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2 Z. f. Physiotherapeuten 58 (2006) 6 Brustoperationen H. Ruppert 1. Brustoperationen Die operativen Behandlungsmöglich- keiten bei Brusterkrankungen und Brustkrebs entwickelten sich in den letzten Jahren immer mehr hin zu schonenden, minimal invasiven Opera- tionsverfahren. Eine Ablatio mammae war in früheren Jahren der Standard und wurde je nach Erkrankung mit unterschiedlicher Radikalität durchge- führt bis hin zur Entfernung der beiden Pektoralis-Muskeln (Abb.1). Heute ste- hen Brust erhaltende Operationsver- fahren im Vordergrund, ergänzt durch Operationen zum Brustaufbau, der Brustrekonstruktion, evtl. auch einer Brustanpassung durch Brustverkleine- rung auf der nicht erkrankten Seite [1]. Zusammenfassung In der Therapie von Brustkrebserkrankungen werden zunehmend minimal invasive, Brust erhaltende Operationstechniken durchgeführt und die Senti- nel Lymphnodektomie zur Schonung des Lymphsystems. Kurze Liegezeiten nach Brusteingriffen stellen Physiotherapeuten die schwierige Aufgabe, Auf- klärung, Bewegungsanleitung und Genesungsbegleitung in relativ kurzer Zeit optimal zu leisten. Stress-Abbau, richtige Lagerungen und leichte Bewe- gungsübungen lindern Schmerzen und fördern den Heilungsprozess. Eine aktive Ödemprävention wird vermittelt und durch schriftliche Informationen unterstützt. Bei Frühentlassungen ist die ambulante Weiterbehandlung zu sichern, um Schon- und Fehlhaltungen zu verhindern. Dies ist in Einzel- und auch in Gruppenbehandlungen möglich. Eine Kooperation von Physiothera- piepraxen mit Brustzentren ist anzustreben, um präoperative Patientenkon- takte herzustellen und postoperativ weiterzuführen. Schlüsselwörter: Brustkrebs, Brustoperation, Ödemprävention, Physiotherapie Summary Physiotherapy following breast surgery Minimal invasive, breast-maintaining surgical techniques are being used more often in the therapy for breast cancer, along with the sentinel lymph nodectomy to protect the lymphatic system. Due to the brevity of the hospi- tal stay, the physiotherapist is faced with the difficult task of providing her patient with optimal explanation, exercise instructions, and support in the healing process. Decreasing stress factors, correct positioning, and gentle exercises help reduce pain and encourage the healing process. Active edema prevention is also provided, with additional support in the form of printed information. In the case of early discharge from hospital, out-patient follow- up – whether individually or in a group – is necessary to prevent splinting and subsequent poor posture. Co-operation between physiotherapy practices and breast centers is worth pursuing in order to establish preoperative patient contact as well as post-operative follow-up. Key words: breast cancer, breast operation, edema prevention, physiotherapy Résumé Physiothérapie après une opération du sein En ce qui concerne le traitement du cancer du sein, on utilise de plus en plus souvent des techniques opératoires peu invasives pour préserver un maxi- mum de tissu sain ainsi que la lymphadénectomie dite „sentinelle“ pour ménager le système lymphatique. La brièveté du séjour post-opératoire en clinique confronte le physiothérapeute à la difficile tâche de fournir à la patiente information, instruction et accompagnement de façon optimale dans un laps de temps relativement court. La réduction du stress, des posi- tionnements correctes et des exercices légers atténuent les douleurs et accé- lèrent le processus de guérison. Le physiothérapeute informe la patiente sur la prévention d’oedèmes et lui donne des instructions par écrit. Lorsque la patiente sort de clinique après un séjour particulièrement court, le suivi thé- Physiotherapie nach Brustoperationen* Abb. 1: Narbe und Situs nach einer Ablatio mammae. Das fehlende Brustvolumen wird mit einer Prothese ausgeglichen. Ohne Prothese ist die Körperstatik unausgewogen. * Vortrag zum 20-jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologie, Geburts- hilfe, Urologie, Proktologie im ZVK e.V. am 8. Oktober 2005 im Haus der Parität in Frankfurt/Main.

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Brustoperat ionen

H. Ruppert

1. BrustoperationenDie operativen Behandlungsmöglich-keiten bei Brusterkrankungen undBrustkrebs entwickelten sich in denletzten Jahren immer mehr hin zuschonenden, minimal invasiven Opera-tionsverfahren. Eine Ablatio mammaewar in früheren Jahren der Standardund wurde je nach Erkrankung mitunterschiedlicher Radikalität durchge-führt bis hin zur Entfernung der beidenPektoralis-Muskeln (Abb.1). Heute ste-hen Brust erhaltende Operationsver-fahren im Vordergrund, ergänzt durchOperationen zum Brustaufbau, derBrustrekonstruktion, evtl. auch einerBrustanpassung durch Brustverkleine-rung auf der nicht erkrankten Seite [1].

ZusammenfassungIn der Therapie von Brustkrebserkrankungen werden zunehmend minimalinvasive, Brust erhaltende Operationstechniken durchgeführt und die Senti-nel Lymphnodektomie zur Schonung des Lymphsystems. Kurze Liegezeitennach Brusteingriffen stellen Physiotherapeuten die schwierige Aufgabe, Auf-klärung, Bewegungsanleitung und Genesungsbegleitung in relativ kurzerZeit optimal zu leisten. Stress-Abbau, richtige Lagerungen und leichte Bewe-gungsübungen lindern Schmerzen und fördern den Heilungsprozess. Eineaktive Ödemprävention wird vermittelt und durch schriftliche Informationenunterstützt. Bei Frühentlassungen ist die ambulante Weiterbehandlung zusichern, um Schon- und Fehlhaltungen zu verhindern. Dies ist in Einzel- undauch in Gruppenbehandlungen möglich. Eine Kooperation von Physiothera-piepraxen mit Brustzentren ist anzustreben, um präoperative Patientenkon-takte herzustellen und postoperativ weiterzuführen.

Schlüsselwörter: Brustkrebs, Brustoperation, Ödemprävention, Physiotherapie

SummaryPhysiotherapy following breast surgeryMinimal invasive, breast-maintaining surgical techniques are being usedmore often in the therapy for breast cancer, along with the sentinel lymphnodectomy to protect the lymphatic system. Due to the brevity of the hospi-tal stay, the physiotherapist is faced with the difficult task of providing herpatient with optimal explanation, exercise instructions, and support in thehealing process. Decreasing stress factors, correct positioning, and gentleexercises help reduce pain and encourage the healing process. Active edemaprevention is also provided, with additional support in the form of printedinformation. In the case of early discharge from hospital, out-patient follow-up – whether individually or in a group – is necessary to prevent splinting andsubsequent poor posture. Co-operation between physiotherapy practices andbreast centers is worth pursuing in order to establish preoperative patientcontact as well as post-operative follow-up.

Key words: breast cancer, breast operation, edema prevention, physiotherapy

RésuméPhysiothérapie après une opération du seinEn ce qui concerne le traitement du cancer du sein, on utilise de plus en plussouvent des techniques opératoires peu invasives pour préserver un maxi-mum de tissu sain ainsi que la lymphadénectomie dite „sentinelle“ pourménager le système lymphatique. La brièveté du séjour post-opératoire enclinique confronte le physiothérapeute à la difficile tâche de fournir à lapatiente information, instruction et accompagnement de façon optimaledans un laps de temps relativement court. La réduction du stress, des posi-tionnements correctes et des exercices légers atténuent les douleurs et accé-lèrent le processus de guérison. Le physiothérapeute informe la patiente surla prévention d’oedèmes et lui donne des instructions par écrit. Lorsque lapatiente sort de clinique après un séjour particulièrement court, le suivi thé-

Physiotherapie nach Brustoperationen*

Abb. 1: Narbe und Situs nach einer Ablatiomammae. Das fehlende Brustvolumenwird mit einer Prothese ausgeglichen.Ohne Prothese ist die Körperstatikunausgewogen.

* Vortrag zum 20-jährigen Bestehen derArbeitsgemeinschaft Gynäkologie, Geburts-hilfe, Urologie, Proktologie im ZVK e.V. am 8. Oktober 2005 im Haus der Parität inFrankfurt/Main.

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Brust aufbauende OperationenBrust aufbauende Operationen wer-den durchgeführt mit körperfremdemGewebe (Expander Einlagen, Implan-taten) oder mit körpereigenem Ge-webe, wenn ausreichend Gewebeer-satz zur Verfügung steht. Dieser Ge-webeersatz wird evt. mittels Schwenk-lappen verlagert oder durch großeTranspositionsoperationen des M. rec-tus abdominis (TRAM) oder durchTeile des M. latissimus dorsi (LAT).(Abb. 2, 3, 4, 5)

TRAM = Transposition des M. rectusabdominis Das Muskelgewebe des M. rectusabdominis wird mit durchblutungssi-chernden Gefäßen unter der Bauch-decke durch zur Brust hoch geführtund dort als Volumenersatz einge-näht. Diese große Operation wirdphysiotherapeutisch mit viel Atemar-beit begleitet. Es wird auf eine guteDurchblutung geachtet z. B. mittelseiner speziellen Wärmedecke. In denersten 10 Tagen postoperativ wird vordem Verlassen des Bettes eine Bauch-binde angelegt. Sie stabilisiert dasOperationsgebiet Bauch und dasabgetrennte Ansatzgebiet des M. rec-tus abdominis. Das sehr druckemp-findliche Gefäßversorgungssystem destranspositionierten rectus abdominisliegt jetzt in der Magengegend und

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Brustoperat ionen

rapeutique doit être assuré pour éviter des attitudes vicieuses et de protec-tion. Le suivi peut se faire en groupe ou individuellement. Une coopérationentre les cabinets physiothérapeutiques et les cliniques est souhaitable car decette façon le thérapeute peut établir des contacts avec les patientes dèsavant l’intervention pour les poursuivre plus facilement après l'opération.

Mots-clés: cancer du sein, opération du sein, prévention d'oedèmes, physio-thérapie

Abb. 2: Operationsschema für eine transversale rectus abdominis-Lappenplastik (TRAM)

Abb. 3: Zustand etwa zwei Wochen nach einerTRAM-Operation

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bengebiete am Rücken und der Ver-lust des Muskels selbst sind für dieRückenstabilität nicht ohne Bedeu-tung. Auch hier ist eine intensiveAtemtherapie postoperativ angesagtsowie eine allgemeine Reduzierungder postoperativen muskulären An-spannung.

LymphknotenentfernungDie Prognose einer Brustkrebserkran-kung ist abhängig von der Streuungdes Tumors über das Lymphabflussge-biet. Heute steht die sog. SentinelNodektomie zur Verfügung, die eineSchonung gesunder Lymphknotenermöglicht. Nach radioaktiver Mar-kierung präoperativ können intra-operativ der erste oder die ersten dasTumorgebiet drainierenden Lymph-knoten aufgespürt und entfernt wer-den. Per Schnellschnitt wird auf ge-sund oder erkrankt untersucht. Wennder Tumor den Sentinel-Lymphknotenbefallen hat, müssen die axillärenLymphknoten entfernt werden. Inter-nationaler Standard ist hier die Ent-fernung von mindestens 10 Lymph-knoten, die durch den Pathologen inden folgenden Tagen beurteilt wer-den. Heute können diese Lymphkno-ten z. T. endoskopisch oder ultra-schallgesteuert entfernt werden. Istder Sentinel Lymphknoten tumorfrei,

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sungen des Arztes für die postopera-tive Zeit zur Kenntnis nehmen.

LAT = Transposition des M. latissimusdorsiMit Muskelgewebe des M. latissimusdorsi kann ebenfalls Volumenersatzhergestellt werden. Die großen Nar-

Brustoperat ionen

darf nicht belastet werden. Dahermuss der obere Bauchabschnitt in derMagengegend vor jeglichem Druckdurch eine Bauchbinde frei gehaltenund geschützt werden. Physiothera-peuten sollten sich in diesen Fragenmit dem Operateur abstimmen unddie spezifischen Behandlungsanwei-

Abb. 5: Die große Narbe im Rücken kann sichauf die Körperstatik auswirken

Abb. 4: Operationsschema für eine latissimus dorsi-Lappenplastik (LAT)

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müssen keine weiteren Lymphknotenentfernt werden. Dies schont dasLymphabflussgebiet und senkt dieGefahren eines Armlymphödems er-heblich.

2. Physiotherapie

Frühe Klinikentlassungen nach

Brustoperationen

Die sehr kurzen Liegezeiten im Kran-kenhaus nach operativen Eingriffenstellen die Physiotherapeutinnen vorneue Herausforderungen. Ein häufigunmittelbar postoperativ anlaufendesStaging zur Abklärung der Behand-lungsstrategie nach einer Brustkrebs-erkrankung führt immer wieder dazu,dass Patientinnen für eine physiothe-rapeutische Behandlung nicht ange-troffen werden können. Mitunter ver-lassen Patientinnen sogar mit noch lie-genden Drainagen die Klinik. Voraus-setzungen hierfür sind eine gute häus-liche Versorgung und aus meiner Sichtauch eine gute physiotherapeutische

Behandlung, wenn Schon- und Fehl-haltungen vermieden werden sollen[4]. Diese Frühentlassungen undextrem kurzen physiotherapeutischenKontakte in der Klinik lassen schoneine präoperative Physiotherapie vor

größeren Brusteingriffen sehr sinnvollerscheinen. Hier könnten Physiothe-rapie-Praxen mit den Brustzentrenprä- und postoperativ kooperieren.

Postoperative Physiotherapie

Die physiotherapeutische Behandlungnach einer Brustoperation findet stetsbefundorientiert und situationsange-passt statt. Eine sanfte und behutsameBewegungstherapie erreicht hier sehrviel. Ziele einer solchen Behandlungsind:- Stressabbau- Heilungsprozesse unterstützen- Bewegungseinschränkungen ver-

meiden oder reduzieren- Sekundäre Prävention einleiten

Maßnahmen Passiv - Spannung reduzieren z. B. durch

Atemtherapie und ausgiebige Atem-

Z. f. Physiotherapeuten 58 (2006) 65

Brustoperat ionen

Abb. 6: Eine postoperative situationsangepasste Lagerung zielt auf eine Lagerung der Schulternahe an der Neutral-Null-Stellung. Zur Minimierung einer ungünstigen Sterno-Symphy-salen-Belastungshaltung werden die Arme zeitweise in Außenrotation und Ellbogenex-tension gelagert. Dies mindert die Verkürzungsgefahr des pectoralis minor.

Abb. 7: Endposition einer entstauenden Hand-Armbewegung in aufrechter Körperhal-tung. Eine gute Zwerchfell-Atemexkur-sion unterstützt zusätzlich die entstau-ende Wirkung der Armhaltung.

Abb. 8: Endposition einer entstauenden Hand-Armbewegung in liegender Ausgangs-stellung. Die Lymphflüssigkeit fließt zähwie Honig. Daher wird die Armpositionzwei bis drei Atemzüge lang gehalten.

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werden. Die Therapeutin assistiertdann ggf. den aktiven Bewegungsab-lauf. Die Rotation der Schulter orien-tiert sich stets an der Schmerzgrenze.Sie erweitert sich erfahrungsgemäßbehutsam von Tag zu Tag. SolangeWund-Drainagen liegen sollten 90°Winkel bei der Schulterbewegungnicht überschritten werden. Dies ver-hindert die Gefahr einer Serombil-dung durch Bewegungsreize.

KörperhaltungDie Körperhaltung der Patientin wirdaufmerksam beobachtet und derpostoperativen Situation angepasst.

Ödem-Prävention „light“Die postoperativ oft sehr ruhig gehal-tenen Arme neigen unabhängig voneiner Lymphnodektomie zu leichtenSchwellungen. Zur Mobilisation undsanften Entstauung eignet sich fol-gender Bewegungsablauf:- Die Arme liegen entspannt neben

dem Körper. Die Finger beiderHände schließen sich dann zu einerlockeren Faust und werden langsamzur Schulter geführt. Die Oberarmebleiben hierbei im Kontakt mit derUnterlage. Dies mindert eine unef-fektive Muskelanspannung. An derSchulter angekommen, werden dieFäuste geöffnet und beide Händewerden langsam nach vorne-obenausgestreckt bis zur Ellbogenstre-ckung. Hierbei lösen sich die Ober-arme von der Unterlage.

- Der Rückweg beginnt wieder mitlockeren Fäusten, die zur Schultergeführt werden. Hierbei legen sichdie Oberarme so bald wie möglichwieder auf die Unterlage ab. Jetztöffnen sich die Finger und die Unter-arme und Hände werden neben denKörper entspannt abgelegt, wennmöglich in Außenrotation.

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auch eine sanfte Nervenmobilisa-tion.

- Extensionen in Hand und Ellbogen,auch im Sinne einer funktionellenEntstauung.

Aktiv-assistivBeginnend mit der gesunden Seitewird die Hand körpernah zur gegen-über liegenden Schulter geführt. ImKontakt des Unterarmes mit demeigenen Körper rotiert die Schulter bisder Oberarm Kontakt zur Unterlageerhält. Dies ist für die Spannungsmi-nimierung der Muskulatur sehr gün-stig. Im Kontakt mit der Unterlagewird der Arm in kurzem Hebel in eineStreckung neben den Körper zurückgeführt, die Hand in Außenrotationabgelegt. Es folgt eine kurze Phaseder Körperwahrnehmung und Kör-perentspannung. Diese Bewegungs-folge wird anschließend auf die ope-rierte Seit übertragen. Am Gesichts-ausdruck der Patientin kann in derRegel die Schmerzgrenze erkannt

Brustoperat ionen

exkursionen oder durch „schnellesLagern“ o. ä.

- Wirbelsäulengerechte Lagerung imBett: das Kissen endet am Nackenund bringt die Schultern eher in eineNeutral-Nullstellung.

- Hände und Arme beider Seiten wer-den, soweit möglich, im Laufe desTages immer wieder in Außenrota-tion gelagert (Abb. 6).

Ziel dieser Maßnahmen ist eine Schon-haltung zu verhindern, oder, sofernsie bereits entstanden ist, zu minimie-ren.

Bei dem Bemühen, die Schonhaltungzu minimieren, ist stets die indivi-duelle Schmerzgrenze der Patientinzu respektieren. Eingesetzt werden:- Kaudalisierung des Humeruskopfes- Leichte Schulterblattbewegungen

bei kurzem Hebelarm in Rücken-oder Seitenlage

- Sanfte Dehnung der Mm. Scaleni.Vom Kopf ausgehend bewirkt dies

Abb. 9: Fatigue-Syndrom. Ein Energietagebuch unterstützt das Aufspüren von individuellenBelastungsgrenzen. Es begleitet das leichte aufbauende Konditionstraining, in Anpas-sung an die extrem eingeschränkte Leistungsfähigkeit.

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Große Ödem-PräventionWenn zehn oder mehr Lymphknotenentfernt werden mussten ist es erfor-derlich, den Patientinnen eine gutemündliche und schriftliche Aufklä-rung zur Ödemprävention zu vermit-teln. Ziele dieser Prävention sind, Ent-zündungen, Stauungen und Arbeits-überlastungen des von der Brustope-ration betroffenen Arms im Alltag zuvermeiden. Die aktive Anleitung einerÖdemprävention findet täglich stattund wird zu Hause eigenständigweitergeführt. Der komplexe Bewe-gungsablauf dieser Ödempräventionsollte möglichst in mehreren kleinenSchritten schon in der Klinikphaseerarbeitet werden.- Die Bewegungsfolge startet mit

exakter Muskelanspannung der Fin-ger und Hände bei der Bildung derFäuste. Die Oberarme bleiben solange wie möglich im Kontakt mitder Unterlage. Mit gestreckten Ell-bogen, so weit wie schmerzfrei mög-lich, wird die entstauende Endposi-tion (Abb. 7, 8) über 2-3 Atemzügegehalten. Hierbei wird die entstau-ende Haltung und die entstauendeZwerchfellaktivität genutzt.

- Beim Rückweg wird auf eine end-gradige Stellung der Handgelenkeund Schultergelenke geachtet. DerAtem fließt ruhig weiter, eine Ent-spannungsphase am Ende des Bewe-gungsablaufs wird eingehalten.

(Diese Bewegungsfolge ist entwickeltaus der Fortbildungsarbeit mit IngeO´Beirne, Tübingen.)

Postoperative Behandlungen nachBefundJe nach Tumorbefund und Stagingkann sich die postoperative Behand-lungsphase sehr unterschiedlich ge-stalten. Eingesetzt werden Chemo-therapie, Anti-Hormontherapie, Anti-

körpertherapie oder Strahlentherapieevtl. auch in unterschiedlichen Kom-binationen dieser Möglichkeiten.Diese postoperativen Behandlungenbelasten die Patientinnen körperlichund auch psychisch in unterschied-licher Weise.

Ambulante Behandlung

brustoperierter Frauen und

Männer

Immer wieder erkranken auch Män-ner an Brustkrebs. Meist wird derTumor bei Männern erst in einem spä-teren Stadium diagnostiziert, da Män-ner nicht mit einer Brustkrebserkran-

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Brustoperat ionen

Abb. 10: Üben und Bewegen in warmem Wasser fördern Bewegungsfreude und schaffen Bewe-gungserleichterung

Abb. 11: Auftriebskörper und Wasserwiderstand können Bewegungssequenzen erleichtern,erschweren und variieren.

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Krebserkrankungen erhalten. Physio-therapeuten sollten Adressen am Ortund in der Umgebung weitergebenkönnen.

Physiotherapeutische Gruppenange-bote in der Krebs-NachsorgePhysiotherapeutische Angebote in derGruppe verbinden in angenehmerWeise zweierlei: Gesundungsunter-stützende Bewegung und Kontakt-möglichkeiten zu Gleichbetroffenen.Darüber hinaus bietet eine Gymnastikim Wasser als Einzelbehandlung oderals Gruppenbehandlung die Möglich-keit, Seele und Körper auf günstigeWeise anzusprechen (Abb. 10, 11).Ziele dieser verschiedenen Gruppen-und Bewegungsangebote sindLebensfreude, Lachen, Spielen, leich-tes Konditionstraining, Körperwahr-nehmung und Wahrnehmungsver-besserung, Entspannung.

FazitIm Zuge verkürzter Krankenhauslie-gezeiten wachsen der physiothera-peutischen Arbeit neue Aufgaben zu.Präoperativ gilt es, die Patientinnenaufzuklären und mit funktionellen,das künftige Operationsgebiet scho-nenden Bewegungsabläufen vertrautzu machen. Eine physiotherapeutischeBegleitung während des Klinikauf-

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Körpers und werden in der Krebs-nachsorge empfohlen. Bei größerenLymphknotenentfernungen begünsti-gen Vierfüßlerstand und Armbewe-gungen mit starken Zentrifugalkräf-ten die Ödembildung. Daher solltensie gemieden werden. Ein leichtesKonditionstraining wirkt auch demtumorbedingten Fatigue-Syndromentgegen.

FatigueFatigue ist eine chronische Müdigkeitbei Krebserkrankungen. Sie darf nichtmit dem chronischen Fatigue-Syn-drom (CFS) verwechselt werden. Be-troffene Patienten klagen über Er-schöpfung und Müdigkeit, die durchnormale Erholungsmaßnahmen nichtüberwunden werden können. Evtl.kann mit Hilfe eines Energietage-buchs (Abb. 9) das richtige Maß anUnter- und Überforderung und desErschöpfungszustands heraus gefun-den werden [5]. Patienten mit einemFatigue-Syndrom bedürfen einer Ein-zelbehandlung, da sie in einer Gruppeallzu leicht überfordert werden.

Psychosoziale Unterstützungen Psychosoziale Unterstützung könnenBetroffene und ihre Familienangehö-rigen in Selbsthilfegruppen und inZentren mit speziellen Angeboten für

Brustoperat ionen

kung rechnen. Bei der ambulantenBehandlung Brustoperierter kannman nicht sicher davon ausgehen,dass die Patientinnen in der Klinikschon Kontakt mit einer Physiothera-peutin hatten oder bereits ersteBewegungsinformationen besitzen.Die Rekonvaleszenzphase wirdgenutzt, um aufzuklären und zumeigenständigen Üben anzuleiten.Hierbei werden Schulter-Grundbewe-gungen gesichert, eine aufrechte Kör-perhaltung stabilisiert und die Kör-persymmetrie gefördert. Ödemprä-vention ist nur bei größeren Lymph-knotenentfernungen wichtig. Es wer-den wie in der Klinikphase auchmündliche und schriftliche Hinweisezur Ödemprävention im Alltag weiter-gegeben. Die aktiven entstauendenMaßnahmen werden exakt erarbeitet.Arm-Umfangmessungen dienen einerpräventiven Ödemkontrolle undÖdembeurteilung. Eine präventiveoder begleitende Lymphdrainagemuss mit dem behandelnden Arztabgestimmt werden.

Die Behandlung der Operationsnar-ben erfolgt erst nach exakter Abhei-lung des Wundgebiets durch Dehnla-gerungen und auch manipulativ. EineAtemtherapie ist jederzeit möglich.

In der Rekonvaleszenz werden Schul-terblattbewegungen gesichert undverbessert, z. B. durch Schulterpatternaus Seitenlage. Es werden Bewegun-gen von der BWS / LWS aus initiiertund es wird die Körpersymmetrie gesi-chert. Es bieten sich viele verschiedeneBehandlungstechniken an, evtl.Behandlungen im Schlingentisch,sanfte Behandlungstechniken undBewegungsübungen zum Beispielnach Feldenkrais oder Chi Gong u. a..Sport und leichtes Konditionstrainingunterstützen das Abwehrsystem des

- Krankengymnastik (1970), Gymnastiklehrerin (1972), Kommunikationstrainerin (1986)

- Seit 1975 freiberufliche Tätigkeiten, Fort- und Weiter-bildungen mit den Schwerpunkten Frauengesundheit, Geburtsvorbereitung

- 1996–2004 Ltd. Physiotherapeutin Uni-Frauenklinik Köln, jetzt selbstständig in Praxis in Köln

- Referentin der AG GUUP

HANNELORE

RUPPERT

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enthalts kann wegen der verkürztenLiegezeiten nicht immer gesichertwerden. Operateure, die an der Opti-mierung ihres Operationsergebnissesarbeiten, werden diese flankierendenMaßnahmen im Blick behalten müs-sen auch in Bezug auf eine ambulantephysiotherapeutische Nachbetreuungder Brustoperationen. Schon- undFehlhaltungen können nicht weg ope-riert werden, ja, sie entwickeln sich ofterst in den Tagen und Wochen nachdem operativen Eingriff. Diese Fehl-haltungen gefährden die Lebensqua-lität der Patientin und damit auch denOperationserfolg.

✔ Eine bessere Kooperation mit Brust-zentren ist anzustreben im Sinneeiner sekundären Prävention, zumBeispiel Aufklärung zur gesundenKörperhaltung und zu belastendenAlltagsbewegungen. Die Patientin-nen sollten unterschiedliche For-men zum Stressabbau kennen ler-nen und psychische Unterstützungbei der Krankheitsbewältigung er-halten auch durch Bewegungsan-gebote in Gruppen.

✔ Hier ergeben sich neue Koopera-tionsfelder und Tätigkeitsbereiche,die den von Brustkrebs betroffenenMenschen zugute kommen.

Literatur1. Creutzfeldt-Gless, Cora: Wie sehe ich danach

aus? Bilder und Texte von Frauen nach einerBrustkrebsoperation. Göttingen: Vandenhockund Ruprecht, 2005. S. 150

2. Henscher, Ulla: Physiotherpie nach Brustoper-tionen. In: Physiotherapie in der Gynäkologie.Hrsg. Antje Hüter-Becker und Mechthild Döl-ken. Stuttgart, New York: Thieme 2004

3. Bundred, N. et al.: Randomised controlledtrial of effects of early discharge after surgeryfor breast cancer. In: BMJ. 7 (1998. Nov) S. 1275-9

4. Box RC, et al: Shoulder movement after bre-ast cancer. In: Res Treatment. 75(2002). S.35-50

5. Fatigue. Chronische Müdigkeit bei Krebs.Hrsg. Dt. Krebshilfe. 8 Ausg. Bonn (2002)(Blaue Ratgeber Nr. 34)

6. Delbrück, Herrmann: Brustkrebs. Rat undHilfe für Betroffene und Angehörige. Stutt-gart, Berlin, Köln: Kohlhammer, 1998

7. Goldmann-Posch, Ursula; Martin, Rita Rosa(2006). Über-Lebensbuch Brustkrebs. DieAnleitung zur aktiven Patientin. 3. Aufl.Stuttgart, New York: Schattauer

8. Schulz, Marianne. Bewegen und Bewegtseinim Wasser. Prävention und Therapie. Mün-chen: Pflaum Verlag, 1999

9. Tausch, Anne-Marie (1987/1998). Gesprächegegen die Angst. Reinbek b. Hamburg:Rowohlt. (rororo Sachbuch 18375)

■ Korrespondenzadresse:Hannelore Ruppert

Mommsenstraße 4

50935 Köln

E-Mail: [email protected]

www.hannelore-ruppert.de

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