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Pilotenassistenzsystem LNAS ermöglicht leisere und treibstoffsparende Anflüge Mit mehr als 90 Anflügen auf den Flughafen Zürich testeten Forscher der Empa und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung der Swiss SkyLab Foundation ein Assistenzsystem, das Piloten via Display bei leisen und zugleich sparsamen Anflügen unterstützt. Ergebnis: die Lärmemisson und der Treibstoffverbrauch sinken messbar. Nun soll das vom DLR entwickelte System zur Serienreife gebracht werden. Der Anflug auf einen Flughafen ist in der Regel die arbeitsintensivste Phase eines Fluges. Die Pilotinnen und Piloten müssen Geschwindigkeit, Höhe, Triebwerksschub, Lande- und Bremsklappen kontrollieren und gleichzeitig auf wechselnde Winde, den Verkehr und die Anweisungen der Fluglotsen reagieren. Dabei gilt ein ähnliches Prinzip wie für Autofahrer am Boden: Vorausschauendes Fahren erlaubt es, Treibstoff zu sparen. Vorausschauendes Fliegen senkt zusätzlich noch die Lärmemission. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat ein Assistenzsystem für den kontinuierlichen Sinkflug entwickelt, das den Piloten via Display im Cockpit empfielt, was für einen umweltfreundlichen Landeanflug zu tun ist. Das System mit dem Namen LNAS (Low Noise Augmentation System) berechnet die optimale Höhe, Sinkrate, die ideale Geschwindigkeit und Konfiguration des Flugzeugs und korrigiert die Empfehlungen dynamisch während des Anflugs. Im September 2019 erfolgten mehr als 90 Test-Anflüge auf Piste 14 des Flughafens Zürich mit dem Assistenzsystem LNAS an Bord des DLR-Forschungsflugzeugs A320 ATRA (Advanced Technology Research Aircraft). 70 untereinander vergleichbare Anflüge flossen in die Auswertung ein. Die Empa überprüfte die Wirksamkeit mit einer Reihe von Lärmmessungen entlang der Anflugroute. Nun liegen die Ergebnisse vor und wurden an das Schweizer Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) übermittelt.

Pilotenassistenzsystem LNAS ermöglicht leisere und … SonAir LNAS/2020... · 2020. 6. 19. · Piloten via Display im Cockpit empfielt, was für einen umweltfreundlichen Landeanflug

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  • Pilotenassistenzsystem LNAS ermöglicht leisere und

    treibstoffsparende Anflüge

    Mit mehr als 90 Anflügen auf den Flughafen Zürich testeten Forscher der Empa

    und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung der

    Swiss SkyLab Foundation ein Assistenzsystem, das Piloten via Display bei leisen

    und zugleich sparsamen Anflügen unterstützt. Ergebnis: die Lärmemisson und der

    Treibstoffverbrauch sinken messbar. Nun soll das vom DLR entwickelte System zur

    Serienreife gebracht werden.

    Der Anflug auf einen Flughafen ist in der Regel die arbeitsintensivste Phase eines Fluges. Die Pilotinnen

    und Piloten müssen Geschwindigkeit, Höhe, Triebwerksschub, Lande- und Bremsklappen kontrollieren und

    gleichzeitig auf wechselnde Winde, den Verkehr und die Anweisungen der Fluglotsen reagieren. Dabei gilt

    ein ähnliches Prinzip wie für Autofahrer am Boden: Vorausschauendes Fahren erlaubt es, Treibstoff zu

    sparen. Vorausschauendes Fliegen senkt zusätzlich noch die Lärmemission. Das Deutsche Zentrum für

    Luft- und Raumfahrt (DLR) hat ein Assistenzsystem für den kontinuierlichen Sinkflug entwickelt, das den

    Piloten via Display im Cockpit empfielt, was für einen umweltfreundlichen Landeanflug zu tun ist. Das

    System mit dem Namen LNAS (Low Noise Augmentation System) berechnet die optimale Höhe, Sinkrate,

    die ideale Geschwindigkeit und Konfiguration des Flugzeugs und korrigiert die Empfehlungen dynamisch

    während des Anflugs. Im September 2019 erfolgten mehr als 90 Test-Anflüge auf Piste 14 des Flughafens

    Zürich mit dem Assistenzsystem LNAS an Bord des DLR-Forschungsflugzeugs A320 ATRA (Advanced

    Technology Research Aircraft). 70 untereinander vergleichbare Anflüge flossen in die Auswertung ein. Die

    Empa überprüfte die Wirksamkeit mit einer Reihe von Lärmmessungen entlang der Anflugroute. Nun

    liegen die Ergebnisse vor und wurden an das Schweizer Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) übermittelt.

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    So sehen Pilotinnen und Piloten das LNAS-Display im Cockpit kurz vor Beginn des Sinkfluges. Bild: DLR

    Höchste Präzision beim Anflug – ein Wettstreit zwischen Pilot und Computer

    Für die Flugversuche wurden 23 Pilotinnen und Piloten der Swiss, der Edelweiss und der Lufthansa in zwei

    Gruppen aufgeteilt. 14 nutzten das Assistenzsystems LNAS und bekamen damit den optimalen Zeitpunkt

    für das Ausfahren von Klappen und Fahrwerk angezeigt. Sie nutzen dies Information für eine lärm- und

    verbrauchsoptimierte Bremsphase während des Anflugs. Die anderen neun versuchten ohne LNAS-

    Computerunterstützung, so geräuscharm und treibstoffsparend wie möglich zu fliegen. Das Flugzeug

    steuerte jeweils einer der teilnehmenden Linienpiloten, als Copilot fungierte ein Testpilot des DLR. Jeder

    der 70 berücksichtigten Anflüge begann jeweils in 7000 Fuss (2100 Metern über dem Meeresspiegel) mit

    220 Knoten (rund 400 km/h). 43 Anflüge wurden mit Hilfe von LNAS geflogen, 27 ohne LNAS. Stationiert

    und betrieben wurde der A320 ATRA vom Flugplatz Dübendorf aus, auf dem immer wieder

    wissenschaftliche Forschungskampagnen stattfinden.

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    In den vom DLR ausgewerteten Flugdaten zeigte sich, dass die Pilotinnen und Piloten mit LNAS die

    Sinkflüge viel einheitlicher und exakter flogen als die Kollegen und Kolleginnen, die ohne Assistenzsystem

    unterwegs waren. Auch der Verlauf der Fluggeschwindigkeit war mit LNAS deutlich gleichmässiger. Auf

    den Einsatz von geräuschintensiven Bremsklappen konnte bei den Anflügen mit LNAS vollständig

    verzichtet werden.

    Die vertikalen Profile (links) und die Geschwindigkeiten (rechts) wurden mit LNAS (blau) äusserst gleichmässig geflogen.

    Bild: DLR.

  • Seite 4 / 9

    Messkette entlang des Anflugpfades auf Piste 14 des Flughafens Zürich. Bild: Empa

    Wahrnehmbare Reduktion der Lautstärke

    Der zentrale Fokus des LNAS-Assistenzsystems liegt in der Reduktion der akustischen Ausreisser, welche

    überproportional zur Lärmbelastung beitragen. Denn einzelne besonders laute Anflüge sind für Anwohner

    besonders störend. Mit Hilfe von LNAS gelang es, diese Ausreisser zu vermeiden und damit auch die

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    lautesten Anflüge um bis zu 3 Dezibel leiser zu machen, was einer wahrnehmbaren Verringerung der

    Lautstärke um etwa ein Drittel entspricht.

    Die Lärmemissionen der Flugversuche wurden mit sechs Messstationen rund 6,3 bis 18 Kilometer vor dem

    Aufsetzpunkt erfasst. Dazu wurden auch Messtellen auf deutschem Gebiet im Landkreis Waldshut

    aufgestellt. An den am weitesten entfernten Messpunkten Hasle und Steinrütte, rund 18 bzw. 16,5

    Kilometer vom Aufsetzen entfernt, konnte eine mittlere Reduktion von rund 1 Dezibel beobachtet werden.

    Zwischen Kaiserstuhl und Weiach, rund 10 bis 13 Kilometer vor dem Aufsetzpunkt, lag der mittlere

    Unterschied der Lärmpegel bei bis zu 1,8 Dezibel.

    Gemessene Überflugpegel entlang der Anflugroute auf Piste 14 des Flughafens Zürich: mit LNAS (blau), ohne LNAS (rot).

    Grafik: Empa

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    Simulation des Fluglärms anhand der gemessenen Daten mit dem Simulationsprogramm sonAIR der Empa. Gestrichelte

    Linie: mit LNAS, durchgezogene Linie: ohne LNAS. 24 Kilometer vor der Landebahn, mitten im Südschwarzwald, zeichnet

    sich eine deutliche Lärmreduktion ab (dunkelblau).

    Nachträglich wurden die Anflüge mit dem Empa Fluglärmmodell sonAIR unter Verwendung der

    Flugparameter und meteorologischer Parameter simuliert, um auch in den Bereichen Aussagen treffen zu

    können, wo keine Messtellen aufgestellt werden konnten. Die mit Hilfe von sonAIR berechneten

    Lärmkarten bestätigen die Messergebnisse und zeigen ein zusätzliches Reduktionspotential im

    Südschwarzwald, etwa 24 Kilometer vor der Pistenschwelle mit einer deutlichen mittleren

    Schallpegelreduktion von bis zu 3 Dezibel.

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    Ideales Landen mit weniger CO2-Emissionen

    Über den Vergleich der Anflüge der beiden Pilotengruppen ermittelten die Forscher auch die mittlere

    Treibstoffeinsparung, die sich durch LNAS erzielen lässt. Auf den letzten knapp 50 Kilometern vor der

    Landebahn brauchten die Pilotinnen und Piloten mit LNAS im Mittel 8,9 Kilogramm weniger Kerosin als

    ohne LNAS. Hochgerechnet auf alle A320 Flüge der Swiss (Flugbewegungen 2017) könnte LNAS also rund

    500 Tonnen Kerosin pro Jahr einsparen. Da das Assistenzsystem bereits ab der Reiseflughöhe, also ab rund

    200 Kilometern vor der Piste eingesetzt werden kann, ist das Sparpotential noch deutlich grösser.

    Konservativ gerechnet ergibt sich eine jährliche Einsparung von 3000 Tonnen Kerosin, was rund 9000

    Tonnen CO2 entspricht, wenn lediglich die A320-Flotte der Swiss mit LNAS ausgerüstet werden würde.

    Mit dem Abschlussbericht zu Händen des Schweizer Bundesamts für Zivilluftfahrt (BAZL) findet ein

    dreijähriges Forschungsprojekt seinen Abschluss. Beteiligt waren die Swiss SkyLab Foundation, die Empa

    und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Schweizer Luftwaffe stellte ihren Stützpunkt

    Dübendorf während der fünftägigen Testflüge für die Stationierung des DLR-Forschungsflugzeug ATRA

    zur Verfügung. Die Skyguide stand in der Entwicklung beratend zur Seite und ermöglichte die grosse

    Anzahl der Anflüge. Der Flughafen Zürich ermöglichte die Lärmmessungen ausserhalb der Schweiz.

    Das Projekt wurde durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL über die Spezialfinanzierung Luftverkehr

    (nach Art. 87b BV: Verordnung über die Verwendung der zweckgebundenen Mineralölsteuer für

    Massnahmen im Luftverkehr zur Begrenzung der Auswirkungen des Luftverkehrs auf die Umwelt), das Amt

    für Verkehr der Volkswirtschaftsdirektion des Kanton Zürich, das Bundesamt für Umwelt BAFU und durch

    Eigenmittel der Projektpartner finanziert.

    Nachfolgendes EU-Forschungsprojekt DYNCAT

    Ab Juli 2020 startet koordiniert vom DLR das weiterführende Forschungsprojekt DYNCAT (Dynamic

    Configuration Adjustment in the TMA), an dem neben den bisherigen Forschungspartnern auch die Swiss

    und der Elektronikkonzern Thales Avionics beteiligt ist. Ziel des im Rahmen der europäischen Programme

    Horizon 2020 und SESAR (Single European Sky ATM Research Programme) geförderten Forschung ist es,

    zukünftig die Fähigkeiten des vom DLR entwickelten LNAS-Assistenzsystems in die zentralen

    Navigationsrechner von Verkehrsflugzeugen zu integrieren. So könnten lärm- und verbrauchsoptimierte

    Landeanflüge an Bord vieler schon existierender Airliner Einzug halten.

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    Swiss SkyLab Foundation:

    Martin Gerber, Gesamtprojektleiter, [email protected], +41 79 349 10 70, www.skylab.swiss

    Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt:

    Fethi Abdelmoula, Projektleiter LNAS, Institut für Flugsystemtechnik,

    [email protected], +49 531 295 31 08

    Falk Dambowsky, Media Relations, [email protected], +49 2203 601 3959, www.dlr.de

    Empa:

    Jean Marc Wunderli, Abteilungsleiter, Akustik/Lärmminderung,

    [email protected], +41 58 765 47 48

    Rainer Klose, Media Relations, [email protected], +41 58 765 4733

    www.empa.ch/web/s509/sonair

    Links:

    Website des Forschungsprojekts:

    https://www.dlr.de/content/de/artikel/news/2019/03/20190910_optimierung-von-anflugverfahren-zur-

    laermminderung.html

    Flickr-Galerie mit Bildern zu den Flugversuche:

    https://www.flickr.com/photos/dlr_de/albums/72157710768054607

    Fluglärmsimulationsprogramm sonAIR: https://www.empa.ch/de/web/s509/sonair

    Swiss SkyLab Foundation

    SkyLab ist eine 2016 gegründete Stiftung zur Förderung der wissenschaftlichen Nutzung von

    Flugplattformen in der Schweiz. SkyLab arbeit über den Space Hub der Universität Zürich (UZH) mit

    dem Switzerland Innovation Park Zurich zusammen. SkyLab organisiert mit der UZH die

    regelmässigen Swiss Parabolic Flight Campaigns ab dem Flugplatz Dübendorf für Forschungen in der

    Schwerelosigkeit. Mittelfristig verfolgt SkyLab die Entwicklung des Standort Dübendorf zu einem

    Forschungsflugplatz.

    mailto:[email protected]://www.skylab.swiss/mailto:[email protected]:[email protected]://www.dlr.de/mailto:[email protected]:[email protected]://www.empa.ch/web/s509/sonairhttps://www.dlr.de/content/de/artikel/news/2019/03/20190910_optimierung-von-anflugverfahren-zur-laermminderung.htmlhttps://www.dlr.de/content/de/artikel/news/2019/03/20190910_optimierung-von-anflugverfahren-zur-laermminderung.htmlhttps://www.flickr.com/photos/dlr_de/albums/72157710768054607https://www.empa.ch/de/web/s509/sonair

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    Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

    Das DLR ist das Forschungszentrum der Bundesrepublik Deutschland für Luft- und Raumfahrt und

    betreibt Forschung und Entwicklung in Luftfahrt, Raumfahrt, Energie und Verkehr, Sicherheit und

    Digitalisierung. Das DLR Raumfahrtmanagement ist im Auftrag der Bundesregierung für die Planung

    und Umsetzung der deutschen Raumfahrtaktivitäten zuständig. Zwei DLR Projektträger betreuen

    Förderprogramme und unterstützen den Wissenstransfer. Das DLR betreibt die größte zivile Flotte an

    Forschungsflugzeugen in Europa.

    Eidgenössische Materialprüfungsanstalt (Empa)

    Die Empa ist das interdisziplinäre Forschungsinstitut für anwendungsorientierte

    Materialwissenschaften und Technologie des ETH-Bereichs. Sie verfügt über drei Standorte –

    Dübendorf, St. Gallen und Thun.