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Phonetik I: Artikulatorische Phonetik (IV) Das Konzept der artikulatorischen Geste Auch bekannt als „Artikulatorische Phonologie“ Cathe Browman und Louis Goldstein, Haskins Laboratories und Yale University; diverse Aufsätze 1985-1992; (Andere Bezeichnung: „Gestische Phonetik“) Definition einer Geste: Eine Geste ist eine koordinierte Bewegung einer artikulatorischen Funktionseinheit mit dem Ziel der Ausbildung einer linguistisch relevanten Enge- oder Verschlussbildung im Vokaltrakt. Beispiel: Das System der Gesten des Standarddeutschen Kroe02_Gesten (Kröger BJ 1998: Ein phonetisches Modell der Sprachproduktion. Niemeyer, Tübingen) (es fehlt z.B. die Geste: hhgs: hohe Hebung des Gaumensegles) 1

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Phonetik I: Artikulatorische Phonetik (IV)

Das Konzept der artikulatorischen Geste Auch bekannt als „Artikulatorische Phonologie“ Cathe Browman und Louis Goldstein, Haskins Laboratories und Yale University; diverse Aufsätze 1985-1992; (Andere Bezeichnung: „Gestische Phonetik“)

Definition einer Geste: Eine Geste ist eine koordinierte Bewegung einer artikulatorischen Funktionseinheit mit dem Ziel der Ausbildung einer linguistisch relevanten Enge- oder Verschlussbildung im Vokaltrakt.

Beispiel: Das System der Gesten des Standarddeutschen Kroe02_Gesten(Kröger BJ 1998: Ein phonetisches Modell der Sprachproduktion. Niemeyer, Tübingen)

(es fehlt z.B. die Geste: hhgs: hohe Hebung des Gaumensegles)

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Geste aus phonetischer Sicht: Koordinierte Bewegung einer artikulatorischen Funktionseinheit mit dem Ziel der Aus­bildung einer Engebildung (Konstriktion) oder eines Verschlusses (Okklusion) im Vo­kaltrakt.(Es fehlt hier: linguistisch relevante ...)

Die Geste führt zur aktiven Bewegung von Artikulatoren für ein definiertes Zeitintervall: Gestisches Aktivitätsintervall. Siehe Beispielwort „Panne“ Kroe02_10 Kroe02_Gesten

Neutralgesten:Im Falle der Abwesenheit von „gestischer Aktivität“ liegt ein Schwa-Laut (nichtna­saliert, normale Phonation) vor.Also: „Neutralgesten“ realisieren immer den Schwa-Laut.Kritik: Hebung des Gaumensegels, lockere Verschließung der Stimmritze zur Phonation benötigt prinzipiell gleichartige „artikulatorische Aktivität“ wie die „richtigen“ Gesten.

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Geste aus phonologischer Sicht: Linguistisch relevante Einheit: Gesten wirken bedeutungsunterscheidend.Ein Phonem kann aus einer oder aus mehreren Gesten aufgebaut sein.

Das Gestensystem des Standarddeutschen Kroe02_GestenBsp.: /b/ <-> vbli

/p/ <-> vbli + oegl/m/ <-> vbli + segs/d/ <-> vbzs/g/ <-> vbzr/i/ <-> (hhzr + vvzr) /y/ <-> (hhzr + vvzr) + ruli.....

Also auch die An- oder Abwesenheit einer Geste wirkt bedeutungsunterscheidend. Achtung: Ein Phonem / ein Laut kann somit aus mehreren Gesten bestehen

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Zeitliche Koordinierung von Gesten:

Die Gesten einer Äußerung können in drei „phonetisch - artikulatorischen Schichten“ angeordnet werden: Kroe02_10• vokalische Gesten• konsonantische Gesten (zur Enge- bzw. Verschlussbildung)• Gesten des Gaumensegels und der Stimmritze (Ariknorpel)

(Anmerkung: Hier spiegelt sich der Aufbau der funktional-phonetischen Parameter un­seres Modells der Sprachproduktion (SpeechTrainer))

Gesten sind zeitlich miteinander koordiniert -> Assoziationslinien zeigen, welche Geste mit welcher anderen Geste zeitlich koordiniert (verbunden) ist. Also: Die zeitliche Lage der Gesten zueinander ist relativ: Siehe Beispielwort „Panne“ Kroe02_10 Kroe02_Gesten

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Unter zeitlicher Koordinierung von Gesten / artikulatorischer Koordinierung wird die re­lative Lage der Aktivintervalle der Gesten zueinander verstanden. Kroe02_10

Die Assoziation (die Koordinierung) der Gesten erfolgt immer • innerhalb der Silbe: vom Silbenkern (Vokal) zum Silbenrand (initiale / finale Konso­

nanten)• innerhalb eines Konsonanten: von der Geste zur konsonantischen (oralen) Enge- bzw.

Verschlussbildung zur evtl. vorhandenen Geste der Stimmritze bzw. des Gau­mensegels

Siehe Beispielwort „Panne“ Kroe02_10 Kroe02_Gesten

VOT („voice onset time“) resultiert aus der zeitlichen Koordinierung von oraler konso­nantischer Enge- bzw. Verschlussgeste mit glottaler Öffnungsgeste:Je später die glottale Öffnungsgeste relativ zur oralen konsonantischen Geste auftritt, um so größer die VOT.

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Artikulatorische Phonetik:Artikulatorische Komplexität von Wortlisten

Sprechapraxie (und verbale Entwicklungsdyspraxie) aus der Sicht der artikulato­rischen Phonologie / gestischen Phonetik Definition Sprechapraxie: „neurologisch bedingte Störung auf der Ebene der motorisch-artikulatorischen Planung von Sprechbewegungen“ (Im Kontrast zu Dysarthrien: „neurologisch bedingte Störung auf der Ebene der moto­risch-artikulatorischen Ausführung von Sprechbewegungen“)

Also: Es existiert im ZNS die Ebene der motorischen Planung einer Äußerung.

Eine Darstellung des „Outputs“ dieser Planungsebene haben wir im Rahmen dieser Ver­anstaltung aus der Sicht der artikulatorischen Modellierung bereits konkretisiert: Die artikulatorischen Ablaufpläne. Kroe02_10

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Dies ermöglicht eine Unterteilung der auftretenden segmentalen Fehlermuster in mehre­re Klassen: • Fehler bei der Ausführung einer Geste• Fehler bei der zeitlichen Koordinierung von (zwei) Gesten

o innerhalb eines Segmentes (Lautes)o benachbarter Segmente (Laute)

• Fehler bei der Ausführung einer Gesteo Variable und unpräzise Realisierung von Artikulationsort und Grad der Engebil­

dung (oder der Zungenlage bei vokalischen Gesten)o Artikulatorisches Suchverhalten (z.B. bei isoliert gesprochenen Vokalen); das

Suchverhalten ist variabel: Es ändert sich von Ausführung zu Ausführung(evtl. mehrere Realisierungsversuche der (phonologischen) Geste hintereinander)

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• Fehler bei der zeitlichen Koordinierung von Gesten innerhalb eines Segmentes Z.B. Variable und falsche zeitliche Koordinierung einer orale Verschlussgeste und glottale Öffnungsgeste bei stimmlosen Plosiven -> Wird gemessen als VOT: Es zeigt sich VOT-Variabilität bei Sprechapraxie; siehe [p] in „Panne“ Kroe02_10 )

Experiment: Verbale Entwicklungsdyspraxie (VED): Während bei phonologischen Störungen systematische Fehler bezüglich stimmlos-stimmhaft auftreten (die Verteilungen an sich aber erhalten bleiben), „verschmieren“ bei VED (kindliche Sprechapraxie) die Verteilungen der VOT für einen bestimmten Lauttyp z.B. [p] zwischen [b] und [p]. (Anmerkung: auch stimmhafte Laute können durch VOT beschrieben werden)

• Fehler bei der zeitlichen Koordinierung von Gesten benachbarter Segmente -> Fehlerhafte und variable Koartikulation

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Darüber hinaus existieren prosodische Fehler: (sollen hier nicht näher behandelt werden)

• langsame Artikulationsgeschwindigkeit• silbisches / monotones Sprechen: Bildung gleichlanger Silben unabhängig von Beto­

nung• monotone Intonationskontur• ....

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Aufgabenhierarchien in der Sprechapraxie-Therapie und der „metrische“ Übungs­ansatz

Ziegler W, Jaeger M (1993) Aufgabenhierarchien in der Sprechapraxie-Therapie und der „metrische“ Übungsansatz. Neurolinguistik 7: 17-29

Jaeger M, Ziegler W (1993) Der metrische Übungsansatz in der Sprechapraxiebehand­lung. Ein Fallbericht. Neurolinguistik 7: 31-41

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Materialien zur Sprechapraxie-Therapie nach Ziegler und JaegerZiegler W, Jaeger M (1993) Materialien zur Sprechapraxie-Therapie. EKN – Materialien für die Rehabilitation 1. Borgmann, Dortmund.

Hierarchische Gliederung des Übungsmaterials: Stufenweise Steigerung der Komplexität von einfachen VC-Silben bis hin zu komplexen Silben (CCVCCC) und mehrsilbilgen Wörtern -> gegliederte Wortlisten (Kapiteln) Ziegler93_t01

Gliederung aber nicht nur in einer sondern in mehreren Dimensionen: • Steigerung der Silbenzahl: Einsilbler, Zweisilbler, Dreisilbler, ... • Steigerung der segmentalen Komplexität innerhalb der Silbe: Größe der an- und aus­

lautenden Konsonantkluster C, CC, CCC Dabei gelten folgende Konventionen: o Affrikaten (ts, pf, ...) werden als Konsonantverbindungen aufgefasst

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o Ambisilbische Konsonanten (Gelenkkonsonanten zweier aufeinanderfolgender Silben) werden als ein Segment aufgefasst und der nachfolgenden Silbe zugeord­net (z.B. „Welle“ nicht als [vl.l] sondern als [v.l]) (?)

o Wörter mit der Endung „-el“, „-em“, „-en“ (z.B: in „Mantel“, „Atem“, „Laden“) werden dem Typ VC zugeordnet (trotz evtl. reduzierter Realisierung)

o Epenthetische Konsonanten (z.B. [t] in „Hals“ [halts], „Gans“ [gants]) werden nicht in der Silbenstruktur berücksichtigt

o Auch „-er“ (z.B. in „Vater“) werden dem VC – Strukturtyp zugeordnet obwohl sie als [] realisiert werden. (?)

o [] wird nicht als C gewertet, obwohl hier ein entsprechendes glottales Manöver zu leisten ist. (?)

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Aufgrund der Zweidimensionalität des Materials (Silbenzahl, segmentale Komplexität: Ziegler93_t01) kann die Gliederung des Materials in der folgenden Ebene vorgenommen werden: -> Ziegler93_01(Die Kapitel-Nummern benennen wiederum einzelne Wortlisten)

• Die Gesamtkomplexität steigt entlang der Diagonalen• Freiheit für den Therapeuten: Es können je nach Patient unterschiedliche „Wege“

durch die Ebene gewählt werden (durchgezogen / gestrichelt) (siehe auch Ziegler (1991) Sprechapraktische Störungen bei Aphasie. In: Blanken G. (Hrsg.) Einführung in die linguistische Aphasiologie. Theorie und Praxis. Hoch­schulverlag, Freiburg.)

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Beispiele einzelner Wortlisten: • VC und CV Ziegler93_l01• CVC Ziegler93_l02• CV.CV Ziegler93_l05 (zumeist trochäisches Betonungsmuster) • (C)VCC Ziegler93_l07

Weitere Untergliederungen des Wortmaterials: • Untergliederung der segmentalen Komplexität in der Silbe nach An- und Auslaut:

o Unterschied zwischen VC, CV, CVC (wo steht C?) Ziegler93_t01o Unterschied zwischen CVCC, CCVC, CCVCC, ... (wo steht CC?)

These: Anlautende Konsonanten sind für Sprechapraxie-Patienten schwerer zu realisieren als Auslautende. -> mögliches Übungs-Konzept: Steigerung der silbischen Komplexität zuerst im Auslaut, dann im Anlaut.

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• Untergliederung der segmentalen Komplexität nach der gestischen Struktur der Silbe findet statt: -> „gestische Komplexität“o Vokale werden aber nicht hierarchisch gegliedert Ziegler93_l01o Konsonanten werden nach primär artikulierendem Organ bzw. dem Wechsel des

Artikulators innerhalb der Silbe unterschieden (labial, apikal, dorsal, glottal) Ziegler93_l02

o Konsonanten werden zusätzlich nach Stimmhaftigkeit und Nasalität und Wechsel dieser Merkmale innerhalb der Silbe unterschieden

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Detaillierte Betrachtungen zur gestischen Komplexität in den Sprechapraxie-Mate­rialien

Also: Weitere Untergliederung des Materials unterhalb der Kapitel-Punkte (Ziegler93_t01: segmentale silbische Komplexität und Silbenzahl), also innerhalb einer Wortliste (eines Kapitels, z.B. Ziegler93_l02) nach 3 Kriterien:

1 ) artikulierendes Organ2 ) Stimmhaftigkeit3 ) Nasalität ( Kursivdruck)

Ordnung nach Wichtigkeit: 1 -> 2 -> 3

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1 ) Artikulierendes Organ: Die möglichen Organe: Ziegler93_t02 Die artikulatorische Komplexität steigt mit der Anzahl der Wechsel des primären konsonantischen Artikulationsorgans im Wort.

Dies ist das wichtigste Gliederungsprinzip der Wörter innerhalb einer Wortliste. Was ist damit gemeint? Ziegler93_02: zunehmende Komplexität von links nach rechts: Zunahme des Wechsels des konsonantischen Artikulators. (C-Artikulator:) Der Artikulator zur Ausbildung der kons. Enge / Verschluss (nicht: oegl, oegs) Wir unterscheiden somit• Wörter, die mit nur einem C-Artikulator („Jacke“, „Geige“, „Kuckuck“, ...) gebildet

werden; also kein Wechsel des C-Artikulators • Ein Wechsel des C-Artikulators („Gabe“, „Decke“, „kokett“, ...) siehe z.B. in

CVC-Wörtern: Ziegler93_l02• Zwei Wechsel des Konsonantartikulators („Paket“, „König“, „Teppich“, ...) siehe

z.B. in CV.CVC-Wörtern: Ziegler93_l06

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Dies gilt bis hier her nur für segmentale Komplexität „C“! Bei komplexeren Wörtern: Wortlisten mit segmentaler Komplexität „CC“ und höher:

Gliederung nur nach Anzahl der Wechsel des C-Artikulators innerhalb einer Konsonant­verbindung (Konsonantkluster). Annahme: Der Wechsel des C-Artikulators über Vokale hinweg ist weniger aufwendig.

Bei CC-Klustern findet dann das selbe Prinzip Anwendung:• Kluster, die mit nur einem C-Artikulator („Lump“, „Mund“, „Hans“, „Wunsch“,

„Wink“ ...) gebildet werden; also kein Wechsel des C-Artikulators • Ein Wechsel des C-Artikulators („Amt“, „Mönch“, „Halm“, ...)• Zwei Wechsel des C-Artikulators: Kommt wohl nicht vor.

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2 ) Stimmhaftigkeit:Die artikulatorische Komplexität steigt mit der Anzahl der glottalen Ab- und Adduktionsgesten im Wort. Abduktionsgeste: Öffnung der Stimmritze durch AriknorpelmanöverAdduktionsgeste: Schließung der Stimmritze durch Ariknorpelmanöver

Ziegler93_03: zunehmende Komplexität von rechts oben nach links unten• rein stimmhafte Wörter: keine glottale Abduktionsgeste („Bude“)• stimmloser Anlaut: eine glottale Adduktionsgeste („Taube“)• stimmloser Auslaut: eine Abduktionsgeste (nicht gezeigt in der Abb. Ziegler93_03) • stimmloser Anlaut einer zweiten Silbe: eine Ab- und Adduktionsgeste („Beute“)• zwei stimmlose Anlaute: zwei Ab- und eine Abduktiosngeste („Taufe“)

Siehe z.B. die Ordnung des Materials der Liste CV.CV: Ziegler93_l05

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Dies gilt bis hier her nur für segmentale Komplexität „C“ Bei komplexeren Wörtern: Wortlisten mit segmentaler Komplexität „CC“ und höher: Gliederung nur nach Anzahl der Wechsel der Stimme innerhalb einer Konsonantver­bindung (Konsonantkluster). Annahme: Der Wechsel der Stimme über Vokale hinweg ist weniger aufwendig.

CC-Kluster: • auslautend beide Laute stimmhaft: „Halm“, ...• auslautend letzter Laut stimmlos: „Bild“, „Fels“, „welk“, „Dolch“, ...• auslautend die beiden letzten Laute stimmlos: „Kopf“, „Sitz“, „Raps“, „Docht“, ...• anlautend beide Laute stimmhaft: „Blei“, „glatt“, ...• anlautend erster Laut stimmlos: „Plan“, „flau“, ..• anlautend ersten beiden Laute stimmlos: „Zug“, „spät“, „Skat“, ...

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3 ) Nasalität:Nasallaut bedeutet zusätzliche Geste: Senkung des Gaumensegels (GS).Diese Geste steigert die artikulatorische Komplexität.

Ziegler93_04: zunehmende Komplexität von oben nach unten

Wörter mit nur oral gebildeten Konsonanten („Tag“, ...) oder mit nur nasal gebildeten Konsonanten („Mann“, ...) werden als „einfach“ eingestuft.

Es werden als komplexer eingestuft: Wörter mit einem Wechsel zwischen oralen und nasalen Konsonanten.• über Vokale hinweg („Biene“, „Made“, ...) • innerhalb eines Konsonantklusters („Halm“, „Hemd“, ....)

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Dargestellt durch Kursivdruck in den Wortlisten: z.B. in CVC: Ziegler93_l02 ( dies liefert eine dritte Dimension)

Es wird von Ziegler zusätzlich eine systematische Liste mit Übungen zur Gaumensegel­artikulation angegeben: Ziegler93_t03

Es wird hier getrennt: • zwischen GS-Anhebung und -Absenkung (siehe auch Ziegler93_04)• zwischen GS-Geste über Vokal hinweg und innerhalb eines CC-Klusters. • zwischen gleichem und wechselndem artikulierendem Organ der Konsonanten

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Anmerkungen zu Nasalen: • Nasal bedeutet Senkung des Gaumensegels. Ok. Aber weiter: • Obstruent bedeutet starke Hebung des Gaumensegels zur Erfüllung des aerodyna­

mischen Kriteriums „luftdichter Abschluss“. Das wird in dieser Liste noch nicht be­rücksichtigt: Ziegler93_04 in „Bude“ findet starke Hebung des GS von „vokalisch gehoben“ statt!

• Es ist nicht nur der Wechsel zwischen nasalen und oralen Konsonanten wichtig, son­dern insbesondere auch der Wechsel zwischen Nasal und Obstruent z.B. Unterschied: „Null“ vs. „Not“, oder: „Helm“, „Halm“ vs. „Amt“, „Mönch“, ....

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Die Wortlisten im Überblick• VC und CV Ziegler93_l01• CVC Ziegler93_l02• V.CV Ziegler93_l03• V.CVC Ziegler93_l04• CV.CV Ziegler93_l05• CV.CVC Ziegler93_l06• /r/ ....• (C)VCC Ziegler93_l07• CCV(C) Ziegler93_l08• CCVCC ....

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Beeinflussung der artikulatorischen Komplexität durch phonologische Faktoren Ziegler (2004) A nonlinear model of word length effects in apraxia of spech. Cognitive Neuropsychology.

These: Schwierigkeitsgrad der Artikulation von Wörtern ist zunächst mal hauptsächlich durch phonologische Struktur der Wörter determiniert (Erst danach kommen die feinen gestischen Strukturunterschiede)

Phonologische Struktur • Anzahl der Segmente im Wort • Anzahl der Silben im Wort • Anzahl der Segmente pro Silbe • Anzahl der Segmente in Silbenstrukturkonstituenten: Onset und Reim

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Einschub: Aufbau der Silbe

Silbe / \Onset Reim ⇓ / \ ⇓ V C-Kluster ⇓ ⇓ ⇓/ t r m pf /

Die phonologische Strukturierung der Silbe in Onset und Reim drückt aus, dass Vokal eine größere Bindung zum silbenfinalen als zum silbeninitialen Konsonantcluster hat.

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Die Studie von Ziegler (2004) zeigt: • Silbengrenzen vereinfachen die Artikulation

Beispiel: /glas/ schwerer als /glas/ (obwohl das 2-Silbige Wort ein Segment mehr umfasst)

• Konsonantrealisierungen sind einfacher im Reim als im Onset Beispiele: siehe Ziegler (2004)

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Mögliche weitere Arbeiten zur Sprechapraxie: Erstellung weiterer Wortlisten für den Aufbau von Übungsprogrammen (Ähnlich wie zur Gaumensegelfunktion Ziegler93_t03): • zur glottalen Ab-/Adduktion (stimmhaft-stimmlos-Kontrast):

jeweils ein- und zweisilbig in CVC- bzw.- CC-Übergänge ohne und mit Wechsel des artikulierenden Organs

• zur selektiven „Ansteuerung“ der verschiedenen Artikulationsorgane bei konsonan­tischer Artikulation: z.B. labial-apikal-Übergang: ein- und zweisilbig, in CVC- und CC-Übergängen; dann:apikal-labial-, labial-dorsal-, dorsal-labial-, apikal-dorsal- und dorsal-apikal-Übergang

Weitere Aufgabe: • Erweiterung der Wortlisten um eine Lautliste: artikulatorische Elementarbewegungen

Elementare Gesten setzen Vokale zusammen: hezr, vvzr,... Kroe02_Gestensiehe die begonnenen Listen SpeechTrainer

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