Piraten des 21. Jahrhunderts - markenverband.de von Ernst-Youn… · Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts. 8 Denkt man an Piraten, hat man ein aufre-gendes Bild aus vergangenen

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  • Piraten des 21. Jahrhunderts

    Angriff auf die Konsumgterindustrie

  • Marken sind Synonym fr geistiges Eigen-tum und als Innovationstreiber wesentliches Schwungrad fr die Wirtschaft. Sie stehen fr sichere, gesunde und zuverlssige Qua-litt und sind der wichtigste Vermgensge-genstand, den viele Unternehmen heute in ihrem Vermgensportfolio besitzen. Geisti-ges Eigentum ist ebenso wie Sacheigen- tum Fundament einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Die Flschung und Nachahmung von Marken und Produkten und deren Ver-kauf wird zu oft als Kavaliersdelikt abgetan. Markenpiraterie ist aber hochgradig krimi-nell und nimmt immer bedrohlichere Aus-mae an. Sie schdigt den Ruf der Marke sowie die Unternehmen und bedroht damit hierzulande Wohlstand und Arbeitspltze.Geflschte Waren gefhrden darber hin-aus massiv Gesundheit und auch Leben der Verbraucher.

    Die vorliegende Studie zeigt einmal mehr auf, dass sich Flschungen lngst nicht mehr nur auf Luxusgter beziehen, son-dern dass geflschte Produkte und Marken inzwischen in allen Wirtschaftszweigen und gerade auch bei Produkten des tglichen Bedarfs einen enormen Verbreitungsgrad haben. Es ist deshalb dringend erforderlich, die Abschreckung durch verschrfte straf-rechtliche Sanktionen zu erhhen. Heute stehen die wirtschaftlichen Vorteile der Herstellung und des Handels mit Plagiaten in keinem Verhltnis zum Risiko, das die

    Vorwort RA Christoph Kannengieer Hauptgeschftsfhrer des Markenverbands

    Geistiges Eigentum schtzen Marken- und Produktpiraterie effektiv bekmpfen

    Tter eingehen. Der Markenverband setzt sich deshalb dafr ein, Marken- und Pro-duktpiraterie als Straftatbestand in das Strafgesetzbuch zu berfhren. Dabei kommt es vor allem darauf an, Mindest-strafen vorzusehen.

    Zugleich macht die Studie aber auch er-schreckend deutlich, wie gesellschaftsfhig bei vielen Verbrauchern der Kauf von Pla-giaten ist. Auch zeigt sich, dass auf Seite der Unternehmen bereits erheblich in Mar-kenschutz investiert wird, dass aber auch hier noch Potenziale erschlossen werden knnen. Wichtig ist deshalb neben besseren gesetzlichen Handlungsmglichkeiten, die Unternehmen fr die Gefahren weiter zu sensibilisieren und umfassend ber techni-sche und prozessorientierte Mglichkeiten zum Schutz vor Marken- und Produktpira-terie zu informieren. Wichtig ist aber vor al-lem, die Aufklrung der Verbraucher in brei-tem Umfang voranzubringen und gerade auch schon jungen Menschen zu vermitteln, welche ethischen, wirtschaftlichen und ge-rade auch gesundheitlichen Risiken mit dem Erwerb von geflschten Waren verbunden sind. Nicht zuletzt geht es darum, die Ver-letzung von Schutzrechten weltweit zu ch-ten und in einer globalisierten Wirtschaft ein gemeinsames Verstndnis zur Bekmp-fung von Markenpiraterie zu entwickeln. Der Markenverband setzt sich auf allen Ebenen fr den Schutz der Marke ein.

    Chistoph Kannengieer

  • 4

    Das Design der Studie 5

    Die Kernergebnisse im berblick 6

    1. Die Piraten des 21. Jahrhunderts 81.1 Produkt- und Markenpiraterie verletzt Rechte des 8 geistigen Eigentums 1.2 Flschungen verursachen Milliardenschden 9

    2. Die Rolle der Verbraucher 122.1 Verbraucher sind fr die Gefahren sensibilisiert 122.2 Mehr als jeder vierte Westeuroper kauft Plagiate 142.3 Gnstiger Preis der Flschung verlockt zum Kauf 162.4 Plagiate sind gesellschaftsfhig 18

    3. Die Rolle der Flscher 203.1 Geflschte Lebensmittel stammen meist aus Osteuropa 203.2 Produktion verlsst die Hinterhfe 223.3 Piraten nutzen smtliche Vertriebswege 23

    4. Die Schden durch Flschungen 264.1 Zwei Drittel der Unternehmen sind von Flschungen 26 betroffen4.2 Finanzielle Schden werden nicht systematisch bewertet 284.3 Ohne Navigation im feindlichen Gewsser 304.4 Risikoradar navigiert in schwerer See 32

    5. Die Bekmpfung der Flschungen 365.1 Organisatorische Verankerung des Markenschutzes 365.2 Manahmen zum Markenschutz 375.3 Unternehmen fordern die Untersttzung von 40 Politik und Verbnden

    6. Die Prioritten beim Markenschutz 446.1 Markenwerte mssen kommuniziert werden 446.2 Markenschutz muss als kontinuierlicher Prozess 46 gelebt werden

    7. Fazit und Ausblick 50

    Inhalt

  • 5

    Produkt- und Markenpiraterie entwickelt sich fr die Unternehmen der Konsumgterindustrie mehr und mehr zur ernsten Bedrohung. Der wirtschaftliche Schaden ist schwer zu beziffern, nicht zuletzt wegen einer hohen Dunkelziffer. Basierend auf Expertenscht-zungen und unseren Befragungen wird der Schaden fr die europische Konsumgterindustrie auf jhr-lich 35 Mrd. Euro geschtzt. Unternehmen verlieren nicht nur Umsatz; Flschungen, die nicht als solche erkannt werden, beschdigen auch das Image von Unternehmen und Marke. Den Verbrauchern drohen durch mgliche Mngel bei der Verarbeitung oder durch minderwertige Qualitt der verwendeten Roh-stoffe Gesundheitsschden. Flschungen verursachen betrchtliche Schden fr die Volkswirtschaft, wenn Steuereinnahmen und Arbeitspltze verloren gehen.

    Ziel dieser Studie ist es, die Nachfrage- und Angebots-seite von Flschungen herauszuarbeiten, das Ausma des Schadens fr die Konsumgterindustrie darzustel-len und Lsungsanstze fr einen prozessorientierten Markenschutz aufzuzeigen. Dazu wurden durch ein un-abhngiges Befragungsinstitut1 2.500 Verbraucher in Europa nach ihrer Einstellung zu Flschungen befragt.

    Darber hinaus wurde mit 27 europischen Konsum-gterherstellern anhand eines ausfhrlichen Frage-bogens eine Befragung zum Thema Flschungen und Markenschutz durchgefhrt. Davon wurden Vertreter von elf Unternehmen in persnlichen Gesprchen und 16 Unternehmen in einer Onlinebefragung interviewt. Die Anzahl und Bedeutung der befragten Unternehmen ermglichen generelle Aussagen zur Flschungspro-blematik in den Unternehmen und bilden die Grundlage fr Lsungsanstze zur Bekmpfung des Problems.

    Das Design der Studie

    Land

    DeutschlandSchweizHollandsterreich

    40 %

    20 %

    20 %

    20 %

    Alter

    < 35 Jahre36 55 Jahre> 55 Jahre

    29 %24 %

    47 %

    Geschlecht

    WeiblichMnnlich

    56 %44 %

    Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Kategorien

    AccessoiresBekleidungKosmetik und KrperpflegeGetrnkeNahrungsmittelSonstiges

    26 %

    30 %

    11 %

    19 %

    7 %7 %

  • 6 Piraten des 21. Jahrhunderts Studie 20086

    locken Verbraucher zum Kauf. Zugunsten des falschen Schnppchens verzichtet der Verbraucher wissentlich auf die Qualitt, die Verwendungssicherheit und die ethischen Grundstze eines Markenprodukts.

    Flschungen sind gesellschaftsfhig ber 90 Prozent der Verbraucher sehen ihr Ansehen bei Freunden und Verwandten durch den Kauf eines Plagiats nicht gefhr-det. Trotz des Bewusstseins fr die vielfach kriminellen und unethischen Arbeits- und Umweltbedingungen der Flschungen tole-rieren die befragten Verbraucher Produkt- und Markenpiraterie als Kavaliersdelikt.

    Die Rolle der Flscher

    Geflschte Lebensmittel und Getrnke stammen berwiegend aus (Ost-)Europa, geflschte Luxusprodukte aus ChinaDie Anbieter geflschter Luxusprodukte produzieren berwiegend in China, whrend geflschte Lebensmittel mehrheitlich aus Europa stammen. Dies birgt besondere Ge-fahren fr die Verbraucher: Die Flschung von Lebensmittelprodukten ist mit Gesund-heitsrisiken verbunden. Auerdem knnen die Plagiate durch die geografische Nhe den europischen Verbrauchern einfacher untergejubelt werden.

    Flschungen sind uerlich vom Original kaum noch zu unterscheidenDie Produktion von Flschungen verlagert sich von Hinterhfen in voll ausgestattete Fabriken, die zunehmend industrielle Her-

    Die Rolle der Verbraucher

    Verbraucher sind fr die Gefahren durch Flschungen sensibilisiertDas Bewusstsein fr die Gefahren durch geflschte Produkte ist bei den befragten Verbrauchern durchaus ausgeprgt. Zu 67 Prozent rechnen sie mit Unfallrisiken, hervorgerufen durch die Verarbeitung min-derwertiger Materialien. Gesundheitliche Risiken schlieen 61 Prozent der Befragten nicht aus, 48 Prozent erwarten finanzielle Risiken. Ferner sind sich 74 Prozent der befragten Verbraucher bewusst, dass in die Herstellung und den Vertrieb der Fl-schungen kriminelle Banden involviert sind, und 79 Prozent der Befragten sind sich im Klaren darber, dass Arbeits- und Umwelt-bedingungen vernachlssigt werden.

    Mehr als jeder vierte Westeuroper kauft Flschungen Trotz dieses Bewusstseins ist die Nachfrage nach Flschungen hoch. 28 Prozent der be-fragten Verbraucher haben in den vergan-gen drei Jahren Plagiate gekauft, wobei die Nachfrage mit dem Alter stetig abnimmt: Whrend bei den unter 35-jhrigen noch 39 Prozent Flschungen kaufen, sind dies bei den ber 55-jhrigen nur noch 18 Pro-zent. Mehr als 60 Prozent aller Kufer von Plagiaten tun dies ganz bewusst. Das gilt fr alle betroffenen Produktgruppen.

    Der gnstige Preis des falschen Schnppchens verlockt zum KaufDas Prestige und die Ausstrahlung der Marke zum vermeintlichen Schnppchenpreis ver-

    Die Schden durch Flschungen

    Zwei Drittel der Unternehmen sind von Flschungen betroffen ber 78 Prozent der befragten Unterneh-men sind regelmig von Flschungen betroffen. Dabei werden nicht mehr nur Produkte in den Segmenten Bekleidung, Accessoires, Kosmetik und Krperpflege geflscht, sondern die Produktpiraten greifen auch Unternehmen der Nahrungs-mittel- und Getrnkeindustrie an. In diesen Segmenten ist bereits jedes zweite Unter-nehmen von Flschungen betroffen. Ein weiterer Anstieg des Risikos durch Fl-schungen wird von Unternehmen aller Pro-duktgruppen fr die kommenden Jahre erwartet.

    Die finanziellen Schden werden von den Unternehmen selbst nicht systematisch bewertet Trotz der hohen Betroffenheit der Unter-nehmen durch Flschungen nehmen diese bislang berwiegend keine systematische Bewertung der direkten und indirekten Schden vor. Das Flschungsrisiko in ei-nem Unternehmen wird dadurch oft nicht objektiv erfasst und ist dementsprechend intern auch nur schwer kommunizierbar.Der Mangel an Informationen erschwert es auerdem, den Erfolg von Manahmen zum Schutz der Marke im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse zu bewerten.

    Die Kernergebnisse im berblick

    Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

  • Piraten des 21. Jahrhunderts Studie 2008 77

    stellungsverfahren und Maschinen ver- wenden. Hufig knnen nur Experten die Plagiate vom Original unterscheiden. Wh-rend die Flscher damit ein rein uerlich vom Original kaum unterscheidbares Pro-dukt herstellen, sind ihnen die Inhaltsstoffe und die Qualitt oft egal.

    Piraten nutzen smtliche VertriebswegeProduktpiraten nutzen smtliche Vertriebs-wege: Flschungen erreichen den Verbrau-cher zu 41 Prozent ber fliegende Mrkte und zu 33 Prozent ber das Internet. Aber auch der Gro- und Einzelhandel sind von Flschungen betroffen.

    Die Bekmpfung der Flschungen Markenschutz ist ChefsacheMarkenschutz ist Chefsache: 77 Prozent der befragten Unternehmen betrachten den Markenschutz als Aufgabe der Geschfts-leitung. 23 Prozent sehen die Unterneh-mensfhrung dabei zumindest in einer untersttzenden Rolle. Damit erkennen die Unternehmen den Schutz der Marke als strategische Aufgabe an. Umgesetzt wird der Markenschutz bislang eher in den Rechts- und Marketingabteilungen als in den fr Qualitts-, Risiko- und Produktions-management zustndigen Abteilungen.

    Die Manahmen zur Bekmpfung von Fl-schungen fokussieren die rechtliche SeiteBei den befragten Unternehmen stehen bislang die rechtlichen Manahmen im Vor-dergrund der Bemhungen zum Schutz

    ihrer Marke. 72 Prozent der Unternehmen haben solche rechtlichen Manahmen bereits systematisch umgesetzt. Wer es den Flschern schwer machen mchte, muss aber die gesamte Wertschpfungs-kette im Blick behalten. Sonst ist zwar die Ladung gesichert, aber der Zugang zum Schiff steht den Piraten weit offen.

    Unternehmen fordern Untersttzung von Politik und VerbndenUnternehmen sehen in erster Linie die Po-litik, aber auch die Verbnde in der Pflicht im Kampf gegen Produktpiraten: 79 Prozent der befragten Unternehmen halten vor-nehmlich die Politik fr zustndig, weitere 52 Prozent eher die Verbnde. 29 Prozent der Unternehmen sehen noch weitere eigene Handlungsmglichkeiten gegen Produkt- und Markenpiraterie, whrend 19 Prozent der befragten Unternehmen die eigenen Hand-lungsspielrume als erschpft ansehen.

    Unternehmen fordern bessere Verbraucheraufklrung und schrfere strafrechtliche Sanktionen70 Prozent der Unternehmen fordern eine strkere Abschreckung der Tter durch verschrfte strafrechtliche Sankti-onen. In gleichem Mae knnte aus ihrer Sicht zudem eine verbesserte Aufklrung der Verbraucher hinsichtlich der Gefahren und Schden im Zusammenhang mit ge-flschten Waren helfen, das Phnomen der Marken- und Produktpiraterie zu bekmp-fen. Mehr als die Hlfte der Unternehmen spricht sich dafr aus, die Durchsetzung der gewerblichen Schutzrechte zu verbessern.

    Die Prioritten beim Markenschutz

    Die Betonung von sicherheitsrelevanten und ethischen Aspekten schtzt die Marke Durch Kommunikation der kriminellen und unethischen Hintergrnde von Flschungen und die Betonung der Vorteile der Original-produkte knnen die Unternehmen den Wert ihrer Produkte gegenber den geflschten Kopien hervorheben und so den Wert ihrer Marken schtzen. Das zeigt auch ein Ver-gleich der Befragungen von Unternehmen und Verbrauchern.

    Markenschutz in das Risikomanagement integrieren Die meisten Unternehmen ergreifen viel- fltige, aber bislang eher punktuelle Manahmen, zum Schutz ihrer Marke vor Flschungen. Fr einen erfolgreichen Mar-kenschutz sollten die Einzelmanahmen in einem Prozess verbunden und kontinuier-lich auf ihre Wirksamkeit berprft werden. Dieser Prozess sollte fester Bestandteil des Risikomanagements werden. So knnen Unternehmen den Piraten erfolgreich ge-genber treten. Piraten verzichten zwar auf Buchfhrung. Aber sie wissen, was sie tun.

    Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

  • 8

    Denkt man an Piraten, hat man ein aufre-gendes Bild aus vergangenen Zeiten im Kopf: Ein verwegener Bursche mit Sbel und Augenklappe steht auf dem Deck ei-nes Dreimasters, den Blick ber die str-mische See fest auf die fette Beute eines Handelsschiffes gerichtet und bereit zum Entern. Schlgt man in jngster Zeit die Zeitung auf, wird man mit Berichten ber gekaperte Schiffe mit der Besatzung als Geiseln vor den Ksten Afrikas und Asiens konfrontiert. Sptestens jetzt muss man feststellen, dass das verklrte Bild des Piraten mit der harten Realitt nicht ber-einstimmt: Auch die heutigen Piraten stel-len eine groe Gefahr dar, auch wenn der moderne Produktpirat mit dieser Art der Freibeuterei wenig zu tun hat.

    Gleichwohl, auch er segelt unter fremder Flagge und gibt sich dem Eingeweihten erst im letzten Moment zu erkennen. Bei den fremden Flaggen handelt es sich al-lerdings um die Marken, Logos und Pro-duktdesigns der Markenhersteller. Die fette Beute ist der Verbraucher, der ver-meintlich ein Schnppchen macht und am Ende des Tages doch ein Vielfaches des Wertes der erworbenen Ware bezahlt hat.

    Was genau versteht man aber unter Pro-dukt- und Markenpiraterie? Eine kurze De-finition und eine Beschreibung des Ausma-es der Produkt- und Markenpiraterie sind der Ausgangspunkt dieser Studie.

    Produktpiraterie ist das verbotene Nach-ahmen und Vervielfltigen von Waren, fr die die rechtmigen Hersteller Erfindungs-rechte, Designrechte und Verfahrensrechte besitzen.

    Der Pirat bernimmt also unerlaubt das geistige Eigentum, das sich ein Unterneh-men unter Einsatz finanzieller Mittel er-worben hat, um es fr seine Produkte zu nutzen. Er verwendet die Bekanntheit einer Marke, die ein Markenhersteller durch die Qualitt seiner Produkte erlangt hat, um den Verbraucher ber die tatschliche Her-kunft und Qualitt der Ware zu tuschen.

    1. Die Piraten des 21. Jahrhunderts

    1.1 Produkt- und Markenpiraterie verletzt Rechte des geistigen Eigentums

    Marken Zeichen, um Waren bzw. Dienstleistungen von denjenigen eines anderen Unternehmens zu unterschei-den. Zeichen knnen einfache Buchsta-ben und Zahlen, Wrter, Bilder, Logos oder dreidimensionale Objekte sein.

    Patente Eine technische Entwicklung ein Gegenstand oder ein Verfahren kann durch ein Patent geschtzt wer-den, wenn sie neu und erfinderisch und wirtschaftlich verwertbar ist.

    Gebrauchsmuster Fr Gegenstnde be-steht zudem die Mglichkeit eines Ge-brauchsmusters. Es wird hufig als kleines Patent bezeichnet und kann schneller, ein-facher und kostengnstig erlangt werden.

    Designs/Geschmacksmuster Design, Form und Farbe werden als so genanntes Geschmacksmuster geschtzt. Die Mus-ter und Modelle mssen neu, eigentmlich und gewerblich verwertbar sein und ein sthetisches Erscheinungsbild haben.

    Urheberrecht Das Schutzziel des Ur-heberrechts ist die Idee eines Werks, wie Sprach-, Film- und Lichtbildwerke.

    bersicht der Rechte geistigen Eigentums

    Der Begriff Produkt- und Markenpiraterie beschreibt das Geschft mit Waren, die ein Recht geistigen Eigentums verletzen. Dazu gehren vor allem Marken- und Patent-rechte, Geschmacksmuster (also Designs), Gebrauchsmuster, Urheberrechte und ver-wandte Schutzrechte des gewerblichen Rechtsschutzes.

    Auf den Internetseiten des deutschen Zolls findet sich eine allgemeingltige Definition:

    Markenpiraterie ist das illegale Verwenden von Zeichen, Namen, Logos (Marken) und geschftlichen Bezeichnungen, die von den Markenherstellern zur Kennzeichnung ihrer Produkte im Handel eingesetzt werden.

    Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

  • 9

    Das wahre Ausma der Produkt- und Marken- piraterie kann nur geschtzt werden. Einer-seits verzichten Piraten auf Buchfhrung, andererseits stellt die Bewertung der durch die Flschungen verursachten Schden eine Herausforderung dar. Weniger als fnf Pro-zent der im Umlauf befindlichen Waren wer-den berhaupt vom europischen Zoll kont-rolliert. Deshalb muss von einer erheblichen Dunkelziffer ausgegangen werden.

    Eine verlssliche statistische Quelle sind die Zahlen der Europischen Kommission2 ber die Anzahl der beschlagnahmten Produkte (s. Abb. 1). Gem der Statistik von 2007 haben die Zollbeamten der Mitgliedstaaten mehr als 79 Millionen Artikel nachgeahmter und geflschter Waren sichergestellt. Die vorliegende Studie stellt die Produktgrup-pen Accessoires, Bekleidung, Kosmetik und Krperpflege sowie Nahrungsmittel und Ge-trnke in den Vordergrund, welche mit ber 27 Millionen sichergestellten Artikeln einen Anteil von 35 Prozent an der Gesamtzahl aller in Europa im vergangenen Jahr be-schlagnahmten Waren ausmachen. Bei den verbleibenden 65 Prozent handelt es sich berwiegend um Zigaretten, nachgemachte CDs, DVDs, Elektrogerte und Arzneimittel.

    Diese Zahlen geben zwar eine Vorstellung ber die Mengen geflschter Produkte, vermitteln aber noch kein Bild von den Wa-renwerten, die von den Piraten in Umlauf gebracht werden. Eine Studie der OECD3

    1.2 Flschungen verursachen Milliardenschden

    schtzt den Warenwert der im Jahr 2005 geflschten Produkte auf rund 200 Milliar-den US-Dollar weltweit. Diese Schtzung be-rcksichtigt nur den grenzberschreitenden Handel und damit keine Produkte, die inner-halb eines Landes hergestellt und abgesetzt wurden und keine Produkte, die im Internet gehandelt wurden. Somit drfte die Gesamt-summe deutlich hher liegen. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie der Inter-nationalen Handelskammer 4, die den Um-satz mit geflschten Produkten weltweit auf 600 Milliarden US-Dollar beziffert.

    Fr die europische Konsumgterindustrie kann, basierend auf den genannnten Zahlen und Expertenschtzungen, von einem Um-satzverlust von ca. zwei Prozent durch Pro-dukt- und Markenpiraterie ausgegangen werden. Kombiniert man diese Daumenre-gel mit den Ergebnissen unserer Befragung, die die Betroffenheit der Unternehmen durch Flschungen zeigt, lasst sich abscht-zen, dass die europische Konsumgter-industrie jhrlich 35 Mrd. Euro durch Pro-dukt- und Markenpiraterie verliert.

    Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Beschlagnahmte Artikel an den europischen Grenzen 2007Abbildung 1

    Beschlagnahmte Artikel 2007: 79.076.458 Einheiten

    Nahrungsmittel & Getrnke

    Accessoires

    Bekleidung

    Kosmetik & Krperpflege

    65 % 35 %64 %

    22 %

    Quelle: Europische Kommission (2008)2

    7 %

    7 %

  • 10

    Klar ist: Diese Zahlen bilden nur die Spitze des Eisbergs ab (s. Abb. 2). Flschungen haben erhebliche negative Auswirkungen auf Unternehmen, Verbraucher und die Volkswirtschaft.

    Unternehmen verlieren nicht nur Umsatz. Flschungen, die von Verbrauchern nicht als solche erkannt werden, fhren dem Un-ternehmen Imageschden zu, die den Wert der Marke beeintrchtigen knnen.

    Den Verbrauchern drohen durch mgliche Mngel bei der Verarbeitung oder durch minderwertige Qualitt Gesundheitsgefah-ren oder finanzielle Schden, etwa durch eine verkrzte Haltbarkeit von Produkten. Zudem kann ein vermeintliches Urlaubs-schnppchen eine hohe Quittung beim Zoll nach sich ziehen. Verbraucher, die unbe-wusst eine Flschung kaufen, werden von den Produkt- und Markenpiraten irregeleitet.

    Nicht zu vernachlssigen sind die Schden, die Flschungen in der Volkswirtschaft ver-ursachen. Neben Steuereinnahmen gehen Arbeitspltze verloren.

    Umsatzeinbuen Imageschden Verlust von Marktanteilen an illegale Mitbewerber Kosten fr Verhinderung und Sicherstellung von Flschungen

    Schden durch Produkt- und MarkenpiraterieAbbildung 2

    Geschtzte Umsatzverluste der europischen Kosumgterindustrie

    Verbraucher Volkswirtschaft

    Unternehmen

    35 Mrd. Euro

    Irreleitung Gesundheits- und Unfallgefahren Finanzielle Gefahren (z.B. Zollbeschlagnahmung)

    Verlorene Steuereinnahmen Verlust von Arbeitspltzen

    Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

  • 11Piraten des 21. Jahrhunderts Ernst & Young

  • 12

    Wer die Flut von Flschungen eindmmen und die Schden durch Produkt- und Mar-kenpiraterie reduzieren will, muss sich auch mit den Marktteilnehmern intensiver auseinandersetzen. Ein erster Ansatz-punkt ist die Nachfrageseite also der Verbraucher.

    Im Rahmen unserer Studie wurden dazu durch ein unabhngiges Befragungsinsti-tut 2.500 Verbraucher in Deutschland, der Schweiz, sterreich und Holland ber ihre Einstellung zu Flschungen befragt. Un-sere Befragung zeigt, dass sich viele der Verbraucher durchaus der Gefahren von Flschungen bewusst sind. Leider wirkt sich dieses Bewusstsein nur bedingt auf ihre Kaufbereitschaft aus. Das Prestige und die Emotion der Marke zum gnstigen Preis der Flschung verlocken zum Kauf. Zugunsten der falschen Schnppchen ver-zichten dessen Kufer zumeist wissentlich auf die Qualitt, die Verwendungssicher-heit der Markenartikel und die ethischen Produktionsgrundstze des Marken- herstellers. Dieses Verhalten stt auf relativ hohe gesellschaftliche Akzeptanz.

    2. Die Rolle der Verbraucher

    Die Mehrzahl der befragten Verbraucher sind sich der Gefahren geflschter Produkte bewusst. So rechnen sie beim Kauf von Pla-giaten durchaus mit einer persnlichen Ge-fhrdung durch Unflle oder gesundheitli-chen und finanziellen Risiken.

    Durchschnittlich 67 Prozent der im Rahmen der vorliegenden Studie befragten Verbrau-cher stufen das Risiko eines Unfalls durch den Einsatz minderwertiger Materialien oder die eingeschrnkten Produktfunktionalit-ten der Flschung als hoch ein. Beispiels-weise kann ein falscher Sportschuh das Ri-siko von Sportunfllen erheblich erhhen.

    Ferner knnen gesundheitsgefhrdende In-haltsstoffe etwa bei geflschten Textilien Hautausschlge oder Allergien auslsen, bei geflschten Nahrungsmitteln knnen sie sogar lebensbedrohlich sein. Im Jahr 2004 starben zwlf Suglinge in Ostchina. Ihre Eltern hatten sie unwissentlich mit geflsch-tem Milchpulver ohne jegliche Nhrwerte gefttert. Diese von Flschungen ausge-hende Gesundheitsgefahr wird von durch-schnittlich 61 Prozent der Verbraucher erkannt.

    Die Gefahr einer Beschlagnahmung der Ware durch den Zoll und entsprechender Nachzahlungen wird von den befragten Verbrauchern zwar als geringer eingestuft,

    2.1 Verbraucher sind fr die Gefahren sensibilisiert

    doch erwarten immerhin noch durch-schnittlich 48 Prozent auch ein finanzielles Risiko beim Kauf von Flschungen.

    Verbraucher haben nicht nur ein Bewusst-sein fr persnliche Gefahren durch Fl-schungen, sondern insbesondere auch fr die Gefahren fr Dritte: Durchschnittlich 74 Prozent der von uns befragten Verbrau-cher geben an, dass ihnen die vielfach kri-minellen Bedingungen von Herstellung und Vertrieb der Flschungen bewusst sind, und sogar 79 Prozent der Verbraucher wissen, dass Arbeits- und Umweltschutzbedingun-gen bei der Herstellung von Flschungen regelmig vernachlssigt werden.

    Die Ergebnisse der Befragung zeigen auch, dass das Bewusstsein insbesondere fr die Unfall- und Gesundheitsgefahren eine Frage des Alters ist: Whrend bei den ber 55-jh-rigen noch drei von vier Verbrauchern Fl-schungen als hohes Risiko einstufen, tun das nur noch zwei von vier bei den unter 35-jhrigen.

    Die jngeren Verbraucher gehen unbekm-merter mit Flschungen um und sind weni-ger aufgeklrt ber die Risiken als ltere.Trotzdem sind auch sie sich der Gefahren durch Flschungen bewusst.

    Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

  • 13

    Ist Ihnen bewusst, dass bei der Herstellung und dem Vertrieb von Flschungen regelmig ...

    Flschungen werden mit bestimmten Risiken in Verbindung gebracht. Schtzen Sie die folgenden Risiken als hoch ein?Abbildung 3

    Persnliche Gefahren

    0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %

    Finanzielle Risiken

    Gesundheitsrisiken

    Unfallrisiken73 6858

    50 49 43

    71 61 48

    48

    61

    67

    ... Arbeits- und Umwelt- bedingungen vernach-

    lssigt werden?

    ... kriminelle Banden involviert sind?

    Gefahren fr Dritte

    0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %n = 2.500

    n = 2.500

    80 75 65

    85 80 69

    79

    74

    Alter < 35 Jahre 36 55 Jahre > 55 Jahre

    Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

  • 14 Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Verbraucher haben also ein Bewusstsein fr die mglichen Gefahren, die von Flschungen ausgehen. Dieses Bewusstsein hat allerdings kaum Einfluss auf die Nachfrage (s. Abb. 4): Durchschnittlich 28 Prozent der in der Stu-die befragten Verbraucher haben in den vergangenen drei Jahren Flschungen ge-kauft. Dies gilt unabhngig von Herkunft oder Geschlecht und insbesondere unab-hngig davon, ob die von Flschungen aus-gehenden Gefahren als hoch oder niedrig einstuft wurden. Damit kauft mehr als jeder vierte Westeuroper Flschungen.

    Allerdings zeigt sich, dass Verbraucher, die Flschungen als gefhrlich einschtzen also die lteren Verbraucher auch seltener

    2.2 Mehr als jeder vierte Westeuroper kauft Plagiate auch bei Produkten des tglichen Bedarfs

    Plagiate nachfragen. Whrend 39 Prozent der unter 35-jhrigen bewusst auf Flschun-gen zurckgreifen, nimmt das Interesse da-ran mit dem Alter stetig ab und erreicht nur noch 18 Prozent bei den ber 55-jhrigen.

    Dies ist zum einen zu erklren mit dem geringeren Risikobewusstsein bei den jn-geren Verbrauchern. Zum anderen haben diese nach unserer Erfahrung ein hheres Markenbewusstsein und verfgen zugleich ber einfacheren Zugang zu Flschungen, u. a. durch die intensivere Nutzung des Internets.

    Die Nachfrage nach Flschungen umfasst alle Produktgruppen (s. Abb. 5): von den hochwertigen und hochpreisigen Luxus- und Konsumgtern bis hin zu Produkten des tglichen Bedarfs. Erwartungsgem nimmt geflschte Bekleidung die Favoriten-rolle in der Verbrauchernachfrage ein. 23 Prozent der Befragten haben beispiels-weise schon geflschte T-Shirts, Hosen, Pullover, Schuhe oder Mtzen gekauft. An zweiter Stelle stehen mit elf Prozent Ac-cessoires wie Handtaschen, Sonnenbrillen, Schmuck, Uhren und Lederartikel. Eher un-erwartet ist die nicht zu vernachlssigende Nachfrage nach geflschten Produkten aus den Bereichen Kosmetik, Krperpflege, Nahrungsmittel und Getrnke. So haben sieben Prozent der Befragten bereits ge-

    Haben Sie in den vergangenen drei Jahren bewusst oder unbewusst Flschungen gekauft?Abbildung 4

    Altersgruppe

    > 55 Jahre

    36 55 Jahre

    < 35 Jahre 39

    28

    18

    28

    0 %n = 2.500 10 % 20 % 30 % 40 %

  • 15Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    flschte Produkte des tglichen Bedarfs wie Rasierklingen, Shampoos, Zahnpasta oder gar Pulverkaffee und Alkoholika gekauft.

    Und die Verbraucher scheinen zu wissen, was sie tun: Durchschnittlich mehr als 60 Prozent der Flschungskufer geben ber alle Produktgruppen hinweg an, die Flschung bewusst gekauft zu haben. Fr die Unternehmen sind die verbleibenden 40 Prozent also die arglosen Kufer von Flschungen ein erhebliches Problem.

    So bedeutet der unbewusste Kauf fr das Unternehmen einen direkten Umsatzver-lust, weil der Kunde grundstzlich bereit ge-wesen wre, das Original zu kaufen. Auer-dem bemerken die Kunden die Flschung entweder gar nicht oder erst nach dem Kauf, beispielsweise an einer geringeren Qualitt oder einer verkrzten Haltbarkeit des Produkts. Wenn betrogene Kunden aus diesen negativen Erfahrungen auf das Ori-ginal rckschlieen, erleidet das Unterneh-men zustzlich einen Imageverlust.

    In welchem Segment oder in welchen Segmenten haben Sie die Flschung gekauft?Abbildung 5

    Beispiele (aus der OECD-Studie3)

    T-Shirts, Hosen, Pullover, Schuhe, Mtzen

    Handtaschen, Sonnenbrillen, Schmuck, Uhren, Lederartikel

    Shampoos, Parfums, Deodorants, Zahnpasta, Rasierklingen

    Butter, Pulverkaffee, Alkoholika, Sigkeiten

    Accessoires

    Bekleidung 23

    11

    Kosmetik und Krperpflege 7

    Nahrungsmittel und Getrnke 7

    Bewusster Kauf Unbewusster Kauf k. A. Mehrfachnennung mglich

    0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 %n = 2.500

  • 16 Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Wenn sich der Verbraucher der Gefahren durch Flschungen bewusst ist, warum wer-den Flschungen dann in diesem Umfang gekauft? 82 Prozent der Verbraucher ge-ben den gnstigen Preis als Grund fr den Kauf einer Flschung an. Die Kufer von Plagiaten werfen fr das falsche Schnpp-chen ihre moralischen Bedenken und ihr Gefahrenbewusstsein ber Bord. Statt 200 Euro fr eine Sonnenbrille auszugeben, wird das Plagiat fr 15 Euro am Strand ge-kauft oder das geflschte T-Shirt im Internet fr ein Drittel des Originalpreises ersteigert.

    Offenbar sind sich die Verbraucher bewusst, zu diesem Preis kein Original erstanden zu haben, aber was solls? 43 Prozent der Be-fragten verzichten auf das Original weil ihnen das Produkt selbst, auch ohne bestimmte Qualittsmerkmale, gefllt. Bei 33 Prozent der Verbraucher geht es weniger um das Produkt als vielmehr um ein Statussymbol, also um die nach auen erzielte Wirkung durch dessen Besitz.

    Bei einigen Produkten ist es den Verbrau-chern scheinbar egal, ob sie eine Flschung oder das Original kaufen (s. Abb. 7). Aus ihrer Sicht bietet das Original in diesen Fl-len kein erkennbares und wertgeschtztes Unterscheidungsmerkmal zur Flschung. Dies wird deutlich, wenn man die unter-schiedliche Bedeutung verschiedener Merk-male von Markenprodukten fr den Ver-braucher betrachtet.

    Kufer erwerben mit der Flschung die Wir-kung und das Prestige des Originals. Bei beiden Eigenschaften einer Marke stellen die befragten Verbraucher mit einem Ab-stand von 0,1 bzw. 0,2 Punkten kaum einen Unterschied zur Flschung fest. Auch Eigen-schaften wie Innovation, Gesundheit oder Tradition sind keine ausgeprgten Differen-zierungsmerkmale gegenber dem Original.

    Das Herausstellen von Markeneigenschaf-ten wie Verwendungssicherheit, ethische Produktionsgrundstze und Nachhaltigkeit

    2.3 Gnstiger Preis der Flschung verlockt zum Kauf

    bieten dem Markenhersteller dagegen Potenzial, dem Verbraucher die grundle-genden Unterschiede zwischen Original und Flschung zu verdeutlichen: Diese Eigen-schaften werden mit 3,9 bis 4,6 von fnf Punkten von den Verbrauchern als wichtige Markeneigenschaften gewertet. Zwar sind ihnen diese Aspekte beim Kauf einer Fl-schung nicht so wichtig, wie beim Erwerb ei-nes Markenprodukts der Unterschied fllt mit 0,4 Punkten aber relativ gering aus. Die Preisunterschiede scheinen zum Zeitpunkt des Kaufs die eigenene Ansprche verges-sen zu lassen. Das heit, der Verbraucher misst bei Original und Flschung mit zwei-erlei Ma, und dies sollte ihm auch vor Augen gefhrt werden. Gleiches gilt fr die Qualitt, die Kunden als bedeutende Marken-eigenschaft bewerten, mit groem Abstand zur Flschung.

    Eine Kommunikationsstrategie, die dem Ver-braucher bewusst macht, dass der Preisun-terschied zwischen Original und Flschung wegen der wesentlich hheren Qualitt und Verwendungssicherheit sowie der Einhaltung von ethischen Grundstzen und Nachhaltig-keit gerechtfertigt ist, kann dem Verbraucher die grundlegenden Unterschiede zwischen Original und Flschung verdeutlichen. Den Unternehmen bietet sich hier eine Chance, mit entsprechenden Kampagnen zu errei-chen, dass Verbraucher wieder kritischer werden, mehr Bewusstsein fr Qualitt und ethische Aspekte entwickeln und sich beim Kauf nicht nur am Preis orientieren.

    Meinen Sie, dass es einen bestimmten Grund fr den Kauf einer Flschung gibt wie beispielsweise ...Abbildung 6

    ... der Wunsch nach einem Statussymbol?

    ... weil Ihnen das Produkt gefllt?

    ... den gnstigen Preis? 82

    43

    33

    0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %n = 2.500

    Mehrfachnennung mglich

  • 17Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    2 3 4 5

    Wie wichtig sind Ihnen die folgenden Merkmale beim Kauf eines Markenprodukts/einer Flschung?Abbildung 7

    Mittelwert

    Gesundheit

    Qualitt

    Verwendungssicherheit

    Nachhaltigkeit

    Ethische Grundstze

    Herkunft

    Innovation

    Emotionalitt

    Tradition

    Prestige

    4,64,3

    4,53,9

    4,44,0

    4,23,8

    3,83,4

    3,42,9

    3,12,8

    3,02,8

    3,02,6

    2,72,6

    Differenz

    Qualitt 0,6

    Herkunft 0,5

    Verwendungssicherheit 0,4

    Ethische Grundstze 0,4

    Nachhaltigkeit 0,4

    Tradition 0,4

    Gesundheit 0,3

    Innovation 0,3

    Emotionalitt 0,2

    Prestige 0,1

    Differenz aus der Bewertung Markenprodukt/Flschung

    Markenprodukt

    1 = unwichtig 2 = eher unwichtig 3 = neutral 4 = eher wichtig 5 = wichtig

    Flschung

    1n = 2.500

  • 18 Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Flschungen haben ihren Platz in der Ge-sellschaft gefunden (s. Abb. 8): Neun von zehn Verbrauchern sehen durch den Kauf einer Flschung ihr Ansehen bei Freunden und Verwandten nicht gefhrdet. Offenbar empfinden es viele als durchaus cool, ge-flschte Uhren zu tragen mit dem Hinweis, dass man diese fr wenige Euro irgendwo aus dem Urlaub mitgebracht habe und kaum vom Original unterscheiden knne.

    2.4 Plagiate sind gesellschaftsfhig

    Der Kauf von Flschungen wird in der Ge-sellschaft insbesondere unter dem Gesichts-punkt der Geldersparnis als ein vermeint-lich gnstiges Schnppchen betrachtet. Der Kauf einer Flschung wird damit als Kava-liersdelikt abgetan. Diese Haltung unter-scheidet sich nicht signifikant nach Her-kunftsland, Geschlecht oder Alter. Wrden Verbraucher weniger Interesse an geflsch-ten oder nachgeahmten Waren uern, wenn also die Nachfrage abnhme, wre der Anreiz zum Kopieren erheblich geringer.

    Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Flschung gekauft. Wrde Ihr Ansehen bei Freunden und Verwandtschaft darunter leiden?Abbildung 8

    1 %

    Absolut

    17 %

    Das ist Ihnen egal

    46 %

    Nein

    27 %

    berhaupt nicht

    9 %

    Ja

    n = 2.500

  • 19Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Lediglich jeder zweite Verbraucher ist sich der finanziellen Gefahren durch die Beschlagnahmung von Flschungen beim Zoll bewusst. Dabei ist bereits fast jeder Urlauber einmal in Versuchung geraten, eine Flschung mit nach Hause zu nehmen. Die nachgemachten Markenartikel sind als falsches Schnppchen in vielen Urlaubs-zielen zu bekommen. Fr den Verbraucher hngt das Ausma der Strafe fr den Be-sitz von Produkt- und Markenflschungen davon ab, in welches Land er reist.

    In Deutschland kommen die meisten Ur-lauber glimpflich davon. Der Kauf und Besitz von Flschungen ist nicht straf-bar, solange ein Eigenbedarf vorliegt, d.h. dass die Produkte zur eigenen Ver-wendung genutzt werden. Davon ist dann auszugehen, wenn die Waren keinen kom-merziellen Charakter haben, die Waren im persnlichen Gepck des Reisenden mitgefhrt werden und der Wert aller Wa-

    Verzollte Urlaubserinnerungen ren unter 175 Euro liegt. Dieser Grenzwert berechnet sich aus dem Einkaufspreis im Urlaubsland.

    Bei berschreiten des Grenzwerts oder bei dem Verdacht des gewerbsmigen Handels kann der Zllner die Ware beschlagnahmen. So gelten beispielsweise zehn T-Shirts oder drei Paar Schuhe gleichen Typs nicht mehr als Reisemitbringsel, auch wenn sie weni-ger als 175 Euro gekostet haben. Alle Wa-ren werden beschlagnahmt und vernichtet. Zustzlich droht ein Strafverfahren wegen Steuervergehens und wegen Markenrechts-verletzung. Das Strafmass kann bis zu fnf Jahren Haft betragen. Auerdem kann das Unternehmen, dessen Markenrechte verletzt wurden, Schadensersatzansprche stellen.

    Der Eigenbedarf ist auch der Knackpunkt am niederlndischen Zoll. Hier wird der Ei-genbedarf nicht ber den Warenwert son-dern ber die Anzahl definiert. Der Urlauber darf maximal drei geflschte Uhren, drei Bekleidungsstcke und 250 Milliliter Par-fum einfhren. Wird der Grenzwert in einer

    Kategorie berschritten, werden alle Produkte der Kategorie beschlagnahmt. Auch hier droht ein Strafverfahren.

    Seit dem 1. Juli 2008 wird auch in der Schweiz ein Plagiat sofort eingezogen und vernichtet. In Italien sind der Kauf und Besitz nachgemachter Markenpro-dukte strafbar und mit drastischen Geld-buen von bis zu 10.000 Euro verbun-den. Vor einigen Jahren machte eine 60-jhrige Dnin europaweit Schlagzei-len: Fr den Kauf einer zehn Euro teuren geflschten Designersonnenbrille auf einem fliegenden Markt in der Toskana musste sie die Hchststrafe von 10.000 Euro zahlen.

    Diese drastischen Strafen sollen verdeut-lichen, dass es sich bei der Produkt- und Markenpiraterie nicht um ein Kavaliers-delikt handelt, sondern um eine Straftat, die Verbraucher, Wirtschaft und die ge-samte Gesellschaft schdigt und fr Ku-fer mit echten finanziellen Risiken ver-bunden ist.

  • 20 Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Die Hauptherkunftsregion der geflschten Produkte ist Asien (s. Abb. 9). Durchschnitt- lich 70 Prozent der befragten Unterneh-men nennen China als Ursprungsland der Flschungen, 41 Prozent andere asiatische Lnder, 37 Prozent die Trkei und 30 Pro-zent osteuropische Lnder. Damit nehmen die blichen Verdchtigen die Spitzenpo-sitionen ein.

    Das Ursprungsland der Flschungen hngt stark von der betrachteten Produktgruppe ab. Bei den Produktgruppen Accessoires und Bekleidung kmpfen alle Unternehmen mit den chinesischen Plagiaten und zu 70 Pro-zent auch mit Flschungen aus der Trkei.

    Hingegen stammen geflschte Kosmetika und Krperpflegeprodukte an erster Stelle aus dem Mittleren Osten und erst an zwei-ter Stelle aus China.

    Bei Nahrungsmitteln und Getrnken gibt es kein solch eindeutiges Ursprungsland, aber mehr als die Hlfte der Plagiate stam-men aus Osteuropa. Diese Tatsache birgt besondere Gefahren fr die Verbraucher: So sind mit der Flschung von Nahrungs-mitteln Gesundheitsrisiken verbunden. Au-erdem sind die Flschungen den Kunden leichter unterzujubeln, weil durch die geo-graphische Nhe Transportzeiten drastisch zurckgehen.

    3.1 Geflschte Lebensmittel stammen berwiegend aus (Ost-)Europa, geflschte Luxusprodukte aus China

    Jede Nachfrage schafft sich ihr Angebot. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich so hohe wirtschaftliche Gewinne erzielen lassen wie mit Plagiaten. Dieses Geschft verspricht inzwischen enormen Profit. Zahlen des sterreichischen Zolls5 deuten an, dass sich mit Flschungen mehr Geld verdienen lsst als mit anderen kriminellen Geschften, etwa dem Drogenhandel oder dem Handel mit Falschgeld.

    Die hohen Gewinnmargen und das geringe Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung sind ein idealer Nhrboden fr die illegalen Aktivitten der Piraten. Die Strafen sind meist so mild, dass sie die Flscher nicht abschrecken knnen. Wird einem von ihnen doch einmal das Handwerk gelegt, ist der Nchste schon zur Stelle.

    Laut OECD-Studie3 existieren zahlreiche Hinweise darauf, dass Flschungen immer hufiger keine Einzeltaten sind, sondern sich das organisierte Verbrechen in die-sem Bereich zu engagieren beginnt: Hinter den Banden, die Geschfte mit der Produkt- und Markenpiraterie machen, stehen mafise Strukturen, die gleich-zeitig in Drogenschmuggel, Prostitution, Glcksspiel, Erpressung, Geldwsche und Menschenhandel involviert sind (OECD (2007), S. 15).

    Um ein besseres Verstndnis fr die Prob-lematik und den Umfang der Flschungen zu erhalten, haben wir die Unternehmen nach den Ursprungslndern, den Produk-tionsbedingungen und den Vertriebswegen befragt mit folgenden Ergebnissen.

    3. Die Rolle der Flscher

    In Europa wird Innovation als ein hoher Wert an sich angesehen und Kopieren meist pauschal als Ideenklau abge- tan. Dagegen hat das Kopieren in China eine kulturelle Tradition: Es ist ein Ziel, das Vorbild oder den Meister zunchst perfekt zu imitieren und erst dann ei-gene Innovationen hervorzubringen. Bereits das Erlernen der chinesischen Sprache ist damit verbunden, die Schrift- zeichen genau zu kopieren, um sie zu verinnerlichen.

    Die kulturellen Unterschiede werden an einer Anekdote aus der Sddeutschen Zeitung ber das Managerleben in China deutlich: Ein Geschftsmann einer Firma aus der deutschen Provinz besucht eine Messe in einer chinesischen Industrie-stadt. Irgendwann tritt ein Chinese an den Messestand und sagt: Wir bauen die glei-che Maschine wie Sie! Der Chinese wirkt stolz, der Deutsche auch. Dann holt der Chinese einen Prospekt hervor. Darauf ist der Nachbau einer patentierten deutschen Spezialmaschine zu sehen, detailgetreu inklusive geflschter Firmenlogos. Jetzt lchelt nur noch der Chinese. (Sddeut-sche Zeitung, Montag, 22. Mai 2006)

    Kulturelle Unterschiede als Hintergrund der Flschungsproblematik in China

  • 21Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Aus welchen Lndern stammen die Flschungen vorwiegend?Abbildung 9

    > 50 %35 50 %20 35 % 5 20 %< 5

    n = 27

    Mehrfachnennung mglich

    100 86 63in %

    China

    Accessoires & Bekleidung Kosmetik & Krperpflege Nahrungsmittel & Getrnke

    29 60 38in %

    Sonstige asiatische Lnder

    29 20 51in %

    Osteuropische Lnder

  • 22 Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Marken behaupten sich im weltweiten Wett-bewerb durch Innovationen bei Design, Material, Funktion und Qualitt. Die Pro-duktpiraten kopieren auf kriminelle Weise diese Wettbewerbsvorteile und beginnen sofort nach der Vorstellung der Markenpro-dukte mit der Nachentwicklung. Betrof-fene Unternehmen berichten, dass bereits wenige Wochen nach der Vorstellung der Produkte die ersten Flschungen am Markt auftauchen.

    Der Flscher erspart sich beim Kopieren die aufwendigen Entwicklungskosten der Marke, die Ausgaben fr Marketing oder Kunden-service und profitiert von einer Fertigung zu geringen, meist ausbeuterischen Lhnen und erzielt damit erhebliche Gewinne.

    Die Produktion der Flschungen verlagert sich zunehmend von den Hinterhfen in voll ausgestattete Fabriken, die vergleichbare Herstellungsverfahren und Maschinen ver-wenden wie die Markenhersteller. Mit com-putergesttzter Produktion sind ein Teil der Flscher in der Lage, Plagiate in groem Stil herzustellen. Das ist zugleich einer der Grnde fr die explosionsartige Entwicklung des Handels mit Flschungen.

    Eine zunehmende Anzahl von Flscherwerk-sttten stellt Produkte her, die dem Original zwar zum Verwechseln hnlich sehen, doch fr den Laien kaum wahrnehmbare Fehler aufweisen. Bei einigen Plagiaten ist nur das Logo falsch, bei anderen das Material minderwertig, wieder andere haben ein schlechteres Design. Eine ganze Sammlung solcher Flschungen steht bei den betrof-fenen Unternehmen in den Regalen. Im-mer mehr Kopien sind jedoch, als Ergebnis der professionelleren Fertigungsmetho-den, rein uerlich erstaunlich gut. Nur Experten knnen diese noch vom Original unterscheiden.

    Whrend es dem Flscher vor allem darauf ankommt, ein uerlich vom Original nicht zu unterscheidendes Produkt herzustellen, sind ihm die Inhaltsstoffe oft egal. Gesetz-liche Vorgaben zur qualittsgerechten Pro-duktion werden vernachlssigt. Daraus re-sultiert fr den Verbraucher insbesondere bei geflschten Nahrungsmitteln, Getrn-ken, Kosmetik- und Krperpflegeprodukten eine besondere Gefahr: Er kann beim Kauf des Produkts lediglich die Verpackung, nicht aber die Inhaltsstoffe prfen. Bei Parfums wird beispielsweise Wasser mit Duftstoffen derart vermischt, dass zwar der Geruch, nicht aber die Qualitts- und Gesundheits-standards des Originals imitiert werden.

    3.2 Produktion verlsst die Hinterhfe

    Von der Produktion in Hinterhfen in die Fabriken

  • 23Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Die Piraten nutzen smtliche Vertriebsfor-men (s. Abb. 10). Den Weg zum Verbrau-cher finden die Flscher entweder indirekt ber fliegende Mrkte, den Gro- und Einzelhandel oder direkt ber das Internet.

    Fliegende Mrkte sind der bevorzugte Vertriebsweg fr geflschte Accessoires, Bekleidung, Kosmetik- und Krperpflege- artikel. Hier haben durchschnittlich 41 Pro-zent der befragten Unternehmen geflschte Produkte ermittelt.

    Geflschte Nahrungsmittel und Getrnke werden berwiegend ber die gleichen Kanle vertrieben wie die Originale. Da-durch nimmt der Einzelhandel mit 37 Pro-zent einen zweiten Rang in der Liste der Absatzkanle ein, in denen Flschungen entdeckt wurden. In diesem Prozentsatz sind sowohl der traditionelle Einzelhandel als auch Ein-Euro-Shops enthalten. An dritter Stelle steht mit durchschnittlich 33 Prozent der Grohandel.

    Obwohl der Verkauf geflschter Produkte im serisen europischen Gro- und Ein-zelhandel heute noch die groe Ausnahme

    ist, muss auch der Handel die Produkt- und Markenpiraterie ernst nehmen. Die genaue berprfung der Waren und insbesondere deren Herkunft gewinnen mit dem Erfin-dungsreichtum der Flscher, die Waren in die Supply Chain einzuschleusen, eine im-mer grere Bedeutung.

    An letzter Stelle steht mit durchschnittlichen 33 Prozent das Internet als Vertriebsweg fr geflschte Produkte. In Branchen, die ihren Vertrieb zunehmend auch auf das Internet ausrichten, beispielsweise bei Accessoires und Bekleidung, wird das Risiko durch den Onlinehandel weitaus hher eingeschtzt.

    3.3 Piraten nutzen smtliche Vertriebswege

    ber welche Kanle werden die Flschungen insbesondere vertrieben?Abbildung 10

    Ingesamt Accessoires & Bekleidung

    Nahrungsmittel & Getrnke

    Kosmetik & Krperpflege

    60 %

    40 %

    40 %

    50 %

    10 %

    43 %

    29 %

    29 %

    43 %

    25 %

    50 %

    38 %

    13 %

    0 % 10 % 20 % 30 % 40 %

    Einzelhandel

    Mrkte

    33

    33Grohandel

    37

    Internet

    Sonstiges 4

    n = 27

    Mehrfachnennung mglich

    n = 10 n = 7 n = 8

    41

  • 24 Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Wie aber kommen die Flschungen in die Supply Chain der einzelnen Vertriebska-nle? Hierfr nutzen die Flscher globale Warenstrme und bevorzugt den Contai-nerverkehr. Von den riesigen Mengen, die per Schiff transportiert werden, kann nur ein Bruchteil kontrolliert werden. Das ver-ringert das Risiko, dass die Flschungen entdeckt werden. Um die rechtswidrige Her-kunft der Ware zu verschleiern, nutzen die Piraten aber noch ganz andere Methoden: Mit geflschten Frachtpapieren, Umladung der Ware und Befrderung durch mehrere Zollgebiete werden die Plagiate auf eine lange Reise geschickt. Eine weitere, immer hufiger praktizierte Methode ist das Mi-schen von Originalen und Flschungen in ein und derselben Sendung. So hoffen die Betrger, im Zielland unbeanstandet durch die Risikoanalyse und die Kontrollen des Zolls zu schlpfen.

    Die groe Frage ist: Wem kann der Ver-braucher noch vertrauen? Wo soll er noch das Original kaufen, wenn die Flschungen ber alle Vertriebskanle den Markt ber-schwemmen? Dem traditionellen europi-schen Gro- und Einzelhandel kommt hier eine bedeutende Rolle zu und die Chance, sich ber garantierte Originalitt zu profilieren.

    Fr Flscher bietet das Internet groe Chancen. Dadurch entstehen entspre-chende Risiken fr die Verbraucher. Die Chance fr die Flscher liegt in der Ano-nymitt des Internets, die es ihnen ermg-licht, ihre Machenschaften zu verschleiern und so den Zugriff der Ermittlungsbehr-den zu erschweren. Zudem haben sie so rund um die Uhr einen direkten und welt-weiten Kontakt zu potenziellen Kufern.

    Ein weiterer Vorteil fr die Flscher ist, dass Verbraucher im Internet die Fl-schung nur schwer vom Original unter-scheiden knnen. Kufer knnen die Qualitt der Produkte weder fhlen noch wirklich sehen. Stattdessen betrachten sie im Internet lediglich eine Abbildung des Produkts und hier lsst sich die Fl-schung leicht als Original ausgeben. Eine wirkliche berprfung der Echtheit der

    Das Internet Produkte ist nur bedingt mglich. Aller-dings knnten Verbraucher durch einen mglicherweise unrealistisch geringen Preis auf die Flschung aufmerksam wer-den. Die Signalfunktion des Preises fehlt jedoch insbesondere bei Internetauktio-nen: Bei Auktionen ist ein niedriger Ein-stiegspreis auch bei Originalware nicht ungewhnlich. Die fehlende Signalwir-kung von Qualitt und Preis im Internet erhht fr den Verbraucher das Risiko des unbewussten Kaufs von Plagiaten.

    Die Flscher nutzen die Vorteile des In-ternets und ihre Dreistigkeit kennt dabei kaum Grenzen. Die Falschheit der Ware wird nicht mehr verschleiert. So werden beispielsweise Flschungen von Uhren auf einschlgigen Internetseiten als hochwer-tige Plagiate angeboten. Frei bersetzt ist dort zu lesen: Wir benutzen nur hchste Qualitt in den Materialien und die Fl-schung kann nur von Experten vom Origi-nal unterschieden werden.

  • 25Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

  • 26 Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    4.1 Zwei Drittel der Unternehmen sind von Flschungen betroffen

    Das Ausma der von Flschungen betroffe-nen Unternehmen ist gravierend (s. Abb. 12): 56 Prozent der befragten Unterneh-men geben an, dass ihre Produkte in den vergangenen drei Jahren stndig geflscht wurden. Bei weiteren 22 Prozent kommt das immer noch mehrmals im Jahr vor. Da-mit sind durchschnittlich zwei von drei Un-ternehmen von Flschungen betroffen.

    Vergleicht man die Betroffenheit der Unter-nehmen nach Produktgruppen, so fllt auf, dass nicht mehr nur Luxus- und Konsum-gter aus den Bereichen Accessoires und Bekleidung Flschungen ausgesetzt sind, obwohl diese mit 100 Prozent Betroffenheit

    fhrend bleiben. Vielmehr greifen die Pira-ten auch die Produktgruppen des tglichen Bedarfs wie Kosmetik, Krperpflege, Nah-rungsmittel und Getrnke an. Im letztge-nannten Segment registrieren schon ber 50 Prozent der Unternehmen regelmig Flschungen ihrer Produkte.

    Allerdings beinhalten diese Zahlen eine Dunkelziffer, weil sich noch nicht alle Un-ternehmen systematisch mit dem Problem befassen. Unternehmen, die sich mit dem Flschungsphnomen auseinandersetzen, finden meist auch Flschungen. Das be-deutet, dass lngst nicht alle Flschungen aufgesprt werden. Es bedarf immer spezi-

    Der Markt fr Flschungen entsteht ei-nerseits durch die groe Kaufbereitschaft der Verbraucher und andererseits durch die wirtschaftliche Attraktivitt von Fl-schungen. So kommt es, dass immer mehr Flschungen in die Mrkte gelangen. Der Konsumgterindustrie entstehen dadurch Schden in Milliardenhhe.

    Dieser Schadenshhe haben wir uns ange-nhert, indem wir die Unternehmen nach ihrer Betroffenheit durch Flschungen und nach der Hhe der Schden befragt haben.

    4. Die Schden durch Flschungen

    Welche Rechte wurden durch die Flschungen verletzt?Abbildung 11

    Schutzrecht Beschreibung Verletzung

    Patente

    Marken

    Geschmacksmuster

    Urheberrecht

    Sonstige

    Technische Erfindung

    Kennzeichnungs- und Unterscheidungsmerkmal

    Erscheinungsform und Design des Produkts

    Produkt einer geistigen Leistung

    Gebrauchsmuster, geografische Herkunftsangaben, Sortenschutzgesetz

    0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %

    85

    19

    70

    37

    n = 27

    Mehrfachnennung mglich

    4

  • 27Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Wie hufig wurden Produkte Ihres Unternehmens in den vergangenen drei Jahren geflscht?Abbildung 12

    Stndig Mehrmals pro Jahr Einmal pro Jahr Max. einmal Nie

    0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %

    Accessoires & Bekleidung

    Total 56

    60 40

    22 n = 27

    n = 10

    n = 7

    n = 8

    11

    Kosmetik & Krperpflege

    Nahrungsmittel & Getrnke

    72

    39 12 25

    14

    4

    12

    7

    12

    14

    Wie schtzen Sie die Entwicklung des Risikos in den nchsten drei Jahren ein?Abbildung 13

    0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %

    Accessoires & Bekleidung

    Total 46

    70 30

    n = 27

    n = 10

    n = 7

    n = 8

    54

    Kosmetik & Krperpflege

    Nahrungsmittel & Getrnke

    43

    29 71

    57

    Steigend Gleich bleibend Fallend

    fischerer Aufdeckungsmanahmen in den Unternehmen selbst und des Zolls, um das tatschliche Flschungsausma zu erken-nen und einzudmmen.

    Fr die kommenden Jahre erwarten die Unternehmen, dass das von Flschungen ausgehende Risiko zunimmt (s. Abb. 13). Keines der Unternehmen geht von einem fallenden Risiko aus. Dazu ist das Geschft mit den Flschungen zu profitabel fr die Flscher. Mit ihren umfassenden Manah-men hoffen immerhin 54 Prozent der Un-ternehmen, die Risiken durch Flschungen wenigstens auf gleichem Niveau zu halten, 46 Prozent gehen von einem steigenden Risiko aus.

    Die Marke ist das am hufigsten verletzte Schutzrecht bei den befragten Unterneh-men (s. Abb. 11). 85 Prozent geben an, dass ein Markenrecht durch Flschungen verletzt wurde. An zweiter Stelle stehen die Geschmacksmuster mit 70 Prozent, gefolgt von Urheberrechten mit 37 Prozent und Patenten mit 19 Prozent.

  • 28 Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Trotz der hohen Betroffenheit nehmen Un- ternehmen bislang keine systematische Be-wertung der direkten und indirekten Sch-den durch Flschungen vor (s. Abb. 14). So bewerten nur 19 Prozent der von Fl-schungen betroffenen Unternehmen den direkten Schaden, nur vier Prozent versu-chen, den indirekten Schaden zu beziffern.

    Der direkte Schaden charakterisiert die Kos-ten, die einem Unternehmen unmittelbar durch Flschungen entstehen (s. Abb. 15). Dazu gehren die Kosten zur Bekmpfung von Flschungen ebenso wie die Umsatzver-luste, die ein Unternehmen durch Flschun-gen erleidet.

    es ein Unternehmen im russischen Markt, in dem die Flschungen einen Marktanteil von 30 Prozent erreichten. Durch umfassende Manahmen konnten die Flschungen inner-halb eines Jahres zurckgedrngt und erheb-liche Umsatzsteigerungen erreicht werden.

    Neben den direkten Schden entstehen den Unternehmen durch die Verbreitung von Flschungen im Markt indirekte Schden, sogenannte Imageschden. Durch eine Flschung wird Kaufkraft abgeschpft. Vor allem aber fllt die minderwertige Qualitt der Flschung auf den Markenhersteller zu-rck und schadet so der Marke. Beispiels-weise musste das Unternehmen im russi-schen Markt die Werbung fr sein Produkt einstellen, denn durch die schlechte Quali-tt der geflschten Ware htte jede weitere Werbung der Marke eher geschadet.

    4.2 Finanzielle Schden werden von den Unter- nehmen selbst nicht systematisch bewertet

    Kosten zur Bekmpfung von Flschungen entstehen durch Ermittlung und Sicherstel-lung oder die Vernichtung und Entsorgung geflschter Ware. Diese Kosten werden im-merhin noch von jeweils 30 Prozent der befragten Unternehmen ermittelt. Ebenso geben 30 Prozent der Unternehmen an, Prozesskosten zu ermitteln und zum Scha-den durch Flschungen hinzuzurechnen. Schlielich setzen 22 Prozent externe Dienstleister im Kampf gegen Flscher ein und bilanzieren diese Kosten in der Schadensberechnung.

    Eine weitere wesentliche Komponente der direkten Kosten ist der Umsatzverlust durch Flschungen. 41 Prozent der befragten Un-ternehmen messen, inwieweit durch den Ver-kauf von Flschungen die Originale aus dem Markt gedrngt werden. Besonders hart traf

    Haben Sie die durch Produkt- und Markenpiraterie entstandenen Schden ermittelt?Abbildung 14

    Insgesamt

    n = 24 n = 10 n = 7 n = 60 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %

    Direkter Schaden 19 38 42

    4 31 65 Indirekter Schaden

    Accessoires & Bekleidung

    Nahrungsmittel & Getrnke

    Kosmetik & Krperpflege

    30 %

    50 %

    57 %

    86 %

    50 %

    75 %

    Ja Teilweise Nein

  • 29Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Neben dem Imageverlust droht einer Marke bei starker Verbreitung von Flschungen auch der Verlust von Exklusivitt. Wenn Fl-schungen im Markt prsenter sind als das Original und die Marke damit fr jeder-mann zugnglich wird, verliert die Marke an Exklusivitt. Damit verliert auch ein Kunde, der sich das Original leisten knnte, sein Interesse an der Marke.

    Image- und Exklusivittsverlust beeintrch-tigen den Wert einer Marke. Den Verlust von Markenwert durch Flschungen bemes-sen 19 Prozent der Unternehmen.

    Ein Teil der betroffenen Unternehmen ver-suchen also durchaus, den entstandenen Schaden zu ermessen und zu beschreiben. Eine wirkliche Systematik ist jedoch nicht zu erkennen. Auffallend ist lediglich, dass Un-ternehmen mit einer hheren Betroffenheit durch Flschungen die enstehenden Schden umfassender ermitteln. So ermitteln in der Produktgruppe Accessoires und Bekleidung bereits bis zu 60 Prozent der Unternehmen die direkten Schden umfassend oder zumin-dest teilweise, whrend das bislang nur bei etwa der Hlfte der Hersteller von Nahrungs-mitteln und Getrnken der Fall ist. Keines der befragten Unternehmen konnte oder wollte den Schaden in Euro beziffern.

    Welche Aspekte gehen in die Berechnung des Schadens ein?Abbilung 15

    Wert der sichergestellten Waren 26

    Direkter Schaden

    Umsatzverluste 41

    Ermittlung und Sicherstellung 30

    Vernichtung und Entsorgung

    Prozesskosten

    30

    30

    Externe Dienstleister 22

    0 % 10 % 20 % 30 % 40 %n = 24

    Auswirkungen auf Markenwert 19

    Verlust von Marktanteilen

    Sonstige

    19

    4

    Indirekter Schaden

  • 30 Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Die mangelnde Systematik in der Bewer-tung verdeutlicht die in den meisten Unter-nehmen herrschende Unsicherheit bei der Schadensbewertung durch Flschungen (s. Abb. 16).

    Whrend bei den direkten Kosten, also den Kosten der Sicherstellung, noch weitestge-hend Klarheit herrscht, fllt eine zuverls-sige Schtzung der Umsatzverluste schwe-rer: Wrde der Kufer eines Plagiats auch den meist hheren Preis des Originals zah-len und wenn ja bis zu welcher Hhe? Welcher Preis soll zur Schadensermittlung herangezogen werden: Einkaufs- oder Ver-kaufspreis oder der Deckungsbeitrag?

    Viel gefhrlicher fr die Unternehmen und noch schwerer bezifferbar ist der Schaden, der durch die Beeintrchtigung des Markenwerts entstehen kann. Schon ber die Bewertung der Marke herrscht Unklarheit, eine durch Flschungen veran-lasste abnehmende Kundenloyalitt ist noch schwerer zu ermitteln.

    Dem Schaden durch Flschungen knnten sich Unternehmen mit den Zahlen des deut-schen Zolls annhern. Hier werden die be-schlagnahmten Waren in Euro bewertet. Diese Werte knnen als Minimumschaden herangezogen werden.

    Es ist von groer Bedeutung fr die Unter-nehmen, sich systematisch mit diesen Be-wertungsproblemen auseinanderzusetzen und eine fr sie passende Lsung zu finden. Das gilt vor allem aus zwei Grnden:

    1. If you cant measure it, you cant manage it. Solange die finanziellen Schden durch Flschungen nicht be-wertet werden, kann die Wirksamkeit von Manahmen gegen Flschungen auch nicht verlsslich bewertet werden. Nur durch ein kontinuierliches Messen der finanziellen Schden kann auch der Erfolg der Manahmen sinnvoll bewertet werden (Kosten-Nutzen-Analyse).

    2. Interne Kommunikation der Flschungs-problematik: Gegenwrtig herrscht in den Unternehmen oft folgende Methode vor, um auf die Flschungsproblematik intern aufmerksam zu machen: Bislang zeigen wir zur Aufklrung der Flschungen die Flschung und das Original. Wenn die zustndigen Abteilungen Flschung und Original selbst nicht mehr unterschei-den knnen, erkennen sie, dass wir ein Problem haben. Dies ist sicherlich der richtige Weg, um eine erste Aufmerk-samkeit fr die Problematik zu erhalten. Ein langfristiges Bewusstsein in den einzelnen Abteilungen, dass der Mar-kenschutz in jede Entscheidung mit einbezogen werden muss, erreicht man aber einfacher und sicherer ber eine monetre Gre.

    4.3 Ohne Navigation im feindlichen Gewsser

  • 31Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Die Schadensbewertung ist eine zuverls-sige Messgre fr die Unternehmen, um sich das Risiko durch Flschungen einer-seits vor Augen zu fhren und andererseits Manahmen erfolgreich einzuleiten und zu bewerten. Die Schadensbewertung ist ein erster Ansatz zur Navigation im feindlichen Piratengewsser.

    Wert der sichergestellten Ware []Bewertung in Euro nur beim deutschen Zoll, auf europischer Ebene wird nur die Anzahl sichergestellter Ware angegeben, weil Unsicherheit bzgl.

    Bewertung zu Einkaufs-/Verkaufspreis Bewertung von Fantasieflschungen

    Elemente des Schadens durch FlschungenAbbildung 16

    Unternehmen

    Kosten der SicherstellungErmittlung

    Vernichtung und Entsorgung

    Prozesskosten

    Externe Dienstleister

    UmsatzverlustePreissensitivitt des Kunden

    Bewertung der Umsatzverluste

    ImageverlusteBewertung der abnehmenden Kundenloyalitt

    Bewertung der Marke

    Verbraucher

    Irreleitung

    Gesundheits- und Unfallgefahren

    Finanzielle Risiken (Zollbeschlagnahmung)

    10 %Sichergestellte Ware

    90 % *

    Dunkelziffer

    * bereinstimmende Schtzung der Unternehmen:

    maximal 10 % der Flschungen werden gefunden

    Volkswirtschaft

    Verlorene Steuereinnahmen

    Verlust von Arbeitspltzen

    Bekannte Summe Bewertung unklar

  • 32 Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    4.4 Risikoradar navigiert in schwerer See

    Markenwert

    Kaufbereit-schaft

    VertriebswegProduktions-standort

    Produkt-komplexitt

    hoch

    hoch

    dezentral

    zentrallokal

    global

    niedrig

    hoch

    niedrig

    niedrig

    RisikoradarAbbildung 17

  • 33Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Der Risikoradar macht das Risiko fr Fl-schungen an den folgenden fnf Dimen- sionen fest (s. Abb. 17):

    1. Markenwert,

    2. Kaufbereitschaft,

    3. Vertriebswege,

    4. Produktionsstandorte und

    5. Produktkomplexitt.

    Erste und sicherlich ausschlaggebende Di-mension ist der Markenwert. Das Risiko fr Flschungen steigt mit dem Markenwert. Ein hoher Markenwert ldt Trittbrettfahrer ein, da sich der Markenwert auf das (gut gemachte) Plagiat bertrgt. Das erlaubt es den Flschern in vielen Fllen, die Plagi-ate ebenfalls zu einem guten Preis zu ver-kaufen, was die Flschung wirtschaftlich so attraktiv macht.

    Die Kaufbereitschaft, also die Bereitschaft der Verbraucher, ganz bewusst Flschungen zu kaufen, ist bei bestimmten Produktgrup-pen nach wie vor sehr hoch. Das Risiko fr Flschungen steigt mit einer zunehmenden Kaufbereitschaft. Die Verbraucherbefra-gung zeigt, dass die Bereitschaft der Ver-braucher, ihre moralischen und gesundheit-lichen Bedenken ber Bord zu werfen und eine Flschung zu kaufen, mit dem Preis und der Exklusivitt der Produkte steigt. So ist die Nachfrage niedriger fr die Pro-duktgruppen Nahrungsmittel, Getrnke, Kosmetik und Krperpflege und hher fr Bekleidung und Accessoires.

    Die Mglichkeiten, die Vertriebswege vor dem Einschleusen von Flschungen zu schtzen, sinken mit der steigenden Anzahl der Akteure. Whrend bei einem direkten Vertrieb das Risiko von Flschungen noch kontrollierbar ist, steigt es kontinuierlich bis hin zum indirekten Vertrieb an. Die be-sonderen Risiken eines Vertriebs ber das Internet wurden bereits dargestellt (siehe Kasten auf Seite 24).

    Die Produktionsstandorte eines Unterneh-mens beeinflussen den Zugang der Flscher zu den Originalen. Zwar ist es den Flschern grundstzlich egal, ob sie die Informationen zur Flschung der Produkte erst aufwendig aus Europa beschaffen mssen oder diese vor der Haustre finden sie beschaffen sie sich, wenn es wirtschaftlich attraktiv ist. Dennoch ist die Hrde fr Flscher geringer, wenn der Produktionsstandort direkt vor der Tr liegt. Das Risiko steigt in der Regel mit globaleren Produktionsstandorten an und nimmt mit der Fertigung durch Ver-tragslieferanten weiter zu.

    Eine letzte Risikodimension ist die Produkt-komplexitt. Whrend die Flscher bei eini-gen Produkten die Verbraucher bereits mit einem guten Nachdruck der Verpackung tuschen knnen, sind bei anderen Produk-ten wie Parfumflakons umfassende Investi-tionen notwendig, um das Produkt detailge-treu zu flschen. Besondere Erfordernisse eines Produkts, wie die Einhaltung der Khlkette bei Tiefkhlprodukten, schrecken die Flscher zustzlich ab.

  • 34 Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    In Abbildung 18 ist das Flschungsrisiko fr zwei Segmente beispielhaft skizziert. In den Produktgruppen Bekleidung und Acces-soires bestehen, insbesondere im Luxusbe-reich, sowohl ein hohes Angebot als auch eine hohe Nachfrage: Der Markenwert ist hoch und die Kaufbereitschaft fr Flschun-gen seitens der Verbraucher ist ebenfalls hoch. Die Produktion ist zumeist global auf-gestellt und die Produkte finden ihren Weg zum Verbraucher ber smtliche Vertriebs-wege auch ber das Internet. Schlielich

    ist es aufgrund der vermeintlich geringen Komplexitt der Produkte, einfacher diese zu flschen. Damit ist das Risiko in allen fnf Dimensionen hoch.

    In den Produktgruppen Nahrungsmittel und Getrnke ist das Risiko fr Flschungen deutlich geringer: Zum einen ist die Nach-frage geringer, zum anderen erfolgt die Produktion meist lokal in Europa und der Vertrieb erfolgt ber den Fachhandel.

    Der Risikoradar fr zwei SegmenteAbbildung 18

    Markenwert

    Kaufbereit-schaft

    VertriebswegProduktions-standort

    Produkt-komplexitt

    hoch

    hoch

    dezentral

    zentrallokal

    global

    niedrig

    hoch

    niedrig

    niedrig

    Bekleidung

    Markenwert

    Kaufbereit-schaft

    VertriebswegProduktions-standort

    Produkt-komplexitt

    hoch

    hoch

    dezentral

    zentrallokal

    global

    niedrig

    hoch

    niedrig

    niedrig

    Nahrungsmittel

    zentrallokal

    hoch

    niedrig

    niedrig

    zentrallokal

    hoch

    niedrig

    niedrig

  • 35Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

  • 36 Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Unsere Befragung verdeutlicht die gegen-wrtige Verankerung des Markenschutzes in den einzelnen Unternehmensbereichen. Ein erstes Ergebnis ist: Markenschutz ist Chefsache. 77 Prozent der befragten Unternehmen siedeln Entscheidungen in Sachen Markenschutz in der Chefetage an, bei den verbleibenden 23 Prozent bt die Geschftsleitung eine untersttzende Rolle aus. Damit sind sich die Unternehmen der strategischen Bedeutung des Markenschut-zes bewusst.

    Die operative Verantwortung fr den Mar-kenschutz ist vorwiegend in der Rechtsab-teilung verankert, die bei 58 Prozent der befragten Unternehmen Entscheidungs- trgerin ist. Das Marketing entscheidet bei 27 Prozent der befragten Unterneh-men. Bei dem berwiegenden Teil, also bei 65 Prozent, kommt dem Marketing beim Markenschutz eher eine unterstt-zende Funktion zu.

    Weitere Abteilungen bleiben bei den Ent-scheidungen zum Markenschutz ber- wiegend auen vor. Whrend die Entwick-lungsabteilung noch bei 17 Prozent der befragten Unternehmen zu den Entschei-dungstrgern bei dieser Aufgabe zhlt, sind das Qualittsmanagement nur bei 14 Prozent, das Risikomanagement bei elf Prozent und die Produktion gar nicht mehr in die Entscheidungen eingebunden. Die-sen Abteilungen wird berwiegend eine untersttzende Rolle im Markenschutz zu-gedacht. Der Schutz der Marke wird somit eher als singulre, rechtliche Aufgabe denn als Gesamtunternehmensaufgabe gesehen.

    Einige Unternehmen haben den Marken-schutz organisatorisch in einem Lenkungs-kreis fr den Flschungsschutz verankert. In diesem Lenkungskreis treffen sich in regelmigen Abstnden die Marken-schutzbeauftragten aus den einzelnen Ab- teilungen und tauschen sich ber neueste Entwicklungen aus. So findet eine wirkungs-volle Kommunikation zwischen den einzel-nen Unternehmensbereichen zum Marken-schutz statt.

    5.1 Organisatorische Verankerung des MarkenschutzesZur Bekmpfung des Angebots von Pla-giaten und zur Eindmmung der Nachfra-geseite haben die befragten Unternehmen bereits einzelne Manahmen zum Schutz ihrer Marke eingeleitet. Die Wirksamkeit solcher Manahmen wird mageblich be-einflusst durch die richtige organisatori-sche Verankerung des Markenschutzes im Unternehmen, entlang der gesamten Wertschpfungskette. Aber auch der Ruf der Unternehmen nach Untersttzung von Politik und Verbnden beim Schutz der Marke verhallt nicht.

    5. Die Bekmpfung der Flschungen

    Entscheidungstrger Untersttzende Rolle Nicht zustndig

    Welche Unternehmensbereiche sind fr den Markenschutz zustndig?Abbildung 19

    Ingesamt

    Produktentwicklung

    Marketing

    Rechtsabteilung

    Geschftsleitung

    Qualittsmanagement

    Risikomanagement

    Produktion

    0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %

    27

    58 31

    65

    54

    41

    28

    36

    11

    29

    45

    61

    64

    8

    77 23

    17

    14

    11

    n = 27

  • 37Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    5.2 Manahmen zum Markenschutz

    Bei den Manahmen zum Markenschutz stehen, entsprechend der organisatorischen Verankerung, die rechtlichen Aspekte im Vordergrund (s. Abb. 20):

    Welche der folgenden Manahmen fhren Sie zum Markenschutz durch?Abbildung 20

    Recht

    Supply Chain

    Entwicklung

    Mitarbeiter

    Marketing

    Kooperation

    n = 27

    Systematisch Gelegentlich Nie

    72 11

    54 20 26

    38 30 32

    48 21

    21

    17

    31

    31 40 29

    32 28 40

    36

    0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %

    43 Aufdeckung

    Eintragung von Schutzrechten Rechtsdurchsetzung bei Versten Grenzbeschlagnahmeantrge Schulung der Mitarbeiter des Zolls Finanzielle berprfung der Lieferanten berprfung der Qualitt bei den Lieferanten Tracking der Produkte entlang der Supply Chain berprfung der Zuverlssigkeit der Vertriebspartner Verhinderung von Technologietransfer Sicherheitstechniken zur einfacheren Identifikation

    Mitarbeiterrichtlinien Interne Revision

    Sensibilisierung der Kunden Kommunikation der Erkennungsmerkmale

    Kooperationen mit Verbnden Kooperationen mit staatlichen Einrichtungen Kooperationen im Inland Kooperationen im Ausland Marktbeobachtung Beschwerdemanagement Internetbeobachtung Mobilies Markenschutzteam Testkufe

  • 38 Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    72 Prozent der befragten Unternehmen ha-ben die rechtlichen Manahmen systema-tisch und elf Prozent teilweise, also in den betroffenen Mrkten, umgesetzt. Grundlage fr den Markenschutz bildet die Eintragung von Schutzrechten, beispielsweise Marken-, Patent-, Gebrauchsmuster- und Geschmacks- musterrechte (siehe Kasten auf Seite 8), die dem Inhaber ein ausschlieliches Recht zur Vermarktung seiner Waren und Dienst-leistungen in einer bestimmten Region ge-whren. Auf Basis der Schutzrechte knnen die Unternehmen einerseits die Herstellung und den Verkauf der Plagiate mit Rechts-verfolgung ahnden und andererseits zur Abwehr von Flschungen an den Grenzen einen sogenannten Grenzbeschlagnahme-antrag stellen.

    Entlang der Supply Chain haben die Unter-nehmen weitestgehend Manahmen getrof-fen, um das Einschleusen von Flschungen in ihre Logistikkette zu verhindern. Von durchschnittlich 54 Prozent der Unterneh-men werden sowohl Lieferanten als auch Vertriebspartner auf ihre Zuverlssigkeit, Qualitt und Bonitt geprft. Zudem wird der Weg der Produkte entlang der Liefer-kette verfolgt, um ungewhnliche Produkt-bewegungen zu erkennen. Weitere 20 Pro-zent der Unternehmen konzentrieren diese Manahmen auf Mrkte und Vertriebspart-ner mit besonders hohem Risiko.

    Das Flschen der Produkte soll durch ge-zielte Manahmen in der Entwicklung erschwert werden. Hierzu gehrt unter an-derem die Verhinderung von Technologie-transfer. Auerdem werden sowohl offene als auch verdeckte Sicherheitstechniken eingesetzt, um die Produkte flschungs-sicherer zu machen und Flschungen leich-ter und schneller identifizieren zu knnen. Krzere Innovationszyklen sollen helfen, den Flschern einen Schritt voraus zu sein. Diese Manahmen werden bei durchschnitt-lich 38 Prozent der befragten Unternehmen systematisch umgesetzt, bei weiteren 30 Prozent beschrnkt man sich auf kriti-sche Produkte und Mrkte.

    Die Mitarbeiter werden bei durchschnittlich 31 Prozent der befragten Unternehmen mit entsprechenden Richtlinien speziell ge-schult und der Schutz der Marke wird ber die interne Revision sichergestellt.

    Nur 29 Prozent der befragten Unternehmen sehen den Markenschutz auch als Marke-tingaufgabe. Die Unternehmen wollen ihr Gesicht und ihren Namen in Verbindung mit Plagiaten nicht in der ffentlichkeit zeigen, um den Verbraucher nicht zu verunsichern. Die Kommunikation mit dem Verbraucher knnte aber positiv gestaltet werden. Dabei sollte das Unternehmen weniger die Furcht vor dem ungewollten Erwerb eines Plagiats thematisieren als vielmehr die Vorteile des Originals.

    Entlang den Unternehmensabteilungen haben die befragten Unternehmen einzelne Manahmen zum Markenschutz weitest- gehend implementiert. Der Schutz der Marke bedarf aber zudem Kooperationen und natrlich spezifischer Manahmen zur Aufdeckung der Flschungen.

    Durchschnittlich 40 Prozent der Unterneh-men sehen einen Vorteil in Kooperationen zum Schutz ihrer Marke vor Flschungen. Statt punktuelle Aktionen durchzufhren, bndeln sie ihre Krfte in Verbnden und in der Zusammenarbeit mit staatlichen Ein-richtungen. Unter dem Eindruck der zu-nehmend internationalen Dimension der Produkt- und Markenpiraterie gehen die Un-ternehmen sowohl nationale als auch inter-nationale Kooperationen ein.

    Zur Aufdeckung von Flschungen fhren die Unternehmen zu 36 Prozent systema-tisch Marktbeobachtungen, Internetbeob-achtungen und Testkufe durch. Einige Unternehmen setzen in problematischen Mrkten sogenannte Markenschutzteams oder Brand Protection Teams ein. Diese Teams ermitteln und recherchieren den Ur-sprung der Plagiate unter Einsatz polizei- licher Methoden meist vor Ort. Sie knp-fen so das Netz fr die Flscher immer en-ger und machen es schwerer, Flschungen offen am Markt zu handeln.

  • 39Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Die Befragung zeigt, dass die Unternehmen die positiven Nebeneffekte der Manahmen gegen Flschungen unterschtzen (s. Abb. 21). Immerhin 30 Prozent der befragten Unternehmen sehen einen Zusatznutzen fr das Qualittsmanagement: Mit der Be-kmpfung von Flschungen wird die Anzahl der qualitativ minderwertigen Flschungen reduziert und somit das Qualittsniveau am Markt verbessert. Fr das Supply Chain Ma-

    Haben Ihre Manahmen gegen Flschungen einen Zusatznutzen fr andere Unternehmensbereiche?Abbildung 21

    Ja haben geantwortet Welcher Art ist der Zusatznutzen?

    Hheres Qualittsniveau am Markt Reklamationsmanagement

    berwachung der Lieferkette durch Tracking und Tracing

    Quantifizierung des potentiellen Schadens Vertrauen der Kunden

    Schaffen von Wettbewerbsvorteilen Markenwert durch Patentschutz

    Qualitts-management 30

    Supply Chain Management 22

    Risiko- management 19

    Produkt- entwicklung 22

    0 % 10 % 20 % 30 %n = 27

    nagement, das Risikomanagement und die Produktentwicklung sieht jeweils nur etwa jedes fnfte Unternehmen einen Zusatznut-zen. Dabei birgt der Markenschutz groe Vorteile fr das Unternehmen. Neben Wett-bewerbsvorteilen durch eine am Marken-schutz ausgerichtete Produktentwicklung wird auch das Vertrauen der Kunden in die Marke gestrkt.

  • 40 Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    5.3 Unternehmen fordern Untersttzung von Politik und Verbnden

    Wo sehen Sie weiteren Handlungsbedarf?Abbildung 22

    0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %

    Politische Ebene 79 21

    n = 27

    Verbandspolitische Ebene

    Privatwirtschaftliche Ebene

    52

    29 19 52

    33 14

    In der Pflicht Teilweise Kein Handlungsbedarf

    Welche Manahmen erachten Sie als dringend notwendig?Abbildung 23

    0 %n = 27

    Verbraucheraufklrung zu Unrechts- und Gefhrdungspotenzial

    durch Flschungen

    Erhrung der strafrechtlichen Sanktionen bei gewerblicher

    Produkt- und Markenpiraterie

    Erleichterung der zivilrechtlichen Durchsetzung

    gewerblicher Schutzrechte

    Schaffung von IP-Attachs nach US-amerikanischem Vorbild in Staaten

    wie China, Indien und Russland

    Verbesserung der Zusammenarbeit der nationalen Polizei und Zivil-

    behrden auf europischer Ebene

    70

    70

    52

    41

    33

    20 % 40 % 60 % 80 % 100 %

  • 41Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Die Unternehmen sehen beim Kampf gegen Produktpiraterie die Politik in der Pflicht (s. Abb. 22). 79 Prozent der befragten Unternehmen betrachten Plagiate als glo-bales regulatorisches Problem, das nur auf politischer Ebene gelst werden kann. Inte-ressanterweise sehen auch die verbleiben-den 21 Prozent immerhin politischen Hand-lungsbedarf. Kein Unternehmen spricht die politischen Entscheidungstrger von dieser Verantwortung frei.

    ber die Hlfte der Befragten sprechen auch den Verbnden eine wichtige Rolle zu. Immerhin 29 Prozent der Unternehmen sehen noch weitere eigene Handlungsmg-lichkeiten gegen Produkt- und Markenpira-terie, whrend 19 Prozent der befragten Unternehmen die eigenen Handlungsspiel-rume als erschpft ansehen.

    Das ist sicherlich richtig, solange es um die Eindmmung der Nachfrage geht. Hier kn-nen Unternehmen nur teilweise ohne eine Beschdigung ihres Markenwerts ihr Gesicht zeigen. Dazu bentigen Sie einen neutra-len Dienstleister nmlich Politik und Ver-bnde. Auf der Angebotsseite gibt es sowohl hausgemachte als auch regulatorische Pro-bleme. Diese knnen im Rahmen eines pro-zessorientierten Markenschutzes von den Unternehmen selbst angegangen werden.

    Wo sehen die Unternehmen die Aufgaben der Politik und der Verbnde (s. Abb. 23)? An erster Stelle steht mit 70 Prozent die Verbraucheraufklrung nach Auffassung der befragten Unternehmen die Aufgabe eines neutralen Dienstleisters. Ebenso for-dern 70 Prozent der Unternehmen, das Risiko fr Flscher durch Anhebung der

    strafrechtlichen Sanktionen bei gewerbli-cher Produkt- und Markenpiraterie zu er-hhen. Neben den Sanktionen fordern sie auch, die Durchsetzung der gewerblichen Schutzrechte zu erleichtern.

    Weniger Potenzial sehen die Unternehmen in der Position eines IP-Attachs, der als Bot-schafter fr die gewerblichen Schutzrechte eines Landes agiert und nach US-amerikani-schem Vorbild in Staaten wie China, Indien oder Russland eingesetzt werden kann. Dies wird von 41 Prozent der befragten Unterneh-men als sinnvoll erachtet. Das Schlusslicht in der Manahmen-Wunschliste der Unterneh-men bildet die Verbesserung der Zusammen-arbeit der nationalen Polizei und Zollbehr-den auf europischer Ebene. Diese Zusam-menarbeit funktioniert nach Wahrnehmung der Unternehmen bereits recht gut.

  • Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts42

    Qualitts- und Sicherheitsrisiken durch Produkt-flschungen: Das Management dieses Phnomens

    Die Ausprgungen bei Fllen von Produktflschungen sind vielfltig. So soll es beispielsweise in 2003 zu Flschungen von AMD-Athlon-XP-Prozessoren auf dem deutschen Markt gekommen sein. Diese Prozessoren sollen ber so genannte Tray- oder OEM-Ware, die aus berbestnden groer PC-Hersteller stammen, in den deutschen Einzelhandel gelangt sein. Solche Lieferungen von berbestnden sind anfllig fr das Einschleusen von Flschungen. Darber hinaus wird regelmig ber Produktflschungen in der Lebensmittelindus-trie berichtet: In 2002 wurde in London geflschter Johnnie Walker Whiskey sichergestellt, der hohe Anteile Methanol enthielt, in 2004 starben in China 13 Kleinkinder an geflschter Babynahrung.

    Im vergangenen Jahr stellte der deutsche Zoll 20 geflschte Xbox Wireless Controller in einer Lieferung aus China sicher. Empfnger sollte eine Privatperson in Deutschland sein. Ebenfalls im vergan-genen Jahr wurden im Rahmen einer Zoll-Kontrolle rund 16 Ton-nen nachgeahmte Markenschuhe in einer Lieferung von China nach Polen entdeckt. Betroffen waren vier Schutzrechtsinhaber. Darber hinaus entdeckte der Zoll bei einer Routinekontrolle eines LKWs ebenfalls rund 16 Tonnen geflschte Markentextilien. Diese Lieferung stammte aus der Trkei. Betroffen waren hier sogar 31 Schutzrechtsinhaber.

    Im Jahre 2006 stellte der deutsche Zoll insgesamt geflschte Mar-ken und Produkte im Wert von beinahe 1,2 Mrd. Euro sicher. Be-denkt man, dass die Bekmpfung der Markenpiraterie nicht originre Aufgabe des deutschen Zolls ist und dass letztlich nicht flchende-ckend ermittelt wird, kann man bei diesen Zahlen getrost von der Spitze des Eisbergs sprechen. Und auch wenn die vorliegende Studie sich ausschlielich mit Konsumgtern beschftigt, so haben andere Industrien wie zum Beispiel die Automobil-, die Flugzeugindustrie oder auch Pharmaunternehmen mit Plagiaten zu kmpfen. Das Spektrum der mglichen Schden reicht so von massiven Verm-gensschdigungen bis hin zu Gefahren fr Leib und Leben.

    Die oben skizzierten Flle bieten allerdings erste Anstze, die viel-fach vorhandenen Strukturen organisierter Kriminalitt, mit der die Markenpiraterie betrieben wird, offen zu legen. Ausgehend von den erlangten Informationen ber die Lieferungen sind diese sowohl in Richtung des Produzenten und seiner Zulieferer als auch in Rich-tung des Abnehmers und seiner Vertriebspartner zu analysieren. Nur eine vollstndige Kenntnis aller beteiligten Personen und Unter-nehmen sowie der Produktions- und Vertriebswege ermglicht eine wirkungsvolle Bekmpfung der Markenpiraterie.

    Dabei ist es bereits seit Jahren selbstverstndlich, dass die betrof-fenen Unternehmen sich bei der Bekmpfung der Markenpiraterie nicht alleine auf Zoll- oder auch Strafverfolgungsbehrden ver-lassen. Gerade global agierende Markenhersteller verfgen ber

    eigene Abteilungen zur Bekmpfung der Markenpiraterie und zur Analyse der Graumrkte. Hierzu werden die Mrkte einem Moni-toring unterzogen. Die Spezialisten bedienen sich auch spezieller Software zur Analyse des Internets oder sie nutzen auch lokale Ermittler zur Aufklrung der oben beschriebenen Produktions- und Vertriebsstrukturen.

    Die beschriebenen anlassbezogenen Analysen sollten allerdings ergnzt werden um Analysen oder besser einem Monitoring der eigenen Produktions- und Vertriebsaktivitten. Denn vielfach gibt es auch Flle, bei denen sich die eigene Vertriebsorganisation nicht an Regeln hlt und Kapazitten einer Vertriebsregion in eine andere importiert werden, um Erfolgszahlen zu schnen. Darber hinaus kann es auch vorkommen, dass im Auftrag der Hersteller produzie-rende Unternehmen berkapazitten dazu verwenden, einen eige-nen Vertriebskanal zu betreiben. In diesem Sinne empfiehlt es sich, sowohl die Prozesse und Strukturen der Produktion als auch des Vertriebs durch entsprechende Audits, die bei Partnern vertraglich vereinbart sein sollten, transparent zu halten. Diese Audits sollten sich auf die Analyse von Mengenstrmen fokussieren und knnen natrlich im Sinne eines positiven Nebeneffekts um qualitative Aspekte ergnzt werden.

    Ein sehr wichtiger Aspekt des Markenschutzes ist die Kennzeich-nung der eigenen Produkte und damit die Mglichkeit, deren Pro-duktions- und Vertriebswege nachzuvollziehen oder die eigenen Produkte sicher von Plagiaten unterscheiden zu knnen. Es gibt immer wieder Flle, in denen Kennzeichnungen in der Produktion oder auf dem Weg durch die Vertriebskette aus Effizienz- oder Kos-tengrnden unterlassen bzw. nicht fortgefhrt werden. Dies kann beim Abhandenkommen der Ware dazu fhren, dass der Verbleib nicht geklrt werden kann, was dann zu erheblichen Schden fhrt.

    Alle diese Aktivitten ntzen herzlich wenig, wenn der Marken-schutz nicht juristisch durchgesetzt werden kann. Dazu ist in der Regel zunchst deren Eintragung und in der Folge eine konsequente zivilrechtliche oder auch strafrechtliche Verfolgung von Verletzun-gen erforderlich. Das Forensik-Team von Ernst & Young (Fraud In-vestigation & Dispute Services) arbeitet bei der Aufklrung und Verfolgung von Markenpiraterie eng mit auf Markenschutz speziali-sierten Rechtsanwlten zusammen. Ernst & Young schafft dabei die Transparenz, die fr eine juristische Verfolgung von Ansprchen er-forderlich ist. Darber hinaus untersttzt Ernst & Young Sie bei der Ausgestaltung Ihrer Aktivitten zum Schutze Ihrer Marke.

    Dr. Stefan Heiner Lead Partner Fraud Investigation & Dispute Services

    Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

  • Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

  • 44 Ernst & Young Piraten des 21. Jahrhunderts

    Ein Vergleich unserer Befragungen von Unternehmen und Verbrauchern zeigt den unterschiedlichen Stellenwert einiger Pro-duktmerkmale (s. Abb. 24).

    Die Abbildung stellt die Bedeutung ver-schiedener Produktmerkmale aus Unter-nehmenssicht der Verbrauchereinschtzung zur Bedeutung der Merkmale bei Original und Flschung gegenber. Dabei kennzeich-net die Sulenhhe die Bereitschaft der Kunden, beim Kauf von Flschungen Abstri-che im Vergleich zum Original zu machen.

    Qualitt ist sowohl fr Verbraucher als auch fr Unternehmen ein wesentliches Merkmal einer Marke. Wegen mglicher Verarbei-tungsmngel oder minderwertiger Qualitt der verwendeten Rohstoffe ist es fr den Verbraucher offensichtlich, dass er bei Fl-schungen Abstriche in Bezug auf die Quali-tt machen muss. Dies erklrt die Hhe der Sule.

    Markenwerte wie Innovation, Herkunft, Emotion, Prestige und Tradition sind fr die Unternehmen von grerer Relevanz

    als fr die Verbraucher. Betrachtet man die geringe Sulenhhe, erkennt man zudem, dass Verbraucher diese Kernmarkenwerte auf die Flschung bertragen. Dies gilt nicht fr die Herkunft.

    Interessanterweise sind Merkmale in Bezug auf Sicherheit und Ethik fr den Verbrau-cher von hoher Relevanz. Bei den Unterneh-men scheinen diese eher als Hygienefaktor und damit geringer gewertet zu werden. Die Hhe der Sulen zeigt, dass der Ver-braucher vielfach bewusst beim Kauf von Flschungen auf diese Merkmale verzichtet. Dies, obwohl er sich der vielfach kriminellen Hintergrnde von Herstellung und Vertrieb der Flschungen bewusst ist.

    Eine Prioritt beim Markenschutz sollte also die strkere Darstellung der krimi-nellen und unethischen Hintergrnde von Flschungen einerseits und die strkere Betonung der gegenteiligen Aspekte beim Original andererseits sein. Das ist ein erster Schritt, um die Nachfrage von Flschungen einzudmmen.

    6.1 Markenwerte mssen kommuniziert werdenDie befragten Unternehmen bekmpfen Flschungen bislang berwiegend mit punktuellen Aktionen. Dies gilt sowohl fr die organisatorische Verankerung im Un-ternehmen als auch fr die Manahmen in den einzelnen Abteilungen. Fr einen erfolgreichen Schutz der Marke vor Fl-schungen sollten zwei Manahmen inten-siv verfolgt werden: Erstens sollte man den Verbraucher strker ber die Nach-teile von Flschungen und die Vorteile der Marke informieren. Zweitens sollten die punktuellen Aktionen zu einem umfassen-den Prozess verbunden und in das Risiko-management eingebunden werden. Nur so kann sichergestellt werden, d