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Peter Joseph Osterhaus (1823-1917) – ein deutsch-amerikanisches Leben 1 Von Peter Kleber Der 1849 in die Vereinigten Staaten emigrierte Koblenzer Peter Joseph Osterhaus zählte seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu den angesehensten Deutsch-Amerikanern. Als Offizier der Nordstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) leiteten ihn die gleichen Ideale, die bereits sein aktives Eintreten für Demokratie und Menschenrechte während der badischen Revolution 1848/49 bestimmt hatten. Mit dieser eindeutigen Stellungnahme schuf Osterhaus Gemeinsamkeiten, die auch heute noch den positiven Teil der nicht immer unbelasteten deutsch-amerikanischen Beziehungen ausmachen. Während seine Rolle im amerikanischen Bürgerkrieg ausreichend Würdigung fand, 2 wurde seine Zeit in Deutschland bis 1849 und von 1877 bis zu seinem Tod kaum oder widersprüchlich dargestellt. 3 Dies lag vor allem an Osterhaus selbst. Obwohl von Freunden, Verwandten und Verlegern gedrängt, besonders diese Perioden seines Lebens niederzuschreiben, fand sich als einzige persönliche Aufzeichnung nur ein Tagebuch aus dem Bürgerkriegsjahr 1864 in seinem Nachlass. 4 Manche Stationen seines Lebens lassen sich daher nur anhand oberflächlich recherchierter Zeitungsberichte oder nach seinem Tod entstandener Familienaufzeichnungen darstellen. Gerade deshalb erscheint der Versuch reizvoll, erstmals zusammenhängend Osterhaus' Lebensweg in Europa und Nordamerika nachzuzeichnen. Immerhin handelt es sich um einen Mann, der während seines 17-jährigen USA-Aufenthaltes vom Kaufmann zum Generalmajor der Freiwilligen-, später sogar der regulären Armee aufstieg, anschließend zum US-Konsul avancierte und mit der Ehrendoktorwürde mindestens einer amerikanischen Universität ausgezeichnet wurde. Darüber hinaus war er mit mindestens vier US-Präsidenten, unter ihnen Abraham Lincoln, persönlich bekannt. 1 Überarbeitete Fassung des Aufsatzes: Kleber, Hans-Peter: Peter Joseph Osterhaus - ein deutsch-amerikanisches Leben. In: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur (N. F. 2). Koblenz 1992, S. 87-109. 2 Aus der Vielzahl der Veröffentlichen, die insbesondere seine militärischen Leistungen hervorheben, sind auswahlweise zu nennen: Kaufmann, Wilhelm: Die Deutschen im amerikanischen Bürgerkriege <1861-1865>. München, Berlin 1911 (künftig Kaufmann). Kaufmanns Darstellungen, der stellenweise mündliche Angaben von Osterhaus verwendete, gelten heute aufgrund der verfälschenden, einseitig prodeutschen Sichtweise als überholt, vgl. hierzu Helbich, Wolfgang; Kamphoefner, Walter D. (Hrsg.): Deutsche im Amerikanischen Bürgerkrieg. Briefe von Front und Farm 1861-1865. Paderborn u. a. 2002; Mannhardt, Emil: General Peter Joseph Osterhaus. In: Deutsch-Amerikanische Geschichtsblätter Bd. 4, Juli 1904, S. 54-63; Drake, Francis S.: Dictionary of American Biography including men of the time. Boston Mass. 1870; Boatner, Mark Mayo: The Civil War Dictionary. New York 1959, S. 613; Malone, Dumas (Hrsg.): Dictionary of American Biography. Vol. VII. New York 1962, S. 88 f.; Hess, Earl J.: Peter J. Osterhaus. Grant’s Ethnic General. In: Steven E. Woodworth (Hrsg.): Grant’ Lieutenants. From Cairo to Vicksburg. Kansas, Lawrence 1990, S. 199-216, und Townsend Bobbitt, Mary: Yankee Warhorse. A biography of Major General Peter Osterhaus. University of Missouri Press. Columbia 2010 (künftig Townsend). 3 So konnten etwa sein Besuch der Berliner Militärakademie und die Teilnahme am deutsch-dänischen Krieg (1848) nicht bestätigt werden, vgl. Huebner, Theodore: The Germans in America. Philidelphia, New York 1962, S. 115, und Brancaforte, Charlotte (Hrsg.): The German Fourty-Eighters in the United States. New York u. a. 1989 (German Life an Civilization 1), S. 191. Ebenso ist die Behauptung, Osterhaus habe nach dem Scheitern der Badischen Revolution mit einem Todesurteil rechnen müssen, zumindest fragwürdig, vgl. die Osterhaus Family Papers (künftig OFP) im Besitz der Missouri Historical Society, St. Louis, als Kopie im Stadtarchiv Koblenz (künftig StAK) Best. N 57 = Nachlass Osterhaus. 4 OFP.

Peter Joseph Osterhaus (1823-1917) – ein deutsch-amerikanisches Leben 1 · 2018. 10. 29. · Peter Joseph Osterhaus (1823-1917) – ein deutsch-amerikanisches Leben 1 Von Peter

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  • Peter Joseph Osterhaus (1823-1917) – ein deutsch-amerikanisches

    Leben1

    Von Peter Kleber

    Der 1849 in die Vereinigten Staaten emigrierte Koblenzer Peter Joseph Osterhaus zählte seit dem

    letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu den angesehensten Deutsch-Amerikanern. Als Offizier der

    Nordstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) leiteten ihn die gleichen Ideale, die bereits

    sein aktives Eintreten für Demokratie und Menschenrechte während der badischen Revolution 1848/49

    bestimmt hatten. Mit dieser eindeutigen Stellungnahme schuf Osterhaus Gemeinsamkeiten, die auch

    heute noch den positiven Teil der nicht immer unbelasteten deutsch-amerikanischen Beziehungen

    ausmachen.

    Während seine Rolle im amerikanischen Bürgerkrieg ausreichend Würdigung fand,2 wurde seine Zeit

    in Deutschland bis 1849 und von 1877 bis zu seinem Tod kaum oder widersprüchlich dargestellt.3 Dies

    lag vor allem an Osterhaus selbst. Obwohl von Freunden, Verwandten und Verlegern gedrängt,

    besonders diese Perioden seines Lebens niederzuschreiben, fand sich als einzige persönliche

    Aufzeichnung nur ein Tagebuch aus dem Bürgerkriegsjahr 1864 in seinem Nachlass.4 Manche

    Stationen seines Lebens lassen sich daher nur anhand oberflächlich recherchierter Zeitungsberichte

    oder nach seinem Tod entstandener Familienaufzeichnungen darstellen.

    Gerade deshalb erscheint der Versuch reizvoll, erstmals zusammenhängend Osterhaus' Lebensweg in

    Europa und Nordamerika nachzuzeichnen. Immerhin handelt es sich um einen Mann, der während

    seines 17-jährigen USA-Aufenthaltes vom Kaufmann zum Generalmajor der Freiwilligen-, später

    sogar der regulären Armee aufstieg, anschließend zum US-Konsul avancierte und mit der

    Ehrendoktorwürde mindestens einer amerikanischen Universität ausgezeichnet wurde. Darüber hinaus

    war er mit mindestens vier US-Präsidenten, unter ihnen Abraham Lincoln, persönlich bekannt.

    1 Überarbeitete Fassung des Aufsatzes: Kleber, Hans-Peter: Peter Joseph Osterhaus - ein deutsch-amerikanisches Leben. In: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur (N. F. 2). Koblenz 1992, S. 87-109. 2 Aus der Vielzahl der Veröffentlichen, die insbesondere seine militärischen Leistungen hervorheben, sind auswahlweise zu nennen: Kaufmann, Wilhelm: Die Deutschen im amerikanischen Bürgerkriege . München, Berlin 1911 (künftig Kaufmann). Kaufmanns Darstellungen, der stellenweise mündliche Angaben von Osterhaus verwendete, gelten heute aufgrund der verfälschenden, einseitig prodeutschen Sichtweise als überholt, vgl. hierzu Helbich, Wolfgang; Kamphoefner, Walter D. (Hrsg.): Deutsche im Amerikanischen Bürgerkrieg. Briefe von Front und Farm 1861-1865. Paderborn u. a. 2002; Mannhardt, Emil: General Peter Joseph Osterhaus. In: Deutsch-Amerikanische Geschichtsblätter Bd. 4, Juli 1904, S. 54-63; Drake, Francis S.: Dictionary of American Biography including men of the time. Boston Mass. 1870; Boatner, Mark Mayo: The Civil War Dictionary. New York 1959, S. 613; Malone, Dumas (Hrsg.): Dictionary of American Biography. Vol. VII. New York 1962, S. 88 f.; Hess, Earl J.: Peter J. Osterhaus. Grant’s Ethnic General. In: Steven E. Woodworth (Hrsg.): Grant’ Lieutenants. From Cairo to Vicksburg. Kansas, Lawrence 1990, S. 199-216, und Townsend Bobbitt, Mary: Yankee Warhorse. A biography of Major General Peter Osterhaus. University of Missouri Press. Columbia 2010 (künftig Townsend). 3 So konnten etwa sein Besuch der Berliner Militärakademie und die Teilnahme am deutsch-dänischen Krieg (1848) nicht bestätigt werden, vgl. Huebner, Theodore: The Germans in America. Philidelphia, New York 1962, S. 115, und Brancaforte, Charlotte (Hrsg.): The German Fourty-Eighters in the United States. New York u. a. 1989 (German Life an Civilization 1), S. 191. Ebenso ist die Behauptung, Osterhaus habe nach dem Scheitern der Badischen Revolution mit einem Todesurteil rechnen müssen, zumindest fragwürdig, vgl. die Osterhaus Family Papers (künftig OFP) im Besitz der Missouri Historical Society, St. Louis, als Kopie im Stadtarchiv Koblenz (künftig StAK) Best. N 57 = Nachlass Osterhaus. 4 OFP.

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    Peter Joseph Osterhaus kam am 4. Januar 1823 in Koblenz als zweiter Sohn des Baumeisters Joseph

    Adolph Osterhaus und dessen Frau Eleonora Kraemer zur Welt.5 Die Eltern hatten am 7. November

    1820 in Koblenz geheiratet. Der Vater, am 17. September 1797 in Ahaus (Westfalen) geboren, wirkte

    ab ca. 1818 als Baufachmann an der Errichtung der Feste Kaiser Alexander (1817-1822) auf der

    Karthause mit. Er gehörte zu den rund tausend Maurern, die damals beim Bau der preußischen Festung

    Koblenz-Ehrenbreitstein eine Anstellung fanden.6 Anfangs führte er die Berufsbezeichnung

    Steinbrechermeister, später Maurermeister und Bauunternehmer. Durch Vermittlung von Bauinspektor

    Johann Claudius von Lassaulx (1781-1848) war Joseph Adolph Osterhaus unter anderem am

    Fundamentbau der katholischen Pfarrkirchen St. Menas in Kapellen (1826-1830) und St. Johannes in

    Treis (1824-1831) beteiligt.7 Von 1847 bis ca. 1852 gehörte er dem Stadtrat an.8 Er starb am 14. März

    1868 in Koblenz. Die Mutter, eine Metzgerstochter, wurde am 5. Juni 1795 in Koblenz geboren und

    starb hier am 21. Oktober 1838, als Peter Joseph 15 Jahre alt war. Seine beiden Brüder wurden

    ebenfalls in Koblenz geboren. Anton Heinrich9 führte als Architekt und Bauunternehmer das Geschäft

    seines Vaters weiter. Er heiratete am 20. Oktober 1845 in Koblenz Catharina Rösgen.10 Bruder Lorenz

    Joseph Adolph, der am 15. November 1829 geboren wurde und als Junggeselle am 7. Februar 1884

    starb, arbeitete ebenfalls im elterlichen Baugeschäft. Er scheint längere Zeit krank gewesen zu sein und

    wurde deswegen Anfang der 1880er Jahre von Bruder Peter Joseph finanziell unterstützt.11

    Die Familie Osterhaus war katholisch. Vater Joseph Adolph soll recht strenggläubig gewesen sein, was

    weder seinem Sohn Peter Joseph noch dessen Kindern nachgesagt wurde. Möglicherweise konvertierte

    Peter Joseph später zur Episkopalkirche, der sein Sohn Hugo12 angehörte, oder zur evangelischen

    Kirche, wie seine Kinder Mathilde,13 Theresia gen. Thesi14 und Alexander.15 Sein Sterbeeintrag lässt

    jedenfalls die Konfessionszugehörigkeit offen, es heißt lediglich, er sei christlicher Religion

    gewesen.16 Dass er sich zumindest in formalkirchlichen Dingen eher undogmatisch verhielt, beweist

    die von ihm selbst angeordnete Feuerbestattung.

    5 Laut Geburtseintrag wurde er in der Wohnung seiner Eltern in der Schlossstraße geboren. Da jedoch keine Hausnummer angegeben wird, kann der Behauptung, er sei in der Schlossstraße 6 zur Welt gekommen, nicht gefolgt werden, vgl. Becker, Wilhelm J.: Ein Koblenzer als amerikanischer General. In: Rhein-Zeitung vom 4.9.1952. Nur wenige Monate nach Peter Josephs Geburt wechselte die Familie aus der Schlossstraße in die Schanzenpforte 10, vgl. Adressbuch 1823, das Mitte des Jahres zusammengestellt wurde. 6 Weber, Klaus T.: Die Preußischen Festungsanlagen von Koblenz (1815-1834). Weimar 2003 (Kunst- und Kulturwissenschaftliche Forschungen. Hrsg. von Ludwig Tavernier), S. 101 f. 7 Schwieger, Frank: Johann Claudius Lassaulx 1781-1848. Architekt und Denkmalpfleger in Koblenz (Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz, Jahrbuch 1969), S. 27, 40. 8 Bär, Max: Aus der Geschichte der Stadt Koblenz 1814-1914. Koblenz 1922, S. 81, 84. 9 (* 22.8.1821 - Koblenz - 1.4.1896). 10 (* 22.6.1823 - Koblenz - + 15.4.1899). 11 Peter Joseph Osterhaus (künftig PJO) an Sohn Hugo Osterhaus, Mannheim, 28.11.1881, OFP. 12 (* 15.6.1851 Belleville, Illinois, + 15.6.1927 Tupper Lake, Castle Point, New York). Er heiratete 1877 Mary Wilson (* 1855 Charlottesville), Tochter von George R. Wilson, der die Konförderiertenarmee in Richmond mit mehr als 20.000 Dollar unterstützt hatte, aufgrund der am 29.5.1865 von Präsident Johnson erlassenen Proklamation jedoch amnestiert wurde, OFP. 13 Mathilde Natalie gen. Tilde (* 17.1.1868 Caluire Cuire/Lyon, + 9.10.1942 Berlin). 14 (* 20.4.1865 St. Louis, + 2.3.1947 Alsfeld). 15 (* 16.8.1855 Lebanon, Illinois, + 26.4.1934 Redondo Beach, Kalifornien), evangelisch. 16 Vgl. Standesamt Duisburg, Sterbeeintrag Nr. 19 vom 2.1.1917. Dagegen bezeichnete sich Osterhaus 1905 in einem unbetitelten US-Zeitungsartikel als Katholik, OFP.

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    Obwohl Peter Joseph Osterhaus nachweislich in Koblenz kein Abitur abgelegt hat,17 muss er eine

    höhere Schulbildung genossen haben, denn er beherrschte Latein, Englisch und Französisch.

    Außerdem verstand und sprach er recht gut Holländisch, das er als Jugendlicher in Rotterdam erlernte,

    wo sich die Familie in den 1830er Jahren drei Jahre lang aufgehalten hatte. Wegen seiner

    Sprachkenntnisse wurde er im Mai 1866 übrigens zum amerikanischen Gesandten in den Niederlanden

    vorgeschlagen, was er jedoch ablehnte, da er sich diesem Amt nicht gewachsen fühlte.18 Sein

    Berufswunsch war, Geschichtsprofessor an einer Universität zu werden. Das Interesse an Geschichte

    in Verbindung mit aktueller Weltpolitik hat Osterhaus nie verloren. Der zwischen 1877 und 1916 mit

    seinem in den USA lebenden Sohn Hugo geführte Briefwechsel19 vermittelt anschaulich seinen

    historisch-politischen Kenntnisreichtum und das daraus resultierende Urteilsvermögen. Entgegen

    seinen Neigungen musste Peter Joseph auf Weisung seines Vaters jedoch eine Kaufmannslehre

    antreten. 1840 finden wir ihn denn auch als „Handelslehrling“, wohnhaft im Hause seines Vaters

    Neustadt 19,20 das dieser um 1830 errichtet hatte.21 In welcher Firma Peter Joseph ausgebildet wurde,

    ist nicht mehr festzustellen. Nach Beendigung seiner Lehrzeit unternahm er jedenfalls Reisen durch

    Deutschland, die Schweiz und Frankreich.

    Abb. 1: Eckhaus Neustadt 19, Koblenzer Stammsitz der Familie Osterhaus, um 1890.

    17 In den Abiturientenlisten 1838 bis 1844 des Koblenzer Gymnasiums taucht er nicht auf, vgl. die entsprechenden Programme zur Schulprüfung am Königlichen Gymnasium Koblenz. 18 The Daily News vom 3.1.1914, OFP; Townsend, S. 199. 19 OFP. 20 StAK 623 Nr. 2172, Haus Nr. 1019a. 21 Laut Adressbuch 1828 wohnte Familie Osterhaus in der Löhrstraße 71. Eine Annonce im Coblenzer Anzeiger (künftig CA) vom 7.12.1830 gibt die Adresse mit „Neustadt“ an. Das Haus Neustadt [19] muss demnach zwischen 1828 und 1830 erbaut worden sein. Sowohl die Biographische Skizze PJO, verfasst von Tochter Emma Kamp (* 28.10.1857 Lebanon, Illinois, + 3.6.1935 Frankfurt a. M.) vom 17.4.1931, OFP, als auch Michel, Fritz (Bearb.): Die Kunstdenkmäler der Stadt Koblenz. Die profanen Denkmäler und die Vororte. Düsseldorf 1954, S. 346, geben den Vater Joseph Adolph als Erbauer an.

  • 4

    1844 meldete sich Osterhaus als Einjährig-Freiwilliger zum 3. Rheinischen Infanterie-Regiment Nr. 29

    in Koblenz.22 Anfang 1845 wurde er dem 29. Landwehr-Regiment, einer in Neuwied, Andernach und

    Simmern stationierten Ersatzeinheit, zugewiesen und soll angeblich zum Leutnant der Reserve ernannt

    worden sein.23

    Am 11. April 1845 reiste Osterhaus erstmals nach Mannheim, kehrte jedoch am 11. Juni kurzfristig

    nach Koblenz zurück, um seine Freistellung vom Reservedienst zu erwirken.24 Während seines

    zweimonatigen Aufenthalts in Mannheim hatte er mit finanzieller Unterstützung des Vaters seine

    Teilhaberschaft an der Firma Carl Nestler & Co. vorbereitet, die „Spezerei, Schokoladen-Fabrikation

    und Spedition“ zum Geschäftsgegenstand hatte. 1846 erscheint Osterhaus erstmals im Mannheimer

    Adresskalender, ein Jahr später taucht er im „Verzeichnis der geschäftetreibenden Handelsleute“ unter

    dem Firmennamen „C. Nestler und Comp., Spedition und Commission“ auf. Ebenfalls 1847 erfolgte

    seine Aufnahme in den badischen Staatsverband und am 24. September sein Eintritt ins Mannheimer

    Bürgerrecht.25 Bereits am 3. September war er Mitglied der Mannheimer Handelsinnung geworden.26

    Wie in vielen Teilen Deutschlands brachen Anfang 1848 auch in Mannheim Unruhen aus. Zur

    Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit bildete sich eine bewaffnete Bürgerwehr,27 die am 13.

    März 1848 mit Friedrich Hecker (1811-1881)28 die Leitfigur des Badischen Aufstandes zu ihrem

    Befehlshaber wählte.29 Hecker verließ Mannheim jedoch schon am 10. April, um im so genannten

    Heckerzug die Kämpfe bei Kandern (20. April) anzuführen. Der katastrophale Ausgang des Gefechts

    zwang Hecker zur Flucht, zunächst in die Schweiz und im September 1848 in die USA.30 Nach seiner

    Emigration war die Mannheimer Bürgerwehr längere Zeit ohne Befehlshaber.

    Am 1. Mai 1848 besetzten zusätzlich bayerische Truppen die Stadt und ordneten die Entwaffnung der

    Bürgerwehr an. Bei der anschließenden Neuordnung wurde sie auf 1200 Mann reduziert und in zwei

    22 Coblenzer Zeitung (künftig CZ) vom 14.12.1861 und Dictionary of American Biography, S. 88. Einjährig-Freiwillige waren Wehrpflichtige, die durch ihre Vorbildung das Recht erworben hatten, ihrer aktiven Dienstpflicht mit nur einem Jahr zu genügen. Während dieser Zeit hatten sie sich selbst zu bekleiden, auszurüsten und zu verpflegen, wodurch diese Art des „Ersatzdienstes“ Mittellosen in der Regel nicht möglich war, vgl. auch Frobenius, H.: Militär-Lexikon. Handwörterbuch der Militärwissenschaften. Berlin 1901, S. 174 f. 23 Kaufmann, S. 445, widerspricht sich bezüglich der Ernennung zum Reserveoffizier selbst, indem er Osterhaus’ militärische Schulung als beschränkt bezeichnet, da er Pflichtsoldat, nicht Berufsmilitär gewesen sei. Zudem schloss sein Status als Einjährig-Freiwilliger grundsätzlich aus, ins Offizierskorps aufgenommen zu werden. Entsprechend taucht Osterhaus zu keinem Zeitpunkt in den Rang- und Quartierlisten der Kgl. Preußischen Armee auf. 24 Stadtarchiv Mannheim (künftig StaM), Best. Polizeipräsidium, Familienbogen PJO. 25 Ebd. sowie Ratsprotokoll der Stadt Mannheim vom September 1847. 26 Ebd. sowie Depositum IHK Mannheim, Alte Sign. 2. 27 Zur Revolution und Rolle der Bürgerwehr in Mannheim vgl. Walter, Friedrich (Bearb.): Geschichte Mannheims vom Übergang an Baden (1802) bis zur Gründung des Reiches (Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart. Jubiläumsausgabe der Stadt 2). Mannheim 1907, S. 275-418; Blastenbrei, Peter: Mannheim in der Revolution 1848/49. Mannheim 1997. 28 Lück, Andreas: Friedrich Hecker. Rolle, Programme und politische Möglichkeiten eines Führers der radikaldemokratischen Bewegung von 1848/49 in Baden. Diss. phil. Berlin 1979. 29 Ebd., S. 330; zu Hecker vgl. S. 68 f. 30 Hecker traf von Straßburg kommend am 16. September in Le Havre ein und bestieg vier Tage später das Dampfboot „Hermann“ Richtung USA, CA vom 24.9.1848.

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    Banner (Bataillone) eingeteilt. Zu Bannerführern (Majoren) wurden am 26. Dezember 1848 Lorenz

    Brentano (1813-1891), Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung,31 und Peter Joseph Osterhaus

    gewählt, dessen Ernennung seiner militärischen Ausbildung zuzuschreiben war.32 Osterhaus'

    Geschäftspartner Carl Nestler, der dem gemäßigten liberalkonservativen Lager angehörte, war bereits

    im März 1848 zu einem der Hauptleute der Bürgerwehr gewählt worden.33 Nach dem Scheitern der

    Badischen Revolution wurde er am 6. Juli 1849 als zweiter Bürgermeister Mannheims eingesetzt.34

    Anfang 1849 eskalierten die Bürgerunruhen erneut. Stadtkommandant war zu dieser Zeit Oberst

    August Freiherr von Roggenbach (1798-1854),35 Kommandeur des 2. Dragoner-Regiments. Am 14.

    Mai wurde ihm auf Beschluss des Gemeinderates Osterhaus zur Seite gestellt, so dass nun beide

    gleichberechtigt die Leitung der Stadtkommandantur ausübten. Mit Osterhaus’ Ernennung sollte im

    Falle einer Konfliktausweitung eine wirksame Kontrolle über das Regiment gewährleistet werden, „um

    des Militärs ganz sicher zu sein“.36 Eine Dreiergruppe, zu der auch Osterhaus gehörte, forderte zwei

    Tage später von Roggenbach auf, den Treueid auf die tags zuvor gebildete Revolutionsregierung

    Badens zu leisten. Während von Roggenbach ablehnte und das Kommando niederlegte, leistete das

    Regiment, mit Ausnahme des Offizierskorps, den geforderten Eid.37

    Vor den entscheidenden Kämpfen um Mannheim zwischen Revolutionsanhängern und der aus

    regulären Truppen bestehenden Reichsarmee übertrug Franz Raveaux (1810-1851),38 Mitglied der

    Badischen Revolutionsregierung, am 29. Mai Osterhaus die alleinige Leitung des Stadtkommandos.

    Raveaux, der dem Einsatzwillen der Mannheimer Bürgerwehr nur bedingt traute, begründete seine

    Entscheidung damit, dass er Osterhaus für einen absolut zuverlässigen Mann erachtete.39 Am 8. Juni

    ernannte der Gemeinderat den erst 26-Jährigen zum Oberst der Bürgerwehr, nachdem er zuvor schon

    die Exerzierübungen geleitet und ein von ihm aufgestelltes Artilleriekorps befehligt hatte. Doch bereits

    am 20. Juni legte er ohne Angabe von Gründen sein Amt nieder, worüber der Gemeinderat sein

    Befremden aussprach.40 Sein Rücktritt resultierte wohl aus der Erkenntnis, dass die Lage der

    Aufständischen aussichtslos war und ein Sieg der Reichsarmee unmittelbar bevorstand. Tatsächlich

    wurde Mannheim zwei Tage später von preußischen Truppen eingenommen.

    Schon am 28. Juni erging Haftbefehl gegen Osterhaus, und zwar wegen Verleitung des 2. Dragoner-

    Regiments zum Treuebruch. Aber auch andere Anschuldigungen wurden laut: So habe er der nur für

    den Stadtbereich zuständigen Bürgerwehr befohlen, außerhalb Mannheims gegen die Reichstruppen in 31 Zu Brentano vgl. Die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49. Ein Handlexikon der Abgeordneten der deutschen verfassungsgebenden Reichs-Versammlung. Hrsg. von Rainer Koch im Auftrag der Arbeitsgruppe Paulskirche. Kelkheim 1989, S. 110. 32 Walter, S. 362; Blastenbrei, S. 96, 98 f., 118 f. 33 Walter, S. 330. 34 Ebd., S. 405. 35 Badischer Kriegsminister 1849-1854. 36 Walter, S. 375. 37 Ebd., S. 376. 38 Zu Raveaux vgl. Die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, S. 326 f. 39 Walter, S. 383. 40 Ebd., S. 398.

  • 6

    Stellung zu gehen, die Bewaffnung eines holländischen Freikorps übernommen, die Munitionierung

    der städtischen Kanonen organisiert, die Ludwigshafen beschossen, und die Entwaffnung von

    Bürgerwehrleuten angeordnet, um sie dem ersten Aufgebot (Ledige und kinderlose Witwer von 18 bis

    30 Jahre) zuzuweisen.

    Zum Zeitpunkt des Haftbefehls war Osterhaus vermutlich über Worms bereits nach Kreuznach

    geflohen.41 Aus Kreuznach stammte seine Frau Mathilde Born, die er dort am 25. August 1846

    geheiratet hatte.42 Die Vermutung der Untersuchungsbehörden, Osterhaus sei von Kreuznach aus nach

    England geflüchtet, erwies sich als falsch.43 Tatsächlich tauchte er zusammen mit Karl Eisenhardt,

    einem Schwager Friedrich Heckers, in der letzten Juliwoche 1849, von Straßburg kommend, in Nancy

    auf. Als „zwei der wichtigsten Flüchtlinge“ wurden sie rund eine Woche später wieder in Straßburg

    angekündigt.44 Die rege Reisetätigkeit der beiden stand wohl in Zusammenhang mit der Rückkehr

    Heckers aus den USA. Hecker, der einem Ruf der Badischen Revolutionsregierung gefolgt war, hatte

    am 13. Juni seine Farm in Summerfield, Illinois, verlassen und war über Liverpool nach Straßburg

    gereist. Hier erreichte ihn am 15. Juli die Nachricht vom Zusammenbruch des dritten Badischen

    Aufstandes. Am 22. Juli verließ er Straßburg in Richtung Paris.45

    Osterhaus’ genauer Fluchtweg aus Mannheim nach Frankreich lässt sich nicht mehr eindeutig

    rekonstruieren. Insbesondere die Frage, wie er das Zusammentreffen mit seiner Frau arrangierte, bleibt

    unbeantwortet. Angeblich soll ihm die Flucht aus Mannheim mit Hilfe eines freundlich gesonnenen

    Rheindampfer-Kapitäns gelungen sein. Ein Freund habe ihn vor den in seinem Haus wartenden

    Gendarmen gewarnt, wobei unklar ist, in welcher Stadt diese Warnung ausgesprochen wurde. Es

    kommen sowohl Mannheim als auch Kreuznach und sogar Koblenz in Betracht, denn angeblich setzte

    er sich mit dem Pass eines in Koblenz lebenden Bruders ins elsässische Straßburg ab, wobei er zwei

    Flüsse durchschwimmen musste.46

    Belegt ist dagegen, dass Osterhaus, Karl Eisenhardt und Dr. med. Heinrich Tiedemann (1813-1895),

    ein weiterer Schwager Heckers, Anfang August 1849 von Straßburg nach Paris flohen, wo sie am 4.

    des gleichen Monats eintrafen. Noch in derselben Nacht setzten sie ihre überhastete Flucht nach Le

    Havre fort.47 Hier trafen sie vermutlich auf Hecker, der sich noch am 27. Juli mit seiner Familie in

    Paris versteckt gehalten hatte.48 Das eigentliche Ziel der Flüchtlinge waren jedoch die Vereinigten

    Staaten, da ihnen in Frankreich die Auslieferung an Baden oder Preußen drohte.49 Am 11. August

    verließ Hecker endgültig den europäischen Kontinent,50 sein Schiff, die „Seine“, lief am 14. September

    41 Mitteilung Heinrich Raab, Karlsruhe, vom 7.8.1991. 42 Sybilla Mathilde Born (* 17.1.1825 Kreuznach); Eltern: Notar Georg Carl Born und Margarethe Grebel. 43 Mitteilung Heinrich Raab, Karlsruhe, vom 7.8.1991. 44 Bundesarchiv (künftig BA), Außenstelle Frankfurt a. M., Best. DB 54 Nr. 43, S. 213. 45 Lück, S. 230 f. 46 The Daily News vom 3.1.1914, OFP. 47 BA Best. DB 54 Nr. 43, S. 210. 48 Mitteilung Heinrich Raab, Karlsruhe, vom 7.8.1991. 49 StAK 655,10 Nr. 422, 22.8.1849. 50 Mitteilung Heinrich Raab, Karlsruhe, vom 7.8.1991.

  • 7

    1849 in New York ein.51 Osterhaus, Frau Mathilde und die dreimonatige Tochter Anna Josephine52

    erreichten erst am 6. November 1849 mit dem Segler „Argo“ New York.53 An Bord befand sich unter

    anderem auch Joseph Martin Reichard (1803-1872),54 dem Osterhaus freundschaftlich verbunden

    war.55

    Am 2. Oktober 1850 wurde Osterhaus in Abwesenheit vom Mannheimer Hofgericht wegen

    Hochverrats zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem ihm zuvor schon am 22. Juli das badische

    Staatsbürgerrecht aberkannt worden war. Im Zuge einer allgemeinen Amnestie wurde er allerdings am

    9. Juli 1857 begnadigt.56

    Unmittelbar nach seiner Ankunft in New York wandte sich Osterhaus nach Belleville, St. Clair

    County, im Bundesstaat Illinois. Friedrich Hecker, der seit 1848 im nur wenige Kilometer entfernten

    Summerfield eine Farm besaß und mit den Verhältnissen dort vertraut war, könnte Osterhaus zu der

    Ansiedlung geraten haben, zumal das St. Clair County schon seit 1830 als Sammelbecken politischer

    Flüchtlinge aus Deutschland bekannt war.57

    Die dringlichste Aufgabe für Osterhaus bestand zunächst darin, sich eine Existenz aufzubauen.

    Anfänglich arbeitete er als Angestellter in einem Textilgeschäft, doch schon im April 1850 ist er

    Besitzer eines Haushaltswaren-Geschäfts für Porzellan, Glas und Keramik in der 150 Main Street.58

    Vier Jahre später erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft.59 Hier in Belleville begegnete er

    1856 zum ersten Mal dem späteren Präsidenten Abraham Lincoln (1861-1865), als dieser noch

    Abgeordneter von Illinois war.60 Nach einer Wahlkampfrede hatte man zu Ehren Lincolns ein Diner

    gegeben, zu dem auch das Ehepaar Osterhaus geladen war. In einem späteren, während des

    Sezessionskrieges zwischen Lincoln und Osterhaus geführten Gespräch erinnerte sich der Präsident

    daran, während des Diners neben einer reizenden Deutschen gesessen zu haben, die kaum Englisch

    sprach. Osterhaus klärte Lincoln darüber auf, dass es sich um seine Frau Mathilde gehandelt hatte.61

    51 CA vom 14.10.1849. Danach reiste Hecker mit Frau und 3 Kindern sowie Max Gritzner (1794-1872) und Franz Joseph Richter (1801-1865), beide Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung. Erst am 19.8.1849, als Hecker Frankreich längst verlassen hatte, setzte die Koblenzer Regierung die Landräte und Bürgermeister davon in Kenntnis, „daß die deutschen Flüchtlinge eifrig bemüht sind, in Gemeinschaft mit französischen Roth-Republikanern erneute Aufstände vorzubereiten, welche gleichzeitig in Deutschland und in Frankreich ausbrechen sollen. Namentlich ist in Straßburg stark die Rede von einer Revolution, welche im Herbst d. J. in Berlin ausbrechen soll. Als die thätigsten Agenten dieser Propaganda werden bezeichnet: [...] der frühere Oberst Osterhaus [...] Heinrich Tiedemann, Bruder des Befehlshabers der Rebellen in Rastatt, sämmtlich Straßburg“, StAK 655,10 Nr. 422, 22.8.1849. 52 (* 26.8.1849 Mannheim, + 1910 Frankfurt a. M.), verheiratet mit Carl Hartwig, Samtfabrikant in Lyon, Frankreich. 53 Auszug aus der Passagierliste der „Argo“,vgl. www.nausa.uni-oldenburg.de/1848/osterh.htm, Aufruf am 10.1.2012. 54 Rechtsanwalt und Notar, Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, Vorsitzender der revolutionären Pfälzischen Provisorischen Regierung in Kaiserslautern, 1850 in Abwesenheit zum Tode verurteilt, Die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, S. 331. 55 Tagebuch PJO vom 16.1.1864, OFP. 56 Mitteilung Heinrich Raab, Karlsruhe, vom 7.8.1991. 57 Ein Teil der hier ansässigen Emigranten wurde aufgrund ihrer klassischen Bildung scherzhaft als Latin Farmers bezeichnet, Kaufmann, S. 483. 58 Mitteilung St. Clair County Genealogical Society, Belleville, Illinois, vom 13.4.1991. 59 The New York Times vom 6.1.1917, S. 7, OFP. 60 Körner, Gustav: Memoirs of Gustav Körner, 1808-1896. Bd. 2. Cedar Rapids, Iowa, 1909, S. 32 f. 61 The Daily News vom 3.1.1914, OFP.

  • 8

    Später zog Osterhaus in das nur 18 Kilometer nordöstlich von Belleville gelegene Lebanon. Hier

    errichtete er 1856 eine Brennerei (The Lebanon Distillery), deren Bau rund 40.000 Dollar verschlang.62

    Doch schon ein Jahr später ging das Geschäft infolge der amerikanischen Wirtschaftskrise in die

    Brüche.63 Als der von Osterhaus unterstützte Republikaner John C. Frémont (1813-1890)64 im Kampf

    um das Präsidentenamt gegen den Demokraten James Buchanan (1791-1868)65 unterlag, verlor

    Osterhaus am 11. März 1857 auch seine Stellung als Posthalter.66 Dennoch soll sein Haus einer der

    gesellschaftlichen Mittelpunkte Lebanons gewesen sein.67 1860 taucht Osterhaus letztmalig in der

    Volkszählungsliste für das St. Clair County auf.68

    Noch im September des gleichen Jahres zwang ihn die wirtschaftliche Situation zum Umzug nach St.

    Louis im Bundesstaat Missouri, wo ihm eine große Eisenwarenhandlung den Posten eines Buchhalters

    angeboten hatte. Obwohl das im Staat Illinois gelegene Lebanon und St. Louis nicht weit voneinander

    entfernt sind, betrat Osterhaus eine völlig andere politische Landschaft. Missouri zählte zwar zur

    nordstaatlichen Union, war aber im Gegensatz zu Illinois ein Sklavenhalterstaat. Hier in St. Louis sah

    sich Osterhaus erstmals unmittelbar mit dem Sklavenhandel konfrontiert. Zeitlebens unvergessen und

    prägend blieb ihm ein Reklameschild mit der Aufschrift James Skinner - Dealer in Slaves.69

    St. Louis hatte seit Mitte des 19. Jahrhunderts einen bedeutenden Zuzug deutscher Einwanderer

    erfahren, die der Sklavenhalterei meist ablehnend gegenüberstanden. Dieser Haltung begegnete man

    von Seiten der mit den Südstaaten sympathisierenden Bevölkerungsmehrheit mit Misstrauen, teilweise

    sogar mit Feindseligkeit. Für sie hätte die geforderte Abschaffung der Sklaverei einen empfindlichen

    Schlag gegen ihre Handelsbeziehungen mit den Baumwollstaaten der Konföderation und damit einen

    Wohlstandsrückgang bedeutet. Angeheizt wurde das politische Klima durch den aus Liblar bei Köln

    gebürtigen Carl Schurz (1829-1906),70 der für Lincolns Ideen eintrat und am 1. August 1860 vor rund

    10.000 Zuhörern eine Wahlkampfrede hielt mit dem Thema „Der Untergang der Sklaverei“.71 Die

    Folge waren Übergriffe und Versammlungsverbote, die die Aktivisten unter der deutschstämmigen

    Bevölkerung zwangen, sich im Untergrund zu organisieren. Eine dieser Organisationsformen war das

    im Januar 1861 gebildete Freikorps der „Schwarzen Jäger“ (Black Guards). Schon nach kurzer

    Mitgliedschaft in diesem Korps wurde Osterhaus mit Führungsaufgaben betraut.72

    62 History of St. Clair County, Illinois. With illustrations, descriptive of its scenery, and biographical sketches of its prominent men and pioneers. Philadelphia 1881, Neudr. Evansville, Indiana, 1975, S. 337. 63 Unbetitelter Zeitungsausschnitt „Gen. Peter Osterhaus, Bürgerkriegsveteran, tot“ vom 6. 1. 1917, OFP. 64 Kaufmann, S. 236-243. 65 Präsident von 1857 bis 1861. 66 Mitteilung St. Clair County Genealogical Society, Belleville, Illinois, vom 13.4.1991. 67 The Daily News vom 3.1.1914, OFP. 68 1860 Census St. Clair County, Illinois. Compiled by Kay F. Jetton. Vol. II. Decorah, Iowa, 1981, S. 384. 69 The Daily News vom 3.1.1914, OFP. 70 Schurz, Carl: Lebenserinnerungen. Bd. I: Bis zum Jahre 1852. Bd. II: von 1852 bis 1870. Berlin 1906-1907. 71 Ebd., Bd. 2, S. 151 f. 72 The United States Intelligencer vom 29. 4. 1904, OFP.

  • 9

    Als Folge des schon lange schwelenden Konflikts brach am 12. April 1861 mit dem Angriff der

    Südstaaten auf das von Unionstruppen gehaltene Fort Sumter im Hafen von Charleston (Süd-Carolina)

    der amerikanische Bürgerkrieg aus. In den darauf folgenden Tagen rief Unionspräsident Lincoln in

    dramatischen Appellen zum freiwilligen Kriegsdienst auf. Beeindruckt von diesen Reden, und weil ein

    Freund ihm eine rasche Militärkarriere voraussagte, meldete sich Osterhaus am 15. April 1861 in St.

    Louis freiwillig zur Armee der Nordstaaten. Er ließ sich als einfacher Soldat (Private) einschreiben,

    wurde aber aufgrund seines Bekanntheitsgrades bereits am 24. April zum Hauptmann und Chef der A

    Kompanie im 2. Missouri-Freiwilligen-Infanterieregiment ernannt,73 das unter dem Kommando von

    Heinrich Boernstein (1805-1892)74 stand.

    Nach dem Angriff auf Fort Sumter trat eine dreimonatige Kampfpause ein, in der beide Seiten ihre

    Armeen aufrüsteten. In St. Louis nutzten unter anderem Franz Sigel (1824-1902) und Osterhaus die

    Zeit, um ein fast nur aus deutschen oder deutschstämmigen Freiwilligen ohne militärische Erfahrung

    bestehendes Regiment auszubilden. Diese Übungen fanden wegen der politischen Lage heimlich in

    Fabrikhallen oder großen Lagerhäusern hinter abgedunkelten Fenstern statt. Vor der Stadt lag Camp

    Jackson, das als größtes Waffendepot der Union im Westen sofort nach Kriegsbeginn von 700

    Milizsoldaten der Sezessionisten besetzt worden war. Doch bereits am 10. Mai 1861 gelang mit einem

    unblutigen Handstreich unter Aufbietung von vier deutsch-amerikanischen Milizregimentern und zwei

    Kompanien Berufssoldaten unter dem Befehl von Nathaniel Lyon (1818-1861) die Rückeroberung des

    Camps. An dieser Aktion, mit der gleichzeitig St. Louis wieder unter die Kontrolle der Union gebracht

    wurde, hatte sich Osterhaus maßgeblich beteiligt. Der spätere Oberkommandierende General Ulysses

    S. Grant (US-Präsident von 1869-1877) bezeichnete den Handstreich als einen der größten Erfolge des

    ganzen Krieges, da im Falle eines Abgleitens von St. Louis in das Lager der Konföderierten ein

    besonderer Feldzug nötig gewesen wäre.75

    Im weiteren Verlauf des Bürgerkrieges, an dem auf Unionsseite auch viele Koblenzer teilnahmen,76

    wurde Osterhaus nach seiner am 27. April 1861 erfolgten Ernennung zum Major in rascher Folge bis

    in die Generalsränge befördert.77 Zunächst am 27. August 1861 ausgemustert, da er als Freiwilliger nur

    eine dreimonatige Dienstzeit zu absolvieren hatte, wurde er nach seinem Wiedereintritt ins 3.

    Missouri-Freiwilligen-Regiment am 19. Dezember 1861 zum Oberst des von ihm aufgestellten 12.

    Missouri-Freiwilligen-Infanterieregiments befördert78 und am 9. Juni 1862 zum Brigadegeneral

    ernannt.

    73 PJO: „What I saw of the war“, 1897, OFP (es handelt sich um einen so gen. „General`s Report“, der in den 1890ern von noch lebenden Kommandeuren durch das Nationalarchiv Washington erfragt wurde; als Typoskript in der City Library Belleville vorhanden). Über die Bezeichnung der Einheit, in die Osterhaus eintrat, liegen widersprüchliche Angaben vor. Während Rombauer, R.: The Union Element in St. Louis 1861. New York 1909, unrichtig die B Kompanie nennt, bestätigt der Dictionary of American Biography die Angaben Osterhaus`, nämlich die A Kompanie. 74 Kaufmann, S. 199, 485. 75 Ebd. S. 35 f. 76 CZ vom 23.8.1862: Ein Schreiben aus Amerika von einem Coblenzer. 77 OFP. 78 Kaufmann, S. 445, und The Daily News vom 3.1.1914, OFP.

  • 10

    Abb. 2: US-Brigadegeneral Peter Joseph Osterhaus, 1863.

    Höhepunkt seiner militärischen Laufbahn war die Ernennung zum Generalmajor am 22. Juli 1864

    durch Präsident Lincoln. Damit hatte er den höchstmöglichen Dienstgrad der Freiwilligenarmee

    erreicht. Diesen Rang erlangten von den in Deutschland geborenen Kriegsteilnehmern auf Unionsseite

    nur noch Franz Sigel, Carl Schurz und August (von) Willich (1810-1878).79 Einen Monat vor Beginn

    des unter dem Oberbefehl von General William T. Sherman (1826-1891) stehenden, berüchtigten

    Zerstörungsfeldzuges (March from Atlanta to the sea) durch Georgia, übernahm Osterhaus am 22.

    September 1864 in Atlanta für kurze Zeit das Kommando über das bisher von General John Alexander

    Logan (1826-1886) befehligte 15. Armeekorps.80

    Bereits am 5. November 1863 war in St. Louis überraschend seine Frau Mathilde gestorben. Osterhaus

    ließ sich beurlauben und brach Anfang 1864 nach New York auf, wo sich die Schwester seiner Frau,

    79 Historical Times. Illustrated Encyclopedia oft the Civil War. Ed. by Patricia L. Faust. New York u. a. 1986, S. 550. 80 Ebd., S. 447.

  • 11

    Amalie gen. Malchen Born,81 aufhielt. Das Motiv dieser Reise lag klar auf der Hand, denn es galt, für

    seine fünf unversorgten Kinder82 eine neue Mutter zu finden. Während seines Aufenthalts in New

    York traf sich Osterhaus mit Joseph Hasslacher, einem Mitglied der dortigen Deutschen Gesellschaft.

    Ein am nächsten Tag vereinbartes Treffen mit dessen Bruder im Brooklyner Stadtteil Williamsburg

    kam wegen der unterbrochenen Fährverbindung nicht zustande.83 Die Brüder Joseph Maria und Georg

    Joseph Hasslacher stammten ebenfalls aus Koblenz und betätigten sich in New York als Kaufleute.84

    Mitte Januar trat Osterhaus zusammen mit Amalie Born die Rückreise nach St. Louis an. Die Route

    wurde in Etappen bewältigt, wobei die wichtigste Zwischenstation in Washington eingelegt wurde.

    Hier kam es am 17. Januar zu einer erneuten Begegnung mit Präsident Lincoln. Osterhaus' Tagebuch

    ist zu entnehmen, dass ihre Ankunft in St. Louis am 21. Januar von seinen Kindern freudig begrüßt

    wurde. Osterhaus scheint von Anfang an eine rasche Wiederverheiratung angestrebt zu haben, denn

    noch vor Ablauf des Trauerjahres heiratete er am 28. Juli 1864 in St. Louis seine Schwägerin Amalie,

    wenige Tage nach seiner Ernennung zum Generalmajor.85

    Nach dem Sieg der Union fungierte Osterhaus von Januar bis zum 27. Mai 1865 als Militärgouverneur

    für den Westteil, ab Ende Mai 1865 bis Januar 1866 für den ganzen Staat Mississippi, mit Sitz in

    Jackson, später Vicksburg. Am 15. Januar 1866 beendete er in St. Louis seine aktive Laufbahn und

    kehrte zu seiner Familie nach St. Louis zurück. Am 9. Februar besuchte er das Repräsentantenhaus in

    Washington, von dem er „mit Enthusiasmus aufgenommen“ wurde.86

    Schon bald betraute ihn die Regierung mit einer neuen Aufgabe. Am 18. Juni 1866 berief ihn Präsident

    Andrew Johnson (1865-1869), angeblich auf Vorschlag von General Grant, zum Konsul der

    Vereinigten Staaten in Lyon (Frankreich).87 Damit erlangte er die gleiche Anerkennung durch den

    amerikanischen Staat wie eine Reihe anderer Achtundvierziger, zum Beispiel Carl Schurz, der 1861

    sogar Botschafter in Madrid war, oder sein alter Mitstreiter in der Mannheimer Bürgerwehr, Lorenz

    Brentano, der von 1872 bis 1876 als US-Konsul in Dresden residierte. Durch seine Berufung entging

    Osterhaus dem Schicksal vieler Offizierskameraden der Freiwilligenarmee, die nach ihrer Entlassung

    einer ungewissen Zukunft entgegensahen.

    Vor seinem Amtsantritt in Lyon reiste Osterhaus mit seiner hochschwangeren Frau nach Kreuznach,

    wo am 28. September 1866 die Zwillinge Joseph Adolph88 und Ludwig Reichard89 geboren wurden.

    81 Emma Amalie Born (* 12. 11. 1828 Kreuznach). 82 Anna ( * 1849 Mannheim); Hugo (* 1851 Belleville); Alexander (* 1855 Lebanon); Emma (* 1857 Lebanon) und Karl (* 1859 Lebanon), OFP. 83 Tagebuch PJO vom 9./10. 1. 1864, OFP. 84 Hasslacher, Franz Anton: Zur Geschichte der Familien Hasslacher, Oswald und Leyenthal. Den Familienangehörigen gewidmet von Franz Anton Hasslacher (1838-1921), Geh. Bergrat in Bonn. 3. Aufl. München 1949, S. 35 f. 85 Dictionary of American Biography, S. 88. 86 CZ vom 28. 2. 1866. 87 Nur The American Magazine, OFP, berichtet von der Vermittlerrolle Grants. Offizielle Regierungsakten erwähnen nach Mitteilung des National Archives, Civil Reference Branch, Washington, vom 20. 5. 1992, darüber nichts. 88 War 1894/95 als Reserveoffizier im Rang eines Secounde Lieutenants im 2. Badischen Grenadier-Regt. Kaiser Wilhelm I. Nr. 110 in Molsheim stationiert (nachgewiesen in den Rang- und Quartierlisten der Kgl. Preuß. Armee 1894, S. 561, und 1895, S. 562). Um 1896 übersiedelte er nach Johannisburg, Südafrika, wo er am 17.1.1897 am Schwarzwasserfieber starb.

  • 12

    Ludwig Reichard studierte in Heidelberg und Frankreich und ließ sich 1898/99 in Mannheim als

    Rechtsanwalt nieder. 1901 übersiedelte er in die USA und lebte bis 1904 in Portland, Oregon. Danach

    zog er nach St. Louis und später nach Belleville, wo er 1907 Josephine Andel heiratete.90 Ihr Vater,

    Casimir Andel (1840-1918), hatte als Offizier in Osterhaus' 12. Missouri-Regiment gedient und

    gründete im spanisch-amerikanischen Krieg um Kuba 1898 in Belleville ein Regiment von

    Bürgerkriegsveteranen.91 Ludwig Reichard Osterhaus wurde 1916 Direktor der Stadtbibliothek von

    Belleville und Schatzmeister der örtlichen Republikanischen Partei.92

    Insgesamt elf Jahre bekleidete Peter Joseph Osterhaus sein Amt in Lyon. In dieser Funktion nahm er

    auch an den Hofbällen Kaiser Napoleons III. (1852-1870) in Paris teil. Allerdings scheinen ihm diese

    Repräsentationspflichten weniger gelegen zu haben, da ihm öffentliche Auftritte nach eigenem

    Bekunden zuwider waren. In Caluire Cuire bei Lyon kam am 17. Januar 1868 sein letztes Kind,

    Mathilde Natalie,93 zur Welt, bei der er später in Bonn und Duisburg seinen Lebensabend verbrachte.

    Bei Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870/71 soll er sich den besonderen Dank der

    deutschen Regierung dafür erworben haben, dass er die in seinem Konsularbezirk lebenden Deutschen

    unter den Schutz der amerikanischen Flagge stellte.94 Andererseits zeigen seine Konsularberichte, dass

    er die vom Deutschen Reich Frankreich auferlegten Reparationsleistungen von fünf Milliarden

    Goldmark und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Niedergang des Landes durchaus kritisch

    anmerkte.

    Spätestens seit der Amtseinführung von Präsident Rutherford B. Hayes (1877-1881) am 3. März 1877

    trug sich Osterhaus mit dem Gedanken, einen Posten in der Wirtschaft, möglichst in Deutschland,

    anzunehmen. Der Dienst im Konsulat, den er als dekadent bezeichnete, hatte ihn nach eigenen

    Angaben schon seit einer Reihe von Jahren nicht mehr befriedigt. Darüber hinaus hielt er sein

    Jahreseinkommen von 2000 Dollar angesichts seiner vielköpfigen Familie und der hohen

    Lebenshaltungskosten in Frankreich für unzureichend. Überhaupt wollte er wegen seiner damals

    kranken Frau, besonders aber wegen der Schulausbildung seiner Kinder, Frankreich verlassen und

    nach Deutschland zurückkehren.

    Etwa zeitgleich mit dem Amtsantritt von Präsident Hayes hatte ihm die American Rubber Company,

    deren Besitzer alte Freunde aus Bürgerkriegszeiten waren, den Direktorenposten ihrer

    Europaniederlassungen in Paris und Mannheim angeboten. Osterhaus, der trotz seiner kaufmännischen

    Ausbildung in geschäftlichen Dingen oft glücklos operiert hatte, sah in diesem Angebot die Chance,

    sein Leben endlich auf eine breitere finanzielle Basis zu stellen. Obwohl ihm die Firma ausgezeichnete

    Verheiratet mit Maria Aller (+ 1946); die gemeinsame Tochter Mathilde (* 7.3.1898 Johannisburg, + um 1984 Bad Pyrmont) wuchs bei PJO und dessen Tochter Mathilde Petersen in Bonn und Duisburg auf. 89 (+ 9.6.1929 Belleville, Illinois). 90 Mitteilung St. Clair County Genealogical Society, Belleville, Illinois, vom 13.4.1991. 91 Kaufmann, S. 478. 92 Mitteilung St. Clair County Genealogical Society, Belleville, Illinois, vom 13.4.1991. 93 (+ 9.10.1942 Berlin). 94 Sonntagsblatt Staats-Zeitung und Herold vom 5.4.1925, OFP; Townsend, S. 204.

  • 13

    Konditionen einräumte - so etwa eine dreimonatige Einarbeitungszeit in den USA bei vollem Gehalt -,

    plagten ihn anfänglich große Zweifel über die Richtigkeit seines Ausscheidens aus dem

    Konsulardienst. Immerhin war er bereits 54 Jahre alt und fürchtete auch aus diesem Grund einen

    beruflichen Neuanfang. Überdies verspürte er keine allzu große Neigung, ausgerechnet in der

    Gummibranche tätig zu werden. Erst nach reiflicher Überlegung teilte er seiner vorgesetzten

    Verwaltungsabteilung in der Pariser US-Botschaft mit, dass er beabsichtige, zum 30. Juni 1877 den

    Dienst zu quittieren. Hier war mit der Rücktrittsabsicht zunächst nicht einverstanden und forderte ihn

    mehrfach auf, seinen Entschluss zu überdenken.95 Seine ganze Unschlüssigkeit zeigt sich darin, dass er

    erst einen Monat später, am 27. Juli, seinen definitiven Abschied einreichte, aber noch bis zum 16.

    August im Amt blieb.96 Ohne seine Entlasspapiere abzuwarten, verließ er unmittelbar danach Lyon

    und zog mit seiner Familie nach Mannheim. Ganz Militär, verglich er seinen überstürzten Aufbruch

    mit einer Art unerlaubtem Entfernen von der Truppe. Offenbar ließen sich die amerikanischen

    Behörden mit der Aushändigung seiner Entlassurkunde viel Zeit, denn noch am 27. August bat er von

    Mannheim aus um Zusendung der entsprechenden Papiere.

    Osterhaus hatte Mannheim zu seinem Wohnsitz gewählt, weil die American Rubber Company hier

    ihren deutsche Niederlassung unterhielt. Dabei kam ihm entgegen, dass er mit der Stadt positive

    Erinnerungen an seine Jugendzeit verband, in die er auch die glückliche Ehe mit seiner ersten Frau

    Mathilde einbezog. Ohne seine amerikanische Staatsangehörigkeit aufzugeben,97 erwarb er hier am 8.

    Januar 1879 zum zweiten Mal die badische Staatsbürgerschaft.98 Sein Jahreseinkommen als Direktor

    belief sich 1881 auf stattliche 130.000 Mark. Alles deutete auf eine gesicherte Zukunft, doch die

    American Rubber Company hatte bereits 1880 mit der Umstrukturierung des Unternehmens begonnen.

    Ende 1881 stand fest, dass er den Direktorenposten verlieren würde. Eindringlich bat er deshalb seinen

    Sohn Hugo, Kontakt mit Sherman und Logan sowie anderen einflussreichen alten Freunden in den

    USA aufzunehmen und sie um Vermittlung einer Konsularstelle oder einer vergleichbaren Tätigkeit in

    Washington zu bitten,99 obwohl ihm das Gesellschaftsleben der Hauptstadt eigentlich verhasst war.100

    Nachdem seine Bemühungen erfolglos blieben, trat Osterhaus die Flucht nach vorne an. 1883 gründete

    er in Mannheim unter der Bezeichnung „P. J. Osterhaus, Kohlen, Agentur und Spedition“ eine eigene

    Firma.101 Aus diesem Geschäft, das sich ab 1895 „P. Jos. & Alex. Osterhaus“ nannte und seit 1897 nur

    noch Kohlen vertrieb, schied Osterhaus 1898 aus.102 Alleininhaber war nun sein Sohn Alexander,103

    der am 21. April 1891 in Mannheim Maria Stebinger geheiratet hatte104 und 1904 in Riverside, später

    95 PJO an Hugo Osterhaus, Mannheim, 28.8.1877, OFP. 96 Mitteilung National Archives, Civil Reference Branch, Washington, vom 20. 5. 1992. 97 Noch 1905 gab er an, Bürger der Vereinigten Staaten zu sein, StaB, Meldekartei PJO sowie Biographische Skizze PJO von Tochter Emma Kamp vom 17. 4. 1931, OFP. 98 StaM, Best. Polizeipräsidium, Familienbogen PJO. 99 PJO an Hugo Osterhaus, Mannheim, 28.11.1881, OFP. 100 Biographische Skizze PJO von Tochter Emma Kamp vom 17. 4. 1931, OFP. 101 Mannheimer Adreß-Kalender 1884, der Band wurde im Vorjahr zusammengestellt, so dass die Firmengründung für 1883 angenommen werden kann. 102 Mannheimer Adreß-Buch 1896 und 1899, auch hier wurden die Daten jeweils im Vorjahr erfasst. 103 (* 16.8.1855 Lebanon, Illinois, + 26.4.1934 Redondo Beach, California). 104 Standesamt Mannheim, Heiratseintrag Nr. 273 vom 21.4.1891. Maria Stebinger (* 31.5.1866 Meßkirch), katholisch, Eltern: Gastwirt Karl Stebinger und Maria geb. Bader; vgl. auch StaM, Best. Polizeipräsidium, Familienbogen PJO.

  • 14

    im kalifornischen Hollywood lebte. Der Grund für die Aufgabe des zeitlebens ungeliebten

    Kaufmannsberufs war seine am 16. März 1898 erfolgte Akkreditierung als Vize- und stellvertretender

    Konsul der Vereinigten Staaten in Mannheim. Sie öffnete ihm, wenn auch nach beinahe 21-jähriger

    Abstinenz und vielen erfolglosen Versuchen, endlich wieder den diplomatischen Dienst. In dieser eher

    untergeordneten Position verblieb Osterhaus noch 19 Monate, ehe er am 8. November 1900 im Alter

    von 77 Jahren endgültig Abschied vom amerikanischen Staatsdienst nahm und sich ins Privatleben

    zurückzog. Für seine Verdienste als Generalmajor der Freiwilligenarmee genehmigte ihm der

    amerikanische Kongress am 27. Juni 1902 eine monatliche Zusatzpension von 50 Dollar. Ob diese

    Summe allerdings immer regelmäßig angewiesen wurde, scheint fraglich; denn in seinem Testament

    gab Osterhaus 1916 an, dass noch rund 4000 Mark an fälligen Pensionen ausstünden.105

    Da er in Mannheim keine Angehörigen mehr hatte - seine dort beerdigte Frau Amalie war schon am 1.

    Juli 1896 in Kreuznach verstorben106 und sein Sohn Alexander hatte das Kohlengeschäft aufgegeben

    und mit seiner Familie Europa verlassen -, übersiedelte Osterhaus Ende 1900 zu seiner Tochter

    Mathilde Natalie nach Bonn. Nachdem diese am 9. März 1901 den Privatdozenten und (ab 1904)

    Leiter der Chirurgischen Poliklinik in Bonn, Professor Dr. Hermann Adolph Theodor Petersen (1866-

    1945), geheiratet hatte, zog Osterhaus zwei Monate später in deren Haus.107

    Abb. 3: Porträt des 81-jährigen Peter Joseph Osterhaus, 1904.

    105 Testament PJO vom 5.12.1916, OFP. 106 StAK 623 Nr. 7918, Bl. 193. 107 StaB, Meldekartei PJO.

  • 15

    Das Jahr 1904 war für Osterhaus gekennzeichnet durch hohe Auszeichnungen, aber auch von einem

    schmerzlichen Verlust. Zunächst brach er am 14. April mit der „S. S. Finland“ der Star & Stripes

    Linie zu einer USA-Reise auf, deren Ziel die Vorbereitung einer Eingabe im Kongress zur Ernennung

    als Brigadegeneral der regulären US-Armee war.108 Am Grund seiner Reise ließ Osterhaus keinen

    Zweifel. Es ging um eine Jahrespension von 18.000 Mark, also „gewaltig viel Moos“ wie er

    Schulmeister Baculus aus Lortzings Oper „Wildschütz“ in einem am 7. März 1905 aus Washington an

    seine Tochter Mathilde Petersen gerichteten Brief zitierte.109 Obwohl sich sogar Präsident Theodore

    Roosevelt (1901-1909) für die Ernennung aussprach, verhinderten gegenläufige politische

    Strömungen im Kongress immer wieder die Entscheidung zugunsten Osterhaus’. Sein auf wenige

    Monate angesetzter USA-Aufenthalt - er wollte am 25. August 1904 mit der „Blücher“ via Hamburg

    zurückkehren - dehnte sich aus diesem Grund auf fast ein Jahr aus. Während dieser Zeit setzte er

    bewusst und kalkulierend seine ungeheuere Popularität als einer der letzten noch lebenden

    Unionsgenerale zur Durchsetzung seiner Ernennung ein. „Meine Sache im Congress treibe ich mit

    allen Künsten und Kräften, [...] und werde in New York und Baltimore die nötige Stimmung machen,

    um die Angelegenheit zu beschleunigen und zum Guten zu wenden“, verriet er im Dezember 1904

    seiner Tochter.110 Osterhaus reiste kreuz und quer durchs Land und traf sich mit unzähligen

    Repräsentanten des gesellschaftlichen und öffentlichen Lebens. „Empfänge, Banketts,

    Versammlungen und dergleichen mehr [...] reihten sich so dicht aneinander, daß ich zuweilen dachte,

    es nicht aushalten zu können“, hatte er sich bereits am 9. Mai beklagt.111

    Unmittelbar nach seiner Ankunft am 26. April war er einer Einladung alter Kriegskameraden gefolgt,

    die auch die Überfahrt bezahlt hatten und ihm zu Ehren am 29. April im Hotel Rauscher in

    Washington einen großen Empfang mit anschließendem Diner bereiteten, an dem auch Präsident

    Theodore Roosevelt teilnahm.112 Die anschließende Zugfahrt über Philadelphia zur Weltausstellung

    nach St. Louis, die am 30. April ihre Tore öffnete, weitete sich zu einer wahren Triumphfahrt aus,

    nachdem Zeitungen des ganzen Landes seine Reiseroute veröffentlicht hatten.113 Über seine

    Unterbringung musste sich Osterhaus keine Gedanken machen. Im Gegenteil, da jeder Gastgeber des

    berühmten Besuchers sein wollte, entbrannte über die Frage, wer ihn zuerst aufnehmen soll, ein

    regelrechter Streit, der erst durch einen Kompromiss beigelegt werden konnte. In St. Louis wohnte er

    zunächst bei Dr. med. Joseph Spiegelhalter (1834-1909), seinem ehemaligen Stabsarzt im 12.

    108 StAK N 57 (Zug. 67/1994), PJO an Tochter Mathilde, St. Louis, 9.5.1904. 109 Ebd., PJO an Tochter Mathilde, Washington, 7.3.1905. 110 Ebd., PJO an Tochter Mathilde, Philadelphia, 10.12., und 20.12.1904. 111 Ebd., PJO an Tochter Mathilde, St. Louis, 9.5.1904. 112 Mitteilung St. Clair County Genealogical Society, Belleville, Illinois, vom 13.4.1991. 113 StAK N 57 (Zug. 67/1994), PJO an Tochter Mathilde, St. Louis, 9.5.1904.

  • 16

    (Osterhausschen) Missouri-Regiment.114 Anschließend nahm er für einige Tage Quartier bei Dr. Emil

    Pretorius (1827-1905), Redakteur und Herausgeber der „Westlichen Post“. Während dieser Zeit war er

    auch Ehrengast der Feierlichkeiten zum 43. Jahrestag der Einnahme von Camp Jackson (10. Mai

    1861), „an dem ich maßgeblich beteiligt war.“115 Am 22. Mai traf er sich mit ehemaligen Regiments-

    Kameraden und Gegnern in Vicksburg zum 41. Jahrestag des ersten großen Unionsangriffs auf die

    Stadt, an dem er als Kommandeur der 9. Division im 13. Armeekorps unter Generalmajor Grant

    beteiligt war. Die Stadt ehrte ihn übrigens zum 50. Jahrestag der Kapitulation Vicksburgs erneut, und

    zwar mit einer von Theodor Alice Ruggeles Kitson (1876-1932) geschaffenen Bronzebüste, die am 3.

    Juli 1913 im National Military Park enthüllt wurde.

    Abb. 4: Bronzebüste von Peter J. Osterhaus im National Military Park Vicksburg, enthüllt am 3. Juli 1913.

    114 Kaufmann, S. 553 f. 115 StAK N 57 (Zug. 67/1994), PJO an Tochter Mathilde, St. Louis, 9.5.1904.

  • 17

    Nach der Rückkehr aus Vicksburg bezog er vom 24. Mai bis 29. Juli 1904 die Villa des

    deutschstämmigen Bierfabrikanten Adolph Busch (1839-1913)116 in St. Louis. „Geradezu betäubt“

    vom Ausmaß der Bierproduktionsstätte verglich er Buschs „Etablissement mit einer ganz großen

    Stadt“, die eine „Ausdehnung und ein Flächenareal wie Coblenz“ habe.117 Busch, der sich von Juni bis

    Oktober in seinem Domizil im Taunus aufhielt, hatte ihm sein Privathaus samt Personal zur

    Verfügung gestellt. Von hier unternahm Osterhaus Ausflüge ins Umland wie etwa ins 15 Kilometer

    entfernte Belleville, seinem ersten Niederlassungsort in den USA, wo er von Altbürgermeister Eduard

    Abend (1822-1904) begrüßt wurde.118 Der Grund und gleichzeitig Höhepunkt des Besuchs war die

    Verleihung der Ehrenbürgerrechte der Stadt Belleville am 13. Juli 1904 an Osterhaus. Eine weitere

    Ehrung soll ihm bereits am 13. Mai durch die Verleihung der Ehrendoktorwürde der University of

    Illinois zu Teil geworden sein,119 für die allerdings bislang keine Bestätigung vorliegt. Gesichert

    dagegen ist, dass ihn das Institute of Germanics der Northwestern University in Evanston, Illinois,

    wegen seiner Verdienste um den amerikanischen Staat am 22. Juni mit dem Ehrendoktor der Rechte

    würdigte. An der Feier nahmen über 500 Personen teil, darunter viele Veteranen des

    Sezessionskrieges.120 Danach war er Gast bei Josephine Hecker geborene Eisenhardt (1821-1916), seit

    1881 Witwe von Friedrich Hecker, die auf der so genannten Heckersfarm in Summerfield lebte. Im

    Anschluss besuchte er weitere alte Bekannte aus seiner frühen Emigrantenzeit wie Rosa Tittmann geb.

    Hilgard (ca. 1822-1920),121 Witwe von Eduard Tittmann (1809-1872), oder den 84-jährigen Dr. med.

    Adolph Berger (1821-1910) in Lebanon.

    Sieben Tage, vom 8. bis 14. August, war Osterhaus Gast seines „Freundes“ Carl Schurz in Lake

    George, im Staat New York. Vom 15. bis 18. August vertrat er den Staat Missouri beim 38.

    Jahrestreffen der Unions-Veteranen in Boston, das rund 8000 Teilnehmer verzeichnete und dem er

    große Bedeutung für seine „schwebenden Interessen“ zumaß.122 Eine Einladung von Präsident

    Roosevelt zur Teilnahme an einer vierwöchigen Wahlkampfreise in einem „Luxuszug“ durch

    Kalifornien im Oktober oder November 1904 lehnte der 81-Jährige mit Hinweis auf sein Alter jedoch

    ab.123 Anlässlich des „Deutschen Tages“ besuchte er am 6. Oktober erneut die Weltausstellung in St.

    116 Westerkamp, Johannes: „Prinz Busch“. Studien zum Leben und Wirken des Deutsch-Amerikaners Adolphus Busch. Magisterarbeit Gutenberg-Universität Mainz 1991. 117 StAK N 57 (Zug. 67/1994), PJO an Tochter Mathilde, St. Louis, 9.5.1904. 118 Kaufmann, S. 482. Eduard (Edward) Abend war 1851 und 1857/58 Bürgermeister von Belleville. 119 The Daily News vom 3.1.1914, OFP. 120 Nur diese Verleihung konnte definitiv nachgewiesen werden, vgl. Bulletin of Northwestern University. President’s Report 1902-1904. Evanston, Ill. 1904, S. 12, und Chicago Tribune vom 23. 6. 1904, OFP. 121 Emigrierte 1835 aus politischen Gründen mit Bruder Carl von Dresden in die USA, vgl. http://boards.ancestry.com/thread.aspx?mv=flat&m=9&p=surnames.titman, Aufruf am 12.1.2013. 122 StAK N 57 (Zug. 67/1994), PJO an Tochter Mathilde, Chicago, 7.8.1904; vgl. Unofficial proceedings in connection with the thirty-eighth National Encampment Grand Army of the Republic. Held in Boston week August 15-20 1904. Boston 1907. 123 StAK N 57 (Zug. 1994/67), PJO an Tochter Mathilde, St. Louis, 26.9.1904.

  • 18

    Louis und hielt sich vom 28. Oktober an ein weiteres Mal bei Witwe Josephine Hecker in

    Summerfield auf. Ende Februar 1905 folgte seine letzte Begegnung mit Carl Schurz, der ihn zum

    Frühstück eingeladen hatte.

    Seine immer noch anhängige Beförderung trat am 4. Dezember 1904 mit der Eingabe (Bill) der

    deutschstämmigen Kongressabgeordneten Richard Bartholdt (1855-1932)124 aus St. Louis125 und

    William Sulzer (1863-1941) aus New York in die entscheidende Phase. Am 23. (24.?) Februar 1905

    entschied der Kongress per Sondergesetz (special act) die Ernennung Osterhaus’ zum Brigadegeneral

    der regulären Armee der Vereinigten Staaten, die am 3. März wirksam wurde. Mit diesem Dienstgrad

    nahm er am 17. März seinen Abschied. Die Entscheidung des Kongresses empfand er als

    Ehrenbezeigung und Glanzpunkt seiner militärischen Laufbahn. Nach mehreren Treffen (4.-8. März)

    mit Präsident Roosevelt, der am 4. März seine zweite Präsidentschaftskandidatur ausrief und auf

    Anraten seiner Berater die Popularität des alten Nordstaatengenerals nutzen wollte, verbrachte

    Osterhaus noch einige Tage bei Freunden in Belleville und kehrte im April 1905 nach Deutschland

    zurück. Ob er sein Vorhaben in die Tat umsetzte, nach der Ankunft seinen in Lübeck wohnenden

    Regiments-Kameraden Hermann Türk zu besuchen, ist nicht bekannt. Türk, Offizier im 12.

    (Osterhausschen) Missouri-Regiment, war infolge einer Schussverletzung in der Schlacht am Pea

    Ridge seit März 1862 vollständig erblindet und erhielt vom US-Kongress eine Ehrenpension.126 Ab 1.

    Mai nahm Osterhaus seinen Wohnsitz bei Emma Born in Bonn, einer Schwester seiner verstorbenen

    Ehefrauen Mathilde und Amalie.127

    Noch während seines USA-Aufenthalts hatte ihn die Nachricht ereilt, Sohn Karl habe bei den

    Kämpfen um Waterberg in Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) eine schwere Verwundung

    erlitten.128 Karl, am 31. Mai 1859 in Lebanon, Illinois, geboren, war 1879 als Fahnenjunker in das

    preußische 2. Brandenburgische Feldartillerie-Regiment Nr. 18 (Frankfurt/Oder) eingetreten und

    führte nach 1890 als Hauptmann eine Abteilung im Feldartillerie-Regiment Nr. 35 (Graudenz).129 1900

    wurde er zur Niederschlagung des Boxeraufstandes nach China kommandiert. Als Major und

    Kommandant der Etappen-Kommandantur der Ostasiatischen Besatzungs-Brigade schied er im

    124 Bartholdt kam 1872 in die USA. Seit 1893 vertrat er als republikanischer Kongressabgeordneter einen Wahlkreis von St. Louis. 1915 trat er von diesem Posten zurück. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde er einer der eifrigsten Befürworter des wilhelminischen Deutschland und versuchte alles, um den Kriegseintritt der USA zu verhindern. Aufsehen erregte er, als er 1904 als Präsident der Interparlamentarischen Union ein Treffen in St. Louis veranstaltete, bei dem ein Schiedsvertragsmodell zur Beilegung internationaler Streitigkeiten ausgearbeitet wurde. 125 The Daily News vom 3.1.1914, OFP. 126 StAK N 57 (Zug. 67/1994), PJO an Tochter Mathilde, Philadelphia, 10.12.1904; zu Türk (auch Türck) vgl. Kaufmann, S. 558. 127 StaB, Meldekartei PJO und Adreßbuch der Stadt Bonn 1905. 128 StaB, Meldekartei PJO. 129 Vgl. die entsprechenden Rang- und Quartierlisten der Kgl. Preußischen Armee.

  • 19

    November 1903 aus dieser Einheit aus und wurde dem 2. Rheinischen Feldartillerie-Regiment Nr. 23

    in Koblenz zugeteilt.130 Im Juni 1904 wurde er dann als Kommandeur der 1. Feldartillerie-Abteilung

    der Schutztruppe zur Niederschlagung des Herero-Aufstandes in Deutsch-Südwestafrika eingesetzt,131

    wo er am 25. September in Waterberg angeblich an den Folgen einer Verwundung (Blutvergiftung),

    tatsächlich aber einer Herzschwäche erlag. Erst knapp ein Jahr später wurde Karl nach Deutschland

    überführt und am 24. Juni 1905 mit einer „militärischen Leichenparade“ durch sein Stammregiment

    Nr. 23132 auf dem Koblenzer Hauptfriedhof in der am 7. Juni 1905 vom Vater angekauften

    Familiengruft beigesetzt.133 In diese Gruft ließ Osterhaus am 20. Dezember des gleichen Jahres auch

    seine in Mannheim beerdigte Frau Amalie überführen.134 Der Tod seines Sohnes Karl hatte Osterhaus

    schwer getroffen, und so oft er konnte, besuchte er sein Grab in Koblenz.135 Karl und Hugo, seine

    Lieblingssöhne, hatten den von ihm hochgeschätzten Soldatenberuf ergriffen und standen vor einer

    glänzenden Offizierslaufbahn. Dass die beiden verschiedenen Nationen dienten, hat den Vater nie

    gestört. Hugo stieg schließlich bis zum Rear Admiral (Konteradmiral) der US-Navy auf und

    kommandierte 1911/12 die amerikanische Atlantikflotte.136 Auch sein Sohn Hugo Wilson137 diente als

    Offizier in der amerikanischen Marine.

    Abb. 5: US-Konteradmiral Hugo Osterhaus (1851-1927), um 1911.

    130 CZ 23.10.1903. 131 Testament Karl Osterhaus vom 16.6.1904, OFP. 132 CZ vom 24.6.1905. 133 StAK 623 Nr. 7899, S. 93, Ankauf der Gräber Nr. 931 und 932 zur Errichtung einer Familienbegräbnisstätte für 200 Mark. 134 StAK 623 Nr. 7918, Bl. 203. 135 PJO an Hugo Osterhaus, Duisburg, 22.10.1906, OFP. 136 The National Encyclopedia of American Biography being the history of the United States. Vol. 43. Ann Arbor, Michigan, 1967, S. 105 f. 137 (* 12. 11. 1878 Norfolk, Virginia, + 17.9.1972).

  • 20

    1906 bereiste Osterhaus zum letzten Mal die USA. Am 29. März 1906 meldete er sich von Bonn nach

    St. Louis ab.138 Am 13. April bestieg er in Bremen den Dampfer „Grosser Kurfürst“ nach New York,

    wo er am 24. April eintraf. Hier empfingen ihn die Söhne Hugo und Ludwig. Im Anschluss reiste er in

    Begleitung Ludwigs über Washington D.C. nach St. Louis, Belleville und Lebanon,139 wo er am 20.

    Mai wie schon 1904 seine „Braut und alte Freundin“ Rosa Tittmann besuchte. Ein Tag später nahm er

    in St. Louis an der Gedächtnisfeier für den am 14. Mai verstorbenen Carl Schurz teil. Als Ehrengast

    besichtigte er am 24. Mai eine Militärparade in Jefferson City, der Hauptstadt des Staates Missouri.

    Wieder zurück in St. Louis, war er am 27. Mai Gast bei Caroline Flad geb. Richard. Sie war Witwe des

    im badischen Rennhoff geborenen Ingenieurs Heinrich „Henry“ Flad (1824-1898), wie Osterhaus

    Teilnehmer am badischen Aufstand und 1861 Freiwilliger im 3. Missouri-Regiment, der unter anderem

    am Bau der New York und Erie Railroad sowie als Chefassistent der Missisippibrücke (1867-1874) bei

    St. Louis mitwirkte.140 Ab Pfingsten (Anfang Juni) nahm Osterhaus einen jeweils dreitägigen

    Aufenthalt in Chicago und Milwaukee, reiste danach nach Michigan und anschließend nach Peoria.

    Um den 20. Juni besuchte er die Witwe Heckers in Summerfield, Illinois.141 Nach einem kurzen

    Aufenthalt in Lebanon, traf er Ende Juni in Philadelphia ein, wo er am 4. Juli an den Feierlichkeiten

    zur 130. Jahresfeier der Unabhängigkeitserklärung teilnahm, bei der nach seiner Schätzung „allein

    über 450 Personen mehr oder weniger durch Feuerwerkskörper verwundet wurden.“142 Am 10. Juli

    begab er sich nach New York und reiste von hier Ende August, Anfang September nach Europa. Nach

    der Rückkehr folgte er seiner Tochter Mathilde Natalie nach Duisburg, die inzwischen mit ihrem

    Mann, Professor Hermann Petersen, hier ihren Wohnsitz genommen hatte.

    Abb. 6: Peter Joseph Osterhaus, 1908.

    138 StaB, Meldekartei PJO. 139 StAK N 57 (Zug. 67/1994), PJO an Tochter Mathilde, an Bord des „Grossen Kurfürsten“, 21.-23.4.1906. 140 Kaufmann, S. 497. 141 StAK N 57 (Zug. 67/1994), PJO an Tochter Mathilde, St. Louis, 22.5.1906. 142 Ebd., PJO an Tochter Mathilde, Philadelphia, 6.7.1906.

  • 21

    Hier lebte Osterhaus zuletzt in der Hindenburgstraße 19.143 Seine Wohnung glich, wie eine

    amerikanische Zeitung formulierte, einem „Bürgerkriegsmuseum“. An den Wänden hingen unter

    anderem mit handschriftlichen Widmungen versehene Fotos der Präsidenten Lincoln und Johnson

    sowie ehemaliger Kriegskameraden und amerikanischer Politiker. Sein Schreibtisch soll sogar ein

    Geschenk Präsident Johnsons gewesen sein.144 Leider ist nicht bekannt, ob sich diese Nachlassteile

    erhalten haben.145 Seine Waffen aus dem Bürgerkrieg hatte Osterhaus schon früher seinem 1904

    verstorbenen Sohn Karl übergeben, der sie testamentarisch seinem Bruder Hugo in den USA

    vermachte. Sein Paradesäbel gelangte mit anderen Nachlassteilen an die Missouri Historical Society in

    St. Louis, sein Kampfsäbel in den Besitz des Ur-Ur-Enkels Dr. Karl Hargrave.

    1913 erschien in Bonn eine von Verwandten unter dem Anonym „K.“146 herausgegebene Festschrift

    mit dem Titel: „Dem neunzigjährigen General Osterhaus zum 4. Januar 1913, Duisburg.“147 Das nur

    zwei Blatt umfassende Bändchen schildert in Reimform das Leben des Jubilars unter anderem mit den

    Worten:

    „Du warst nicht dreißig Stunden alt, Da hieß es schon im Land:

    'Das Kind ist zu zart und zu schmächtig, Drum hegt es und pflegt es nur mächtig,

    Sonst stirbt es Euch unter der Hand!'

    Wo in den Rhein die Mosel fließt, Hat er's zum Bub gebracht.

    Am liebsten studiert er Geschichte - Von andern, in trocknem Berichte? - Nein, die, die man selber einst macht.

    Warst noch nicht dreißig Jahre alt Und gingst schon über See;

    Allein? - Nein, mit Frau und mit Kindern, Nie durft' sich der Hausstand vermindern,

    Daß ewig Dein Stamm nun besteh?

    Hart war's Geschick. Und hast doch nie, Nie krämerhaft gehaust.

    Wo's Sklaven dort galt zu befreien, Der Menschheit den Degen zu weihen,

    Ist siegend er niedergesaust“.

    143 Seit 1949 Kardinal-Galen-Straße. 144 Unbetitelter Zeitungsausschnitt von 1916, OFP. 145 Möglicherweise ging ein Teil des Nachlasses an seine Tochter Therese (1865-1947), die am 30.3.1901 in Bonn den Papierfabrikanten Emil Buth geheiratet hatte. Buth war Teilhaber zweier Papiermühlen in Kirchberg bei Jülich, vgl. Geuenich, Josef: Geschichte der Papierindustrie im Dürener-Jülicher Wirtschaftsraum. Hrsg. von der Düren-Jülicher Papierindustrie. Düren 1959, S. 344-353. 146 Vermutlich Tochter Emma Kamp (1857-1935). 147 OFP.

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    Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges nahm der Briefwechsel mit seinem Sohn Hugo an Intensität zu.

    In Hugo, der 1917 als Admiral a. D. reaktiviert wurde, sah Osterhaus einen kompetenten

    Gesprächspartner zur Erörterung der Weltlage. In recht umfangreichen Briefen übermittelte der nun

    schon 91-Jährige regelrechte Lagebeurteilungen des Frontgeschehens in Europa, die zwar zensiert

    wurden, aber offensichtlich unbeanstandet blieben.148 Man spürt förmlich, wie er in seinem Element,

    der militärischen Kriegsführung, aufging, wobei der Sieg Deutschlands für ihn unzweifelhaft

    feststand.149

    Im März 1915 erhielt Osterhaus die Nachricht, dass der Kongress ihn als Generalmajor der regulären

    Armee wieder eingesetzt habe. Demnach war er nach 1905 vom Brigadegeneral zum Generalmajor der

    regulären Armee befördert worden. Wann und aus welchem Grund man ihm wieder in den

    Freiwilligenstatus versetzt hatte, ist unklar. Seinem Sohn Hugo gestand er, die seinerzeitige

    Versetzung in die Freiwilligenarmee als Degradierung empfunden zu haben.150 Es war für Osterhaus

    ausschließlich eine Prestigefrage, nun wieder zum Offizierskorps der regulären Berufsarmee zu

    gehören, denn finanzielle Vorteile erwuchsen ihm aus der Wiedereinsetzung nicht. Befriedigt

    kommentierte er deshalb die Wiedereinsetzung als Geste der Ehrerbietung des Kongresses. Sie habe

    ihm gezeigt, dass „die Soldaten von 1861-1865 in den USA nicht vergessen waren“.

    Den von ihm befürchteten Kriegseintritt der USA am 6. April 1917 hat Osterhaus nicht mehr erlebt. Er

    starb am 2. Januar 1917 morgens um sechs Uhr an einer Lungenentzündung im Alter von 94 Jahren. Er

    war der letzte Nordstaaten-General des amerikanischen Bürgerkrieges. Während deutsche Zeitungen,

    mit Ausnahme der Coblenzer Zeitung,151 keine Notiz von seinem Ableben nahmen, brachten fast alle

    amerikanischen Blätter, allen voran die angesehene New York Times, einen Nachruf,152 obwohl zu

    diesem Zeitpunkt von einer deutschfreundlichen Stimmung in den USA nicht die Rede sein konnte.

    Osterhaus hatte testamentarisch seine Einäscherung und die Beisetzung der Urne in der Familiengruft

    auf dem Koblenzer Hauptfriedhof verfügt.153 Nach der in Krefeld vollzogenen Einäscherung wurde die

    Urne am 31. Mai 1917 neben seiner Frau Amalie und Sohn Karl beigesetzt. Die Familiengruft Nr. 375

    mit den Ruhestätten 931/932 lag im Gräberfeld 18. Die gesamte, in einem Steilhang gelegene

    Grabreihe, wurde aus Sicherheitsgründen durch Beschluss vom 5. Mai 1969 für weitere Bestattungen

    geschlossen. Ein regionaler öffentlicher Aufruf der Friedhofsverwaltung wegen der künftigen Pflege

    148 Fünf Briefe von PJO an Sohn Hugo Osterhaus, Duisburg, Sept. 1914 - Janr. 1916, im Besitz von Mary Bobbitt Townsend, USA, als Kopie im StAK N 57 (Zug. 31/2010). 149 PJO an Hugo Osterhaus, Duisburg, 25.2.1915, OFP. 150 PJO an Hugo Osterhaus, Duisburg, 9.4.1915, OFP; Townsend, S. 211. 151 CZ vom 5. 1. 1917. 152 The New York Times vom 6. 1. 1917, S. 7. Allerdings wird irrtümlich Berlin als Sterbeort angegeben. 153 Testament PJO vom 5.12.1916, OFP.

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    des Grabes blieb ohne Resonanz, da in Koblenz kein Mitglied der Familie Osterhaus mehr ansässig

    war. Nach einem Erdrutsch wurde das stark beschädigte Grab 1976 endgültig aufgelassen. Reste der

    Gruft haben sich zwar erhalten, sind aber nicht mehr zugänglich.154 Nach einer im September 2010

    eingeleiteten Initiative155 deutsch-amerikanischer Nachfahren und Verehrer Osterhaus’, einen

    historical marker (Gedenkstein/-plakette) am Standort des ehemaligen Grabes zu setzen, konnte rund

    zwei Jahre später das Vorhaben realisiert werden. Nach umfangreichen Vorbereitungs- und

    Koordinierungsarbeiten enthüllten die Initiatoren, Mary Bobbitt Townsend und Eugen Deubner,

    gemeinsam mit Vertretern der Stadt Koblenz, der Bundeswehr und einem Angehörigen der US-

    Streitkräfte, am 23. Juni 2012 einen Gedenkstein für P. J. Osterhaus auf dem Koblenzer

    Hauptfriedhof.156 Den aus Spenden finanzierten, zweisprachigen Gedenkstein schuf der Bilderhauer

    Eckhard Braun aus Alterkülz im Hunsrück. Die Gestaltung des Gedenksteinumfeldes übernahm der

    städtische Eigenbetrieb für Grünflächen und Bestattungswesen. Der Standort des Steins, der

    gleichzeitig auch den verloren gegangenen Originalgrabstein ersetzt, liegt oberhalb der ursprünglichen,

    nicht mehr zugänglichen Osterhausschen Familiengruft.

    Abb. 7: Gedenkstein für Peter Joseph Osterhaus auf dem Koblenzer Hauptfriedhof am Enthüllungstag.

    154 Mitteilung EB/67 der Stadt Koblenz vom 10.10.1988 und 10.9.2010. 155 Anfrage Prof. Dr. Wolfgang Hochbruck, Leiter des Englischen Seminars-Hochschulstudien an der Universität Freiburg, an Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig, Oberbürgermeister der Stadt Koblenz, September 2010.

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    Bei der Eröffnung des Testaments am 3. Januar 1917 stellte sich heraus, dass Osterhaus’ mobiler

    Nachlass wie Möbel, Bücher, Bilder und Uhren einen Wert von rund 15.500 Mark besaß. Seinem

    Schwiegersohn Professor Petersen hatte er ein Darlehen von 15.000 Mark gewährt, ebenso seinem

    Enkel Arnold Hartwig, einem Sohn seiner Tochter Anna und des Samtfabrikanten Carl Hartwig aus

    Lyon, der 4500 Mark erhalten hatte. Für insgesamt 15.000 Mark hatte er drei deutsche Kriegsanleihen

    gezeichnet, und er besaß ein Bankguthaben, dessen Höhe aus dem Testament allerdings nicht

    hervorgeht.157 Alles in allem scheint sich seine über weite Strecken unerfreuliche finanzielle Situation

    gegen Ende seines Lebens stabilisiert zu haben.

    Wie schon angedeutet, hinterließ Peter Joseph Osterhaus keine Memoiren. Es fällt daher schwer, ein

    Resümee seiner Persönlichkeit zu ziehen, ohne auf bereits Geäußertes zurückzugreifen. Eine

    Eigenschaft sticht immer wieder hervor, nämlich sein logisch-nüchternes Denken in allen

    Lebenslagen. Diese, von Zeitgenossen und Verwandten immer wieder betonte Fähigkeit, vermittelt

    auch heute noch sein Briefnachlass. Seine direkten Nachkommen schildern ihn als einen Mann mit

    bissigem Humor, der jedoch den Umgang mit Menschen liebte und peinlich genau auf korrekte

    Kleidung und gutes Benehmen achtete. Er besaß ein angenehmes Äußeres und erreichte mit 1,85

    Metern eine stattliche Größe. Sein schlohweißes Haupt- und Barthaar verlieh ihm im Alter ein

    patriarchalisches Aussehen, ein Eindruck, der durchaus der Realität entsprach. Ausgestattet mit einer

    natürlichen Autorität und deshalb von allen akzeptiert, übernahm Osterhaus wie selbstverständlich die

    Rolle des Oberhaupts der weltweit verstreuten Familie. Sein Hang, selbst über Kontinente hinweg die

    Fäden zu ziehen, zu arrangieren und wenn es sein musste, auch zu intrigieren, kommt besonders in

    dem 1904 mit seiner Lieblingstochter Mathilde geführten Briefwechsel zum Ausdruck. Von seinen

    Kindern wurde er geliebt und verehrt. Allerdings gibt es Hinweise, dass er zumindest für einige seiner

    Söhne eine erdrückende Übervaterfigur darstellte. Jedenfalls gewinnt man diesen Eindruck, betrachtet

    man die über lange Strecken wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Misserfolge seiner Söhne

    Alexander und Ludwig sowie die leichtsinnige Lebensweise von Sohn Joseph Adolph, dem

    Spielschulden nachgesagt wurden.

    Osterhaus’ politische Einstellung war mit dem Kampf für Demokratie und Menschenwürde klar

    umrissen. Seine 1848 in Mannheim entwickelte Bereitschaft, aktiv für die liberaldemokratischen

    Ideale einzutreten, setzte er in den Staaten nahtlos fort. Er stand den Ideen Lincolns nahe und war

    Mitglied der Republikanischen Partei. Jedoch scheint er später in den Sog einer Deutschtümelei

    geraten zu sein, die vermeintlich deutsche Tugenden wie Fleiß, Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit

    156 Rhein-Zeitung vom 23.6.2012, S. 12: Koblenzer, Amerikaner, General: Osterhaus wird geehrt. 157 Testament PJO vom 5.12.1916, OFP.

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    überbetonte. In den während seines USA-Aufenthalts 1904 verfassten Privatbriefen wird diese

    Tendenz besonders spürbar, indem er unter Hervorhebung des Deutschtums aus seiner Ablehnung der

    amerikanischen Lebensart keinen Hehl machte. Die nach Gründung des Deutschen Reiches 1871 in

    den USA um sich greifende Bewegung erreichte nach der Jahrhundertwende ihren Höhepunkt.

    Besonders gerne wurden Deutsch-Amerikaner hervorgehoben, die wie Osterhaus durch ihre Erfolge

    den Beweis für die Überlegenheit des „deutschen Elements“ zu erbringen schienen. Dieses

    überzeichnete Selbstbild erweckte jedoch zu Recht bei vielen Amerikanern den Eindruck von

    Selbstüberschätzung und Arroganz der deutschstämmigen Bevölkerung. In seinen späteren

    Lebensjahren neigte Osterhaus dem deutschen Konservatismus zu, wobei er als eingefleischter

    Republikaner weniger die Monarchie als vielmehr das deutsche Militär bewunderte. Von den

    Leistungen des Generalfeldmarschalls von Hindenburg war er 1916 so beeindruckt, dass er ihn als den

    größten General der Kriegsgeschichte bezeichnete, der Napoleons Armee bereits am ersten Tag besiegt

    hätte.158 Unumstritten ist dem gegenüber seine Bewunderung für die amerikanische Demokratie, ohne

    die dieses Land nach seiner Meinung eine im politischen Sinn „unfruchtbare Wüste“ geblieben

    wäre.159 Allerdings bemängelte er die nie ernsthaft in Angriff genommene Integration der schwarzen

    Bevölkerung nach dem Bürgerkrieg.160 Er habe nie verstehen können, bemerkte Osterhaus hierzu

    1914, warum der Norden die Schwarzen nach ihrer Befreiung so vernachlässigen konnte. Der von den

    Sklavenhaltern der Südstaaten verbreiteten Meinung, alle Schwarzen seien unselbständig und neigten

    zur Faulheit, hätte die Regierung sofort nach Beendigung des Krieges durch den Bau von

    Gewerbeschulen und sonstigen Erziehungseinrichtungen entgegenwirken müssen, in denen die Kinder

    ehemaliger Sklaven hätten lernen können, ihre Fähigkeiten voll auszuschöpfen. Dieses Versäumnis

    hielt Osterhaus für eine ebenso große Dummheit wie grobe Pflichtverletzung der Regierung gegenüber

    der schwarzen Bevölkerung.161 Es erstaunt nur auf den ersten Blick, dass sich Osterhaus trotz dieser

    engagierten Haltung nicht politisch betätigte, geschweige denn ein politisches Amt in den USA

    angestrebt hat. Dies erklärt sich zum Teil daraus, dass er von Politik, insbesondere Politikern keine

    besonders hohe Meinung besaß. Eine der wenigen Ausnahmen war wohl der Vize-Gouverneur von

    Illinois und Parteigänger Lincolns, Gustav Körner (1809-1898), mit dem er private Kontakte unterhielt

    und während des Bürgerkrieges auch militärische Fragen erörterte.162 Es heißt von Osterhaus, er sei in

    158 PJO an Hugo Osterhaus, Duisburg, 9.4.1915, OFP. 159 PJO an Hugo Osterhaus, Mannheim, 28.8.1878, OFP. 160 Bereits 1863 hatte Osterhaus Lincolns Vorschlag zur Bildung schwarzer Einheiten gefördert und unterstützt. So übernahmen z. B. Teile seiner Einheit während der Vicksburg-Kampagne die Rekrutierung und Ausbildung schwarzer Soldaten für das 1st Mississipi Volounteer Infantry Regiment (African Descent), vgl. Hochbruck, Wolfgang: American Civil War, German Participants in. In: Germany and the Americas: Culture, Politics, and History. A Multidiciplinary Encyclopedia. Ed. by Thomas Adam. Santa Barbara u. a. 2005, S. 62-65, und Townsend, S. 86, 98. 161 The Daily News vom 3.1.1914, OFP. 162 Körner, Bd. 1, S. 559; Bd. 2, S. 174-176, 187, 206, 210, 227, 397.

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    erster Linie Militär gewesen, nicht „Weltverbesserer“, wie viele seiner 48er Weggenossen.163

    Politischen Einfluss habe er schon deshalb nicht nehmen können, weil ihm die Unterstützung seiner

    Landsleute fehlte. Dies lag vor allem an seiner Anpassungsfähigkeit an den militärischen Führungsstil

    der Amerikaner. Diese Fähigkeit beeindruckte zwar seine amerikanischen Vorgesetzten und

    verschonte ihn weitgehend vor nativistischen Angriffen. Bei deutschstämmigen amerikanischen

    Offizieren, die in Deutschland eine streng hierarchische Militärausbildung durchlaufen hatten und oft

    genug von Standesdünkeln geprägt waren, stieß der wegen seines nur einjährigen Militärdienstes

    militärisch nahezu ungeschulte Self-made-General jedoch oft auf Unverständnis, teilweise sogar

    Ablehnung. Seiner 1864 von Präsident Lincoln vorgeschlagenen und vom Senat gebilligten Ernennung

    zum Generalmajor der Freiwilligenarmee lagen daher auch weniger politische Kriterien zugrunde,

    etwa um sich der Loyalität der deutschstämmigen Bevölkerung während des Krieges zu versichern.

    Vielmehr erlangte er diesen Rang durch seine immer wieder betonten Führungsqualitäten.164 Ein

    anderer Aspekt seiner politischen Zurückhaltung bestand darin, dass ihm während seines gesamten

    Amerika-Aufenthaltes der berufliche Erfolg versagt blieb. Die Sorge, seine Familie nicht ernähren zu

    können, ließ daher kaum Spielraum für eine kostspielige politische Karriere. Nach dem Bürgerkrieg

    hatte er keine Gelegenheit mehr, die politische Bühne Amerikas zu betreten, denn er wurde als Konsul

    nach Europa entsandt. Danach betrat er bis zu seinem Tod nur noch als Besucher amerikanischen

    Boden.

    Eine besondere Beziehung zu seiner Geburtsstadt lässt sich zumindest anhand seines Nachlasses nicht

    ausmachen. Abgesehen von einer finanziellen Unterstützung seines kranken Bruders Lorenz scheinen

    keine Verbindungen nach Koblenz bestanden zu haben. Umso mehr verwundert es, dass er 1905 auf

    dem Koblenzer Hauptfriedhof eine Grabstätte für sich, seine Frau und Sohn Karl ankaufte, obwohl

    seit etwa 1900 keine Mitglieder der Familie Osterhaus mehr hier ansässig waren. Auch sein Vaterhaus

    Neustadt 19 war im Mai 1903 von der Erbengemeinschaft Osterhaus an Bartholomäus Kallfels,

    Teilhaber der Firma Kallfels & Emsbach, veräußert worden.165 Nur nach der Überführung und

    Beisetzung seiner Frau Amalie und seines Sohnes Karl 1905 hielt sich Osterhaus nachweislich zum

    Besuch der Gruft in der Stadt auf. Lange Jahre erinnerte in Koblenz nichts an Peter Joseph Osterhaus.

    Erst 1993 ehrte die Stadt sein Andenken durch die Benennung einer Erschließungsstraße im Stadtteil

    Metternich.166

    163 Vgl. hierzu Bachteler, Ulrich; Hochbruck, Wolfgang; Zimmermann, Henning (Hrsg.): Achtundvierziger/Forty-Eighters. Die deutschen Revolutionen von 1848/49, die Vereinigten Staaten und der amerikanische Bürgerkrieg. Münster 2000. 164 Kaufmann, S. 445-449. 165 CZ 12.5.1903. 166 Durch Stadtratsbeschluss vom Juni 1993. Auslöser für die Benennung war die anlässlich der Herausgabe der Osterhaus- Monographie 1992 (vgl. Anm. 1) in der Koblenzer Rhein-Zeitung am 25.2.1993, S. 18, veröffentlichte Sonderseite: „Ein langes Leben im Kampf für Demokratie und Menschlichkeit. Deutschland ließ den späteren US-Konsul trotz seiner Emigration in den Staaten nie mehr los.“

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    Abbildungsnachweis

    Abb. 1: StAK FA4 Nr. 1, Bild 004, Foto: Otto Kilger. Abb. 2: Missouri Historical Society, St. Louis, Foto: (Hermann) Hoelke & (Robert) Benecke. Abb. 3: Missouri Historical Society, St. Louis, Fotostudio Gutekunst, St. Louis. Abb. 4: United States National Park Service. Abb. 5: StAK FA1-240. Abb. 6: Missouri Historical Society, St. Louis. Abb. 7: StAK FA1-240.