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20 Performance Management reloaded Keine Noten für Manager Erste Firmen brechen mit einem Standard: Sie verabschieden sich vom klassi- schen Beurteilungswesen samt Jahresgespräch. Denn die Ratings erscheinen ihnen als falsch in der Wirkung und unzeitgemäß in der Form. Nur was ist die Alternative? Wie kann ein modernes Performance-Management-System ausse- hen? Thomas Schmidt, Head of HR bei Linklaters, schildert dies mit Blick auf die Wirtschaftskanzlei und weitere Vorreiter. Foto: iStock/vetkit

Performance Management reloaded Keine Noten für Manager · Trainings, Konfliktmanage-menttrainings und Kommu-nikationstrainings. Kontakt: thomas.schmidt@linklaters. com Foto: Linklaters

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Performance Management reloaded

Keine Noten für ManagerErste Firmen brechen mit einem Standard: Sie verabschieden sich vom klassi-schen Beurteilungswesen samt Jahresgespräch. Denn die Ratings erscheinen ihnen als falsch in der Wirkung und unzeitgemäß in der Form. Nur was ist die Alternative? Wie kann ein modernes Performance-Management-System ausse-hen? Thomas Schmidt, Head of HR bei Linklaters, schildert dies mit Blick auf die Wirtschaftskanzlei und weitere Vorreiter.

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managerSeminare | Heft 218 | Mai 2016 führung

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� Veraltetes Prinzip: Wes-halb Ratings nicht in die mo-derne Arbeitswelt passen

� Verfehlte Wirkung: Warum klassische Beurtei-lungsverfahren regelrechte Lernverhinderer sind

� Verfluchter Standard: Was Führungskräfte von ihren klassischen Leistungs-management-Systemen halten

� Linklaters: Wie die Law Firm zu einem neuen Perfor-mance Management fand

� Deloitte: Über den neuen Leistungsfokus der Prüfge-sellschaft

� Accenture: Breite Er-hebungen statt schmaler Forced Rankings

� Microsoft und SAP: Blick aufs Kollektiv statt auf den Einzelnen

� Drei Merkmale: Wodurch ein modernes Performance-Management-System ge-kennzeichnet ist

Als sich im Herbst 2014 die Direkto-ren der Law Firm Linklaters LLP zu ihrem halbjährlichen Treffen

versammelten, wussten sie es noch nicht: Dies würde der Stein des Anstoßes einer neuen Praxis im HR-Management sein. Es begann unauffällig. Auf der Agenda des Treffens stand das Thema „Performance Management im Bereich Business Services (Finance, Marketing, IT, Operations und HR)“. Zunächst ging es nur um einen schein-bar kleinen Punkt: Bei einem zentralen Ele-ment des Leistungsmanagement-Systems, nämlich den Leistungsbeurteilungen der Mitarbeiter samt den dazugehörigen Ra-tings, sollte die Rating-Skala verändert werden – mehr nicht.

Bislang wurde die jeweilige Leistung der Mitarbeiter auf einer vierstufigen Skala eingeordnet. Die Skala reichte von Perfor-mance Level 1 = „nicht zufriedenstellend“ bis Level 4 = „herausragend“. Doch das verursachte Unmut. Für die Mitarbeiter

war es schwer zu verstehen, dass sie bei Level 2 angeblich eine solide, gute Leistung erbracht haben, während gleichzeitig jedoch für jeden ersichtlich war: Mit dieser Bewer-tung einer „guten“ Leistung, die nur einen einzigen Level unter sich hat, liegt man qualitativ unter dem Durchschnitt; auf Level 2 „underperformt“ man also bereits. Daher kam der Gedanke auf: Wir wandeln einfach die vierstufige Skala in eine fünfstufige um – und schon ist das Problem gelöst. Denn das drittbeste Rating lässt sich viel besser als das zweitbeste Rating als eine „gute, solide“ Beurteilung übermitteln, die zwar in Ordnung ist, bei der aber noch einiger Spielraum nach oben besteht.

Doch die Diskussion über die Skala brach-te zum Vorschein: So einfach ist es nicht. Die Skala ist gar nicht der springende Punkt. In den Gesprächen manifestierte sich viel-mehr eine tiefer liegende Unzufriedenheit mit dem gesamten Rating-Prozess. Dieser erschien extrem zeitaufwendig, ineffizi-ent und bürokratisch. Was vielleicht noch verkraftbar gewesen wäre, hätte man den Eindruck gehabt, dass sich der Aufwand lohnt und Führungskräfte wie Mitarbeiter motiviert und inspiriert aus den Gesprä-chen herausgehen. Doch das Gegenteil war damals der Fall: Laut einer Mitarbeiterbe-fragung glaubten lediglich 19 Prozent der Führungskräfte und 26 Prozent der Mitar-beiter von Linklaters, dass das Performance-Management-System effektiv funktionierte

Veraltet: Ratings widersprechen den Prinzipien der New Work

Linklaters steht nicht alleine da. Auch ande-re Unternehmen merken: Ihr Performance Management funktioniert heute nicht mehr so gut, wie es vor zehn Jahren vielleicht noch der Fall war oder es ihnen zumindest erschien. Insbesondere die Jahresgespräche und Ratings stehen jetzt auf dem Prüfstand. Dies vor allem in solchen Unternehmen, die ihre Organisationsstruktur und kultur überdenken und die sich der Eigeninitiative und Selbstverantwortung der Mitarbeiter verpflichtet fühlen. Ob Chef oder Mitarbei-ter – wo sich alle auf Augenhöhe begegnen wollen, passt es nicht, wenn sich gestandene Professionals einmal im Jahr vorkommen müssen wie Schulkinder, die gerade ihr Zeugnis erhalten.

Meist fühlen sich beide Seiten beim Ra-ting-Prozedere unwohl in ihrer Haut: die Führungskräfte, weil sie Angst haben, ihre Mitarbeiter mit kritischen Beurteilungen zu

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demotivieren. Und die Mitarbeiter, weil sie – ungeachtet ihres Alters – wie einst in der Schule benotet werden und ihr gesamtes Wirken des vergangenen Jahres auf eine Zahl reduziert wird.

Hinzu kommt: Häufig ist das Rating nicht alleine durch die eigene Leistung beein-flusst. Vielmehr gibt es vielerorts sogenann-te Forced Rankings, das heißt: Nur eine klar festgelegte Prozentzahl von Mitarbeitern kann ein Top Rating erhalten. Und eine bestimmte Prozentzahl wird die schlech-teste Note bekommen. Die Mehrheit der Mitarbeiter landet irgendwo dazwischen. Die Folgen: Die Beurteilung erzeugt Unver-ständnis und Unzufriedenheit, sie führt zu wechselseitigem Misstrauen und zu einer Beeinträchtigung des Betriebsklimas.

Denn die erzwungene Einteilung von Mitarbeitern in vorgegebene Kategorien zwingt Führungskräfte dazu, Mitarbeiter in Schubladen zu pressen, in die diese nicht hineingehören. Was, wenn eine Führungs-kraft ein Team mit fünf Top Performern hat, die gerade allesamt ihre Ziele übertroffen haben? Nur einer wird das Top Rating bekommen, und andere werden eine ent-sprechend schlechtere Bewertung erhalten. Was, wenn alle eng im Team zusammen-arbeiten sollen, aber die bessere Note für den Kollegen automatisch zur schlechteren Beurteilung für andere führt? Was, wenn der Bonus des einen in dem Maße dahin-schmilzt, wie der des Kollegen wächst? Unweigerlich führt dieses System zu Neid und Missgunst, wo doch Teamgeist und Zusammenarbeit gefördert werden sollen.

Verquer: Mitarbeiterbeurteilungen ver-hindern das Lernen

Doch selbst jenseits der verschärften Form von Forced Rankings zeigen neurowissen-schaftliche Studien: Wenn jemand eine

Beurteilung erhält, löst das bei der Person immer die Ausschüttung von Stresshor-monen aus. Dies führt nicht nur zu einem emotional negativen Erlebnis. Es verhindert nachweislich, dass Mitarbeiter Feedback aufnehmen, es verarbeiten und umsetzen können. Interessanterweise ist das nicht nur bei kritischen Beurteilungen der Fall, sondern auch bei positiven Einschätzungen. Sogar Mitarbeiter, die die Bestnote erhielten, zeigten in Studien eine hohe Ausschüt-tung von Katecholaminen wie Adrenalin und Noradrenalin und konnten sich im Nachgang kaum oder nur teilweise an die einzelnen Inhalte des Feedbacks erinnern, das sie im Zusammenhang mit dem Rating erhalten haben. Geschweige denn, dass sie daraus lernen konnten.

Mit anderen Worten: Mitarbeiterbeurtei-lungen erreichen das Gegenteil von dem, was mit ihnen bezweckt wird. Feedback kommt nicht an. Lernen wird verhindert. Mitarbeiter werden frustriert. Kooperation wird behindert und Konkurrenzdenken geschürt.

Verflucht: 95 Prozent der Manager ha-dern mit den Verfahren

Und alle Beteiligten am Prozess erkennen das auch: Irgendetwas stimmt nicht. Laut einer Untersuchung des Beratungsunter-nehmens Mercer – der „Global Performance Management Survey“ – sind gerade einmal drei Prozent der befragten Unternehmen weltweit der Auffassung, dass ihr Leistungs-management-System einen echten Mehr-wert leistet. In einer Studie des Corporate Executive Boards (CEB) wiederum gaben 95 Prozent der Führungskräfte an, dass sie mit ihrem Performance-Management-System unzufrieden sind. Und von den Personalleitern sind laut CEB-Studie 90 Prozent überzeugt, dass ihr Performance-Management-System keine akkuraten In-formationen liefert.

Immer mehr Unternehmen stellen sich daher die Frage: Warum tun wir uns das eigentlich an? Einige haben begonnen, darauf eine radikale Antwort zu geben. Sie sagen: Wir haben einen Fehler gemacht – und den wollen wir nicht weiter fortsetzen. Wir hören auf mit den jährlichen Ratings.

„Kill Your Ratings“: Linklaters folgte der Headline eines Artikels

Bei der globalen Law Firm Linklaters lief das so: Die HR-Verantwortlichen brachten einen Zeitschriftenartikel in die Diskussionen ihres Halbjahres-Meetings ein. Der Beitrag war gerade in der Zeitschrift „Strategy & Business“ erschienen und warb unter der

Der Autor: Thomas Schmidt ist als Head of HR für die Law Firm Linklaters LLP

verantwortlich. Zudem ist er Lehrtrainer für Manage-

menttraining und Personal-entwicklung am Moreno-

Institut Stuttgart. Er schrieb mehrere Bestseller-Bücher

zu den Themen Real Life Trainings, Konfliktmanage-

menttrainings und Kommu-nikationstrainings. Kontakt:

[email protected]

Foto: Linklaters

Mitarbeiterbeurtei-lungen erreichen

das Gegenteil von dem, was mit ihnen

bezweckt wird. Feedback kommt

nicht an. Lernen wird verhindert. Mit-

arbeiter werden frustriert.

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Überschrift „Kill your Performance Ratings“ dafür, Ratings abzuschaffen und durch kontinuierliches Feedback zu ersetzen.

Davon inspiriert, entwickelte sich bei Linklaters die Vision, sich in einem großen Wurf vom Zwangskorsett des alten Systems zu befreien, statt nur an den Details her-umzudoktern. Nach anfänglicher Skepsis entstand eine große Euphorie im Senior Management Team des Unternehmens: keine Ratings mehr, keine Moderationen, keine Normalverteilung, in die Mitarbeiter gepresst werden müssen, und keine Formu-lare, die auszufüllen wären. Stattdessen: kontinuierliches Feedback, Fokus auf die Stärken, Blick auf das, was motiviert und was man gemeinsam erreichen will. Alles in allem: Gespräche auf Augenhöhe, für deren Gelingen Führungskraft wie Mitarbei-ter, gemäß dem sogenannten 100-Prozent-Prinzip, gemeinsam die volle Verantwortung übernehmen – aber jeder dabei mit einem Verantwortungsgrad, als trüge er die Ver-antwortung alleine.

In der Folge beauftragte man eine externe Unternehmensberatung, das Konzept weiter auszuarbeiten und Workshops durchzu-führen, um möglichst viele Mitarbeiter bei der Ausgestaltung des neuen Ansatzes einzubinden. Innerhalb eines Jahres wur-den weltweit alle 300 Führungskräfte und 1.500 Mitarbeiter aus den Business-Services-Bereichen in dem neuen Ansatz geschult, und der neue, kontinuierliche Feedback-Prozess wurde ausgerollt.

Klassische Ratings sind Ausdruck eines überholten Hierarchie-Denkens

Armin Trost, Professor an der Business School der Hochschule Furtwangen, sieht

mit Ansätzen, wie Linklaters sie verfolgt, das Ende des hierarchischen Zeitalters gekommen, welches er als Fundament des klassischen Performance-Management-Denkens ansieht. Zielvereinbarung und Beurteilung seien letztlich gleichbedeutend mit Weisung und Kontrolle und basierten auf der Vorstellung eines fachlich über-legenen Chefs, der wisse, wo es langgehe und seine Anweisungen nur von oben nach unten durchgeben müsse. Am Ende des Jah-res würde er dann ins Gewand des Richters schlüpfen und sein Urteil über die Leistung seiner Untergebenen fällen (vgl. Lesetipp im Servicekasten, S.26).

Armin Trost sagt: Dieses hierarchische Verständnis ist in der neuen Geschäftswelt, die durch Komplexität, Ambiguität und ver-netzte Wechselwirkungen gekennzeichnet ist, überholt. Führungskräfte seien heute als Coachs, als Mentoren und Befähiger gefor-dert, die ihre Mitarbeiter partnerschaftlich führen, um gemeinsam innovative, kreative Lösungen für immer neue Herausforde-rungen zu finden. Das heißt unterm Strich: Wo der klassische Ansatz zur Beurteilung die hierarchische Welt der Old Economy widerspiegelt, passt der neue Weg besser in ein Umfeld, in dem Innovationen schnell und gemeinsam im Team entwickelt wer-den müssen.

Dieser Gedanke klammert eines jedoch aus: nämlich, dass auch weiterhin Entscheidun-gen zu Gehaltsentwicklung, Bonus und Beför-derung zu treffen sind. Doch wie sind diese Entscheidungen zu treffen, wenn es keine Beurteilungen mehr gibt? Und durch wen, wenn Führungskraft und Mitarbeiter stets auf Augenhöhe agieren und partnerschaftlich zusammenarbeiten? Einzelne Unternehmen finden hierauf unterschiedliche Antworten.

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Deloitte: Projektbezogene Beurteilun-gen statt Jahres-Rankings

Die Prüfungsgesellschaft Deloitte z.B. ver-folgt einen Ansatz, der auf wissenschaftli-chen Studien in Kooperation mit dem Gallup Institut basiert. Die Studien haben gezeigt: Leistungen lassen sich am besten messen, indem man Teamleitern im Anschluss an ein Projekt zukunftsorientierte Aussagen zu ihren Mitarbeitern vorlegt. Solche Aussagen können zum Beispiel sein: Würde ich diesem Mitarbeiter unter der Annahme, dass es sich um mein Geld handelt, die höchstmögliche Gehaltssteigerung und Bonuszahlung ge-währen? Hat er eine Beförderung verdient? Und würde ich mir jederzeit wünschen, dass er in meinem Team arbeitet?

Diese Daten werden nach jedem Projekt, spätestens aber vierteljährlich, erhoben und bei Personalentscheidungen heran-gezogen. Die früheren, eindimensionalen Ratings hat man laut Deloitte damit durch ein „großes Datenbild“ ersetzt, welches nicht nur fundierteres Feedback beinhalten soll, sondern auch deutlich effizienter sein soll. Allerdings: Auch wenn Deloitte mit dem alten Performance-Management-System bricht, kann dies nicht verbergen, dass letztlich nur ein Beurteilungssystem durch ein anderes ersetzt wurde.

Accenture: Breite Erhebungen statt schmaler Forced Rankings

Auch andere Unternehmen verabschie-den sich zwar von den jährlichen Ratings, behalten aber den Grundgedanken der

individuellen Leistungsmessung bei und übertragen diesen in ein neues System. Zum Beispiel die Managementberatung Accenture. Im Herbst 2015 wurde bei Ac-centure das bisher praktizierte „Forced Ranking“ mit Ratings, die auf dem Vergleich von Kollegen beruhen, abgeschafft und durch ein flexibles Feedback-System ersetzt. Daten zur Leistungsmessung werden jedoch weiterhin erhoben und in ein sogenanntes Performance-Portal eingespeist. Dieses wird bei Entscheidungen zu individuellen Boni oder Beförderungen entsprechend herangezogen.

Linklaters vollzog ebenfalls nicht den Radikal-Schnitt. Denn: Die Anwälte – also die Mitarbeiter des Kerngeschäfts von Linkla-ters – bleiben vorerst bei der Neugestaltung des Performance-Management-Systems ausgeklammert. Für sie gibt es weiterhin Jahresgespräche auf der Basis eines Rating-Systems. Der Grund: Wie die meisten Law Firms ist Linklaters als Partnerschaft struk-turiert: Innerhalb eines Zeitraums von etwa sieben, acht Jahren können angestellte An-wälte zu Partnern, das heißt Miteigentümer der Organisation, werden. Falls sie damit nicht erfolgreich sind, verlassen sie oft die Sozietät. Vor diesem Hintergrund erleben es die angestellten Anwälte als hilfreich, ein dezidiertes Feedback mit glasklaren Ratings zu bekommen – und zwar in Bezug auf Kriterien wie fachliche Kompetenz, Teamverhalten, Führungskompetenz, Ge-schäftsentwicklung. So können sie besser abschätzen, wie es um ihre Chance bestellt ist, Partner und damit Anteilseigner der Sozietät zu werden.

Das klassische Beurteilungswesen spiegelt die hierar-

chische Welt der Old Economy wieder.

Abgesang aufs klassische Performance Management

Quelle: 1. Mercer: Global Performance Management Survey, 2013. 2. CEB: Breakthrough Performance in the New Work Environment, 2012. 3. Mercer: Performance Management Snapshot Survey 2015.

... glauben, ihr Performance Management sorge für ech-

ten Mehrwert.1

… sind unzufrieden mit ihrem aktuellen Perfor-mance Management.2

… überarbeiten derzeit ihr Performance Management oder planen, dies zu tun.3

Nur 3% der Unternehmen ...

95% der Führungskräfte und Mitarbeiter … 48% der HR-Manager …

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4. Feedback nehmen: Thank you for the feedback!

Auf kritische Rückmeldungen reagieren wir intuitiv mit Erklä-rungen und Rechtfertigungen. Damit Feedback aber wirklich ankommt und wir daraus lernen können, ist es unabdingbar, nachzufragen, um es zu verstehen und es offen anzunehmen. Deshalb ist es entscheidend, das Feedback als eine Lernchan-ce zu begreifen, als Geschenk, das uns jemand macht, der offenbar glaubt, dass wir damit gut umgehen können. Das gilt auch – und insbesondere – für Führungskräfte. Sagen Sie also als Führungskraft zu jeder Rückmeldung innerlich wie tatsäch-lich: „Danke für das Feedback!“

5. Verantwortung tragen nach dem 100-Prozent-Prinzip.

Beide Seiten – sowohl Sie als Führungskraft als auch Ihr Mitar-beiter – tragen jeweils 100 Prozent der Verantwortung dafür, dass Feedback-Gespräche stattfinden und erfolgreich verlaufen. Das heißt: Jeder übernimmt die volle Verantwortung so, als sei er alleine zuständig. Sollten also Gespräche einmal unter den Tisch fallen – was in der Hektik des Alltags leicht passieren kann – sind sowohl Sie als Führungskraft als auch Ihr Mitarbei-ter voll dafür verantwortlich, diese wieder auf die Agenda zu set-zen. Damit wird potenziellen Schuldzuweisungen die Basis ent-zogen, und alle sind angeregt, sich für den Erfolg der Feedback-Gespräche einzusetzen.

1. Feedback-Basis errichten.

Halten Sie sich als Führungskraft die Rolle vor Augen, die Sie einnehmen: Sie sind Befähiger, Mentor – und damit vor allem Feedback-Geber und -Empfänger. Geben Sie Ihren Mitarbeitern kontinuierlich Rückmeldungen zu ihren Leistungen, laden Sie diese aber ebenso ein, Ihnen Rückmeldung zu geben. Und ent-koppeln Sie auf diese Weise das Feedback von Gesprächen zu Bonus und Gehalt.

2. Fokus auf die Stärken legen.

Die Forschung hat gezeigt, dass wir dann am besten aus Rück-meldungen lernen, wenn das Verhältnis von positivem zu kri-tischem Feedback bei 3:1 liegt. Das bedeutet: Nehmen Sie das Positive wahr und melden Sie es zurück, wann immer es geht. Wir alle brauchen Anerkennung und Wertschätzung. Das gilt für Mitarbeiter und Führungskräfte gleichermaßen.

3. Rückmelden mit dem Modell „Wahrnehmung – Wirkung – Wunsch“.

Müssen Sie doch einmal Kritisches rückmelden, ist es wichtig, dies konstruktiv und konkret zu tun. Dabei hilft ein dreistufiges Vorgehen:

�Wahrnehmung:�Beschreiben Sie die eigene Wahrnehmung möglichst konkret, ohne zu bewerten, zu verallgemeinern oder dem anderen etwas zu unterstellen. Beispiel: „Ich habe das Dokument erst gestern um 14 Uhr von Ihnen zugesandt bekommen statt am Vortag, wie es vereinbart war.“

�Wirkung:�Erläutern Sie die Auswirkungen auf sich und andere (zum Beispiel Kunden, Kollegen). Beispiel:�„Dadurch hatte ich nicht mehr genügend Zeit, das Doku-ment vor dem Meeting um 15 Uhr zu überarbeiten, und konnte einige wichtige Punkte nicht mehr ergänzen. Dies hat der Kunde kritisch angemerkt, was mir sehr unangenehm ist.“

�Wunsch:�Formulieren Sie die eigenen Wünsche.�Beispiel:�„Meine Bitte ist, dass wir künftig einen Termin vereinba-ren, den Sie dann auch einhalten können. Oder dass Sie mir zumin-dest frühzeitig Bescheid geben, wenn die Deadline in Gefahr ist, damit wir dann eine Lösung finden können.“

Um im Unternehmen permanent und auf Augenhöhe Feedback zu geben und hiermit die jährlichen Beurteilungs-gespräche abzulösen, gilt es, entsprechende Voraussetzungen zu schaffen und Feedback-Regeln einzuhalten:

TutorialFeedback geben

auf Augenhöhe

Download als pdf:QR-Code scannen oder www.managerseminare.de/pdf/tt22.pdf

managerSeminare – Das Weiterbildungsmagazin

Grafik: Stefanie Diers; © www.managerseminare.deQuelle: Thomas Schmidt

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Microsoft und SAP: Blick aufs Kollektiv statt auf den Einzelnen

Eine Organisation, die sich noch etwas stärker vom traditionellen, aufs Individuum ausgerichteten Leistungsmanagement-System verabschiedet hat, ist Microsoft. Im Jahr 2013 hat der Softwareriese als eines der ersten Fortune500- Unternehmen – also als eines der 500 umsatzstärksten Unterneh-men der Welt – sein Beurteilungssystem samt Forced Ratings und Jahresgesprächen für sämtliche Mitarbeiter abgeschafft. Mi-crosoft hat sein individuelles Leistungs-system dabei nicht einfach nur modifiziert oder „teilabgeschafft“, sondern vollständig durch Feedback-Prozesse ersetzt, die darauf fokussieren, was Kollegen gemeinsam im Team erreichen.

Auch SAP richtet seinen Blick beim Leis-tungsmanagement im Ergebnis verstärkt aufs Kollektiv: Das Softwareunternehmen ist dazu übergegangen, es den Mitarbeitern freizustellen, ob sie einen individuellen oder einen am Unternehmenserfolg ausgerichte-ten Bonus erhalten wollen. 95 Prozent der Mitarbeiter haben sich für den kollektiven Bonus entschieden, was als Beitrag zur Stär-kung des Teamgeistes bewertet wird. Der Effekt: Der Feedback-Prozess und der Dialog zur Leistungssteigerung sind entkoppelt von dem Gedanken ans Geld.

Doch auch wenn es unter den Pionieren des neuen Perfomance-Management-An-satzes einige Unterschiede in der Ausge-staltung des neuen Weges gibt – die Ge-meinsamkeiten überwiegen. Das, worüber Einigkeit besteht, lässt sich im Wesentlichen als Fokusverschiebung in drei Punkten zusammenfassen:

Merkmale eines modernen Perfor-mance Managements

1. Medienwechsel: Weg vom Papier, hinzum Gespräch. Wo früher viel Zeit in das Ausfüllen von Formularen, in die Diskussion und Abstimmung von Ratings investiert

wurde, richtet sich das Augenmerk nun auf das persönliche, unmittelbare Gespräch.

2. Frequenzwechsel: Weg von der jähr-lichen Beurteilung, hin zum ständigen Feedback. Statt ein Jahresgespräch mit Zielen und Beurteilung zu führen, wird Feedback nun nach Möglichkeit sofort, ohne Zeitverzögerung gegeben.

3. Wechsel des Ansatzpunktes: Weg von der Schwächenorientierung, hin zur Stär-kenorientierung. Wo in der Vergangenheit der Schwerpunkt auf der rückwärtsge-wandten Beurteilung und dem Beheben von Schwachstellen lag, so liegt er nun auf der Frage, wie die Stärken des Mitar-beiters in Zukunft optimal genutzt werden können, um zum Erfolg der Organisation beizutragen.

Für Linklaters hat sich die Umstellung auf ein neues Performance Management nach-weislich gelohnt: Sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter geben in Befragungen an, das neue Feedback-System als flexibler, motivierender und leistungsfördernder zu erleben als die alten Ratings. Der An-teil der Business-Services-Mitarbeiter, die das Performance-Management-System als „effektiv“ einstufen, stieg innerhalb eines Jahres nach der Einführung des neuen Ansatzes von 26 Prozent, die das alte Sys-tem effektiv fanden, auf 74 Prozent für das neue System. Bei den Führungskräften gab es sogar einen Anstieg von 19 Prozent Zufriedenheit für das alte System auf 92 Prozent für den neuen Prozess.

Und auch die Anwälte profitieren von dem neuen Ansatz. Denn viele Elemente wurden für sie ebenfalls eingeführt: Der Anwaltsalltag ist jetzt gekennzeichnet durch mehr kontinuierliches, wechselseitiges Feedback, gemeinsamer Verantwortung für Feedback-Gespräche, einen Fokus auf Stärken und den Blick auf die Zukunft.

Dass erste Unternehmen wie Linklaters, Accenture, Deloitte, SAP und Microsoft neue Systeme eingeführt haben, ist vermutlich nur der Anfang einer großen Veränderung. Das klassische Beurteilungswesen wird früher oder später auf dem Müllhaufen der HR-Geschichte landen und flexiblen Feedback-Prozessen Platz machen. Für Führungskräfte wie Mitarbeiter birgt diese Entwicklung die große Chance, der viel dis-kutierten Demokratisierung der Arbeitswelt einen Schub zu geben: Sie können sich vom Zwangskorsett eines hierarchischen Füh-rungsverständnisses befreien und gemein-sam gleichberechtigter und produktiver zusammenarbeiten.

Thomas�Schmidt

Lesetipp

� Armin Trost: Das jährliche Mitarbeitergespräch – Ausgeredet! www.managerSeminare.de/MS211AR04Wie das Mitarbeiterjahresgespräch vom Top Tool zum Fremdkörper wurde. Und wie auf alternativen Wegen erreicht werden kann, was das jährliche Mitarbeitergespräch verspricht.

Das klassische Beurteilungswesen

wird früher oder spä-ter auf dem Müll-

haufen der HR-Geschichte landen.

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