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Z Rheumatol 2013 · 72:10–11 DOI 10.1007/s00393-011-0882-7 Online publiziert: 10. Februar 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 G.-R. Burmester · E. Feist Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin - Campus Mitte Personalisierte Medizin   in der Rheumatologie –   „hype or hope“? Das Schlagwort „personalisierte Medizin“ hat in den letzten Jahren für viel Diskus- sionsstoff in der Rheumatologie gesorgt. Dabei wurden Definition und Umsetzung in die tägliche Praxis ebenso intensiv und kontrovers diskutiert wie der bereits er- reichte Stand für die individuelle Thera- pieentscheidung. Da ohne Zweifel neue Möglichkeiten zur Stratifizierung von Pa- tienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen bestehen und eine intensi- ve Forschungstätigkeit in diesem Bereich stattfindet, widmet sich dieses Heft die- sem brisanten Thema mit Schwerpunkt auf das Krankheitsbild der rheumatoiden Arthritis. Gerade bei dieser Erkrankung stehen vielfältige und hochpreisige Thera- pieoptionen zur Verfügung. Darüber hi- naus bestehen auch Möglichkeiten einer personalisierten Medizin im Bereich der konventionellen Basistherapeutika. Im Beitrag von Martin Frank und Thomas Mittendorf wird in das Thema der personalisierten und stratifizierten Medi- zin in der Rheumatologie am Beispiel der rheumatoiden Arthritis eingeführt. Dabei werden insbesondere gesundheitsökono- mische Aspekte beleuchtet. Für die phar- makologische Industrie ergibt sich daraus die Möglichkeit einer Zulassung von Prä- paraten für homogene Patientengruppen. Für die Patienten ergibt sich voraussicht- lich ein höherer Nutzen durch eine anzu- nehmende höhere Wirkwahrscheinlich- keit. Für diesen Ansatz erachten die Au- toren vor allem den Einsatz von Biomar- kern als notwendiges Mittel, um Patien- tengruppen zu stratifizieren, wobei zum gegenwärtigen Zeitpunkt konstatiert wird, dass dies in der Rheumatologie noch nicht sehr verbreitet ist. Die Autoren Hans-Ulrich Scherer, Tho- mas Häupl und Gerd-Rüdiger Burmester bestätigen diese Aussage, wobei die Ein- schätzung getroffen wird, dass der Über- gang zur personalisierten Medizin in der Rheumatologie noch nicht vollständig vollzogen ist. In ihrem Beitrag werden mögliche Einsatzbereiche und Konzepte zur Nutzung von aktuellen und neu- en Biomarkern aufgezeigt. Interessant ist die Annahme, dass der mögliche Ein- satz neuer Präparate in Zukunft gekop- pelt sein wird an den Nachweis von Bio- markern. Somit ist anzunehmen, dass der Stellenwert von Biomarkern zur persona- lisierten Medizin in Zukunft weiter zu- nehmen wird. » Der Übergang zur personalisierten Medizin ist in der Rheumatologie noch nicht vollständig vollzogen Im Beitrag von Christoph Fiehn, Gernot Kaiser und Hans-Martin Lorenz wird der gegenwärtige Stand der personalisierten Medizin im Bereich konventioneller „di- sease modifying anti-rheumatic drugs“ (DMARDs) dargestellt. Dabei kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die The- rapieentscheidung momentan von vielen gut und weniger gut objektivierten Fakto- ren beeinflusst wird, die ein mosaikähn- liches Zusammensetzen im individuellen Fall erforderlich machen, um über eine Basismedikation zu entscheiden. Das Pro und Kontra des Einsatzes der verschiede- nen etablierten Basismedikamente wird detailliert diskutiert, wobei auch hier die Autoren zu der Schlussfolgerung kom- men, dass eine personalisierte Medizin im eigentlichen Sinne gegenwärtig in der Rheumatologie noch nicht existiert. Frank Behrens und Michaela Köhm be- leuchten den momentanen Stand der per- sonalisierten Medizin bei zytokingerich- teten Therapien. Hier werden erste Er- kenntnisse zu einer möglichen Stratifi- zierung und Personalisierung mittels mo- lekularer und genetischer Marker disku- tiert. Dabei finden sich interessante An- satzpunkte für den Einsatz von Biomar- kern insbesondere bei TNF-α-Inhibito- ren und Interleukin-6-Antagonisten. Im Fazit wird aber auch hier geschlussfol- gert, dass gegenwärtig noch keine ausrei- chenden Daten für eine klinische Verwen- dung dieser Stratifizierungsmöglichkeiten vorliegen, sodass weiterführende Studien dringend notwendig sind. Im Beitrag von Eugen Feist und Tho- mas Dörner werden zellgerichtete Thera- pieansätze im Zeitalter der personalisier- ten Medizin dargestellt. Hier werden ers- te Möglichkeiten zur Stratifizierung bei B- und T-Zell-gerichteten Biologika disku- tiert. Im Fazit ist auch in diesem Bereich eine personalisierte Medizin im eigent- lichen Sinne noch nicht erreicht, wobei die meisten der beschriebenen Biomar- ker einer weiteren Evaluation bedürfen. Die Autoren kommen zu der Schlussfol- gerung, dass zum gegenwärtigen Zeit- punkt das Sicherheitsprofil der Medika- Einführung zum Thema 10 | Zeitschrift für Rheumatologie 1 · 2013 Einführung zum Thema

Personalisierte Medizin in der Rheumatologie – „hype or hope“?

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Z Rheumatol 2013 · 72:10–11DOI 10.1007/s00393-011-0882-7Online publiziert: 10. Februar 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

G.-R. Burmester · E. FeistMedizinische Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin - Campus Mitte

Personalisierte Medizin  in der Rheumatologie –  „hype or hope“?

Das Schlagwort „personalisierte Medizin“ hat in den letzten Jahren für viel Diskus-sionsstoff in der Rheumatologie gesorgt. Dabei wurden Definition und Umsetzung in die tägliche Praxis ebenso intensiv und kontrovers diskutiert wie der bereits er-reichte Stand für die individuelle Thera-pieentscheidung. Da ohne Zweifel neue Möglichkeiten zur Stratifizierung von Pa-tienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen bestehen und eine intensi-ve Forschungstätigkeit in diesem Bereich stattfindet, widmet sich dieses Heft die-sem brisanten Thema mit Schwerpunkt auf das Krankheitsbild der rheumatoiden Arthritis. Gerade bei dieser Erkrankung stehen vielfältige und hochpreisige Thera-pieoptionen zur Verfügung. Darüber hi-naus bestehen auch Möglichkeiten einer personalisierten Medizin im Bereich der konventionellen Basistherapeutika.

Im Beitrag von Martin Frank und Thomas Mittendorf wird in das Thema der personalisierten und stratifizierten Medi-zin in der Rheumatologie am Beispiel der rheumatoiden Arthritis eingeführt. Dabei werden insbesondere gesundheitsökono-mische Aspekte beleuchtet. Für die phar-makologische Industrie ergibt sich daraus die Möglichkeit einer Zulassung von Prä-paraten für homogene Patientengruppen. Für die Patienten ergibt sich voraussicht-lich ein höherer Nutzen durch eine anzu-nehmende höhere Wirkwahrscheinlich-keit. Für diesen Ansatz erachten die Au-toren vor allem den Einsatz von Biomar-kern als notwendiges Mittel, um Patien-tengruppen zu stratifizieren, wobei zum gegenwärtigen Zeitpunkt konstatiert wird,

dass dies in der Rheumatologie noch nicht sehr verbreitet ist.

Die Autoren Hans-Ulrich Scherer, Tho-mas Häupl und Gerd-Rüdiger Burmester bestätigen diese Aussage, wobei die Ein-schätzung getroffen wird, dass der Über-gang zur personalisierten Medizin in der Rheumatologie noch nicht vollständig vollzogen ist. In ihrem Beitrag werden mögliche Einsatzbereiche und Konzepte zur Nutzung von aktuellen und neu-en Biomarkern aufgezeigt. Interessant ist die Annahme, dass der mögliche Ein-satz neuer Präparate in Zukunft gekop-pelt sein wird an den Nachweis von Bio-markern. Somit ist anzunehmen, dass der Stellenwert von Biomarkern zur persona-lisierten Medizin in Zukunft weiter zu-nehmen wird.

» Der Übergang zur personalisierten Medizin ist in der Rheumatologie noch nicht vollständig vollzogen

Im Beitrag von Christoph Fiehn, Gernot Kaiser und Hans-Martin Lorenz wird der gegenwärtige Stand der personalisierten Medizin im Bereich konventioneller „di-sease modifying anti-rheumatic drugs“ (DMARDs) dargestellt. Dabei kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die The-rapieentscheidung momentan von vielen gut und weniger gut objektivierten Fakto-ren beeinflusst wird, die ein mosaikähn-liches Zusammensetzen im individuellen Fall erforderlich machen, um über eine

Basismedikation zu entscheiden. Das Pro und Kontra des Einsatzes der verschiede-nen etablierten Basismedikamente wird detailliert diskutiert, wobei auch hier die Autoren zu der Schlussfolgerung kom-men, dass eine personalisierte Medizin im eigentlichen Sinne gegenwärtig in der Rheumatologie noch nicht existiert.

Frank Behrens und Michaela Köhm be-leuchten den momentanen Stand der per-sonalisierten Medizin bei zytokingerich-teten Therapien. Hier werden erste Er-kenntnisse zu einer möglichen Stratifi-zierung und Personalisierung mittels mo-lekularer und genetischer Marker disku-tiert. Dabei finden sich interessante An-satzpunkte für den Einsatz von Biomar-kern insbesondere bei TNF-α-Inhibito-ren und Interleukin-6-Antagonisten. Im Fazit wird aber auch hier geschlussfol-gert, dass gegenwärtig noch keine ausrei-chenden Daten für eine klinische Verwen-dung dieser Stratifizierungsmöglichkeiten vorliegen, sodass weiterführende Studien dringend notwendig sind.

Im Beitrag von Eugen Feist und Tho-mas Dörner werden zellgerichtete Thera-pieansätze im Zeitalter der personalisier-ten Medizin dargestellt. Hier werden ers-te Möglichkeiten zur Stratifizierung bei B- und T-Zell-gerichteten Biologika disku-tiert. Im Fazit ist auch in diesem Bereich eine personalisierte Medizin im eigent-lichen Sinne noch nicht erreicht, wobei die meisten der beschriebenen Biomar-ker einer weiteren Evaluation bedürfen. Die Autoren kommen zu der Schlussfol-gerung, dass zum gegenwärtigen Zeit-punkt das Sicherheitsprofil der Medika-

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mente eine Hauptrolle im Entscheidungs-prozess für ihren Einsatz darstellt. In Zu-kunft wird aber auch hier den Biomar-kern eine große Chance eingeräumt, um mittels ihrer Zuhilfenahme ein Therapie-ansprechen besser abschätzen zu können.

Zusammengefasst stehen wir sicher-lich in der Rheumatologie derzeit erst am Anfang einer personalisierten oder – bes-ser formuliert – stratifizierten Medizin. Dabei ist zur Reduktion von potenziellen Nebenwirkungen, zur Erhöhung der Ra-te für ein Therapieansprechen aber auch aus gesundheitsökonomischen Gesichts-punkten heraus eine weitere wissenschaft-liche Auseinandersetzung mit dem The-ma erforderlich. Dies sollte zu einer noch intensiveren Verknüpfung von klinischer Rheumatologie, Labordiagnostik und Ba-siswissenschaft führen.

Ihre

Gerd-Rüdiger Burmester

Eugen Feist

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. G.-R. BurmesterMedizinische Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin - Campus MitteCharitéplatz 1, 10117 [email protected]

PD Dr. E. FeistMedizinische Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin - Campus MitteCharitéplatz 1, 10117 [email protected]

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Überblick

201201/12 Frühdiagnostik und frühe Therapie

der Spondyloarthritiden einschließlich der Psoriasisarthritis

02/12 Was ist gesichert in der Off-Label-Therapie?

03/12 Autoinflammation04/12 Notfälle in der Rheumatologie05/12 Physikalische Medizin06/12 Intrazelluläre Therapieverfahren in

der Rheumatologie07/12 Neurologie08/12 Postoperatives Management09/12 Vaskulitits-Update10/12 Systemerkrankung Rheumatoide

Arthritis

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Vorschau

201301/13 Personalisierte Medizin

in der Rheumatologie02/13 „Imaging 21“: News und Trends

rheumatologischer Bildgebung 03/13 Muskelerkrankungen04/13 Kinder- und Jugendrheumatologie05/13 Die Haut als Manifestationsorgan

entzündlich-rheumatischer Erkrankungen

06/13 Multimorbidität07/13 Immundefektsyndrome08/13 Psoriasisarthritis + Varianten09/13 Neue Therapiestrategien10/13 Frühkollagenosen

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