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Im Hörsaal mit den Enkeln Helfen für Credit Points EINE FRAGE DER EHRE David Pfeffer im Interview EINMAL STAR UND ZURÜCK Stipendium fürs Bälleprügeln IM AUSLAND AUFSCHLAGEN pflichtlektüre Studentenmagazin für Dortmund 032013

pflichtlektüre 03/2013

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Studentenmagazin für Dortmund

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Im Hörsaal mit den Enkeln

Helfen für Credit PointsEinE FragE dEr EhrE

David Pfeffer im InterviewEinmal Star und Zurück

Stipendium fürs Bälleprügelnim auSland auFSchlagEn

pflichtlektüreStudentenmagazin für Dortmund 032013

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Herausgeber Institut für Journalistik, TU Dortmund

Projektleitung Dr. des. Annika Sehl (ViSdP)

Redaktionsleitung Sigrun Rottmann

Redaktion Uni-Center, Vogelpothsweg 74, Campus Nord, 44227 Dortmund

Tel.: 0231/755-7473, [email protected]

Chef vom Dienst Nils Bickenbach

Textchefinnen

Kerstin Börß, Melanie Meyer

Fotoredaktion Anna-Christin Kunz, Sarah Tober, Moritz Tschermak

IllustrationenNatalia Salomé, Linda Schönfelder

Layout & Grafik Rebecca Hameister, Daria Nikishina, Mats Schönauer,

Philipp Schulte, Manuel Solde

Redakteure und Reporter Claudia Brade, Arthur Cagliari, Susann Eberlein, Katrin Ewert, Naima Fischer, Sabine Geschwinder, Jenny Gödecker, Ann-Kathrin Gumpert, Pia Lisa Kienel, Marie Lanfermann, Mareike Maack, Moritz Mettge,

Eva Nowack, Janne Oltmanns, Hendrik Pfeiffer, Julia Schindler, Linda Schönfelder, Julia Schroer, Maria Segat, Linda Zuber

Die Grafik dankt

Ingeborg und Albrecht Rottmann sowie Günter Gerhard Lange, Otl Aicher, Thomas Bangalter & Guy-Manuel de Homem-Christo

Druck Hitzegrad Print Medien & Service GmbH

Auf dem Brümmer 944149 Dortmund

pflichtlektuere @ [email protected] .com/pflichtlektuere 0231 / 755 - 7473*

Impressum

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Audiovisuelle Begleitung der Ausgabe

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Eins vorab

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Es erinnert an Krieg. Während ich aus dem Fenster meiner Studentenbude schaue, tobt draußen der Frühling. Erste Sonnenstrahlen kämpfen sich ihren Weg zu mir.

149 000 000 Kilometer haben sie überwunden und freuen sich nun darauf, am Frühling vorbei in meine Wohnung einzufallen.

Plötzlich muss ich an Nordkorea denken. Wo gerade noch Son-nenstrahlen durch meine Synapsen glitten, tauchen nun Raketen auf. „Into The Sun – Kampf über den Wolken“ titelt n-tv auf seiner Internetseite. Und schon klingt das mit den Raketen gar nicht mehr so dramatisch. „Ist doch egal, es ist Frühling“, denke ich mir und widme mich wieder dem Fenster, das den Blick auf die staubige Realität freigibt.

Staubtrocken und zermürbend sind auch die alljährlich in dieser Jahreszeit neu aufflammenden Debatten rund um das Thema „Körperkult“. Neonfarben leuchten die Shopping-Areas der Konsumtempel aus. Zeitschriftenhändler warten mit einem wah-ren Konvolut an Diätmagazinen auf. Man will gesehen, beachtet werden. Fitness hat ab sofort oberste Priorität, das Sonnenstudio wird häufiger aufgesucht, Nahrung vermindert eingenommen. Und wozu das alles? Aus Solidarität mit den Häftlingen in Gu-antanamo? Selbst die Fünf-Euro-Scheine erstrahlen passend zum Frühling in einem farbenfrohen neuen Antlitz.

Wissenschaftler sehen die Ursache des frühjährlichen Schön-heitswahns in der Partnersuche. Analogien zum Tierreich sind erkennbar. Analogien zum Tierreich? War das nicht das mit den

TEXT&IllusTraTIonLinda SchönfeLder

Bienchen und den Blümchen? Richtig. Ein Theatraliker würde anführen, dass selbst die Bienen sterben; vorwiegend in den Frühlings- und Sommermonaten. Aber das würde jetzt zu weit gehen.

Und während ich mich noch mit den großen Themen der Gesellschaft beschäftige, schaue ich wieder aus meinem staubi-gen Fenster. Friedlich summt eine Biene ihr Lied. Tulpenköpfe quietschen. Ein Blick auf die Straße verrät, dass der Frühling sein farbenfrohes Kleid schon längst in die Vorgärten unserer Gesellschaft getragen hat.

Fast beiläufig greife ich nach einer Zeitschrift aus dem hüfthohen Stapel neben mir und hoffe, dass sie dem Frühling trotzt. Dass sie keine Diätthemen beinhaltet. Dass Krönungszeremonien in den Niederlanden nicht thematisiert werden. Dass sie keine Anleitungen zu Frühjahrsbasteleien enthält und erst recht keine Rezepttipps zu Trennkost und Lightvarianten.

Wenn ihr unser Magazin lest, dann gönnt euch ein Eis und vergesst für einen kurzen Augenblick, dass eine Kugel Schokoeis rund 86 Kalorien enthält. Denn: Dieses Magazin ist eine Kampf-ansage. Hier ist kein Platz für weichgespülte Frühlingsthemen. Hier stehen die harten Fakten. Hart, wie die Wahrheit über die Bienen und den Frühling.

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INHALT

04inhalt

RAUSABGEFAHRENKletterwald Schwerte 36HINGESCHAUTHoli, das Festival der Farben 37HINGEGANGEN Kultur im Sommer 38

REIN IMPRESSUMHier gibt‘s Sudokus 02EINS VORABKrieg und Frühling 03MOMENTEBegossene Pudel im Hundesalon 06JOBSTUDIUM LEBEN

NA OPA, SCHONBAFÖG BEANTRAGT?Sechzig studierende Senioren pro Jahr

08 NEBENJOB: BLUFFERPokern für den Lebensunterhalt 18 BACHELOR

OF EHRENAMTEngagement gegen Credit Points

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GOODBYEDEUTSCHLANDMit dem Sportstipendium nach Übersee

14 24RAMPENLICHTSTATT UNIFORMDavid Pfeffer im Interview

32WO DIE WILDEN KERLE WOHNENPfadfi nder auf Promotion

CAMPUSKOPFKaninchenjäger Wolfgang Teichert 13 20STRESS

Strategien gegen Überdruck

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SAG MAL PROFWie viel Sport ist eigentlich gesund?

Sport ist Mord”, sagen die einen und bleiben lieber mit ihren

Kartoffelchips auf der Couch sitzen. „Ein gesun-der Geist lebt in einem gesunden Körper”, sagen die anderen und radeln, sprinten und schwimmen bis zur Ekstase. Doch wie sieht eigentlich der gesunde Mittelweg aus?

„Diese Frage ist leicht zu beantworten”, sagt Sportprofessor Thomas Jaitner von der TU Dortmund. „Die Weltgesundheitsorgani-sation empfi ehlt mindestens 150 Minuten leichte körperliche Aktivität die Woche oder 75 Minuten intensiven Sport.“ Optimal wäre sogar das Doppelte. Die gute Nachricht: Mit körperlicher Aktivität sind nicht nur die Mo-mente gemeint, in denen man den Sportdress anzieht und aktiv schwitzt, sondern auch Treppen steigen, spazieren gehen oder mit dem Fahrrad zur Uni fahren.

„Wenn man nicht gerade in Barop oder Eichlinghofen wohnt, hat man das Minimum also mit Fahrradfahren schon schnell erreicht”, sagt Jaitner. Und es lohnt sich: Wer sich Zeit für Sport nimmt, bringt sein Herzkreislaufsystem in Schwung, beugt Fettleibigkeit vor, stärkt seine Knochen und verringert Krankheitsrisiken. Auch der Spruch mit dem ge-sunden Geist im gesunden Körper hat seine Berechtigung: „Generell ver-bessert man durch Sport die Durchblu-tung, also auch das Gehirn wird besser durchblutet.“

TEXTSABINE GESCHWINDER FOTOSARAH TOBER

Sport ist also gut. Aber was pas-siert, wenn man es übertreibt? „Es ist gar nicht so einfach, zu viel Sport zu machen“, sagt der Prof. Viele Leistungssportler haben trotz intensivem Training

keine gesundheitlichen Probleme. Das liegt daran, dass ihr Muskelap-parat intensive Belastungen gewöhnt

ist. Wer zum Beispiel bisher zu den Couch Potatoes zählte, sollte nicht gleich mit einer belastungsintensiven Sportart wie Tennis oder Squash anfangen. Und wer länger eine Pause gemacht hat, kann nicht dort weitertrainieren, wo er einmal aufgehört hat. „Nicht der Sport ist Mord. Wenn, dann ist es die Überbeanspruchung”, erklärt Jaitner. Wer über mehrere Tage unter Schmerzen leidet, die über Muskelkater hinausgehen, der hat seinen Knochen möglicherweise zu viel zugemutet. „Dann lieber moderat anfangen, drei Gänge zurückschalten oder die Sportart wechseln, wenn sie keinen Spaß macht”, rät

der Sportprof.

Das wichtigste Indiz für die richtige Dosis Sport ist nämlich genau das: der Wohlfühlfaktor. Denn Sport soll vor allem Spaß machen. Da würde Englands ehemaliger Pre-mierminister Winston Churchill wohl zustimmen. Seinen viel zitierten Satz „No Sports“ hat er wahrscheinlich nie gesagt. Stattdessen ging Churchill reiten, schwimmen, fechten und meinte:

„Keine Stunde, die man mit Sport verbringt, ist verloren.“

Prof. Dr. Thomas Jaitner, Professor für Sportwissenschaft

an der TU Dortmund

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Begossene PudelEin Besuch im Dortmunder Hundesalon „Sexy Dog Company“

FotosAnnA-Christin Kunz

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„Na Opa, schON Bafög BeaNtragt?“Sechzig Seniorenstudenten schreiben sich jedes Jahr an der TU Dortmund ein und mischen sich

unter das junge Volk. Sie genießen den Kontakt mit den jüngeren Studierenden. Die fragen oft,

was die Senioren in die Horsäle treibt.

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10studium

Behutsam legt Manfred Althaus seine fein säuberlich sortierten Unterlagen auf den Tisch. Er muss

nicht lange suchen, denn das Dokument, das er seinem Freund Helmut zeigen möchte, liegt bereits ganz oben. Es ist ein Zertifikat. Jedoch keines, das ihm seine ehrenamtlichen Arbeiten im Sport- oder Behindertenbereich bescheinigt. Auch keines, das seine Mitgliedschaft in der SPD beurkundet. Nein, dieses Dokument, auf dem fett das Logo der TU Dortmund prangt, ist ein Beleg für seine akademische Leistung. Schwarz auf weiß bescheinigt es dem 75-Jährigen sein abgeschlossenes Studium an der TU Dortmund. „Ich bin so stolz, dass ich das gemacht und geschafft habe. Das Studi-um war eine Herausforderung, aber auch eine fruchtbare Erfahrung.“ Da kann Helmut Bäcker nur zustimmend nicken. Gemeinsam erinnern sich die beiden Freunde an ihr Studium, und das liegt noch gar nicht lange zurück.“

Grips anstrengenstatt Däumchen drehenHelmut Bäcker traute sich als erster. Der damals 58-jährige Diplomingenieur erfährt ganz zufällig durch einen ehema-ligen Arbeitskollegen von dem „Weiter-bildenden Studium für Seniorinnen und Senioren“ an der TU Dortmund. Sofort informiert er sich im Internet, führt ein Beratungsgespräch und findet sich kurz darauf schon inmitten von Hörsaalge-flüster und Mensagedränge wieder. Für Bäcker ist es die zweite Hochschulausbil-dung. Nach einem Informatikstudium arbeitete er 30 Jahr lang in der Energie-wirtschaft. Vor ein paar Jahren legte er dann, im Rahmen der Passivphase der Altersteilzeit, seinen Beruf nieder. Doch Nichtstun, das kam für den Frührentner nicht in Frage. „Man kann sein Wissen immer bereichern und lernt ein Leben lang“, sagt er.

Fünf Semester lang besucht Bäcker im Rahmen des Seniorenstudiums regelmä-ßig Seminare und Vorlesungen. Dazu sucht er in einem Senioren-Vorlesungs-

verzeichnis nach den Fächern, die ihn ansprechen und interessieren. Zu den Kernfächern des Seniorenstudiums, aus denen die Seminare ausgewählt werden können, gehören neben sozialer Geronto-logie (Alternswissenschaft) auch Sozio-logie und Psychologie. Außerdem die Fächer Erziehungswissenschaft, Philoso-phie, Theologie sowie Sondererziehung und Rehabilitation. „In diesen Bereichen suchen wir den Senioren bereits im Vorfeld passende Seminare aus und bitten die Dozenten, ihre jeweiligen Veran-staltungen für sie zu öffnen“, sagt die Geschäftsführerin des Seniorenstudiums Dr. Eva Gösken. Naturwissenschaftliche Fächer seien nicht im Seniorenstudium verankert, immerhin beziehe sich die Weiterbildung auf gesellschaftliches En-gagement. Da passen Fächer wie Chemie und Physik nicht hinein. „Natürlich können sich die Senioren auch selbststän-dig um Seminare kümmern, die nicht im Vorlesungsverzeichnis aufgelistet sind. Sind diese aber bereits sehr voll, wird den jüngeren Studierenden natürlich der Vortritt gelassen“, sagt Gösken.

Helmut Bäcker ist begeistert vom viel-fältigen Seminarangebot des Senioren-studiums. Er geht gerne zu den Veran-staltungen und beteiligt sich, wie seine jungen Kommilitonen, an Diskussionen, Gruppenarbeiten und Referaten. Seine Kinder teilen Bäckers Begeisterung für das Studium. „Die finden das klasse und sind froh, dass ich nicht zu Hause sitze und Däumchen drehe.“

Zwei Jahre nach Bäckers Studienbeginn packt auch Manfred Althaus die Neugier. Angesteckt vom Enthusiasmus seines Freundes entschließt auch er sich für das Seniorenstudium in Dortmund. Im Ge-gensatz zu seinem Freund hatte Althaus den Alltag und die Lehre an einer Univer-sität nie kennengelernt. „Nach dem Krieg musste ich als Ältester von drei Kindern erst einmal Geld verdienen. Außerdem habe ich früh geheiratete und wollte erst einmal etwas fürs Leben lernen.“ Althaus besuchte die Techniker- und Meisterschu-le, wurde Bereichsleiter beim Wasserwerk und machte neben dem Beruf sein Abitur

an einer Abendschule nach. Das Senio-renstudium ist für ihn eine völlig neue Erfahrung. „Ich musste mich erst einmal orientieren und mich mit der Umgebung anfreunden. Am Anfang haben wir uns oft verlaufen und uns dann irgendwo wiedergefunden.“

Dass Althaus seinen jungen Kommilito-nen um etwa 50 Jahre Lebenserfahrung voraus ist und er durch seinen weißen Schopf in der Studentenmasse auffällt, nehmen er und seine Familie mit Humor. „Als meine Enkeltochter von meinem Studium erfuhr, hat sie mich sofort ange-rufen: ‚Na Opa, schon Bafög beantragt?‘“ Außerdem habe man ihn schon des Öfteren für den Professor der Vorlesung gehalten, unter anderem auch, weil sein Platz jedes Mal ganz vorne ist. „Ich sitze immer in der ersten Reihe, das ist einfach so, das habe ich mir immer angewöhnt. Vorne passe ich am besten auf, das ist mir wichtig.“

Jedes Jahr höchstens60 neue SeniorenstudentenImmer in der ersten Reihe zu sitzen, das käme für den 21-jährigen Lehramtsstu-denten Jonas Feige nicht in Frage. „Ich fühle mich weiter hinten wohler, da geht man schön in der Masse unter. Vorne wird man immer vom Professor ange-starrt und kommt sich vor wie auf einem Präsentierteller.“ Den älteren Studenten lasse er gerne den Vortritt, auch wenn er nicht wirklich verstehe, mit welcher Motivation die Senioren jetzt noch die Hörsäle aufsuchen. Schließlich sei die Uni ohnehin schon mit den jungen Stu-denten völlig überfüllt. „Ich frage mich manchmal, ob uns die Senioren nicht sogar Plätze wegnehmen. Immerhin wer-den die Unis immer voller und die Plätze sind heiß begehrt“, sagt er. Sowieso solle das Studium vor allem auf eine berufliche Zukunft vorbereiten, welchen Zweck die Senioren hinter dem Studium sehen, verstehe er da nicht so richtig. „Denen könnten Kurse an der Volkshochschule doch sogar ausreichen, immerhin haben sie den Beruf schon hinter sich.“

TEXTJulia Schroer FoTosMoritz tScherMak

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11studium

Dr. Eva Gösken kann die Irritation der jungen Studenten gut nachvollziehen. Als Geschäftsführerin des Seniorenstudiums kümmert sie sich täglich um die Betreu-ung der Senioren und die Organisation des Studienprogramms. „Beschwerden von jungen Studenten hatte ich noch keine“, sagt sie. Jedoch wüssten die Wenigsten über Sinn und Zweck des Seniorenstudiums Bescheid. „Das ist hier nicht nur just for fun. Auch die Senioren-studenten müssen gewisse Anforderungen erfüllen.“ Außerdem stünden ihnen jedes Jahr nicht mehr als 60 Plätze zur Verfü-gung, sodass allerhöchstens 300 Senioren gleichzeitig an der Universität seien. Sehe man das in Relation zu den mehr als 29 000 „normalen“ Studenten, könne man nicht von „Plätze-Wegnehmen“ sprechen. Bereits seit über 30 Jahren bie-tet die TU das weiterbildende Studium für Senioren ab dem 50. Lebensjahr an. Was 1980 als Modellversuch an der Uni-versität begann, etablierte sich schon fünf Jahre später als Regelstudiengang. Für einen Beitrag von 100 Euro pro Semester

haben die Senioren die Möglichkeit, sich zweieinhalb Jahre lang auch nach ihrem Beruf noch einmal neu zu orientieren und weiterzubilden. „Das Studium soll den Senioren Anregungen geben und ihnen eine Besinnungszeit bieten. Hier können sie sich noch einmal neu orientie-ren und sich fragen, wo sie stehen und wo sie noch hin wollen“, sagt Gösken.

Mit Motivation für andere Menschen einsetzenDoch nicht nur das. Im Studium sollen die Senioren vorbereitet und qualifiziert werden, um sich neben oder nach ihrem Studium ehrenamtlich zu engagieren oder sich weiterzubilden. Ziel des Studiums soll es sein, die eigenen Kompetenzen in soziale, politische oder kulturelle Tätig-keiten einzubringen. „Unserer Erfahrung nach klappt das gut, und die meisten Stu-denten werden nach oder während ihren fünf Semestern auch tatsächlich ehren-amtlichen tätig“, sagt Gösken. Beispiels-

weise engagierten sich viele Absolventen in sozialen Einrichtungen, Verbänden oder Gemeinden, würden Lesepaten oder seien bei Theaterprojekten aktiv. So sieht das auch Helmut Bäcker. Der Mensch im Mittelpunkt, das sei schon immer die zentrale Botschaft für ihn gewesen. „Für mich war klar, mit Technik machst du nichts mehr, wenn, dann etwas rund um den Menschen.“ Schon vor seinem Studi-um war Bäcker ehrenamtlich tätig. Neben der Arbeiterwohlfahrt und der SPD engagiert er sich noch heute in insgesamt 24 Vereinen und Fördervereinen. Doch obwohl er damit schon viele Erfahrungen im Bereich Ehrenamt gesammelt hat, will auch er die Chance nutzen und sich im Studium weiterbilden. „Mir fehlten noch einige Sachen im Bereich Philoso-phie und Soziologie. Außerdem hilft das Studium, sich im Umgang mit Menschen zu verändern“, sagt er.

Die richtige Einstellung ist neben dem Mindestalter von 50 Jahren die einzige Voraussetzung, um zum Studium zuge-

Der eine, Helmut Bäcker (rechts), brachte den anderen, Manfred Althaus, zum Seniorenstudium an der TU.

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12studium

lassen zu werden. Ein bestandenes Abitur ist nicht entscheidend. Insgesamt 24 Teilnahme-Scheine sowie ein Praktikum und eine Abschlussarbeit müssen die Se-niorenstudenten am Ende ihres Studiums vorweisen. Wo sie ihr Praktikum absol-vieren und in welchen Veranstaltungen sie ihre Scheine erlangen, ist ihnen selbst überlassen. Helmut Bäcker absolviert sein Praktikum im Seniorenzentrum. Dort kümmert er sich um andere Senioren, macht mit ihnen Gehirnjogging und kann so einige Dinge praktisch umsetzen, die er in den Seminaren lernt.

Besonders spannend ist für Manfred Althaus und Helmut Bäcker der Kontakt zu ihren jungen Kommilitonen. Es sei er-frischend und eine großer Bereicherung, zu sehen, wie sie über bestimmte Themen

denken. „Ich genieße es, mit den jungen Leuten zusammen zu sein“, sagt Althaus. „Es ist prima zu sehen, wie die Jungen ganz anders an die Sachen rangehen.“ Trotz allem sei es den Beiden auch wich-tig, ihren jungen Kommilitonen nicht im Wege zu stehen. „Wenn die Seminare zu seniorenlastig sind und zu viele von uns da sind, ziehen wir uns auch oft zurück und räumen das Feld. Der Schwerpunkt liegt schließlich bei den Jungen, die ihre Punkte für Bachelor und Master brau-chen“, sagt Bäcker.

An ernsthafte Probleme mit jungen Studierenden können sich jedoch beide nicht erinnern. Vielmehr sei es, beispiels-weise in Gruppenarbeiten, stets eine konstruktive Zusammenarbeit gewesen, in der Wissen ausgetauscht und viel voneinander gelernt wurde. „Wir haben uns gegenseitig ergänzt, jeder hatte eine andere Herangehensweise“, sagt Althaus. „Es hat großen Spaß gemacht, denn die Studierenden waren recht helle, muss ich ehrlich sagen. Die interessierten sich auch für die Themen.“ Sowieso sei er schon immer gerne mit jungen Leuten zusam-men gewesen, auch heute noch. Dass man gut miteinander auskommt und sich verträgt, mache das Leben schließlich auch aus.

Für Jonas Feige hingegen ist der Umgang mit seinen älteren Kommilitonen schwie-rig. „Die Senioren stören nicht, aber so ganz integriert sind sie auch nicht. Für mich ist das eher eine Parallelgesellschaft“ sagt er. So richtig habe man auch nichts miteinander zu tun. Meistens sitze man zwar in der Vorlesung zusammen, danach trennten sich aber die Wege. „Ich wüsste auch gar nicht, ob ich einen Senioren-studenten duzen oder siezen sollte. Bei Kommilitonen im eigenen Alter ist das eben einfacher.“

Seminare nur für Senioren können sich Manfred Althaus und Helmut Bäcker aber nicht vorstellen. Jung und Alt zusammen, das sei schließlich erfrischend und gerade das Besondere. Den Ein-druck, dass sie stören, hätten sie außer-dem nie gehabt. Im Gegenteil. In einigen Bereichen hätten sie den Jüngeren sogar helfen können. „Bei gemeinsamen Refe-raten waren die Studenten teilweise gar

nicht in der Lage, eine normale Power Point Präsentation zu machen. Doch es hat Spaß gemacht, ihnen zu helfen, und die meisten waren auch interessiert und dankbar“, erzählt Bäcker. Allerdings habe er auch große Hochachtung vor seinen jungen Kommilitonen bekommen. Die müssten schließlich dauernd tausend Sachen auf einmal machen und stünden ständig unter Zeitdruck. „Die sind alle multitaskingfähig, alles muss gemanaged werden.“

Vom Senioren-zum KontaktstudentenDas Seniorenstudium haben Manfred Althaus und Helmut Bäcker bereits erfolgreich hinter sich gebracht. Von der Universität haben sie sich deswegen aber noch längst nicht verabschiedet. Als sogenannte Kontaktstudenten besuchen beide weiterhin Seminare und Vorlesun-gen, denn schließlich gebe es immer neue interessante Themen, über die sie noch nichts gehört hätten.

Das Kontaktstudium bietet Absolventen des Seniorenstudiums die Chance, wei-terhin an Veranstaltungen teilzunehmen, diesmal jedoch ohne spezifische Anfor-derungen erfüllen zu müssen. „Solange wir können und es interessante Angebote gibt, studieren wir weiter“, sagt Bäcker. „Auch wenn wir unseren Abschluss schon haben, ist es immer noch prima, einfach just for fun weiter zu lernen.“ Das sieht Manfred Althaus genauso. Für ihn sei das Seniorenstudium inzwischen nicht mehr nur reine Neugierde, sondern zu einer echten Bereicherung im Leben geworden. Auch den Lernaufwand der Studierenden sehe er inzwischen mit anderen Augen. „Ich habe hohe Achtung vor den jungen Studierenden bekommen und sage jetzt immer zu meiner Enkeltochter, dass sie, so lange es geht, studieren und ihre Zeit an der Universität genießen soll.“ Viel zu schnell sei alles vorbei, sagt er, und dann beginne das echte Leben.

Zweimal stolz wie Oskar: Manfred Althaus(ganz oben) mit seinem Zertifikat zum „Weiterbil-

denden Studium für Seniorinnen und Senioren“. Und Helmut Bäcker (ganz unten) mit seiner Abschlussarbeit.

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13studium

CAMPUSKOPFEin Herz für Tiere trotz Jagdschein? Wolfgang Teichert macht mit Greifvögeln

Jagd auf die Campus-Kaninchen und zeigt, wie sehr ihm Tiere am Herzen liegen.

TEXTNAIMA FISCHER FoToSARAH TOBER

Die Kaninchen sorgen für großen Schaden

auf dem Campus. Mit ihren tunnelartigen Unterbauten richten sich die Tiere nahe der Gebäude ein. Das Einsturz-risiko wird dardurch erhöht. Um unnötiges Risiko zu vermeiden, ist Wolfgang Teichert zur Stelle.

Der Kaninchenjäger hat ein großes Herz für Tiere.

„Ich hab ja selbst Tiere. Ich will unnötige Schussverletzungen vermeiden. Ein Vogel hat das Kaninchen oder er hat es nicht. So quälen sich die Tiere nicht unnötig.“

Zwischen März und September haben seine

Jagdbussarde Pause, die sie zum Mausern und Brüten nutzen. Bevor es dann wieder an die Jagd geht, müssen die Tiere trainiert werden. Manchmal lockt er die Bussarde mit Futter aus dem Autofenster, damit sie ihm hinterherfl iegen. Ständig dabei ist Teicherts Hund – beim Üben und beim Jagen. Dabei nimmt der Vierbeiner aber nur die Rolle des Beobachters ein.

Wolfgang Teichert jagt die Kaninchen

nicht mit Waffen. Ihm helfen Frettchen und Bussarde. Die Frettchen jagen die Kaninchen aus ihren Bauten. Draußen warten die Greifvögel auf sie.

Schon von klein auf ist Teichert an Greifvögeln

interessiert. Sein Hobby hat er zum Beruf gemacht. Seit 1987 bejagt er mit seinen Bussarden verschiedene Gebiete in Dortmund. Dazu gehören der Nord- und Südcampus der TU.

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TEXTHendrik Pfeiffer FoTosSaraH tober

Goodbye deutschlandJunge Sporttalente stehen in Deutschland oft am Scheideweg: Wollen sie den Sprung zum Profi

wagen oder ihre Ausbildung vorantreiben? Beides zu verbinden ist hierzulande ein Kunststück.

Die 18-jährige Tennisspielerin Ann-Kathrin Wind wandert deshalb in die USA aus.

Doch birgt dieser Schritt auch Gefahren?

die Universitäten sehr viel Geld ein, zum Beispiel durch Fernsehrechte, das in eigene Trainer, Infrastruktur für Sportler und Stipendien fließt. Als Beispiel nennt Stützel die University of Texas, die in diesem Jahr so auf einen Investitionsspiel-raum von 150 Millionen Dollar kommt. „Damit bewegt sie sich auf dem Niveau von Borussia Dortmund“, vergleicht der 26-Jährige.

Ehrgeiz, Fleiß und Talent reichen in Deutschland oft nicht aus, um neben dem Studium auf hohem Niveau Sport treiben zu können. Ann-Kathrin Wind gehört im Alter von 18 Jahren zwar schon zu den 70 besten Tennisspielerinnen in Deutschland, doch bei einem Studium in Deutschland müsste sie sportlich deutlich

oder die Reibungspunkte mit den Unis. Die Verbände zahlen einfach zu wenig Geld, und die Unis kooperieren nicht genug“, sagt Simon Stützel, der 2009 ein Unternehmen für Amerika-Sportsti-pendien mit dem Namen „Scholarbook“ gegründet hat.

Sport hat an US-Unis einen ganz anderen StellenwertDas Unternehmen hat sich darauf spezi-alisiert, dass junge Sportler einfacher an Sportstipendien in Amerika gelangen. „In Amerika hat Sport an den Univer-sitäten einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland“, sagt Stützel. Durch die hohe öffentliche Beachtung nehmen

Viermal in der Woche Tennis-training mit einer aufwendigen Anreise von Dinslaken nach Mül-

heim, ein Wettkampfspiel am Wochen-ende und Lernstress. Für die 18-jährige Tennisspielerin Ann-Kathrin Wind ist das bald Geschichte. Sie wagt den ganz großen Schritt nach Amerika. Statt in Deutschland trainiert und studiert die Abiturientin ab dem Wintersemester an der Universität in Memphis im US-Bundesstaat Tennesse. In Amerika hofft sie, ihr Studium im Fach „Sportmanage-ment“ besser mit ihrer Tenniskarriere ver-knüpfen zu können. In vielen Sportarten haben junge Talente, die Leistungssport-ler werden wollen, ähnliche Probleme. „In Deutschland gibt es in den meisten Fällen zu viele Hürden, egal ob finanzielle

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kürzer treten. „Es ist schwer, in Deutsch-land gut gefördert zu werden und das alles mit dem Studium zu vereinbaren“, sagt sie. Finanzielle Unterstützung vom Verband erhielten nur die Wenigsten und müssten dazu noch einen Umzug in ein großes Leistungszentrum in Kauf nehmen. Schon vor ihrem Abitur musste die tennisbegeisterte Familie viel Geld investieren, zum Beispiel für Benzinkos-ten, damit Ann-Kathrin Wind Tennis auf diesem hohen Niveau spielen kann. In Deutschland sei der Sprung in die Profi-tour für die meisten Talente schlichtweg nicht zu bezahlen, selbst mit Unterstüt-zung des Vereins, sagt sie. Mit Hilfe ihres Trainers hat sie deswegen Kontakt zu der Firma „Uniexperts“ geknüpft, die dassel-be Prinzip wie „Scholarbook“ verfolgt.

Doch ist der Schritt in die USA wirklich notwendig, um eine erfolgreiche Sport-karriere und das Studium zu verknüpfen? „Das muss man differenziert sehen“, sagt

Lauf-Bundestrainer Adi Zaar (49). Er ist am Olympiastützpunkt in Saarbrücken zuständig und hat durch seine Tätigkeit regelmäßig Kontakt zu jungen Leicht-athletiktalenten, die in einer ähnlichen Situation wie Tennisspielerin Ann-Kathrin Wind sind. „Für Leute, die nicht zur nationalen Spitze gehören, lohnt es sich grundsätzlich, Sport und Sprache zu verknüpfen.“ Außerdem mache sich ein Studium in Amerika gut im Lebenslauf.

Die Mannschaft kommt vor der persönlichen Entwicklung Kritisch sehe er es aber, wenn die besten Athleten im Land den Schritt über den Atlantik wagen. „An den amerikanischen Unis steht die Mannschaft und nicht die persönliche Entwicklung im Vor-dergrund. Die Anzahl der Starts für ein erfolgreiches Mannschaftsergebnis ist oft

viel zu hoch“, bemängelt er. So werde viel Potenzial einfach „verheizt“, das in Deutschland besser gefördert werden könne. Vier bis fünf verpflichtende Starts für die Uni seien an einem Wochenende für einen Mittel- oder Langstreckenläu-fer keine Seltenheit. Es gebe nur wenige Beispiele dafür, dass ein deutscher Athlet durch einen USA-Aufenthalt in die abso-lute Spitze aufsteigt. Von Organisationen wie „Scholarbook“ oder „Uniexperts“ wünsche er sich deswegen eine etwas de-fensivere Werbung bei jungen Sportlern.

Für „Scholarbook“-Gründer und Langstreckenläufer Simon Stützel, der selbst drei Jahre lang mit einem Sportstipendium an der University of Queens in Charlotte studiert hat, hat das Übersee-Studium aber einen weiteren großen Vorteil: „Der Team-Spirit ist dort unglaublich. Man bekommt eine ganz andere Anerkennung als in Deutschland“, sagt er. So sei sein Professor zu einem Wettkampf mitgeflogen, nur um ihn anzufeuern. „Bei Wettkämpfen in der Nähe kommen oft mehr als 100 Studen-ten zum Zuschauen mit“, erzählt Stützel. Für ihn habe sich der Schritt in die USA auch auf sportlicher Ebene gelohnt. „In Deutschland hätte ich ziemlich sicher mit dem Sport aufgehört. Mein größter Erfolg war damals ein 13. Platz bei einer deutschen Juniorenmeisterschaft“, sagt er. Sein Plan ging auf: Nachdem er 2011 seinen Master of Business Administra-tion abschloss, gewann er Anfang 2012 seine erste Medaille bei einer deutschen Meisterschaft.

Ganz leicht fällt Ann-Kathrin Wind der Schritt in die USA nicht. Neben ihren Eltern muss das Tennistalent auch seinen Freund zurücklassen und kann den Kontakt während der Unizeiten nur über Skype halten. Außerdem wolle sie alle Adressen ihrer Bekannten mitnehmen, um ihnen Postkarten zu schreiben. „Im Winter komme ich aber für drei Wochen und im Sommer für zweieinhalb Monate nach Hause“, sagt Ann-Kathrin. „Aber ich denke, man muss einfach der Typ dafür sein, wegzugehen.“

Doch ihre Entscheidung ist gefallen: Mit Hilfe des amerikanischen Trainers will Wind ihren Traum vom Tennisprofi

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17leben

verwirklichen. Angst davor, dass die Dop-pelbelastung zu viel wird oder sie sich nicht gut einlebt, hat sie nicht. „Es gibt ganz viele Leute, die mir helfen, wenn ich in der Uni Probleme bekomme“, sagt sie. Die Uni-Tutoren seien für sie jederzeit er-reichbar und helfen ihr bei allen Schwie-rigkeiten. Bei einem Besuch in Memphis konnte sie schon erste Kontakte knüpfen und hat eine weitere deutsche Tennisspie-lerin in den Reihen der Unimannschaft kennengelernt. Die Flugkosten hat ihr die Universität abgenommen. Außer-dem könne sie auf die Hilfe des Trainers zählen. „Der Coach kommt vorher sogar noch extra nach Deutschland geflogen, um meine Eltern kennenzulernen“, berichtet Ann-Kathrin.

Firmen vermitteln Sportler an US-TrainerWelche Rolle spielen die Vermittlungs-firmen wie „Scholarbook“ oder „Uni-experts“, wenn Leute wie Ann-Kathrin Wind ein Stipendium suchen? Die Prozedur verläuft so, dass zum Beispiel „Scholarbook“ Kontakt zu interessierten Sportlern aufnimmt und dann ein Profil von ihnen erstellt. Dazu gehört auch ein Bewerbungsvideo. Außerdem unterstützt die Firma den Sportler bei den bürokrati-schen Hürden. Dazu zählen verschiedene Englisch-Tests, die Ausstellung eines

Sportpasses und in erster Linie die Wer-bung für den Kunden bei den amerikani-schen Universitätstrainern.

Dafür nimmt Simon Stützel mit bis zu 500 Trainern über E-Mails und Skype Kontakt auf. Je erfolgreicher ein Sportler ist, desto mehr Kontaktanfragen erhält er. „Das können bis zu 40 pro Sportler sein“, sagt Stützel. Danach kann der Athlet über die Vermittlungsfirma Kontakt zu seinem favorisierten Trainer oder seiner Lieb-lingsuni aufnehmen. „Wichtig ist uns, dass wir auch Leute unterbringen, die in Deutschland nicht zur absoluten Spitze gehören“, sagt Stefan Bojanowski, Per-sonalchef bei Scholarbook. So sei in der Kundengruppe „vom Olympiateilnehmer bis zum Bezirksligafußballer“ alles dabei und das Angebot auch für Sportler inter-essant, die noch nicht „den großen Wurf“ gelandet haben.

Die guten Kontakte zu den Universitäten auf der einen und auf der anderen Seite zu den deutschen Nachwuchssportlern seien in der Branche besonders wichtig, sagt Simon Stützel. Er hat sein Erspartes in USA-Reisen investiert, um persönli-che Kontakte zu den Universitäten zu knüpfen. Nach dem Prinzip des „Boot-strapping“ reinvestierte er die Erlöse aus den ersten Kunden direkt in eine Erweiterung des Netzwerks. In naher Zukunft plant Stützel eine vierwöchige

Reise nach Kalifornien und Florida, um den Kontakt zu den Trainern zu vertiefen. „Hilfreich ist auch, dass der Bachelor und Master nun in Deutschland angerechnet werden kann“, sagt Personalchef Stefan Bojanowski.

Doch für Lauf-Bundestrainer Adi Zaar soll es kein Dauerzustand sein, dass junge Talente nach Amerika abwandern, weil sie in Deutschland keine Zukunft sehen. „Es gibt immer wieder Gespräche mit Schulen und Unis, um die Kooperation mit den Sportlern zu erleichtern“, sagt er. Dazu zählt auch die Zusammenarbeit mit den „Eliteschulen des Sports“. Sie sollen in Kooperation mit dem Deutschen Olympischen Sportbund den Sportlern dabei helfen, Schule und Sport optimal zu verknüpfen. In Nordrhein-Westfalen gibt es Standorte in Bochum, Leverkusen, Essen und Bonn. Doch auch hier sieht Adi Zaar noch Nachholbedarf: „Ich wür-de mir wünschen, dass die Eliteschulen des Sports den Namen nicht nur tragen, sondern auch leben würden“.

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18job

Es ist kurz nach 18 Uhr, Roman Hauck (Name geändert) ist soeben von der Uni nach Hause gekom-

men. Während sich andere Studenten nach den Vorlesungen vor allem ent-spannen wollen, geht es für Roman jetzt erst richtig los. Zielstrebig steuert er auf seinen PC zu, um diesen schon einmal zu starten. Erst jetzt legt er die Jacke ab und zieht sich die Schuhe aus. Nach der Passwort-Eingabe geht er in die kleine Küche. Mit einer Flasche Cola und einem Brötchen in der Hand kommt er zurück. Damit muss er nun die nächsten Stunden überbrücken, da er den Sitzplatz vor dem Computer so schnell nicht mehr verlassen wird. Je nach Verfassung und Geldbetrag kann Roman bis in die frühen Morgen-stunden vor dem PC verweilen. Dabei tut er in seiner Freizeit, was laut einer Umfrage der Studentenzeitung Campus-reporter aus dem Jahr 2009 sieben Pro-zent der Studenten täglich tun: Pokern.

Karten spielen, um sich das Studium zu fi nanzierenDas Pokern ist für Roman viel mehr als ein bloßer Zeitvertreib. Der 25-Jährige pokert seit sechs Jahren und fi nanziert sich mit dem Spielen inzwischen sein Stu-dium des Wirtschaftsingenieurwesens an der Uni Duisburg-Essen. Angefangen hat alles, „wie bei vielen anderen auch mit privaten Pokerrunden im Freundeskreis“. Damals war er 19 Jahre alt und ging noch zur Schule. Aus Neugier habe er

TEXTPIA LISA KIENEL ILLUSTRATIONNATALIA SALOMÉ | NATALIASALOME.COM

NEBENJOB: BLUFFERPokern – ein Trend, der bereits seit mehreren Jahren anhält. Besonders beliebt ist diese Art des

Zeitvertreibs auch unter Studenten. Wer gut genug ist, kann dadurch sogar seine akademische

Laufbahn fi nanzieren. Doch es ist eine Studienfi nanzierung mit Risiko.

an kleinen Pokerrunden teilgenommen. Dass er mit dem Spiel Geld verdienen könnte, daran dachte er zunächst nicht. Erst als sich Roman intensiver mit dem Pokerspiel beschäftigte, merkte er, dass das möglich ist. Mittlerweile studiert er im achten Semester und pokert täglich. „Ich spiele fast ausschließlich im Internet und gehe nur selten ins Casino. Das In-ternet bietet mir einfach die Möglichkeit, dann zu spielen, wenn ich gerade Zeit und Lust hab“, erklärt der Duisburger. Der Student investiert nicht ohne Grund so viel Zeit in seine Leidenschaft. „Es ist beeindruckend, dass es sich eigentlich um ein Videospiel handelt, bei dem man in einem kompetitiven, also wettbewerbso-rientierten, System Geld verdienen kann. Dies, gepaart mit den mathematischen, statistischen und psychologischen Eigen-schaften des Spiels, fasziniert mich am meisten“, so seine Meinung. Der große zeitliche Aufwand scheint sich für Roman zu lohnen. Mittlerweile kann er durch seine erzielten Gewinne nicht nur das Studium fi nanzieren, sondern sich auch ein fi nanzielles Polster von über zehntau-send Euro anlegen.

Seit mehr als einer Stunde sitzt der Duisburger nun schon vor dem Rechner. Seinen Blick lässt er kaum von dem fl im-mernden Bildschirm weichen, dennoch ist seine Körperhaltung entspannt. In der linken Hand hält er die Cola-Flasche, während die rechte auf der Tastatur ruht. Auch das Gesicht des Studenten wirkt kein bisschen angespannt. Ein Außenste-

hender würde wohl kaum vermuten, dass es gerade um mehrere hundert Euro geht. Sein bisher höchster Gewinn liegt im mittleren vierstelligen Bereich und das, obwohl er nur selten klassische Poker-turniere spielt. „Wenn ich Poker spiele, funktioniert es quasi so, dass jeder Spieler mit einem echten Geldbetrag am Tisch sitzt, beispielsweise 100 Euro. Er spielt dann 1:1 mit diesem Geld. Alle Spieler bleiben dabei anonym. Womöglich trete ich also regelmäßig gegen andere Stu-denten oder sogar Dozenten an.“ Diese Spielart ist kein Turnier, bei dem man alle Chips gewinnen muss oder lange überleben muss, um Geld zu gewinnen, sondern man könne nur 1:1 das Geld, das man im Spiel einsetzt, verlieren oder gewinnen. Alle Spieler können jederzeit weiteres Geld an den Tisch bringen.Diese Variante wird in Fachkreisen auch „Cashgame“ genannt. Der Vorteil gegenüber einem Turnier besteht also in der Flexibilität der Spieler. Während bei einem Turnier nach dem Start niemand mehr nachbuchen kann, kann man bei „Cashgames“ jederzeit dem Tisch beitre-ten – falls noch Plätze frei sind – und ihn verlassen, wenn man will.

Coachen und sich coachen lassenDiese Variante hat sich für den Duisbur-ger bereits mehr als ausgezahlt. Mittler-weile ist er sogar so erfolgreich, dass er zusätzlich Geld verdient, indem er andere

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Spieler coacht: „Es gibt im Internet ver-schiedene Plattformen, die sich mit dem Thema Poker beschäftigen und die die Möglichkeit für Spieler bieten, sich per-sönlich zu verbessern. Heutzutage ist fast jeder erfolgreiche Spieler auf einer dieser Plattformen aktiv und versucht sich und sein Spiel weiterzuentwickeln, indem er Videos schaut oder sich von besseren Spielern coachen lässt. „Ich persönlich habe mich selbst lange Zeit coachen lassen und mache das auch heute noch ab und zu. Irgendwann fragte mich mal jemand, ob ich ihn nicht coachen möchte und seitdem coache ich auch selbst.“

An der Uni wissen nur wenige seiner Kommilitonen, womit er sein Geld verdient. Anscheinend hat sich bisher niemand gefragt, was mit Roman passiert ist, wenn er mal wieder mit dunklen Augenringen der Vorlesung um 8 Uhr morgens lauscht. Trotz des Schlafman-gels will Roman seinem „Hobby“ treu bleiben, denn um einfach so aufzuhören, sei es defi nitiv zu lukrativ.

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gels will Roman seinem „Hobby“ treu bleiben, denn um einfach so aufzuhören, sei es defi nitiv zu lukrativ.

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TEXTMoritz Mettge FoTosDaria NikishiNa, Moritz tscherMak

Wir leben in einer Gesellschaft von Gestressten. Auch Studenten werden im Uni-Alltag zu wahren Zeit-Jongleuren.

Dazu kommt meist ein Nebenjob, um den Kühlschrank zu füllen. Wie aber stellen wir es an, nicht im totalen Chaos unterzugehen?

pflichtlektüre hat ein paar Strategien für ein stressfreies Leben gesammelt.

gerte Leistungsfähigkeit. Studierende las-sen sich im Studium jedoch in der Regel vom negativen Pendant plagen. Das setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen, ergänzt Dr. Willi Kretzmann, Chefarzt in der Klinik am Park in Lünen: „Zeitdruck und die Tatsache, dass wir an mehreren Orten aktiv sind, beispielsweise meh-rere Projekte gleichzeitig fahren.“ Wir alle sind im Studium diesem Zeitdruck ausgesetzt, sei es bei der Vorbereitung zur nächsten Veranstaltung oder bei einer wichtigen Hausaufgabe für ein Seminar. Die Arbeit parallel zum Studium ist für uns das „Nebenprojekt“.

„Okay, ich bin gestresst. Und was nun?“Monatsende. Das Konto ist schon wieder überzogen, und auch der Partner sieht einen – wenn überhaupt – nur noch in der vollen S1: Die Klausurphase steht an. Selbst der größte Organisationskünstler gerät da ins Wanken. Regel Nummer eins muss hier lauten: Nicht den Kopf in den Sand stecken! „Wenn wir uns selbst und die Situationen nicht analysieren, werden wir von ihnen ganz schnell überwältigt“, erklärt Claus Eurich. Es muss also ein ge-nauer Plan her, der aufzeigt, an welchen Stellen es im Leben hakt.

Wie so oft im Studium beginnt man am besten mit einem leeren Blatt Papier. Als Überschrift empfiehlt sich die Frage: „Wie gehe ich mit Zeit um?“ Es klingt zwar banal, aber nur so kann einem

Der faule Student: eine ausgestor-bene Spezies. Schon lange hat sich das Bild vom trägen, in den

Tag lebenden Studi hin zum Multitasker mit Hochschule und Nebenjob gewen-det. Dass die jungen Leute von heute sich keine Zeit mehr mit dem Studium lassen, hat einfache Gründe. Durch Leistungs-anforderungen werden sie wie Sprinter in der Leichtathletik zu Bestzeiten angetrie-ben. 70 Prozent aller Befragten einer vom Deutschen Studentenwerk in Auftrag gegebenen Studie sind vom Studium gestresst, besonders die Doppelbelastung aus Nebenjob und Uni nagt an ihren Nerven, dies besagen Zahlen der Befra-gung von 4000 Bachelor-Studenten.

Ein Versinken im tiefsten Uni-Job-Dschungel kann aber mit den richtigen Strategien vermieden werden. Sich erst einmal bewusst werden, was Stress über-haupt bedeutet, ist dabei die Vorausset-zung. Stress kann auch beflügeln, einen Aufgaben leichter meistern lassen als im stressfreien Modus. Klingt paradox, doch es gibt tatsächlich auch positiven Stress. „Unter Eustress versteht man positiven Stress“, erläutert Claus Eurich, Professor am Institut für Journalistik und Kontem-plationslehrer. „Wir brauchen ihn, um erfolgreich zu sein. Disstress hingegen zehrt an unseren Kräften. Er macht uns anfällig, körperlich wie psychisch.“ Sport-liche Betätigung, gute Leistungen im Nebenjob oder die Aufregung vor einem langersehnten Ereignis können zu positi-vem Stress führen. Daraus ergibt sich eine erhöhte Aufmerksamkeit und eine gestei-

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TEXTMoritz Mettge FoTosDaria NikishiNa, Moritz tscherMak

Wir leben in einer Gesellschaft von Gestressten. Auch Studenten werden im Uni-Alltag zu wahren Zeit-Jongleuren.

Dazu kommt meist ein Nebenjob, um den Kühlschrank zu füllen. Wie aber stellen wir es an, nicht im totalen Chaos unterzugehen?

pfl ichtlektüre hat ein paar Strategien für ein stressfreies Leben gesammelt.

deutlich werden, ob – und wenn ja – wie Zeit vergeudet wird. Wer sich dabei ertappt, stumpf durch das TV-Programm zu zappen, oder aber die sowieso schon blitzblanke Wohnung weiter auf Hoch-glanz zu polieren, könnte diese Zeit-fenster gegebenenfalls effi zienter nutzen. „Diese Analyse ist für alles der Ausgangs-punkt“, verdeutlicht Professor Eurich. Er empfi ehlt, den Kontakt zu Kommilitonen zu suchen und sich mit ihnen über die Vereinbarkeit von Studium und Arbeit auszutauschen. Oftmals hilft die Refl e-xion, um den eigenen Zustand besser zu verstehen, es relativiert schon enorm viel, es wird einem deutlich, dass man mit den Problemen nicht alleine ist, und häufi g können Methoden von Freunden schnell ans Ziel führen, rät er jungen Leuten in schweren Phasen des Lebens.

Ganz wichtig ist die Trennung von Job und Studium, wenn man die eigene Situation überdenkt. Besonders dann, wenn sich das Jobben nicht problemlos in den Alltag integrieren lässt, so Professor Eurich, der zu einer separierten Betrach-tungsweise der zwei Lebensfelder rät.Hindert einen die Arbeit am Studieren, kann ein Job mit fl exibleren Arbeitszei-ten Abhilfe schaffen. Es helfe auch, sich über seine eigenen Ziele und Wünsche konkrete Gedanken zu machen. „Man muss sich erst einmal über seine Ziele im Klaren werden. Was interessiert mich eigentlich wirklich? Ist das Studium das, was ich will?“, sagt Dr. Kretzmann. Die Möglichkeiten, die das Studium bietet, könnten zum Beispiel mit einer Checklis-

te abgewogen werden. Erfüllt sich damit wirklich ein langgehegter Berufswunsch, oder haben sich die eigenen Vorstellun-gen mittlerweile sogar in eine andere Richtung verschoben? Eine Pro- und Contra-Analyse der aktuellen Lebenssi-tuation aufstellen. Lässt sich der Traum-beruf XY durch das Studium erreichen, spricht dies ganz klar für diesen Weg.

Keine Scheu: Scheitern eingestehenDen Möglichkeiten stehen die Risiken gegenüber. Ein Risiko-Szenario könnte etwa sein, Zeit für ein Studium zu op-fern, das einen nicht (mehr) erfüllt und in Unzufriedenheit gipfelt. Auch der Ne-benjob kann ein Risiko sein. Leidet mein Studium unter meinen Nachtschichten in der Diskothek, weil ich die Zeit, die ich tagsüber verschlafe, eigentlich zum Lernen bräuchte? Oder aber schwänze ich gar komplette Veranstaltungen, um eine Schicht im Restaurant von einem Kolle-gen zu übernehmen, damit weiteres Geld in die Haushaltskasse kommt? In Bezug auf den Job ehrlich zu sich selbst zu sein und kritisch mit ihm umzugehen, all dies muss mit in die Selbstprüfung.

Eine Klausur verhauen – und das, ob-wohl man so viel gelernt hat! Als Gründe müssen dann oftmals die Anderen herhal-ten. Der Professor zum Beispiel, dessen Vorlesung so langweilig war, dass man sich gar nicht konzentrieren konnte. Gescheitert? Iwo! Wie denn, wenn man

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selbst gar nichts dafür konnte? Gerade dann sollte man sich hinterfragen, ob die Leistung wirklich die bestmögliche war. Und wenn nicht? Dann ist man halt mal gescheitert! Sich das einzugestehen, fällt vielen schwer, weil das Scheitern in unserer Gesellschaft als etwas Negatives aufgefasst wird. Doch nach Erfahrung von Claus Eurich hilft das Eingestehen schon ungemein: „Scheitern gehört zum Leben. Es ist die Voraussetzung, um wachsen zu können. Es signalisiert nur, dass man so nicht weiterkommt.“

Nichtstun gehört zumLernprozessDie Muße darf trotz eines vollen Alltags nie zu kurz kommen, weiß Professor Eurich, der Studierenden die bewussten Auszeiten vom hektischen Alltag stark ans Herz legt. Auch das Nichtstun, im gesun-den Maße, als ein solches wieder schätzen zu lernen, sieht er als Lernprozess, dem sich Studierende annehmen müssen.

Will man noch einen Schritt weitergehen und Stress gezielt aus dem Leben verban-nen, so gibt es zahlreiche Entspannungs-techniken. Ein Klassiker ist die progres-sive Muskelentspannung nach Jacobson. Mit einfachen Übungen zur Muskelan- und Entspannung, die praktischerweise nahezu überall und ohne weitere Hilfs-mittel ausgeführt werden können, wird eine Erholung des kompletten Körpers erzielt. Wer sich mit dieser Methode beschäftigen möchte, dem seien Clips im Internet, zum Beispiel auf YouTube, mit ersten Übungen zu empfehlen.

Klopfen auf den Körper kann die Seele beruhigenDr. Kretzmann ist ein Befürworter der PEP-Methode nach Dr. Michael Bohne. PEP steht für Prozess- und Embodiment-fokussierte Psychologie und fällt unter den medizinischen Bereich der körpero-rientierten Psychologie. Im Volksmund wird die Technik häufi g auch „Klopf-technik“ genannt. Mit der PEP-Methode können bereits in kürzester Zeit positive Resultate erzielt werden, in dem die Pati-enten auf bestimmte Akupressurpunkten

ihres Körpers klopfen. Vielleicht klingt es anfangs ungewohnt, doch durch Klop-fen auf den Körper kann eine seelische Beruhigung erzielt werden. Durch die Methode werden Körperreize in das Gehirn transportiert, die in dem Teil des Hirns, der wesentlich an der Entstehung von Ängsten beteiligt ist, verarbeitet werden. Negative Informationen werden „zerstört“ und positive können abgespei-chert werden. Für bis zu 20 Pfl ichtlek-türe-LeserInnen bietet Dr. Kretzmann einen kostenlosen Workshop zur Stressbe-wältigung an (siehe Infokasten). Auch erste Erfahrungen mit der PEP-Technik können in diesem Workshop gesammelt werden.

Wer lieber mit vollem Körpereinsatz dem Stress zur Leibe rücken will, kann dies innerhalb des Sportprogramms der TU Dortmund in einem Tai Chi-Kurs tun (siehe Infokasten). Tai Chi ist eine chinesische Kampfkunst und zählt somit zu den körperorientierten Verfahren der Stressbewältigung. Tai Chi erinnert an Schattenboxen und „stabilisiert den emotionalen Bereich des Menschen durch langsame Bewegungsabläufe des Kör-pers“, so Dr. Kretzmann.

Dies ist nur eine kleine Auswahl von Entspannungstechniken, die wir hier an-gerissen haben. Welche Methode jedoch die richtige ist, kann jeder nur selbst herausfi nden. Erst das Ausprobieren zeigt, ob man sich darauf einlassen kann und auch will. Probieren geht halt doch über Studieren!

Kostenloser Workshop Dr. Kretzmann bietet 20 Studierenden der TU Dortmund einen kostenlosen Schnupperkurs zur Stressbewälti-gung in seiner Klinik an. In diesem Workshop können ihm Fragen zum Zeitmanagement gestellt und auch erste Entspannungstechniken erlernt werden. Wer daran grundlegend Inter-esse hat, nimmt Kontakt per Mail un-ter pfl [email protected] auf. Platzvergabe erfolgt nach dem Motto „First come, fi rst serve“. Ein genauer Termin wird dann noch festgelegt und mitgeteilt.

Angebote der TU DortmundPsychologische Studienberatung Zentrum für Informationund Beratung (ZIB)Emil-Figge-Str. 61 44227 DortmundTel.: 0231 755 -5050

Tai Chi-Sportkurs noch bis zum 20.07., mittwochs 20 - 21.30 (Anfängerkurs) Gymnastikraum-SportOtto-Hahn-Str. 3 44227 Dortmund

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Betrunkene Mittfünfzigerinnen und Tritte in den Rücken: William Pack erinnert sich noch genau an seine

schlimmste Rikscha-Fahrt zurück. „Das war eine Auftragsfahrt für ein Nagelstudio. Da haben wir mit drei Rikschas mehrere Frau-en gefahren, alle so 50 bis 60 Jahre alt, die noch mal was erleben wollten. Die haben mich die ganze Zeit getreten, weil sie so betrunken waren.“ Der 19-Jährige nimmt’s heute mit Humor, zu gut gefällt ihm sein Job, um sich über solche Kunden zu ärgern.Seit 2010 arbeitet er selbstständig als Rikscha-Fahrer in Köln, hauptberufl ich studiert er „Angewandte Medien“ an der Hochschule Fresenius. Den privaten Studiengang fi nanziert er sich durch seinen außergewöhnlichen Nebenjob.Zum Rikschafahren kam er auf ganz unspektakuläre Weise: „Ich saß in einem Kölner Café und da ist eine Rikscha vor-beigefahren. Ich dachte, das wäre bestimmt ein cooler Job, weil ich gerne mit Menschen zu tun habe.“ Bei perpedalo, einem Kölner Rikscha-Verleih, fi ng William daraufhin als Fahrer an und ist bis heute zufrieden mit der Entscheidung. „Es ist

TEXTcLaUDia BraDe FoTosaNNa-christiN kUNz

STRAMPELN FÜRS STUDIUMEs gibt Nebenjobs, die körperlich weniger anstrengend sind; für William Pack aber sind das

keine Alternativen. Er tritt für seine Kunden in die Pedale und fährt sie quer

durch die Kölner City – auf einer Fahrrad-Rikscha.

bezahlter Sport, man ist an der frischen Luft und lernt Leute kennen“, zählt er die Vorteile seines Jobs auf.

Die Rikschas mietet er tageweise. Zur Verfügung stehen ihm dabei zwei Arten: Ve-locabs, die traditionellen Fahrrad-Rikschas ähnlich sehen, und Citycruiser, die eher an ein Space-Shuttle erinnern. Die Tages-miete ist für beide Rikscha-Typen gleich, hängt aber vom Wochentag ab. Während sie montags bei fünf Euro liegt, liegt sie samstags bei 25 Euro. Dass die Arbeit auch körperlich anstrengend ist, kann William nicht leugnen. „Der Job ist natürlich auch hart, aber bei Sonne gut. Du wirst braun und lernst Leute kennen.“ Aber auch Regen oder Schnee können William nicht stop-pen. „Ich bin bei jedem Wetter unterwegs, aber das beste Business geht im Sommer. Im Winter lohnt es sich nur, wenn Weih-nachtsmärkte sind“, erzählt er.

Was ihm an seinem Job am besten gefällt, weiß er auf Anhieb: „Morgens mit ‘nem Zehner in der Tasche anfangen und zuse-hen, wie sich das Portemonnaie im Laufe des Tages füllt, bis es abends prall gefüllt ist.“ An guten Tagen verdiene er schon mal 200 Euro.

Neben dem Verdienst zählt für ihn aber auch die Zufriedenheit seiner Kunden. „Es freut mich am meisten, wenn ich sehe, dass die Gäste richtig Spaß haben und man denen eine Freude macht.“ Seine Stamm-kunden liegen ihm besonders am Herzen, darunter ein schwules Pärchen, das jeden Samstag gemeinsam eine Rundfahrt durch die Kölner Südstadt macht.In eine Rikscha einsteigen und sich durch die Kölner City kutschieren lassen kann übrigens jeder, ganz spontan und wohin er möchte. Die Fahrpreise liegen bei sechs Euro für zehn Minuten. „Meistens ver-einbare ich aber Festpreise, sonst sind die Leute misstrauisch und denken, ich würde mir extra Zeit lassen oder Umwege fahren.“

Die längste Fahrt, die William bisher gemacht hat, ging vom Dom aus bis zum Stadion nach Müngersdorf und betrug etwa sechseinhalb Kilome-ter. „Wir sagen immer, wir fahren tendenziell überall hin, außer nach Düsseldorf“, sagt er grinsend.

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David Pfeffer gewann im Jahr 2011 die Castingshow X-Factor auf VOX. Sein Leben verän-

derte sich nach seinem Triumph rasend schnell: die Sieger-Single „I’m here“ schoss in die Top10 der deutschen Sin-glecharts und belegte Platz 1 der iTunes-Charts. Es folgten eine ausverkaufte Deutschland-Tournee mit seiner Band Inpaticula und viele Live- und Fernseh-auftritte. Sein Arbeitgeber, die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen, beurlaubte ihn für diese aufregende Zeit von der Arbeit und seinem internen Studium. Ein Jahr nach seinem Sieg und somit nach Ablauf seiner befristen Freistellung stand David Pfeffer jedoch vor der großen Ent-scheidung: Soll er weiterhin nur Musik machen oder seine Arbeit wieder auf-nehmen und die Musik als reines Hobby betrachten? Trotz seiner Zukunftsängste und seiner großen Zweifel entscheidet sich David für seinen großen Traum, die Musik.

Groß rauskommen, deinen Traum leben: Waren das die Hoffnungen, die du in X-Factor gesteckt hast? Nein, diese Hoffnungen habe ich nicht in X-Factor gesteckt. Ich glaube gene-rell, dass eine Castingshow nicht dafür qualifiziert, der große Star zu werden. Der ganze Fame hält bei jedem Künstler nur eine gewisse Zeit. Es gibt hunderte Sänger, die es auf ein Lied schaffen und von denen man nachher nichts hört. Das ist bei Castingteilnehmern doch genau das Gleiche. Langjährigen Erfolg als deut-scher Künstler und vor allem als deut-scher Newcomer zu haben, das ist sehr schwierig. Es gibt aber auch, vor allem in der Casting-Show-Branche, viele Leute,

IntervIewJulia Schindler FotosMoritz tScherMak

Rampenlicht statt unifoRmFür die Castingshow und seinen Traum, von der Musik leben zu können, hat er alles aufgege-

ben: Sein Studium und seinen sicheren Job als Polizeibeamter. Doch hat sich das Risiko wirklich

gelohnt? X-Factor-Gewinner David Pfeffer.

die es einfach nur geil finden, mal in der Bravo einen Starschnitt zu bekommen oder mal von schreienden Teenies verfolgt zu werden. Die interessiert die Musik aber nicht so sehr. Erfolg ist sowieso total relativ. Eine Chartposition bedeutet nicht immer Erfolg. Es gibt Bands, die durchaus erfolgreich sind, ohne in den Charts vertreten zu sein. Deswegen ist diese mediale Darstellung ein bisschen ketzerisch und eigentlich auch falsch. Und das nicht, weil ich persönlich betroffen bin und gar nicht weiß was aus mir wird. Es könnte durchaus auch sein, dass mein zweites Album ein totaler Flop wird und ich einen total anderen Beruf machen muss.

Du scheinst die Sache relativ nüchtern zu sehen. Warum hast du dann bei X-Factor teilgenommen und die Si-cherheit des Polizeiberufs gegen dieses Business eingetauscht?Ich habe mir sehr den Kopf darüber zerbrochen, wie mein Leben weiter gehen soll. Das ist natürlich schwierig, wenn man zwölf Jahre einen so sicheren Job hatte. Als Beamter war ich unkündbar. Ich hab mir relativ wenig Sorgen machen müssen um Dinge, die für andere Leute Alltag sind. Jeder Selbstständige macht sich wahrscheinlich Gedanken darüber, ob er genug Reserven hat, um später mal so etwas wie Rente zu bekommen, ob er im Alter abgesichert ist, ob er seine Familie ernähren kann, ob er genug Geld hat, um die Krankenversicherung zu zahlen und solche Dinge. Das ist als Beamter total abwegig. Darüber macht man sich keine Gedanken. Ich habe jeden Monat im Vo-raus mein Geld bekommen, und alles war gut. Wenn man krank wird, ist man übers

Land versichert und wird nicht fallen gelassen. Wenn man als Selbstständiger krank wird, dann hat man ein Problem. Das sind alles Gedanken und Probleme, die ich vorher überhaupt nicht kannte.

Was war dann ausschlaggebend für deine Entscheidung?Am Ende war entscheidend, dass es für mich kein höheres Gut im Leben gibt, als glücklich zu sein. Finanzielle Sicherheit ist was total Schönes, beruhigt und macht das Leben vielleicht leichter. Aber es hilft nichts, wenn man versucht, mit dem Geld, das man verdient, den Freizeitwert aufzukaufen, den man durch den Beruf verliert. Mein Herzenswunsch war immer Musik machen zu dürfen, professionell, das war und ist mein Traum. Wenn man die Chance hat, sich das zu verwirkli-chen und diese Chance auch noch so klein ist, dann muss man das einfach versuchen. Ich glaube, ich hätte es mir niemals verziehen, wenn ich mich gegen die Musik entschieden hätte. Die Frage: „Was wäre wenn?“ wollte ich mir nicht stellen. Wenn ich nicht den Erfolg habe, um von Musik leben zu können, werden sich auch andere Türen wieder öffnen. Im Moment fühle ich mich extrem wohl mit dem, was ich mache, obwohl es finanziell schwierig ist. Wie haben deine Eltern und deine engsten Freunde reagiert, als du ihnen erklärt hast: Ich schmeiß meinen Job, weil ich mich verwirklichen will und gehe nun lieber meinem Hobby nach?In meinem Freundeskreis und meiner Familie ist die Akzeptanz für das, was ich mache, eigentlich immer ungebrochen. Es war nie so, dass jemand gesagt hat:

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„Nein, mach das bloß nicht“. Klar, meine Eltern haben sich auch Gedanken über das Thema gemacht und gesagt, dass das mit der Musik etwas Unsicheres ist. Eltern sind natürlich auch immer bedacht darauf, dass ihre Kinder etwas machen, was Perspektive hat. Ich glaube aber auch, dass meinen Eltern sehr genau bewusst war, dass es mich unglücklich gemacht hätte, wenn ich mich gegen die Musik entschieden hätte. Deswegen werde ich auch voll und ganz unterstützt. Das hat mich ehrlich gesagt echt gewundert. Ich hätte damit gerechnet, dass viel mehr Leute sagen: „Das kannst du nicht brin-gen, das ist dumm, so eine Entscheidung zu treffen“. Ich meine, besonders clever ist es natürlich nicht, aber ich leb‘ halt dieses eine Mal und will in diesem Leben das machen, worauf ich Lust habe.

Kannst du heute problemlos von der Musik leben oder zweifelst du manch-mal an deiner Entscheidung? X-Factor ist das Fundament, worauf ich jetzt aufbaue. Ich zweifle aber daran, dass ich es schaffen kann, problemlos von der Musik zu leben.

Wie hat sich dein Leben kurz nach dem Sieg verändert? Ich habe ein Album aufgenommen, ein Musikvideo gedreht und eine große Deutschlandtour gespielt. Ein Highlight war das WDR2-Sommerfest. Da haben wir vor 16 000 Leuten gespielt. Ich würde die Größe oder den Spaßfaktor des Auf-trittes aber nie von der Masse der Leute abhängig machen. Die Tour mit meiner Band war echt super. Das war ein riesiges

Erlebnis. Überall Menschen, die wegen deiner Musik kommen und dich sehen wollen – das ist schon geil und ein extrem gutes Gefühl.

Deine Sieger-Single war in den Top10 der Singlecharts und sogar auf Platz eins der iTunes-Charts. Dachtest du zu diesem Zeitpunkt, es geschafft zu haben? Diese Situation war total unwirklich. Das ist natürlich nicht die Realität. Zwei Wochen war ich auf einmal mit Adele in den Top10. Aber das ist ja nichts, was wirklich repräsentativ ist. Also wenn man jetzt über fünf Jahre lang auf diesem Niveau mitmacht, dann kann man sagen, dass man es geschafft hat. Aber so etwas im Vorfeld von sich zu behaupten, das ist Utopie. Wer so naiv ist, das zu glauben, der kann dann ganz große Probleme bekommen, wenn es wieder nach unten geht. Ich hab‘ mich mit dem Thema durchaus befasst und mir war von vorn-herein klar, dass es bei mir nicht anders laufen wird. Also hat mich das nicht überrascht und auch nicht überrumpelt, dass der „Hype“ nachlässt. Das ist normal und hat mich nicht schockiert.

In anderen Ländern halten sich Teil-nehmer von Castingshows relativ lange im Geschäft, kommen sogar teilweise international raus. Woran liegt es, dass Castingshow-Teilnehmer in Deutsch-land schnell wieder von der Bildfläche verschwinden? Es ist nunmal eine urdeutsche Eigen-schaft, dass wir uns gegenseitig keinen Erfolg gönnen und etwas schlecht reden, was aus dem eigenen Land kommt. Erfolg gönnen ist eine Qualität, die im Ausland viel angesagter ist. Zum Bei-spiel in Amerika: Die Leute flippen aus, wenn jemand eine solche Show gewinnt, die finden das geil und freuen sich. In Deutschland ist das eher anders. Wenn jemand bei einer Show gewinnt, kannst du darauf wetten, dass ein paar Tage spä-ter ein negativer Bericht über den Sieger in der Bild-Zeitung steht. Mit Sicherheit hat das „Verschwinden von der Bildflä-che“ aber auch mit dem ganzen Wirrwarr um die Casting-Shows zu tun. Das ist alles sehr kurzweilig, weil andauernd eine andere Show anläuft oder bereits die nächste Staffel geplant wird.

Dein Sieg bei X-Factor ist jetzt schon knapp anderthalb Jahre her. Hast du das Gefühl, dass du dich im Musik-business etablieren konntest? Das ist und wird schwierig. Es ist eine extrem harte Branche. Aber ich bin der Überzeugung, dass wir gute Musik machen. Ich glaube an meine Fähigkeiten und an die Fähigkeiten meiner Band, und deshalb bin ich überzeugt, dass man es schaffen kann. Sonst würde ich es nicht machen.

An was für Projekten arbeitest du aktuell? Es gibt ein neues Album. Alle Lieder habe ich selbst geschrieben, gemeinsam mit der Band und zwei weiteren Freunden. Dazu kommt, dass ich gerne Songwriting machen möchte. Deswegen habe ich mit einem Verlag Verhandlungen geführt, um auch nebenbei für andere Leute Songs schreiben zu können. Dieses Jahr werde ich auch eine weitere Deutschlandtour spielen. Zusätzlich arbeite ich gerade an einem Stiftungsprojekt, bei dem jungen Intensivtätern, also straffällig gewordenen Jugendlichen, die Möglichkeit gegeben wird, Musik zu machen – auch mit mir zusammen. Da gibt es auch schon Partner, mit denen ich versuche, das zu verwirklichen. Einer dieser Partner ist Christoph Metzelder mit seiner Stiftung. Ich würde total gerne ausprobieren, ob man auf diesem Wege den jungen Men-schen, die vom richtigen Weg abgekom-men sind, helfen kann, ein gutes Leben zu führen. Für mich ist das im Moment so eine Art Findungsphase. Wo ich am Ende stehe, weiß ich nicht.

Würdest du jungen Menschen empfeh-len, an einer Castingshow teilzuneh-men? Diese Frage ist individuell. Empfehlen würde ich es nicht. Ich denke, wenn man auf anderem Wege musikalisch Erfolg haben kann, ist das ein genauso dankbarer Weg. Wenn man sich aber für die Teilnahme an einer Castingshow ent-scheidet, sollte man sich auf ein Format festlegen, das das eigentliche Talent in den Vordergrund stellt – ich glaube, das ist ausschlaggebend.

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Wie oft hört man Teilnehmer einer Cas-tingshow sagen, dass sie für ihren großen Traum alles aufgegeben haben: die Schule, die Ausbildung, das Studium?! Als ich bei dem Casting-Format „Das perfekte Model“ (VOX) mitgemacht habe, war diese Über-legung keine Option für mich. Mir war im Voraus klar, worauf ich mich einlasse und wie mein Leben nach der Sendung aussehen wird. Ich wusste genau, dass ich in Vergessenheit gerate. Gut also, dass ich meine damalige Ausbildung nicht an den Nagel gehängt habe, als die Reise mit den Jurorinnen Karolina Kurkova und Eva Padberg losging. In New York war dann leider Endstation für mich, und ich musste als Achtplatzierte die Sendung verlassen.

Zu Hause ging mein Alltag weiter, als wenn nichts gewesen wäre. Weil ich mich aber im Vorfeld auf diese Situation eingestellt hatte, überraschte es mich nicht. Mein Vorteil war, dass ich nicht vor dem Nichts stand. Ich hatte nach wie vor mein zweites Standbein und musste nicht schluchzend in die Kamera sagen: „Ich habe hierfür alles aufgegeben!“

Seither ist ein Jahr vergangen. Ich muss ehrlich zugeben, dass mich die Sendung in Sachen „Modeln“ nicht weitergebracht hat. Die Erfolge – wie zum Beispiel Bu-chungen auf Fashion Weeks, Laufstegjobs, Cover- und Magazinshootings – habe ich mit Agenturen selbst erarbeitet. Dennoch erinnere ich mich gerne an die Casting-show-Zeit zurück und bereue es nicht, dort mitgemacht zu haben. Ich konnte tolle Persönlichkeiten kennenlernen, große Städte bereisen und habe neue Freunde dazuge-wonnen. Am Ende ist es trotzdem wichtig, einen Plan B in der Tasche zu haben, egal in welcher Lebenslage. Denn man weiß ja bekanntlich nie, was die Zukunft bringt.

Alles oder Nichts?

von Julia Schindler

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28leben

TEXTJenny Gödecker FoTosAnnA-christin kunz

Bachelor of ehreNaMT

Gesellschaftliches Engagement für ein Semester und gegen Zertifikat. Immer mehr deutsche

Studenten belegen die aus den USA stammenden Service Learning-Seminare. Was steckt dahin-

ter: Eine Möglichkeit, den eigenen Lebenslauf zu verschönern oder der uneigennützige Gedanke,

sich ehrenamtlich einzubringen?

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Maria holt ihre Gruppe an der Umkleidekabine ab. Die Kinder brabbeln auf-

geregt durcheinander. Es ist ihre erste Schwimmstunde. Gemeinsam geht es zum Abduschen, schließlich soll jeder schon einmal das Gefühl für das Wasser auf der Haut bekommen. Dann schauen sie sich zusammen das kleine Schwimm-becken an. Während die Kinder sich noch etwas zaghaft auf die Treppenstufen setzen, steigt Maria langsam die Stufen hinab und stellt sich in die Mitte des Beckens. Die Kinder schauen gebannt, was als nächstes passiert. Maria beginnt mit ihren Beinen zu strampeln, erst lang-sam, dann immer schneller. Die Kinder lachen. Es dauert nicht lange, da sind die ersten im Becken und paddeln selber wie wild mit den Beinen.

Sich für Mitmenschen einzusetzen, ist Maria Bobrownik wichtig. Die 21-Jäh-rige studiert Bioingenieurwesen an der Technischen Universität Dortmund und arbeitet seit acht Jahren ehrenamtlich im Kinderschwimmunterricht. Zwei Mal die Woche bringt sie Fünf- bis Siebenjähri-gen das Schwimmen bei. Am Ende sollen die Kinder das Schwimmabzeichen „Seepferdchen“ in den Händen halten. Für Maria ist es ganz selbstverständlich, sich gesellschaftlich zu engagieren: „Ich finde es spannend, mein Können und

Wissen an die nächste Generation weiterzugeben. Zu

sehen,

wie die Kinder sich entwickeln, dass eigentlich schüchterne Kinder aus sich herauskommen, motiviert mich in mei-nem Ehrenamt.“

Immer weniger engagierte StudentenDas sehen aber nicht alle Studenten so. Wie eine 2009 veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, ist das gesellschaftliche Engagement von Stu-denten zurückgegangen. 1999 waren es noch 45 Prozent, die sich engagierten, 2009 bereits fünf Prozent weniger. Sigrid Meinhold-Henschel, Projektleiterin bei der Bertelsmann Stiftung, sieht für diese Entwicklung mehrere Ursachen: „Ein Grund könnte in der Umstellung auf das Bachelor- beziehungsweise Masterstudi-um liegen. Außerdem sind mehr Stu-denten gezwungen, neben dem Studium zu arbeiten. So bleibt weniger Zeit für Freizeitaktivitäten und freiwilliges Enga-gement.“

Dieser Entwicklung gegensteuern könnte das Service Learning. Es sieht vor, dass die Studenten ein Semester lang neben einem theoretischen Seminar auch ein gesellschaftliches Engagement in einer öffentlichen Institution übernehmen. Eine der deutschen Universitäten, die das Service Learning schon in ihren Lehrplan aufgenommen hat, ist die Universität Duisburg-Essen. Dort können Studenten schon seit 2005 an solchen Seminaren teilnehmen. Karsten Altenschmidt, wis-senschaftlicher Mitarbeiter bei Uniaktiv, dem Zentrum für gesellschaftliches Lernen und soziale Verantwortung, sieht verschiedene Vorteile dieser Lernmetho-de: „Das Service Learning ist methodisch zeitgemäß und modern. Die Studieren-den sollen und können so über ihren Tellerrand schauen, und die Universitä-ten können unmittelbar gesellschaftlich verantwortlich agieren.“

Einer der Studenten, die über ihren Tellerrand schauen wollten, ist Felix Rittinghaus. Der 24-Jährige studiert Er-ziehungswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen und hat 2011 an einem Service Learning-Seminar teilgenom-men. Engagiert hat er sich damals in der

Volkshochschule Essen: „Wir haben dort Evaluationen zur Nutzung der Lern-plattform Moodle unter den Lernenden angefertigt.“ Für die fachliche Arbeit, den dazugehörigen Bericht und die Teilnah-me an der Abschlussveranstaltung in der VHS hat Felix Credit Points erhalten. Diese konnte er sich für sein Studium anrechnen lassen. Sein Engagement wurde mit einem Zertifikat bescheinigt. Nach seiner Motivation gefragt sagt Felix heute ganz offen: „Man konnte mit dem Service Learning-Seminar zwei Module auf einmal abschließen. Auch war es eine Abwechslung zum sonstigen Seminaran-gebot, und das Zertifikat sieht super im Lebenslauf aus.“

Diese Motivation käme für die ehrenamt-liche Schwimmlehrerin Maria nicht in Frage. Für sie bedeutet gesellschaftliches Engagement „ein Stück von sich selbst durch Arbeit abzugeben, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten.“ Die unterschiedliche Motivation von Service Learning- und ehrenamtlichen Studenten kennt auch Markus Siebert. Der Diplom-Sozialarbeiter der Bahnhofsmission Essen hat beim Programm der UDE bereits als Partner mitgemacht. In der Bahn-hofsmission sind von 30 ehrenamtlichen Mitarbeitern 20 Studenten. Die Service Learning-Studenten kamen aus verschie-denen Fachbereichen mit besonderen Projekten, sagt er. „Bei den Studenten, die sich ehrenamtlich engagieren, wird die Arbeit der Bahnhofsmission geschätzt, und sie wollen praxisorientiert helfen und arbeiten.“

Voll und ganz hinter der Idee des Service Learning steht die Diplom-Sozialpädago-gin Stefanie Simmon von der Fachhoch-schule Dortmund. Sie ist schon länger darum bemüht, das Service Learning als festen Bestandteil in die Lehre einzuglie-dern: „Wir bieten derzeit kein Service Learning im bekannten Sinne an, son-dern sind noch rein sozial engagiert, ohne dass Studierende Credits bekommen. Dies strebe ich aber für die Zukunft an.“ Einen ersten Schritt in Richtung Service Learning hat die Fachhochschule Dort-mund bereits gemacht. Seit 2012 läuft das Nordstadt-Projekt „Hochschule vor Ort in der Dortmunder Nordstadt“. Das sollte eigentlich Ende Juni dieses Jahres

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Teilprojekt „Kreative in die Nordstadt“ die Fachhochschule und ihre Studenten mehr in den Stadtteil integriert werden. Sogenannte Kreative, meist Studenten der Fachbereiche Design und Architektur, die kurz vor dem Abschluss stehen, gründen im Team oder größeren Gruppen ihre ers-te Existenz in der Nordstadt und bieten dort kreative und soziale Projekte an. Zu den Kreativen zählen auch die Studentinnen Friederike Becker, Pa-tricia Tarczynski, Annika Christ und Danuta Drwecki. Sie betreiben eine offene Druckwerkstatt in der Nordstadt. Friederike beschreibt die gemeinsame Arbeit dort so: „Junge Leute können hier Siebdruck anfertigen lassen oder selber drucken. Wir geben auch Workshops in diesem Bereich. Dann grillen wir auch

mit den Leuten oder sitzen zusammen.“ Die Studentinnen machen das gerne. Sie sehen den gesellschaftlichen Beitrag aber nüchtern. Am Anfang habe sie noch die Vorstellung gehabt, dass sich Design und soziale Arbeit leicht miteinander verein-baren lassen, sagt Friederike. Mittlerweile sei ihr klar geworden, dass dies nur sehr schwierig umzusetzen ist. Grund dafür sei unter anderem der finanzielle Aspekt: Man könne die Workshops zum Beispiel nicht umsonst anbieten, da das dafür nö-tige Material auch Geld koste. Auch Willi Otremba, der Projektleiter von „Kreative in die Nordstadt“, gibt zu, dass man in der Planung des Projektes unterschätzt hätte, dass das normale Studium der Studenten ja weiterlaufe. Überzeugt ist er dennoch von dem Projekt und dessen Wirkung: „Die Jugendlichen bemerken hier, dass Arbeit Spaß machen kann. Das Projekt soll auf jeden Fall weiterlaufen.“ Dieser Meinung ist auch Stefanie Simmon. Sie sieht in der Nordstadt unterschiedliche Forschungs- und Arbeitsfelder, die sowohl durch das Nordstadt-Projekt als auch das geplante Service Learning bedient werden können. „Alle Beteiligten würden in Zukunft gleichermaßen profitieren: Studenten durch praktisches Lernen, Credits, Kontakte zu potentiellen Arbeitgebern und Persönlichkeitsentwicklung. Leh-rende durch praktische Forschungs- und Handlungsfelder, verbesserte Lehre durch den Theorie-Praxis-Bezug und höhere Motivation der Studenten. Die Hoch-schule durch engere Vernetzung mit der Community und eine stärkere Sichtbar-

auslaufen, sagt Simmon. Es werde aber aufgrund vieler positiver Erfahrungen weitergeführt und ausgeweitet.

Zwei Projekte in der Dortmunder NordstadtIm Rahmen des Nordstadt-Projektes en-gagieren sich Studenten in zwei verschie-denen Teilprojekten. Im ersten, das den Namen „Nordstädter in die Hochschule“ trägt, ermutigen sie die Jugendlichen dort dazu, ein Studium anzufangen. Zu diesem Zweck sind die Studenten auch in einem eigenen Büro vor Ort. Dort können die Jugendlichen oder auch ihre Eltern sich dann beraten lassen und über die Möglichkeiten eines Studiums infor-mieren. Außerdem sollen in dem zweiten

Die Studentinnen der offenen Druckwerkstatt schätzen den gestalterischen Freiraum, den sie beim Siebdruck

haben. Sie bieten Workshops an und übernehmen auch kleinere Aufträge. Es ist ihnen wichtig, zu vermitteln,

wie viel Spaß Siebdrucken machen kann.

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SERVICE LEARNINGAls Service Learning wird eine aus den USA stammende Lehrmethode bezeichnet, die mittlerweile in einigen Universitäten und Fachhochschulen in Deutschland angeboten wird. Studierende verschiedener Fachrichtungen belegen ein Semester lang ein Seminar, indem sie akademische und fachliche Inhalte erlernen (Learning). Das wird verbunden mit einem gesellschaftlichen Engagement in einer öffentlichen, meist sozialen Institution (Service). Die im Seminar erlernten Kompetenzen sollen dort erprobt und vertieft werden. Durch die Teilnahme am Service Learning können die Studierenden Credit Points für ihre fachliche Leistung sammeln und erhalten ein Zertifi kat für das gesellschaftliche Engagement.

LINKSwww.servicelearning.dewww.netzwerk-bdv.dewww.uni-aktiv.org

Klar, viele bedürftige Menschen sind für jede helfende Hand dankbar. Dem Service Learning stehe ich dennoch skeptisch gegenüber. Da ist die Idee des Ehrenamtes als eine klar zeitlich begrenzte Tätigkeit. Um aber etwas längerfristig zu verändern, braucht man Zeit – und zwar mehr als ein Semester. Denn oft ist es so, dass sich mit dem Beheben der ersten Missstände weitere offenbaren, derer man sich annehmen muss. Das Ehrenamt erfordert daher Erfahrungen und Kenntnisse. Sich so für andere einzu-setzen, dass es ihnen tatsächlich hilft, muss gelernt werden.

Auch der Gedanke, dass es Studenten geben könnte, die nur das Nötigste machen, um letztlich ihr Zertifi kat zu bekommen, gefällt mir nicht. Sollte bei meinem Engagement nicht das Gegenüber und sein Wohlbefi n-den mein Hauptanliegen sein und eben nicht der Umstand, eine Bescheinigung zu erhalten, die den Lebenslauf schmückt? Die ehrenamtliche Tätigkeit erfordert die Über-zeugung und Leidenschaft, sich selbstlos für andere einzusetzen. Ehrenamtler, die vor allem ihrem eigenen Vorteil bedacht sind, nützen der Gesellschaft nicht, sie behindern den ehrenamtlichen Auftrag vielmehr.

Denn letztendlich funktioniert das Ehren-amt wie ein Uhrwerk. Jede Hand gleicht ei-nem Zahnrad, das in das nächste Zahnrad greifen muss, damit die Uhr läuft. So muss eine Hand auch die andere fassen, um den ehrenamtlichen Auftrag zu erfüllen. Das Service Learning, wie es von den Unis angeboten wird, mag eine Möglichkeit dar-stellen, jungen Leuten einen Einblick in das Ehrenamt zu verschaffen und sie dazu in-spirieren, dieses zukünftig zu übernehmen. Das ist für mich das einzig Begrüßenswerte an diesem Konzept.

KOMMENTAR

von Jenny Gödecker

keit der Hochschule als Wissensressource. Die Projektpartner durch zusätzliche Ressourcen und eine Verknüpfung von Theorie und Praxis“.

„Man wird einfacherwachsener“ Dass Service Learning ihnen etwas bringen könnte, meinen auch die Stu-dentinnen der offenen Druckwerkstatt. Für Danuta ist es die Tatsache, sich gestalterisch ausleben zu können und das auch anderen Interessierten zu ermögli-chen, die sie von der neuen Lernmethode überzeugt. Patricia schätzt vor allem die

Verbindungen, die sie in der Nordstadt geknüpft hat: „Wir haben Kontakte zu verschiedenen Agenturen und zu anderen Kreativen bekommen, die wir sonst nicht kennengelernt hätten.“ Annika sieht den Nutzen in der Anwendung der erlernten Kompetenzen für ihr Bachelor-Studium. Friederike hingegen bemerkt eine persönliche Weiterentwicklung: „Man wird einfach erwachsener.“ Auch Felix sieht in seiner Teilnahme an dem Service Learning-Seminar der Uni Duisburg-Essen eine Bereicherung. Es habe zu einer Verbesserung seiner fachlichen Kompe-tenzen geführt und eindeutig einen Lern-effekt gehabt. Sigrid Meinhold-Henschel von der Bertelsmannstiftung erkennt in dieser Methode einen positiven Nutzen für das Engagement an sich: „Ich fi nde alle Maßnahmen gut, die Zugänge zum Engagement eröffnen. Service Learning ist eine gute Möglichkeit, akademisches Lernen mit der Erfahrung gesellschafts-politischer Realitäten zu verknüpfen.“

Und Maria? Die steht diesem neuen Kon-zept eher skeptisch gegenüber: „Ich fi nde es super, dass Leute, die sich nicht trauen oder Bedenken haben, ein Ehrenamt zu machen, herangeführt werden, es auszu-probieren und vielleicht auf Dauer auch dabei bleiben“, sagt sie. „Ich könnte mir aber vorstellen, dass es Leute gibt, die das nur für das Zertifi kat machen. Die haben die Idee dahinter nicht verstanden.“

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Wo die Wilden Kerle WohnenFußball spielen, Fernsehen gucken oder Fahrrad fahren – gewöhnliche Hobbies sind für Benja-min Euen nichts. Viel lieber sitzt er mit seinem roten Halstuch und einem Stockbrot in der Hand

am Lagerfeuer: Der Doktorand ist Pfadfinder aus Leidenschaft.

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TEXTKathrin EwErt FoTosMoritz tschErMaK

Auf einer riesigen Wiese bei Chelmsford, einem Londoner Vorort, tummeln sich 40 000

Kinder, Jugendliche und junge Erwachse-ne. Eins fällt auf: Sie alle tragen Hemden und bunt gestreifte Halstücher. Aus allen Ecken der Welt sind sie hergekommen – zum Pfadfindertreffen „Jamboree“. Und sie alle packen mit an: Gemeinsam errichten die Pfadfinder ein riesiges Zelt auf einer Fläche von 2000 Quadratme-tern. Mittendrin steht der Dortmunder Benjamin Euen. „Das Black Magic“, erzählt er, „ist das größte Zelt, das ich je gesehen habe.“ Hier wollen sie zehn Tage lang campen, sich austauschen und vor allem eins teilen: den Zusammenhalt der Pfadfinderbewegung.

Wenn Benjamin Euen von seinem Hobby erzählt, werden seine Augen groß. Mit Freude erzählt er, wie er dazu kam. Zehn Jahren war er alt, da nahm ihn ein Freund mit zu einem Pfadfinderlager. „Die Atmosphäre und der Zusammenhalt der Kinder haben mich damals so sehr begeistert, dass ich gar nicht mehr weg-wollte“, erzählt der 28-Jährige. Deshalb blieb er und wurde Mitglied im VCP, dem Verband Christlicher Pfadfinder.

Bereits mit 14 Jahren leitete er in seinem Verband eigene Gruppen und konnte Verantwortung übernehmen. „In der Zeit habe ich viel über mich gelernt“, sagt er, „die Pfadfinder prägen die Persönlich-keit.“ Wenn er zurückdenkt, wird klar: Schon immer war das Pfadfinderleben wie ein Abtauchen in eine andere Welt. Und das hat sich bis heute nicht geändert.

Zwischen Doktorarbeitund PfadfindercampsHeute ist der 28-Jährige im Vorstand des Landesvereins Westfalen. Hier kümmert er sich vor allem darum, die großen Pfad-findertreffen zu organisieren und neue Gruppenleiter zu schulen. „Eine Zeit lang habe ich sogar die Landesleitung für Westfalen übernommen“, sagt Benjamin Euen, „eine verantwortungsvolle Aufga-be.“ Zwar hat er mit der Organisation viel zu tun, aber bei den Lagern und Treffen mischt er sich auch selbst unter die jungen Pfadfinder. Für sein Hobby gibt Benjamin Euen alles und opfert jede Minute seiner Freizeit. Und die ist knapp bemessen, denn be-ruflich hat sich der 28-Jährige eine große

Aufgabe aufgetan: Er schreibt gerade an seiner Doktorarbeit. Wenn er nicht im Wald Pfadfinderzelte aufbaut, sitzt er in seinem Büro im Institut für Schulent-wicklungsforschung an der TU Dort-mund. Hier hat er zwischen Büchersta-peln und Notizen die beiden Studien vor sich liegen, auf die er seine Doktorarbeit aufbaut: IGLU (Internationale Grund-schul-Leseuntersuchung) und TIMMS (Trends in International Mathematics and Science Study) verraten ihm, wie fit deutsche Grundschulkinder im Lesen, in Mathematik und in Naturwissenschaften sind. „Für meine Promotion analysiere ich die Ergebnisse der Studien“, erklärt der Doktorand.

Dass die pädagogische Forschung genau das Richtige für ihn ist, wurde ihm früh klar. „Bereits ab Ende des ersten Semes-ters habe ich hier im Institut als stu-dentische Hilfskraft gearbeitet“, erzählt Benjamin Euen. Das Forschungsthema habe ihn damals schon begeistert, denn für ihn sei es „das Spannendste der Welt, das System Schule zu erforschen und zu versuchen, es zu verbessern“. Als er seinen Abschluss in Sonderpädagogik in der Tasche hatte, wurde er wissenschaftliche

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Stöcke übereinander, Feuerzeug ran, ordentlich pusten: Jeder Pfadfinder muss zündeln können.

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Hilfskraft im Institut. Ein paar Monate später war für Professor Wilfried Bos, dem Leiter des Instituts für Schulent-wicklungsforschung, klar: Den behalten wir hier. Seitdem steckt der 28-Jährige mitten in seiner Promotion.

Wenn er im Institut an den Studien für seine Doktorarbeit sitzt, will er vor allem eines herausfinden: Wie hängen die Kom-petenzen von Grundschuldkindern in Lesen, Rechnen und Naturwissenschaften mit ihren kognitiven Fähigkeiten zu-sammen? Wie viel analytisches Denkver-mögen müssen die Schüler mitbringen, um eine gute Note in der Mathearbeit zu erreichen – und reichen die Fähigkei-ten auch für den Chemietest aus? „Die Ergebnisse will ich in Bezug setzen zu Fragen von Gerechtigkeit im Schulsys-tem“, erklärt Benjamin Euen.

Obwohl er in der intensiven Phase seiner Doktorarbeit steckt, lässt er für die Pfadfinder auch schon mal eine Urlaubs-woche sausen. Fürs Stockbrotbacken über dem Lagerfeuer und Zelte bauen in freier Natur in Pfadfinderhemd und -halstuch opfert er seine ganze Freizeit. Doch das ist es ihm wert: „Mich überrascht es immer wieder, wie viel man bei den Pfadfindern lernt – ohne dabei zu merken, dass man überhaupt lernt“, erklärt er. Während er von seinem Hobby erzählt, breitet sich ein Grinsen über sein ganzes Gesicht aus.

Im Pfadfinderzeltbeim BundespräsidentenDenn Pfadfinden – das ist für Benjamin Euen mehr als Ausflug, Natur und Aben-teuer. Sein Hobby und seine Arbeit als

Doktorand und junger Wissenschaftler sind immer eng miteinander verbunden. „Ich versuche immer, beides zu vereinen“, sagt er. Wenn er zum Beispiel die großen Treffen wie Friedenslicht und Kirchentag organisiert, helfen ihm seine sonderpäda-gogischen Kenntnisse dabei, die Grup-penleiter zu schulen. „Nach den Pfad-findertreffen am Wochenende komme ich montags mit einer Handvoll neuer Erfahrungen zurück ins Institut“, erklärt der Doktorand. Seine Organisations- und Kommunikationsfähigkeit und seine wachsende Menschenkenntnis helfen ihm wiederum bei seiner Arbeit. Es fällt ihm zum Beispiel leichter, Vorträge zu halten und Tagungen zu planen.

Das sind die beiden Welten von Benja-min Euen: die Bildungsforschung und die Pfadfinder. In beiden geht er gleicher-

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maßen auf – mit einer großen Portion Neugier und Motivation. Für sein ehren-amtliches Engagement wurde Benjamin Euen, stellvertretend für den gesamten Pfadfinderverband, sogar vom Bundes-präsidenten mit der Verdienstmedaille ausgezeichnet. Zusätzlich zur Auszeich-nung durfte er sein Zelt auf einem eher ungewöhnlichen Platz aufbauen: „Mitten in Berlin, im Schlosspark Bellevue stand unter Pfadfinderzelt“, erzählt er und lacht.

„Die Ehrung hat mich noch mehr moti-viert“, sagt der Sonderpädagoge. Deshalb hat er sich auch für dieses Jahr große Zie-le gesetzt. Zum einen will er sich weiter für die Pfadfinder engagieren und sich in Zukunft besonders für Umweltthemen einsetzen. Zum anderen ist sein Doktor-titel zum Greifen nah. Denn Ende dieses

Jahres, so hofft Benjamin Euen, ist er mit seiner Promotion fertig. Bis es soweit ist, büffelt er weiter über seinen Studien und taucht am Wochenende in die Welt der Pfadfinder ab – mit dem ständigen Streben, Wissenschaft und Hobby zu vereinen.

Der Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder hat rund 47 000 Mitglie-der. Er gehört zu einem der vier großen Ringverbände in Deutschland.Die Pfadfinderbewegung ist bis heute ein weltweites Phänomen: Rund 40 Millionen Kinder und Jugendliche haben sich einem Verein angeschlossen. 1907 errichteten die Briten das erste Pfadfinderlager. Die Idee hinter der Pfadfinderbewegung ist die freiwillige und parteipolitisch unabhängige Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Sie steht Menschen aller Nationalitäten und Glaubensrichtungen offen.

„Ich versuche immer, mein Hobby und meine Arbeit miteinander zu vereinen.“

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36raus

TEXTJanne oltMannS FoTosJanoSch SkUPlik

Tarzan hatte zwar keinen Sicherungsgurt um. Aber so wie die Besucher des Kletterwaldes in

Schwerte hangelte er sich von einem Baum zum anderen. Ich weiß jetzt, wie er das gemacht hat.

Ort: Kletterwald Freischütz Hörder Str. 131, 58238 Schwerte

Anfahrt: U41 bis Hörde Bahnhof,Buslinie 430 in Richtung ZOB/Bahn-hof Schwerte bis Haltestelle Freischütz

Öffnungszeiten: in der Hauptsaison vom 08.07. bis 08.09. täglich von 9 bis 20 Uhr

Eintritt: Studenten 16 Eurokletterwaldfreischuetz.de

Zwischen 65 Bäumen hängen Seil- und Hindernis-Konstruktionen. An jedem Baum ist ein Brett

festgemacht, auf dem die Kletterer sich ausruhen und warten können, bis der Weg vor ihnen frei ist. Der Kletterwald Freischütz in Schwerte bietet Besuchern sechs Parcours, die nach Gebirgen wie Alpen, Rocky Mountains oder Himalaya benannt sind. Erst seit Ende März dieses Jahres gibt es das neue Ausfl ugsziel.

An einem Samstag fahre ich zwischen Ausfl ügler-Grüppchen aller Altersstufen über Kampstraße, Stadthaus, Märkische Straße. Dann am Phönixsee vorbei, raus aus Dortmund und rein in den Wald. Aus dem Busfenster sehe ich schon, wie die Umgebung sich langsam verändert und die Natur beginnt, sich durchzuset-zen: Die Bäume sind grün geworden, es ist tatsächlich Frühling, der Sommer in der Warteschleife. In der Stadt nehme ich die Jahreszeiten nie so intensiv wahr. Hier erinnert die Umgebung kaum noch an graues Ruhrgebiet.

Am Kletterpark angekommen, geht es zuerst zum Basecamp. Dort stehen ge-stresste Mitarbeiter in beigen Hosen und roten T-Shirts, nehmen Anmeldungen

entgegen, leihen das Equipment aus und passen auf Wertgegenstände auf. Zum Klettern darf ich außer der Ausrüstung nur mich selbst mitnehmen. Bis ein Gurt für mich frei wird, sitze ich auf der wackligen Bank einer Bierzeltgarnitur. Auf dem Tisch vor mir schaue ich direkt in das Gesicht eines betenden Buddhas mit zu großer BVB-Mütze.

Im Kletterwald ist es sehr voll, und ich habe Zeit, die übermütigen Kinder und vorsichtigen Erwachsenen zu beobachten, die sich von einer Station zur nächsten durch den Park arbeiten. Bevor es dann endlich richtig losgehen kann, bekomme ich eine Einführung in das Sicherrungs-system. Danach ist jeder auf sich selbst gestellt. In der Not darf man sich aber von den Mitarbeitern in rot-beige retten las-sen. Ich balanciere über Drahtseile, hange-le mich von einem Holztritt zum nächs-ten und schaukele über Hängebrücken. Zwischen Bäumen festhängend, konzen-triere ich mich nur darauf, den nächsten baumelnden Balken zu treffen. Kurz nach unten schauen, durchatmen. Dann mit der Seilbahn über ein Biotop rauschen. Abends stelle ich fest: Die Kopfpause hat gut getan. Ich fühle mich entspannt, habe mich bewegt, war draußen.

Insgesamt gibt es bei mir einen Daumen hoch für Erreichbarkeit und das Erleb-nis als solches. Daumen runter für die Organisation am Empfang. Außerdem empfehle ich, nicht an einem Samstag zum Kletterwald zu fahren, weil es dann gut möglich ist, dass ihr eine Stunde auf freie Gurte warten müsst. Auch an den Stationen selbst macht es mehr Spaß keine lange Schlange vor sich zu haben. Wer ein Problem mit Höhe hat, der kann sich hier gut ausprobieren. Die meisten Parcours sind zwischen drei und fünf Metern über der Erde angebracht. Für erfahrene Kletterer könnte hingegen der Aufregungsfaktor fehlen.

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37raus

TEXTMaria Segat FoTosPaScal aMoS reSt, Florian roSenStengel

HingescHautWenn 10 000 Eintrittskarten in nur wenigen Minuten über den virtuellen Ladentisch gehen, muss

es sich schon um eine beliebte Veranstaltung handeln. So wie das „Holi Festival of Colours“.

Das „Holi“ ist ein traditionelles Fest aus Indien. Die Hindus feiern jedes Jahr den Beginn des

Frühlings, indem sie ausgelassen durch die Straßen ziehen und mit buntem Farbpul-ver werfen. Diese Party holen Jasper Hell-mann, Max Riedel und Maxim Derenko, Initiatoren des „Festival of Colours“, nach Deutschland. Die Idee kam Hellmann in Indien, wo er im Urlaub selbst ein „Holi“ erlebte. Bereits im letzten Jahr fand das Fest in Berlin, Dresden, Hannover und München statt. Für 2013 sind die Fes-tivals in 13 Städten geplant. Die Karten sind schnell vergriffen. Das Dortmunder „Holi“ im Fredenbaumpark war nach einer halben Stunde ausverkauft – das ist Rekord, so der Veranstalter auf Face-book. Statt Delhi also Dortmund, statt eines öffentlichen Straßenfestes eine klar begrenzte Veranstaltung. Was hat sich im Vergleich zum Original noch verändert? Hindus trinken keinen Alkohol, auch nicht zum Feiern. Hierzulande würden viele junge Leute wegbleiben, wenn man dieser Tradition treubliebe.

Ob mit oder ohne Alkohol, in einem bunten Regen aus Farbpulver stehen und staunen: Das kann nur Spaß machen. Wer das Spektakel trotz ausverkaufter Karten nicht verpassen möchte, findet auf Face-book eine Ticket-Tauschbörse. Für alle, die sich außerdem für die hinduistische Kultur interessieren, lohnt sich ein Besuch in Hamm-Uentrop. Dort steht der zweit-größte Hindu-Tempel Europas mit einer Gemeinde von bis zu 5 000 Gläubigen.

Am 26. Mai feierte die Gemeinde ihr jährliches Tempelfest, zu dem regelmäßig rund 20 000 Besucher kommen. Dort gibt es neben Prozessionen und rituellen Wa-schungen auch Live-Musik, einen Basar und indisches Essen. „Uns ist jeder Besu-cher willkommen“, sagt Angelika Eich-

horst, die sich seit 20 Jahren ehrenamtlich in der Hindu-Gemeinde engagiert. Auch außerhalb der Festtage werden Führungen angeboten, Besucher dürfen den Gottes-diensten und Zeremonien beiwohnen. Berührungspunkte zwischen der Gemein-de in Hamm und den „Holi-Festivals“ in Deutschland sieht Eichhorst nicht: „Das sind ja ganz verschiedene Dinge, bei uns kann man wirklich einen Einblick in eine Hindu-Gemeinde bekommen.“ Auch einen religiösen Konflikt sieht Eichhorst nicht. Wie sie betont, ist das „Holi“ auch in Indien eine ausgelassene Party. Einen tief religiösen Hintergrund gibt es im Vergleich zu anderen Hindu-Festen nicht. Außerdem sind die meisten Gläubigen der Gemeinde in Hamm Tamilen und stammen aus Südindien oder Sri Lanka. Sie haben also zum „Holi“, das eher in Nordindien gefeiert wird, gar keine Ver-bindung.

Das weiß auch TU-Studentin Thangee-tha, die selbst aus Sri Lanka stammt. Dass das „Holi“ hier großen Anklang findet, kann sie verstehen: „Es ist schließlich etwas ganz Exotisches, ist ja klar, dass die Leute sich dafür interessieren“. Dass beim deutschen „Holi“ Alkohol konsumiert wird, sieht die gläubige Hindu kritisch. Aber es sei wohl der Versuch, beide Kul-turen zu vermischen, so Thangeetha. Ob sie jedoch selbst ein „Festival of Colours“ besuchen würde, bezweifelt sie: „Wer selbst schon oft in Indien war, den reizt es wohl eher nicht, hier dabei zu sein“. Ein weiterer Kritikpunkt – die kommerzielle Ausrichtung – widerspreche der Idee des indischen Festes, findet die Englisch- und Psychologie-Studentin. „Wenn man mit dem Festival Spenden sammeln würde, um damit in Indien oder anderswo zu helfen, das wäre etwas anderes“, sagt Thangeetha. „Dann würde ich wohl auch hingehen und mitfeiern“.

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TEXTMaria Segat FoTosMoritz tScherMak,

HingegangenGenug von verkohlten Grillwürstchen und Gammeln im Park?

Probier‘s mal mit Kultur.

Zwischen Brötchen und Borussia

Moderne Physik für alle

Vortragsreihe, Fakultät Physik, TU Dortmund verschiedene

Termine im Mai und Juni, darunter: Boris Nikolai Konrad - Physik-

Absolvent der TU Dortmund, mehrfacher Gedächtnis-Weltmeister

und „Wetten, dass…“-Teilnehmer über

„Außerirdische Gedächtnisleistungen“,

29.06.2013, 10.30 Uhr, Hörsaalgebäude ll

www.physik.tu-dortmund.de

world Press Photo 2013Ausstellung, Depot, Dortmund08.06.2013 - 27.06.2013 Eintritt für Studenten: 4 Euro Die 150 besten Pressefotos des letzten Jahres unter einem Dach. Die Ausstellung reist um die ganze Welt und kommt für kurze Zeit auch nach Dortmund.

www.depotdortmund.de/90.html

eMBedded – ein Jahr afghanistanTheater, Schauspielhaus, Dortmund

30.06.2013, 18 UhrEintritt für Studenten: 5 Euro„Embedded“ zeigt die Erfahrungen eines Journalisten, der ein

Jahr lang US-Soldaten in Afghanistan begleitet. Nur eine Hand-

voll Zuschauer findet hier Platz und erlebt in diesem eindrucks-

vollen Stück den Wahnsinn des Krieges hautnah mit.

Intensiver kann Theater nicht sein.

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iM guten glauBen.

religiöse Vielfalt iM ruhrgeBiet

Ausstellung, Zeche Hannover, Bochum

20.04.2013 - 30.06.2013

Eintritt freiEinblicke in die örtliche Vielfalt der Religionen

und erstaunliche Bilder von Orten, die man

überall vermutet hätte, nur vielleicht nicht im

Ruhrpott.www.lwl-industriemuseum.de

Ausstellung, Museum Ostwall im U, Dortmund

24.03.2013 - 07.07.2013

Eintritt für Studenten: 2,50 Euro

Die menschliche Sprache in ihren Besonderheiten und

Absonderlichkeiten.

loVe lights: ein soMMernachtstrauM

Lichtinstallation, Revierpark Wischlingen, Dortmund

01.06.2013 - 31.08.2013, freitags und samstags

(nur bei gutem Wetter), jeweils 22-3 Uhr

Eintritt: 8�EuroDie „Love Lights“ verbreiten Romantik im Revierpark.

Dazu gibt’s Strandkörbe, Cocktails und Musik

his Master’s Voice – Von stiMMe und sPrache

dortMunder fun-klettercuPSport & Spaß, Kletterturm Dorstfeld, Dortmund

29.06.2013, ab 10.30 UhrStartgeld: 15 Euro (Meldeschluss: 21.06.2013)

Zusammen mit der Sektion Dortmund des Deutsch

Alpenvereins veranstaltet der Hochschulsport der

TU Dortmund das Event nun zum dritten Mal. Dass

es nicht nur FUN-Klettercup heißt, sondern auch

wirklich Spaß macht, davon kann sich jedermann beim

Mitklettern oder Zuschauen überzeugen. ww alpenverein-dortmund.de/fun-kletter-cup/infos

Lichtinstallation, Revierpark Wischlingen, Dortmund

Page 40: pflichtlektüre 03/2013

www.pflichtlektuere.com