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Physik und Musik – ein fachlich, methodisch und ästhetisch reizvoller Kontext von Karsten Rincke Manuskript zum Beitrag in Naturwissenschaften im Unterricht Physik (Basisartikel), Heft 114, S. 4-9 Zur Einführung »Bei der Blockflöte wird die Luft in der Flö- te durch das Streifen der Anblasluft an der scharfen Lippe (dem Labium der Flöte, Anm. d. Autors) in Schwingung versetzt.« 1 Sol- che und ähnliche Formulierungen sind ge- bräuchlich, wenn die Funktionsweise von Musikinstrumenten für den Unterricht zu- gänglich gemacht werden soll. Häufig liegt der Schwerpunkt der Darstellung auf den Ei- genschwingungen eines Körpers und in die- sem Umkreis wird auf den Begriff der Reso- nanz Bezug genommen, indem erklärt wird, dass ein Resonanzkörper eine Schwingung wirkungsvoll an die Luft abgibt. Die Bedeu- tung des Resonanzkörpers und eine einge- hendere Beschreibung von Eigenschwingun- gen scheinen einen wesentlichen Teil der üb- lichen Elementarisierung des Unterrichtsge- genstands »Musik« oder »Musikinstrumen- te« auszumachen, und in der Tat lassen sich eine ganze Reihe von dazu passenden Expe- rimenten mit Schulmitteln durchführen. Bei genauerem Hinsehen fällt aber auf, dass in der Regel bedeutsame Zusammenhänge aus- gelassen werden – und das nicht, weil sie zu komplex und damit unzugänglich für den Unterricht wären. Es scheint eher die be- sondere von der Schulphysik geprägte Per- spektive auf die Musik und ihre Instrumente zu sein, die zu einer solchen Elementarisie- rung führt – eine Perspektive, die zuerst nach den Aspekten sucht, die zu einem klassi- schen Curriculum des Physikunterrichts ge- hören, und genau diese dann als zentral her- ausgreift. Der Unterricht möchte zum Bei- spiel den physikalischen Inhalt »Schwingun- gen« thematisieren und sucht nach einem passenden Kontext, der die Relevanz die- ses Themas auch aus der Sicht der Schüle- rinnen und Schüler untermauern soll. Die- ser Kontext wird dann etwa in der Behand- lung einzelner Aspekte einer Gitarre oder ei- nes Flügels gefunden. Wenn dann im Un- terricht das Bild eines Flügels gezeigt, aber mit einem Monocord experimentiert wird, wird schon im ersten Schritt bedeutend re- duziert – ob auch elementarisiert wird, ist fraglich, weil man geteilter Meinung darüber sein kann, ob das, was man mit einem Mo- nocord (noch) zeigen kann, eigentlich grund- legend für ein Musikinstrument ist. Es be- steht damit die Gefahr, dass auf dem Wege einer solchen Reduktion sozusagen das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, denn der schillernde Klang und die einnehmende Äs- thetik eines kostbaren Instruments – zwei- felsohne starke Motive für Schülerinnen und Schüler, sich mit ihnen zu befassen – erhalten dann von vornherein keinen Raum im Un- terricht. Zur Bedeutung sinnlich-ästhetischer Aspekte kommt hinzu, dass die in Schullehr- büchern oft anzutreffende Auswahl fachli- cher Aspekte zu kurz greift, wenn das Beson- dere an einem Musikinstrument zumindest in Grundzügen erkennbar werden soll: Wie- so regt eigentlich eine »scharfe Lippe« eine Schwingung an? Wie bringt eine Geige ihren so unverwechselbaren Klang hervor, wenn jemand mit einem rauen Bogen über die Sai- ten kratzt? Um es gleich zu sagen: Mit der Antwort, das Instrument »suche sich mit sei- nem Resonanzkörper die passenden Schwin- gungen heraus«, ist es nicht getan, wenn die gewählte Elementarisierung zentrale physi- 1 Aus: Umwelt Physik (1997), Klett, Stuttgart. 1

Physik und Musik · Musik verbindet, und dabei eine gewisse Di-stanz zu tradierten Konzepten zulässt, er-öffnen sich neue Möglichkeiten. Es ergeben sich aber auch Hürden: Die

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Page 1: Physik und Musik · Musik verbindet, und dabei eine gewisse Di-stanz zu tradierten Konzepten zulässt, er-öffnen sich neue Möglichkeiten. Es ergeben sich aber auch Hürden: Die

Physik und Musik – ein fachlich, methodischund ästhetisch reizvoller Kontext

von Karsten RinckeManuskript zum Beitrag in Naturwissenschaften im Unterricht Physik (Basisartikel), Heft 114, S. 4-9

Zur Einführung

»Bei der Blockflöte wird die Luft in der Flö-te durch das Streifen der Anblasluft an derscharfen Lippe (dem Labium der Flöte, Anm.d. Autors) in Schwingung versetzt.«1 Sol-che und ähnliche Formulierungen sind ge-bräuchlich, wenn die Funktionsweise vonMusikinstrumenten für den Unterricht zu-gänglich gemacht werden soll. Häufig liegtder Schwerpunkt der Darstellung auf den Ei-genschwingungen eines Körpers und in die-sem Umkreis wird auf den Begriff der Reso-nanz Bezug genommen, indem erklärt wird,dass ein Resonanzkörper eine Schwingungwirkungsvoll an die Luft abgibt. Die Bedeu-tung des Resonanzkörpers und eine einge-hendere Beschreibung von Eigenschwingun-gen scheinen einen wesentlichen Teil der üb-lichen Elementarisierung des Unterrichtsge-genstands »Musik« oder »Musikinstrumen-te« auszumachen, und in der Tat lassen sicheine ganze Reihe von dazu passenden Expe-rimenten mit Schulmitteln durchführen. Beigenauerem Hinsehen fällt aber auf, dass inder Regel bedeutsame Zusammenhänge aus-gelassen werden – und das nicht, weil siezu komplex und damit unzugänglich für denUnterricht wären. Es scheint eher die be-sondere von der Schulphysik geprägte Per-spektive auf die Musik und ihre Instrumentezu sein, die zu einer solchen Elementarisie-rung führt – eine Perspektive, die zuerst nachden Aspekten sucht, die zu einem klassi-schen Curriculum des Physikunterrichts ge-hören, und genau diese dann als zentral her-ausgreift. Der Unterricht möchte zum Bei-spiel den physikalischen Inhalt »Schwingun-

gen« thematisieren und sucht nach einempassenden Kontext, der die Relevanz die-ses Themas auch aus der Sicht der Schüle-rinnen und Schüler untermauern soll. Die-ser Kontext wird dann etwa in der Behand-lung einzelner Aspekte einer Gitarre oder ei-nes Flügels gefunden. Wenn dann im Un-terricht das Bild eines Flügels gezeigt, abermit einem Monocord experimentiert wird,wird schon im ersten Schritt bedeutend re-duziert – ob auch elementarisiert wird, istfraglich, weil man geteilter Meinung darübersein kann, ob das, was man mit einem Mo-nocord (noch) zeigen kann, eigentlich grund-legend für ein Musikinstrument ist. Es be-steht damit die Gefahr, dass auf dem Wegeeiner solchen Reduktion sozusagen das Kindmit dem Bade ausgeschüttet wird, denn derschillernde Klang und die einnehmende Äs-thetik eines kostbaren Instruments – zwei-felsohne starke Motive für Schülerinnen undSchüler, sich mit ihnen zu befassen – erhaltendann von vornherein keinen Raum im Un-terricht. Zur Bedeutung sinnlich-ästhetischerAspekte kommt hinzu, dass die in Schullehr-büchern oft anzutreffende Auswahl fachli-cher Aspekte zu kurz greift, wenn das Beson-dere an einem Musikinstrument zumindestin Grundzügen erkennbar werden soll: Wie-so regt eigentlich eine »scharfe Lippe« eineSchwingung an? Wie bringt eine Geige ihrenso unverwechselbaren Klang hervor, wennjemand mit einem rauen Bogen über die Sai-ten kratzt? Um es gleich zu sagen: Mit derAntwort, das Instrument »suche sich mit sei-nem Resonanzkörper die passenden Schwin-gungen heraus«, ist es nicht getan, wenn diegewählte Elementarisierung zentrale physi-

1Aus: Umwelt Physik (1997), Klett, Stuttgart.

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kalische Wirkungszusammenhänge wenigs-tens berühren möchte.

Wenn man sich entschließt, den Unterrichtnäher an das heranzuführen, was man mitMusik verbindet, und dabei eine gewisse Di-stanz zu tradierten Konzepten zulässt, er-öffnen sich neue Möglichkeiten. Es ergebensich aber auch Hürden: Die größere Nähezur Musik und ihren Instrumenten bringtAspekte in den Unterricht, für die geeigneteElementarisierungen zum Teil erst noch ge-sucht werden müssen. Die Beiträge des vor-liegenden Heftes versuchen, hierzu reizvolleund brauchbare Vorschläge zu machen, dieauch die in der Schule verfügbaren experi-mentellen Mittel nicht überreizen. Als dank-bares Hilfsmittel erweist sich der Computer– einige kostenlose Programme, die auch vonden Schülerinnen und Schülern genutzt wer-den können, öffnen manche Tür in die Weltdes Klangs und seiner Entstehung, die sonstnur einer analytischen Betrachtung auf sehrhohem Niveau offenstünden. Wenn es ge-lingt, diese Mittel passend einzusetzen, mussvielleicht nicht mehr die Musik als Kontextfür einige Grundtatsachen der Schwingungs-physik herhalten, sondern wird die Physikzum Kontext für eine reizvolle Auseinander-setzung mit der Musik. Das bedeutet nicht,dass mit einem Male alle Schüler einhelligbegeistert sein werden – auch mit einem sol-chen Unterricht spricht man bestimmte Nei-gungen an, und andere Neigungen tretenin den Hintergrund. Es werden aber andereNeigungen sein, musische insbesondere, dieder Physikunterricht nur selten anspricht.

Ernüchternde Beobachtung

Wir kehren nochmals zum Beispiel der Flö-te zurück, aber nicht, um sie hier in Gänzebeschreiben zu wollen. Dieser Abschnitt sollzunächst nur darauf aufmerksam machen,

dass eine Elementarisierung, wie sie oben an-gegeben wurde, hinterfragt werden darf. DerAbschnitt soll einen Eindruck davon geben,dass neue Inhalte auftauchen, wenn man ver-sucht, mit dem Unterricht nahe an der Musikund ihren Instrumenten zu bleiben.Was bewirkt eigentlich ein Luftstrom, der aufeine scharfe Kante oder »Lippe« wie das La-bium trifft? Es wird von der Geometrie derAnordnung abhängen, ob man turbulente, ir-reguläre Luftbewegungen beobachten wirdoder eine zeitlich konstante Strömung. Imletzteren Fall wird sich die Strömung in ir-gendeiner Weise an der scharfen Kante tei-len und sie umströmen. Einen Ton wird siesicher nicht dabei erzeugen. Im ersteren Fallwird es vielleicht ein Geräusch sein, das dieTurbulenzen in den umgebenden Raum ab-strahlen – einen Flötenton wohl aber auchnicht. Gehen wir einmal von der Annahmeaus, dass ein Rauschen erzeugt wird undführen ein kleines Modellexperiment durch:Anstatt der Lufströmung und des Labiums,die gemäß unserer Annahme ein Geräuscherzeugen, verwenden wir eine andere, ein-fach handhabbare Rauschquelle, einen Ra-dioempfänger. Der Empfänger wird auf ei-ne Frequenz eingestellt, auf der kein Senderzu hören ist. Wie bei der Flöte ergänzen wirdie Rauschquelle durch einen Resonanzkör-per, hier etwa eine schwingungsfähige Luft-säule in einer Pappröhre. Man nähert nun diePappröhre dem Lautsprecher des Radioemp-fängers, aus dem das Rauschen tönt. Eigent-lich dürfen wir nun einen Flöten- oder Or-gelton erwarten, denn die Anordnung soll-te genau das leisten, was die Beschreibungder Funktionsweise einer Blockflöte, mit derdieser Beitrag begann, vorsieht. Immerhinbieten wir der Luftsäule ja Ähnliches, wasauch das Labium der Luftsäule in der Flöteanbietet, ein Rauschen. Das Ergebnis ist je-doch ernüchternd – nichts geschieht! Wennwir das Ohr an das dem Lautsprecher gegen-über liegende offene Ende des Rohres hal-ten, bemerken wir lediglich eine kleine Än-

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derung der »Klangfarbe« des Rauschens. ImBeitrag Aus dem Rauschen der volle Klangwird von dieser Beobachtung ausgehend einModell vorgestellt und im einfachen Experi-ment beeindruckend bestätigt, das ein zen-trales Geheimnis der Klangentstehung in derLuftsäule lüftet: Erst die Rückwirkung derLuftsäule auf die Strömung um das Labi-um herum lässt einen Klang entstehen. Inunserem Modellexperiment müsste also, umdiese Rückwirkung nachzubilden, eine Mög-lichkeit vorgesehen werden, mit der die Luft-säule mit dem Rauschen des Radioempfän-gers rückkoppelt – dann und nur dann ent-steht der Klang. Die Elementarisierung fürdie Klangentstehung bei der Blockflöte, mitder dieser Beitrag begann, erweist sich inso-fern als fragwürdig, als sie eine unidirektio-nale Wirkung eines Teils der Flöte (des La-biums) auf einen anderen Teil (die Luftsäu-le im Holzrohr) beschreibt. Es wird sich aberzeigen, dass erst die bidirektionale Interakti-on wenigstens zweier Teile des Instrumentseinen Klang entstehen lässt.

Schulphysik alsAusgangspunkt?

Die Betrachtungen im vorangegangenen Ab-schnitt zeigen, dass es lohnt, sich ein Stückweit von den in der Schulphysik gewohn-ten Bahnen zu entfernen, wenn dem The-ma dieses Heftes Rechnung getragen wer-den soll. Bedeutet das nun, dass das, wasohnehin schon kompliziert ist, noch kom-plizierter dargestellt werden muss, damites »richtig« ist? Wir betrachten noch ein-mal die Verhältnisse für die stehende Wel-le in einer Luftsäule, so wie sie üblichwei-se in Lehrbüchern zu finden ist, siehe Abbil-dung 1. Im begleitenden Lehrbuchtext, ausdem die Abbildung stammt, geht es um Ei-genschwingungen. Der Text erklärt, dass bei

der oben offenen Pfeife (im Bild ganz rechts)am oberen Ende die Luftmoleküle frei be-weglich seien (es kommt zum so genanntenBewegungsbauch), dagegen glichen sich dieDruckschwankungen stets aus: Ein »Knotender Druckwelle« liegt am Rohrende vor. Die-se Darstellung ist in fachlicher wie didakti-scher Hinsicht aus zwei Gründen interessant:Zunächst werden offenbar die Begriffe Ei-genschwingung und stehende Welle in ähn-lichem Sinne gebraucht. Andererseits sindaber Schwingungen und Wellen deutlich zuunterscheiden – die eine weist eine zeitliche,die andere eine zeitliche und zusätzlich auchräumliche Periodizität auf. Dass im Kontextvon Resonanzphänomenen die Grenzen zwi-schen den Begriffen Schwingung und Wel-le leicht verwischen, ist charakteristisch fürviele Texte. Es liegt nahe, dass sich hierausLernschwierigkeiten ergeben können. Wei-terhin fällt auf, dass die Art der Elementa-risierung offenbar von einem Beispiel gelei-tet ist, das fast schon archetypischen Cha-rakter hat – es ist das Beispiel des Gummi-seils oder der Spiralfeder, auf der die Welleentlang läuft, von der auch die Beschreibungder Verhältnisse in der Luftsäule geleitet ist.So wie das Gummiseil ein definiertes Endehat, das je nach experimenteller Anordnungbeweglich ist oder eben nicht, so scheint imBild die Luftsäule ein Ende zu haben. Abermal ehrlich: Wie stellen Sie sich die Refle-xion einer Schallwelle, die durch ein Rohrläuft, an dessen offenem Ende vor? StellenSie sich auch vor, dass sie doch eigentlich amEnde des Rohrs einfach »verpuffen« müss-te? Wer oder was bringt die Welle dazu, amoffenen Ende des Rohrs umzukehren? Und:Wie bitte schön gelangt der Ton in unser Ohr,wenn die Welle steht, wenn sie also keineEnergie von einem Ort zu einem anderenOrt bringen kann, schon gar nicht in unserOhr? Der Vorstellung gelingt es kaum, das,was man am Gummiseil zu sehen glaubt, aufdie Verhältnisse in einer Luftsäule, die vonLuft umgeben ist, zu übertragen. Und jen-

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seits dieses Problems der Vorstellung erge-ben sich zusätzliche fachliche Fragen: Kannder Druck am offenen Ende des Rohrs wirk-lich einen »Druckknoten« ausbilden, wie esim Lehrbuch zu lesen ist? Wir wissen, dassbei der stehenden Welle innerhalb des RohrsDruck und Geschwindigkeit der Luftmole-küle um π/2 phasenverschoben sind. Au-ßerhalb des Rohrs, dort, wo die Schallwel-le nicht steht, sondern in den Raum hineinpropagiert, haben Druck und Geschwindig-keit dieselbe Phase! Wo und wie schiebensich die zeitlichen Druck- und Geschwindig-keitsverläufe so zurecht, dass den Verhält-nissen im Rohr ebenso Rechnung getragenwird wie außerhalb des Rohrs? Beruhigt kön-nen wir uns also über die Feststellung freuen,dass die Schwierigkeit, die wir mit der Vor-stellung haben, sehr berechtigt ist, denn dieVerhältnisse sind offensichtlich recht kompli-ziert.Die Ratlosigkeit, die sich angesichts solchkomplizierter Zusammenhänge einstellt, istlehrreich. Wenn das Thema »Physik und Mu-sik« lautet und nicht »Schwingungen undWellen«, dann kann man sich nicht daraufbeschränken, allein die Phänomene inner-halb einer Luftsäule beschreiben zu wollen.Wer sich darauf beschränken wollte, ließeaußen vor, dass der Ton nach außen drin-gen und einen Menschen erreichen muss.Die Lehrbuchdarstellung, wie sie hier zitiertwurde, reicht also nicht aus. Andererseits isteine Darstellung wie in Abbildung 1 nicht et-wa aus Unkenntnis der »wahren« Verhält-nisse gewählt. Sie ist gewählt, weil sich anihr zeigen lässt, dass Wellenphänomene ge-meinsame Eigenschaften haben, die von derkonkreten experimentellen Situation unab-hängig sind. Die modellhafte Beschreibung

kann deutlich machen, dass jede physika-lische Darstellung Aspektcharakter hat, diebestimmte Aspekte betont und andere nichtnur in den Hintergrund stellt, sondern bis-weilen sogar ignoriert. Die Darstellung wiein Abbildung 1 ignoriert zum Beispiel, dasseine Pfeife oder Flöte einen Ton erzeugensoll, der außerhalb derselben hörbar sein soll.Sie ignoriert, dass die Welle also nicht wirk-lich stehen darf, sie muss ein wenig laufen,damit sie Energie von einem Ort zum ande-ren transportiert.

Elementarisieren undVisualisieren

Das im vorigen Abschnitt beschriebene fach-liche Problem stellt sich auch als didaktischesProblem dar: Die übliche Darstellung wie inAbbildung 1 geht von eindimensionalen Sys-temen aus, in der sich eine Welle ausbreitet.Es gibt nur eine Ausbreitungsrichtung etwanach links oder rechts. Es wird selten daraufhingewiesen, dass dies eine notwendige Vor-aussetzung dafür ist, dass sich die stehendeWelle so ausbildet, wie es das Bild zeigt. Wiebereits beschrieben, steht diese Welle, und sielässt außerhalb der eindimensionalen Pfei-fe nichts hören. Wenn es um Musik gehensoll, ist daher nach einer Möglichkeit gefragt,diese Art der Darstellung zu verändern. Diephysikalischen Zusammenhänge werden da-mit zweifelsohne komplizierter. Kasten 1 gibtHinweise, Was im physikalisch-fachlichenBereich vorausgesetzt werden muss, damitdie Beiträge in diesem Heft den Unterrichtunterstützen können.

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Folgende Begriffe und Zusammenhänge sind für alle Beiträge wichtig (einige Beiträgeerfordern weitere Voraussetzungen, auf die an entsprechender Stelle hingewiesen wird):

• die Sender-Empfänger-Vorstellung für die Akustik

• die Begriffe Frequenz und Amplitude mit ihrer bildlichen Darstellung in einerZeitreihe

• ein qualitativer Zusammenhang zwischen wahrgenommener Tonhöhe undFrequenz

• ein qualitativer Zusammenhang zwischen wahrgenommener Lautstärke undAmplitude

Das vorliegende Heft gibt Hinweise, wie Musik und Physik mit einander verbundenwerden können. Die Wellenmechanik wird nicht als geschlossenes Konzeptvorausgesetzt, sondern in den Beiträgen wird jeweils der Zusammenhang ausgewählterBegriffe behandelt und mit eigenen Wahrnehmungen in Verbindung gebracht. Wichtig ist,dass die Schülerinnen und Schüler behutsam in den Umgang mit Bildern undDiagrammen eingeführt werden: Das, was diese Bilder mit Experimenten oder eigenenWahrnehmungen verbindet, erklärt sich bei weitem nicht von selbst.

Kasten 1: Allgemeine Hinweise zu fachlichen Voraussetzungen

Um die Auseinandersetzung vertieft führenzu können, bietet sich der Computer an. Mitentsprechenden Programmen lässt sich mo-dellieren und visualisieren, sodass auch ohnevertiefte formale Kenntnisse bestimmte Phä-nomene untersucht werden können. In Kas-ten 2 ist ein Beispiel für die Untersuchungder Pfeife gegeben. Wir verwenden dazu eineigens angefertigtes, einfach zu bedienendesProgramm.2 Das Programm ermöglicht, den

Gegenstand mit den von ihm generierten Bil-der zu explorieren. Die Darstellung setzt da-bei auf zwei Ebenen an, einer sehr bildhaf-ten (siehe Abb. 2), die für den Unterricht ge-eignet sein kann, und einer weiteren, die dasBild mit Diagrammen kombiniert, für derenDeutung vertiefte Fertigkeiten im Umgangmit Diamgrammen nötig sein werden (z. B.Abb. 4).

2Das Programm »Schallwellen« von R. Matzdorf kann unter http://www.physik.uni-kassel.de/1028.html.heruntergeladen werden.

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Abbildung 2 zeigt eine Situation, in der sich Schall von einer Quelle in den Raumhineinbewegt. Das Programm simuliert, spielt die Verhältnisse nach. Zonen höheren oderniedrigeren Drucks sind durch Farben gekennzeichnet. Man erkennt, dass die Schallwellean einem Hindernis reflektiert wird und beginnt, um das Hindernis herum zu laufen.Abbildung 3 nutzt diese Darstellungsmöglichkeit, um die Verhältnisse für eine Luftsäulenachzuspielen. In Abbildung 4 wird die Situation für ein sehr schlankes Rohr genauerbetrachtet, dazu wird auch eine weitere, vom Programm angeboteneDarstellungsmöglichkeit genutzt. In Abbildung 5 wird dieselbe Situation zu einemspäteren Zeitpunkt noch einmal betrachtet. Die Zusammenschau der Bilder erläutert,weshalb eine Schallwelle, die durch ein Rohr läuft, an ihrem offenen Ende reflektiert wird.Die Zusammenhänge werden in diesem Beispiel zugänglich, ohne dafür ein kompliziertesSystem von Gleichungen lösen zu müssen. Die Simulation kann ebenfalls leicht zeigen,dass ein allzu dickes Rohr (bezogen auf die Wellenlänge des Schalls) keine stehendenWelle ausbilden wird.

Kasten 2: Reflexion der Welle in einer Luftsäule mit offenem Ende

Solche Darstellungen bieten sich für Erkun-dungen an, die die Lehrkraft für ihre Vor-bereitungen durchführt. Mit bildhaften Dar-stellungen kann der Unterricht bereichertwerden, da sie Aspekte beleuchten, die sichin Experimenten nur indirekt und sehr oftnur mit einer systematischen Kenntnis derPhysik der Schwingungen und Wellen er-schließen. Das Programm kann daher in derWeise genutzt werden, dass es eine Brückeschlägt von einer allzu simplen Darstellunghin zu einer solchen, die sich mit der ei-genen Wahrnehmung von Tönen in Verbin-dung bringen lässt, und zwar ohne dabeiden schwierigen Weg einer systematischenEinführung in die Physik der Schwingungenoder gar Wellen gehen zu müssen. Dabei öff-net sich auch eine Möglichkeit, die Diskussi-on von Vorstellungen der Schülerinnen undSchüler über die Ausbreitung des Schalls inden Raum hinein zu besprechen. (Wulf &Euler, 1995) berichten über die Vorstellun-gen, die Grundschulkinder über die Ausbrei-tung des Schalls mit in den Unterricht brin-gen. Im Sekundarbereich darf sicher davonausgegangen werden, dass die stark antropo-morphen Vorstellungen, von denen der Textberichtet, aufgegeben wurden. Andere Vor-stellungen aber, etwa die, die dem Ton ei-ne eigene Materialität zuweisen, etwas Kor-

puskulares, was die Quelle in unser Ohr sen-det, müssen nicht aufgegeben worden sein,da das tägliche Erleben nicht unbedingt zurAufgabe solcher Vorstellungen zwingt. Lehr-buchdarstellungen wie in Abbildung 6 tra-gen möglicherweise noch zur Aufrechter-haltung dieser Vorstellungen bei, wenn dienaive Vorstellung eines materiellen »Strah-lens« bedient wird, obwohl eine sehr viel ab-straktere Vorstellung gemeint ist – im Bildkann streng genommen nur der ortsabhängi-ge Vektor der Geschwindigkeit mit den Pfei-len gemeint sein. Für viele Schullehrbücherist es charakteristisch, dass sie zwischen ei-nem Strahlenmodell, wie es in Abbildung 6implizit zum Ausdruck kommt, und einemsolchen, bei dem die Vorstellung von derAusbreitung einer Welle intendiert wird, hinund her wechseln.

Wenn Bilder, Diagramme, auditive Wahrneh-mungen und Texte kombiniert werden, so er-geben sich oft Möglichkeiten, einen Gegen-stand auf unterschiedliche Weisen zu reprä-sentieren. Dieser Umstand kann im Unter-richt fruchtbar gemacht werden, indem be-wusst zwischen unterschiedlichen Formender Repräsentation eines Gegenstands ge-wechselt wird. Es setzt eine vertiefte Ver-arbeitung des Unterrichtsgegenstands vor-

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aus, wenn er von der einen in die ande-re Form der Repräsentation übertragen wer-den soll. (Leisen, 1999) liefert konkrete Bei-spiele, wie Wechsel in den Darstellungsfor-men zum konstruktiven Element des Phy-sikunterrichts gemacht werden können. Da-zu bieten sich Wechsel von einer bildli-chen in eine textliche oder symbolische (ma-thematische) Form an. Neben der Erwar-tung, dass Wechsel in den Darstellungsfor-men lernförderlich sein können, sind sie auseinem weiteren Grund für den Unterrichtinteressant: Die computergenerierten Bilderin diesem Heft weisen auf die Möglichkei-ten bildgebender Verfahren hin, die in Me-dizin und Technik große Bedeutung haben.Den souveränen Umgang mit solchen Bil-dern zu üben, ist daher ein Beitrag des Un-terrichts zur Bildung, der über das Fach Phy-sik weit hinaus weist. Zudem lässt sich dieBeschäftigung mit solchen Verfahren direktauf das beziehen, was in den Bildungsstan-dards3 im Kompetenzbereich Kommunikati-on gefordert wird: »Mit vorgegebenen Dar-stellungsformen arbeiten« (Anforderungsbe-reich I), »geeignete Darstellungsformen nut-zen« (Bereich II) und »Darstellungsformenselbstständig auswählen und nutzen« (Be-reich III).

Die Schülerinnen und Schüler kommen mitunterschiedlichen musikalischen Erfahrun-gen und Fähigkeiten in den Unterricht. Ju-gendliche, die regelmäßig ihr Instrumentstimmen, begegnen den Klangbeispielen miteiner anderen Sensitivität als solche, deneneigenes Musizieren noch fern liegt. SolcheUnterschiede werden bedeutsam, wenn nachsorgfältiger Wahrnehmung gefragt ist wie imBeitrag Klänge hören und lesen : Wenn un-terschiedliche Klangfarben thematisiert wer-den, kann es leicht passieren, dass die einenerstaunt aufhorchen und die anderen sagen»ich hör nix!«. Wie möchte man darauf ein-

gehen? Die Bilder und Diagramme, die vomComputer generiert werden, können hier ei-ne wertvolle Hilfe bilden. Sie stützen die Ver-sprachlichung zumindest der äußeren, ob-jektivierbaren Bedingungen für das akusti-sche Phänomen, zusätzlich eröffnen sie dieMöglichkeit, diese Bedingungen zu manipu-lieren, indem Tonhöhen und Lautstärken in-dividuell variiert werden können.

VomSender-Empfänger-Modellzur zyklischen Denkfigur

Der Physikunterricht thematisiert Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Oft werden siein der Form von Wenn-dann- oder Je-desto-Sätzen versprachlicht. Die Sender-Empfänger-Vorstellung lässt sich in die-ses Muster einordnen, und ähnlich wie inder Optik ist die Akzeptanz dieses Modellsdurch die Schülerinnen und Schüler essen-ziell, wenn Phänomene angemessen gedeu-tet werden sollen. Ein Ton ist nicht einfachda und erfüllt den Raum, sondern er gehtvon einer Quelle aus und breitet sich in denRaum hinein aus, läuft um Ecken herum (al-so nicht einfach »geradlinig«) und erreichteinen Empfänger. Für die meisten Beiträgein diesem Heft ist die Vorstellung von Sen-der und Empfänger tragfähig.

Das eingangs erwähnte Beispiel der Flötestellt ein ganz anderes System vor, eines, dasauf sich selbst zurück wirkt. Das Geräusch inder Röhre wirkt auf die Voraussetzungen sei-ner Entstehung zurück und formt den Klang.Eine solche, nicht-lineare, zyklische Denkfi-gur wird nur selten im Unterricht behandelt,obwohl sie zunehmende Brisanz gewinnt.

3http://www.kmk.org/bildung-schule/qualitaetssicherung-in-schulen/bildungsstandards/dokumente.html,Bildungsstandards für das Fach Physik S. 14

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Denkfiguren dieser Art sind unerlässlich fürein Verständnis für zentrale Probleme un-serer Zivilisation wie der Dynamik der Kli-maveränderung oder ökonomischer Zusam-menhänge, die unsere Lebensbedingungenmaßgeblich beeinflussen. Das im Beitrag Ausdem Rauschen der volle Klang vorgestell-te Experiment macht diese zyklische Wech-selwirkung an einem Beispiel greifbar. Auchim Beitrag Unsere Ohren lassen von sich hö-ren muss in zwei Richtungen gedacht wer-den: Das Ohr ist nicht mehr einfach der Emp-fänger, ein biologisches Mikrofon, es ist Ak-teur und generiert Töne, die wir hören kön-nen. Das verdeutlicht die aktive Rolle vonGehör und Nervensystem bei der auditivenWahrnehmung. Für physikalische Methodender Erkenntnisgewinnung werden normaler-weise unter anderem die Eigenschaften derWiederholbarkeit und Objektivität gefordert.Objektivität muss hier mit Beobachterunab-hängigkeit übersetzt werden. An dieser Stel-le wird deutlich, in welchem Spannungsfeldsich der Unterricht bewegt, der psychoakus-tische Phänomene thematisiert: Wenn dieWahrnehmung eines Klangs, der dem Ge-hör nicht von außen zugeführt, sondern vonihm selbst erzeugt wird, als Ergebnis einesphysikalischen Experiments gedeutet wer-den soll, dann setzt dies voraus, dass Gehörund Nervensystem zum Objekt erklärt wer-den. Wir müssen uns von uns selbst distan-zieren, die Perspektive wechseln und vonaußen auf uns selbst schauen. Damit wer-den die Grenzen zwischen Subjekt und Ob-jekt neu gezogen, was vielfältige Anlässe ge-ben kann, die Qualität physikalischer Beob-achtung und Methode der Erkenntnisgewin-

nung zum Gesprächsgegenstand zu machen.Dies verweist darauf, dass ein Interesse anMusik nicht per se das Interesse an der Phy-sik wecken muss – und umgekehrt. Darinliegt eine leise Warnung vor falschen Erwar-tungen an den Physikunterricht: Für freud-volles und ausdrucksstarkes Musizieren bil-den physikalische Kenntnisse keine Voraus-setzung. Dass die Musik einen reizvollenKontext bilden kann, ist sicher unzweifel-haft. Im Beitrag Die Physik der Gitarre wer-den Möglichkeiten vorgestellt, wie der Kon-text eines Instruments zur Vertiefung fachli-cher Inhalte in kooperativer Arbeitsform ge-nutzt werden kann.

Literatur

Bader, F., Bremer, R., Bürkert, R., Drehmann,P., Gaul, R., Kasten, W. et al. (1993).Physik – Sekundarbereich I (F. Bader &F. Dorn, Hrsg.). Hannover: SchroedelSchulbuchverlag.

Gomoletz, J., Grehn, J., Krause, J., Peters, G.,Schmidt, H. K. & Sschwarze, H. (2007).Physik (J. Grehn & J. Krause, Hrsg.).Hannover: Metzler.

Leisen, J. (1999). Methoden-Handbuch. Bonn:Varus.

Müller, R., Wodzinski, R. & Hopf, M. (Hrsg.).(2004). Schülervorstellungen in der Phy-sik. Köln: Aulis.

Wulf, P. & Euler, M. (1995). Ein Ton fliegtdurch die Luft. Physik in der Schu-le, 33, 254 – 260. (erneut abgedruckt in(Müller, Wodzinski & Hopf, 2004))

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Abbildung 1: Abbildung aus einem Oberstufenlehrbuch zur stehenden Welle in einer Luft-säule (aus: Gomoletz, 2007, S. 143).

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Abbildung 2: Eine Schallquelle strahlt in den Raum hinein. Die Schallwellen treffen rechtsauf ein Hindernis, auch an den Rändern der »Box« werden sie reflektiert. AlleElemente des Bildes werden mit der Maus gemalt – das bedeutet, dass manbeliebig Schallquellen oder reflektierende »Gegenstände« malen kann. Hierim Bild nicht gezeigt, für viele Situationen aber wichtig, ist eine Möglichkeit,dafür zu sorgen, dass Schallwellen nicht reflektiert, sondern stark gedämpftwerden. Das ist zum Beispiel dann nötig, wenn die Wellen nicht am Rand desBildes reflektiert werden sollen, damit die Darstellung nicht zu kompliziertwird. Zur Herkunft des Programms siehe S. 5

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Abbildung 3: Eine Schallquelle sitzt tief ein einem Rohr verborgen. Hier bildet sich (bei pas-sender Wahl von Länge des Rohrs bzw. Wellenlänge) eine Welle aus, die imRohr nahezu zu stehen scheint. Ein Teil dringt in den Außenraum vor.

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Abbildung 4: Links ist eine Situation ähnlich wie in Abb. 3 zu sehen mit dem Unterschied,dass das Rohr nun sehr schlank ist. Das Bild wurde kurz nach dem Programm-start aufgenommen, die Welle erreicht gerade das erste Mal das Ende desRohrs. Entlang der horizontalen Linie im linken Bild werden im rechten Dia-gramm der Druck (als Differenz zum Normaldruck) und die Geschwindigkeitangezeigt. Zunächst fallen die Kurven für den Druck und die Geschwindigkeitaufeinander, sie sind wie bei einer freien Welle in Phase. Am Ende des Rohrskommt es jedoch zu einer plötzlichen Verzerrung: Der Druck wird durch dasLuftreservoir der Umgebung auf dem Wert des Normaldrucks gehalten undkann nicht ansteigen. Dadurch fällt die Druck-Kurve steiler ab als im Innerndes Rohrs und schwingt wie in Abb. 5 gezeigt in den negativen Bereich. (Län-ge des Rohrs 2,8 m; Frequenz 100 Hz).

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Page 13: Physik und Musik · Musik verbindet, und dabei eine gewisse Di-stanz zu tradierten Konzepten zulässt, er-öffnen sich neue Möglichkeiten. Es ergeben sich aber auch Hürden: Die

Abbildung 5: Dieselbe Situation wie in Abb. 4, allerdings kurze Zeit später. Man erkennt,dass der Druck- und der Geschwindigkeitsverlauf nun nicht mehr in Phaseliegen, der Druckverlauf hat einen Phasensprung vollzogen. Ein wenig dringtdie Welle in den Außenraum ein, das rechte Diagramm zeigt aber, dass diesesEindringen marginal ist, denn es gibt nur sehr kleine Druckschwankungengegenüber dem Normaldruck.

Abbildung 6: Das Bild möchte den Weg des Schalls von der Uhr in das Ohr zeigen. Dabeisetzt es auf einer hohen Ebene der Abstraktion an: Der Schall, der sich in alleRichtungen des Raums ausbreitet, wird nur durch den einen für die Zweckedes Bildes relevanten Pfeil gekennzeichnet, der – streng genommen – nur mitdem ortsabhängigen Geschwindigkeitsvektor in Verbindung gebracht werdenkann (aus: Bader (1993) S. 357).

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