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Photochemiscbe Bildung organischer Verbindungen aus Mischungen einfacher Gase Von W. Groth und H. v. Weyssenhoff Mit 3 Abbildungen Herrn Professor Dr. Wdther Gerlnch zum $0. Geburtstuge gewidmet Inhaltsiibersioht Es wird gezeigt, da13 sich aus Gasmischungen von Methan bzw. &han mit Ammoniak und Wasserdampf auf photochemischem Wege einfache organische Verbindungen bilden konnen. Mit Quecksilber sensibilisierte Reaktionen in Nschungen von Athan, Ammoniak und Wasserdampf lieferten einfache Amino- sauren und niedere Fettsiiuren, die quantitativ analysiert wurden. Bei der direkten Photolyse von Methan-Ammoniak-Wasserdampf-Gemischen mit den Resonanzwellenlangen des Xenons wurde Glycin gebildet, das sich durch Papierchromatographie nachweisen lie& I. Einleitung Nach den Hypothesen von A. I. Oparinl), H. C. Urey2), W. Kuhn3) tind J. D. Berna14) war die Erde in fruheren Entwicklungsstadien von einer reduzierenden Atmosphare umgeben, die Wasserstoff , Methan, Ammoniak und Wasserdampf, aber keinen freien Sauerstoff enthielt. Unter der Einwir- kung des ultravioletten Sonnenlichtes und elektrischer Entladungen sind in cier Atmosphare chemische Umwandlungen abgelaufen, die infolge der all- miihlichen Abdiffusion des Wasserstoffs in den Weltraum zur gegenwartigen Zusammensetzung der Atmosphare gefiihrt haben 3). Durch Laboratoriums- versuche ist gezeigt worden, da13 im Verlauf dieser Entwicklung die Bildung zahlreicher organischer Verbindungen moglich war, deren Existenz als not- wvendige Voraussetzung fur die Entstehung lebender Organismen angesehen ~virdl)~)~). S. L. Miller6), sowie K. Heyns, W. Walter und E. Meyer') und H. A. Rathsacks) erhielten aus Mischungen von Methan, Ammoniak, l) A. I. Oparin, Die Entstehung des Lebens auf der Erde, Autor. dt. ubere. Berlin 11. Leipzig 1949. 2) H. C. Urey, The Planets, Oxford Univ. Press. 1962; l'roc. Xat. Acad. Sci. U. S. A. 38, 351 (1952). 3) W. Kuhn, Chem. Ber. 89, 303 (1956); W. Kuhn u. 9. Rittmann, Geol. Rdsch. *2, 215 (1941). 4) J. D. Bernal, The Physical Basis of Life, London 1957. 5) M. Calvin, Naturwiss. 48, 387 (1966). 6) S. L. Miller, J. Amer. chem. Soa. 77, 2351 (1955). 5) K. Heyns, W. Walter u. E. Meyer, Naturwiss. 44, 385 (1957). 8) H. A. Rathsack, Z. physik. C'hem. Leipzig 206, 285 (1957).

Photochemische Bildung organischer Verbindungen aus Mischungen einfacher Gase

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Photochemiscbe Bildung organischer Verbindungen aus Mischungen einfacher Gase

Von W . Groth und H. v. Weyssenhoff

Mit 3 Abbildungen

Herrn Professor Dr. Wdther Gerlnch zum $0. Geburtstuge gewidmet

Inhaltsiibersioht Es wird gezeigt, da13 sich aus Gasmischungen von Methan bzw. &han mit

Ammoniak und Wasserdampf auf photochemischem Wege einfache organische Verbindungen bilden konnen. Mit Quecksilber sensibilisierte Reaktionen in Nschungen von Athan, Ammoniak und Wasserdampf lieferten einfache Amino- sauren und niedere Fettsiiuren, die quantitativ analysiert wurden. Bei der direkten Photolyse von Methan-Ammoniak-Wasserdampf-Gemischen mit den Resonanzwellenlangen des Xenons wurde Glycin gebildet, das sich durch Papierchromatographie nachweisen lie&

I. Einleitung Nach den Hypothesen von A. I. Oparinl) , H. C. Urey2), W. Kuhn3)

tind J. D. Berna14) war die Erde in fruheren Entwicklungsstadien von einer reduzierenden Atmosphare umgeben, die Wasserstoff , Methan, Ammoniak und Wasserdampf, aber keinen freien Sauerstoff enthielt. Unter der Einwir- kung des ultravioletten Sonnenlichtes und elektrischer Entladungen sind in cier Atmosphare chemische Umwandlungen abgelaufen, die infolge der all- miihlichen Abdiffusion des Wasserstoffs in den Weltraum zur gegenwartigen Zusammensetzung der Atmosphare gefiihrt haben 3). Durch Laboratoriums- versuche ist gezeigt worden, da13 im Verlauf dieser Entwicklung die Bildung zahlreicher organischer Verbindungen moglich war, deren Existenz als not- wvendige Voraussetzung fur die Entstehung lebender Organismen angesehen ~ v i r d l ) ~ ) ~ ) . S. L. Miller6), sowie K. Heyns , W. W a l t e r und E. Meyer') und H. A. Rathsacks) erhielten aus Mischungen von Methan, Ammoniak,

l) A. I. Oparin, Die Entstehung des Lebens auf der Erde, Autor. dt. ubere. Berlin 11. Leipzig 1949.

2) H. C. Urey , The Planets, Oxford Univ. Press. 1962; l'roc. Xat. Acad. Sci. U. S. A. 38, 351 (1952).

3) W. Kuhn, Chem. Ber. 89, 303 (1956); W. Kuhn u. 9. Rittmann, Geol. Rdsch. *2, 215 (1941).

4) J. D. Bernal , The Physical Basis of Life, London 1957. 5) M. Calvin, Naturwiss. 48, 387 (1966). 6) S. L. Miller, J. Amer. chem. Soa. 77, 2351 (1955). 5 ) K. Heyns , W. Walter u. E. Meyer, Naturwiss. 44, 385 (1957). 8 ) H. A. Rathsack, Z. physik. C'hem. Leipzig 206, 285 (1957).

70 Annalen der Physik. 7. Folge. Band 4. 1969

Wasserstof f und Wasserdamp f durch Einwirkung einer elektrischen Funken- entladung zahlreiche Aminosauren, Carbonsauren, Amine und andere orga- nische Verbindungen.

Zu iihnlichen Ergebnissen fiihrten photochemische Untersuchungen in Mischungen von Methan oder k h a n mit Ammoniak und Wasserdampf . iiber die in einer vorliiufigen Verof fentlichungs) berichtet wurde. Es ergab sich, daB bei der Bestrahlung dieser Gasgemische mit geniigend kurzwelligem Licht organische Verbindungen, insbesondere Carbonsiiuren und Aminosauren gebildet wurden.

Es wurden quecksilbersensibilisierte Versuche und direkte Photolysen durchgefuhrt . Fur die Quecksilber-Resonanzlinien stand eine Quarzlampe von ausreichend hoher Intensitat zur Verfiigung ; es konnten jedoch bei Ver- suchen, die mit Quecksilber sensibilisiert waren und an denen Methan beteiligt war, keinerlei Reaktionen festgestellt werden.

Die Photodissoziation des Methans setzt erst unterhalb 1450 A ein; in diesem Bereich ist man auf Lichtquellen mit FluBspat- oder Lithiumfluorid- fenstern angewiesen, welche um GroBenordnungen geringere Intensitaten liefern.

In den sensibilisierten Reaktionen in Gemischen von Bthan, Ammoniak und Wasserdampf bildeten sich auBer hoheren Kohlenwasserstoffen Amino- sauren und niedere Fettsauren in so groBer Menge, daB eine quantitative Analyse durchgefiihrt werden konnte. Bei Versuchen, in denen Gemische von Methan, Ammoniak und Wasserdampf der direkten Photolyse mittels der Resonanzstrahlung des Xenons bei 1470 und 1295 A unterworfen wurden, konnte ein qualitativer Nachweis der analytisch am leichtesten zuganglichen Aminosauren erbracht werden.

11. Apparaturen und analytische Methoden Das fur die sensibilisierten Versuche verwendete Kreislaufsystem besteht

aus einer Quecksilber-Niederdrucklampe, einer mechanischen Umlaufpumpelo), einem Vorratskolben, einem SiedegefaB, einem Kugelkuhler mit einem U-Rohr

und einer Riicklaufleitung (6. Abb. 1). Die Quecksilber- lampe ist aus Quarzglas hergestellt und hat die Ge- stalt eines Liebigkiihlers von 1 m Lange. Ihre Quantenergiebigkeit von 4 . 10l8 Qulsec wurde durch

c die Zersetzung von Mono-

s) W. Groth u. H. \-. We ys s en ho f f , Naturwiss. 44, 510 (1957).

lo) W. Groth, H. Ihle u. A.Murrenhof f ,Angew.Chem. 8S, 605 (1956).

Que&siiberiampe

Abb. 1. Apparatur fur die sensibilisierten Versuche

Grolh u. t. Weyssenhorj: Orgunisde I*erbindungen aus Mischungen eitrfacher Gasp $1

chloressigsaure 11) bestimmt. Bei D tritt aus dem Siedekolben Wasser- dampf in den Gaskreislauf und wird hinter der Lampe zusammen mit deli Realrtionsprodukten im Kuhler kondensiert. Das Kondensat lauft iiber das U-Rohr in den Siedekolben zuriick. Der Ansatz dient zur Fullung mit Wasser und zur Entnahme der Losung nach dem Versuch. Das Steigrohr vom Siede- kolben zur Lampe ist mit einer Heizwicklung versehen, um vorzeitige Konden- sation des Wasserdampfes zu vermeiden.

Bei allen Versuchen mit Sensibilisatoren wurde ein Tropfen Quecksilber in den Mantel der LamDe nebracht und nach dem Evakuieren mit einer Flamme erhitzt, so daR sich ias"Quecksi1ber in feinen Tropfchen uber das game Rohr verteilte.

Fur die Versuche zur direkten Photo- lyse wurde ein Kreislaufsystem ver- wendet, das nach dem Thermosyphon- prinzip arbeitet. In Abb. 2 ist der Auf- bau der Apparatur gezeigt. Der rechte Arm des Systems nird auf etwa 200" C geheizt, wahrend der linke Arm und die Reaktionskammer nacheinander von Kuhlwasser aus einem Thermostaten umflossen werden. Das Wasser, das wiihrend der Versuche die Reaktions- produkte aufnimmt, befindet sich in einem Schiffchen, welches unmittelbar hinter der Reaktionszone angebracht ist . Das Schiffchen u-ird mittels eines Ein- fullkolbchens gefullt. in das vor Clem

Abb. 2. Umlaufapparatur fur die Yer- suche zur direkten Photolpse

Versuch im Vikuum' Wasser einkondensiert u-ird. Die Verbindung zwischen der Apparatur und dem Lampenkorper wird durch eiiie verchromte Metall- fassung, in die ein Fenster aus FluRspat eingekittet ist, mit Hilfe von Schliffen hergestellt. Die Fassung besitzt einen Kuhlmantel und wird vom gleichen Kuhlwasser wie die ubrigen gekiihlten Teile der Apparatur durch- flossen. Das Kuhlwasser hatte bei den ersten Versuchen Zimmertemperatur. Dadurch war der Partialdruck des Wasserdampfes im Innern der Apparatur auf etwa 20 Torr beschrankt. Unter diesen Bedingungen lieBen sich keine Aminosauren nachweisen, woraus ge3chlossen wurde, daB bei diesem Partial- druck durch Photolyse des Wasserdampfes nicht geniigend viele der fur die Bildung der Aminosiiuren notwendigen OH-Radikale erzeugt wurden. In spiiteren Versuchen wurden das Kuhlwasser und alle freien Rohrstiicke des Kreislaufsystems mit Hilfe von Heizwicklungen auf 5 5 O C erwarmt. Dadurch konnte der Partialdruck des Wasserdampfes auf etwa 120 Torr erhoht nerden. Der Temperatur war durch die Eigenschaften des verwendeten Kittmaterials fur das Fenster und die Schliffverbindungen eine obere Grenze gesetzt.

In weiteren Versuchen wurde festgestellt, daB von dem Kittmaterial Spuren in das Reaktionsgemisch gelangten und so eine Reaktion vortauschten. Dies

11) R.N. Smith, P. A.Leighton 11. 14'. G. Leiphton, J. Amer. chem. SOC. 61, 2299 (1939); L.B. Thomas, J. Amer. diem. SOC. 61, 1879 (1940); L. Kuchler u. H. Pick, Z. physik. Chem. B 45, 116 (1940).

72 Annalcn der Physik. 7. Folge. Band 4. 1959

erwies sich besonders storend, da zum Einkitten des Fensters Araldit ver- wendet werden muate, das aus einem Harz und einem stickstof fhaltigen Harter besteht. Diese Fehlerqlielle konnte durch Abschirmung des Kittes mittels einer Teflondichtung beseitigt werden. Hierzu wurde, wie Abb. 3 zeigt, ein ringformig ausgeschnittenes Stuck einer diinnen Teflonfolie auf den

Rand des Fensters gelegt und rnit einem Metallring und einem zylindrischen Gewinde- stuck fest gegen das Fenster geprel3t. Zuvor war die Fuge am Rand des Fensters mit einein nicht stickstoffhaltigen Siliconlack be- strichen worden.

Als Lichtquelle von hoher Intensitat wurde eine Quarzlampe des von P. Hart- eckuiid R. Oppenheimer12) unddemeinen von uns13) entwickelten Typs verwendet. Sie murde mit einer Entladung von etwa 50A in eiiiem Neon-Xenon- Gemisch betrieben

Abb. 3. Anorhung der Teflon- uiid emittierte die Resonanzlinien des Xenons bei 1470 und 1295A. Durch liingeres Um-

pumpen des Neons uber mit flussiger Luft gekuhlte Silicagelfallen wurde eine Edelgasentladung von hoher Reiiiheit erzielt. Der Kopf der Lampe war zwischen den Polen eines Elektromagneten von einigen 1000 Gaul3 gelagert, um die Entladung in der Nahe des Fensters zu bundeln und zu intensivieren. Bei einem Entladuiigsstrom voii 50 A emittierte die Lampe maximal 2 . 10l6 Qulsec, von denen der groBte Teil von den beiden Resonanzwellen- laiigen des Xenons herriihrte.

Die Analyse der Versuchslosungen geschah im wesentlichen nach dem gleichen, aber etwas vereinfachten Schema, das von Miller6) zur Unter- suchung seiner Reaktionsprodukte verweiidet wurde. Zum Nachweis der Aminosiiuren wurde die Papierchromatographie herangezogen ; die genauere Ideiitifizierung und quantitative Bestimmung erfolgte durch Chromato- graphie an Ionenaustauscheni. Zur Bestimmung der Carbonsauren wurde eiiie chromatographische Methode mit Silicagelsiiulen angewandt.

Fur den chromatographischen Test wurde ein Teil der Losung im Vakuum zur Trockene eingedampft. Der Ruckstand wurde mit einem Tropfen Wasser aufgenommen und auf Papierstreifen chromatographiert.

Fur die Aminosauren, die sich bei den direkten photochemischen Reak- tionen gebildet hatten, war dieser papierchromatographische Test die einzige Nachweismethode, die sich als geniigend empfindlich erwies. Von den Reak- tionsprodukten der sensibilisierten Reaktionen wurden die Aminosauren und die Carbonsauren in zwei Fraktionen abgetrennt. Die Versuchslosung durch- lief eine Saule von 30 cm Lange und 1 2 mm Durchmesser, die mit Kationen- austauscher Dowex -50 in H+-Form gefullt war. Auswaschen mit dem vier- fachen Austauschervolumen Wasser lieferte die Fraktion der Carbonsauren und aller Stoffe, die keine Ioiieii bilden. Die zweite Fraktion, die die Amino- sauren enthielt, wurde (lurch Eluieren der Siiule mit 2n Ammoniaklosung

Dichtung

l2) P. Harteck u. R. Oppenheimer, Z. physik. Chem. B 16, 77 (1932). 13) W. Groth, Z. Elektrochem. 42, 533 (1936); Z. physik. Chem. B 37, 307 (1937).

Groth u. v. Weyssenhojj: Orgaiiische Verbindungen aus il!iisehuiagen einfacher Gase 73

gewonnen. Dabei blieben alle Substanzen im Austauscher zuruck, die starker basisch waren als Ammoniak, u. a. auch einfache Amine. Diese Stoffe lieBen sich zwar mit Salzsaure ausw-aschen, konnte aber von dem grol3en UberschuB Ammoniak nicht abgetrennt und nachgewiesen werden.

Die Fraktion der Aminosiiuren wurde im Vakuum zur Trockene einge- clampft, um alles Ammoniak zu vertreiben, und der Ruckstand mit 1 ml Wasser aufgenommen. Die Losung wurde einer chromatographischen Ana- lyse an einem Kationenaustauscher unterzogen, die von S. Moore und W. H. Stein14) entwickelt wurde: die zu untersuchende Probe wird an einer langen Austauschersaule adsorbiert und mit verschiedenen Pufferlo- sungen von steigendem pH-Wert eluiert . Die einzelnen Aminosiiuren er- scheinen in scharf getrennten Fraktionen, deren Positionen genau bekannt und reproduzierbar sind ; sie werden quantitativ aus der Siiule zuruckge- wonnen und nach Zusatz einer Ninhydrinlosung kolorimetrisch bestimmt.

Die Fraktion der Carbonsauren wurde nach dem Verfahren von W. A. Bulen u. a.16) analysiert. Nach Titration mit 1/100 n Natronlauge gegen rn-Kresolrot wurde die Losung auf dem Wasserbad eingedampft. Der trok- kene Ruckstand wurde in 1 ml verdiinnter Schwefelsiiure aufgenommen und an 2 g getrocknetem, feinkornigem Silicagel adsorbiert. Fur eine Analyse wurde die Hiilfte hiervon in Chloroform aufgeschlammt und auf eine 16 cm lange Saule mit dem gleichen Silicagel geschichtet, das zuvor mit 0,5 n Schwe- felsaure prapariert worden war. Eluiert wurde mit Gemischen von Chloro- form und Butanol in der Reihenfolge: 100 ml mit 5y0, 100 ml rnit 15% und 100 ml mit 26% n-Butanol. Das Eluat wurde in Proben von etwa 3 ml aufge- fangen, mit je 10ml Wasser geschuttelt und mit n/100 Natronlauge gegen m-Kresolrot titriert. In Vorversuchen wurden die Positionen von Ameisen- saure, Essigsaure, Propionsaure und Milchsaure ermittelt. Es blieb ohne Ein- fluB auf die Positionen, ob die Sliuren in freier Form oder aus verdunnter Losung titriert und eingeengt vorgelegt wurden.

111. Versuchsergebnisse 1. Sensibilisierte Reaktionen

Vor Beginn jedes Versuches wurde die Apparatur vollstiindig zerlegt, in allen Teilen sorgfaltig gereinigt und wieder zusammengefugt . Nach dem Evakuieren wurde destilliertes, steriles Wasser durch den Ansatzstutzen in den Siedekolben gefullt und die Gase eingelassen, so daB der Gesamtdruck wiihrend cler Versuche etwa 1 Atm. betrug. Die verwendeten Gase lagen mit einem Reinheitsgrad von mindestens 99% in Stahlflaschen vor ; daher schien eine besondere Reinigung nicht notwendig. Wiihrend des Betriebes erwarmte sich die Lampe auf etwa 60" C; dieser Temperatur entsprach ein Partialdruck des Wasserdampfes im Reaktionsraum von etwa 100 Tom. Die Versuchsdauer betrug jeweils 1 Woche.

Bei allen Versuchen mit Gemischen von Methan, Ammoniak und Wasser- dampf wurden keine Anzeichen einer Reaktion beobachtet. Der papier- chromatographische Test der Versuchslosungen war negativ. Auch wenn die

'4) S. Moore u. TV. H. Stein, J. biol. Chem. 211, 893 (1954). 15) IV. A. Bulen u. a., Analyt. Chem. 24, 187 (1962).

74 Annalen der Physik. 7 . Folge. Band 4. 1959

gesamte Losung eingedampft und der Ruckstand auf einem einzigen Papier- streifen konzentriert wurde, blieb das Chromatogramm leer.

Bei den Versuchen mit Mischungen von k h a n , Ammoniak und Wasser- damp f wurde schon nach einem halben Tage eine chemische Umsetzung sichtbar. Im U-Rohr unterhalb des Kuhlers sammelte sich eine farblose Flussigkeit a19 getrennte Schicht iiber dem Wasser, die im wesentlichen aus hoheren Kohlenwasserstof fen bestand und nicht naher untersucht wurde. Die Papierchromatographie der waBrigen Losungen zeigten starke Flecke auf den Positionen von Glycin und or-Alanin ; daneben erschienen einige schwache Flecke, die nicht identifiziert werden konnten. Fur die Ergebnisse war es gleichgutig, ob die Versuche in Gegenwart oder unter AusschluB von Queck- silber als Sensibilisator durchgefuhrt wurden. Die quantitativen Analysen lieferten in beiden Fallen Mengen von der gleichen GroBenordnung . Versuche mit Bthan und Wasserdampf lieferten bei Gegenwart von Quecksilber hohere Kohlenwasserstoffe und Carbonsauren, bei Abwesenheit von Queck- silber zeigte sich keine Reaktion. Bei diesen Versuchen wurde das Wasser mit Natriumhydroxyd alkalisch gemacht, um an Stelle des sonst vorhandeneii Ammoniaks die gebildeten fluchtigen Sauren in der Losung festzuhalten.

Tab. 1 zeigt eine Zusammenstellung der durchgefuhrten Versuche mit Angabe der Zusammensetzung der Gasmischungen.

1 2 3 4 5

Tabelle I

C'H, (200), KH3 (200), H,O 1 + , - - - I

t C,H, (400), NH, (200), H,O ; - - C,H, (GOO), H,O, (XaOH) I -- l -

- - 1 - - i A

1 - 1 ; ; -

C',H, (400), NH, (200), H,O C,H, (GOO), H,O, (NaOH)

Nr. 1

Glycin . . . . . . . . . . . . . . . . a-Alanin . . . . . . . . . . . . . . . .

Insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a-Aminobuttersaure

-

Qase (Torr)

Versucli Kr. 2 3 1 4

._ 32.0 24,s 23,O 12,o

0,2 65,6 36,li

- - 0,5 -

Amino- Carbon- KW- 1 ~g I siiuren I siiuren 1 Stoffe

In Tab. 2 sind die Ergebnisse der quantitativen Analysen der Amino- sauren und der Carbonsiuren in pmol angegeben. Die Werte sind aus mehreren Analysen gemittelt.

Tabelle 2

Ameisensiiure . . . . . . . . . . . . . . 72 82 58

Propionsaure. . . . . . . . . . . . . . 9,6 Easigsilure . . . . . . . . . . . . . . . 1 2;; 1 2;; I 136

Insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . 1 292 I 331 I 203,6

Groth IL. v. Wepsenho j j : Organisehe L*erhindungen utis M ischiirgen eittfrrcher Guae 75

5. Direkte Photolyse Bei den T'ersuchen zur direkten Photolyse stand - verglichen mit deli

sensibilisierten Versuchen - hochstens der tausendste Teil der Lichtquanteii zur Verfugung. Unter der Annahme gleicher Quantenausbeuten fur die Bildung von Aminosauren in beiden Versuchsserien waren gunstigstenfalls einige pg zu erwarten. Diese Mengen liegen nahe an der Grenze der Nach- weisbarkeit. Die Versuche selbst und die analytischen Arbeiten muBten unter extremer Sauberkeit durchgefuhrt und durch standige Leerversuche kontrol- liert werden. Insbesondere wurden abwechselnd mit den eigentlichen Ver- suchen Blindversuche angestellt, in denen Methan oder Ammoniak allein zusammen rnit Wasserdampf unter sonst gleichen Bedingungen belichtet wurde. Bei allen Versuchen betrug der Gesamtdruck der Gase etwas weniger als Atmospharendruck. Die Versuchsdauer lag zwischen 24 und 30 Stunden. Nach Beendigung der Versuche wurde der Inhalt des Schiffchens im Vakuum bis auf einen Tropfen eingeengt und dieser vollstandig auf einige Chromato- gramme, bei den Blindversuchen auf ein Chromatogramm aufgetragen. Erst nachdem die Fensterkittung durch die Teflondichtung abgeschirmt morden war, ergaben die Blindversuche leere Chromatogramme.

Die Reaktionsprodukte spalteten auf den Chromatogrammen in mehrere Flecke auf, von denen einer mit Sicherheit als Glycin identifiziert wurde. Dieser Fleck zeigte in allen Chromatogrammen die gleiche Position wie das eum Vergleich aufgetragene Glycin. Die Ubereinstimmung wurde bei Ver- wendung verschiedener Losungsmittel (n-Butanol-Wasser-Essigsaure- Mischungen und wassergesattigtes Phenol) zum Entwickeln der Streifen beobachtet . Beim Vergleich mit einer Aminosaurenprobe aus sensibilisierten Versuchen stimmten die Positionen des Glycins ebenfalls uberein. Bei einigen Chromatogrammen konnte auf diese Weise auch die Ubereinstimmung eines zweiten Fleckes mit a-Alanin festgestellt werden, jedoch war der Nachweis dieser Aminosaure viel unsicherer, da der Fleck oft durch andere Flecke teilweise iiberdeckt oder in seiner Position verschoben wurde.

IV. Diskiission der Ergebnisse Die Experimente haben gezeigt, daB in Gemischen von Methan. Ammoniak

und Wasserdampf das Methan nicht an sensibilisierten Reaktionen teil- nimmt. Ein Vergleich der Wirkungsquerschnitte 16) fur die Ausloschung der Hg-Resonanz zeigt, daB die TVerte fur Ammoniak bzw. Wasserdampf mit 3,O. 10-l6 om2 bzw. 1,O. 10-l6 cm2 um das 50- bzw. 20-50fache groBer sind als f i i r Methan mit 0,06 . em2. Daher reagiert das angeregte Quecksilber fast ausschliefilich mit den ersten beiden Gasen, und es treten als photo- chemische Primarprodukte nur H-Atome, OH- und NH,-Radikale auf. Wie aus zahlreichen Untersuchungen hervorgeht 17), erweist sich das Methan bis etwa 300" C als vollstandig stabil gegen alle Radikale und Wasserstoffatome.

cm2 nicht viel groljer als beim Methan, so daB nur ein kleiner Teil der Athylradikale primar

Beim dthan ist der Ausloschquerschnitt mit 0,11 .

Is) J. R. Bates , J. Amer. chem. Soc. 52, 3862 (1930); W. C . E v a n s , J. clltm. Phy-

l7) P. Harteclr, I<. F. Ronhoeffer 11. K. H. Geib, Z. physilr. ('hem. 139 A, 64 sics 2, 446 (1934).

(1928) iind 170 A, 1 (1934).

76 dnnalen der Physik. 7. Folge. Bnnd 4. 1919

durch die Reaktion Hg* + --f C2H5 + + Hg

gebildet wird. Der Hauptteil entsteht bei der Reaktion des hthans mit den aus Ammoniak und Wasserdampf freiwerdenden Wasserstoffatomenls) :

C2H5 + H --f C,Hf + --f CZH5 + HZ

C,HZ -> CH, + CH3.

Dalj das k h a n vorwiegend durch diese Sekundiirprozesse gespalten wird, bestatigen die Resultate der Versuche ohne Sensibilisator. In diesen ist Ammoniak der einzige Reaktionspartner, der durch direkte Photolyse in NH, und H aufgespalten wird. Zur direkten Djssoziation des Bthans und des Wasserdampfes reicht die Energie der Lichtquanten nicht aus l8)lS) ; daher erfolgte in den Versuchen mit k h a n und Wasserdampf allein nur in Gegen- wart des Sensibilisators eine Reaktion.

Bei Bestrahlung der Mischungen von Methan, Ammoniak und Wasser- dampf mit den Resonanzwellenlangen des Xenons spielen sich folgende Primarreaktioiien ab :

CH, + hv -+ CH, + H NH, + hv -+ NH, + H H , O + h v + O H + H .

Die Absorptionskoeffizienten fur die Wellenlangen 1295 und 1470 sind den Messungen von W a t a n a b e , Zelikoff und Inn20) entnommen (Tab. 3). Sie liegen bei allen drei Gasen fur die Wellenlange 1295 A in vergleichbarer

GroBenordnung, wahrend die Wellen- Tabelle 3 - lange 1470 A beim Methan keinen

\VeIlenliinge (A) I 1295 I 1470 merklichen Beitrag liefert. Die Radi- kale CH,, NH2 und OH liegen daher neben H-Atomen in Konzentrationen von annahernd gleicher GroBenord- ''" nung als Primarkomponenten vor.

Unter den Reaktionsprodukten konnte nur Glycin sicher nachgewiesen werden. Ein Grund fur die kleinen Ausbeuten ist vermutlich darin zu suchen, daB aus der direkten Photolyse nur CH,-Radikale, bei den sensibilisierten Reaktionen aber im wesentlichen C2H5-Radikale primiir gebildet werden . \Venn angenommen wird, daI3 im Reaktionsverlauf der sensibilisierten Photo- lyse die C-C-Bindung des Glycins bereits von dem Bthylradikal geliefert wird *), mu&e die C-C-Bindung im Reaktionsablauf der direkten Photolyse erst aufgebaut werden. Hierzu ware mindestens ein zusatzlicher Schritt

In) B.Darwentu.E. W. R. Steac ie , J.cIieiii.Physics16,381 (1948); B.Darwent, J. chem. Physics 18, 1532 (1950).

la) H. Senft leben u. J. Rehren, Z. Physik. 37, 529 (1926). 20) K. Watanabe, M. Zelikoff u. E. C. Y. Inn, Air Force Cambr. Res. Centre,

Techn. Rep. N 53/23. *) Fur diese Annahme spricht, da13 die Analgse der C'arbonsauren etwa die dreifache

Menge Essigsiiure gegeniiber Bmeisensaure ergeben hat.

Ammoniak . . . . , 100 Wasserdampf . . . ' 200 460 1 % Methan . . . . . . ,

~~ ~

Grolh u. v. Weyssenhoff: Orgunisehe Verbindungen atis Yischunyen einfucher Gase 'S'T

notig ; daher ist die Bildung von Glycin uber MeOhylradikale weniger wahr- scheinlich als uber Athylradikale.

fZber die Einzelheiten der Reaktionsmechanismen lassen sich aus den ge- WonnenenErgebnissen keine weiterenAussagen machen. Durch den Nachweis von Carbonsiiuren in sensibilisierten Versuchen mit k h a n und Wasserdampf konnte lediglich gezeigt werden, daQ der Mechanismus, der zum Aufbau einer Carboxylgruppe fuhrt, ohne stickstoffhaltige Zwischenprodukte vonstatten gehen kann .

Die quantitativen Analysen der Aminosiiuren wurden im Institut fur Anatomie und Physiologie der Haustiere der Universitiit Bonn durchgefuhrt, wofiir wir Hewn Dr. Krampitz zu besonderem Dank verbunden sind.

Die Durchfuhrung dieser Arbeit wurde durch Mittel der Deutschen For- schungsgemeinschaft und des Geophysical Research Directorate ermoglicht .

Bonn, Institut fur Physikalische Chemie der Universitiit.

Bei der Redaktion eingegangen am 9. Marz 1959.