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Sonnenenergie Nachr. Chem. Tech. Lab. 38 (1990) Nr. 12 Photoelektrochemische Solarenergienu tzung Nach einer euphorischen Periode in den siebziger Jahren, als viele Arbeitsgrup- pen dem Durchbruch bei der photoelek- trochemischen Sonnenenergie-Konver- sion nahe zu sein glaubten, haben nach der folgenden Erniichterung viele der beteiligten Wissenschaftler das Hand- tuch geworfen. Zu den standhaft Geblie- benen gehort eine Arbeitsgruppe des noch jungen lnstituts fur Solarenergie- forschung (Hannover). Ungeloste Grund- satzfragen gibt es mehr als genug. Funkiibertragungsstationen auf Berggipfeln, entlegene Bauernhofe, Gartenleuchten, Ta- schenrechner u. a. GroBe Photovoltaik- Kraftwerke haben Test- und Modellcharak- ter. Alle diese Systeme nutzen Festkorper- Zellen aus einkristallinem, polykristallinem oder amorphem Silicium, einzelne Anlagen auch aus Galliumarsenid, Kupfernndium- diselenid oder Cadmiumsulfid/Kupfersulfid. Eine weltweite solare Wasserstoff-Wirt- schaft auf der Basis einer Koppelung dieser Zellen mit Elektrolyseuren erscheint als mogliche Zukunftsperspektive und wird auch durch GroBprojekte erprobt. Die Her- stellung dieser Zellen ist allerdings kompli- ziert, energieaufwendig und teuer. Vor diesem Hintergrund war Anfang der siebziger Jahre eine Veroffentlichung von Fujishima und Honda interessant, in der ei- ne photoelektrochemische Zelle zur direk- ten Wasserspaltung vorgestellt wurde3). Da- mit schien der Durchbruch fur ein Arbeits- gebiet geschafft, das bis zu diesem Zeit- punkt nur in sehr wenigen Arbeitsgruppen in der Welt bearbeitet worden war: die Halbleiter- oder Photoelektrochemie. Gera- dezu Euphorie brach aus, als im Jahre 1981 gemeldet wurde, man miisse nur Titandi- oxid- oder besser noch (weil auch den sicht- baren Teil des Sonnenspektrums nutzend) Cadmiumsulfid-Pulver, wie sie als Farbpig- mente in riesigen Mengen hergestellt wer- den, in einem einfachen nafichemischen Schritt mit geeigneten Katalysatoren be- schichten und als waBrige Suspensionen in die Sonne stellen, dann wiirde sich Wasser sozusagen von selbst in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen4). Die Zahl der auf die- sem Gebiet arbeitenden Gruppen und ihrer Veroffentlichungen stieg daraufhin sofort an. Die Begeisterung lieB aber wieder nach, als sich publizierte Ergebnisse als nicht re- produzierbar enviesen und man feststellte, daB die Realisierung einer photoelektroche- mischen Wasserspaltung weit schwieriger ist, als urspriinglich angenommen wurde. Eine Reihe von Gruppen hat darum inzwischen ihre Arbeiten auf diesem Gebiet wieder ein- gestellt . In unserer Arbeitsgruppe, die auch an der Aufklarung der oben genannten Falschmel- dungen beteiligt war, werden die schon im Jahre 1962 begonnenen Arbeiten') aber bis heute fortgesetzt - nicht nur, weil die Pho- toelektrochemie ein faszinierendes interdis- ziplinares Forschungsgebiet mit einer Viel- zahl auch praktischer Anwendungen im Be- reich der Halbleiter-Technologie ist, son- dern auch, weil es uns bis heute nicht ausge- schlossen scheint, daB der HalbleiterElek- trolyt-Kontakt einmal einen eigenen Beitrag zur einzig wirklich umweltvertraglichen Er- zeugung hochwertiger Energietrager liefern wird: der Solarenergieumwandlung. Prinzipien photoelektrochemi- scher Lichtenergieum wandlung Drohende Umweltgefahren und die Begren- zung der Ressourcen fossiler Brennstoffe er- fordern eine rasche ErschlieBung regenerati- ver Energiequellen und eine intensive For- schung beziiglich ihrer Nutzbarmachung. Schon heute steht eine Reihe von Verfahren zur Verfiigung. Ihr Einsatz ist allerdings aus Kostengriinden noch begrenzt. Zur Forde- rung der Forschung auf dem Gebiet der So- larenergieumwandlung und der Entwicklung von entsprechenden Nutzungsverfahren hat die Niedersachsische Landesregierung 1987 das Institut fur Solarenergieforschung ge- griindet. Das Forschungsprogramm des In- stituts ist einerseits Aufgaben gewidmet, die kurz- oder mittelfristig kostengiinstige Lo- sungen fur die Nutzung von Solarenergie versprechen, wie z. B. in den Bereichen pas- sive Solarenergienutzung (,,Solarhauser"), solare Warm- und Heiawassererzeugung (,,Sonnenkollektoren") und photovoltaische Versorgung von dezentralen Kleinsystemen (,,Solarzellen-Systeme"). Andererseits wer- den im Bereich der Materialforschung auch langfristige Forschungsziele auf den Gebie- ten Photoelektrochemie, Materialentwick- lung und Diinnschichttechnologie verfolgt. Diese letzten beiden dienen der Untersu- chung neuer photovoltaischer Materialien z. B. aus organischen Farbstoffschichten') ebenso wie der Entwicklung leitfahiger Schutzschichten fur solare Anwendungen oder selektiver Absorberschichten fur Son- nenkollektoren aus amorphen Kohlenwas- serstoffschichten*). Im folgenden Beitrag sol- len die Grundlagen und Ziele des Bereiches Photoelektrochemie vorgestellt werden. Solarenergieum wandlung am Halbleiter/Elektrolyt-Kon ta kt Die direkte Umwandlung von Sonnenlicht in elektrischen Strom mit Hilfe von Solarzellen hat sich in der Praxis langst bewahrt. Ener- gieautarke photovoltaische Anlagen speisen nicht nur Satelliten und Weltraumstationen, sondern auch Leuchtbojen auf hoher See, 1490 0341-5163/90/1212-1490 $ 3.50+.25/0 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1990 Die photoelektrochemische Umwandlung von Lichtquanten in elektrischen Strom oder direkt in speicherbare chemische Energietra- ger erfolgt in drei Stufen: 0 Absorption von Photonen durch Anre- gung von Elektronen aus dem elektroni- schen Grundzustand in einen angeregten Zustand ausreichender Lebensdauer, 0 Ladungstrennung des angeregten Elek- trons vom positiv geladenen Defektelektron (,,Loch") in einem elektrischen Feld, 0 Nutzung der Anregungsenergie des Elek- trons durch Reduktion und der des Defekt- elektrons durch Oxidation geeigneter Mole- kiile in einem Elektrolyten. Der erste Schritt kann im Prinzip in jedem farbigen Material stattfinden, auch - wie bei photochemischen Reaktionen - in einem einzelnen Molekiil. AuBer in photochemisch sensibilisierten Reaktionen (s. u.) wird in der Photoelektrochemie allerdings wie in der Photovoltaik ein Halbleitermaterial ein- gesetzt, in dem ein Elektron aus dern vollbe- setzten Valenzband iiber eine Bandliicke ge- eigneter energetischer Breite in das unbe- setzte Leitungsband angeregt wird. Darge- stellt wird dies, wie in der Festkorperphysik iiblich, in einem (Elektronen-)Energie-Dia- gramm, wie es in den folgenden Abbildun- gen benutzt wird. Meist sind nur die Ober- kante des Valenzbandes und die Unterkante des Leitungsbandes dargestellt, da das gebil- dete ElektronenLoch-Paar nach der Licht- anregung eines Elektrons iiber die Bandliik- ke sehr schnell zu den Bandkanten hin rela- xiert. Auch nach Absorption eines sehr energiereichen Lichtquants, das zunachst zur Bildung von sogenannten ,,heiBen" La- dungstragern fiihrt, bleibt damit in dem Halbleiter nur die der Bandliicke entspre- chende Energie gespeichert. Die iiberschiis- sige Energie wird durch die thermische Re- laxation der Ladungstrager als Warme (Pho- nonen) an das Kristallgitter abgegeben. Damit ergibt sich in der Photoelektrochemie wie in der Photovoltaik die Notwendigkeit, ein Halbleitermaterial mit einer fiir die So- larenergienutzung optimal geeigneten Band- liicke auszuwahlen (vgl. Abbildung 1). 1st sie zu klein, wie dies auch bei dem photovol- taischen Standardmaterial Silicium mit 1,l eV der Fall ist, so wird zwar ein groBer Teil

Photoelektrochemische Solarenergienutzung

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Sonnenenergie Nachr. Chem. Tech. Lab. 38 (1990) Nr. 12

Photoelektrochemische Solarenergienu tzung

Nach einer euphorischen Periode in den siebziger Jahren, als viele Arbeitsgrup- pen dem Durchbruch bei der photoelek- trochemischen Sonnenenergie-Konver- sion nahe zu sein glaubten, haben nach der folgenden Erniichterung viele der beteiligten Wissenschaftler das Hand- tuch geworfen. Zu den standhaft Geblie- benen gehort eine Arbeitsgruppe des noch jungen lnstituts fur Solarenergie- forschung (Hannover). Ungeloste Grund- satzfragen gibt es mehr als genug.

Funkiibertragungsstationen auf Berggipfeln, entlegene Bauernhofe, Gartenleuchten, Ta- schenrechner u. a. GroBe Photovoltaik- Kraftwerke haben Test- und Modellcharak- ter. Alle diese Systeme nutzen Festkorper- Zellen aus einkristallinem, polykristallinem oder amorphem Silicium, einzelne Anlagen auch aus Galliumarsenid, Kupfernndium- diselenid oder Cadmiumsulfid/Kupfersulfid. Eine weltweite solare Wasserstoff-Wirt- schaft auf der Basis einer Koppelung dieser Zellen mit Elektrolyseuren erscheint als mogliche Zukunftsperspektive und wird auch durch GroBprojekte erprobt. Die Her- stellung dieser Zellen ist allerdings kompli- ziert, energieaufwendig und teuer. Vor diesem Hintergrund war Anfang der siebziger Jahre eine Veroffentlichung von Fujishima und Honda interessant, in der ei- ne photoelektrochemische Zelle zur direk- ten Wasserspaltung vorgestellt wurde3). Da- mit schien der Durchbruch fur ein Arbeits- gebiet geschafft, das bis zu diesem Zeit- punkt nur in sehr wenigen Arbeitsgruppen in der Welt bearbeitet worden war: die Halbleiter- oder Photoelektrochemie. Gera- dezu Euphorie brach aus, als im Jahre 1981 gemeldet wurde, man miisse nur Titandi- oxid- oder besser noch (weil auch den sicht- baren Teil des Sonnenspektrums nutzend) Cadmiumsulfid-Pulver, wie sie als Farbpig- mente in riesigen Mengen hergestellt wer- den, in einem einfachen nafichemischen Schritt mit geeigneten Katalysatoren be- schichten und als waBrige Suspensionen in die Sonne stellen, dann wiirde sich Wasser sozusagen von selbst in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen4). Die Zahl der auf die- sem Gebiet arbeitenden Gruppen und ihrer Veroffentlichungen stieg daraufhin sofort an. Die Begeisterung lieB aber wieder nach, als sich publizierte Ergebnisse als nicht re- produzierbar enviesen und man feststellte, daB die Realisierung einer photoelektroche- mischen Wasserspaltung weit schwieriger ist, als urspriinglich angenommen wurde. Eine Reihe von Gruppen hat darum inzwischen ihre Arbeiten auf diesem Gebiet wieder ein- gestellt . In unserer Arbeitsgruppe, die auch an der Aufklarung der oben genannten Falschmel- dungen beteiligt war, werden die schon im Jahre 1962 begonnenen Arbeiten') aber bis heute fortgesetzt - nicht nur, weil die Pho- toelektrochemie ein faszinierendes interdis- ziplinares Forschungsgebiet mit einer Viel- zahl auch praktischer Anwendungen im Be- reich der Halbleiter-Technologie ist, son- dern auch, weil es uns bis heute nicht ausge- schlossen scheint, daB der HalbleiterElek-

trolyt-Kontakt einmal einen eigenen Beitrag zur einzig wirklich umweltvertraglichen Er- zeugung hochwertiger Energietrager liefern wird: der Solarenergieumwandlung.

Prinzipien photoelektrochemi- scher Lich tenergieum wandlung

Drohende Umweltgefahren und die Begren- zung der Ressourcen fossiler Brennstoffe er- fordern eine rasche ErschlieBung regenerati- ver Energiequellen und eine intensive For- schung beziiglich ihrer Nutzbarmachung. Schon heute steht eine Reihe von Verfahren zur Verfiigung. Ihr Einsatz ist allerdings aus Kostengriinden noch begrenzt. Zur Forde- rung der Forschung auf dem Gebiet der So- larenergieumwandlung und der Entwicklung von entsprechenden Nutzungsverfahren hat die Niedersachsische Landesregierung 1987 das Institut fur Solarenergieforschung ge- griindet. Das Forschungsprogramm des In- stituts ist einerseits Aufgaben gewidmet, die kurz- oder mittelfristig kostengiinstige Lo- sungen fur die Nutzung von Solarenergie versprechen, wie z. B. in den Bereichen pas- sive Solarenergienutzung (,,Solarhauser"), solare Warm- und Heiawassererzeugung (,,Sonnenkollektoren") und photovoltaische Versorgung von dezentralen Kleinsystemen (,,Solarzellen-Systeme"). Andererseits wer- den im Bereich der Materialforschung auch langfristige Forschungsziele auf den Gebie- ten Photoelektrochemie, Materialentwick- lung und Diinnschichttechnologie verfolgt. Diese letzten beiden dienen der Untersu- chung neuer photovoltaischer Materialien z. B. aus organischen Farbstoffschichten') ebenso wie der Entwicklung leitfahiger Schutzschichten fur solare Anwendungen oder selektiver Absorberschichten fur Son- nenkollektoren aus amorphen Kohlenwas- serstoffschichten*). Im folgenden Beitrag sol- len die Grundlagen und Ziele des Bereiches Photoelektrochemie vorgestellt werden.

Solarenergieum wandlung am Halbleiter/Elektrolyt-Kon ta kt Die direkte Umwandlung von Sonnenlicht in elektrischen Strom mit Hilfe von Solarzellen hat sich in der Praxis langst bewahrt. Ener- gieautarke photovoltaische Anlagen speisen nicht nur Satelliten und Weltraumstationen, sondern auch Leuchtbojen auf hoher See,

1490 0341-5163/90/1212-1490 $ 3.50+.25/0 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1990

Die photoelektrochemische Umwandlung von Lichtquanten in elektrischen Strom oder direkt in speicherbare chemische Energietra- ger erfolgt in drei Stufen: 0 Absorption von Photonen durch Anre- gung von Elektronen aus dem elektroni- schen Grundzustand in einen angeregten Zustand ausreichender Lebensdauer, 0 Ladungstrennung des angeregten Elek- trons vom positiv geladenen Defektelektron (,,Loch") in einem elektrischen Feld, 0 Nutzung der Anregungsenergie des Elek- trons durch Reduktion und der des Defekt- elektrons durch Oxidation geeigneter Mole- kiile in einem Elektrolyten. Der erste Schritt kann im Prinzip in jedem farbigen Material stattfinden, auch - wie bei photochemischen Reaktionen - in einem einzelnen Molekiil. AuBer in photochemisch sensibilisierten Reaktionen (s. u.) wird in der Photoelektrochemie allerdings wie in der Photovoltaik ein Halbleitermaterial ein- gesetzt, in dem ein Elektron aus dern vollbe- setzten Valenzband iiber eine Bandliicke ge- eigneter energetischer Breite in das unbe- setzte Leitungsband angeregt wird. Darge- stellt wird dies, wie in der Festkorperphysik iiblich, in einem (Elektronen-)Energie-Dia- gramm, wie es in den folgenden Abbildun- gen benutzt wird. Meist sind nur die Ober- kante des Valenzbandes und die Unterkante des Leitungsbandes dargestellt, da das gebil- dete ElektronenLoch-Paar nach der Licht- anregung eines Elektrons iiber die Bandliik- ke sehr schnell zu den Bandkanten hin rela- xiert. Auch nach Absorption eines sehr energiereichen Lichtquants, das zunachst zur Bildung von sogenannten ,,heiBen" La- dungstragern fiihrt, bleibt damit in dem Halbleiter nur die der Bandliicke entspre- chende Energie gespeichert. Die iiberschiis- sige Energie wird durch die thermische Re- laxation der Ladungstrager als Warme (Pho- nonen) an das Kristallgitter abgegeben. Damit ergibt sich in der Photoelektrochemie wie in der Photovoltaik die Notwendigkeit, ein Halbleitermaterial mit einer fiir die So- larenergienutzung optimal geeigneten Band- liicke auszuwahlen (vgl. Abbildung 1). 1st sie zu klein, wie dies auch bei dem photovol- taischen Standardmaterial Silicium mit 1 , l eV der Fall ist, so wird zwar ein groBer Teil

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Abb. 1. Die energetische Lage der Lei- tungs- und der Valenzbandkanten haufig verwendeter Halbleitermaterialien im Kontakt zu waRrigen Elektrolyten. Der Bezugspunkt ist entweder das Vakuum- niveau der Elektronen oder das Poten- tial einer Referenzelektrode (Normal- wasserstoffelektrode = NHE oder ge- sattigte Kalomelelektrode = SCE). Die Bandpositionen hangen nicht von der Dotierung (n,p), jedoch haufig von der Belichtung ab (d = dunkel, I = Licht). Auf der rechten Seite ist dies fur die von uns untersuchten Halbleitermateria- lien (Till, CdS, GaAs) dargestellt. Fur die Wasserspaltung ist es notwendig, daR sich das Leitungsband oberhalb des Wasserstoffpotentials (rechts darge- stellt) und das Valenzband unterhalb des Sauerstoffpotentials befinden. An- gegeben ist auch die Bandliicke des Halbleiters in eV.

Abb. 2. Das Prinzip der Entstehung von Raumladungszonen am Halbleiter/Elek- troly-Konta kt, a) €in n-Halbleiter (links) und ein p-Halb- leiter (rechts) vor dem Kontakt mit dem Elektrolyten. Die Bander sind flach; es existiert keine Raumladungszone. b) n- bzw. p-Halbleiterelektroden im Kontakt mit dem Elektrolyten. Durch Austausch von Ladungstragern hat sich das Ferminiveau EF des Halbleiters im Gleichgewicht auf das Redoxpotential des Elektrolyten eingestellt. Durch den Ladungsaustausch hat sich eine Raum- ladungszone und damit ein elektrisches Feld an der Grenzflache ausgebildet. c) n- bzw. p-Halbleiterelektroden bei Be- lichtung. Das Ferminiveau spaltet sich in je ein Quasi-Ferminiveau fur Minori- tats- und Majoritatsladungstrager auf Durch das elektrische Feld werden die Ladungstrager getrennt und fiihren an der n-Elektrode zur Oxidation und an der p-Elektrode zur Reduktion des Redoxsy- stems. Fehlt ein Redoxsystem im Elek- trolyten, wird bei Erreichen der entspre- chenden Potentiale Wasser oxidiert bzw. reduziert

des Sonnenlichts absorbiert, aber nur ein kleiner Anteil davon als Anregungsenergie gespeichert. Materialien rnit zu groljer Bandliicke (wie das photoelektrochernische Standardmaterial Titandioxid: Bandliicke 3,2 eV), konnen nur den kurzwelligen An- teil des Lichts nutZen*). Das zur raumlichen Ladungstrennung not- wendige elektrische Feld entsteht irn Halb- leitermaterial im Prinzip an jeder Grenzfla- che zu einem anderen Material, dessen Aus- trittsarbeit sich von der eigenen unterschei- det. Liegt die durch Dotierung des Halblei- ters eingestellte Elektronenenergie im

*) Fur die Umrechnung der Lichtwellen- lange in Energie gilt: Photoenergie in eV = 12401Wellenlange in nrn

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Festkorper (das Ferminiveau EF, Abbildung 2a) hoher (elektrochemisch gesehen katho- discher) als die Energie eines Elektrons in dem gewahlten Redoxsystem (das Redox- potential), so stellt sich beim Eintauchen des Halbleiters in den Elektrolyten das thermo- dynamische Gleichgewicht ein, indem Elek- tronen den Halbleiter unter Zurucklassung elektrisch nicht mehr kompensierter positiv geladener Dotierungsatome verlassen und die oxidierte Form des Redoxsystems redu- zieren. Die ortsfesten positiven Ladungen im Halbleiter bilden dann eine elektrische Raumladung, deren elektrisches Feld im Gleichgewichtsfall den Gradienten im che- mischen Potential kompensiert (Abbildung 2b). Damit laBt sich die an einem Kontakt entstehende Bandverbiegung, die modellma- Bige Darstellung dieses elektrischen Feldes, durch Auswahl eines Halbleiters geeigneter Austrittsarbeit, aber auch durch Wahl eines geeigneten Elektrolyten bzw. eines Redox- systems mit geeignetem Redoxpotential (d. h. mit der der Austrittsarbeit entspre- chenden GroRe) vorgeben. Die energeti- schen Verhaltnisse des fur die Photoelektro- chemie charakteristischen HalbleiterlElek- trolyt-Kontakts entsprechen damit in erster Naherung denen eines Halbleiterhfetall- (Schottky-)Kontakts. Die Lichtabsorption in der Raumladungszo- ne des Kontakts fuhrt damit im n-Leiter zur Drift des angeregten Elektrons entlang der Leitungsband-Unterkante ins Innere des Festkorpers, wahrend das Defektelektron zum Elektrolyt-Kontakt driftet (Abbildung 2c). An der Oberflache des p-Leiters, in dem negativ geladene Dotierungsatome das umgekehrt gerichtete Feld (nach unten ge- bogene Bander) aufbauen, gelangen unter Belichtung Elektronen im Leitungsband an die Grenzflache zum Elektrolyten. In beiden Fallen schlieBt sich ein elektrochemischer Schritt an: Ladungstransfer und das Wegdif- fundieren des durch Oxidation (am n-Halb- leiter) bzw. Reduktion (am p-Halbleiter) ge- bildeten Produkts. Die jeweiligen Gegenla- dungen wandern im elektrischen Feld ins In- nere der Elektrode und bauen die bei der Gleichgewichtseinstellung mit dem Elektro- lyten entstandene Bandverbiegung ab sowie zwischen Ruckkontakt und Elektrolyt die Photospannung auf. Diese wird in den Ener- giediagrammen durch die Aufspaltung des Ferminiveaus, das im Gleichgewichtsfall die Konzentrationen von Elektronen im Lei- tungs- und Defektelektronen im Valenzband beschreibt, in das sogenannte Quasi-Fermi- niveau der Elektronen (EF,") und das der Defektelektronen (EF,p) dargestellt. Die Differenz zwischen beiden kann in einem externen elektrischen Kreis als Photospan- nung und damit zur Erzeugung elektrischer Energie genutzt werden, oder sie steht zur elektrolytischen Erzeugung chemischer Brennstoffe zur Verfiigung. Fur die photoelektrolytische Brennstoffher- stellung, das Hauptziel der Photoelektroche- mie, ergibt sich damit eine Reihe von Bedin- gungen, die hier am Beispiel der Wasser-

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Abb. 3. Der theoretische Wirkungsgrad der Wasserspaltung fur ein solares AMO-Spektrum in Abhangigkeit vom Bandabstand des Halbleiters fur eine Anordnung mit einer Photoelektrode und einer Metallgegenelektrode (a) so- wie fur eine 2-Photoelektroden-Anord- nung mit Halbleitern gleicher Bandliicke

stoffproduktion durch direkte Wasserspal- tung erlautert seien: 1. Die mit dem Halbleiter erreichbare Pho- tospannung (Aufspaltung der Quasi-Fermi- niveaus) mu13 groBer sein als die zur Elek- trolyse notwendige Spannung. Diese setzt sich aus der thermodynamischen Zerset- zungsspannung (fur Wasser 1,23 V), der zur Erzielung einer bestimmten Stromdichte notwendigen Diffusions-Uberspannung, ei- ner fur die Grenzflache des speziellen Halb- leitermaterials jeweils charakteristischen ki- netischen Uberspannung sowie den Span- nungen zusammen, die an den im elektri- schen Kreis auftretenden Widerstanden (be- sonders im Elektrolyten, im Halbleiter und an den Kontakten) abfallen. 2. Nach Aufbau der Photospannung muB noch eine Bandverbiegung bestehen blei- ben, damit das damit verbundene elektri- sche Feld die bei Belichtung gebildeten ElektronenLoch-Paare raumlich trennen und eine Rekombination verhindern kann. Ferner kann wegen der nicht vermeidbaren strahlenden Rekombination die Photospan- nung (Aufspaltung der Quasi-Ferminiveaus) nur einen urn etwa 0,5 V kleineren Wert erreichen, als der Bandlucke entspricht. Dieser Einschrankung unterliegen Festkor- per-Solarzellen in gleicher Weise. 3. Um eine Ladungsubertragung zum Elek- trolyten zu ermoglichen, mussen die Band- kanten an der Grenzflache zum Elektrolyten geeignete Energien besitzen. Fur die Was- serreduktion mu6 das Leitungsband soweit oberhalb (kathodisch) vom Reduktionspo- tential des Wassers (Wasserstoff-Potential, in neutraler Losung - 0,42 V gegen NHE**)) und das Valenzband soweit unter- halb des Oxidationspotentials des Wassers (Sauerstoff-Potential, in neutraler Losung + 0,81 V gegen NHE) liegen, daB die Bedin- gung 1 noch erfiillt werden kann. Sind diese Bedingungen erfiillt, so ist das

(b). Die Falle I bis 1V entsprechen ange- nommenen Verlustiiberspannungen im gesamten Stromkreis von 0 mV, 3110 mV, 500 mV bzw. 700 mV. Der theoretische Wirkungsgrad fur regenerative Zellen bzw. p/n-Zellen (gestrichelt dargestellt) ist iden tisch.

Halbleitermaterial prinzipiell fur die direkte photoelektrochemische Wasserspaltung ge- eignet. Wie aus Abbildung l hervorgeht, gilt dies nur fur wenige Halbleitermaterialien. Aber selbst diese produzieren mit der einzi- gen Ausnahme des Strontiumtitanats bei Be- strahlung nicht Wasserstoff und Sauerstoff. Dies ist bei den meisten n-leitenden Mate- rialien darauf zuruckzufuhren, daR die an die Oberflache des Halbleiters gelangenden Defektelektronen (also meist fehlende Bin- dungselektronen) eher zur Oxidation und damit zur Auflosung des Halbleiters selbst fuhren als zur Oxidation des Wassers. In jedem Fall ergibt sich aber aus der Bedin- gung 1 ein maximal erreichbarer Wirkungs- grad von etwa 25 %, bei realistisch ange- nommenen Uberspannungen von etwa 0,3 V jedoch nur einer von etwa 17 %, da dann die notwendige Bandliicke nur die Ausnut- zung eines kleinen Teils des Sonnenspek- trums erlaubt (Abbildung 3). Ein Ausweg liegt in der Zusammenschaltung zweier Halbleitermaterialien kleinerer Bandlucken und entgegengesetzter Dotierung. Von die- sen muB entsprechend der Bedingung 3 der n-Halbleiter eine fur die Wasseroxidation geeignete Lage des Valenzbandes, der p-

**) Der elektrochemische Standard-Be- zugspunkt fur die Angabe von Redoxpo- tentialen, das Potential der Normal-Wasser- stoffelektrode (NHE), entspricht einem Wert von etwa - 4,7 eV bezogen auf das sogenannte Vakuum-Niveau, dem Bezugs- zustand der Festkorperphysik. Da die Ener- gieskala in der Festkorperphysik das umge- kehrte Vorzeichen wie in der Elektrochemie besitzt, entspricht der Wert - 0,42 V (NHE) einem zum Beispiel in der Photoelektro- nenspektroskopie ublichen Wert von - 4,28 eV.

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Abb. 4. Das Prinzip der regenerativen elektrochemischen Solanelle. Am n- Halbleiter wird bei Belichtung das Re- doxsystem oxidiert und an der Metall- elektrode wieder reduziert. Die Zelle gibt die Leistung 1.U ab.

Abb, 5. €in Vergleich von Stromspan- nungskurven und Energiediagrammen einer Metallelektrode, einer idealen n- Halbleiterelektrode und einer realen n- Halbleiterelektrode. Anodisch bzw. ka- thodisch vom Redoxpotential (Pfeile + und -) wird an der Metallelektrode (a) das Redoxsystem oxidiert bzw. redu- ziert. Bei entsprechend anodischedka- thodischen Potentialen entsteht Sauer- stoff bzw. WasserstoiX An einer n-Halb- leiterlektrode sind nur bei Belichtung anodische Strome zu beobachten. Bei idealen Elektroden (b) sollte der Photo- strom nahe des Flachbandpotentials (EF,J einsetzen. Bei realen Elektroden beginnt er jedoch haufig erst bei we- sentlich anodischeren Potentialen (durchgezogene anodische Kurve), ledig- lich kumeitige Photostromtransienten (gestrichelte anodische Kuwe) beginnen nahe dem Flachbandpotential. Der ka- thodische Strom im Dunkeln hangt stark von der Wahl des Redoxsystems ab (durchgezogene und gestrichelte katho-

dische Strame). Fur reale Halbleiterelek- troden (c) kann das Flachbandpotential und damit die Bandverbiegung von der

Halbleiter eine fur die Wasserstoffbildung geeignete Lage des Leitungsbandes besitzen. Die mit einer solchen 2-Photoelektroden- Anordnung maximal erreichbaren Wir- kungsgrade sind in Abbildung 3 b dargestellt und liegen fur realistische Falle gunstiger.

Aktueller Stand der Forschungen Die Untersuchung der grundlegenden Prin- zipien der photoelektrochemischen Ener- gieumwandlung und die Entwicklung ener- getischer Modelle fur den Ladungstransport liegen bereits mehr als 25 Jahre zuruck5). Dennoch blieben einige ganz entscheidende, grundlegende Fragen ungeklart. Dazu ge- horte, daB uber grundsatzliche Beschran- kungen im erreichbaren Wirkungsgrad keine ausreichende Klarheit bestand. Wie oben

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beschrieben, fallt ja zunachst die Analogie des fur die Photoelektrochemie charakteri- stischen HalbleiterElektrolyt-Kontakts mit einem HalbleiterMetall- oder Schottky- Kontakt auf. Da dieser aber wegen hoher Ladungstrager-Rekombination im Metall prinzipiell einen niedrigeren Wirkungsgrad fur eine Lichtumwandlung in elektrischen Strom besitzt als ein pln-Festkorperkontakt, ist er fur eine Solarenergieumwandlung grundsatzlich nicht konkurrenzfahig. Erst in jungster Zeit konnten wir durch eine genauere Analyse von Dunkelstrom-Kurven zeigen, daB die Verluststrome am Halblei- ter/Elektrolyt-Kontakt deutlich kleinere Werte erreichen, als die, die am Kontakt zu einem Metall auftreten. Auch praktisch kon- nen inzwischen Wirkungsgrade fiir die Stromproduktion von uber 12 % in soge- nannten regenerativen Zellen erreicht wer- den, Werte, die durchaus auch mit denen

Belichtung und/oder von dem Redoxsy- stem abhangen (siehe ,,?" im Energiedia- gramm).

von pln-Zellen konkurrieren konnen'). In ei- ner regenerativen Zelle mit einem n-leiten- den Halbleiter wird im lichtinduzierten Schritt die reduzierte Form eines Redoxsy- stems (z. B. S2-) oxidiert, diese aber selbst durch eine Reduktion (hier von So) an der Metallgegenelektrode wieder regeneriert (Abbildung 4). Es gelingt in solchen regenerativen Zellen auch, die Photokorrosion des n-Halbleiters vollstandig zugunsten der Oxidation der re- duzierten Spezies im Elektrolyten zu unter- drucken, so daB diese ,,nassen Solarzellen" ausreichend stabil sind. Entscheidende Be- dingung hierfiir ist die Venvendung eines schnellen Redoxsystems, das Ladungen elektrochemisch reversibel an der Oberfla- che ubertragen kann. Diese Bedingung ist gleichbedeutend mit der Forderung, daB der Halbleiter fiir die entsprechende Reaktion ein guter Elektrokatalysator sein muB. Dies

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ist naturlich nicht notwendigenveise gege- ben. So ergibt sich die Frage, ob eine Kata- lyse des Ladungstransfers moglich ist. Dies sol1 unten genauer diskutiert werden. Prinzipiell besteht das Stabilitatsproblem auch fur p-Halbleiter, da alle Materialien prinzipiell auch reduktiv zersetzt werden konnen. Dies ist aber bisher weit weniger genau untersucht worden als die oxidative Photokorrosion. Das beruht auf einem ana- lytischen Problem, da bei der Reduktion des Halbleiters in der Regel ein Metall gebildet wird, das den Halbleiter/Elektrolyt-Kontakt sofort in einen Halbleiter/Metall-Kontakt verwandelt, der sich mit der Metallseite im Elektrolyten befindet. Das StrodSpan- nungs-Verhalten wird dann von dem neuen Festkorperkontakt bestimmt, der anschlie- Bende Ladungstransfer und alle Korrosions- reaktionen aber vom MetalVElektrolyt-Kon- takt. Beide sind nicht mehr streng gekop- pelt, und die haufig zur Analyse der Halblei- terkorrosion venvendete Technik der Ring/ Scheiben-Analyse mit unterbrochener Be- lichtung des Halbleiters versagt. Leider gibt es auch weit weniger p- als n- leitende oder entsprechend dotierbare Halb- leitermaterialien, und sie wurden bisher auch nur sehr unzureichend untersucht. p- Halbleiter zeigen in den StrodSpannungs- kurven in der Regel ein Verhalten, fur das es auch in unserer Gruppe bisher nur ansatz-

weise Erklarungsmodelle gibt: einen ausge- sprochen breiten sogenannten Rekombina- tionsbereich. Dies ist der Potentialbereich, der sich direkt an das Flachbandpotential anschlieRt und in dem nach einem klassi- schen Schottky-Modell schon Photostrome flieBen sollten. Abbildung 5 skizziert dies in einer direkten Gegenuberstellung von StrodSpannungskurven und zugehorigen energetischen Modell-Diagrammen fur eine Metallelektrode, eine ideale Halbleiterelek- trode vom Schottky-Typ und eine real ge- messene n-Halbleiterelektrode. Fur diese kann das Auftreten eines Potentialberei- ches, in dem auch unter Belichtung keine stationaren Strome flieRen, die durch Licht erzeugten ElektronenLoch-Paare also re- kombinieren, quantitativ durch ein Modell erklart werden, in dem durch die Belichtung Oberflachenzustande aufgeladen werden, so daB sich die Bandkanten, die klassisch als an der Oberflache fixiert angesehen werden, verschieben’). Diese Verschiebung des Flachbandpotentials unter Belichtung, die mit Hilfe von Kapazitatsmessungen direkt beobachtet werden kann, ist ein generell auftretendes Phanomen, das aber allein nicht ausreicht, die an p-Halbleitern wesent- lich breiteren Rekombinationsbereiche zu erklaren. Hier sind weitergehende Untersu- chungen auch unter Einbeziehung einer ge- nauen Oberflachenanalytik notwendig.

Die Katalyse photoelektro- chemischer Prozesse Eine bisher noch vollstandig ungeloste Frage in der Photoelektrochemie ist die, ob der Ladungstransfer von einer Halbleiterelek- trode zum Elektrolyten katalysiert werden kann. Diese Frage ist durchaus grundsatz- lich, weil das wesentliche Prinzip der Pho- toelektrochemie ja die Nutzung des Halblei- ter/Elektrolyt-Kontakts ist. Wird nun ein wie auch immer gearteter Katalysator auf den Halbleiter aufgetragen, so wird natur- lich dieser Kontakt zerstort. Die energeti- schen Verhaltnisse des fur die Lichtum- wandlung entscheidenden Oberflachenbe- reichs des Halbleiters werden dann wieder- um von einem Festkorperkontakt bestimmt, und es stellt sich sofort die Frage, warum dieser dann direkt in einen Elektrolyten ein- getaucht und nicht, wie andere Festkorper- zellen auch, zur Vermeidung von Korro- sionsproblemen sogar besser gegen Einwir- kung von Feuchtigkeit versiegelt werden sollte. Insbesondere das Aufbringen von Metallfil- men, wie es immer wieder vorgeschlagen und praktiziert wird, fiihrt naturlich zu ei- nem Festkorper-Kontakt, der zudem als Schottky-Kontakt prinzipiell einem pln- Halbleiter-Kontakt unterlegen ist, da er zu erhohten Verlusten durch Ladungstrager-

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Rekombination fuhrt. Ein Ausweg wurde von Tsubomura vorgeschlagen, der auch ex- perimentell uberzeugend nachweisen konn- te, daB diese Verluste dann verringert wer- den konnen, wenn der kontinuierliche Me- tallfilm durch sehr kleine (Durchmesser eini- ge nm) Metallinseln ersetzt wird, die nur einen kleinen Teil der Oberflache bedek- ken8). Dieser Nachweis wurde allerdings an Siliciumdioden erbracht, die in waBrigem Elektrolyten sofort eine oxidische Isolator- schicht bilden. So wird auch in diesem Fall der HalbleiterElektrolyt-Kontakt durch ei- nen reinen Festkorperkontakt ersetzt, wie Tsubomura schlieBlich auch selbst in einer Folgearbeit zeigte, in der er den Elektroly- ten durch ein nachtraglich auf die Metallin- seVOxid-Anordnung aufgedampftes Metall ersetzte und so eine Festkorperzelle mit ei- ner Photospannung erhieltg), wie sie bis da- hin nicht fur erreichbar gehalten wurde. Die Frage, ob statt des Nebeneinanders von Oxid und Metall, wie es gerade beschrieben wurde, nicht auch ein Nebeneinander von Metall- und Elektrolyt-Kontakt die Vorteile beider Kontaktbereiche - des hohen Wir- kungsgrades einer photoelektrochemischen Zelle und der elektrokatalytischen Wirkung eines MetalVElektrolyt-Systems - vereinigen konnte, ist bisher noch offen. Insbesondere fur die Direkterzeugung von chemischen Brennstoffen aber ist die Frage nach einer moglichen Katalyse des Ladungstransfers entscheidend, da hier immer kinetisch schwierige Mehrelektronenprozesse beteiligt sind (die Wasserreduktion ist ein Zwei-, die Wasseroxidation ein Vierelektronen-Pro- zeB) . Eine Alternative zur Verwendung von klei- nen Metallinseln wurde von Tributsch vor- geschlagen, der nach dem Vorbild des biolo- gischen Photosyntheseapparates komplex gebundene Metallcluster oder Clusterverbin- dungen aus mehreren Metallzentren verwen- den mochte").

Aktuelle Fragestellungen Auch nach den intensiven Untersuchungen der vergangenen Jahre sind viele grundle- gende Fragestellungen noch offen. Hierzu gehort neben der oben angesprochenen Fra- ge nach der Moglichkeit einer Katalyse des Ladungstransfers an Halbleiterelektroden vor allem das Problem der Stabilisierung des Halbleiters gegen Photokorrosion. Die im Labor erreichten Stabilitaten sind bisher nur in wenigen Fallen mit dem zu vergleichen, was fur eine Anwendung unter solaren Be- dingungen gefordert werden mull. Auch die Einsetzbarkeit polykristalliner oder amor-

Abb. 6. Halbleiterelektroden konnen durch Farbstoffe sensibilisiert werden, so daR langerwelliges Licht, als es der Bandliicke entspricht, zu einem Photo- strom fiihrt. Der oberflachlich aufge- brachte Farbstoff dient als Absorber, wahrend die Halbleiterelektrode durch das elektrische Feld der Raumladungs- zone lediglich f i r die Entfernung der La- dung im angeregten Zustand sorgt.

pher Materialien wurde bisher nur unzurei- chend untersucht. Fur alle regenerativen Zellen bleibt auBerdem die Frage, ob ein elektrolytisches System wirklich mit einem reinen Festkorpersystem konkurrieren kann. Hier sollten Kostenabschatzungen aber je- denfalls auch beriicksichtigen, welche Vor- teile ein Hybridsystem aus Photovoltaik und Warmwassererzeugung bietet: Zur hier er- heblich besseren Ausnutzung der Sonnen- strahlung kommt namlich noch der Vorteil, dall der elektrische Wirkungsgrad einer photovoltaischen Zelle in einem gekuhlten System weit uber dem einer Solarzelle liegt, die sich in der Mittagssonne auf oft uber 80 "C erhitzt. Im Hinblick auf die direkte Speicherung von Solarenergie ist nicht nur die Wasserspal- tung in Wasserstoff und Sauerstoff interes- sant, die oben diskutiert wurde. Wesentlich einfacher ist natiirlich die Spaltung von Brom- oder Iodwasserstoff. Fur diese letzte Reaktion wurde ein solarer Wirkungsgrad (solare Energie in chemische Energie) mit- geteilt, der mit 10,8 % sogar uber System- wirkungsgraden liegt, wie sie mit Kombina- tionen von Photovoltaik und Elektrolyseur, erreicht wurden"). Zur direkten Energie- speicherung kann aber auch an andere che- mische Reaktionen in einer wiederaufladba- ren solaren Redoxbatterie gedacht wer-

den'*). Auch eine kurzfristige Zwischenspei- cherung solarer Energie kann die Nutzung der zum Teil sehr stark schwankenden Son- neneinstrahlung in groBeren Anlagen erheb- lich erleichtern. Eine andere Form der Lichtumwandlung findet in Zellen statt, in denen Halbleiter- elektroden durch lichtanregbare Farbstoff- schichten ,,sensibilisiert" werden. Der Halb- leiter mit seinem an der Grenzflache zum Elektrolyten sich ausbildenden elektrischen Feld in der Oberflache ubernimmt hier nur die Aufgabe, den in dem Farbstoff angereg- ten Ladungstrager von diesem zu entfernen und zu einer Gegenelektrode zu transportie- ren. Im Falle der Sensibilisierung eines n- Halbleiters, wie sie in Abbildung 6 darge- stellt ist, wird das im Farbstoff angeregte Elektron ins Leitungsband der Elektrode ubernommen. Der nun oxidierte Farbstoff wird durch ein Redoxsystem wie in der oben beschriebenen regenerativen Zelle wieder reduziert. Das Redoxsystem wird dann an der Gegenelektrode regeneriert. Der Nach- teil solcher Systeme liegt darin, daB nur eine Monoschicht des Farbstoffes, dessen Licht- absorption naturlich auBerst gering ist , auf der Oberflache aufgetragen werden kann. Durch Verwendung sehr rauher Oberfla- chen kann dieses Problem allerdings weitge- hend vermindert werden. So wurden fur ent- sprechende Anordnungen bereits ,,mono- chromatische Wirkungsgrade" von bis zu 12 % (Wirkungsgrade fur weiBes Licht aber nur von 1,2 %) mitgeteiIt13). Neben der Umwandlung von Solarenergie in elektrische Energie oder der Erzeugung che- mischer Brennstoffe wird zunehmend auch die direkte Nutzung der durch Lichtabsorp- tion in einem Halbleiter gespeicherten Ener- gie fur chemische Reaktionen untersucht, die sonst nur unter Aufwendung hoher Energien durchfiihrbar sind. Hier wird be- sonders an der photoelektrochemischen Ab- wasserreinigung an bestrahlten Halbleiter- teilchen gearbeitet. Leider gelingt die oxida- tive Zersetzung organischer Schadstoffe al- lerdings bisher nur an Titandioxidteilchen einigermaBen befriedigend, so daB wegen der fiir die Lichtabsorption zu groBen Band- liicke des Materials die erreichbaren Wir- kungsgrade zu niedrig liegen. Ob sich dieses Problem durch Verwendung anderer Mate- rialien umgehen la&, wird ebenfalls in unse- rem Institut unter~ucht'~). Zusammenfassend laBt sich sagen, daB die photoelektrochemische Nutzung des Halb- IeiterElektrolyt-Kontakts zur Solarener- gieumwandlung ein Arbeitsgebiet ist, daB noch immer faszinierende und sehr grundle- gende Fragen bereithalt. Ob und welchen Beitrag dieses Arbeitsgebiet zur Losung ei- nes der wichtigsten Probleme unserer Zeit, des Energieproblems, einmal wird leisten konnen, ist allerdings noch offen.

Dieter Meissner, Rolf Reineke, Rudiger Memming, Institut fur

Solarenergieforschung (ISFH), Hannover

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1) D. Wohrle und D. Meissner, Adv. Ma- ter., im Druck. 2) C.-P. Kluges und R. Memming, in S. S. Pouch und S. A . Alterovitz (Hrsg.): ,,Pro- perties and Characterization of Amorphous Carbon Films", Materials Science Forum, Bd. 52 und 53. Trans Tech Publications, Schweiz 1989, S. 609. 3) A . Fujishima und K. Honda, Bull. Chem. SOC. Jpn. 44, 1148 (1971); A . Fujishi- ma und K. Honda, Nature 238, 37 (1972). 4) D. Duonghong, E. Borgatello und M . Gratzel, J. Am. Chem. SOC. 103, 4685 (1981). 5 ) H. U. Harten und R. Memming, Phys. Lett. 3, 95 (1962); vgl. auch z. B. H. Geri- scher, Z. Phys. Chem. 27, 48 (1961). 6) S. Licht, R. Tenne, G. Dagan, G. Ho- des, J . Manassen, D. Cahen, R. Triboulet, J . Fioux und C. Levy-Clement, Appl. Phys. Lett. 46, 608 (1985); B. J . Tufts, I. L. Abra- hams, P. G. Santangelo, G. N. Ryba, L. G. Casagrande und N. S. Lewis, Nature 326, 861 (1987). 7) D. Meissner, R. Mernming und B. Ka- stening, J. Phys. Chem. 92, 3476 (1988); D. Meissner, I. Lauermann, R. Memming und B. Kastening, J. Phys. Chem. 92, 3484 (1988). 8) Y . Nakato, K. Ueda, H. Yano und H. Tsubomura, J. Phys. Chem. 92, 2316 (1988). 9) H. Tsubomura, personliche Mitteilung. 10) N. Alonso-Vante, K. Biiker, M . Bungs und H. Tributsch, in: Projekttrager BEO, Forschungszentrum Julich (Hrsg.): Statusre- port 1990 PhotochemielPhotoelektrochemie, Hannover, Eigenverlag BMFT, 1990, S. 3. 11) H. Tsubomura und Y. Nakato, J. Chem. SOC. Jpn. 1988, 1125. 12) W . Gissler und R. Memming, Eur. Conf. on Solar Cells, Luxembourg 1977. 13) N. Vlachopoulos, P. Liska, J . Augu- stynski und M. Gratzel, J. Am. Chem. SOC. 110, 1216 (1988). 14) D. Bahnemann, P. Kesselring und 0. Smrekar (Hrsg.): Proc. 5th IEA Symposium on Solar High Temperature Technologies, Davos 1990, im Druck.

2 0341-5163/90/1212-1498 $ 3.50+.25/0 0 VC e 9

Taaunasbericht

Synthetische Metalle

Vom 2. bis 7. September 1990 wurde in Tiibingen die ,,International Conference on Science and Technology of Synthetic Metals" (ICSM '90) abgehalten. Neben der traditionsgemafi starken Beteiligung aus den USA, Westeuropa und Japan waren erstmalig auch viele Chemiker aus der DDR, der Sowjetunion und Chi- na vertreten; zusammen nahezu 1000 (!) Teilnehmer. Die Tagung wurde von M. Hanack vom In- stitut ftir Organische Chemie der Universitat Tiibingen und S. Roth, Max-Planck-Institut Stuttgart, in Zusammenarbeit mit der Ge- sellschaft Deutscher Chemiker organisiert. Das Programm umfal3te in drei Parallelsit- zungen von Montag bis Freitag 150 Vortrage und iiber 700 Originalbeitrage in Form von Postern. Es wurden typisch interdisziplinare Gebiete behandelt, die in gleicher Weise fur die Grundlagenforschung wie fur die An- wendung in modernen Technologien von groBer Bedeutung sind. Die Vortrage waren in Blocke unterteilt: 0 Charge and Spin Density Waves 0 Synthesis, Structure and Properties of Organic Crystals 0 Electrochemistry 0 Material Science 0 Nonlinear Optics 0 Organic Ferromagnets 0 Synthesis, Structure and Properties of Organic Polymers 0 Theory of Organic Conductors GroBen Zuspruch fanden die sechs Tuto- rials, mit denen Newcomern der Einstieg er- leichtert werden sollte. Das Interesse an die- sen Beitragen ist sicherlich auch auf die

klangvollen Namen der Vortragenden zu- ruckzufiihren. Den Anfang bestritt E. W. Meijer (Geleen) mit einer umfangreichen Ubersicht uber nicht-lineare optische Phano- mene an organischen Verbindungen und ih- re potentiellen Anwendungsmoglichkeiten. Seine Ausfiihrungen wurden im Verlaufe der Tagung durch den Vortrag von J. Zyss (Bagneux) erganzt. Die Einfuhrung in das Gebiet der dynamischen Eigenschaften von Spin- und Ladungsdichtewellen ubernahm P. Monceau (Grenoble). Wie vielseitig die Elektrochemie auf dem Gebiet der organi- schen Leiter cinsetzbar ist, verdeutlichte J. Heinze (Freiburg). Im Rahmen dieser Lehr- vortrage referierte danach K. Bechgaard (Kopenhagen) uber organische Supraleiter, wobei die nach ihm benannten Salze im Mit- telpunkt standen. Bevor Nobelpreistrager J. R. Schrieffer (Santa Barbara) als letzter in dieser Reihe einen Einblick in die Theorie von leitenden Polymeren gab, stellte F. Wudl (Santa Barbara) Synthesestrategien fur solche Verbindungen vor.

Dichte wellen Befindet sich ein eindimensionales Metall im Peierls-Zustand, wechseln sich entlang der Kette Bereiche erhohter mit solchen ernied- rigter positiver Ladungsdichte ab. Die Lei- tungselektronen haufen sich naturlich ebcn- falls um die positiven Ladungen. Diese Er- scheinung, daB sich entlang einer Kette Be- reiche hoherer und niedriger Ladungsdichte abwechseln, bezeichnet man als Ladungs- dichtewellen (charge density waves, CDW). Analog sind die Verhaltnisse bei den Spin-

'H Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1990

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