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68 bbl 2008, Heft 2 April © Springer-Verlag 2008 Rechtsprechung Öffentliches Recht Bearbeitet von K. Giese und R. Klaushofer Kärnten Niederschlagswässer; subjektiv-öffentliche Nachbar- rechte DOI 10.1007/s00738-008-0356-8 §§ 23 Abs 3 lit h, 42 Abs 3 krnt BauO 1996 Nachbarn haben ein subjektiv-öffentliches Recht  auf  unschädliche  Ableitung  von  Niederschlags- wässern. VwGH 20.11.2007, 2005/05/0251 <39> Orientierungsnummern; topographische Aufschriften; zweisprachige Gemeinden DOI 10.1007/s00738-008-0357-7 §§ 39 und 41 krnt BauO 1996; Art 7 StV von Wien  Die mit Bescheid anzuordnende Kennzeichnung  eines  Gebäudes  hat  sich  auf  die  Festsetzung  einer Orientierungsnummer zu beschränken. Topographische Aufschriften (wie zB Straßen- namen)  werden  durch  generelle  Rechtsquellen  festgelegt. VwGH 20.11.2007, 2005/05/0064 <40> Aus der Begründung: Der Bf wendete sich in seiner Berufung ausdrücklich nicht gegen die Festlegung der neuen Orientierungsnummer. Er brachte jedoch vor, die Gemeinde sei iSd im Verfassungsrang stehenden Art 7 Abs 3 StV Wien eine zweisprachige Gemeinde. Gem dieser Bestimmung seien auch topographische Auf- schriſten sowohl in deutscher als auch in slowenischer Sprache vorzusehen, was durch die neuste Rsp des VfGH belegt sei. Der Straßennahme „J.F. Perkonig Straße“ sei eine Bezeichnung topographischer Natur. Daher müsse der Straßenname zweisprachig sein. (…) Die mit Bescheid gegenüber dem einzelnen Eigen- tümer auszusprechende Verpflichtung bezieht sich allein auf die Orientierungsnummer; nur diese Zahl wird in- dividuell festgelegt. Weder der Name der Straße noch die Gestaltung des Kennzeichens noch die Anforderung, welche Angaben das Kennzeichen zu enthalten hat, sind Gegenstand der hoheitlichen Anordnung im Einzelfall; all diese Merkmale sind im Gesetz oder in den diesbe- züglichen Verordnungen (aus 1966 bzw 1995) enthalten. Ein auf § 41 BO gegründeter Bescheidspruch hat sich daher auf die Anordnung der Orientierungsnummer zu beschränken. (Abänderung im Säumnisverfahren) Pergola; Einfriedung DOI 10.1007/s00738-008-0358-6 § 7 Abs 1 lit h und j krnt BauO 1996 Eine durchgehende Bretterwand zum Abschluss  des  Grundstücks  nach  außen  ist  eine  Einfrie- dung, selbst wenn sie hinkünftig durch Bewuchs  zum Bestandteil eines Laubengangs wird.  VwGH 20.11.2007, 2005/05/0161 <41> Aus der Begründung: Die Bf brachte vor, bei dem ge- genständlichen Bauvorhaben handle es sich – entgegen der Ansicht der bel Beh – um eine Pergola. Diese werde in der Weise ausgeführt, dass eine 2,50 m hohe Bretter- wand durch die Kletterpflanze „Veitschi“ bewachsen werde. Diese Kletterpflanze werde nach Überwachsen der 2,50 m hohen Bretterwand über das errichtete 70 cm breite Drahtgerüst klettern und so einen über- dachten Laubengang bilden. (…) Im Kärntner Baurecht findet sich weder eine Defini- tion des Begriffes „Pergola“ noch eine Definition des Begriffes „Einfriedung“. Der VwGH hat in seinem Erk 23.9.2002, 2001/05/0028, ergangen zur Wiener BauO, festgehalten, dass bei einer Einfriedung die grundsätz- liche Eignung gegeben sein muss, die Liegenschaſt nach außen abzuschließen. Mit der Abgrenzung einer Ein- friedung von einer Pergola war der VwGH in seinem Erk 23.9.1999, 99/06/0082, ergangen zum Steiermär- kischen Baugesetz, befasst und ausgeführt: „Unbestrit- ten handelt es sich im vorliegenden Fall um eine Anla- ge, die auf eine Länge von ca 34 m einen durchgehenden Betonsockel im Ausmaß von 20 cm x 20 cm aufweist, auf dem Metallsteher mit einer Höhe von ca 2 m ange- bracht sind, die ihrerseits mit Holzbrettern verschalt wurden. … Diese Anlage soll als Rankgerüst für Pflan- zen dienen. Gem der Jud (vgl die Erk 11.10. 1990, 90/06/0147, 19.12.1995, 93/05/0143, und 19.1.1999, 95/05/0047) ist unter einer ‚Pergola‘ (= Rankgerüst) im Allgemeinen ein nicht überdeckter Laubengang in einer Gartenanlage zu verstehen, wobei die auf Stützen liegenden Unterzüge ein Gebälk tragen, das von Pflan- zen umrankt ist. Es wird in diesem Zusammenhang auf Koepf, Bildwörterbuch der Architektur², 87 f, ver- wiesen. Weiters wird Pergola (s Frommhold/Gareiß, Bauwörterbuch², 1978, 195) als offener, meist über- rankter Laubengang, bei dem in der Regel lange, bei- derseitig auf Pfeilern oder Holzstützen liegende Kant- hölzer, die in regelmäßigen Abständen angeordneten Querhölzer tragen, definiert. Bei der eingangs beschrie- benen Anlage handelt es sich nicht um einen Lauben- gang. Eine Subsumtion unter dem Begriff der Pergola kommt somit schon deshalb nicht in Betracht. Eine derart ausgestaltete bauliche Anlage muss vielmehr als Einfriedung iSd § 19 Z 4 stmk BauG qualifiziert wer- den, wie das die bel Beh zutreffend getan hat. Nach der

Pergola; Einfriedung

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Page 1: Pergola; Einfriedung

68bbl2008, Heft 2

April

© Springer-Verlag 2008

  Rechtsprechung

Öffentliches RechtBearbeitet von K. Giese und R. Klaushofer

Kärnten

Niederschlagswässer; subjektiv-öffentliche Nachbar-rechte

DOI 10.1007/s00738-008-0356-8

§§ 23 Abs 3 lit h, 42 Abs 3 krnt BauO 1996

Nachbarn haben ein subjektiv-öffentliches Recht auf  unschädliche  Ableitung  von  Niederschlags-wässern.

VwGH 20.11.2007, 2005/05/0251 <39>

Orientierungsnummern; topographische Aufschriften; zweisprachige Gemeinden

DOI 10.1007/s00738-008-0357-7

§§ 39 und 41 krnt BauO 1996; Art 7 StV von Wien 

Die mit Bescheid anzuordnende Kennzeichnung eines  Gebäudes  hat  sich  auf  die  Festsetzung einer Orientierungsnummer zu beschränken.

Topographische Aufschriften (wie zB Straßen-namen)  werden  durch  generelle  Rechtsquellen festgelegt.

VwGH 20.11.2007, 2005/05/0064 <40>

Aus der Begründung: Der Bf wendete sich in seiner Berufung ausdrücklich nicht gegen die Festlegung der neuen Orientierungsnummer. Er brachte jedoch vor, die Gemeinde sei iSd im Verfassungsrang stehenden Art 7 Abs 3 StV Wien eine zweisprachige Gemeinde. Gem dieser Bestimmung seien auch topographische Auf-schriften sowohl in deutscher als auch in slowenischer Sprache vorzusehen, was durch die neuste Rsp des VfGH belegt sei. Der Straßennahme „J.F. Perkonig Straße“ sei eine Bezeichnung topographischer Natur. Daher müsse der Straßenname zweisprachig sein. (…)

Die mit Bescheid gegenüber dem einzelnen Eigen-tümer auszusprechende Verpflichtung bezieht sich allein auf die Orientierungsnummer; nur diese Zahl wird in-dividuell festgelegt. Weder der Name der Straße noch die Gestaltung des Kennzeichens noch die Anforderung, welche Angaben das Kennzeichen zu enthalten hat, sind Gegenstand der hoheitlichen Anordnung im Einzelfall; all diese Merkmale sind im Gesetz oder in den diesbe-züglichen Verordnungen (aus 1966 bzw 1995) enthalten. Ein auf § 41 BO gegründeter Bescheidspruch hat sich daher auf die Anordnung der Orientierungsnummer zu beschränken. (Abänderung im Säumnisverfahren)

Pergola; Einfriedung

DOI 10.1007/s00738-008-0358-6

§ 7 Abs 1 lit h und j krnt BauO 1996

Eine durchgehende Bretterwand zum Abschluss des  Grundstücks  nach  außen  ist  eine  Einfrie-dung, selbst wenn sie hinkünftig durch Bewuchs zum Bestandteil eines Laubengangs wird. 

VwGH 20.11.2007, 2005/05/0161 <41>

Aus der Begründung: Die Bf brachte vor, bei dem ge-genständlichen Bauvorhaben handle es sich – entgegen der Ansicht der bel Beh – um eine Pergola. Diese werde in der Weise ausgeführt, dass eine 2,50 m hohe Bretter-wand durch die Kletterpflanze „Veitschi“ bewachsen werde. Diese Kletterpflanze werde nach Überwachsen der 2,50 m hohen Bretterwand über das errichtete 70 cm breite Drahtgerüst klettern und so einen über-dachten Laubengang bilden. (…)

Im Kärntner Baurecht findet sich weder eine Defini-tion des Begriffes „Pergola“ noch eine Definition des Begriffes „Einfriedung“. Der VwGH hat in seinem Erk 23.9.2002, 2001/05/0028, ergangen zur Wiener BauO, festgehalten, dass bei einer Einfriedung die grundsätz-liche Eignung gegeben sein muss, die Liegenschaft nach außen abzuschließen. Mit der Abgrenzung einer Ein-friedung von einer Pergola war der VwGH in seinem Erk 23.9.1999, 99/06/0082, ergangen zum Steiermär-kischen Baugesetz, befasst und ausgeführt: „Unbestrit-ten handelt es sich im vorliegenden Fall um eine Anla-ge, die auf eine Länge von ca 34 m einen durchgehenden Betonsockel im Ausmaß von 20 cm x 20 cm aufweist, auf dem Metallsteher mit einer Höhe von ca 2 m ange-bracht sind, die ihrerseits mit Holzbrettern verschalt wurden. … Diese Anlage soll als Rankgerüst für Pflan-zen dienen. Gem der Jud (vgl die Erk 11.10. 1990, 90/06/0147, 19.12.1995, 93/05/0143, und 19.1.1999, 95/05/0047) ist unter einer ‚Pergola‘ (= Rankgerüst) im Allgemeinen ein nicht überdeckter Laubengang in einer Gartenanlage zu verstehen, wobei die auf Stützen liegenden Unterzüge ein Gebälk tragen, das von Pflan-zen umrankt ist. Es wird in diesem Zusammenhang auf Koepf, Bildwörterbuch der Architektur², 87 f, ver-wiesen. Weiters wird Pergola (s Frommhold/Gareiß, Bauwörterbuch², 1978, 195) als offener, meist über-rankter Laubengang, bei dem in der Regel lange, bei-derseitig auf Pfeilern oder Holzstützen liegende Kant-hölzer, die in regelmäßigen Abständen angeordneten Querhölzer tragen, definiert. Bei der eingangs beschrie-benen Anlage handelt es sich nicht um einen Lauben-gang. Eine Subsumtion unter dem Begriff der Pergola kommt somit schon deshalb nicht in Betracht. Eine derart ausgestaltete bauliche Anlage muss vielmehr als Einfriedung iSd § 19 Z 4 stmk BauG qualifiziert wer-den, wie das die bel Beh zutreffend getan hat. Nach der

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Rechtsprechungbbl2008, Heft 2April 69

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Jud (vgl die Erk 8.3.1977, 1379/75, und 30.6.1988, 86/ 06/0154) ist maßgeblicher Zweck einer Einfriedung, dass sie das Grundstück schützend umgibt.“

Nichts anderes kann für die hier erfolgte vollflächige Verbauung durch eine Bretterwand gelten. Ob daran anschließend Kletterpflanzen unter Zuhilfenahme eines Drahtgerüstes letztlich einen Laubengang bilden oder nicht, spielt keine Rolle. Die durchgehende Ver-bauung mit einer Bretterwand bildet jedenfalls eine Einfriedung. (Abweisung)

Niederösterreich

Sirenenton; Immissionen; „Bauland-Agrargebiet“; ört-lich zumutbare Belästigung; Gefahr für Leben und Gesundheit; Beurteilungsmaßstab

DOI 10.1007/s00738-008-0359-5

§ 48 Abs 1 Z 1 und 2 nö BauO 1996; § 23 nö Feuer-wehrG

Lärmimmissionen  einer  Sirene  sind  anders  als jene sonstiger Lärmerreger zu beurteilen.

Eine  gesetzlich  verpflichtend  einzurichtende Sirene ist jedenfalls örtlich zumutbar.

Der Beurteilungsmaßstab für Gefahren für das Leben und die Gesundheit von Menschen ist im Bau-  und  Gewerberecht  derselbe.  Demnach  ist nicht auf die konkrete gesundheitliche Situation eines Menschen zu achten, sondern eine objek-tive  Gegebenheiten  Rechnung  tragende  Durch-schnittsbetrachtung vorzunehmen.

VwGH 20.11.2007, 2007/05/0211 <42>

Aus der Begründung: Im Zusammenhang mit der ört-lichen Unzumutbarkeit machen die Bf die Widmungs-widrigkeit der Sirenenlage geltend und meinen, eine solche wäre ohne Erforderlichkeitsprüfung nicht zuläs-sig. Dazu hat der VwGH im Erk v 28.4.2006 [2005/05/ 0169] die Ansicht vertreten, dass die Errichtung einer solchen Anlage mit der Widmung „Bauland-Agrarge-biet“ vereinbar ist, soweit es sich dabei um die Schaf-fung einer nötigen Einrichtung zur möglichst raschen Alarmierung der Feuerwehr iSd § 23 Abs 1 Z 2 des NÖ FeuerwehrG oder um eine akustische Warneinrichtung für die Bevölkerung im Rahmen des Warn- und Alarm-systems (vgl die Art 15a B-VG – Vereinbarung zwi-schen dem Bund und den Bundesländern v 4.6.1987, BGBl 87/1988 bzw (NÖ) LGBl 47/1988) handelt. Für das fortgesetzte Verfahren erachtete es der VwGH als not-wendig, dass durch die Beh näher dargelegt werde, ob eine solche rechtliche Verpflichtung zur Verstärkung der vorhandenen Alarmierungsmöglichkeit bestand.

Im angefochtenen Bescheid bezieht sich die bel Beh in diesem Zusammenhang auf die Verpflichtung der Gemeinde, nach § 23 Abs 1 des NÖ FeuerwehrG die nötigen Einrichtungen zu schaffen und zu erhalten, um eine möglichst rasche Alarmierung der Feuerwehr zu

gewährleisten. Zur Notwendigkeit der Schaffung dieser weiteren Einrichtung verweist sie auf die Feststellung des Zivilschutzbeauftragten, wonach eine ausreichende Beschallung des gesamten Ortsgebietes durch die vor-handene Sirene am Feuerwehrhaus nicht gewährleistet werden könne.

Dies wurde in den Bescheiden des Gemeindevor-standes der mitbeteiligten Gemeinde jeweils mit der besonderen Situation in Richtung Nordwest des Orts-gebietes begründet, weil durch den Kirchturm und die höher gelegenen Wohnbauten bzw durch natürliche Niveauerhöhungen des Ortes eine Beschallung nicht gegeben sei. Dass der Zivilschutzbeauftragte in diesem Zusammenhang die Erforderlichkeit der Erhöhung der Beschallungsmöglichkeit des Ortsgebietes unrichtig dargestellt hätte, behaupten die Bf in der Beschwerde nicht substantiiert. Wenn sie meinen, ein Kirchturm könne die Schallausbreitung einer Feuerwehrsirene nicht wirklich beeinträchtigen, so übersehen sie, dass die Notwendigkeit der Errichtung einer weiteren Sirene nicht allein mit der Situierung des Kirchturms, sondern zusätzlich mit der Lage anderer, höher gelegener Ge-bäude begründet wurde. Ihr Einwand, die Erforder-lichkeit der Erhöhung der Beschallungsmöglichkeiten sei unklar geblieben, verfängt daher nicht.

Trifft die Feststellung einer ungenügenden Beschal-lung aber zu, so war die Gemeinde nach § 23 des NÖ FeuerwehrG verpflichtet, diesen Umstand durch die Schaffung weiterer Einrichtungen zu beseitigen. Be-steht nun – wie hier – eine rechtliche Verpflichtung zur Verstärkung der bestehenden, nicht ausreichenden Warneinrichtung, so steht – so bereits der VwGH im zit Vorerk – jede Maßnahme, die dazu dient, dass dieser Verpflichtung entsprochen wird, also auch die zu-sätzliche Errichtung einer zweiten Sirene, mit der Widmungsart im Einklang. Die davon ausgehenden Lärmbelästigungen stellen demgemäß in Bezug auf die Widmung zulässige Auswirkungen des Bauwerkes bzw dessen Benutzung dar.

Nach § 48 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 nö BauO 1994 war weiters zu prüfen, ob die Belästigungen der Bf durch die genannte Immission örtlich zumutbar sind oder nicht. Nun wird nach der Rsp des VwGH das örtlich zumut-bare Maß von Belästigungen nicht erst dann über-schritten, wenn diese gerade noch nicht gesundheits-schädlich sind, sondern bereits dann, wenn sie das Wohlbefinden von Menschen in einem örtlich nicht mehr zumutbaren Maß stören (vgl die zu Geruchsbe-lästigungen ergangenen Erk 26.5.1992, 92/ 05/0004, und 16.3.1993, 92/05/0290).

Die bel Beh hat – aufbauend auf dem Gutachten des Schalltechnikers – zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Sirenenton anders beurteilt werden müsse als sons-tige Lärmquellen.

Es ist klar, dass die Lautstärke einer Sirene den Um-gebungslärm signifikant überschreiten muss, damit er den bezweckten Alarmierungseffekt der Bevölkerung erreichen kann. Daraus folgt aber, dass die Belästigung durch Lärm einer auf Grund einer gesetzlichen Ver-