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Hochschule der Medien Stuttgart Aktuelle Trends und Tendenzen im Online Recruitment Ausarbeitung im Rahmen des Seminars Personalauswahl SS2008 bei Prof. Dr. Michael Weißhaupt Vorgelegt von: Michael Kram https://www.xing.com/profile/Michael_Kram Stuttgart, den 29. August 2008

Personalauswahl - Aktuelle Trends Und Tendenzen Im Online Recruitment

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Diese Ausarbeitung enthält eine Trendanalyse über die Entwicklung im Online Recruitment. Diese kann sowohl für die Personalabteilungen der Unternehmen, wie auch für Firmen welche Services oder Software im Bereich der Personalbeschaffung anbieten, als Informationsquelle dienen, um ihre strategischen Entscheidungen zu planen und operative Maßnahmen abzuleiten.

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Hochschule der Medien Stuttgart

Aktuelle Trends und Tendenzen im Online Recruitment

Ausarbeitung im Rahmen des Seminars Personalauswahl SS2008 bei Prof. Dr. Michael Weißhaupt Vorgelegt von: Michael Kram https://www.xing.com/profile/Michael_Kram Stuttgart, den 29. August 2008

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Aktuelle Trends und Tendenzen im Online Recruitment

Personalauswahl – Prof. Dr. Michael Weißhaupt – Michael Kram II

Inhaltsverzeichnis

1 Gegenstand, Aufgabenstellung ....................................................................................... 1

1.1 Definition Online Recruitment .................................................................................. 1

1.2 Aufgaben- und Problemanalyse ............................................................................... 1

2 Trendanalyse Online Recruitment ................................................................................... 2

2.1 Meilensteinanalyse .................................................................................................. 2

2.2 Entwicklungsverlauf ................................................................................................. 8

2.3 Einflussanalyse ........................................................................................................ 9

2.3.1 Einflussfaktoren ................................................................................................ 9

2.3.2 Einflussmatrix / Systemgrid ............................................................................. 11

2.4 Trendprojektion und Faktorenbündelung ............................................................... 14

2.5 Szenarioentwicklung .............................................................................................. 15

2.5.1 Worst Case Szenario ...................................................................................... 15

2.5.2 Best Case Szenario ........................................................................................ 16

2.5.3 Trend Szenario ............................................................................................... 16

3 Schlussfolgerungen & Ausblick ..................................................................................... 18

4 Literatur ........................................................................................................................ 21

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Aktuelle Trends und Tendenzen im Online Recruitment

Personalauswahl – Prof. Dr. Michael Weißhaupt – Michael Kram 1

1 Gegenstand, Aufgabenstellung

1.1 Definition Online Recruitment

Den Begriff des Recruitment kann mit Personalbeschaffung übersetzt werden. Die Eingren-

zung auf Online-Maßnahmen steht hierbei für die Art des Kommunikationskanals (elektroni-

sche Onlinemedien). Beim Online Recruitment oder teilweise auch E-Recruitment genannt,

wird das Internet als Hilfsmittel für die Personalbeschaffung genutzt.

Der Begriff des Online Recruitment wurde zunächst hauptsächlich mit Stellenausschreibun-

gen in elektronischer Form verbunden, was aber eigentlich zu eng gefasst ist. Zum Vorgang

der Personalbeschaffung gehört nicht nur die Bewerberansprache über Stellenausschrei-

bungen, sondern zumindest auch die Anforderungsanalyse im Vorfeld und die Bewerber-

auswahl durch verschiedene Verfahren und das Workflow-Management des kompletten

Bewerbervorgangs.

1.2 Aufgaben- und Problemanalyse

Ein ständiges Ziel von Unternehmen besteht darin die Personalbeschaffung effektiver zu

bewerkstelligen. Hierzu sollte auch das Online Recruitment einen entscheidenden Teil dazu

beitragen. Die Hoffnungen wurden in den vergangen Jahren aber nur teilweise erfüllt und

bestehende Vorgehensweisen, bei der Verwendung von Onlinemedien, zur Personalauswahl

müssen angepasst und neue Möglichkeiten erschlossen werden.

Ziel dieser Ausarbeitung ist eine Trendanalyse über die Entwicklung im Online Recruitment.

Diese kann sowohl für die Personalabteilungen der Unternehmen, wie auch für Firmen wel-

che Services oder Software im Bereich der Personalbeschaffung anbieten, als Informations-

quelle dienen, um ihre strategischen Entscheidungen zu planen und operative Maßnahmen

abzuleiten.

Diese Trendanalyse wird in verschiedenen Schritten aufgebaut. Zunächst wird durch die Be-

obachtung der Online Recruitment Maßnahmen, der vergangenen Jahre, wichtige Entwick-

lungen und Meilensteine identifiziert. Danach werden unter Anwendung der Szenariotechnik

verschieden Möglichkeiten ausgeführt, um mögliche Trends zu bestimmen. Für die Anwen-

dung der Szenariotechnik wird ein kurzer Zeithorizont, von 5 bis 10 Jahren, angesetzt und

die Situation in Deutschland fokussiert. Nach einer Einflussanalyse und Aufstellung von Fak-

toren, werden diese gebündelt und über Trendprojektionen drei Szenarien entwickelt. Zum

Abschluss dieser Ausarbeitung werden diese dann jeweils noch bewertet und Handlungs-

möglichkeiten vorgeschlagen.

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Aktuelle Trends und Tendenzen im Online Recruitment

Personalauswahl – Prof. Dr. Michael Weißhaupt – Michael Kram 2

2 Trendanalyse Online Recruitment

2.1 Meilensteinanalyse

Im Jahr 1999 listet Donnelly die Vorteile von Online Recruitment gegenüber den traditionel-

len Medien auf. Er beschreibt online Stellenausschreibungen aus wirtschaftlichen Gesichts-

punkten als unschlagbar, da die Kosten im Vergleich minimal und die angesprochene Ziel-

gruppe global ist. Er stellt aber auch heraus, dass dies nur für bestimmte Zielgruppen und

Berufsarten gilt und noch nicht verallgemeinert werden kann. Außerdem hebt er das Bezie-

hungsmanagement, welches für Jobvermittlungen wichtig ist, hervor. Hierbei kann das Inter-

net ein weiterer Kommunikationskanal sein. Auch auf die Gefahren mit dem Umgang von

Daten, wird in diesem Artikel eingegangen. Stellenangebote im Internet sind für jeden zu-

gänglich und können so einfacher von anderen Unternehmen ausgewertet werden. Durch

die Analyse dieser Daten können Vermutungen über die zukünftige Ausrichtung und Ent-

wicklung des Unternehmens angestellt werden. 1

Semerinerio stellt auch schon 2001 fest das Online Recruitment nicht zwangsläufig immer

wirtschaftlicher ist. Es gehen bei Unternehmen, die Online Recruitment eingeführt haben,

mehr Bewerbungen ein als vor der Umstellung. Dies liegt einerseits an der größeren Reich-

weite von Online ausgeschriebenen Stellenanzeigen, sowie die für den Bewerber kosten-

günstige Möglichkeit seine Bewerbungsunterlagen elektronisch einzureichen. Unternehmen

benötigen allerdings nicht mehr Bewerber, sondere qualitativ bessere geeignete Bewerber.

Es wurde erkannt das Online Recruitment, wenn es nur die Bewerberansprache beinhaltet,

die Personalbeschaffung nicht zwangsläufig effizienter macht. Es werden Hilfsmittel benötigt,

die den Personalauswahlprozess unterstützen. Dies kann den Auswahlprozess in der Perso-

nalabteilung oder die Stellenempfehlung bzw. Selbstselektion bei den Bewerbern betreffen.

Es geht aber nicht nur darum durch Einsatz von Technik den Auswahlprozess einfach billiger

zu machen, sondern durch die Auswahl besseren Personals den Unternehmenswert zu stei-

gern und so die Effizienz der Personalbeschaffung zu erhöhen. Dies kann zum Beispiel

durch Online-Fragebögen die die Fach- und Sozialkompetenzen des Bewerbers ermitteln

sollen und dem Abgleich der Stellenanforderungen erreicht werden.2

Viele Ausarbeitungen drehen sich in dieser Zeit um sogenannte Job-Boards. Internetseiten

die sich darauf spezialisiert haben, Stellenausschreibung von unterschiedlichsten Unterneh-

men den Bewerbern zentral zur Verfügung zu stellen. Hierzu gehört auch Koong 2002 der in

seiner Ausarbeitung die Hauptattribute der fünf größten Job-Boards3 untersucht. Er kommt

zu dem Entschluss, dass es als zentrales Element nur die Upload-Möglichkeit des Lebens-

1 Vgl. G. Donnelly (1999)

2 Vgl. M. Seminerio (2001)

3 Seinerzeit die Anbieter: dice.com, Futerstep.com, Headhunter.com, HotJobs.com und Monster.com.

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Personalauswahl – Prof. Dr. Michael Weißhaupt – Michael Kram 3

laufs für Bewerber gibt. Es werden auch die Vorteile von Online Stellenausschreibungen auf

Job-Boards im Gegensatz zu den traditionellen Medien aufgezählt. Es ist offensichtlich, dass

sich die Job-Boards weiterentwickeln müssen und nicht nur Stellenanzeigen und Lebensläu-

fe als digitales schwarzes Brett präsentieren können. Die Möglichkeit des Online Recruitment

auf der eigenen Unternehmensseite und dessen Besonderheiten werden allerdings noch

überhaupt keiner Beachtung geschenkt. 4

Gillian Flynn geht 2002 sehr speziell auf die Risiken ein, die durch Online Recruiting entste-

hen können. Dazu gehören mangelhafte automatisierte Auswahlverfahren, wie z.B.

Keyword Filter, in denen die Gefahr besteht, potentiell sehr gut geeignete Bewerber auszu-

sortieren. Auch der Bestandteil, beim Online Recruiting, auf den Kommunikationskanal Inter-

net zu setzten, schließt einige Bevölkerungsschichten wie z.B. ältere, ärmere oder nicht so

technikaffine Menschen von vornherein, von der Personalauswahl, aus. Zwar kann diese

Vorselektion von den Unternehmen teilweise erwünscht sein, doch schon allein Aufgrund

von Gleichberechtigungsgesetzen5 können aus dieser Vorselektion Probleme für die Unter-

nehmen entstehen. Weiter wird darauf aufmerksam gemacht, dass durch weltweite Bewer-

beranfrage auch globale Fragestellungen wie z.B. unterschiedliche Gesetze der Länder, be-

rücksichtigt werden müssen.6

Grensing-Pophal schreibt in seinem Artikel 2004 das Online Recruitment nur ein weiteres

Werkzeug in der Personalabteilung darstellt. Er vergleicht dabei Zeitungsanzeigen,

Job-Boards im Internet und externe Personalberater. Aufgrund des Preises, der

Aktualisierbarkeit und der Beliebtheit der Online Jobbörsen bei Stellensuchenden eigenen

sich diese speziell für die Suche von High Potentials. Es wird auch herausgestellt, dass es

für

suchende Unternehmen schwierig ist mit ihrer Stellenanzeige bis zu den potentiellen Bewer-

bern vorzudringen. Eine weitere, seiner Ansicht nach, attraktive Möglichkeit ist die Personal-

suche über Empfehlungen von Unternehmensangehörigen. Um den Personalauswahl-

prozess einfacher zu gestalten, wird vorgeschlagen, durch eine detailierte Online Stellen-

anzeige die Bewerberzahl im Vorfeld einzugrenzen. Allerdings müssen Anzeigen, wie in tra-

ditionellen Medien auch, die Bewerber ansprechen und auf ihr Informationsbedürfnis einge-

hen. Um die große Anzahl an elektronisch eingereichten Bewerbungen noch beherrschen zu

können, sollte auf Pre-Screening Werkzeuge zurückgegriffen werden. Dabei entsteht aber

die Gefahr, selbst bei optimal funktionierenden Aussortieralgorithmen, dass für Unternehmen

4 K.S. Koong u.a. (2002)

5 In Deutschland ist dies das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG

6 Vgl. G. Flynn (2002)

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Aktuelle Trends und Tendenzen im Online Recruitment

Personalauswahl – Prof. Dr. Michael Weißhaupt – Michael Kram 4

interessante Bewerber, welche aber nicht auf die ausgeschriebene Stelle passen, aussortiert

werden.7

Terzis ordnet 2005 bisherige Ausarbeitungen in verschiedene Kategorien ein. Dies sind sei-

ner Ansicht nach Ausarbeitungen die das Phänomen E-Recruiting und dessen Auswirkungen

beschreiben, Informationen für Stellensuchende bzw. Arbeitskräftesuchende bieten und

Ausarbeitungen die Analysen und Vergleiche von Jobseiten behandeln. Terzis Ausarbeitung

gehört dabei in die letzte Kategorie, da er ein Framework vorstellt, mithilfe dessen Jobbörsen

im Internet evaluiert werden können. Mithilfe von vier Kategorien (Stellenmarkt, Technische

Aspekte, Usability und Soziales) in denen es zahlreiche Unterkategorien gibt, können die

Webseiten bewertet werden. Diese Hauptkategorien und Unterkategorien haben jeweils un-

terschiedliche Gewichtungen um deren Bedeutung gerecht zu werden. In der ersten und

wichtigsten Kategorie geht es hauptsächlich darum, wie gut auf die Bedürfnisse der Stellen-

suchenden und Stellenanbietenden eingegangen wird. Beispielhaft wird das Framework zum

Vergleich einiger griechischen und internationalen Jobbörsen angewandt. Inwieweit dieses

Framework nun aber verallgemeinerbar ist und die darin aufgestellten Kriterien und Gewich-

tungen eine tatsächliche Aussage über die Qualität und Erfolg von Jobbörsen trifft, ist nicht

zweifelsfrei bewiesen.8

Auch In Lee behandelt in seiner Ausarbeitung 2005 die Evaluation von Jobseiten. Hierbei

liegt der Fokus allerdings nicht auf Jobbörsen, sondern auf Online Recruitment Maßnahmen

im Allgemeinen und unternehmenseigenen Karriereseiten im Speziellen. Als Basis für die

Auswahl der Bewertungskriterien wurden die Karrierewebseiten von den hundert größten

amerikanischen Unternehmen 20039 untersucht. Danach wurden Kriterien definiert anhand

die einzelnen Online Recruitment Maßnahmen der Unternehmen bewertet wurden. Diese

umfassten Angaben zur allgemeinen Klassifizierung, Filtermöglichkeit und Beschreibungstie-

fe der Stellenanzeigen, Art der Bewerbungsmöglichkeit und Einsatz von Automatismen, dem

Umfang an Informationen zum Unternehmen und den Grad der Nutzung von Stellenbörsen

im Internet. Um eine Aussage über die Qualität der einzelnen Kriterien treffen zu können

wurden nun folgende drei Cluster mit unterschiedlich erfolgreichen Unternehmen gebildet.10

Im ersten von In Lee definierten Cluster befinden sich sehr erfolgreiche Unterneh-

men, welche mittlere Anstrengung bei den Stellenbeschreibungen, Auswahlmöglich-

keiten und dynamischen Bewerbungsmöglichkeiten aufwenden. Sie legen vielmehr

Wert auf umfangreiche Informationen zum Unternehmen und dessen gelebte Unter-

7 Vgl. L. Grensing‐Pophal (2004)

8 Vgl. V. Terzis, A.A. Economides (2005)

9 Ermittelt vom Magazin Fortune http://money.cnn.com/magazines/fortune/fortune500_archive/full/2003/

10 Vgl. In Lee (2005)

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Aktuelle Trends und Tendenzen im Online Recruitment

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nehmenskultur. Stellenanzeigen auf Online Jobbörsen hingegen werden von ihnen

nicht so stark genutzt.

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Aktuelle Trends und Tendenzen im Online Recruitment

Personalauswahl – Prof. Dr. Michael Weißhaupt – Michael Kram 6

Im zweiten und größten Cluster befinden sich mittelmäßig erfolgreiche Unternehmen,

welche vor allem auf umfangreiche Stellenbeschreibungen, Auswahlmöglichkeiten

und dynamischen Bewerbungsmöglichkeiten einen sehr großen Wert legen. Sie set-

zen auch am ehesten technische Innovationen im Bereich Online Recruitment um. In-

formationen zum Stellenausschreibenden Unternehmen sind nur mittelmäßig vertre-

ten. Dafür werden andere Online Jobbörsen stark von diesen Unternehmen genutzt.

Im dritten Cluster befinden sich die weniger erfolgreichen Unternehmen. Sie schen-

ken den Stellenbeschreibungen und Auswahlmöglichkeiten und dynamischen Bewer-

bungsmöglichkeiten die geringste Aufmerksamkeit. Auch bei den Informationen zum

Unternehmen befinden sie sich an letzter Stelle. Internetjobbörsen werden mittelmä-

ßig genutzt.

Es wird angenommen, dass die Kriterien beim Online Recruitment, welche von Unternehmen

mit einem hohen Marktwert und guten Erlösen stark beachtet werden, die besser geeigneten

zur Personalbeschaffung sind. Überraschend hierbei ist, dass es keine Unternehmen gab,

welche alle Möglichkeiten des Online Recruitment voll ausschöpft haben. Es gab nur fünf

Unternehmen, die überhaupt automatisierte Personalauswahlverfahren zum Pre-Screening

von Bewerbern durchführen hat lassen.11

Mit einer ganzheitlichen Lösung in der Personalbeschaffung beschäftig In Lee sich auch in

einem Artikel aus dem Jahr 2007. Er stellt eine Architektur einer allumfassenden Online

Recruitment Software vor. Diese bildet den kompletten Prozess, von der Personalbedarfser-

fassung bis zum Vertragsabschluss mit dem Bewerber ab. Hauptsächlich besteht der

Architekturentwurf aus acht unterschiedlichen Komponenten.

1) Bewerber Tracking Management

Hierzu zählt das zentrale Erfassen von Bewerbungen und Speichern von Personen-

profielen, um so einen Datenpool aufzubauen, der gefiltert und durchsucht werden

kann.

2) Stellen-Anforderungsanalysen Management

Stellenanzeigen werden automatisch Aufgrund der schon erfassten Daten des

Human Ressource Management Systems erstellt und zeitgleich auf der unterneh-

menseigenen Karrierewebseite und Online Jobbörsen veröffentlicht und gegebenen-

falls auch wieder entfernt.

3) Arbeitsstellen Assistent

Stellt die zentrale Schnittstelle zwischen Bewerber und dem Online Recruitment

System dar. Hier können personalisierte Suchanfragen und Benachrichtigungs-

optionen gepflegt werden.

11

Vgl. In Lee (2005)

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Aktuelle Trends und Tendenzen im Online Recruitment

Personalauswahl – Prof. Dr. Michael Weißhaupt – Michael Kram 7

4) Pre-Screening / Selbstselektion

Dieser Teil soll den Grad für die Eignung der Person zu einer ausgeschriebenen

Stelle beurteilen.

5) Online Recruitment Prozessanalyse

Hier soll der eigentliche Online Recruitment Prozess analysiert und überwacht wer-

den. Durch das Festsetzen von Schwellenwerten und Zusammenstellen von individu-

ellen Berichten, für die einzelnen Interessengruppen im Unternehmen.

6) Bewerber Beziehungs Management

Ähnlich wie bei CRM Systemen werden hier die Mitarbeiter des Unternehmens

unterstützt die Beziehungen zu ihren Bewerbern zu verwalten und auf langfriste Sicht

zu erhalten.

7) Workflow Management

Diese Komponente soll die einzelnen Komponenten zusammenführen und den Pro-

zess des Online Recruitment im Ganzen unterstützen und steuern.

8) Datenbank Management System

Alle Daten zu Arbeitsstellen, Bewerbungen und Personenprofile werden zentral ab-

gespeichert und können dem Personalauswahlprozess jederzeit wieder zur Verfü-

gung gestellt werden.12

In dem 2007 erschienen Buch von Susanne Weber geht sie, wie auch In Lee, auf die ver-

schiedenen Online Recruitment Arten ein. Dazu gehören Online Jobbörsen, Bewerbungen

per e-Mail und Stellenangebote auf unternehmenseigenen Karrierewebseiten. Sie führt ver-

gleiche von deutschsprachigen Online Jobbörsen an und gibt zu bedenken, dass auch

Nischenjobbörsen für einzelne Berufsgruppen durchaus interessant sein können um Streu-

verluste zu minimieren.

Im Gegensatz zu den Online Jobbörsen, bei denen den Bewerbern eine Vielzahl von Stellen

an einem Ort präsentiert werden und Bewerber von den Betreibern der Jobbörsen umworben

werden, müssen sich Unternehmen, die auf Stellenangebote auf den eigenen Webseiten

setzen, verstärkt selbst um die Bekanntmachung ihres Angebots kümmern. Die Vorteile der

Stellenanzeigen auf firmeneigenen Karrierewebseiten liegen in der individuelleren Gestal-

tung und umfangreicheren Beschreibungsmöglichkeit. Generell wird empfohlen durch Such-

maschinenoptimierung, Werbeanzeigen und gleichzeitigem präzisieren der Anzeige auf die

Zielgruppe die Effektivität, der Online Recruitment Anstrengungen, zu erhöhen. Es werden

nicht Massen an Bewerbungen benötigt, sondern qualitativ besser passende Bewerbungen.

Um diese passenden Bewerbungen herauszufiltern können bestimmte Softwareprodukte

eingesetzt werden. Hierbei muss allerdings speziell beachtet werden, dass ein reines

12

Vgl. In Lee (2007)

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Aktuelle Trends und Tendenzen im Online Recruitment

Personalauswahl – Prof. Dr. Michael Weißhaupt – Michael Kram 8

Veröffentlichen von Stellenanzeigen auf Jobbörsen und Karrierewebseiten nur die aktiv

suchenden potentiellen Bewerber anspricht.13

Hierzu kommt wie Kanning in seinem 2008 erschienen Buch schreibt, dass Stellenanzeigen

auf Unternehmenswebseiten meist nur von den Leuten gefunden werden, die das Unter-

nehmen bereits kennen. Dies sind bei regional tätigen Unternehmen auch meist nur Perso-

nen im regionalen Umfeld. Unternehmen haben aber auch die Möglichkeit nicht auf Bewer-

bungen zu warten, sondern aktiv selbst in Online Jobbörsen nach potentiellen Arbeitskräften

zu suchen und diese zu kontaktieren.14 Im allgemeinen Teil des Buches geht Kanning auf

den Auswahlprozess im Personalmarketing ein. In diesem wird versucht die qualifizierten

Personen zu einer Bewerbung zu motivieren und die unqualifizierten Personen davon abzu-

halten. Dadurch verändert sich die Trefferquote in der Bewerbergruppe positiv.15 Vor allem

im Online Recruitment, bei dem sich die zufällige Trefferquote durch die massenhaft einge-

sendeten Bewerbungen eher verschlechtert hat, müssen Maßnahmen getroffen werden, um

eine erfolgreiche Personalauswahl sicherzustellen.

2.2 Entwicklungsverlauf

Die Entwicklung fing bei der Veröffentlichung von Stellenanzeigen auf Internetseiten von

Drittanbietern an. Dies konnten sowohl Webseiten von traditionellen Medienhäusern, wie

z.B. Zeitungen sein, oder aber auch Webseiten die sich auf die Anzeige von Stellen-

annoncen spezialisiert hatten, sogenannte Online Jobbörsen oder auch Job-Boards genannt.

Diese Jobbörsen wuchsen sehr schnell an und mit der einfachen Art Bewerbungen online bei

den Unternehmen einzureichen, auch die Zahl der eingehenden Bewerbungen, bei den

Unternehmen. Vor allem große Unternehmen setzen immer mehr auf die Veröffentlichung

von Stellenanzeigen, auf ihren unternehmenseigenen Karrierewebseiten. Diese zeichnen

sich durch individuelle Anpassung an das Unternehmen aus und der besseren Einbindung in

bestehende Human Ressource Management Lösungen. Aber auch Jobbörsen stellen immer

mehr Schnittstellen, sowie Sortier- und Auswahlmechanismen für eine effizientere Personal-

beschaffung zur Verfügung.

13

Vgl. S. Weber (2007) S.59-71. 14

Vgl. U.P. Kanning u.a. (2008) S.80-81. 15

Vgl. U.P. Kanning u.a. (2008) S.72-75.

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Aktuelle Trends und Tendenzen im Online Recruitment

Personalauswahl – Prof. Dr. Michael Weißhaupt – Michael Kram 9

2.3 Einflussanalyse

2.3.1 Einflussfaktoren

Um die Einflussfaktoren auf die zukünftige Entwicklung zu erhalten werden vier Einflussbe-

reiche festgelegt (Politik, Gesellschaft, Technologie und Wirtschaft). Innerhalb dieser Ein-

flussbereiche werden durch Brainstorming und unter Zuhilfenahme der Meilensteinanalyse

die entsprechenden Einflussfaktoren ermittelt.

Politik

Datenschutzbestimmungen

legen fest inwieweit Daten überhaupt erhoben, gespeichert, weitergegeben und

analysiert werden können.

Arbeitsmarktvorschriften

legen fest welche Personen in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden dürfen.

Auswahlverfahren müssen diese Vorschriften berücksichtigen. Gerade bei Online

Recruitment hat dies besondere Bedeutung, da auch internationale Personengruppen

angesprochen werden.

Gleichbehandlungsgesetz

in Deutschland ist dies das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) welches

auch Auswirkung auf den kompletten Personalbeschaffungsvorgang hat.

Arbeitsvermittlung

durch mögliche unterschiedliche Kompetenzen und Arbeitsaufgaben der Agentur für

Arbeit können sich Beeinflussungen ergeben.

Gesellschaft

Online Akzeptanz

Nutzungszahlen und die Nutzungskompetenz des Mediums Internet in der Gesell-

schaft und im speziellen die Nutzung des Internets zur Arbeitssuche.

Arbeitssuchende Personen

Arbeitslosenzahlen und die besondere Herausforderungen einer alternden Gesell-

schaft (Demografischer Wandel) die sich auch auf das Online Recruitment auswirkt.

Datensensibilität

unterschiedliche Einstellung der Personen zu ihren Daten.

Flexibilität

in wieweit sich Menschen flexibel, z.B. räumlich, bei der Arbeitsplatzsuche verhalten.

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Aktuelle Trends und Tendenzen im Online Recruitment

Personalauswahl – Prof. Dr. Michael Weißhaupt – Michael Kram 10

Technologie

Internetgeschwindigkeit

unterschiedliche, durchschnittliche Datenübertragungsrate bei Internetanschlüssen

die Stellensuchenden zur Verfügung stehen.

Flächenabdeckung

Abdeckungsgrad der Bevölkerung mit Internetanschlüssen.

Multimediaentwicklung

Stand und Nutzung von Multimedial aufbereiteten Informationen, wie z.B. Firmen-

videos oder Echtzeitrollenspiele.

Automatisierte Filtermechanismen

Einsatzgrad und Funktionsfähigkeit von automatisierten Algorithmen für die Bewer-

tung von Persönlichkeitsmerkmalen und Fachkompetenz der Bewerber.

Vernetzung

Vernetzungsgrad der zwischen verschiedenen Anbietern durch offene Software /

Schnittstellen möglich ist.

Wirtschaft

Wirtschaftswachstum

Gesamtentwicklung der Wirtschaft und damit auch die Investitionsbereitschaft für

neue Personalbeschaffungsmaßnahmen der einzelnen Unternehmen.

Personalbedarf

den einzelne Unternehmen an den Arbeitsmarkt richten.

Qualifizierungsniveau

welches von den Bewerbern erwarten wird.

Unternehmensgröße

inwieweit die Unternehmensgröße Einfluss nimmt.

Software für HR

in welchem Umfang Software für Human Ressource Management bei den Unter-

nehmen zur Verwaltung eingesetzt wird.

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Aktuelle Trends und Tendenzen im Online Recruitment

Personalauswahl – Prof. Dr. Michael Weißhaupt – Michael Kram 11

2.3.2 Einflussmatrix / Systemgrid

Hier wird untersucht, wie sich die einzelnen Faktoren wechselseitig beeinflussen. Dazu wird

eine sogenannte Vernetzungstabelle oder auch Einflussmatrix aufgestellt. Die Einfluss-

faktoren werden paarweise einander gegenübergestellt, um beurteilen zu können in welchem

Ausmaß ein Faktor den anderen Faktor, gemessen ein den Wirkungsgraden 0 – keine Wir-

kung bis 3 – starke Wirkung, beeinflusst.

Tabelle 1: Einflussmatrix

Wie beeinflusst der Faktor der linken Spalte die Faktoren der

oberen Zeile?

0 = keine Wirkung 1 = schwache Wirkung

2 = mittlere Wirkung 3 = starke Wirkung

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1 Politik 66

2 Datenschutzbestimmungen 1 1 3 2 0 1 0 0 0 1 3 3 0 0 0 0 2 17

3 Arbeitsmarktvorschriften 0 1 3 1 2 0 0 0 0 1 2 2 2 1 0 0 2 17

4 Gleichbehandlungsgesetz 1 2 3 1 1 0 0 0 0 3 3 3 0 1 1 0 2 21

5 Arbeitsvermittlung 0 1 0 1 2 0 1 0 0 1 1 2 1 0 0 0 1 11

6 Gesellschaft 84

7 Online Akzeptanz 1 0 0 2 0 2 1 2 2 3 3 3 0 0 0 0 2 21

8 Arbeitssuchende Personen 0 2 0 3 3 1 3 0 0 0 3 2 2 2 1 0 2 24

9 Datensensibilität 2 0 1 1 3 0 0 0 0 1 3 3 0 0 3 3 3 23

10 Flexibilität 0 1 0 2 2 2 0 0 0 0 2 1 1 1 1 0 3 16

11 Technologie 97

12 Internetgeschwindigkeit 0 0 2 1 3 0 0 0 1 3 1 2 1 0 0 0 2 16

13 Flächenabdeckung 1 0 0 3 3 0 2 0 1 2 2 2 1 0 1 0 2 20

14 Multimediaentwicklung 1 0 0 2 3 0 1 0 3 0 2 2 1 0 1 0 3 19

15 Automatisierte Filtermecha-nismen 2 0 1 3 3 0 2 0 0 0 2 3 1 1 1 0 3 22

16 Vernetzung 3 0 1 3 2 0 1 0 1 1 1 3 1 0 0 0 3 20

17 Wirtschaft 111

18 Wirtschaftswachstum 0 2 0 2 2 2 1 0 3 1 2 2 2 3 2 2 2 28

19 Personalbedarf 0 2 0 3 2 1 1 3 0 0 2 3 3 1 2 1 3 27

20 Qualifizierungsniveau 0 0 0 1 2 0 1 2 0 0 3 3 3 0 2 0 2 19

21 Unternehmensgröße 0 0 0 0 1 1 0 1 0 0 3 3 3 2 3 1 3 21

22 Software für HR 0 0 0 1 2 0 1 1 0 0 3 3 3 1 0 1 0 16

Passiv-Summe 65 11 11 7 36 73 36 11 14 12 130 10 5 31 42 42 90 15 14 15 6 40

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Aktuelle Trends und Tendenzen im Online Recruitment

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Abbildung 1: Systemgrid

Anhand der aufgestellten Einflussmatrix lassen sich nun vier Bereiche im Systemgrid klassi-

fizieren: Den kritischen (I), aktiven (II), puffernden (III) und passiven (VI) Bereich. Die

Trennlinie zur Unterteilung wird an der gesamtdurchschnittlichen Aktivität bzw. Passivität

gezogen. Diese beträgt in diesem Fall ca. 20 Punkte.

2.3.2.1 Kritische Deskriptoren

Dies sind Deskriptoren die selbst sehr stark beeinflusst werden, aber im Vergleich auch

selbst eine sehr starke Beeinflussung auf andere Faktoren haben. Beeinflussungen dieser

Deskriptoren sind zwar möglich, aber sie bergen auch Gefahren, da sie unvorhersehbare

Kettenreaktionen auslösen können. In dem Fall von Online Recruitment sind dies die Fakto-

ren der Automatisierte Filtermechanismen, Online Akzeptanz und Vernetzung von Software

untereinander.

2.3.2.2 Aktive Deskriptoren

Hier befinden sich Einflussgrößen welche einen großen Einfluss auf andere Faktoren aus-

wirken. Selbst werden diese Einflussgrößen nur schwach von anderen Faktoren beeinflusst.

Diese Faktoren eigenen sich um Veränderungen des Systems zu bewirken. Bei der Betrach-

tung der Entwicklung von Online Recruitment Maßnahmen sind dies als einflussreichster

Faktor das Wirtschaftswachstum, der Personalbedarf und die Arbeitssuchenden Personen.

0

5

10

15

20

25

30

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

Akt

ivsu

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e

Passivsumme

Systemgrid der EinflussanalyseDatenschutzbestimmungen

Arbeitsmarktvorschriften

Gleichbehandlungsgesetz

Arbeitsvermittlung

Arbeitssuchende Personen

Datensensibilität

Flexibilität

Online Akzeptanz

Internetgeschwindigkeit

Flächenabdeckung

Multimediaentwicklung

Automatisierte Filtermechanismen

Vernetzung

Wirtschaftswachstum

Personalbedarf

Qualifizierungsniveau

Unternehmensgröße

Software für HR

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Allerdings können Faktoren wie das Wirtschaftswachstum oder die Zahl der Arbeitssuchen-

den Personen von einzelnen Unternehmen nur bedingt beeinflusst werden. Unternehmen

müssen aber Kenntnis von der Brisanz der Faktoren haben, um speziell diese beobachten

zu können. Denn wenn sich diese Faktoren verändern, werden sich auch die Rahmenbedin-

gungen für Online Recruitment Maßnahmen wandeln.

Auch Faktoren wie Personalbedarf und Unternehmensgröße haben eine große Auswirkung

auf andere Einflussgrößen. Dies heißt, dass unterschiedliche große Personalbedürfnisse und

verschiedene Unternehmensgrößen auch unterschiedliche Anwendungen und Ausprägun-

gen von Online Recruitment Maßnahmen bedeuten.

Die Auswirkungen den der Faktor Gleichhandlungsgesetz hat, kann von Unternehmen auch

nur wahrgenommen und darauf reagiert werden. Eine aktive Einflussnahme auf diesen Fak-

tor ist nicht möglich. Anders hingegen der Faktor Datensensibilität. Dieser kann indirekt

durch eine seriöse Kommunikationspolitik und das Aufbauen von Vertrauen in das Unter-

nehmen und seinen Handlungen beeinflusst werden.

2.3.2.3 Puffernde Deskriptoren

Diese Einflussgrößen haben nur einen schwachen Einfluss auf das System. Beeinflussungen

wirken sich im Vergleich schwächer aus und sind deshalb zur Veränderungen und Steuerung

nicht empfehlenswert.

Hierzu gehörten die Internetgeschwindigkeit, die Flexibilität der Arbeitsuchenden, die Daten-

schutzbestimmungen, die Arbeitsmarktvorschriften, das Qualifizierungsniveau und die Flä-

chenabdeckung der Bevölkerung die über einen Zugang zum Internet verfügt. Es muss aller-

dings beachtet werden, dass vor allem die letztgenannten Faktoren (Qualifizierungsniveau

und Flächenabdeckung) im Grenzbereich liegen und somit einen vergleichsweisen hohen

Einfluss für puffernde Deskriptoren aufweisen.

2.3.2.4 Passive Deskriptoren

Diese Einflussgrößen haben nur einen schwachen Einfluss auf das System. Sie werden aber

verhältnismäßig stark und von vielen unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. Deshalb sollten

diese passiven Faktoren beobachtet werden, um Veränderungen im System zu bemerken.

Zu diesen Indikatorfaktoren gehören die Aufgaben der Arbeitsvermittlung, Einsatzgrad von

Software für Human Ressource Management in Unternehmen und die Multimediaentwick-

lung zur Aufbereitung von Informationen.

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2.4 Trendprojektion und Faktorenbündelung

Um später verschiedene Szenarien entwickeln zu können werden nun für die einzelnen Ein-

flussfaktoren verschiedene Entwicklungsszenarien herausgearbeitet. Diese Ausprägungs-

möglichkeiten werden in einem Morphologischen Kasten aufgestellt und dann später zu den

einzelnen Szenarien gebündelt. Es werden minimal drei und maximal fünf Alternativen zu

einem Einflussfaktor ermittelt. In der Tabelle 2: Alternativbündelung sind nur die schon ge-

bündelten Einflussfaktoren für die einzelnen Szenarien zu sehen.

Tabelle 2: Alternativbündelung

Worst Case Trend Best Case

1 Politik

2 Datenschutzbestim-mungen

Datenerfassung nur für den einen Bewerbungszweck zulässig. Speichern nachträgli-ches Analysieren untersagt

Weitere Verpflichtungen zur Sicher-stellung des Datenschutzes (Ver-kaufsverbot)

Leichte Verschärfung des Daten-schutzgesetzen für Unternehmen

3 Arbeitsmarktvorschriften Zusätzliche Ausnahmeregelun-gen für Bewerber von Alt und Neu EU Staaten.

Weitere Liberalisierung des Europäi-schen Arbeitsmarkes

Weitere Greencard und Hochbegab-tenreglungen die Ausländern den Zutritt auf den Arbeitsmarkt ermögli-chen

4 Gleichbehandlungs-gesetz

Ständige Beweis-/Auskunftspflicht über den Bewerbungsvorgang an Be-werber und Staat

Weitere Angleichung des EU Gesetz an Internationale Verpflichtung

Abschaffung des Gleichberechti-gungsgesetzen und Vertrauen auf die Selbstverpflichtung der Unternehmen

5 Arbeitsvermittlung Arbeitsvermittlung nur noch über die Agentur für Arbeit. Staatliche Kontrolle.

Schnittstelle aus dem HRM zur Da-tenbank der Agentur für Arbeit um Stellenanfragen zu automatisieren.

Offener Zugriff auf die DB der Agen-tur für Arbeit um nach aktuellen zu zukünftigen Bewerberprofilen zu suchen.

6 Gesellschaft

7 Online Akzeptanz Vertrauen und Nutzerzahlen des Internets und Arbeitsuche über das Internet sinken

Das Medium Internet wird immer wichtiger für alltägliche Informationen und auch für die Arbeitssuche

Informationsbeschaffung läuft nur noch über das Medium Internet ab

8 Arbeitssuchende Personen

Die Zahl der Arbeitssuchenden sinkt dramatisch

Die Zahl der Arbeitssuchenden sinkt aufgrund des Demografischen Wan-dels

Durch die internationale Liberalisie-rung des Arbeitsmarktes viele neue Bewerber

9 Datensensibilität

Durch gezielte Falschdaten, Desinformationen und Schein-identitäten entsteht ein Daten-chaos

Menschen beginnen sich der Kritikali-tät ihrer Daten bewusst zu werden.

Die Praktikabilität und Unvorsichtig-keit bewirken einen Datenexhibitio-nismus

10 Flexibilität Räumliche Flexibilität bei der Arbeitssuche nimmt ab

langsam anwachsende innereuropä-ische Flexibilität bei den Bewerbern

Talentierte Bewerber suchen sich Weltweit ihre Arbeitgeber

11 Technologie

12 Internetgeschwindigkeit Wegen physischer Kapazitäts-engpässen – Verringerung

Weiterer Ausbau von Glasfaser und anderen Hochgeschwindigkeitsnetzen

Überall und Umsonst Zugang zum Internet für jeden

13 Flächenabdeckung Abdeckung sinkt Abdeckung steigt Vollständige Abdeckung der gesam-ten Bevölkerung

14 Multimediaentwicklung Multimedia beschränkt sich auf Audio und Videostreams

Zuverlässige und Einsatzfähige Multi-mediasoftware wird entwickelt

Augmented- und Virtual-Reality sind für jeden frei zugänglich

15 Automatisierte Filtermechanismen

Fehlerquote ist so hoch das der Mensch die einzige Bewer-tungs- und Auswahlinstanz bleibt

Auswahlverfahren wie Assessmentcenteraufgaben und Interviewvorgehensmodelle werden in die IT übertragen und unterstützen Entscheider bei Beobachtung und Bewertung

Automatisierte Algorithmen können zweifelsfrei den am besten geeigne-ten Bewerber herausfinden

16 Vernetzung Insellösungen und abgekapsel-te Dateiformate behindern den Austausch.

Weitere Öffnung von Programmen durch definierte Schnittstellen und Erweiterungspakete

Jede Software kann mit allen ande-ren über eine frei einzurichtende Schnittstelle kommunizieren und beliebige Daten austauschen.

17 Wirtschaft

18 Wirtschaftswachstum Aufschwung Rezession Boom

19 Personalbedarf lässt nach bleibt gleich steigt an

20 Qualifizierungsniveau billige Fließband Massenar-beitskräfte werden gebraucht

Nachgefragte Niveau steigt weiter an

Nachgefragte Niveau steigt weiter an

21 Unternehmensgröße Zerfall der Konzerne und nur noch kleine Familienunterneh-men

Anzahl der Mittelständischen Unter-nehmen und Großkonzerne steigt

es gibt nur einige Großkonzerne die sich um die besten Mitarbeiter strei-ten

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22 Software für HR Keine weiteren Einführungen von HRM Systemen in den Unternehmen

Weiterer Ausbau von HRM Systemen in den Unternehmen

Jedes Unternehmen setzt Software für das HRM ein

2.5 Szenarioentwicklung

Da es nicht möglich ist die Zukunft exakt vorherzusagen, werden hier drei verschiedene

Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt. Diesen sind neben dem Trend Szenario auch die

beiden Extremen Szenarien Worst Case und Best Case. Als Darstellungsart der Szenarien

wird in dieser Ausarbeitung der beschreibende Text gewählt. Diese Szenarien dienen dann

als Diskussionsgrundlage und helfen, vor allem auch durch die Extremen Szenarien, Prob-

leme und Chancen zu erkennen. Entscheider in Unternehmen können sich so auch selbst,

unabhängig von der später in dieser Ausarbeitung vorgestellten Bewertung, mit den ver-

schiedenen Entwicklungsmöglichkeiten befassen und einzelne für sie schwerwiegende The-

men aufgrund ihren Einschätzungen selbst bewerten und individuelle Rückschlüsse für ihr

Handeln ziehen.

2.5.1 Worst Case Szenario

Der Personalauswahlprozess wird zunehmend durch die neuen Datenschutzverordnungen

des Staates erschwert. Es müssen umfangreiche Eingeständnisse von den Bewerbern ein-

geholt werden um überhaupt einen Auswahlprozess zu ermöglichen. Es ist aber nicht mehr

möglich unternehmenseigene Bewerber- oder sogenannte Talentpools aufzubauen, um spä-

ter darauf zurückgreifen zu können. Die Speicherung ist nur für die Dauer des Erstbewer-

bungsverfahrens erlaubt. Weitere Ausnahmereglungen für ausländische Bewerber müssen

im Online Recruitment Prozess berücksichtigt werden, was diesen zusätzlich erschwert. Es

muss auch ständig überprüft werden ob keine Verletzungen des neuen Gleichbehandlungs-

gesetzes erfolgt sind. Der Bewerbungsvorgang und vor allem der Auswahl- und

Entscheidungsprozess muss jederzeit transparent und für den einzelnen Bewerber einseh-

bar sein. Nur so können Schadensersatzklagen verhindert werden. Durch zahlreiche Daten-

schutzskandale haben die Leute ihr Vertrauen in Online Prozessabwicklungen, wie z.B. auch

Onlinebewerbungen, verloren und nutzen diese nicht mehr. Es kommt sogar noch schlimmer

und Jobbörsen und Karrierewebseiten werden systematisch mit Scheinprofilen von angebli-

chen Bewerbern überschwemmt. Der demografische Wandel und ein Aufschwung in

Deutschland erschwert die Personalsuche zusätzlich. Es stehen immer weniger arbeitsu-

chende Personen einem immer größerem Personalbedarf der Unternehmen entgegen. Ar-

beitskräfte können nicht nur unter den wenigen Stellensuchenden gesucht werden, sondern

es müssen verstärkt auch die Menschen umworben werden, die bereits in einem Arbeitsver-

hältnis sind. Online Recruitment Maßnahmen können sich auch nicht wirklich weiterentwi-

ckeln, da die meisten kleinen Familienunternehmen nicht auf HRM Systeme setzen und Mul-

timediainhalte sich aufgrund der niedrigen Internetgeschwindigkeit und mangender Flächen-

abdecklung nicht zu entwickeln lohnen. Die Fehlerquote von Filtermechanismen wäre ohne-

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hin noch viel zu hoch um Teile des Auswahlprozesses der IT zu überlassen. So bleibt den

Unternehmen keine andere Möglichkeit als wieder auf die herkömmlichen Bewerber-

ansprachen und Auswahlverfahren zu setzen.

2.5.2 Best Case Szenario

Die in Deutschland boomende Wirtschaft lässt den Bedarf an hochbegabten Arbeitskräften

stetig ansteigen. Zwar werden Engpässe und neuer Personalbedarf aufgrund der Umfang-

reichen Monitoring-Funktionen in HRM Software in den Großkonzernen schon frühzeitig er-

kannt, aber dennoch müssen die Unternehmen um die besten Mitarbeiter kämpfen. Um als

Unternehmen an die Spitze zu kommen benötigen Sie die bestmöglichen Mitarbeiter. Diese

werden dank der zunehmenden Globalisierung und der Flexibilität der Arbeitnehmer auch

immer öfters im Ausland gefunden. Der enorme Arbeitnehmerbedarf wäre mit den innereu-

ropäischen Arbeitern nicht mehr zu befriedigen. Online Recruitment Maßnahmen werden

zum Mittel der Wahl um Menschen national wie auch international anzusprechen. Es müssen

unterschiedliche Sprachen, Gesetzesregelungen zu Arbeitsverträgen oder auch kulturelle

Unterschiede bei der Bewerberansprache und Personalauswahl beachtet werden, dies ist

aber über Online Recruitment und einer umfangreichen Datenbank problemlos möglich.

Daran konnte auch die leichte Verschärfung des Datenschutzgesetzes von Unternehmen

nichts ändern. Diese verursachen einen Verwaltungsaufwand welcher aber soweit automati-

siert werden konnte, dass er dem Online Recruitment nicht negativ Entgegenwirken konnte.

Es ist sogar so, dass eine traditionelle Personalauswahl, ohne die automatisierten Prozesse

des Online Recruitment, schlicht nicht mehr möglich wäre. Der Online Webzugriff wurde für

alle zur Selbstverständlichkeit und allgegenwärtig. Dies veranlasst die Unternehmen auch

dazu Multimediaapplikationen zu entwickeln in denen z.B. Arbeitssimulationen in einer Halb-

wirklichen Realität abgehalten werden. Zur Beobachtung der Bewerber kann auf neuste

Technik und Auswertungsverfahren zurückgegriffen werden. Diese können z.B. die Anzahl

der Blickkontakte oder den Grad der Nervosität in der Stimme ermitteln. Interviews können

komplett durch sogenannte künstliche Avatare des Online Recruitment Systems durchge-

führt, aufgezeichnet und anschließend automatisiert analysiert werden. Dieses allumfassen-

de Online Recruitment System kann zweifelsfrei den am geeignetsten Bewerber herausfin-

den. Um die Systementscheidungen zu überprüfen werden auch alle zukünftigen erfassten

Daten über z.B. die Produktivität und Zuverlässigkeit eines Arbeitnehmers in das Online

Recruitment System eingespeist und mit anderen Mitarbeitern und Partnerfirmen verglichen.

So kann der Personalauswahlprozess ständig verbessert werden.

2.5.3 Trend Szenario

Das Medium Internet wird für die Menschen immer mehr zu der zentralen Informationsquelle.

Auch für die Arbeitsuche sind Jobbörsen und Karrierewebseiten im Internet, neben Informa-

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tionen und Empfehlungen von Bekannten, die erste Anlaufstelle. Auch für Unternehmen, die

immer mehr HRM Software im Einsatz haben, ist die Personalauswahl über Online

Recruitment Maßnahmen das optimale Werkzeug geworden. Die Zeiten in denen Personen

aufgrund dieser Medienwahl ausgeschlossen wurden sind vorbei. Das Internet ist schneller

geworden und die Flächenabdeckung ist nahezu vollständig. Unternehmen können dank

Softwareschnittstellen in einem Arbeitsgang Stellenanzeigen auf verschiedenen Plattformen,

wie z.B. unternehmenseigene Karrierewebseiten, verschiedene Jobbörsen, Agentur für Ar-

beit, gleichzeitig veröffentlichen und verwalten. Obwohl der Personalbedarf wegen der anhal-

tenden Rezession der Wirtschaft nahezu gleichbleibend ist, wurden die Bedingungen neues

qualifiziertes Personal zu finden durch den Demografischen Wandel verschärft. Ein reines

veröffentlichen von Stellenanzeigen ist nicht mehr ausreichend. Eine Möglichkeit bietet die

aktive Suche in Personenprofielen. Firmen welche die neuen und strengeren Datenschutz-

richtlinien einhalten ist ein beschränkter Zugang zu der Datenbank der Agentur für Arbeit

möglich. Hierüber können anonymisierte Bewerberprofile mit Anforderungsprofilen automa-

tisch abgeglichen und die Personen unverzüglich benachrichtigt werden. Weitere Recher-

chequellen sind unternehmenseigene Karrierepools, in denen sowohl Firmenangehörige,

Stellensuchende und ehemalige Bewerber erfasst sind.

Durch umfassende Informationen, in Text, Bild und Videoformat, zum Unternehmen, der Kul-

tur, den Mitarbeitern und der Arbeitsstelle sollen Arbeitsuchende bewegt werden ihre Bewer-

bung einzureichen. Zusätzlich zu der multimedialen Präsentation des Unternehmens kom-

men neueste Multimediatechniken vor allem bei der Bewerberauswahl zum Einsatz. Plan

und Rollenspiele in virtuellen Assessment-Centern, sowie Fragebögen welche die fachlichen

und sozialen Kompetenzen erfassen, helfen den Personalentscheidern die Bewerber zu se-

lektieren. Interviews können räumlich unabhängig über Videokonferenzen abgehalten wer-

den, bevor die Bewerber in das Unternehmen eingeladen werden. Gesammelte Daten kön-

nen mit den zukünftig im HRM erfassten Daten verglichen werden und so den Auswahlpro-

zess überprüfbarer machen.

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3 Schlussfolgerungen & Ausblick

Durch die Zusammenführungen der Erkenntnisse aus den Ausarbeitungen und Büchern der

Meilensteinanalyse und den verschiedenen Chancen und Risiken die die Szenarien aufzei-

gen, lassen sich nun Gemeinsamkeiten herausarbeiten und Handlungsmöglichkeiten vor-

schlagen.

Arbeitsuchende müssen Vertrauen in die Stellensuche und den Bewerbungsprozess über

das Internet haben. Wenn sie einen persönlichen Vorteil im Online Recruitment für sich se-

hen wird dieses leichter akzeptiert und angenommen. Unternehmen müssen auf die Ziel-

gruppe und dessen Erwartungen eingehen und ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Dies hat

einen großen Einfluss auf andere Faktoren und beeinflusst Online Recruitment Maßnahmen

im Gesamten. Eine offene Kommunikationspolitik und der sensible Umgang mit Daten kön-

nen einen Beitrag dazu leisten. Detaillierte und ansprechend aufbereitete Informationen über

das Unternehmen und den zukünftigen Arbeitsplatz kommen einerseits dem Arbeitsuchen-

den entgegen und helfen anderseits auch bei der Selbstselektion der Bewerber. Ein transpa-

rent gemachter Vorgehensprozess baut Unsicherheiten bei den Stellensuchenden ab und

schafft Vertrauen in die Online Recruitment Prozess des Unternehmens. Nur wenn Bewerber

dem Unternehmen dieses Vertrauen entgegenbringen ist z.B. ein Aufbau von Talentpools

möglich. Der sensible Umgang mit Daten hat aber nicht nur Einfluss auf die Bewerber. Auch

Unternehmen müssen sich bewusst sein, dass sie durch die elektronische und weltweit zu-

gängliche Veröffentlichung ihrer Stelleanzeigen Daten preisgeben. Durch Exportfunktionen,

automatische Überwachung durch Webcrawler und Webarchiven, in denen dauerhaft Abbil-

der von Webseiten erhalten werden, können Konkurrenten diese Informationen leichter er-

fassen und analysieren um so Vermutungen über die weitere Entwicklung des Unterneh-

mens anstellen zu können.

Unternehmen können sich auf langfristige Sicht nicht nur auf eine passive Arbeitnehmer-

suche verlassen. Durch den demografischen Wandel wird die Personalsuche erschwert. Un-

ternehmen müssen die am besten geeigneten Arbeitskräfte ansprechen. Egal ob diese im

Moment in einem Beschäftigungsverhältnis sind, oder auf Arbeitssuche. Stellenanzeigen in

Allgemeinen- oder Nischen-Jobbörsen, unternehmenseigenen Karrierewebseiten oder auch

Postings in Job-Communities eignen sich hervorragend für die Bewerberansprache und kön-

nen durch Suchmaschinenoptimierung bzw. Keywordanalyse noch effektiver und mit minima-

len Streuverlusten an der Zielgruppe ausgerichtet werden. Dieser geringe Streuverlust be-

wirkt aber auch, dass nur die aktiv Suchenden, aber nicht die passiv verfügbaren Arbeitskräf-

te, von diesen Stellen erfahren. Das typische, aus den Offlinemedien bekannte Phänomen,

des Überblättern der Stellenanzeigen in der Samstagzeitung von einem nichtsuchenden Ar-

beitnehmer entfällt so. Dies heißt aber nicht, dass elektronische Medien dafür grundsätzlich

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nicht geeignet sind. Auch hier ist es möglich Werbeanzeigen auf aufmerksamkeitsstarken

Webseiten zu schalten. Einen wirklichen Vorteil erreichen Unternehmen aber nur dann, wenn

sie gezielt auf die Zielgruppe und ihre Bedürfnisse eingeht und analysieren welchen Websei-

ten die gesuchten Arbeitnehmer ihre Aufmerksamkeit zukommen lassen. Anstatt Stellenan-

zeigen auf reinen Job- Communities zu veröffentlichen kann es z.B. weitaus effektiver sein,

dies, wenn erlaubt, in einem Helpdesk Forum eines CAD Programms zu tun. Eine weitere

Möglichkeit ist es verschiedenartige Netzwerke zu nutzen. Dies kann das eigens über Bezie-

hungsmanagement aufgebaute Netzwerk der Personalabteilung (nicht nur Firmenextern

sondern auch Firmenintern) sein, oder aber auch ein Karrierenetzwerk im Internet. Umfang-

reiche und ständig gepflegte Talentpools der Unternehmen, in denen sowohl Firmenangehö-

rige als auch potentielle Arbeitnehmer erfasst sind, können dabei einen entscheidenden Bei-

trag leisten. Personalbemühungen müssen nicht nur Schnittstellen, Netzwerke nach außen

sondern auch in das Unternehmen selbst anbieten. Ein entscheidender Teil des Personal-

wesens beinhaltet auch, gute Arbeitnehmer zu halten anstatt durch neue ersetzen zu

müssen.

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Filterung und Personalauswahl im Online Recruitment

Prozess. Namenhafte Jobbörsen und deren Partner, sowie auch die größten Businesssoft-

wareanbieter haben diese Relevanz erkannt. Wenn Online Recruitment Systeme effektiv

sein sollen dürfen sie sich nicht nur auf die Bewerberansprache konzentrieren. Sie müssen

auch die Auswahlentscheidung zumindest mit unterstützen. Als sehr erfolgreich haben sich

Maßnahmen herausgestellt welche die Selbstselektion der Bewerber fördern. Eine detaillier-

te Anforderungsbeschreibung und das Bereitstellen von umfangreichen Informationen zum

Unternehmen spielen hierbei eine wichtige Rolle. Weitere Maßnahmen sind sogenannten

Pre-Screening Verfahren die Stellenanforderungen mit den Fach- und Sozialkompetenzen

der Bewerber vergleichen. Gerade bei den eignungsdiagnostischen Verfahren müssen noch

weitere Forschungen angestellt werden, wie diese mit der elektronischen Datenerhebung

und Datenverarbeitung zusammengeführt werden können. Dies hat Auswirkungen inwieweit

Online Recruitment Maßnahmen die Personalentscheider unterstützen, oder auch komplette

Aufgabenbereiche übernehmen können. Denkbar wäre hier ein verstärkter Einsatz von

virtuellen Assessment-Centern und online durchgeführte Interviews. Auch eine Software-

unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung dieser Interviews, z.B. in Form eines

dynamischen erstellten Interviewleitfadens Aufgrund der Stellenanforderungsdaten ist denk-

bar. Gerade beim Zusammenführen und Auswerten verschiedenster Datenbestände könnten

intelligente Algorithmen behilflich sein. Bewerberprofile könnten im Vorfeld mit öffentlich zu-

gänglichen Daten, welche der Nutzer meist selbst veröffentlicht hat (Web 2.0 Phänomen),

überprüft und angereichert werden. So könnten nicht nur Missbrauch und Scheinidentitäten

schneller aufgedeckt werden, auch durch das Erfassen weiterer Daten während des Aus-

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wahlprozesses und zentrale zusammenführen dieser Daten kann eine genauere Entschei-

dungsgrundlage geschaffen werden. Aber selbst wenn die Auswahl- und Filtermechanismen

den perfekt geeigneten Kandidaten für ein Stellenanforderungsprofil herausfinden können,

besteht dennoch die Gefahr erfolgsversprechende Personen auszusortieren. Dies ist dann

der Fall wenn Personen zwar nicht auf die von ihnen beworbene Arbeitsstelle passen, aber

an anderer Stelle im Unternehmen perfekt einzusetzen wären. Aus diesem Grund sollten

innerhalb des Online Recruitment Prozesses Vorschlagsysteme eingesetzt werden. Auf-

grund der erfassten Personenmerkmale werden dem Arbeitssuchenden weitere für ihn inte-

ressante Stellenangebote offeriert.

Allgemein werden Online Recruitment Maßnahmen zunehmend reizvoller wenn sie sich

nahtlos in bestehende Human Ressource Management Systeme einbinden lassen. Durch

automatische Anforderungsermittlung und der koordinierten Bewerberansprache und Aus-

wahl lassen sich vor allem für große Unternehmen Effizienzsteigerungen realisieren. Wenn

Unternehmen auch zukünftig erhobene Daten mit denen aus dem Online Recruitment ver-

gleichen, können sie den Online Recruitment Prozess bedingt evaluieren. Es ist zwar weiter-

hin unmöglich das Unternehmen dadurch zweifelsfrei feststellen können ob sie den tatsäch-

lich bestgeeignetsten Bewerber ausgewählt haben, aber sie können überprüfen ob die Ein-

schätzungen die ihre Bewertungsmethoden getroffen haben erfüllt wurden.

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Den besten Mitarbeiter finden - Bewerberflut zielsicher bewältigen. Anforderungsprofil und Stellenbeschreibung - Wege der Personalbeschaffung - Bewerbungsunterlagen und Bewerbungsgespräch, Berlin 2007.