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Persönlichkeitsentwicklung: Ich-Entwicklungsstufen Petra Krings
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Nichts von alledem. Es wird weder um das individuelle Ich der ein-
zelnen Teilnehmenden gehen (das wäre in diesem Rahmen auch
nicht möglich), noch um psychoanalytische Ansätze. Die Teilneh-
menden lernen vielmehr das Ich als einen Prozess kennen, der
gezielt vorangebracht werden kann und dabei der eigenen Füh-
rungspersönlichkeit immer breitere Handlungsoptionen eröffnet.
2 Persönlichkeit und Führung
Was macht „Persönlichkeit“ aus? Und was „Führungspersön-
lichkeit“?
Persönlichkeit – mehr als EigenschaftenBis heute existiert keine allgemein anerkannte Definition des Be-
griffs „Persönlichkeit“. Persönlichkeit umfasst Faktoren (bekann-
testes Beispiel: die „Big Five“2), Bereiche (zum Beispiel Physis,
Fähigkeiten, Bedürfnisse und Motive, Werthaltungen) und zahlrei-
che weitere Aspekte (zum Beispiel kulturelle Prägungen) (Asen-
dorpf/Neyer 2012).
Führungspersönlichkeiten sind unterschiedlichIn der Führungskräfte-Diagnostik, zum Beispiel bei Einstellungen,
werden meist persönliche Eigenschaften (zum Beispiel Offenheit
gegenüber neuen Erfahrungen), überdauernde Leistungsmerkmale
(zum Beispiel Intelligenz) und spezifischen Handlungskompeten-
zen (zum Beispiel Handeln in Konfliktsituationen) in den Blick ge-
fasst. Die Anforderungen an die Persönlichkeit der Führungskraft
sind dabei höchst unterschiedlich. Wer etwa vor allem innovative
Problemlösungen schaffen soll, braucht ausgeprägte intellektuelle
Wendigkeit mehr als eine Führungskraft, die in erster Linie einen
bestehenden Vollzug sicherstellen soll. Auch je nach Ebene der
Organisation ist das Set erforderlicher Eigenschaften, Merkmale
und Kompetenzen unterschiedlich. Für die oberste Führungsebene
von Unternehmen sind hohe Ausprägungen von strategischer
Sicht und Kreativität maßgebliche Erfolgsfaktoren (Kaplan/Soren-
sen 2016). Die Gegenpole dieser Eigenschaften, wie Genauigkeit
und Aufmerksamkeit auch für Details, sind stärker von Bedeutung
für nachgeordnete Führungsebenen, bei denen die Umsetzung im
Fokus steht. Für die Ausbildung im technischen Referendariat, das
auf alle Führungsaufgaben gleichermaßen vorbereiten soll, rückt
daher ein Aspekt der Persönlichkeit in den Vordergrund, der sich
übergreifend auf alle Führungsaufgaben und auf alle Führungspo-
sitionen auswirkt: die Weiterentwicklung des Ichs.
Ich- Entwicklung als übergreifender PersönlichkeitsaspektIch-Entwicklung ist ein übergreifender Aspekt der Persönlichkeit,
der bei jedem Menschen wirksam ist,
2 Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit, Neurotizismus, vgl. Asendorpf/Neyer 2012, S. 107.
Schlagwörter / Keywords
Technisches Referendariat, interdisziplinäres Speyer-Forum, Per-
sönlichkeitsentwicklung, Entwicklungspsychologie, Ich-Entwick-
lungsstufen, Führungspersönlichkeit, Führungskräfteentwicklung,
Komplexität, Strategie, VUKA-Welt
Post-graduate civil service training, interdisciplinary Speyer-Fo-
rum, personality development, developmental psychology, ego-
development, leadership qualities, leadership development, com-
plexity, strategy, VUCA-world
Zusammenfassung / Summary
Leitansatz der Reform des technischen Referendariats ist die Aus-
bildung von Führungskräften in Verwaltung und Wirtschaft. In der
VUKA-(Volatilität, Ungewissheit, Komplexität, Ambiguität) Welt
sind Multiperspektivität und Komplexitätskompetenz zen trale An-
forderungen an künftige Führungskräfte. Diese Fähigkeiten sind
nur in engen Grenzen erlernbar. Sie sind vor allem Ergebnis einer
Entwicklung der Persönlichkeit. Das Modell der Ich-Entwicklungs-
stufen zeigt auf, wie diese Entwicklung gezielt gefördert werden
kann. Technische Referendare lernen das Modell im neuen inter-
disziplinären Forum an der Universität Speyer kennen.
Key logic of the reform of post-graduate civil service training is
the training of managers in administration and business. In the
VUCA-(Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) world mul-
tiple perspectives and managing complexity are central require-
ments for future leaders. These skills can be learned only within
narrow limits. They are primarily a result of development of the
personality. The model of ego development stages shows how
this development can be promoted. The model is part of the new
interdisciplinary forum at the University of Speyer.
1 Das Ich als Faktor von Führung
Leitansatz der Reform des technischen Referendariats ist es, Füh-
rungskräfte in Verwaltung und Wirtschaft auszubilden (Kummer
2016). Eines der Module des neuen interdisziplinären Forums an der
Universität Speyer greift deshalb einen Aspekt von Führung auf, der
gerade in den heutigen komplexen und dynamischen Umfeldern be-
deutsam ist: Die Weiterentwicklung des eigenen Ichs.1
Das Ich weiterentwickeln – das kann Vieles heißen und klingt mög-
licherweise sogar etwas beängstigend: Soll im Speyer-Forum in
den Tiefen der Persönlichkeit der einzelnen Teilnehmenden ge-
bohrt werden? Geht es um das Freud’sche Es – Ich – Über-Ich?
1 Modul Persönlichkeitsentwicklung und Führung: Erfolgreich führen in komplexen und sich schnell wandelnden Umfeldern - Die Weiterentwick-lung des eigenen Ichs als Schlüsselfaktor. http://www.uni-speyer.de/de/studium/technisches-referendariat.php#sthash.oWAW3r18.dpuf, abgerufen 30.08.2016.
Persönlichkeitsentwicklung: Ich-Entwicklungsstufen Personality Development: Stages of Ego-Development von Petra Krings
Petra Krings Persönlichkeitsentwicklung: Ich-Entwicklungsstufen
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2016, 26–31). Bis in die 1990er Jahre entwickelte und verfei-
nerte sie das Modell und das Messinstrument immer weiter.
Die wissenschaftliche Belastbarkeit des Modells und seiner
Grundannahmen wurden über die Jahrzehnte hinweg in Hun-
derten von wissenschaftlichen Studien bestätigt (Binder 2016,
113–171).
Das Ich: „Direktor der Persönlichkeit“Das „Ich“ im Sinne der Modells der Ich-Entwicklungsstufen ist
der Kern der Persönlichkeit (Ich als Subjekt), der die unterschied-
lichen Eigenschaften und Merkmale der Person (Ich als Objekt)
integriert und steuert (Abb. 1). Das Ich ist also eine Art „Direktor
der Persönlichkeit“ (Binder 2014).
Das Ich handelt dabei nicht willkürlich, sondern nach einem Be-
zugsrahmen, der seine zentrale Handlungslogik („internal action
logic“, Rooke/Torbert 2005) bildet. Diese zentrale Handlungslo-
gik entscheidet darüber,
worauf eine Person achtet,
welche Schlüsse sie zieht,
wie sie handelt und damit auch,
was ihr im beruflichen Kontext wichtig und möglich ist
(Binder 2007).
4 Die Ich-Entwicklungsstufen
Nach dem Ich-Entwicklungsstufen-Modell sind insgesamt zehn
solcher Ich-Typen unterscheidbar, die jeweils eine spezifische
Handlungslogik aufweisen (vgl. zum Folgenden auch Binder
2016, 21–56).
Das Ich ist dynamischDas Ich einer Person ist dabei nicht feststehend. Die Konfigu-
ration des Ich-Typus ist vielmehr ein Prozess. Auch im Erwach-
senenalter bleibt Weiterentwicklung
möglich (Binder 2016, 83–85).
Ich-Entwicklung als StufenfolgeDie zehn Ich-Typen folgen in einer
bestimmten Reihenfolge als Ent-
wicklungsstufen aufeinander (E 1
bis E 10). Von Bedeutung für das
Erwachsenenalter sind dabei nur die
Stufen E 2 bis E 10 (die Entwick-
lungsstufe E 1 – Präsozialsymbioti-
sche Stufe – bezieht sich auf Säug-
linge). Keine dieser Stufen kann
übersprungen werden. Die Stufen-
folge gilt universell für jeden Men-
schen.
der auch sein Führungshandeln entscheidend prägt und
der bewusst weiterentwickelt werden kann.
Was ist dieses Ich?
3 Das Ich – der „Direktor“ der Persönlichkeit
Die Persönlichkeitspsychologie kennt zahlreiche Ansätze, die das
Ich als übergreifenden Aspekt der Persönlichkeit erklären wollen.
Bekannte Beispiele sind psychoanalytische (z. B. Freuds Es – Ich
– Über-Ich), eigenschaftstheoretische (z. B. „Big Five“) oder neu-
rowissenschaftliche Ansätze (Fokus auf Aktivität des Nervensys-
tems).
Ein empirisches ModellDas Modell der Ich-Entwicklungsstufen beruht im Unterschied
zu vielen Persönlichkeitsmodellen nicht auf normativen Vor-
verständnissen (was ist „gut“,
„moralisch“), Weltbildern oder
philosophischen Ansätzen,
sondern auf empirischer For-
schung. Bei Untersuchungen
zu einem völlig anderen Thema fielen der US-amerikanischen
Psychologin Jane Loevinger (1918–2008) Anfang der 1960er
Jahre in den Antworten der Befragten Muster auf, die sich mit
keinem der bestehenden Persönlichkeitsmodelle erklären lie-
ßen. In den folgenden Jahren erforschten sie und ihr Team diese
Muster durch weitere empirische Untersuchungen. Mit deren
Ergebnissen glich Loevinger ihre Hypothesen immer wieder ab
und verfeinerte gleichzeitig das Messverfahren. Im Jahr 1976
stellte sie schließlich erstmals ihr Konzept vor. Weil die gefun-
denen Muster und deren Entwicklung sich nicht auf einzelne
Aspekte der Persönlichkeit beschränkten, sondern umfassend
waren, nannte Loevinger ihr Konzept: Ich-Entwicklung (Binder
Ich- Entwicklung als über-greifender Persönlichkeits-aspekt.
Abb. 1: Das Ich als „Direktor der Persönlichkeit“
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4. Kognitiver Stil: Die Art und Weise der Denkstrukturen.
Die Denkstrukturen entwickeln sich von einfach und undifferen-
ziert hin zu konzeptionellem und komplexen Denken, Multiper-
spektivität und der Fähigkeit, mit Widersprüchen umzugehen.
Spätere Entwicklungsstufen bieten komplexere OptionenJeder Übergang zu einer nachfolgenden Entwicklungsstufe ist
mit einem grundlegenden Umstrukturierung in diesen vier Berei-
chen verbunden. Ich-Entwicklung ist also kein Prozess der In-
Formation (ein Mehr an Information in einer vorhandenen Struk-
tur), sondern, sondern eine Trans-Formation (es ändert sich die
Struktur selbst, vgl. Abb. 3).
Dabei steigt mit jeder nachfolgenden Entwicklungsstufe die
Komplexität des Ichs. Das bezieht sich sowohl auf die Mög-
lichkeit, Komplexität im Innen und
Außen wahrzunehmen, als auch auf
die Fähigkeit, auf diese Komplexität
integriert zu reagieren (Binder/Türk
2015).
Da jeder Mensch die Entwicklungs-
stufen in derselben Reihenfolge
durchläuft, können Menschen auf
späteren Entwicklungsstufen auch
die Logik früherer Stufen verstehen.
Menschen auf früheren Stufen inter-
pretieren dagegen das Handeln von
Vier Bereiche der Ich-EntwicklungDie Ich-Entwicklung umfasst eine Vielzahl einzelner Aspekte, die
vier Bereichen zugeordnet sind (Binder 2016, 41 f.):
1. Charakter: Der Umgang mit den eigenen Maßstäben und Im-
pulsen.
Der Charakter entwickelt sich von zunächst stark impulsgesteuer-
tem Empfinden und Handeln sowie Furcht vor Bestrafung durch
andere hin zu einem selbst-regulierten Umgang mit sich selbst
und zur Entwicklung eigener Maßstäbe.
2. Interpersoneller Stil: Der Umgang mit anderen.
Der interpersonelle Stil entwickelt sich von stark manipulierend
hin zur Achtung auch der Autonomie anderer und zum Streben
nach Lösungen, die für alle tragfähig sind.
3. Bewusstseins-Fokus: Die Bereiche, auf die sich die Aufmerk-
samkeit richtet.
Der Fokus richtet sich von zunächst vorwiegend externen Din-
gen und eigenen Bedürfnissen zunehmend auch auf interne As-
pekte, Individualität und Entwicklung.
Ich-Entwicklungsstufen bei Erwachsenen
Stufe Bezeichnung
E2 Impulsgesteuerte Stufe
E3 Selbstorientierte Stufe
E4 Gemeinschaftsbestimmte Stufe
E5 Rationalistische Stufe
E6 Eigenbestimmte Stufe
E7 Relativierende Stufe
E8 Systemische Stufe
E9 Integrierte Stufe
E10 Fließende Stufe
Abb. 2: Stufen der Ich-Entwicklung (nach Binder 2016, 49)
Abb. 3: Ich-Entwicklung als Transformationsprozess
Abb. 4: Spätere Entwicklungsstufen sind komplexer
Petra Krings Persönlichkeitsentwicklung: Ich-Entwicklungsstufen
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Besserer Zugang zu strategischen Fragen3: Komplexere und
lang zeitgerichtetere Problem- und Lösungsperspektive – weni-
ger symptomatische und kurzfristige Behandlung von Details.
Besseres Entscheiden unter Unsicherheit: schnelleres Erfas-
sen von Zusammenhängen und schnelleres Ansetzen an sys-
temischen Ursachen – weniger Bearbeiten von Problemen nur
auf der vordergründigen Ebene.
Wirkungsvolles Nutzen von Feedback zur eigenen Person:
Wahrnehmung, proaktives Einfordern und Nutzen von Feed-
back zu echter Weiterentwicklung – weniger Abwehr von
Feedback bzw. nur vordergründiges Arbeiten an Fertigkeiten.
Größere Lernfähigkeit: mehr Veränderung der eigenen Denk-
struktur infolge neuer Erfahrungen (Akkomodieren) – weniger
ausschließliches Verarbeiten und Integrieren neuer Erfahrung
gemäß der vorhandenen Denkstruktur (Assimilieren).
Dass auf späteren Entwicklungsstufen die Qualität des Manage-
menthandelns signifikant steigt, insbesondere im Umgang mit
Komplexität, haben seit den 1980er Jahren auch zahlreiche Stu-
dien zum Zusammenhang von Ich-Entwicklungsstufen und Ma-
nagementqualität bestätigt (Binder 2016, 220–224).
Für Führungskräfte, Unternehmen und Behörden ist es daher loh-
nend, Ich-Entwicklung zu fördern. Das gilt insbesondere auch für
Führungskräfte in technischen Bereichen. Sie müssen häufig öf-
fentliche Vorhaben in komplexen und konfliktträchtigen Umfel-
dern umsetzen und profitieren daher besonders von den Vortei-
len späterer Entwicklungsstufen.
6 Impulse für Ich-Entwicklung setzen
Wie kann das eigene Ich in diesem Sinne weiterentwickelt wer-
den?
Entwicklung kann angeregt werdenDer Umstand, dass Ich-Entwicklung kein Informations-, son-
dern ein Transformationsprozess ist (vgl. oben Abb. 2), zeich-
net auch den Weg vor, wie diese Entwicklung wirksam gefördert
werden kann. Im Unterschied zu Information kann Ich-Ent-
wicklung weder unmittelbar erlernt werden, noch kann sie un-
mittelbar gelehrt werden. Entwicklung geschieht in der Ausei-
nandersetzung einer Person mit ihrer jeweiligen Umwelt. Sie
braucht Zeit, und sie ist in der Regel von Entwicklungskon-
flikten und Irritationen begleitet (Binder 2007). Ich-Entwick-
lung fördern heißt daher, Entwicklung anzuregen. Anregend
wirken zum einen gezielte Impulse, zum anderen das Schaf-
fen eines Umfeldes, das die richtige Mischung aus Unterstüt-
zung und Wohlwollen auf der einen Seite und Konfrontation
und Herausforderung der bestehenden Muster auf der ande-
3 S. dazu auch Krings (2016).
Personen auf späteren Stufen gemäß den Möglichkeiten ihrer
eigenen Stufe (Binder 2007) (Abb. 4).
Für die Führungsarbeit bedeutet das: Mit jeder Weiterentwicklung
des Ichs wird die Spannbreite von Wahrnehmungs- und Hand-
lungsoptionen größer und komplexer.
5 Ich-Entwicklungsstufen und Führung
Wie zeigen sich Ich-Entwicklungsstufen konkret in der Führungs-
arbeit? Zwei Beispiele.
Beispiel: Gemeinschaftsbestimmte Stufe – E 4.Referatsleiter X legt großen Wert darauf, dass er die Erwartun-
gen seiner Abteilungsleiterin erfüllt und bei seinen Mitarbeitern
beliebt ist. Er wird wegen seiner Verlässlichkeit und Genauigkeit
geschätzt. Sich stark an den Erwartungen der eigenen Bezugs-
gruppen auszurichten, ist einer der Aspekte, der die gemein-
schaftsbestimmte Entwicklungsstufe (E 4) prägt. Eine frühe Stufe
wie E 4 hat damit durchaus ihre Stärken. Die Handlungslogik frü-
her Stufen hat aber zugleich enge Grenzen. So hat X etwa größte
Schwierigkeiten, wenn es darum geht, einen eigenen Standpunkt
zu vertreten oder in Konflikten einzugreifen. Wesentlich mehr Op-
tionen haben spätere Stufen.
Beispiel: Systemische Stufe – E 8Referatsleiterin Y soll ein konfliktträchtiges Stadtteilprojekt
umsetzen. Die Positionen der Interessengruppen vor Ort dazu
sind nur teilweise bekannt, das Projekt soll aber dennoch ge-
startet werden. Y hat gemeinsam mit ihrem Team eine Stra-
tegie für das Vorgehen erarbeitet und dabei vor allem recht-
zeitige Feedbackschleifen eingebaut. Als sich im Laufe des
Prozesses zeigt, dass die Kenntnislücken so groß sind, dass
das Projekt insgesamt gefährdet ist, zeigt sie der politischen
Steuerungsebene die strategischen Alternativen auf. Unter Be-
rücksichtigung weiterer Aspekte des Gesamtkontextes schlägt
sie den Abbruch des Projekts vor. Führungskräfte auf der Ent-
wicklungsstufe E 8 verfügen über eine voll ausgebildete Mul-
tiperspektivität, eigene Standpunkte und Metakriterien, mit
denen sie unterschiedliche Wissens-, Werte- und Prinzipien-
systeme wahrnehmen und integrieren können. Spätere Ent-
wicklungsstufen bieten weitere Vorteile bei der Führungsar-
beit:
Freierer Umgang mit Komplexität – weniger Beschränkung
auf vordergründige Perspektiven und weniger Ausblenden
störender Aspekte.
Breiteres Handlungsspektrum in Konflikten, von integrierendem
bis hin zu Grenzen setzendem Handeln – weniger Reagieren
entweder mit Macht oder mit Anpassung.
Persönlichkeitsentwicklung: Ich-Entwicklungsstufen Petra Krings
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Anschrift der Verfasserin:Dr. Petra Krings
Fritschestr. 23
10585 Berlin
E-Mail: [email protected]
ren Seite darstellt (Binder 2016, 84). Aus den vorliegenden Er-
kenntnissen lassen sich dazu viele konkrete Maßnahmen und
Interventionen ableiten.
Das Speyer-Forum als Impuls für angehende FührungskräfteDas Speyer-Forum gibt mit seinem eintägigen Modul einen ers-
ten Impuls zur Ich-Entwicklung für technische Referendarinnen
und Referendare. Hier lernen die Teilnehmer das Modell der Ich-
Entwicklung und die Grundzüge der einzelnen Entwicklungsstu-
fen kennen. Das eröffnet die Chance, einmal den Fokus gezielt
auf Aspekte der eigenen Ich-Entwicklung zu richten – „Aha-Ef-
fekte“ nicht ausgeschlossen.
7 Ich-Entwicklung – besser führen in der VUKA-Welt
Die Fähigkeit, Komplexität und Vieldeutigkeit wahrnehmen und
integrieren zu können, ist in der VUKA-Welt eine zentraler Teil von
Führungspersönlichkeit:
Breite Wahrnehmungsfähigkeit besitzen – ohne sich in De-
tails zu verlieren,
flexibel sein – und zugleich Richtung geben können,
eine inhaltlich und zeitlich übergreifende Sicht auf die Dinge
haben – ohne praktische Ergebnisse aus dem Auge zu ver-
lieren,
unvereinbare Gegensätze erkennen – und Entscheidungen
treffen können,
hohe Bewusstheit über die eigene Person haben – und auch
die Individualität anderer nicht auf die eigene Sicht reduzie-
ren müssen und
Werte, auch die anderer, respektieren – ohne beliebig zu sein,
das sind Qualitäten, von denen Führungskräfte, ihre Teams,
Unternehmen und Verwaltungen und nicht zuletzt die Gesell-
schaft insgesamt profitiert. Das Modell der Ich-Entwicklungs-
stufen kann Führungskräfte unterstützen, diese Qualitäten ge-
zielt zu entwickeln.
Literatur
Asendorpf, J., Neyer, F. (2012): Psychologie der Persönlichkeit,
5. Auflage, Berlin/Heidelberg: Springer