissen sick keinerlei Stkrungen bemerkbar machten. Aber als er einmal in der Ks tiber einen Graben springen sollte, da konnte er es nieht und ,,stand da, wie ein steifer Boek".

Abgeseken yon der eingangs geschilderten, immer nur unter K~lte- einwirkung auftretenden Bewegungsst6rung hat Frl. Sch. keinerlei Be- schwerden. Besonders hervorzuheben ist noch, dab bei dem , ,Krampf" niemals Schmerzen, auek nie Paraesthesien auftreten, und da6 aueh, wie sie selbst bereits angibt, eine Bl~sse oder iiberhaupt eine i~ul]erlich sichtbare Vers an den befallenen Teilen nie zu bemerken ist.

Entsprechend ihren Angaben ergibt, wenn man sie nach l~ngerem Aufenthalt im warmen Zimmer untersuckt, die Untersuchung der Mus- kulatur normale Verh~ltnisse, insbesondere keinerlei Bewegungsstkrungen Auch sonst ergibt die Untersuchung, abgesehen yon einer leiehten Struma, etwas labilem Puls und Dermographie in keiner Beziekung etwas Be- merkenswertes.

Dieses v611ig normale Untersuchungsergebnis ~ndert sick aber sofort, wenn man z .B. Gesicht oder Hs st~rkerer Abkiiklung aussetzt. Es spielt dabei nicht so sekr die absolute Temperatur, als nach unten eintretende Temperaturdifferenzen eine Rolle. Besonders giinstig ftir das Auftreten der unten zu beschreibenden Symptome - - weil besonders starke Abkiihlung schaffend - - ist das Auftreten von ktiklem Wind.

Unter solcher Ks treten nun in den vorher vkllig nor- malen Muskeln sowohl in der Funktion, wie auck in der mechanisehen und elektrischen Erregbarkeit Ver/tnderungen auf, die v611ig denen

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entsprechen, wie wir sic yon der Thomsenschen Myotonie her kennen. Sehr ausgesprochen sind diese StSrungen an den Handmuskeln, vor allem am M. opponens, aber aueh an dem M. interossei, setlr deutlich ferner an den Gesichtsmuskeln, sic treten hier am auffallendsten im M. orbicular oculi und levator palpebr, auf. Die innervierten Muskeln bleiben genau wie bei der Thomsensehen Myotonie ira Sinne der zun/~chst intendierten Bewegung so fest kontrahiert, dab erst nach l~tngerer Zeit und mehr- faehen, zuerst vergeblichen Versuehen die Gegenbewegung mSglieh wird.

Abb. 2.

Wird die Hand fest zur Faust geschlossen, so ist nut mit gr6Bter An- strengung und nur so langsam und allm~hlich ein Wieder6ffnen der Hand m6glieh, dab von dieser langsamen Bewegung und den sieh dabei ergebenden eharakteristisehen Stellungen der Hand photographisehe Aufnahmen gemacht werden kSnnen, wie sie in Abb. 2 wiedergegeben sind. Das Spreizen der vorher adduzierten Finger, das in der W~rme prompt und in normaler Weise mSglieh ist (s. Abb. 3 a), erfolgt in der K/s nur schwer mit deutlichem ,,Kleben" einzelner Finger aneinander

Abb. 3 a--c.

(s. Abb. 3 b). Besonders instruktiv in dieser Beziehung ist die n/s Aufnahme' (Abb. 3 e). Sie zeigt in der (durch Halten in der Manteltasche) warm gehaltenen linken Hand ein normales Fingerspreizen, wohingegen in der der K/~lteeinwirkung voll ausgesetzten reckten Hand deutlieh zu beobachten ist, wie es ihr beim Spreizversuch der Finger nieht recht gelingt, sic auseinander zu bekommen. Die letzte Aufnahme sehlieBlich (Abb. 4) zeigt den vergeblichen Versueh, die fest geschlossenen Augen wieder zu 6ffnen. Trotz Innervation von Hilfsmuskelu, insbesondere

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des M. ffontalis, gelingt das nicht. In allen diesen Muskelgebieten geht aber die zun~chst l~ngere Zeit vergeblich intendierte Bewegung, wenn sie erst mehreremal hintereinander ausgefiihrt ist, dann immer leichter und schneller vonstatten, und die Muskelspannung verschwindet. Be- merkt sei schlieI~lich noch, dal~ die geschilderten St6rungen niemals mit

Bls oder Kiih]e der Haut einhergingen. Es ist aus der eben gegebenen Schflderung

ersiehtlich, dab die unter K/~lteeinwirkung hier auftretende BewegungsstSrung ganz genau die gleiche ist, wie wir sie yon der Thomsenschen Myotonie her kennen. Aber auch die Untersuehung der mechanischen und elektrischen Erregbarkeit zeigt die gleichen Erseheinungen wie bei der Thom- sensehen Myotonie. Wie dort, so bleibt auch hier bei Beklopfen der Muskeln die Kon- traktion noch 1/~ngere Zeit bestehen, was sich ebenfalls wieder am anschaulichsten in dem bei Beklopfen noch mehrere Sekun-

Abb. 4. den lang stark vorspringendem Muskelbauch des M. opponens zeigen liiB~.

Die elektrische Untersuchung ergibt in der W~rme, in der ja keine Be- wegungsst6rungen und keine Krampfzust~nde in den Muskeln vorhanden sind, vSllig normale Verh~ltnisse. Dagegen t r i t t unter K~lteeinwirkung deutliche myotonische Reaktion auf, die auch darin der echten myo- tonischen entspricht, dab nach mehrmaligen unmittelbar hintereinander vorgenommenen faradischen Reizungen die Reaktion verschwindet und dann erst nach einer gewissen Pause wieder auftritt.

Zur genauen Untersuchung des Verhaltens der elektrischen Erreg- barkeit unter Ks wurde weiterhin start der inkonstanten Witterungseinfliisse kfinstliche Abkiihlung der H~nde benutzt, und zwar - - nachdem sich Versuche mit Chloraethyl-Spray als untauglich erwiesen hatten - - in der Weise, dab die Hand dutch Halten in kaltem Wasser durchkfihlt, und die elektrischen Untersuchungen dann am M. opponens und den M. interossei vorgenommen wurden. Diese Untersuchungen ergaben nun folgendes:

Zusammen mit den oben beschriebenen Bewegungsst6rungen und dem Bestehenbleiben des Muskelwulstes bei Beklopfen, t r i t t wieder deutliche myotonische Reaktion, dann aber auch eine Herabsetzung der faradischen Erregbarkeit des Muskels ein. Genau vergleichende Untersuchungen ergaben eine Herabsetzung bis auf die H~lfte der in der Norm vorhandenen faradischen Erregbarkeit. Bei besonders starker Durchkiihlung kam es sogar einmal zur Aufhebung der faradischen Erregbarkeit im M. opponens. Bei der Untersuchung der galvanischen

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Erregbarkeit zeigte sich ein l~berwiegen der Anodenzuckung, bei der Anodenreizung t ra t meist Schliegungstetanus auf. Diese oft etwas langsame tetanische Kont rak tur der Muskeln zusammen mit dem l~ber- wiegen der Anodenreizung und der Herabsetzung der faradischen Erreg- barkeit ergab ein Bild, das, oberfl~ehlich betrachtet, etwas an die Ent- artungsreaktion erinnern konnte.

Nach dem Ergebnis der Beobachtungen und Untersuchungen bei Frl. Sch. handelt es sich bei ihrem Leiden um eine der Thomsenschen Myotonie sehr nahestehende, aber doch nieht mit ihr identische Er- krankung. Der wesentlichste Unterschied liegt darin, dab das Symp- tomenbfld der Myotonie hier nur zeitweise, und zwar ausschlieglich unter dem EinfluB der K~lte auftritt . Auch bei der Thomsenschen Myotonie ist zwar der verschlimmernde Einflug der K/~lte bekannt, aber wenn auch bei der Thomsenschen Myotonie der Grad des myoto- nischen Symptomenkomplexes unter /~ugeren Einfliissen schwanken kann, so stellt er dort doch einen in allen seinen Erscheinungen stets nachweisbaren Dauerzustand dar. Auch in bezug auf die Art der Erb- lickkeit bestehen zwischen beiden Erkrankungen deutliche Untersehiede. Zwar ist auch die Thomsensche Myotonie eine ausgesprochen heredits Erkrankung. Aber w/~hrend bei ihr das Leiden sich tells schon in der Kindheit, teils aber erst in der Pubert/~t oder noch sp/~ter bemerkbar macht, ist das hier vorliegende Leiden ausnakmslos schon bei der Geburt vorhanden. Ein Unterschied besteht auch in der Art der Vererbung. Denn die Vererbung geschieht, wie bereits im Anfang unter Hinweis auf die Familientafel (Abb. 1) betont wurde, so, dab im Erbgang niemals eine Generation iibersprungen wird. Nur direkt yon einem der Eltern wird es vererbt. Bleibt ein Familienmitglied frei, so bleibt es aueh die Descendenz.

Uber die Beteiligung der Geschlechter l~gt sich auf Grund der vor- liegenden Erbtafel zwar nichts Sicheres sagen. Immerhin ist es erw/~hnens- wert, dab ein besonderes 1Jberwiegen des m/~nnlichen Geschleehts, wie es bei der Thomsensehen Myotonie bekannt und allen Beobaehtern dieser Krankhei t aufgefallen ist, bier weder in dem Sinne, dab die M/~nner meist befallen sind, noeh, daft die Frauen meist frei bleiben, festzu- stellen ist.

Das Krankheitsbild, das wir hier vor uns haben, ist bisher in der Literatur nur ganz vereinzelt besehrieben worden, zum ersten Male im Jahre 1886 yon Eulenburg 1

Eulenburg gab dieser Erkrankung den - - ihr Verh/iltnis zur Myotonie gut kennzeiehnenden - - Namen , ,Paramyotonia eongenita". Auch in den Eulenburgsehen Beschreibungen handelt es sieh um eine anfallsweise

1 Eulenburg: Uber eine familii~re, dureh 6 Generationen verfolgbare Form congenitMer Paramyotonia. Nenr. Cbl. 1886.

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und zwar stets nur unter der Einwirkung der KMte, auftretende Myo- tonie, die er in 6 Gcnerationen bei 28 Familienmitgliedern beobachtete. In einer sp/s VerSffentlichung 1 im Jahre 1916 fiber die gleicke Familie konnte Eulenburg die heredit/kre Erforschung des Leidens innerhalb der Familie noch weiter ausdehnen und sie bis ins 18. Jakrhunder t zurfick verfolgen. Die beschriebenen StSrungen waren die gleiehen, wie die in unserem Fall geschilderten. I m Anfall war oft das Sehen erschwert, die Sprache undeutlich, nach dem Lachen blieb der Mund stehen. Aueh kier geschah die Vererbung in gleicher Weise wie in unserem Falle immer so, dab niemals eine Generation fibersprungen wurde. Auch darin zeigte sich ~bereinstimmung, dab das Leiden bei den davon Betroffenen stets schon von Geburt an vorhanden war. Die Miitter, dcnen das Auftreten des Leidens in der Familie bekannt war, konnten schon an der Art, wie das Kind die Augen 6ffnete, sehen, ob es auch von dem Leiden befallen war. Zum Unterschied yon unserem Fall bestand aber in dem von Eulen- burg beobachteten F/~llen keine myotonische Reaktion und auch nicht die typische Erh6hung der mechanischen Muskelerregbarkeit mit Nach- dauer der Muskelwiilste. Dagegen fand auch Eulenburg im Anfall eine deutliehe Herabsetzung der faradischen Erregbarkeit, auch der gal- vanischen und dabei meist eine ,,hSchst auff/fllige Geneigtheit zum Eintreten von Dauerzuckungen (SchlieBungstetanus), sowohl an der Katkode wie auch ganz besonders an der Anode" 2.

Haupts/~chlich auf Grund der fehlenden myotonischen Reaktion gelangte Eulenburg zu der Auffassung, dab es sich hier nicht um eine eigentliche Muskelerkrankung, wie bei der Thomsenschen Myotonie, handle, sondern um eine dutch den K/~ltereiz bedingte reflektorisch spastische Gef/~l]verengerung mit Ern~hrungsstSrung des Muskels, dab also die Paramyotonie auf einer spastischen Angioneurose des will- kiirlichen Muskelapparates beruke. Maeht sekon die von Eulenburg selbst ausdrficklich betonte und auck in unserem Fall festzustellende Tatsache, dab trotz des Krampfes die Hand sick nic kiihl anftihlte und niemals Paraestkesien, Schmerzen, B1/s oder Verf/~rbungen der Hau t vorhanden waren, diese Auffassung wenig wahrsckeinlich, so spricht unser Fall, der ja nicht nur fiberkaupt eine sehr weitgehende l~ber- einstimmung der Symptome mit denen der Thomsenschen Myotonie, sondern auch deutlick die myotonische geakt ion zeigt, durchaus gegen die Eulenburgsche Auffassung.

Der schliissige Beweis daffir, dab es sick in diesen F/~llen doch um eine Muskelerkrankung yon gleicher Art wie die Thomsensche Myotonie handelt, wird durch einen Fall gegeben, den Martius und Hansemann als ,,Myotonia congenita intermittens" im Jahre 1889 verSffentlichten 3.

1 Eulenburg: ~ber Paramyotoniea congenita. IVied. Klin. 1916, Nr 19. Eulenburg: 1. c.

3 Martius u. Hansemann: Ein Fall yon Myotonia congenita intermittens. Virchows Arch. 1889.

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Dieser sehr genau untersuchte und eingehend beschriebene Fall ent- spricht dem unseren bis in alle Einzelheiten. Er zeigt dieselben charak- teristischen Erblichkeitsverhaltnisse - - niemals Uberspringen einer Gene- ration - - , das Auftreten der gleichen St6rungen nur unter K~lteeinwirkung und, im Gegensatz zu dem Fall Eulenburgs, im Anfall Bestehenbleiben von Muskelwfilsten bei mechanischer Reizung (bis zu 4 Sekunden Dauer!), und myotonische Reaktion. Der Gegensatz, wie die gleiche Muskulatur zu verschiedenen Zeiten auf denselben Reiz a ntwortet, wird yon den Autoren als,,geradezu verbltiffend und bisher ohne Beispiel" bezeichnet. Die schon aus dem klinischen Bflde zwingend sich ergebende Annahme, dab es sich in den yon Mart ius und Hansemann beschriebenen Falle um eine Abart der Thomsenschen Myotonie handeln mfisse, ist yon den genannten Autoren schliel~lich noch dadurch best~tigt worden, dal~ sie bei der Untersuchung eines Stiickchen herausgeschnittenen Muskels verbreiterte Muskelfasern, undeutliche Begrenzung der Quer- streifung, Kernvermehrung und Einschnfirung der Primitivbiindel, also die gleichen anatomischen Vers im Muskel fanden, wie sie von Erb bei der Thomsenschen Myotonie als for diese Krankhei t charak- teristisch festgestellt worden sind. Die Zusammengeh6rigkeit yon Para- myotonie und Thomsenscher Myotonie geht schliel~lich auch daraus hervor, dal~ Myotonie und Paramyotonie mehrfach in der gleichen Familie beobachtet worden sind 1

1 Delprat: Thomsensche Krankheit in einer paramyotonischen Familie. Dtsch. reed. Wschr. 1892, Nr 8. -- Hiawaczek: Ein Fall von Myotoni~ congenit~, kom- biniert mit P~ramyotonie. Jb. Psychiatr. 14 (1895).