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Liebe Leserin, lieber Leser, Physik II Biologie VI Chemie IV Thomas Bührke, Redakteur von Physik in unserer Zeit T REFFPUNKT B UCH Frühjahr 2011 ZEITSCHRIFTEN ELEKTRONISCHE MEDIEN A nfang letzten Jahres verkündete die New York Times das Ende des gedruck- ten Buches. Auslöser für diese Schlagzeile war die Bekanntgabe von amazon, wonach der Online-Buchhandel erstmals mehr Elektronik- als Papierbücher ver- kauft habe. Bei genauer Analyse der Zahlen erwies sich diese Behauptung zwar als nicht sehr glaubhaft, Tatsache ist aber ein starkes Vordringen des eBook – vor allem in den USA. Dort sind die Verkäufe der elektronischen Bücher im Januar 2011 im Vergleich zum Vorjahr um 115 Prozent gestiegen. Verschwinden also die Bücher und mit ihnen die Buchhändler und das Handwerk der Buchherstellung? L iebevoll gestaltete Bücher geben Hoffnung, dass dies in absehbarer Zeit nicht der Fall sein wird. Ein solches Highlight der Buchdruckerei hat der Kunst- Schätze Verlag jüngst herausgegeben: das Faksimile des 400 Jahre alten Astro- nomiebuches von Johann Bayer. Dieser deutsche Astronom schuf zwölf neue Sternbilder des Südhimmels und führte die noch heute übliche Bezeichnung der Sterne mit griechischen und lateinischen Buchstaben, wie alpha Centauri oder P Cygni, ein. I m Jahre 1603 veröffentlichte Bayer die Uranometria, den ersten Sternatlas des gesamten Himmels. Damit standen bei diesem Sternatlas erstmalig nicht die Mythologie und die Astrologie, sondern die beobachtende Astronomie im Vorder- grund, was dieses Werk zu einem Meilenstein in der Astronomiegeschichte macht. Heute existieren nur noch sehr wenige, vollständige Ausgaben dieses Werkes. I n detektivischer Kleinarbeit haben die Herausgeber das Material für diese präch- tige Ausgabe zusammengetragen. Die im Großformat gedruckten Bildseiten stammen aus der Auflage von 1648, von den originalen Kupferplatten in Ulm ge- druckt. Das Original befindet sich in der Universitätsbibliothek Heidelberg. Für die Textseiten sowie vier Bildseiten, deren Qualität in der Heidelberger Ausgabe nicht optimal war, mussten die Herausgeber auf die Erstausgabe von 1603 zurück- greifen. Diese befindet sich in der Linda Hall Library of Science in Kansas City, USA. E rgänzt wird diese Faksimileausgabe von einem Begleitbuch des Astronomie- historikers Jürgen Hamel. Es enthält neben den Lebensdaten Johann Bayers und der näheren, auch kunstgeschichtlichen Beschreibung der Uranometria mehrere andere Sternkarten als Vergleichsbilder, um die Einmaligkeit des Bayer- schen Werkes zu würdigen. Z ugegeben, Johann Bayers Sternatlas wird nur eine überschaubare Leserschaft gewinnen. Aber er ist ein Dokument der Wissenschaftsgeschichte, das eben nicht nur wegen seines Inhalts, sondern auch wegen seiner Darstellung erhalten bleiben muss. Das kann nur ein gedrucktes Buch. THOMAS BÜHRKE Uranometria von Johannes Bayer 1603, Faksimile, 112 S., 51 Sternenkarten, KunstSchätze Verlag, Gerchsheim 2010, geb. mit Goldprägung, 158 R. ISBN: 978-3-934223-35-6. Die Himmelsvermessung des Johannes Bayer, Jürgen Hamel, 176 S., Abb., KunstSchätze Verlag, Gerchsheim 2010, geb. 48,– R. ISBN: 978-3-934223-36-3 Beide Bände zusammen: 978-3-934223-37-0, 178,– R.

Physik II Chemie IV Biologie VI TREFFPUNKT B · 2010, geb. 24,90. ISBN 978-3-527-40890-0. Dr. Martin Erik Horn, Frankfurt/Main TEILCHENPHYSIK | Weg ins Neuland „Schon wieder ein

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Physik II Biologie VIChemie IV

Thomas Bührke, Redakteur von Physik in unserer Zeit

TREFFPUNKT BUCHFrühjahr 2011

ZEITSCHRIFTENELEKTRONISCHE MEDIEN

Anfang letzten Jahres verkündete die New York Times das Ende des gedruck-ten Buches. Auslöser für diese Schlagzeile war die Bekanntgabe von amazon,

wonach der Online-Buchhandel erstmals mehr Elektronik- als Papierbücher ver-kauft habe. Bei genauer Analyse der Zahlen erwies sich diese Behauptung zwarals nicht sehr glaubhaft, Tatsache ist aber ein starkes Vordringen des eBook – vorallem in den USA. Dort sind die Verkäufe der elektronischen Bücher im Januar2011 im Vergleich zum Vorjahr um 115 Prozent gestiegen. Verschwinden also dieBücher und mit ihnen die Buchhändler und das Handwerk der Buchherstellung?

Liebevoll gestaltete Bücher geben Hoffnung, dass dies in absehbarer Zeit nichtder Fall sein wird. Ein solches Highlight der Buchdruckerei hat der Kunst-

Schätze Verlag jüngst herausgegeben: das Faksimile des 400 Jahre alten Astro-nomiebuches von Johann Bayer. Dieser deutsche Astronom schuf zwölf neueSternbilder des Südhimmels und führte die noch heute übliche Bezeichnung derSterne mit griechischen und lateinischen Buchstaben, wie alpha Centauri oder P Cygni, ein.

Im Jahre 1603 veröffentlichte Bayer die Uranometria, den ersten Sternatlas desgesamten Himmels. Damit standen bei diesem Sternatlas erstmalig nicht die

Mythologie und die Astrologie, sondern die beobachtende Astronomie im Vorder-grund, was dieses Werk zu einem Meilenstein in der Astronomiegeschichte macht.Heute existieren nur noch sehr wenige, vollständige Ausgaben dieses Werkes.

In detektivischer Kleinarbeit haben die Herausgeber das Material für diese präch-tige Ausgabe zusammengetragen. Die im Großformat gedruckten Bildseiten

stammen aus der Auflage von 1648, von den originalen Kupferplatten in Ulm ge-druckt. Das Original befindet sich in der Universitätsbibliothek Heidelberg. Fürdie Textseiten sowie vier Bildseiten, deren Qualität in der Heidelberger Ausgabenicht optimal war, mussten die Herausgeber auf die Erstausgabe von 1603 zurück-greifen. Diese befindet sich in der Linda Hall Library of Science in Kansas City,USA.

Ergänzt wird diese Faksimileausgabe von einem Begleitbuch des Astronomie-historikers Jürgen Hamel. Es enthält neben den Lebensdaten Johann Bayers

und der näheren, auch kunstgeschichtlichen Beschreibung der Uranometriamehrere andere Sternkarten als Vergleichsbilder, um die Einmaligkeit des Bayer-schen Werkes zu würdigen.

Zugegeben, Johann Bayers Sternatlas wird nur eine überschaubare Leserschaftgewinnen. Aber er ist ein Dokument der Wissenschaftsgeschichte, das eben

nicht nur wegen seines Inhalts, sondern auch wegen seiner Darstellung erhaltenbleiben muss. Das kann nur ein gedrucktes Buch.

THOMAS BÜHRKE

Uranometria von Johannes Bayer 1603,Faksimile, 112 S., 51 Sternenkarten,KunstSchätze Verlag, Gerchsheim 2010, geb. mit Goldprägung, 158 R. ISBN: 978-3-934223-35-6.Die Himmelsvermessung des JohannesBayer, Jürgen Hamel, 176 S., Abb.,KunstSchätze Verlag, Gerchsheim 2010, geb.48,– R. ISBN: 978-3-934223-36-3Beide Bände zusammen: 978-3-934223-37-0, 178,– R.

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II | Treffpunkt Buch plus | Frühjahr 2011

PH YS I K |

Bedauerlicherweise entgeht Co-hen die Kontinuität zwischen denbeiden Wissenschaftsarten, die sichnicht unabhängig voneinander ent-wickelten: Alle von ihm zitiertenalexandrinischen Vertreter wirkten inPlatons Tradition und verwendetenseine Erkenntnistheorie als Grundla-ge ihrer wissenschaftlichen Auffas-sung: Die Welt sei erkennbar durchMathematik, die als einzige „wahre“Erkenntnis bringe, während die Sin-neswahrnehmungen nur täuschten.

Durch eine „Transplantationder griechischen Naturerkennt-nis“ haben sich die zwei Wissen-schaftsarten bis in die Neuzeit fortge-pflanzt. Im 17. Jahrhundert löstenzwei Vertreter der athenischen Wis-senschaft, Kepler und Galilei, die wis-senschaftliche Revolution aus. Sieverfolgten den „dringenden Wunsch,eine engere Verbindung zwischenMathematik und Realität herzustel-len.“ Die moderne Wissenschaft seiaber erst entstanden, als eine „dritteForm der Naturerkenntnis“ auf-kam, die „auf genaue Beobachtungsetzt[e] und sich am praktischen Nut-zen orientiert[e]“. Als deren Urhebersieht der Autor Bacon, Gilbert undHarvey, die das „entdeckende Experi-ment“ anstelle der Beobachtung derNatur einführten.

Leider ist Cohens Auffassungnicht überzeugend: Seine drei zentra-len Begriffe alexandrinisch, athenischund dritte Form der Wissenschaftsind nicht scharfsinnig genug histo-risch und erkenntnistheoretisch ana-lysiert, und ihre Zusammenhängewerden ignoriert. Dennoch bestichtCohens Buch durch die Intensitätseiner äußerst wichtigen Unter-suchung. Er führt den Leser in einerlebendigen Sprache durch die bedeu-tendsten Etappen der abendländi-schen Wissenschaft. Ein Buch, dasjedem Wissenschaftshistoriker undNaturwissenschaftler unentbehrlichsein sollte.

Die zweite Erschaffung der Welt.Wie die moderne Naturwissenschaftentstand, Floris Cohen, 283 S., Cam-pus-Verlag, Frankfurt 2010, geb.

Den Teufel holt keiner! Otto Hahnund das Kaiser-Wilhelm-Institut fürChemie in Tailfingen. Volker Lässing,CM-Verlag 2010. 230 S., Abb., 20,– R. ISBN 978-3-939219-00-2.www.otto-hahn-buch.de.

Prof. Dr. Rudolf P. Hübener, Tübingen

WISSENSCHAFTSHISTORIK |Revolution imAbendlandFloris Cohen ist einer der wenigenWissenschaftshistoriker, der sich dasehrgeizige Ziel setzt, eine grundle-gende Frage der Wissenschaftsge-schichte zu beantworten: Wie ent-stand die Wissenschaft im Abend-land? In seinem neuen Buch vertrittCohen die These, dass die Entste-hung der Wissenschaft im Abendlandsolch eine bedeutende Revolutionwar, dass sie einer „zweiten Erschaf-fung der Welt“ gleich kam.

Sein Werk erschien in zwei Ver-sionen, einer kürzeren für das breitePublikum und einer umfangreicherenfür Fachleute mit allen nötigen biblio-graphischen Angaben.

Der Kern seiner Antwort bildetdie Unterscheidung zwischen zweiArten von Wissenschaft: derjenigenim klassischen Athen (6. bis 4 Jh. v.Chr.) und der im hellenistischen Alex-andria (ab dem 3. Jh. v. Chr.). Diealexandrinische Wissenschaft be-zeichnet Cohen als abstrakt-mathema-tisch und mit wenig Realitätsbezug,während die athenische auf die Wirk-lichkeit ausgerichtet sei. Die Vertre-ter der alexandrinischen Wissen-schaft, wie Euklid oder Archimedes,haben rein abstrakte mathematischeWerke erschaffen, die sich grundsätz-lich von denjenigen ihrer atheni-schen Kollegen Pythagoras und Pla-ton unterschieden. Diese haben ihreErkenntnisse stets auf die Realität be-zogen – indem etwa Pythagoras je-dem irdischen Gegenstand eine Zahlassoziierte.

PH YS I KG E S C H I C H T E |Otto Hahn inTailfingenIm Jahr 1943 wurde das Kaiser-Wil-helm-Institut für Chemie von Berlinnach Tailfingen auf der SchwäbischeAlb ausgelagert. In Berlin, wo OttoHahn und Fritz Straßmann 1938 dieSpaltung des Atomkerns entdeckthatten, konnte das Institut wegen derLuftangriffe der Alliierten seine Ar-beit nicht mehr fortsetzen. OttoHahn war deshalb von Juni 1944bis April 1945 in Tailfingen, wo erschließlich von einem amerikani-schen Spezialkommando verhaftetund bis Januar 1946 im englischenFarm Hall bei Cambridge zusammenmit neun anderen deutschen Atom-forschern interniert wurde. Von 1948bis 1960 amtierte Hahn als Grün-dungspräsident der Max-Planck-Ge-sellschaft. 1949 zog das Institut vonTailfingen nach Mainz in das dort neuentstandene Max-Planck-Institut fürChemie (heute Otto-Hahn-Institut).

Volker Lässing erzählt in seinemBuch sehr lebendig und unter-stützt mit vielen Photographienund zitierten Dokumenten die da-maligen Ereignisse in Tailfingen. OttoHahn erscheint als sympathischer, be-scheidener, den Menschen zuge-wandter und vom Naziregime abge-wandter Mitbürger. Von den jungenMitarbeitern Hahns hat ein großerTeil später wichtige Positionen aufdem Gebiet der Atomforschung inDeutschland erhalten. Viele weiterebeteiligte Menschen stellt der Autorausführlich vor.

Lässing gelingt es, die damaligeZeit des Kaiser-Wilhelm-Instituts undseiner Menschen am Kriegsende undbeim Neuanfang nach dem Umbruchwieder lebendig werden zu lassen,wobei das erste Kapitel vom Kriegs-ende bis zum Abtransport von OttoHahn besonders dramatisch ist. DasBuch ist deshalb ein herausragenderund lesenswerter Beitrag zur Zeit-geschichte.

Physik in unsererZeit finden Sie imInternet unterwww.phiuz.de

Page 3: Physik II Chemie IV Biologie VI TREFFPUNKT B · 2010, geb. 24,90. ISBN 978-3-527-40890-0. Dr. Martin Erik Horn, Frankfurt/Main TEILCHENPHYSIK | Weg ins Neuland „Schon wieder ein

29,90 R. ISBN 978-3-593-39134-2.Und, How modern Science came in-to the World. Floris Cohen, 784 S.,Amsterdam University Press 2010,geb. 65,– £. ISBN 978 90 8964 239 4.

Dr. Daniela Wünsch, Göttingen

POPULÄR |Tour de Physik„Erwachsene lieben Jugendliteratur“stellte die ZEIT kürzlich fest. Bei die-sem Buch des Autorenduos Jörg Hüf-ner und Rudolf Löhken – einem Phy-siker und einem Physiklehrer – könn-te es genauso sein. Die populärwis-senschaftlich gehaltene Darstel-lung ist in einer jugendgerechtenRahmenhandlung verpackt: Han-na und ihr Großvater durchstreifenunter sachkundiger Anleitung dasGedankengebäude der Physik.

Dabei gehen die beiden Autorenin ihrer „geführten Tour“ recht ge-schickt vor: Zuerst präsentieren siedie moderne Physik des 20. Jahrhun-derts, um dann im zweiten Kapiteldie im 16. und 17. Jahrhundert geleg-ten Grundlagen aufzuarbeiten. MitKapitel 3 folgt die klassische Physikdes 18. und 19. Jahrhunderts. EinzigKapitel 4 mit dem Titel „Die Zukunftder Physik“ ist etwas kurz geratenund stellt die Suche nach einer ein-heitlichen Weltbeschreibung ins Zen-trum. Hier hätte man ruhig einen kri-tischeren Blick darauf wagen können,was an unserem heutigen physikali-schen Weltbild denn (wahrschein-lich) falsch sein könnte.

Ansonsten aber gibt das Buch ei-ne gelungene Übersicht über diePhysik – und dies nicht nur gut les-bar, sonder tatsächlich auch inhalt-lich in einer für Laien ansprechendenTiefe mit recht ausführlichen Er-klärungen, aber „bloß keiner Mathe-matik“, wie Hanna sich das im Vor-wort so wünschte.

Vielleicht hätte man auf Seite 287(Abkühlung auf T = 0 K) zwischenGedanken- und Realexperiment deut-licher unterscheiden müssen. Und

Frühjahr 2011 | Treffpunkt Buch plus | III

N E U E R S C H E I N U N G E N | PH YS I K

vielleicht ist die Idee, dass sich dieKonstante g beim Übergang auf dieFallrinne ändert (S. 198), nicht ganzso elegant. Aber das sind Petitessen,die den sehr guten Eindruck des Bu-ches nicht trüben. Dieser Eindruckwird noch dadurch verstärkt, dass dieAutoren Kurzportraits der wichtig-sten Physikerinnen und Physiker zwi-schen die physikalischen Erläuterun-gen einstreuen. Dadurch gewinnt derText auch einen persönlichen Touch,und es wird klar: Physik wird vonMenschen gemacht.

Ein Glossar, eine lexikalische Über-sicht über die physikalischen Protago-nisten sowie ein Register schließendieses sehr empfehlenswerte Buch ab.

Physik ohne Ende ... Eine geführteTour von Kopernikus bis Hawking,Jörg Hüfner, Rudolf Löhken, 341 S,110 Abb., Wiley-VCH, Weinheim2010, geb. 24,90. ISBN 978-3-527-40890-0.

Dr. Martin Erik Horn,Frankfurt/Main

T E I LC H E N PH YS I K |Weg ins Neuland„Schon wieder ein populärwissen-schaftliches Buch mit prägnantem Ti-tel zur Elementarteilchenphysik“ istsicher die Reaktion von vielen, dievor dem Buch stehen. Im Titel findetsich dann auch ein Hinweis auf denLarge Hadron Collider des CERN, dereinen außerordentlich hohen Be-kanntheitsgrad erreicht hat.

Beim ersten Hineinblättern wirdman aber eines Besseren belehrt:Dem theoretischen Physiker Jörg Re-sag ist ein sehr interessantes, un-terhaltsames und didaktisch ex-zellentes Buch gelungen, das so-wohl interessierten Laien wie Exper-ten die Geheimnisse der Quanten-physik, das Standardmodell, die Rela-tivitätstheorie und Kosmologie undschließlich die Superstrings vorstellt.Dabei spannt er einen sehr weitenBogen, der uns chronologisch an den

aktuellen Kenntnisstand heranführt.Dabei kommt der Autor fast ohneFormeln aus. Sehr komplexe Zusam-menhänge werden sehr klar und ver-ständlich erläutert.

Dennoch gibt es einige kleinereFehler oder Unklarheiten. So ist dieStruktur der Materie mindestens hun-dertmal genauer vermessen als aufein Zehntel Fermi, wie Resagschreibt, Moleküle können auch auszwei gleichen Atomsorten bestehen,und Z-Bosonen zerfallen nicht in be-sonders viele Teilchen, sondern nurin jeweils zwei. Wie ein roter Fadenzieht sich der „Wellenfunktionspfeil“durchs Buch, was ein ungewohntesBild ist und nicht wirklich die Zusam-menhänge erhellt. Bei der Fragenach der Natur von Teilchen wagtder Autor sich auf dünnes Eis, in-dem er ein scheinbares Paradox mitdem Unruh-Effekt erwähnt, abernicht erläutert.

Schließlich werden die Eigen-schaften des LHC ziemlich detail-liert beschrieben, allerdings geht derAutor überhaupt nicht auf dessenPhysikpotenzial ein. Ein interessierterLeser kann sich kein Bild verschaffen,wie weit und auf welche Weise derLHC in der Lage sein wird, in dasNeuland der Teilchenphysik vorzu-stoßen. Auch wird nicht klar, inwie-weit Quarks und Leptonen wirklichunteilbar sind – es gibt interessanteMessungen am LEP, Tevatron undLHC, die nach kleineren Strukturensuchen und erwähnt werden sollten.

Diese Punkte schmälern abernicht den exzellenten Eindruck, denein Leser von diesem Buch gewinnenwird. Daher kann ich allen, die eingenaueres Verständnis der offenenFragen der Quantenphysik und Teil-chenphysik suchen, diese Lektüreempfehlen.

Die Entdeckung des Unteilbaren.Quanten, Quarks und der LHC,Jörg Resag, 276 S., 82 Abb., Spek-trum Verlag, Heidelberg 2010, geb.24,95 R. ISBN: 978-3-8274-2484-6.

Prof. Dr. Thomas Müller, Karlsruhe

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IV | Treffpunkt Buch plus | Frühjahr 2011

C H E M I E |

E N T S O RG U N G |AtommüllGerade rechtzeitig, während nochheftig über die Laufzeitverlängerungdeutscher Kernkraftwerke und Cas-tortransporte gestritten wird, er-scheint das Buch von Klaus Stierstadtmit dem Titel: Atommüll – wohindamit?

Klaus Stierstadt, emeritierter Pro-fessor für Physik an der Ludwig-Maxi-milians-Universität München erhebtdarin den Anspruch, sich unvoreinge-nommen, objektiv und fachlich fun-diert dem in der Öffentlichkeit außer-ordentlich polarisiert diskutiertenThema zu nähern. Stierstadt äußertdie Überzeugung, dass man die Endla-gerung hochradioaktiver Abfälle tech-nisch relativ einfach lösen könne, esaber am ernsthaften politischen Wil-len fehle, das Problem anzugehen.

Ein entscheidendes Manko dervorliegenden Publikation ist dienur beiläufige und oberflächlicheBehandlung des eigentlichen The-mas. Kein Wort beispielsweise überfortgeschrittene Endlagerprojekte imTongestein in Frankreich und derSchweiz. Keine vergleichende Infor-mation über die derzeit internationalbetrachteten EndlagerwirtsgesteineGranit, Tongestein, Salz und derenVor- und Nachteile. Keine Diskussionüber Langzeitsicherheitsaspekte unddie Forderung nach öffentlich trans-parenten Auswahlverfahren von End-lagerstandorten. Eine in Deutschlanderscheinende Publikation zur Entsor-gung radioaktiver Abfälle ohne einWort über die Situation im Salzberg-werk Asse ist schwer zu akzeptieren.Fachliche und sachliche Informationdarüber, wie hochradioaktiver Abfallentsorgt bzw. endgelagert werdensoll, sind dem Buch kaum zu entneh-men.

Insgesamt macht es sich KlausStierstadt zu einfach, wenn er sagt,man müsse die Öffentlichkeit nur bes-ser informieren und mit ernsterempolitischem Willen sei die Realisie-rung der Endlagerung kein Problem.

Entgegen dem Anspruch des Buchesscheinen zudem einigen Textpassageneher subjektive Einschätzung des Au-tors zu Grunde zu liegen. Die Behaup-tung, dass bestrahlte hochradioaktiveBrennelemente im Reaktorsicherheits-behälter wesentlich sicherer aufgeho-ben seien als in Castorbehältern ver-packt in Zwischenlagern, wider-spricht beispielsweise Gutachteraus-sagen. Bedauerlich auch, dass die Mo-nographie bei der Diskussion zur Ge-fährlichkeit niedriger Strahlendosensowie den Folgen der Reaktorkata-strophe von Chernobyl sich weitge-hend im spekulativen Bereich be-wegt. Darüber trösten auch die infor-mativen, grundlegenden und allge-meinverständlichen Kapitel zu Radio-aktivität, Kernspaltung und biologi-scher Strahlenwirkung leider nichthinweg.

Atommüll – wohin damit?Von Klaus Stierstadt. Verlag HarriDeutsch, Frankfurt 2010.2. Auflage, 223 Seiten, broschur,19,80 R.ISBN 978-3-8171-1868-7

Prof. Dr. Horst Geckeis, Eggenstein-Leopoldshafen

RO M A N , U N T E R H A LT SA M |Das 5te Duftge-heimnisDie Frage, ob die 4711 oder die 5 diebedeutendere Nummer der Duftweltist, ist nicht leicht zu entscheiden.Fest aber steht, dass sich bedeutendmehr Legenden um Chanel N°5 alsum das berühmte Eau de Cologneranken, und diese Legenden hat Ti-lar J. Mazzeo in ihrem The Secretof Chanel No. 5 in einer span-nungsreichen Saga zusammenge-fasst. Von der einschüchternden Ge-ruchskulisse Gabriele Chanels trauri-ger Kindheit im Waisenhaus von Au-bazine und den Trümmern ihres Lie-beslebes mit Boy Capel, aus denendie Idee zu einem Signatur-Duft er-

wächst, führtder Weg zuN°5 überihren neuenLiebhaberDmitri Pavlo-vich, der siemit dem eben-falls aus Russ-land geflohe-

nen Parfümeur Ernest Beaux unddessen Kreation Rallet N°1 bekanntmacht. Aus einer Modifikation diesesDuftes, der Legende nach der 5tenvon 10, wurde dann das spektakuläreParfüm, das die Duftwelt schon beina-he ein Jahrhundert lang beherrscht.Doch obwohl die N°5 Chanels Ruhmbegründete, sabotierte sie es in einemPrivatkrieg gegen Parfums Chanel,den sie schließlich gewann, um mitdem erstrittenen Geld ihr Modeimpe-rium wiederzuerrichten.

Tilar Mazzeo hat gründlich re-cherchiert und erzählt die Geschichtewie einen Detektivroman. Leiderstimmt die Chemie nicht immer. DieNase rümpft man, wenn man liest,dass Jonone 1893 wegen eines neuenExtraktionverfahrens aus Veilchenblü-tenöl (80 000 Goldmark/kg entspre-chend heutigen 790 000 R/kg) so bil-lig geworden sein sollen, dass sie inToilettenseifen Eingang fanden – vonunsinniger Nomenklatur wie α ,ν-Me-thyljonon ganz zu schweigen. Und daLéon Givaudan seit 1936 tot war,konnte er Coco in Zürich nach dem2. Weltkrieg höchstens noch als Geistaufsuchen. Dennoch lohnt sich dieLektüre dieses DaVinci-Codes einerDuftikone, und man kommt nicht um-hin, dabei immer wieder einmal denFlakon N°5 zu entstöpseln, um faszi-niert und verzaubert zugleich zuschnuppern.

“The Secret of Chanel N°. 5: The In-timate History of the World’s MostFamous Perfume” von Tilar J. Maz-zeo, Harper, New York 2010, 304 S.,geb., 25,99 $, ISBN-13: 978-0061791017

Dr. Philip Kraft, Givaudan Riechstoff-Forschung,Dübendorf

Chemie in unsererZeit finden Sie imInternet unterwww.chiuz.de

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Frühjahr 2011 | Treffpunkt Buch plus | V

| C H E M I E

RO M A N , B E L E H R E N D |Duft und Familien-bande„Der Duftmacher“ beschreibt die Ge-schichte von Giovanni Maria Farina,ein junger Mann mit einem ausgespro-chen guten Geruchssinn. Wer aller-dings einen Charakter wie Jean-Bap-tiste Grenouille aus Patrick Süskinds„Das Parfüm“ erwartet, wird ent-täuscht sein, denn der Held dieser Ge-schichte ist das genaue Gegenteil: einnetter, schüchterner Mann, dessen fei-ne Nase ihn zum Aussenseiter werdenlässt in einer Welt, in der deftige Ge-

rüche dominierenund persönlicheHygiene eine eheruntergeordneteRolle spielt.

Der Leser be-gleitet ihn auf derSuche nach einemneuen, frischenDuft, der sich vonden, im achtzehn-

ten Jahrhundert gängigen, schwerenParfüms absetzen soll. Diese Sucheführt von Venedig über Grasse undParis nach Köln und schlussendlichzur Kreation des weltbekannten Eaude Cologne, das noch heute in jederParfümerie erhältlich ist.

Die Handlung des Romans ist we-nig spannungsreich und die Charakte-re, insbesondere die der GegenspielerFarinas, sind eher blass und scheinenihre Rolle nur halbherzig zu spielen.Die Stärke des Buches liegt in derBeschreibung der Düfte und Tech-niken der traditionellen Parfüme-rie, von denen viele auch heutenoch Anwendung finden. DiesePassagen sind kenntnisreich und de-tailliert geschrieben. Ersichtlich istallerdings auch, dass die Autorin bis-her im Wesentlichen Sachbücher ver-fasst hat. So ist jedem Kapitel ein in-formierender Absatz vorgestellt, derden Leser immer wieder aus der Ge-schichte herausreißt.

Alles in Allem ist der Roman leichtund unterhaltsam geschrieben und

wird sicher den Einen oder die Ande-re dazu animieren, sich weiter in dieMaterie zu vertiefen.

Der Duftmacher. Von Ina Knobloch. Piper Verlag,München 2010. 384 Seiten,Gebunden, 16,95 R.ISBN 978-3-86612-267-3

Dr. Martin Schroeder Givaudan Riechstoff-Forschung,Dübendorf

G EO C H E M I E |Aufmerksam reisenReiseführer gibt es viele, doch dieserlenkt unseren Blick auf – zu Unrecht– eher wenig beachtete Attraktionenin unseren Städten: auf Steine. InForm von Häuserfassaden, Denk-mälern, Brunnen und Straßenpflasterverraten sie viel über Geschichte undnatürliche Gegebenheiten eines Ortes,einen fachkundigen Führer voraus-gesetzt. Diese Rolle übernimmt daskleine Buch, das den Leser auf Ammo-niten im Bodenbelag eines Hanno-veraner Einkaufszentrums ebenso auf-merksam macht wie auf Liesegangrin-ge im Kalksandstein eines Gebäudesin der Bonner Innenstadt.

Alle 18 Städtetouren sind auf etwazwei Stunden Dauer angelegt. Nebenkurzen Informationen zu Lage, Geolo-gie und Geschichte finden sich auf einer Übersichtskarte jeweils diesehenswerten Punkte. Bei der nächsten Städtereise sollte dasBuch unbedingt mit im Gepäcksein – denn die Reiseziele sind überdie ganze Republik verteilt: vonRostock bis München.

Steine in deutschen Städtenvon Johannes H. Schroeder (Hrsg.)IV + 288 Seiten, 405 Farbfotos,18 Routenkarten, 41 Grafiken, 27 Tabellen, Selbstverlag Geowissen-schaftler, Berlin 2009ISBN 978-3-928651-13-4, 15,– R

Dr. Andrea Fischer, Berlin

N EU E R SC H E I N U N G E N VO NJ O H N W I L E Y & S O N S , I N C . |

Brady, J. E. / Jespersen, N. D. / Hyslop, A.

Chemistry, Sixth Edition, InternationalStudent Versionbrosch., ca. 65,90 RISBN: 978-0-470-64617-5

Arthur, W.

EvolutionA Developmental Approachbrosch., ca. 416 S., 51,90 RISBN: 978-1-4051-8658-2

Franklin, K. et al.

Introduction to Biological Physicsfor the Health and Life Sciences2. Auflage, brosch., 464 S., 51,90 RISBN: 978-0-470-66593-0

Voet, D. J. / Voet, J. G.

Biochemistry4. Auflage, 1520 S., geb.,65,90 RISBN: 978-0-470-57095-1

Moog, R. S. / Farrell, J. J.

ChemistryA Guided Inquirybrosch., 408 S., ca. 67,90 RISBN: 978-0-470-64790-5

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VI | Treffpunkt Buch plus | Frühjahr 2011

B I O LO G I E |

gabe von R. Renneberg ist in diesemSachbuch Kreativität gefragt, wennman dem Autor Goodsell („Kreativitätist ALLES“) glauben darf. KreativeTendenzen zeigen sich vor allem inden modellhaften Darstellungen zuZellstrukturen und -inhaltstoffen. DieIllustrationen zu den Zellstrukturenerwecken wegen der Dichte undForm der Details mitunter den Ein-druck einer gewissen „zeichnerischenFreiheit“, die den sonst üblichen elek-tronenmikroskopischen Aufnahmenentgegensteht. Aber: Sie sind ästhe-tisch schön. Schließlich erhebt dashandliche Buch zu den vielfältigenFunktionen von vorwiegend mensch-lichen Zellen beziehungsweise Virennicht den Anspruch eines Lehrbuchs.Diese „kleine Zellbiologie“ ist fürNicht-Fachleute geschrieben undkein Nachschlagewerk, sondernein Lesebuch. Dabei gelingt es demAutor dem Leser anschaulich zu ma-chen, dass die hochkomplexen zel-lulären Abläufe viele Gemeinsamkei-ten mit wirtschaftlichen Vorgängenhaben.

Der inhaltliche Rahmen ist weitgespannt. Dabei sorgen die Kapitel-überschriften manchmal für Überra-schungen: Unter „Schutz und Wahr-nehmung“ werden Biomembranenmit Aspekten der Sinneswahrneh-mung kombiniert. Hier ist dann plötz-lich von „natürlicher Auslese“ und„ökologischer Nische“ die Rede – fürden interessierten Laien nicht unbe-dingt nachvollziehbar strukturiert.

Leider geht die durchgängig le-bendige, jedoch zumeist stark verall-gemeinernde Erzählweise in manchenPassagen zu Lasten der sachlichenRichtigkeit, was wiederum den rei-nen Informationswert schmälert.

Auffällig ist auch, dass dem Lesermehrfach nichtnäher erläuter-te Abläufe un-tergeschobenwerden. Sowird beim Energiegewinnbei E. coli einelektrochemi-scher Gradient

gen, deren Theorien für eine wesent-lich längere Erdgeschichte sprachen.Da das berechnete Alter von 100 Mil-lionen Jahren nicht mit der Evoluti-onstheorie vereinbar war, wurde die-se auch von Kelvin abgelehnt und le-benslang bekämpft. Keiner seiner Wi-dersacher zweifelte an der Richtigkeitseiner Berechnungen, lediglich Kel-vins angenommene Ausgangsdatenwurden kritisiert.

Besonders interessant ist, dassZankl nicht nur historische Kontro-versen aufgreift, sondern auch vieleBeispiele aus den vergangenen Jahrenbringt. Zum Beispiel der Skandal umFriedhelm Herrmann und MarionBrach in den 1990er Jahren: DieserFall von gefälschten Forschungsergeb-nissen schlug hohe Wellen. Herrmannund Brach beschuldigten sich in derÖffentlichkeit gegenseitig undschreckten auch nicht vor persönli-chen Beleidigungen zurück.

Anhand von so unterschiedlichenwie spannenden Beispielen zeigt dasBuch, wie Kränkungen des Egos undSturheit zu nicht aufzulösenden Kon-flikten führen können. Auch politi-sche Ideologien und religiöse Dog-men versperrten brillanten Köpfen inden vergangenen 350 Jahren denBlick auf die Wahrheit.

Kampfhähne der Wissenschaft.Kontroversen und Feindschaften.H. Zankl, Wiley-VCH Verlag, Wein-heim, 2010. 284 S., 24,90 R.ISBN 978-3527325795.

Dr. Elisabeth Rohde, Mannheim

ZELLBIOLOGIE |FaszinierendeMolekülmaschinenSchade, dass gleich die Legende derwohl als „Appetitmacher“ gedachtenEinstiegsseite einen Sachfehler ent-hält: ein Immunsystem, das die Zell-wand eines Bakteriums durchdringt,gibt es nicht. Nur ein Ausdrucksfeh-ler? Laut Vorwort zur deutschen Aus-

Biologie in unsererZeit finden Sie imInternet unterwww.biuz.de

W I SS E N S C H A F T S -G E S C H I C H T E |Zahn um ZahnWissenschaftler sind auch nur Men-schen. Sie verbindet neben ihrenaußergewöhnlichen wissenschaftli-chen Leistungen auch menschlicheSchwächen.

Heinrich Zankl beleuchtet inseinem Buch unterhaltsam dieUrsachen von Feindschaften inder Wissenschaft. Er geht bei je-dem Fall detailliert auf die Lebensläu-fe der Kontrahenten und die gesell-schaftlichen beziehungsweise politi-schen Rahmenbedingungen ein. Die-se Erläuterung der Hintergründemacht es dem Leser gut verständlich,wie es zu erbitterten Feindschaftenzwischen Wissenschaftlern kommenkann.

In dem Kapitel über Newton ge-gen Leibniz – sie stritten darüber, werdie Infinitesimalrechnung (heute un-ter dem Begriff Analysis zusammenge-fasst) begründet hat – werden die Le-bensläufe beider Wissenschaftler sehrdetailreich geschildert und es wirdauch auf Newtons Geltungssucht undKontaktscheuheit eingegangen. MitHilfe dieser Hintergrundinformatio-nen versteht man Newtons Motivefür seine jahrelangen Attacken gegenLeibniz besser und Newtons Vorwurf,Leibniz habe geistigen Diebstahl be-gangen, erscheint in einem neuenLicht.

Auch Lord Kelvin – nach dem dieSI-Einheit für die thermodynamischeTemperatur benannt ist – hat sich ineinen jahrelangen Streit mit Kollegenverstrickt, ohne seinen offensichtli-chen Irrtum jemals öffentlich zuge-ben zu können. Er nahm an, die Erdesei ein vollständig fester Körper undbestimmte das Erdalter über den Wär-meverlust unter der Annahme, die Er-de habe anfangs die gleiche Tempera-tur der Sonne gehabt. Auf diese Wei-se berechnete er das Alter der Erdeauf circa 100 Millionen Jahre. Damitverwickelte sich Kelvin in jahrelan-gen Streit mit Biologen und Geolo-

Page 7: Physik II Chemie IV Biologie VI TREFFPUNKT B · 2010, geb. 24,90. ISBN 978-3-527-40890-0. Dr. Martin Erik Horn, Frankfurt/Main TEILCHENPHYSIK | Weg ins Neuland „Schon wieder ein

Frühjahr 2011 | Treffpunkt Buch plus | VII

H I T L I S T E B E S T S E L L E R | B I O LO G I E

erwähnt. Des Weiterenbringt der Autor nach einersachlich nicht haltbarenAussage zur Glykolyse un-vermittelt Gärung ins Spiel(S. 65). Das notwendigeVorwissen über Mitochon-drien muss sich der Leser dann im Zusammenhang mit der Endosym-bionten-Theorie unter „Vorteile derKompartimentierung“ selbst suchen.Auch was Mutationen, die ebenfallsmehrfach vorkommen (S. 35, 38,114), genau sind, wäre schnell zurecherchieren gewesen, wenn dasBuch ein Glossar hätte. Das Schlag-wortverzeichnis ist hier wenig hilf-reich, denn es ist unvollständig und in der Begriffszuweisung unklar struk-turiert.

Wer eine unterhaltsame Lektüremit der Option auf sachliche Vertie-fung zum „Eintauchen“ in die Faszina-tion zellulärer Abläufe in „molekula-ren Maschinen“ haben möchte undFreude an künstlerisch modern gestal-teten naturwissenschaftlichen Zeich-nungen hat, der mag mit diesem Buchgut bedient sein. Doch trotz vieler in-haltlich und optisch faszinierendenInformationen sollte Goodsells Sach-buch insbesondere auf sachlogisch-struktureller Ebene noch einigen„evolutiven Optimierungsprozessen“unterzogen werden.

Wie Zellen funktionieren.D. S. Goodsell, Spektrum Akademi-scher Verlag, Heidelberg, 2010. 76 S.,24,95 R.ISBN 978-3-8274-2453-2.

Dr. Christiane Högermann, Osnabrück

ZO O LO G I E |Affen wie wirDieses Buch hat für BIUZ-Leser einenbesonderen Wiedererkennungswert:Den Titel ziert das Portrait eines Bo-nobo, welches auch auf dem Um-schlag von „Biologie in unserer Zeit“3, 2009 zu sehen war. In jenem Heft

mit dem SchwerpunktEvolutionsbiologie publi-zierte Volker Sommerseinen Artikel „Men-schenaffen wie wir“,garniert mit außerge-wöhnlich eindrucks-

vollen, anrührenden Fotografien vonJutta Hof.

Nach diesem Prodromus in BIUZlegen beide, der Professor für Evolu-tionäre Anthropologie und die Foto-grafin, nun einen großformatigen,zweisprachigen Band vor, der schonbeim Betrachten der Bilder eine er-staunliche Nähe schafft und zu Ge-danken anregt. Unsere nächsten Ver-wandten werden in allerbester Manieraus der Nähe in Zoos portraitiert; derinteressante, zuverlässige Text machtnachdenklich, letztlich sogar traurig.Während sich der moderneMensch ohne Rücksicht auf Ver-luste mit atemberaubendemTempo ausbreitet, könnten seinenächsten Verwandten in abseh-barer Zeit in ihrem angestamm-ten Lebensraum ausgerottet sein.

Das Buch gliedert sich in zehn Ka-pitel. Die ersten drei sind den Prima-ten generell gewidmet, die nächstenvier behandeln Orang-Utan, Gorillas,Schimpansen und Bonobos, in denletzten drei behandelt Volker SommerIntelligenz, Monismus und die mög-liche Zukunft unserer nächsten Ver-wandten. Die reiche Bebilderung(meist ganzseitige Fotos) nehmen et-was mehr als die Hälfte des Buchesein; der Text ist deutsch und englisch.

Dem Buch ist eine weite Verbrei-tung zu wünschen, und noch viel er-freulicher wäre, wenn die Autorenmit ihrem negativen Ausblick (Kapitel10) nicht Recht behielten, wenn Men-schen zur Vernunft kämen.

Menschenaffen wie wir – Apeslike us.J. Hof, V. Sommer, Edition Panorama,Mannheim, 2010. 192 S., 58,00 R.ISBN 978-3-89823-435-1.

Prof. Volker Storch, Universität Heidelberg

H I T L I S T E B E S T S E L L E R |N AC H S C H L AG E W E R K E |1 Lutz: Taschenbuch der Regelungstechnik

Harri Deutsch Verlag978-3817118595

2 Merziger: Repetitorium der HöherenMathematikBinomi Verlag978-3923923342

3 Stöcker: Taschenbuch der PhysikHarri Deutsch Verlag978-3817118601

L E H R B Ü C H E R |1 Voet: Lehrbuch der Biochemie

Wiley-VCH Verlag978-3527326679

2 Arens: MathematikSpektrum Akademischer Verlag978-3827417589

3 Arni: Grundkurs Chemie I und IIWiley-VCH Verlag978-3527330683

SAC H B Ü C H E R |1 Hüther: Bedienungsanleitung für ein

menschliches GehirnVandenhoeck & Ruprecht978-3535014646

2 Soentgen: Von den Sternen bis zum TauPeter Hammer Verlag978-3779502913

3 Sacks: Das innere AugeRowohlt Verlag978-3498064082

Herzlichen Dank an die Lehmanns Gruppe,die diese Liste erstellt hat.

Page 8: Physik II Chemie IV Biologie VI TREFFPUNKT B · 2010, geb. 24,90. ISBN 978-3-527-40890-0. Dr. Martin Erik Horn, Frankfurt/Main TEILCHENPHYSIK | Weg ins Neuland „Schon wieder ein

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