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44 Physiologie der Respiration Margarethe Geiger, Zentrum für Biomolekulare Medizin und Pharmakologie, Institut für Gefäßbiologie und Thromboseforschung 1) Mechanik der Atmung Lungenvolumina Abbildung 1: Lungenvolumina und –kapazitäten. ERV, Exspiratorisches Reservevolumen; FRC, Funktionelle Residualkapazität; IC, Inspiratorische Kapazität; RV, Residualvolumen; TLC, Totalkapazität, VC, Vitalkapazität (aus: Harrison’s, Principles of Internal Medicine, 2001) Bei ruhiger Atmung ist nur für die Inspiration Muskelkontraktion notwendig. Die Exspiration ist ein passiver Prozess, der durch die Retraktionskraft der Lunge bewirkt wird. Die Ursachen für die Retraktionskraft der Lunge sind a) die Oberflächenspannung des Flüssigkeitsfilmes, der die Alveolen auskleidet (~2/3) und b) elastische Fasern der Lunge, die während der Inspiration gedehnt werden (~1/3). Ein Maß für die Retraktionskraft der Lunge ist der negative intrapleurale Druck, der notwendig ist, um ein Kollabieren der Lunge zu verhindern (~ -4mm Hg). Am Ende einer tiefen Inspiration, wenn die Lunge stark gedehnt ist, kann er bis zu –18mm Hg abnehmen. Atemmuskulatur Siehe gängige Lehrbücher der Anatomie und Physiologie Eigenschaften der Lunge unter statischen Bedingungen Dehnbarkeit von Lunge und Thorax: „Compliance“ Die Dehnbarkeit von Lunge und Thorax wird als Compliance bezeichnet. Sie wird angegeben als DV/ DP (Volumszunahme pro Einheit Alveolardruckszunahme bzw. Pleuradruckabnahme). Die normale

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Physiologie der RespirationMargarethe Geiger, Zentrum für Biomolekulare Medizin und Pharmakologie,

Institut für Gefäßbiologie und Thromboseforschung

1) Mechanik der AtmungLungenvolumina

Abbildung 1: Lungenvolumina und –kapazitäten. ERV, Exspiratorisches Reservevolumen; FRC, Funktionelle Residualkapazität; IC, Inspiratorische Kapazität; RV, Residualvolumen; TLC, Totalkapazität, VC, Vitalkapazität (aus: Harrison’s, Principles of Internal Medicine, 2001)

Bei ruhiger Atmung ist nur für die Inspiration Muskelkontraktion notwendig. Die Exspiration ist ein passiver Prozess, der durch die Retraktionskraft der Lunge bewirkt wird. Die Ursachen für die Retraktionskraft der Lunge sind a) die Oberflächenspannung des Flüssigkeitsfilmes, der die Alveolen auskleidet (~2/3) und b) elastische Fasern der Lunge, die während der Inspiration gedehnt werden (~1/3). Ein Maß für die Retraktionskraft der Lunge ist der negative intrapleurale Druck, der notwendig ist, um ein Kollabieren der Lunge zu verhindern (~ -4mm Hg). Am Ende einer tiefen Inspiration, wenn die Lunge stark gedehnt ist, kann er bis zu –18mm Hg abnehmen.

Atemmuskulatur Siehe gängige Lehrbücher der Anatomie und Physiologie

Eigenschaften der Lunge unter statischen Bedingungen

Dehnbarkeit von Lunge und Thorax: „Compliance“ Die Dehnbarkeit von Lunge und Thorax wird als Compliance bezeichnet. Sie wird angegeben als DV/DP (Volumszunahme pro Einheit Alveolardruckszunahme bzw. Pleuradruckabnahme). Die normale

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Compliance von Lunge und Thorax zusammen beträgt 0,13l/cm H2O, die Compliance der Lunge alleine liegt bei 0,22l/cm H2O. Das bedeutet: Eine isolierte Lunge ist dehnbarer als ein Lunge „in situ“, wo auch der Thorax mitgedehnt werden muss.

Abbildung 2: Statisches Druck-Volumen-Diagramm. Reinflation nach Kollaps. Bemerke: Ein- und Ausatmungskurven verlaufen unterschiedlich. Aus: W.F. Boron & E.L. Boulpaep, Medical Physiology

Abbildung 3: Druck-Volumen Diagramm der Lunge bei Gesunden und bei Patienten mit Emphysem bzw. Lungenfibrose. Aus: W.F. Boron & E.L. Boulpaep, Medical Physiology

Abbildung 4: Statisches Druck-Volumen-Diagramm. Bemerke: Die Oberflächenspannung (Grenzfläche Luft-Wasser in den Alveolen) vermindert die Complience (blaue Kurven), sie trägt wesentlich zu den „elastischen“ Rückstellkräften der Lunge bei. Aus: W.F. Boron & E.L. Boulpaep, Medical Physiology

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Abbildung 3

Abbildung 4

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Synthese, Zusammensetzung und Funktion des Surfactant Surfactant ist ein Lipoproteingemisch, das von Alveolarepithelzellen Typ II synthetisiert wird und die Wand der Alveolen auskleidet. Er ist wie folgt zusammengesetzt:

• Dipalmitoylphosphatidylcholin (62%) • Phosphatidylglycin (5%) • Andere Phospholipide (10%) • Neutrale Lipide (13%) • Proteine (8%) • Kohlenhydrate (2%)

Durch den Surfactant wird die Oberflächenspannung (siehe Physik) des Flüssigkeitsfilmes, der die Alveolen auskleidet, vermindert. Ohne Surfactant wären zur Dehnung der Lunge viel negativere Pleuradrucke erforderlich als im Normalfall. Der Oberflächenspannungs-vermindernde Effekt des Sufactant ist abhängig von seiner Konzentration pro Flächeneinheit. Bei Verkleinerung der Alveolen nimmt die Surfactant-Konzentration an der Oberfläche zu und folglich die Oberflächenspannung ab. Das ist notwendig, da ansonsten bei kleineren Alveolenradien (r) viel höhere Drucke erforderlich wären, um die Alveolen offen zu halten (Gesetz von Laplace: P=2T/r, T, Oberflächenspannung). Dieser Mechanismus bewirkt auch, dass die Größe der einzelnen Alveolen stabilisiert wird. Ohne Surfactant käme es aufgrund der hohen Oberflächenspannung außerdem zu Verschiebung von Flüssigkeit aus der Alveolarwand in die Alveolen.

Eigenschaften der Lunge unter dynamischen Bedingungen: Wenn Luft strömt (dynamische Bedingungen), braucht man Kraft nicht nur, um in Lunge und Thoraxraum ein gewisses Volumen aufrechtzuhalten („statische“ Komponente) sondern auch, um Gewebs- und Atemwegswiderstände zu überwinden „dynamische“ Komponente). Die Luftströmung (Volumen/Zeit) ist direkt proportional zur treibenden Kraft [Differenz zwischen alveolärem und atmosphärischen Druck (DP)] und umgekehrt proportional zum Atemwegswiderstand (R). D.h. bei gleichem Widerstand braucht man um eine größere Strömung zu erreichen eine größere Druckdifferenz (mehr Anstrengung). Oder anders ausgedrückt: Um eine gewünschte Luftströmung zu erreichen braucht man bei größerem Widerstand eine größere Druckdifferenz (vgl. auch elektr. Strom bzw. Strömung durch Blutgefäße). Der Widerstand ist propotional der Viskosität des Gases und der Länge des Rohres (beide nicht wichtig für Lunge) und umgekehrt proportional dem Radius (und zwar r4), d.h. eine relativ geringe Abnahme des Radius bewirkt eine starke Zunahme des Widerstandes. Pharynx, Larynx und große Atemwege tragen am meisten zum Gesamtatemwegswiderstand bei, der Beitrag der kleinsten Luftwege ist sehr gering.

Die gesamte Atemarbeit kann in drei Komponenten unterteilt werden. 1) Nicht-elastische Arbeit: Visköser Widerstand (Gewebswiderstand) (7%) Atemwegswiderstand (28%) 2) Elastische (compliance) Arbeit (65%)

Bronchialtonus Tonus der Bronchien abhängig von Inspiration (Dilatation durch Sympathikus) und Exspiration (Konstriktion durch Parasympathikus)Bronchialtonus am höchsten um ca. 6h morgens, am niedrigsten um ca. 18h abends.Bronchokonstriktion durch: Cholinerge Reflexe (durch z.B. Chemikalien, kalte Luft, etc.), Leukotriene, Substanz P, AdenosinBronchodilatation durch: VIP (Vasoaktives Intestinales Polypeptid)

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Forcierte Exspiration Bei forcierter Exspiration wird von außen derselbe Druck auf die Alveolen und die Bronchiolen ausgeübt. Dieser Druck treibt einerseits die Luft aus den Alveolen in die Bronchiolen, andererseits verengt er die Bronchiolen (siehe Abb. 5). Die maximal-erreichbare exspiratorische Flussrate ist bei großen Lungenvolumina größer als bei kleinen.

Abbildung 5: Forcierte Exspiration. A, Kollaps der Atemwege bei maximaler, forcierter Exspiration, ein Effekt, der limitierend für die exspiratorische Flussrate ist. B, Abhängigkeit der maximalen exspiratorischen Flussrate vom Lungenvolumen. (aus: Guyton, Textbook of Medical Physiology)

Abbildung 6: Forcierte Exspiration nach maximaler Inspiration bei gesunden Normalpersonen (A), bei Patienten mit obstruktiven Lungenerkrankungen (z.B. Asthma, B) und Patienten mit parenchymal restriktiven Lungenerkrankungen (z.B. Lungenfibrose, C). FVC, forcierte Vitalkapazität; VC, Vitalkapazität; FEV1, forciertes exspiratorisches

Volumen/1s, 1Sekundenkapazität; MMFR, forcierte mittlere Flussrate. (aus: Harrison’s Principles of Internal Medicine, 2001)

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Abbildung 7: Fluss-Volumen Diagramm bei physiologischen und pathologischen Bedingungen. O, Obstruktive Erkrankung (z.B. Asthma); R(E), extraparenchymal restriktive Erkrankung (z.B. neuromuskuläre oder Thoraxerkrankungen); R(P) parenchymal restriktive Erkrankung (z.B. Lungenfibrose). Aus: Harrison’s Principles of Internal Medicine.

2) LungenzirkulationDas Blutgefäßsystem der Lunge ist ein dehnbares Niederdrucksystem. Der Druck in der Pulmonalarterie beträgt ca. 24/9mm Hg; der Mitteldruck ist ca. 15mm Hg. Der diastolische Druck im linken Vorhof ist ca. 8mm Hg, der Druckgradient im Lungenkreislauf daher nur ca. 7mm Hg (vergleiche 90 mm Hg im systemischen Kreislauf). Der Druck in den Lungenkapillaren ist ca. 10 mm Hg, sodass (bei einem onkotischen Druck von ca. 25 mm Hg) ein einwärts gerichteter Druckgradient von ca 15 mm Hg besteht, der normalerweise die Alveolen frei von Flüssigkeit hält. Aufgrund der Schwerkraft kommt es bei aufrechter Körperhaltung zu ausgeprägten Druckunterschieden in den Lungenarterien zwischen Lungenspitzen und Lungenbasis, und einer daraus resultierenden unterschiedlichen Durchblutung (Lungenbasen stärker durchblutet als Lungenspitzen). Auch die Ventilation nimmt von den Spitzen zur Basis zu. Das Ventilations-/Perfusionsverhältnis beträgt für die gesamte Lunge im Schnitt 0,8 (4,2l/min Ventilation, 5,5l/min Durchblutung), ist jedoch in den oberen Abschnitten der Lunge am größten.

3) Gasaustausch in der Lunge Die Zusammensetzung des alveolären Gasgemisches ist relativ konstant (siehe Abbildung 8), weil pro Atemzug bei ruhiger Atmung nur eine geringe Menge Frischluft [Atemzugvolumen (~500ml) minus Totraumvolumen (~170ml), d.h. ~330ml] einem relativ großen Volumen (funktionelle Residualkapazität, ~2,5l) zugemischt wird. Bei alveolärer Hyperventilation wird die Zusammensetzung des alveolären Gasgemisches in Richtung „Frischluft“ verschoben, d.h. pCO2 sinkt, pO2 steigt. Bei alveolärer Hypoventilation sinkt der alveoläre pO2 und steigt der alveoläre pCO2.

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Abbildung 8: Partialdrucke von Gasen (mm Hg) in verschiedenen Teilen des Respirationstraktes und Kreislaufsystems (aus: W.F. Ganong, Review of Medical Physiology, 1999).

4) Atemgastransport zwischen Lunge und Gewebe: Sauerstofftransport im Blut S-förmiger Verlauf der Sauerstoff-Bindungskurve ist von praktischer Relevanz für die Sauerstofftransportfunktion des Blutes: Im oberen Bereich (pO2 >~60mm Hg) verläuft die Kurve flach, Veränderungen des pO2 ändern daher an der Sättigung des Hämoglobins nur wenig. Das bedeutet einerseits, dass eine geringe Abnahme des alveolären pO2 die Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes nicht vermindert. Andererseits nimmt das Blut bei erhöhtem alveolären pO2 nicht nennenswert mehr Sauerstoff auf, da es schon bei normaler Luftatmung vollständig gesättigt ist. Im unteren Bereich fällt die Kurve steil ab. Das gewährleistet, dass der pO2 in der Peripherie trotz der Sauerstoffabgabe hoch genug bleibt, um die Gewebe durch Diffusion zu versorgen. Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve (= Affinitätsabnahme, erleichterte O2-Abgabe) durch Erhöhung bzw. Linksverschiebung (= Affinitätszunahme, erleichterte O2-Bindung) durch Erniedrigung der:

• H+

-Ionen-Konzentration • CO2-Konzentration • Temperatur • 2,3-Diphosphoglycerat (DPG)-Konzentration

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DPG ist ein Metabolit des Glucosestoffwechsels und in Erythrozyten reichlich vorhanden. Es bindet an die beta-Ketten des desoxygenierten Hämoglobins. Bei hohem pH (z.B. bei Hyperventilation in großen Höhen) steigt die 2,3-DPG-Konzentration, bei niedrigem sinkt sie. Fetales Hämoglobin (HbF) hat anstelle von beta-Ketten gamma-Ketten, die 2,3-DPG viel schlechter binden als die beta Ketten des adulten Hämoglobins (HbA). HbF hat daher eine höhere O2-Affinität als HbA und kann leichter O2 aus dem mütterlichen Blut aufnehmen.

Mit Sauerstoff gesättigtes Hämoglobin enthält (theoretisch) pro g 1,39ml O2 (tatsächlich 1,34ml/g). Dieser Wert ergibt sich aus folgendem: 1 Mol Hb (~64,500g) kann 4 Mol Sauerstoff (Molvolumen eines idealen Gases: 22,4l/Mol) binden. Daraus folgt, dass in 100ml arteriellem Blut (Hb-Konzentration ~15g/100ml) bei 100%iger Sättigung des Hämoglobins ca. 20 ml Sauerstoff an Hämoglobin gebunden sind. Die Menge an gelöstem O2 ist vergleichsweise sehr gering (siehe Tabelle in Abbildung 7).

Abbildung9: Sauerstoffbindungskurve (aus: W.F. Ganong, Review of Medical Physiology, 1999)

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CO2-Transport im Blut

5) AtemregulationZentrale Steuerung der AtmungIn der Medulle oblongata wird von verschiedenen Neuronengruppen ein basaler Atemrhythmus generiert, der durch Einflüsse von höhergelegenen ZNS-Zentren sowie durch sensorische Einflüsse fein abgestimmt bzw. angepasst werden kann. Für die Generierung dieses Atemrhythmus sind sowohl Membraneigenschaften der Nervenzellen (Vorhandensein bestimmter Ionenkanäle) als auch synaptische Einflüsse verantwortlich.

Folgende Neuronengruppen in der Medulla oblongata sind an der Regulation der Atmung beteiligt:

Dorsale respiratorische Gruppe (DRG):• Hauptsächlich „inspiratorische“ Neurone• Im und um den Ncl. tractus solitarius gelegen• Integration sensorischer Informationen (z.B. von peripheren Chemorezeptoren, von Rezeptoren in

der Lunge und in den Luftwegen• Enthält folgende Neurone: Lokale Interneurone, Prämotorische Neurone (zu Motoneuronen in

Rückenmark und ventraler respiratorischer Gruppe)

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Ventrale respiratorische Gruppe (VRG):• „Inspiratorische“ und „expiratorische“ Neurone• In und um verschiedene Kerngebiete gelegen:

Rostrale Region (Bötzinger-Komplex, Ncl. retrofacialis):Vorwiegend expiratorisch, stimuliert expiratorische Aktivität der caudalen Region

Mittlere Region (Ncl. Ambiguus und Ncl. Paraambigualis):Hauptsächlich inspiratorischMotoneurone (über IX und X) zu Pharynx, Larynx und ander Strukturen der oberen Luftwege, Prämotorische Neurone zu inspiratorischen Motoneuronen in Rückenmark und Medulla„Prä-Bötzinger Komplex“ im rostralen Anteil der mittleren Region: Möglicher Rhythmusgenerator

Caudale Region (Ncl. Retroambigualis):Fast ausschließlich expiratorischPrämotorische Neurone zum Rückenmark (zu Motoneuronen, die akzessorische, expiratorsche Muskulatur innervieren)

Stimuli, die das Atemzentrum beeinflussen:• CO2 über zentrale und periphere (Glomus caroticum und Glomus aorticum) Chemorezeptoren.• O2 und H+ über periphere Chemorezeptoren (Glomus caroticum und Glomus aorticum) • Vagale Afferenzen von Rezeptoren in Luftwegen und Lunge • Afferenzen von Brücke, Hypothalamus und limbischem System • Afferenzen von Propriozeptoren • Afferenzen von Barorezeptoren (Hoch- und Niederdrucksystem)

Periphere Chemorezeptoren (Glomus caroticum und Glomus aorticum): In der Carotisgabel bzw. an der Unterseite des Aortenbogens gelegen, extrem gut durchblutet.Typ I-Zellen (Glomus Zellen, chemosensitiv): Hypoxie (hauptsächlicher Stimulus), CO2-Anstieg sowie pH-Abfall führen (über unterschiedliche Mechanismen) zur Hemmung von K+-Kanälen, was zur Depolarisation der Zellen und zum Öffnen von potentialgesteuerten Ca2+-Kanälen und Anstieg der intrazellulären Ca2+-Konzentration führt. Dies bewirkt Transmitterfreisetzung und Stimulation der afferenten NervenfasernZentrale Chemorezeptoren: Hauptsächlicher Stimulus: Hyperkapnie; CO2 passiert sehr leicht die Blut-Hirn-Schranke und gelangt in den Liquor. Dort kommt es zu einer Erhöhung der H+-Ionen-Konzentration (pH-Abfall), was chemosensitive Areale der Medulla oblongata stimuliert. Anstieg des pCO2-verursacht im Liquor einen stärkeren pH-Abfall als im Blut, da Liquor weniger Puffer enthält (keine Proteine).

6) Anpassungsmechanismen der Atmung Atmung in großer Höhe Problem: Mit zunehmender Höhe sinkt der Umgebungsluftdruck und damit auch der pO2. In 3000m Höhe ist der alveoläre pO2 ca. 60mm Hg. Durch den hypoxischen Stimulus kommt es zur Hyperventilation, was dem pO2-Abfall bei weiterem Anstieg entgegenwirkt und zu einem Absinken des pCO2 und respiratorischer Alkalose führt. Bei nicht-akklimatisierten Personen kommt es bei Luftatmung in einer Höhe von 6100m zur Bewusstlosigkeit. Bei Atmen von reinem Sauerstoff wird der Umgebungsdruck limitierend: Alveolärer pCO2 (=40mm Hg) und alveolärer pH2O (=47mm Hg) sind unabhängig vom Umgebungsdruck. Um daher einen alveolären pO2 von 100mm Hg zu erreichen ist daher ein Luftdruck von mindestens 187mm Hg erforderlich (entsprechend einer Höhe von ca. 10400m). Kompensationsmechanismen, Akklimatisation:

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Hyperventilation mit resultierender resp. Alkalose, Anstieg des 2,3-DPG durch die Alkalose, leichte Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve durch 2,3-DPG, dadurch erleichterte O2-Abgabe im Gewebe, aber auch erschwerte O2-Aufnahme, Anstieg des Erythropoetin und Erhöhung der Erythrozytenzahl. Anstieg der Mitochondrienzahl, des Myoglobins und der Cytochrom Oxidase.

Tauchen (nur einige Überlegungen): • Unter Wasser nimmt der Umgebungsdruck pro ~10m Tiefe um eine Atmosphäre zu (d.h. in 10m Tiefe herrscht ein Druck von 2atm, in 20m Tiefe ein Druck von 3atm, usw.). • Durch den hohen Druck unter Wasser werden Gase auf immer kleinere Volumina komprimiert (siehe Abbildung 10). Hoher Druck kann die Lufträume des Körpers, inkl. der Lunge so stark verkleinern, dass es beim Abtauchen - zu Schädigungen kommt („squeeze“). • In Analogie dazu: Wenn ein Taucher, der in der Tiefe unter hohem Druck geatmet hat, die Luft anhält und auftaucht, kann es durch die Expansion der Luft in der Lunge zu Rupturen der Lungengefäße und Luftembolie kommen. • „Stickstoffnarkose/Tiefenrausch“: Wenn komprimierte Luft (ca.4/5 N2) unter hohem Druck geatmet wird, kommt es ab einer Tiefe von ca. 30m zu neurologischen Erscheinungen (Symptome ähnlich einer Alkoholintoxikation). Der Grund dafür ist, dass Stickstoff gut Lipid-löslich ist und in Membranen und anderen Lipiden des Nervensystems gelöst wird, wo er ähnlich wie ein Narkotikum wirken kann. • „Dekompression“: Wenn ein Taucher über längere Zeit Stickstoff unter hohem Druck atmet, wird dieser entsprechend seinem Druck in Körperflüssigkeiten und Geweben gelöst. Beim Auftauchen sinkt der Druck und Stickstoff diffundiert in die Lunge. Erfolgt der Druckabfall zu rasch, entstehen Gasblasen (ähnlich wie beim Öffnen einer Sodawasserflasche), die je nach Menge und Lokalisation Gewebeschädigungen und entsprechende Symptome verursachen.