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PERS NAL FÜHRUNG DAS FACHMAGAZIN FÜR PERSONALVERANTWORTLICHE AUSGABE 5.2019  / € 9,80 www.dgfp.de Themenschwerpunkt: Agil oder nicht agil… Ein situativer Ansatz für die HR-Transformation Vom Balljungen zum Spielführer Digitale Strategien für HR

PERS NAL - DGFP · haben neue Plattformen entwickelt und innovative neue Methoden und Prozesse eingeführt. Dies gilt nicht nur für die Industrie – auch Banken und Versicherungen

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PERS NAL FÜHRUNG

DAS FACHMAGAZIN FÜR PERSONALVERANTWORTLICHE

AUSGABE 5.2019  / € 9,80 www.dgfp.de

Themenschwerpunkt:

Agil oder nicht agil…Ein situativer Ansatz für die HR-Transformation

Vom Balljungen zum Spielführer

Digitale Strategien für HR

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Digitale Strategien für HR

Der Schwerpunkt im Überblick

12AKTUELLES THEMENSCHWERPUNKT

04 EVIDENZ TO GOLernt es sich mit Gamification besser?

06 KURZ GESAGTERFA-Gruppen der DGFP, DGFP // congress am 3./4. September 2019 in Berlin, 1. DGFP // Global Mobility Conference

10 STUDIENPensionsverpflichtungen der Dax- Unternehmen, Öffentliche Förderung von Weiterbildung

14 HR ALS GESTALTERPhilipp Ramin, Sinzing bei Regensburg

20 KI IM PERSONALMANAGEMENTMarkus H. Dahm / Thila Phuong Pham, Hamburg

26 DIGITAL SKILLS Bernd Welz / Guido Grüne, Walldorf

32 COLLABORATION TOOLS IN DER CLOUDUlrich Jänicke, München

38 DIGITALER MITTELSTANDLouisa Kürten, Köln / Holger Meyer, Itzehoe

44 DIGITALE STRATEGIEN FÜR HRMaterialien für die Personalarbeit

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Raum für Charisma Künstlich intelligente Tools wie der IBM Watson Career Coach entlasten Personaler von Routinearbeiten. So werden aus HR-Administra-toren charismatische Personal Coaches. Vorausge-setzt, die Unternehmen erhöhen durch präventive Kommunikation die Akzeptanz der neuen Hilfsmittel.

14 Hol- und Bringschuld HR wird im di-gitalen Transformationsprozess dringend gebraucht – nicht als Verwalter, sondern als Gestalter. Doch diese neue Rolle dürfte HR wahrscheinlich nicht zufliegen. Es gibt eine Hol- und eine Bringschuld.

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NETZWERK SERVICEFACHBEITRÄGE

76 HR PERSÖNLICHThorsten Schäfer-Gümbel, Thomas Perlitz, Frank Notz, Gunther Adler, Michael Picard, Gabriele Fluck

79 DGFP-MITGLIED IM PORTRÄTLekkerland Deutschland

74 BILDNACHWEISE66 BÜCHER Kurzrezensionen, Autorengespräch: Stefan Gröner und Stephanie Heinecke01 EDITORIAL74 INSERENTEN70 RECHT Lohnsteuerrecht, Arbeitsrecht, Aktuelle Rechtsprechung 09 TERMINE80 VORSCHAU / IMPRESSUM

46 AGILE HR-TRANSFORMATIONAllzu großer Fortschrittsglauben oder gar blinder Aktionismus sind verfehlt: Eine agile HR-Transformation muss einen spürbaren Beitrag zur Wertschöpfung des Unterneh-mens leisten.Walter Jochmann / Frank Stein, Köln

54 FAMILIÄRE EMPFEHLUNGS-PROGRAMME Wenn Unternehmen sich der Gefahr von Vet-ternwirtschaft oder Clan-Mentalität bewusst sind, können sie Empfehlungsprogramme für Familienangehörige von Mitarbeitern erfolg-reich nutzen. Julia Brinkmann / Christina Hoon, Bielefeld

60 CHECK-UP ZUM EMPLOYER BRANDING Um eine starke Arbeitgebermarke aufzu-bauen, ist es wichtig, Personalmarketing und Arbeitsrecht eng zu verzahnen. Martin Nebeling / Ralf Weber, Düsseldorf

26 Lernen auf Vorrat war gestern Kollaborations- fähigkeit, Durch-haltevermögen,

unternehmerisches Denken und Eigeninitiative sind die Schlüsselqualifikationen, die Mitarbeiter in der digitalen Welt brauchen. Eine große Herausforderung für die Aus- und Weiterbildung.

32Besser zusammenarbeiten Durch cloudbasierte Collabo-ration Tools werden HR-Pro-zesse schlanker, schneller und für alle Beteiligten kom-fortabler. Personaler können Aufgaben dorthin verlagern, wo sie anfallen. Und Mitar-

beiter erhalten mehr Flexibilität und Eigenverantwortung.

38 Kleine Schritte Mittel-ständische Unternehmen sind gut beraten, die Digita-lisierung nicht im Hauruck-verfahren anzugehen. Dies hat die Volksbank Raiffei-senbank Itzehoe erkannt, die einen ehemaligen Google-Manager als CDO verpflichtete.

Michael Picard und Gabriele Fluck steuern bei der s.Oliver Group das Personal- und Transformationsmanagement.

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SCHWERPUNKT D I G I T A L E S T R A T E G I E N F Ü R H R14

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Digitalisierung in Deutschland ist ein seltsames Thema – keine Erfolgsstory, aber auch keine Geschichte totalen Scheiterns. Das mag daran liegen, dass der Begriff der Digitalisierung von jedem anders interpretiert und genutzt wird. HR hat in vielen Unternehmen seine Rolle in diesem Zusammenhang noch nicht gefunden. Dabei ist es prädestiniert, an der Spitze der Bewegung zu stehen. Vorausgesetzt, die eigene Transformation gelingt.

Wie HR sich als Gestalter der digitalen Transformation positionieren kann

zum Spielführer

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Vom Balljungen

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SCHWERPUNKT D I G I T A L E S T R A T E G I E N F Ü R H R16 SCHWERPUNKT D I G I T A L E S T R A T E G I E N F Ü R H R16

Anfang 2018 reflektierte Andreas Kluth vom Han-delsblatt darüber, dass die Verwendung des Be-griffs „Digitalisierung“ eine deutsche Eigenheit

darstellt. Im Gegensatz zu den Amerikanern, die mithilfe neuer Technologien über revolutionäre Marktverände-rungen nachdenken, steht Digitalisierung in Deutschland immer noch häufig für die inkrementelle Anpassung ein-zelner Prozesse oder für die Weiterentwicklung hin zu einer „klugen“ Fabrik im Sinne von Industrie 4.0. Im

schlimmsten Fall wird die Umstellung von Fax auf E-Mail schon mal als Digi-talprojekt verkauft. Doch Geschäftsmo-delle und Strukturen vieler Unterneh-men bleiben im Kern unverändert. Ein paar digitale Produkte und Prozessverän-derungen machen eben noch kein digi-tal transformiertes Unternehmen aus.

Dieser Einstieg in das Thema soll kein undifferenziertes „Deutschland-Bashing“ sein. Natürlich gibt es eine Vielzahl von spannenden Leuchtturmprojekten, die hell durch Messehallen strahlen und in dicken Lettern in Fachpublikationen zu lesen sind. Unternehmen vieler Bran-

chen positionieren sich als digitale Innovatoren und in-vestieren große Summen in Forschung und Entwick-lung. CDOs und die entsprechenden Fachabteilungen haben neue Plattformen entwickelt und innovative neue Methoden und Prozesse eingeführt. Dies gilt nicht nur für die Industrie – auch Banken und Versicherungen ar-beiten mit großem Aufwand an digitalen Services. Und die Bundesregierung hat Ende 2018 eine, für europäische Verhältnisse, groß angelegte Initiative zur Künstlichen Intelligenz verkündet, für die bis 2012 drei Milliarden Euro bereitgestellt werden.

GENERVT VON DER DIGITAL-INDOKTRINIERUNG

Die Themen rund um die Digitalisierung werden über-all wahrgenommen. Teilweise fühlen sich Leute schon genervt von der Indoktrinierung über die Wichtigkeit der Digitalisierung. Doch genau hier beginnt das Paradoxon der Digitalisierung in Deutschland. Trotz der immensen Strahlkraft, die das Thema in der Öffentlichkeit besitzt, wird man den Eindruck nicht los, dass viele Aspekte nicht dort ankommen, wo sie den größten Einfluss haben: bei den Menschen oder, aus Unternehmenssicht, bei Mitar-beitern und Führungskräften. Das ist einerseits verwun-

DR. PHILIPP RAMIN ▶ CEO & Co-Founder, innovationszentrum für industrie 4.0, Sinzing bei Regensburg ▶ [email protected]

DER AUTOR

derlich, da auf Kongressen und Konferenzen die Bedeutung des Menschen bei der Umsetzung der Digitalisierung wie ein Mantra hervorgehoben wird und Begriffe, die eine rosige Arbeits- und Lernwelt der Zukunft beschreiben, sich fast inflationär entwickeln: New Work, Arbeit 4.0, Upskilling.

Andererseits entspricht die Innenansicht in den Betrieben häufig noch nicht dieser schönen neuen Arbeitswelt, was anhand mehre-rer Indikatoren verdeutlicht werden kann. Unternehmen, selbst diejenigen, die sich als Pioniere proklamieren, gelingt es nur schlep-pend, den digitalen Wandel in die Breite zu bekommen. Zwar sind hochinnovative Abteilungen und Projektgruppen vorhanden, die neue Technologien und Methoden entwickeln, anwenden und voran-treiben. Gleichwohl bleibt hinter den digitalen Sperrspitzen häu-fig eine überforderte Organisation zurück, die hinsichtlich ihrer Prozesse, der Führungskultur und dem Innovationsverständnis den digitalen Projektgruppen weit hinterherhinkt.

Im Kern agieren weite Teile der etablierten Organisationseinhei-ten – abgesehen von einigen Artefakten à la farbiger, offener Büros, etwas mehr Homeoffice und einer Menge „Start-up-Sprech“ – im Wesentlichen wie schon vor zwei Jahrzehnten. Häufig fehlt es den Mitarbeitern am tiefgreifenden Verständnis und den konkreten Kenntnissen, die für eine ganzheitliche Transformation notwendig sind. Und trotz der Einrichtung des CDO als Allgemeintransfor-mator darf nicht vergessen werden, dass Prozesse verändern nicht ausreicht. Mitarbeiter und Führungskräfte müssen mitkommen können.

„DAS HABEN WIR SCHON IMMER SO GEMACHT“

Vor allem in ihren Denkweisen und Einstellungen wird die di-gitale Zweiklassengesellschaft sichtbar. In vielen Bereichen domi-niert die tief verankerte Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht-Mentalität. Statt Transparenz zu schaffen, werden Informationen bewusst zurückgehalten und Entscheidungen verschleiert – ein Problem vor allem auf der Führungsebene. Ehrlicherweise muss ebenso festgehalten werden, dass „Agilität“ in vielen Projekten nicht mehr als ein schillernder Kunstbegriff ist. Abgesehen von einigen wenigen Leuchtturmprojekten ächzen die Beteiligten un-ter bürokratischen Prozessen, Verantwortlichkeitsdomino und chronischem Silodenken. Dabei sollte Agilität vernetzen und Ent-scheidungen erleichtern.

Möglicherweise herrscht auch der Glaube, der Mensch sei für die-sen kontinuierlichen und exponentiellen Wandel nicht gemacht? Zu wenig greifbar ist die Digitalisierung, die die Verantwortlichen aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft fordern und voranbrin-gen wollen. Es gibt zu viele Ängste vor Jobverlust, Bedeutungs-verlust und insgesamt einer unsicheren Zukunft.

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DAS SCHICKSAL VON HR: DIGITAL SEIN ODER NICHTSEIN?

Der Autor dieses Artikels leidet keineswegs unter chronischem Pessimismus. Vielmehr will er mit seiner nüchternen Status-quo-Analyse genau das Gegenteil erreichen: Op-timismus oder, genauer gesagt, Optimis-mus unter HR-Verantwortlichen. Sie sollen wissen, dass viele der genannten Probleme gelöst werden können und vor allem durch HR adressiert werden müssen.

Ob berechtigt oder nicht, in vielen Fällen wird HR als Verwalter wahrgenommen und weniger als führender Gestalter der digi-talen Transformation. HR hat in vielen Unternehmen seine Rolle bei der Digita-lisierung noch nicht gefunden. Ein Grund mag sein, dass die Digitalisierung in Deutsch-land zunächst als reines IT- und Produk-tionsthema gesehen wurde. HR-Verant-wortliche durften nicht in dem Maße ge-stalten, wie sie es eigentlich gewollt hätten. Folgender Mechanismus hat sich einge-spielt: Auf C-Level werden Digitalprojek-te gefordert und von den Fachabteilungen konzipiert. HR ist dabei häufig nur als mit-laufendes Glied eingebunden, das über be-stimmte Anforderungen oder Vorgehens-weisen nur noch unterrichtet wird. Auch wenn es hart klingt und zweifelsohne vie-le Ausnahmen gibt: Im Fußballspiel der Digitalisierung ist HR viel zu häufig Ball-junge statt Spielführer.

Dieser Umstand hängt mit der Stigmati-sierung der HR-Funktion zusammen. Von technisch-kaufmännischen Fachbereichen wird HR teilweise nach wie vor belächelt. Bezüglich der Digitalisierung gilt die Faust-formel, dass dieses Thema in erster Linie Technologie betrifft, während HR für die weichen Faktoren zuständig ist und damit eine untergeordnete Rolle spielt. Ein weit-verbreiteter Trugschluss, den das Topma-nagement auf die Agenda bringen muss.

Gleichzeitig sollte sich HR aber auch selbst-kritische Fragen stellen. Der Ruf, in einem

Elfenbeinturm gefangen zu sein, lässt sich auf ein zu geringes Verständnis für die Zwänge des operativen Geschäfts zurück-führen. Oft verheddert sich HR in Initiati-ven, die grundsätzlich interessant erscheinen, aber keinen großen Mehrwert für das Ge-schäft liefern. Ebenso hat es HR in manchen Bereichen versäumt, eigene Kompetenzen für die Digitalisierung aufzubauen, bei-

Die Aufgabe des systematischen Kompetenz-aufbaus muss sich emanzipieren: weg von der weichen Zusatzaufgabe, hin zur essenziellen Kernaufgabe, die darüber entscheidet, wie selbstbestimmt und ernsthaft ein Unternehmen an der Digitalisierung teilhat. HR kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Es muss diesen Wandel der Unternehmenskompetenzen nicht nur moderieren, sondern auch methodisch und fachlich vorantreiben.

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SCHWERPUNKT D I G I T A L E S T R A T E G I E N F Ü R H R18 SCHWERPUNKT D I G I T A L E S T R A T E G I E N F Ü R H R18

spielsweise in der Prozessautomatisierung oder bei Web-based-Tools. Überdies wird HR in manchen Unternehmen vorgewor-fen, starre Verwaltungsprozesse statt flexi-ble Serviceorientierung einzuüben.

IN DREI SCHRITTEN AN DIE SPITZE DER BEWEGUNG

Wenn es bei der Digitalisierung im Kern wirklich um den Menschen gehen soll – wie von allen propagiert wird –, welche Un-ternehmensfunktion wäre dann besser als HR geeignet, diese Herausforderung feder-führend zu gestalten? Dazu braucht es al-lerdings ein Umdenken. Zunächst muss die Frage erlaubt sein, in welchen Bereichen HR den größten Mehrwert generieren kann. Wenn sich die Antwort vor allem um die Verwaltung von Personalakten, die Orga-nisation von Betriebssport oder die Abrech-nung von Gehältern dreht, dann wird HR in seiner jetzigen Form einen Bedeutungs-verlust erleiden, da viele HR-Kernprozesse zukünftig automatisiert abgewickelt wer-den können. Aber es muss nicht so weit kommen. HR kann sich in drei Schritten als Gestalter der digitalen Transformation positionieren:

Schritt 1: Die eigene Transformation voran treibenNachdem die Digitalisierung bereits zahl-reiche Prozesse in Fertigung und Verwaltung überflüssig gemacht hat, droht auch klassi-schen HR-Prozessen dasselbe Schicksal. Cloud-basierte Softwarelösungen und kluge Algo-rithmen setzen HR massiv unter Druck. Dementsprechend muss HR zunächst be-weisen, dass es in der Lage ist, eine moder-ne serviceorientierte Organisation aufzu-bauen, in der Routineprozesse standardi-siert und automatisiert abgewickelt werden und ein hochqualifiziertes HR-Team die Fachbereiche durch persönliche Beratung flexibel und individuell unterstützt.

Hierin liegt eine enorme Chance: raus aus dem „Klein-Klein“, rein in die Rolle der Gestalter, Visionäre und Innovatoren. Die

zukünftige HR-Wertschöpfung wird nicht mehr darin liegen, Verwaltungsaufgaben zu übernehmen, sondern den kontinuier-lichen Wandel zu gestalten und für den Menschen sinnvoll einzusetzen. Doch nur wenn eine interne Transformation des HR-Verständnisses gelingt, wird es möglich sein, diese Rolle glaubhaft und unterneh-mensweit auszufüllen. Nur wer sich selbst gewandelt hat, ist fähig, andere beim Wan-del zu unterstützen. Dabei geht es um mehr als um Technologieanwendung: Es geht um ein neues Selbstverständnis der eige-nen Aufgabe.

Schritt 2: Die neue Rolle definieren und implementierenEs wird deutlich, dass HR für sich beant-worten muss, welche digitale Kompeten-zen es selbst benötigt. Wie sieht das Be-rufsbild eines zukünftigen HR-Mitarbei-ters und -Managers aus? Datengetriebene Entscheidungen, ganzheitliches Prozessver-ständnis entlang vertikal und horizontal in-tegrierter Wertschöpfungsnetze oder auch Blockchain-Transaktionen gewinnen an Einfluss. Nicht nur im Recruiting, sondern auch in der Personalentwicklung müssen zukünftig Unmengen an Daten verarbei-tet und interpretiert werden.

Doch die Anforderungen gehen weit über Analytics und Prozessoptimierung hinaus. HR sollte in der Lage sein, die Zukunft zu bewerten und neue Trends früh zu erken-nen. Das ist ein zentraler Aspekt, da heu-tige Technologien einem exponentiellen Verlauf folgen. Beispielsweise gilt es kon-tinuierlich zu hinterfragen, wie unsere zu-künftige Arbeit aussehen wird und welchen Einfluss autonome Systeme und das Kon-zept der Mensch-Maschine-Kollaboration nehmen werden. HR muss Konzepte wie diese nicht nur als einmaliges Projekt adres-sieren, sondern dauerhaft verstehen, ansto-ßen, weiterentwickeln und für die Menschen greifbar machen – auch im Mittelstand. Dies schließt die Gestaltung von Organi-sationsstrukturen ein, die den Realitäten der Digitalisierung entsprechen und auf

die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet sind. Wenn HR diese Themen umfassend und proaktiv besetzt, kann es sich zur zen-tralen Schnittstelle des Wandels im Unter-nehmen entwickeln.

Schritt 3: Unternehmensweit digitale Kompetenz aufbauenWir halten fest: HR benötigt zunächst die eigene Transformation, bevor es andere transformieren kann. Diese Logik kann auf das gesamte Unternehmen projiziert werden. Nur diejenigen Mitarbeiter und Führungs-kräfte, die die Prinzipien und Konzepte hin-ter der Digitalisierung umfassend verstanden haben und die notwendigen Kompetenzen besitzen, werden auch die zukünftigen digita-len Produkte, Dienstleistungen und Geschäfts-modelle entwickeln können. Möchten Un-ternehmen nicht dauerhaft von Beratern und externen Dienstleistern abhängig sein, dann muss das Know-how, das für die Di-gitalisierung benötigt wird, intern aufgebaut werden. Schon heute wird deutlich, dass Neueinstellungen nicht ausreichen werden, um digitale Kompetenz in das gesamte Un-ternehmen einzuspeisen.

Die Aufgabe des systematischen Kompe-tenzaufbaus muss sich emanzipieren: weg von der weichen Zusatzaufgabe, hin zur essenziellen Kernaufgabe, die darüber ent-scheidet, wie selbstbestimmt und ernsthaft ein Unternehmen an der Digitalisierung teilhat. HR trägt hierbei Verantwortung, in der gesamten Organisation sicherzustellen, dass digitales Know-how kein exklusives Gut darstellt, das wenigen Experten vor-behalten ist. Fernab der Digitaleinheiten und Innovation Labs existiert in manchen Unternehmen eine „analoge“ Parallelgesell-schaft, in der all das nicht akzeptiert wird, was für den „Digital Native“ trivial erscheint. Dieser Aspekt trifft in besonderem Maß auf das mittlere Management zu, das von „oben“ mit visionären Digitalfloskeln ge-speist und von „unten“ mit operativen Um-setzungsproblemen konfrontiert wird, ohne genau zu verstehen, wie dieser gordische Knoten zu lösen ist.

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DIGITALKOMPETENZ IN 1,8 TAGEN ERLANGEN?

Fehlende digitale Kompetenz ist meist ein Versäumnis der Unternehmen und weni-ger der betreffenden Personen selbst. Wo-her sollen Mitarbeiter, die vor vielen Jah-ren eine Berufsausbildung oder ein Studi-um abgeschlossen haben, ihre digitalen Fähigkeiten erlangt haben? Bisher fehlt es an systematischen Mechanismen, die das Lernen und Weiterentwickeln aller Mit-arbeiter im Unternehmensumfeld nicht nur erlauben, sondern dezidiert fördern, sowohl innerhalb der Tätigkeit als auch außerhalb. Erschwerend kommt hinzu, dass laut Bitkom-Studie von Ende 2018 deutsche Unternehmen durchschnittlich gerade einmal 1,8 Qualifizierungstage ge-währen. Jeder kann sich selbst ausrechnen, wie viel digitale Kompetenz in 1,8 Tagen aufgebaut werden kann. Das Weltwirt-schaftsforum rechnete in seiner Studie „The future of jobs“ mit einem Lernbedarf von 101 Tagen pro Mitarbeiter bis zum Jahr 2022, was etwa 25 Lerntagen pro Jahr ent-spricht.

Dem Management muss klar sein, dass sich Digitalisierung nicht nur in Scrum Teams und Innovation Hubs abspielen darf, son-dern alle Teilbereiche durchdringen muss. HR kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Es muss diesen Wandel der Unternehmenskom-petenzen nicht nur moderieren, sondern auch methodisch und fachlich vorantreiben. Da diese Aufgabe eine enorme Dimension besitzt, braucht es auch neue Mechanismen zur Zusammenarbeit mit internen und ex-ternen Experten, die Impulse und speziel-les Domänenwissen in diesen Prozess ein-fließen lassen. Für jeden Mitarbeiter gilt es, bestehende und zukünftige Rollen zu hin-terfragen und zu definieren: Welche Pro-file werden in den Fachbereichen zukünftig benötigt? Wo gibt es besonders dringen-den Nachholbedarf? Worin unterscheiden und ergänzen sich die jeweiligen Fähigkei-ten? Wie können diese Fähigkeiten ange-eignet werden?

Der Kompetenzaufbau für die Digitalisie-rung wird durch den Umstand erschwert, dass noch viel Unklarheit darüber besteht, was unter Digitalkompetenz eigentlich zu verstehen ist. Auch in dieser Diskussion ist Verantwortung von HR gefragt. Zunächst muss es eine sinnvolle Struktur in diese teilweise willkürlich geführte Diskussion bringen. Dazu gehört die Definition von Kompetenzen als Symbiose bestimmter Fä-higkeiten und Fertigkeiten und eben nicht deren synonyme Verwendung.

Man könnte argumentieren, dass der Be-griff Digitalkompetenz ablenkend ist, da es im Kern nicht um eine konkrete neue Kompetenz geht, sondern vielmehr um eine neuartige Gewichtung und Zusam-mensetzung bestehender Fähigkeiten und Fertigkeiten. Somit müsste HR gemeinsam mit den Fachabteilungen das Delta zwi-schen dem Status quo vorhandener Kom-petenzen und den benötigten Rollen der Zukunft definieren. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die voraussetzt, dass HR einer-seits ausreichend Informationen über vor-handene Kompetenzen aller Mitarbeiter besitzt und andererseits zukünftig benötig-te Rollenbilder von Mitarbeitern und Füh-rungskräften schon kennt.

NEUE KOMPETENZARCHITEKTUR

Jedes dieser Rollenbilder basiert auf be-stimmten Fähigkeiten und Fertigkeiten. Das Weltwirtschaftsforum sieht bis 2022 wachsende Relevanz unter anderem in den Fähigkeiten des analytischen Denkens, des aktiven Lernens, der Kreativität und des Verständnisses für Technologiedesign. Rück-läufige Relevanz zeigt sich in manuellen Fähigkeiten, in Gedächtnisleistungen so-wie in der Verwaltung von Ressourcen. Diese pauschalen Tendenzen gilt es auf die jeweiligen Bedingungen von Branchen und Unternehmen herunterzubrechen und zu konkretisieren, um letztlich eine Kompe-tenzarchitektur zu entwickeln, die unter-nehmensweit ausgerollt werden kann. Da die zukünftigen Rollenbilder nicht von der

Unternehmens- / Digitalstrategie entkoppelt sein dürfen, wird einmal mehr deutlich, wie intensiv HR auf strategischer Ebene in den Transformationsprozess eingebunden sein sollte.

HR wird zum Aufbau der benötigten Kom-petenzen eine Vielzahl unterschiedlicher Kompetenzpfade für das jeweilige Unter-nehmen benötigen. Themenauswahl, An-spruchsniveau und didaktisches Konzept können sich zwischen den Rollenbildern stark unterscheiden, da es höchst unter-schiedliche Lerntypen unter den Mitarbei-tern gibt. Die Entwicklung und Auswahl geeigneter Lernstrategien wird sich zu ei-ner kontinuierlichen Aufgabe entwickeln, die ein hohes Maß an Verständnis für neu-artige Lernformate, etwa Hands-on-Work-shops, E-Learning oder Augmented / Vir-tual Reality, voraussetzt.

FAZIT: HR WIRD DRINGEND GBRAUCHT!

HR wird im digitalen Transformationspro-zess dringend gebraucht – nicht als Verwal-ter, sondern als Gestalter. Bevor es sich die-ser Rolle annehmen kann, braucht es einen deutlichen Wandel dieser Funktion, denn die neue Rolle wird HR nicht zufliegen. Hier bestehen eine Hol- und eine Bring-schuld. Das Senior HR-Management wird die Rolle des Transformators innerhalb der Unternehmensstruktur einfordern müssen, um gemeinsam mit den anderen Unterneh-mensfunktionen an einer neuen Logik des Wandels zu arbeiten. Technische Bereiche sollen nicht im Widerspruch zu diesem An-satz stehen, sondern gemeinsam mit HR eine konsistente Einheit bilden, die stärker als bisher auf die Realitäten des Menschen ausgerichtet ist. Da HR eine mehr als signifi-kante strategische Rolle im Wandlungspro-zess einnehmen muss, wird es zunehmend wichtig sein, dass HR über Netzwerke und Sparringspartner dafür sorgt, nicht nur in-krementelle Änderungen zu integrieren, sondern auch die großen Neuerungen auf-zuspüren und strategisch vorzubereiten. •●

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Weil viele Unternehmen die Architektur ihrer Marktfunktionen agil gestalten, sehen sich Zentralfunktionen unter Zugzwang. Insbesondere die HR-Funktion als Souverän des Wandels von Organisationen orientiert sich vielerorts an agilen Modellen. Dabei ist die agile Organisation weniger eine Univer-sallösung als vielmehr eine von mehreren Optionen zur Strukturierung der HR-Funktion. Ein situativer Ansatz für die (agile) HR-Transformation.

Agil oder nicht agil…

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Agilität – hier verstanden als die Fähig­keit einer Organisation, sich schnell einer dynamischen Umwelt  anzu­

passen – ist das bestimmende Thema auf der Agenda des Topmanagements. Und zwar nicht erst seit der digitalen Revolution: Um die  ebenso  schnelle wie präzise Artillerie der Royal Navy zu seinem Vorteil zu nut­zen, pflegte Admiral Nelson die traditionel­le Linienformation der britischen Flotte auf­zulösen und sie in mehrere kleine, wendige und schlagkräftige Gruppen von Schiffen einzuteilen.  In  modernen  Unternehmen 

bewährte sich das Konzept der Agilität zu­nächst in der Softwareentwicklung, wo mit iterativen (im Gegensatz zu linearen) Mo­dellen den Herausforderungen von ständig wechselnden Anforderungen, unklaren Er­wartungen und technologischer Komplexi­tät  begegnet werden konnte. Mittlerweile wird über die Softwareentwicklung hinaus längst  auch  in der Produktion,  Strategie­ oder Produktentwicklung nach agilen Vor­gehensweisen gearbeitet. 

Die HR­Funktion als Gralshüterin des or­ganisationalen Wandels  scheint  sich der agilen Transformation  schwer  entziehen zu können. Rund ein Drittel der Persona­ler  in  Deutschland,  Österreich  und  der Schweiz gibt an, dass sich die eigene HR­

Funktion an einem agilen Zielbild orien­tiert  (Kienbaum  /  DGFP  2018).  In der Auseinandersetzung mit heute heiß diskutier­ten Führungs­ und Organisationsmodellen und eingedenk der oft reißerischen Bedro­hungsszenarien mit Blick auf digitale Techno­logien und neue Medien entsteht leicht der Eindruck, dass Agilität zur Heilsbringerin des digitalen Zeitalters verklärt wird. Da­bei wird eine agile Organisation keinesfalls allen denkbaren  strategischen Herausfor­derungen der HR­Funktion gerecht – und ist noch dazu an spezifische Voraussetzun­gen des Umfelds geknüpft. Nötig sind also mehrere Optionen für eine strategisch aus­gerichtete und organisatorisch wirksame HR­Transformation. 

Im Rahmen unserer Projekterfahrung ha­ben wir  zahlreiche mittelständische und große Unternehmen im In­ und Ausland bei der Transformation ihrer HR­Funkti­on begleitet. Dabei haben wir beobachtet, dass  sich HR­Funktionen  typischerweise für eine von fünf Möglichkeiten zur Struk­turierung ihrer Organisation entscheiden. Aus dieser Erfahrung haben wir  eine Ent­scheidungsmatrix, das „HR Transformation Canvas“,  abgeleitet.  Diese  Matrix  bietet Orientierung hinsichtlich der Auswahl eines geeigneten Target Operating Model für die HR­Funktion in Abhängigkeit von der spe­zifischen Ausgangssituation im Unterneh­men. 

Dem HR Transformation Canvas liegt die zentrale Annahme zugrunde, dass es keine allgemeingültige  Antwort  auf  die  Frage, wie sich die HR­Funktion organisieren soll­te,  geben kann  (Jochmann 2017).  Statt­dessen  ist die Entscheidung für (oder ge­gen) ein Organisationsmodell abhängig von der internen und externen Situation der je­weiligen HR­Funktion. Strategisches Ziel muss die Kongruenz der Fähigkeiten der HR­Funktion und der Anforderungen des Unternehmens  sein. Gleichwohl die Op­tionen zur Strukturierung der HR­Funk­tion theoretisch beliebig viele sind, lassen sie sich aufgrund inhaltlicher Ähnlichkei­

FRANK STEIN ▶ Consultant, Kienbaum Consultants International, Köln ▶ [email protected]

PROF. DR. WALTER JOCHMANN ▶ Managing Director und Partner, Kienbaum Consultants International, Köln▶ [email protected]

DIE AUTOREN

ten zu Gruppen von Organisationslösun­gen zusammenfassen. Als Kriterien für die Auswahl einer dieser Lösungen dienen die folgenden Treiber oder auch Situationsva­riablen:

Offenheit der Organisations- und Füh-rungskultur für Veränderungen: Die Ge­schichte und Tradition der Organisation einschließlich der gelebten Praxis von Füh­rung und Zusammenarbeit definieren die Kultur des Unternehmens im Allgemeinen und die Anforderungen an die HR­Funk­tion im Besonderen. Die oft zitierte Weisheit, dass Agili­tät zuerst und vor allem eine Geisteshaltung  sei,  ist  auch bei  der  Suche  nach  einem geeigneten Organisationsmo­dell für die HR­Funktion va­lide: Etwa kann die Entwick­lung einer agilen HR­Orga­nisation nur dann nachhal­tig sein, wenn die Kultur der Organisation und die Kom­petenzen der Belegschaft auf eine  agile HR­Transforma­tion vorbereitet sind. 

Komplexität und Größe des Unternehmens:  Faktoren wie Rechtsform, Markt­ und Kundenstruktur sowie Inter­nationalität eines Unterneh­mens haben ebenso Relevanz für die Organisationslösung der HR­Funktion wie Beleg­schaftsgröße und  ­struktur. Zum Beispiel bedarf ein Un­ternehmen mit  internatio­naler Präsenz eines Organi­sationsmodells für seine HR­Funktion, das sich grundsätz­lich  auch  global  ausrollen lässt. 

Agilität des Unternehmens: Wie stark die Aufbau­ und Ablauforganisation des Un­ternehmens  insgesamt und  insbesondere seiner  Marktfunktionen  agile  Merkmale 

PERSONALFÜHRUNG 5/2019PERSONALFÜHRUNG 5/2019

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aufweisen, hat einen bedeutsamen Einfluss auf den Grad an Agilität, der durch die or­ganisatorische Aufstellung der HR­Funk­tion abgebildet werden muss. So erwarten Unternehmen, deren Prozesse  sich durch eine hohe Geschwindigkeit, Reaktions­ und Anpassungsfähigkeit auszeichnen, typischer­weise auch, dass  ihre HR­Funktion diese Dynamik innerhalb der eigenen Organisa­tion nachvollziehen kann.  

Innovativität des Geschäftsmodells: Ob ein Unternehmen  seinen  Umsatz mehr­

heitlich mit seinem bestehenden, traditio­nellen Geschäftsmodell auf Basis von stan­dardisierten  Produkten  und  einfachen Dienstleistungen macht oder bereits neue Geschäftsmöglichkeiten mit umfassenden 

Angeboten und integrierten Lösungen ent­wickelt  hat,  beeinflusst  die Auswahl  eines Orga nisationsmodells für die HR­Funktion insofern, als dass eine Veränderung in den strategischen Zielen und Prioritäten des Unter­ nehmens von den Bausteinen der HR­Orga­nisation reflektiert werden muss. Beispiels­weise verlangt ein digitalisiertes Geschäfts­modell  verstärkt  nach  innovativen  HR­Leistungen wie Future Workforce Design.

Reifegrad der HR-Funktion: Der Reife­grad der HR­Funktion – gemessen an ihrer 

strategischen Ausrichtung und Positionie­rung, ihren Mitspracherechten und Entschei­dungsbefugnissen, ihrer Prozessqualität und Kundenorientierung sowie ihrer Kompetenz und Erfahrung mit Transformationsprozes­sen – bestimmt sowohl das Niveau, von dem aus sich die HR­Funktion weiterentwickelt, als auch das realistische Zielbild, auf das sie hinwirken sollte. Zum Beispiel setzt der Auf­bau  agiler Teams mit Ende­zu­Ende­Ver­antwortung  eine detaillierte  Beschreibung der wichtigsten HR­Prozesse voraus. 

FÜNF ÜBERGEORDNETE TARGET OPERATING MODELS

Anhand der Ausprägung der Situationsva­riablen können  sich HR­Funktionen  für eines von fünf übergeordneten Target Ope­rating  Models  entscheiden.  Gleichwohl diese  Typologisierung  per  definitionem vereinfacht, beschreibt sie doch relativ ge­nau die unterschiedlichen Optionen  zur Strukturierung der HR­Funktion:

1. Modell „Stab und Linie“: Klassisch strukturiertes Organisationsmodell mit funktionalen beziehungsweise kompetenz­basierten Teams; Ausrichtung an prag­ma  tischen Kundenerwartungen und realis­ tischen Mitarbeiterprofilen; starker Fo­kus auf ganzheitlichen Prozessen mit Be­ratung, Betreuung und Administration; Teams halten demnach sowohl tiefe HR­Expertise als auch Erfahrung in Personal­sachbearbeitung vor. Beispiel: Personal­ und Organisationsreferat einer Großstadt in Süddeutschland mit insgesamt sechs Abteilungen (z. B. für Recht, Personalent­wicklung oder Fort­ und Weiterbildung) sowie vier Stabsstellen (z. B. Fachdienst für Arbeitssicherheit). 

2. Modell „Run ’n’ Change“: Duales Or­ganisationsmodell mit Bündelung des operativen HR­Geschäfts und der dazu­gehörigen Prozesse in einer Organisa­tionssäule; Aufbau einer zweiten Orga­nisationssäule für transformationale HR­Leistungen. Beispiel: Corporate HR De­

Die HR-Funktion muss sich von überholten Strukturen und Prozessen trennen, wenn der Sprung in ein agiles Zeitalter gelingen soll.

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partment  eines  deutschen  Finanz­dienstleisters mit einerseits „Center of Operational Excellence“  zur Gewähr­leistung und Stabilisierung des Betriebs durch Automatisierung und Optimie­rung operativer HR­Prozesse; anderer­seits „Center of Competence“ zur Unter­stützung der Unternehmenstransforma­tion mit Employer Branding sowie Per­sonal­ und Organisationsentwicklung.

3. Modell „Business Partner“: Szenario nach Dave Ulrich mit den drei Rollen Business Partner, Center  of Compe­tence (CoC) und Shared Service Cen­ter  (SCC);  Business  Partner  als  zen­traler Ansprechpartner für die internen Kunden (in der Regel Führungskräfte), CoC  zur Zentralisierung  von Exper­tenfunktionen und SSC zur Bündelung von administrativen Leistungen; scharfe Schnittstellen  und  klare  Verant­wortlichkeiten  sowohl  auf nationaler als auch auf internationaler Ebene; mit­unter  flexible Abbildung  spezifischer Unternehmensstrukturen durch Einfüh­rung von Mischrollen (Local HR). Bei­spiel: HR­Organisation eines internati­onalen Energieunternehmens mit SSC­Einheiten (hier „HR Operations“), Busi­ness­Partner­Rolle (hier „Business Solu­tions“) und CoC­Organisation (nament­lich Talent Management, Rewards und Labour Affairs);  zusätzlich Mischrolle „HR Support“ als Kombination aus „HR Operations“ und  „Business Solutions“ für dezentrale Personalberatung und ­be­treuung sowie Management der Mitbe­stimmung in den Kraftwerken. 

4. Modell „Ambidextre Organisation“: Wie bei Modell „Run ’n’ Change“ Dif­ferenzierung  von  HR­Kerngeschäft und HR­Transformationsgeschäft; da­rüber  hinaus  Kombination  von  sta­bilen Strukturen, insbesondere in den Kundenrollen (z. B.  lokale HR­Part­ner), und agilen Teams, insbesondere in den Expertenrollen  (z. B. Einsatz integrierter Recruiting­Teams beste­

hend aus Vertretern von Geschäft und Personalwesen). 

5. Modell „Agile Teams“: Flächendeckende Einführung agiler Teams  in der HR­Funktion, deren zentrale Merkmale En­de­zu­Ende­Verantwortung und cross­funktionale Zusammenarbeit sind. Hier sind  grundsätzlich  mehrere  Modelle denkbar –  von der Strukturierung  in Squads (interdisziplinäre Produktteams), Tribes (Zusammenschluss von Squads mit  gemein samer  Business  Mission) und Chapters (Wissens­ und Erfahrungs­

schwerpunkte über die Squads hinweg) (sog. „Spotify“­Organisation);  über die Integration der HR­Funktion  in die Marktfunktionen (Embedded HR); bis hin zur rein projektbasier ten HR­Or­ganisation, in der aus einem zentralen Staffing­Pool die Mitarbeiter bedarfs­orientiert beziehungsweise kompetenz­basiert  zu  immer neuen,  zeitlich be­grenzten Projektteams formiert werden.

HR­Funktionen geraten in der Regel immer dann unter Transformationsdruck, wenn ihr bestehendes Organisationsmodell an Liefer­

fähigkeit einbüßt. Dieser Moment ist für die strategische Positionierung der HR­Funkti­on im Unternehmen entscheidend. Denn ge­rade dynamische Marktfunktionen zögern nicht, eigenständig HR­Kompetenz aufzu­bauen, wenn die HR­Funktion ihre akuten Bedarfe nicht mehr deckt. So zum Beispiel beobachten wir  immer wieder, dass vor al­lem in Großunternehmen die Fachbereiche ihre Strategische Personalplanung und ­rekru­tierung unter Ausschluss der HR­Funktion durchführen, weil dort ihrer Wahrnehmung nach weder die  erforderlichen  (Geschäfts­)Kompetenzen  vorgehalten  noch  quali tativ 

hochwertige Prozesse durchgeführt werden. In solchen Fällen steht das HR­Management vor der Herausforderung, die  strategische Ausrichtung und organisatorische Aufstel­lung der HR­Funktion einem substanziel­len Wandel  zu unterziehen  (vgl. Ulrich  / Kryscynski / Ulrich / Brockbank 2017). 

AUSWAHL EINES GEEIGNETEN HR TARGET OPERATING MODEL

Grundlage einer umfassenden HR­Trans­formation bildet die Auswahl eines geeig­neten Target Operating Model. Welches 

FÜNF TARGET OPERATING MODELS FÜR DIE HR-TRANSFORMATION

Abb.Quelle: Kienbaum Consultants International

AUSPRÄGUNG

Run ’n’Change

BusinessPartner

AmbidextreOrganisation

AgileTeams

Stabund Linie

O�enheit der Organisations-und Führungskultur fürVeränderungen

Komplexität und Größedes Unternehmens

HR Target Operating Model

Agilität des Unternehmens

Innovativitätdes Geschäftsmodells

Reifegradder HR-Funktion

SITU

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HR TARGET OPERATING MODEL

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Zielbild die HR­Funktion anstreben sollte, ergibt sich aus der Ausprägung der Situ ations­variablen. Unser HR Transformation Canvas illustriert die einzelnen Zusammenhänge der Situationsvariablen  mit  den  fünf  Target Operating  Models  (s.  Abb.).  Dabei  be­stimmt die Ausprägung der Situationsva­riablen die empfohlene Anpassung der HR­Struktur.

Zunächst  treffen wir die Annahme, dass die Entwicklung von einem Organisations­modell zum nächsten mehr oder weniger evolutionär verläuft. Demnach beschreibt das Modell  „Stab und Linie“ das untere Ende und das Modell „Agile Teams“ das obere Ende der Abszisse unserer Entschei­dungsmatrix.  In der Praxis  vollzieht  sich die Transformation einer HR­Funktion oft nicht linear – etwa strebt heute in den meis­ten Fällen  eine Stab­Linien­Organisation direkt  das Business­Partner­Modell  und eine Drei­Säulen­Organisation  unmittel­bar ein agiles Modell an. Trotzdem ist eine disruptive Transformation, in welcher zum Beispiel eine Stab­Linien­Organisation voll­ständig durch eine agile Organisation er­setzt wird, kein realistisches Szenario. Auch liegt unserer Anordnung des Target Ope­rating Model keine Wertung zugrunde – etwa postulieren wir nicht, dass eine agile Organisation automatisch das „beste“ aller möglichen Modelle ist. Doch nicht zuletzt die historische Entwicklung, nach der sich die unterschiedlichen Modelle in den HR­Organisationen  etabliert  haben,  legt  die von uns festgelegte Reihenfolge nahe.

Als nächstes betrachten wir die Ausprägung der einzelnen Situationsvariablen und das resultierende Organisationsmodell für die HR­Funktion: Abgesehen von der Varia­blen „Komplexität und Größe des Unter­nehmens“  können  wir  beobachten,  dass eine  zunehmend  starke  Ausprägung  der (anderen) Situationsvariablen die Einfüh­rung moderner bis agiler Target Operating Models  suggeriert: Eine konservative, auf Stabilität ausgerichtete Organisations­ und Führungskultur würde ein agiles Organisa­

tionsmodell der HR­Funktion konterka­rieren. Zwar kann es das Mandat der Perso­naler sein, eine agile Geisteshaltung in Or­ganisation und Belegschaft perspektivisch zu kultivieren; dennoch können Struktur­merkmale wie selbstorganisierte und cross­funktionale Teams ihr Potenzial nicht unab­hängig von etablierten Routinen und Institu­tionen im Unternehmen entfalten. Daher gilt: Je offener die Organisations­ und Füh­rungskultur  eines Unternehmens  gegen­über Veränderungen  eingestellt  ist,  desto leichter  lässt  sich  eine  agile HR­Struktur implementieren.

Ein Unternehmen, dessen endkunden­ und marktnahe Funktionen bereits agil organi­siert sind, macht die Ableitung von entspre­chen den strategischen Imperativen für die HR­Organisation  obligatorisch.  Darum korreliert der Agilitätsgrad des Unterneh­mens positiv mit dem Agilitätsgrad der HR­Funktion.  Anders  gesagt  wäre  ein  agiles Target Operating Model im Kontext einer stabilen Unternehmensstruktur nicht logisch. 

Primär  effizienzorientierte  Geschäftsmo­delle erfordern HR­Funktionen, deren Or­ganisation die  ständige Optimierung be­stehender Prozesse unterstützen; hierfür eignen sich funktional durchgesteuerte Tar­get Operating Models wie „Stab und Li­nie“. Dagegen bedürfen schwerpunktmä­ßig  innovationsorientierte Geschäftsmo­delle solcher HR­Funktionen, die stark auf Veränderung fokussieren und kreative Lö­sungen anbieten;  in diesem Fall  erschei­nen agile Modelle für die HR­Organisati­on plausibel.  Interessant  ist die Betrach­tung dualer Geschäftsmodelle, also das si­multane Management von Bestands­ und Neugeschäft (einschließlich der zugrunde liegenden Wertschöpfungsketten) in dem­selben Unternehmen; unter  solchen Be­dingungen vermag eine ambidextre HR­Organisation mit unterschiedlichen Bera­tungs­ und Betreuungsmodellen  für Be­stands­ und Neugeschäft die „Beidhändig­keit“ der internen Kunden bestmöglich zu spiegeln. 

Der Aufbau einer agilen Organisation setzt einen hohen Reifegrad der HR­Funktion und ihrer Mitarbeiter voraus. Die  indivi­duellen und Organisationskompetenzen in der HR­Funktion sowie die wahrgenom­mene Qualität ihrer Prozesse und Leistun­gen können zum Engpass für agile Prinzi­pien wie cross­funktionale Teams mit En­de­zu­Ende­Verantwortung,  Integration mit Endkunden­ und Marktfunktionen so­wie überwiegend projektbasiertes Arbeiten geraten. Damit  agile HR­Strukturen  die gewünschte  Wirkung  erzielen  und  auch von den internen Stakeholdern als Mehr­wert erachtet werden, sollte die HR­Funk­tion vorab einen hohen Entwicklungsstand nachweisen,  bevor  sie  sich  avantgardisti­schen Ideen zuwendet.

Die Komplexität und Größe des Unter­nehmens ist die einzige von den hier beschrie­benen Situationsvariablen, deren zunehmen­de Ausprägung nicht  automatisch  in die Empfehlung eines agilen Target Operating Model mündet. Stattdessen beobach ten wir einen kurvenlinearen Zusammenhang: Klei­ne Unternehmen mit wenig Ressourcen in der HR­Funktion präferieren mehrheitlich schlank  aufgestellte,  funktionale  Target Operating Models (vgl. „Stab und Linie“ oder „Run ’n’ Change“), die sehr stark über ihre Experten­ und Steuerungsfunktion de­finiert sind und sich auf ausgewählte Pro­zesse und Leistungen konzentrieren. Gro­ße Unternehmen und Konzerne operieren schwerpunktmäßig mit ausdifferenzierten Mehr­Säulen­Modellen (vgl. „Business Part­ner“ oder „Ambidextre Orga nisation“), die in der Lage sind, ihre komplexen, oft  in­ternationalen Strukturen abzu bilden. Agi­le Modelle eignen sich daher am besten für mittlere Unternehmen mit starkem Fokus auf ausgewählte Kunden und Märkte.  

Wir  empfehlen Personalentscheidern bei der Schärfung des Zielbilds für ihre HR­Funktion als  initiale Übung die differen­zierte Analyse  ihres Umfelds  entlang der Variablen in unserem HR Transformation Canvas.  Je nachdem,  für welches Target 

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Operating Model sie sich schließlich ent­scheiden, werden sie mit unterschiedlichen Herausforderungen bei dessen Implemen­tierung konfrontiert. Diese Herausforde­rungen rangieren von einer Neupositionie­rung in Fokusthemen wie Führung, Kul­tur und Veränderung über den Ausbau von für die Reorganisation  erforderlichen Fä­higkeiten  im  eigenen Personalkörper bis hin zu einem begleitenden Marketing­ und Stakeholder­Management;  auch die Ent­wicklung eines strategischen Zielbilds  für die eigene IT­Landschaft  stellt eine Hür­de dar, die gerade bei der Auswahl von sol­chen Target Operating Models genommen werden muss, die stark auf die Digitalisie­rung  von Standardprozessen  rekurrieren (z.  B.  Embedded  HR)  (vgl.  Jochmann 2016). Aus aktuellem Anlass wollen wir im Folgenden die größten Herausforderungen bei der Einführung agiler Organisationslö­sungen für die HR­Funktion vorstellen.

HERAUSFORDERUNGEN BEI DER EINFÜHRUNG AGILER TEAMS

Gleichwohl wir  in diesem Artikel  für  ei­nen situativen Ansatz im Management der HR­Transformation  plädieren,  möchten wir aufgrund des anhaltenden Interesses an agilen Modellen auf die besonderen Heraus­forderungen  bei  der  Einführung  agiler Teams in der HR­Funktion eingehen. Wir weisen indes darauf hin, dass die wenigs­ten HR­Funktionen heute vollständig agil aufgestellt  sind. Einige haben  zuerst mit agilen Methoden experimentiert und die­se dann in ausgewählten HR­Prozessen an­gewendet  (z.  B.  Personas  im  Employer Branding). Andere arbeiten selektiv in cross­funktionalen Teams mit Ende­zu­Ende­Ver­antwortung (z. B.  integriertes Recruiting). Während sich agile Methoden grundsätz­lich  auch  im Kontext  stabiler Strukturen verproben lassen, und daher insbesondere für die HR­Funktionen kleinerer Unter­nehmen ein Einfallstor für agiles Arbeiten darstellen, sind vollagile HR­Organisatio­nen vor  allem bei mittleren bis  größeren Unternehmen zu beobachten. 

Davon unabhängig hat unsere Projekter­fahrung gezeigt, dass eine erfolgreiche Wei­terentwicklung der HR­Funktion zur agi­len Organisation Personalern die Bewälti­gung  spezifischer Herausforderungen ab­verlangt: Zum einen erfordert der nachhal­tige Ausbau agiler Strukturen die Verfüg­barkeit interner und externer agiler Coaches. Eine agile Transformation nämlich kann nur durch die  enge Zusammenarbeit  zwischen HR­Funktion, angebundenen Marktfunk­tionen, internen Kunden und strategischen Partnern sowie Experten für agile Manage­

mentmodelle und ­methoden gelingen. Da­bei begleiten agile Coaches mit ihrem ausge­prägten Methodenwissen die Überwindung etablierter  Prozesse  und  Strukturen  und moderieren neue Möglichkeiten der Ver­netzung und Zusammenarbeit. 

Darüber hinaus braucht es im Rahmen einer agilen  HR­Transformation  immer  auch eine arbeitsrechtliche Begleitung, insbeson­dere um Fragen der zukünftigen Führung und Zusammenarbeit sowie Leistungssteue­rung und Vergütung  zu  adressieren. Die 

Besetzung  cross­funktionaler  Teams  hat zwangs läufig zur Konsequenz, dass Mitar­beiter, die vormals keine Führungsverant­wortung getragen haben,  eine Führungs­rolle übernehmen – und umgekehrt. Die­se Neuzuordnungen haben sowohl direk­tions­ als auch kollektivrechtliche Implika­tionen und bedürfen neben der Anpassung von Arbeits verträgen auch eine Umgestal­tung des Performancemanagement­  und Vergütungssystems (einschließlich Manage­mentlevels und Gehaltsbänder). Beispiels­weise  ist die Vereinbarkeit  von  temporä­

ren Zulagen für Projektverantwortung mit bestehenden Tarif verträgen zu prüfen.  

Schließlich muss die agile HR­Transforma­tion von allen Sozialpartnern aktiv mitgestal­tet werden. Eine intensive Einbindung der Mitbestimmung erweist sich als essenziell, zum einen, damit das reorganisierte Personal­wesen auf Akzeptanz unter den Mitarbeitern der HR­Funktion selbst sowie bei den zu beratenden beziehungsweise betreuenden Führungskräften stößt; zum anderen weil früher oder später Personaler, die ihre neue 

In der Auseinandersetzung mit heute heiß diskutierten Führungs- und Organisationsmodellen und eingedenk der oft reißerischen Bedrohungsszenarien mit Blick auf digitale Technologien und neue Medien entsteht leicht der Eindruck, dass Agilität zur Heilsbringerin des digitalen Zeitalters verklärt wird. Dabei wird eine agile Organisation keinesfalls allen denkbaren strategischen Herausforderungen der HR-Funktion gerecht.

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Rolle nicht akzeptieren wollen, das Unternehmen verlassen

werden.

Eine frühzeitige Verständigung zwischen Personalentscheidern

und Betriebsräten aber ist nicht nur mit Blick auf die Effekti­

vität der HR-Transformation, sondern auch hinsichtlich des

darauf einzahlenden Verfahrens erfolgskritisch. Zum Beispiel

hat eine internationale Direktbank, um die Akzeptanz ihrer

agilen Transformation in Mitbestimmung und Belegschaft zu

fördern, die Neubesetzung ihrer Rollen w1d Teams mit einem

transparenten diagnostischen Prozess begleitet.

FAZIT

Francis Fukuyama verkündete 1992 das „Ende der Geschich­

te" und traf damit die Feststellung, dass nach dem Zerfall der

Sowjetunion sich endgültig und universell der Liberalismus

mit Demokratie und freier Marktwirtschaft als beste aller mög­

lichen Regierungsformen durchgesetzt hat. Wenn wir also da­

von ausgehen, dass auch Org,misatiommodelle ei•ic h1ston­

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