Parteitagsbeschluss zum Solidarischen Grundeinkommen

Embed Size (px)

Citation preview

  • 8/7/2019 Parteitagsbeschluss zum Solidarischen Grundeinkommen

    1/5

    BeschlussMitglieder-Parteitag der Rhein-Erft-SPD vom 06.11.2010

    Die Rhein-Erft-SPD hat sich 2006 auf ihrem Kreisparteitag zum neuen

    Grundsatzprogramm auch fr die Idee eines Grundeinkommens ausgesprochen.Gleichzeitig wurde der Auftrag an die Projektgruppe Grundsatzprogramm vergeben,ein sozialdemokratisches Modell fr ein Grundeinkommen zu erarbeiten. DieProjektgruppe hat seitdem in kontinuierlicher Arbeit, angeregt auch durch dieMitarbeit auswrtiger Experten, die Grundzge eines solidarischenGrundeinkommens entwickelt.

    Der Parteitag mge beschlieen:

    Die Mitgliederversammlung der Rhein-Erft-SPD

    a) stimmt den Thesen fr ein solidarisches Grundeinkommen als Zielvorstellung zu

    b) erwartet, dass das vorgelegte konkrete Modell Solidarisches Grundeinkommenweiterentwickelt wird und innerhalb der SPD fr Mehrheiten geworben wird

    c) fordert, dass die in Punkt 12 des Modells erwhnte individuelle steuerfinanzierteMindestrente und das einkommensunabhngige Kindergrundeinkommen alserster Schritt zeitnah realisiert werden.

    Solidarisches Grundeinkommen eine sozialdemokratische Perspektive

    1. Ein Grundeinkommen ermglicht allen Mitgliedern unserer Gesellschafteine menschenwrdige Existenz. Die Sozialdemokratie hat sich in ihrerSozialpolitik bisher auf die Absicherung einer Vielzahl von Risiken konzentriert.Angesichts zunehmender Gerechtigkeitsprobleme sollten diese umfassend gelstwerden. Mit dem Projekt eines Grundeinkommens wird unser Sozialstaat auf eineneue Grundlage gestellt. Es wird vorgeschlagen, statt der Vielzahl sozialerLeistungen ein Grundeinkommen einzufhren, das alle Brger vonExistenzsorgen befreit. Nur ein Grundeinkommen, das jedem ohne eineBedrftigkeitsprfung in einer angemessenen Hhe garantiert wird, entfaltet einebefreiende Wirkung.

    2. Ein Grundeinkommen wirkt einer Spaltung der Gesellschaft entgegen.

    Armut, schlechte Berufschancen und soziale Unsicherheit fhren heute zu einervielfach gespaltenen Gesellschaft. Ein Grundeinkommen hingegen, das einmenschenwrdiges Leben oberhalb der Armutsgrenze garantiert, ist zentralesProjekt eines vorsorgenden Sozialstaates, der seine Mitglieder vor materieller Notschtzt und Chancen fr ein solidarisches Leben in der Gesellschaft erffnet. DerZusammenhalt in der Gesellschaft, in der alle auf einander angewiesen sind, wirdgefrdert, und die Demokratie erhlt eine besser gesicherte soziale Basis.

    3. Ein Grundeinkommen strkt die Position der Beschftigten und ihrerGewerkschaften. Heute haben die Beschftigten auf dem Arbeitsmarkt nur sehreingeschrnkte Mglichkeiten, gegenber ihrem Arbeitgeber Nein zu sagen,

    ohne ihren Erwerbsarbeitsplatz zu gefhrden. Durch das Grundeinkommenwerden die Arbeitgeber veranlasst, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dasssie fr die Beschftigten attraktiv werden. Die Arbeitnehmer und ihre

  • 8/7/2019 Parteitagsbeschluss zum Solidarischen Grundeinkommen

    2/5

    Gewerkschaften wrden damit eine neue Verhandlungsmacht gegenber denArbeitgebern gewinnen, auch ihre Streikfhigkeit wrde erhht. Von einer solchenStrkung der Beschftigten knnen auch die Arbeitgeber profitieren. Nicht mehrein Wettbewerb um die niedrigsten Lhne, sondern um Qualitt und bessereArbeitsbedingungen stnde im Vordergrund. Die Beschftigten wren besser

    motiviert mit Folgen fr die Produktion.

    4. Ein Grundeinkommen macht Vollbeschftigung mglich. Vollbeschftigungist eine unverzichtbare sozialpolitische Zielvorstellung. Sie ist jedoch heute in derglobalen kapitalistischen Marktgesellschaft nicht mehr allein in der Form einerErwerbsarbeit fr alle zu realisieren. Andererseits gibt es heute viele Formen vonArbeit und Beschftigung, die nicht nur auf ein Erwerbseinkommen ausgerichtetsind. Mit einem Grundeinkommen wre daher eine neue Form derVollbeschftigung mglich, die sich nicht nur auf Erwerbsarbeit beschrnkt,sondern in einer freien Ttigkeitsgesellschaft gleichrangig mit anderen Formender Arbeit verwirklicht werden kann. Ein Grundeinkommen wrde Freirume fr

    gelebte Solidaritt erffnen. Die SPD htte die Chance, in neuer Weise als Parteider Arbeit verstanden zu werden; denn ihr Projekt des Grundeinkommens schafftArbeit fr alle und damit Vollbeschftigung.

    5. Ein Grundeinkommen belohnt Leistung. Angesichts der Enttuschung, dassein zu groer Teil des Verdienstes auf die Sozialleistungen angerechnet wird,stehen heute viele vor der Entscheidung, vorzugsweise schwarz zu arbeiten.Ein Grundeinkommen hingegen wrde einen besseren finanziellen Anreizschaffen, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, weil die Mglichkeiten einesZuverdienstes verbessert sind. Da mit der Absicherung der Existenz der Zwangzu arbeiten verschwindet, kann sich jeder die Ttigkeiten suchen, die seinenFhigkeiten und Mglichkeiten besser entsprechen. Das Grundeinkommen wirdsich demnach als leistungsfrdernd erweisen.

    6. Das Grundeinkommen vereinfacht und verbessert unseren Sozialstaat. DasGrundeinkommen wrde viele der bisherigen Sozialleistungen ersetzen,unzhlige Prfungen und Kontrollen knnten entfallen. Der deutsche Sozialstaatwre damit fr alle, die seine Leistungen in Anspruch nehmen wollen, besserberschaubar; seine Akzeptanz wre gestrkt und damit auch die unsererDemokratie. Die Einfhrung eines Grundeinkommens wre zudem ein groerBeitrag zum Abbau von Brokratie.

    7. Das Grundeinkommen ermglicht Bildung fr alle. Mit der Einfhrung einesGrundeinkommens erhlt jedes Mitglied der Gesellschaft die Chance, die seinenFhigkeiten entsprechende Ausbildung zu absolvieren, ohne in wirtschaftlicheSchwierigkeiten zu geraten. Eltern mssten sich nicht verschulden, um einebessere Ausbildung ihrer Kinder zu ermglichen. Mit einem Grundeinkommenkann jeder Einzelne die Forderung nach lebenslangem Lernen in derWissensgesellschaft einlsen. Ohne das solidarische Grundeinkommen bleibtdas Recht auf Bildung uneingelst.

  • 8/7/2019 Parteitagsbeschluss zum Solidarischen Grundeinkommen

    3/5

  • 8/7/2019 Parteitagsbeschluss zum Solidarischen Grundeinkommen

    4/5

    Die Vorteile einer negativen Einkommensteuerim berblick sind: in Verbindung mit der Auszahlung eines Grundeinkommens entfaltet die

    negative Einkommensteuer eine progressive Wirkung es findet deshalb eine Umverteilung von Reich nach Arm statt. rund zwei Drittel der Haushalte werden finanziell entlastet fast nebenbei wird ein einfaches und verstndliches Einkommensteuerrecht

    geschaffen.

    6. Einige Sozialleistungen sind nach der Einfhrung eines Grundeinkommensnicht mehr notwendig. Konkret wrde ein Grundeinkommen u.a. ersetzen:Arbeitslosengeld II, Teile der Sozialhilfe, Ausbildungsfrderung, Kindergeld,Unterhaltsvorschuss, Grundsicherung im Alter. Auch wrden viele bisherigeSteuerfreibetrge wegfallen, deren Zweck es bisher ist, das Existenzminimumsicherzustellen. Das wrde in Zukunft durch das solidarische Grundeinkommensichergestellt.

    Ein Grundeinkommen kann viele Sozialleistungen ersetzen, aber nicht alle. Frbehinderte Menschen oder in der Kinder- und Jugendhilfe wird es beispielsweiseweiterhin zustzliche Leistungen geben mssen, die einer Bedrftigkeitsprfungunterliegen.

    7. Die Sozialversicherungssysteme bleiben erhalten und sind in RichtungBrgerversicherung weiterzuentwickeln. Unser Sozialstaat wird mit Hilfe dessolidarischen Grundeinkommens ausgebaut. Die Arbeitslosenversicherung, dieKranken- und Pflegeversicherung sowie die gesetzliche Rentenversicherungbleiben bestehen.

    8. Ein solidarisches Grundeinkommen ermglicht sinkendeSozialversicherungsbeitrge ohne Leistungsabbau. Zur Existenzsicherunggehrt unbestreitbar auch eine Kranken- und Pflegeversicherung, die jedemEinwohner mit Hilfe eines solidarischen Grundeinkommens garantiert wird.Deshalb wird zustzlich zum Grundeinkommen fr jeden Erwachsenen und frjedes Kind Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrge aus Steuermitteln gezahlt.Die Beitrge werden zum einen durch einen auf die Hhe des Grundeinkommensbezogenen Beitragssatz aus Steuermitteln finanziert. Zum anderen werdendarber hinaus die Versicherungsbeitrge wie bisher auf das Erwerbseinkommenbezogen.

    Die bei der Einfhrung eines Grundeinkommens nicht mehr notwendiggewordenen Steuermittel zur Finanzierung der unter Punkt 6 genanntenSozialleistungen werden zur Gegenfinanzierung herangezogen. DieBeitragsstze werden dann sinken.

    9. Brgerversicherung und Grundeinkommen ergnzen sich. Die Kranken- undPflegeversicherung werden nach dem Konzept der SPD zu einerBrgerversicherung ausgebaut. Nach dem Prinzip der Brgerversicherungwerden von allen Einkommensarten Sozialversicherungsbeitrge entrichtet unddie Trennung in ein gesetzliches und privates in ein Krankenversicherungssystem

    aufgehoben. Alle Einwohner zahlen in ein Krankenversicherungssystem ein.

  • 8/7/2019 Parteitagsbeschluss zum Solidarischen Grundeinkommen

    5/5

    10.Das Grundeinkommen garantiert allen Rentnerinnen und Rentnern eineauskmmliche Mindestrente und ermglicht sinkendeVersicherungsbeitrge. Alle bestehenden Rentenansprche bleiben erhalten.Darber hinaus wirkt das solidarische Grundeinkommen fr viele Rentnerinnenund Rentner wie eine Mindestrente. ber 60% der Rentnerinnen und auch knapp

    25% der Rentner in Westdeutschland erhalten derzeit eine Rente unterhalb von800 Euro. Ein solidarisches Grundeinkommen wrde fr diese Menschen endlichein eigenstndiges und auskmmliches Einkommen bedeuten. Dies wre eingroer Fortschritt fr die Betroffenen und ein Mehr an sozialer Sicherheit frMillionen von Rentnerinnen und Rentnern.

    Auerdem knnten die Beitrge zur gesetzlichen Rentenversicherung erheblichgesenkt werden, weil von den Beitrgen nur noch die Rentenansprche oberhalbvon 800 Euro bezahlt werden mssten. Durch das solidarische Grundeinkommenwerden 800 Euro bereits aus Steuermitteln aufgebracht.

    11.Grundeinkommen und Mindestlohn ergnzen sich. Verschiedentlich wirdkritisiert, dass ein Grundeinkommen wie ein flchendeckender Kombilohn mit allseinen Nachteilen wirken wrde. Diese Gefahr lsst sich bei einem solidarischenGrundeinkommen mit einer einfachen Lsung ausrumen, nmlich derEinfhrung eines gesetzlichen Mindestlohns. Es spricht nichts dagegen, einGrundeinkommen und gleichzeitig einen Mindestlohn einzufhren.

    12.Ein solidarisches Grundeinkommen kann Schritt fr Schritt eingefhrtwerden. Mit der Einfhrung eines Grundeinkommens ist ein erheblicher Umbauunseres bisherigen Sozialstaats verbunden. Dieser Umbau muss behutsamerfolgen und kann in Schritten stattfinden, weil wir die Menschen auf diesem Weg

    mitnehmen mssen. Erste Schritte wren zum Beispiel die Einfhrung einereinkommensunabhngigen Kindergrundsicherung bis zum 25. Lebensjahr, wiesie von der AWO vorgeschlagen wird und bereits in der SPD diskutiert wird, oderdie Einfhrung einer individuellen und steuerfinanzierten Mindestrente. Diestufenweise Einfhrung eines Grundeinkommens hat den Vorteil, dass sich mitjeder Stufe berprfen lsst, ob die erwarteten positiven Vernderungen bei denMenschen auch tatschlich eintreten oder Korrekturen notwendig sind.

    Wir haben noch nicht auf alle Fragen, die mit der Einfhrung eines solidarischenGrundeinkommens verbunden wren, eine optimale Antwort. Es bleibt nocheiniges zu tun. Aber wir sind davon berzeugt, auf dem richtigen Wege zu sein,

    den Menschen mit einem solidarischen Grundeinkommen grere sozialeSicherheit zu bieten und eine sozial gerechtere Gesellschaft zu schaffen.

    Kontakt:[email protected]