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Pizichi, oder: Fortsetzung, Kaspars des Fagottisten von Joachim Perinet

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Pizichi, oder: Fortsetzung, Kaspars des Fagottisten

von Joachim Perinet

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PIZICHI, ODER:

FORTSETZUNG, KASPARS DES FAGOTTISTEN

Ein Original-Singspiel in drey Aufzügen mit Maschinen und Flugwerken,

von Joachim Perinet

1792

[III]

Aus

DANKBARKEIT DEM BESTEN PUBLIKUM

gewidmet. [V]

Verehrungswürdigste! Ich habe den ersten Theil1 meines Fagottisten dem Biedermanne2 gewidmet, der mir die neue Laufbahn öfnete, und mir seine Schultern lieh, um Schwung zum ersten Fluge zu bekommen; ich widme den zweyten Theil desselben dem Publikum, das meinen ersten Ausflug, in dieser Gattung, so äußerst gütig aufnahm, und mir Muth machte, ja sogar, wenn ich so vielfältigen Aufforderungen nicht beleidigend mißtrauen soll, den Wunsch äußerte, den zweyten Flug in die oberen Sphären von mir gemacht zu se-hen. Mein guter Freund Dädalus hat mich die Kunst gelehrt, nicht zu schnell, nicht zu hoch, und nicht zu oft zu fliegen, sein Rath war mir Gesetz, seine Praktik Richtschnur, seine Freundschaft Schwung und Kraft, und so denk ich dem Schicksale des Ikarus so ziemlich auszuweichen, wenn ich mich gleich fern von der Sonne, und von dem Wasser halte; das heißt, wenn meine

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Schreibart weder überspannt, noch wässerig und niedrig wird. Der nicht gemeine, und ich darf es, ohne Stolz, wohl sagen, ungemeine Beyfall, den ich als Fagottist bey dem ersten Ansatze erhielt, läßt mich hoffen, daß das neue Stückchen, und die Variationen, die ich dar-auf spielen werde, dem Publikum nicht mißfallen sollen, wenn ich nicht zu unfähig bin, mich gleich jedem anderen Schüler, in der Kunst perfectionirt zu haben, oder nicht so unglücklich war, Ihren Ge-schmack diesmal zu verfehlen, oder vielleicht gar ein Stümper in meiner guten Laune geworden zu seyn. Da ich nun aber das Glück, das mein erster Theil machte, nicht eitel genug war, vorauszusehen, so fiel mir nicht bey, im voraus an einen Zweyten zu denken – und nur der Wunsch des Publikums, dessen Wink mir jederzeit Befehl ist, hat mir Muth gegeben, den Faden wieder anzuknüpfen,

1 Der / Fagottist, / oder: / die Zauberzither. / Ein Singspiel in drey Aufzügen / von / Joachim Perinet. / Die Musik ist / von / Hrn. Wenzel Müller, / Kapellmeister dieses Theaters. / Wien, gedruckt bey Mathias Andreas Schmidt, 1791. 2 d. i. Karl von Marinelli (1745-1803), der während Perinets erstem Engagement am Leopoldstädter Theater dieser Bühne als Direktor vorstand.

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[VII]

und es steht zu erwarten, ob mein Kopf so glücklich war, nach seinem Geschmacke zu erfinden und auszuführen, als es mein Herz wünscht und – hoffet – Die Zukunft und Ihr Beyfall wird entscheiden, ob ich fähig gewesen bin, mit gleicher Laune fortzuarbeiten, und ob mein zweyter Theil in Ihnen den Wunsch zu einem dritten – und zu Ihrem Troste sey es gesagt! – letzten Theile erregt. Von dem Verfasser

Joachim Perinet, Theaterdichter und Mitglied des Marinellischen Thea-ters.

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PERSONEN.

ARMIDORO, Prinz von Eldorado. Hr. Bondera.

KASPAR BITA, sein Begleiter. Hr. La Roche.

SIDI, Armidoros Geliebte. Mdlle. Sartory.

PALMIRE, ihre Vertraute. Mdlle. Trautmann.

PERIFIRIME, die strahlende Fee. Madame Baumann.

BOSPHORO, ein Zauberer. Hr. Pfeiffer.

ZUMIO, sein Diener. Hr. Baumann d. jüngere.

PIZICHI, ein männlicher Genius. Johann Handel.

RULLA, ein weiblicher Genius. Mdlle. Marinelli.

HULDA, Königinn des Eichenwaldes, Mad. Hensler. und der umliegenden Gewässer.

JUTA, eine Dryade3. Mdlle. Martini.

TERRAMONTANO, Berggeist. Hr. Baumann der ältere.

THERBA, dessen Gefangene. Mdlle. Gottlieb.

LINDAMINE, ihre Gesellschafterinnen. Mdlle. Schmidt.

KIAMA, Mdlle. See.

BUZEPHAGEL, Terramontanos verwunschener Hr. Hasenhuth. Hofnarr.

Geister des Terramontano.

Perifirimens Genien.

Huldens

Dekorationen und Kleidungen sind neu dazu verfertiget worden.

3 Dryade| von ‹lat. adis› Baum- oder Waldnymphe, die in einem Baum wohnt und mit ihm lebt wie stirbt (LDHW)

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ERSTER AUFZUG.

Erster Auftritt.

Das Theater ist eine gebirgigte [!] Gegend, worauf ein Eichenwäldchen. In der Mitte ein großer Berg. Man hört ein unter-irdisches Sausen- und Brausen. Terramontanos GEISTER klimmen von verschiedenen Seiten den Berg hinan, und tragen ihn stückweise ab, bis man endlich BOSPHORO und ZUMIO noch am Tische in eben der Stellung unbeweglich erblickt, in

der sie versunken sind. Flammen wirbeln empor.

GEISTERCHOR.

Seht wie die Felsen zersplittern, Fühlet die Tiefen erzittern, Traget den Gygas-Berg4 ab. Terramontano gebiethet, Hört ihr, wie schrecklich er wüthet? Oefnet das duftende Grab!

[10]

Hier wo die Flammen auflodern Hier unten, Brüder! da modern Freunde des Zauberers über ein Jahr. Perifirime ließ beyde bestrafen Sollten der Jahre dreyhunderte schlafen, Weil sie die Feindinn von Bosphoro war.

Hört ihr im Berge das Sausen? Hört ihr im Walde das Brausen? Terramontano gebeut! Wälzet die rollenden Steine, Bis wir der beyden Gebeine, Oder sie lebend befreyt.

Arbeitet, arbeitet weiter! Seht nur, die Oefnung wird breiter, Hu! hu! hu! und Ho! ho! ho! Bosphoro und Zumio!

(Man erblickt Bosphoro und Zumio am Tische. Terramontano, steigt von der Erde auf.)

Zweyter Auftritt.

TERRAMONTANO. Seine GEISTER. (fallen vor ihm nieder)

[TERRAMONTANO.]

Wacker habt ihr euch gehalten: Halft mir treu die Felsen spalten, Kriegt auch euren Menschenschmaus Obligirt! und geht nach Haus.

4 Gygas-Berg| Gigas – Riese, Gigant; hier vermutlich gigantischer Berg (PUL)

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GEISTER.

Herr! du hast uns zu befehlen. Menschen retten, Menschen quälen, Gilt uns alles Einerley: Mord und Tod ist Kinderey. Will an dir sich wer vergreifen, Darfst du nur um Hülfe pfeifen, Jeder Geist ist ja dein Kind? – Laß nur deine Winde gehen, Laß sie brausen, laß sie wehen, Jeder kennet deinen Wind.

Die Geister ab.

Dritter Auftritt.

TERRAMONTANO berührt BOSPHORO und ZUMIO, die mit Erstaunen erwachen, sich die Augen reiben u. s. w. Zu-mio leert seinen am Munde haltenden Becher, und greift nach den Speisen. Bosphoros Bart ist halb weiß, halb roth.

BOSPH[ORO]. Götter! wo war ich? –

ZUMIO. Ich hab’ ein solches Drucken, als ob ein ganzer Berg auf mir gelegen wäre. (auf Terramontano) Das ist gewiß der Tracteur5 von der Gegend, weil er das Kuttelkraut6 um den Leib hat.

BOSPH[ORO]. Schweig!

TERRAMONT[ANO]. Ich bin Terramontano.

ZUMIO. (zu Bosph.) Herr! das ist ein wälscher Koch; da werden wir wenig zu freßen bekommen.

TERRAMONTANO. (schlägt ihn auf den Bauch) Schweige Dickwanst!

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ZUMIO. Mein Bauch hat ohnehin nichts gesprochen, er kann nur stille Seufzer lassen, daß die Speisen kalt, und die Semmeln steinhart geworden sind.

TERRAMONT[ANO]. Ihr seyd bereits über ein Jahr unter der Erde, und meine Macht hat euch Tag für Tag um eine Klafter höher gezogen.

ZUMIO. (seinen Herrn näher betrachtend) Da waren wir also im tiefen Keller, und über ein Jahr? – He! he! he! – Darum hat sich euer Bart schon zur Hälfte gebleicht.

BOSPH[ORO]. Willst du schweigen? (er greift darnach)

ZUMIO. Seyd unbesorgt: ich rupfe ihn euch bey Gelegenheit wieder aus. (er rupft ihm ein weißes Haar aus, und zeigt es ihm) Da seht!

TERRAMONT[ANO]. Wenn du nicht bald schweigst, so laß ich dich unter meine Kapaunen7 stecken.

ZUMIO. Warum nicht Herr! wenn ihr wollt, daß die Pest und der Würgengel8 unter sie kömmt?

TERRAMONT[ANO]. (berührt ihn, und er bleibt in der Stellung des Kragenumdrehens unbeweglich stehen.) Ich bin Terramontano, und komme, dich zu retten, da Perifirimens Macht diese 24 Stunden unthätig ist. Von der Qual der 300 jährigen Strafe erlöse ich dich, wenn du mir versprichst mir Sidi zu überlas-

5 Tracteur| Speisewirt; Wirt bei dem man gegen Bezahlung speist (GKWB) 6 Kutte lkraut| im österreichischen Raum Bezeichnung für Thymian, Gewürzpflanze (GKWB) 7 Kapaunen| Kapaun – kastrierter Haushahn, Masthahn (PUL) 8 Würgenge l| eine der zehn Plagen der Ägypter; jener Engel, den Gott sendete, um in der Nacht die Erstgeborenen der Ägypter zu töten (PUL)

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sen, die mit ihrer Mutter und ihrem Bräutigam nach Utopia reiset, den Prüfungstempel zu besu-chen, und mir zuschwörst, Armidoren mit mir zu verderben, dazu mir dein Feuerstahl höchst nöthig ist.

[13]

BOSPH[OR]. Gütiger Terramontano – du weißt, er ist verloren.

TERRAMONT[ANO]. Und wird nun wieder dein eigen, wenn Sidi und Armidoro einander entsagen. – Ich opfere dir dafür Therben auf. Ein Mädchen wie ein Engel, die ich in ihrer Kindheit rauben ließ, und für mich erzog. – Sie darf vor ihrem Zwanzigsten nach dem Ausspruche Solnias keinen Mann se-hen, und du kannst dir leicht denken, daß ich in meinem Alter ihr alsdann nicht mehr behagen wer-de?

BOSPH[ORO]. (falsch) Wohlan! – Hilf mir nur erst den Stahl erobern (leise) dann lach ich deiner.

TERRAMONT[ANO]. Perifirime geleitet sie nur bis an mein Gebiete – Nun so komm Kammerad der Rache und der Liebe, um dich an meiner Tafel zu erhohlen.

ZUMIO. (erwacht von selbst) Wenn sie erlauben, ich werde von der Partie seyn.

TERRAMONT[ANO]. (lächelnd) Kerl! bey dir ist meine Zauberey vergeblich, wie ich sehe.

ZUMIO. So bald ich vom Essen sprechen höre.

TERRAMONT[ANO]. Nun, so kommt, und dann laßt uns Hulden, die Königinn des Eichenwaldes und der Gewässer, mit in unser Komplot ziehen, um ihnen die Rückreise zu erschweren. (Bosphoro schlägt ein.)

ZUMIO. Nein Herr! da laßt mich aus – mit einer Wassergöttinn mach’ ich keine Bekanntschaft.

TERRAMONT[ANO]. Kommt, denn Sidi und Palmire nähern sich durch meine Zaubermacht.

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ZUMIO. Palmire? Palmire? – Ach Herr! da muß ich mich ja vorher stärken. (zu Bosphoro) Pfuy Teufel! mit euch sieht es abscheulich aus. Ihr habt weder Stahl noch Zunder. – Hättet ihr jetzt den Feuer-stahl, so wären wir geborgen. – Traurig genug, daß ihr dessen beraubt seyd. (ab hinter das Gebirge.)

Vierter Auftritt.

Der Sturm erhebt sich wieder. SIDI kömmt in wilder Unordnung mit fliegendem Haare, und von dem Sturme verrissenem Gewande über die Berge.

Aria.

[SIDI.]

Armidoro! – Ach, Palmire! Sidi wandert in der Irre. Gütige Perifirime! Hör auf deiner Tochter Stimme, Blicket Götter auf mich nieder Die der Sturm jagt hin und wieder! Er sträubt mir das Haar empor, Und zerreißt den Busenflor. Wie der Eichen Wipfel beben! Ach! ich zittre für mein Leben, Ha! die Berge stürzen ein – Hört mein Rufen, hört mein Schreyn, Soll ich hier begraben seyn!

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(Sie schwankt an eine Eiche hin)

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Fünfter Auftritt.

PALMIRE über das Gebirge fliehend. SIDI.

PALM[IRE]. Wer rettet mich! – Kaspar! Sidi! Perifirime! – Pizichi! – wo bist du?

SIDI. (am Baume) Welche Stimme! – (ihr entgegen eilend) Bist du es Palmire.

PALM[IRE]. Sidi! (sie umarmend) Ein gütiger Wind treibt mich zu dir her. (Der Wind und das Brausen legt sich.)

SIDI. Wo ist Armidoro, wo ist meine Mutter?

PALM[IRE]. Die hat gewiß der Wind vertragen.

SIDI. Du kannst noch scherzen? –

PALM[IRE]. Sie sehen ja, daß es nur ein gemachtes Wetter war. Vielleicht bekommen wir jetzt einen Windmacher zum Geliebten, denn man muß alle Sorten kennen lernen.

SIDI. Ach! Armidoro! wann werd ich dich wieder sehen!

PALM[IRE]. Ach! Kaspar, wann werd’ ich dich wieder blasen hören! – Ach Pizichi, wenn du keine fal-schen Flügel hast, so fliege herzu uns zu retten.

(Aus der mitteren [!] Eiche erscheinen zwey Hände mit Lilien: der Körper ist unsichtbar.)

JUTA.

„Nehmt diese schönen Lilien, Sie werden nimmermehr vergehn, So lang ihr werdet keusch und rein Wie diese weißen Blumen seyn, Sonst welken sie und dorren ein.[“]

(Sidi und Palmire nehmen erstaunt die Blumen. Die Dryade zieht die Hände ein.)

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SIDI. Danke dir, unsichtbares Wesen!

PALM[IRE]. Ein schönes Präsent! – Nicht genug, daß wir an uns selbst genug zu hüten haben, sollen wir auf die Lilien auch noch sehen? – Laß doch probiren, wie die Patroninn aussieht, (Sie umgeht den Baum mit Sidi.)

SIDI. Sie hat sich unsern Augen entzogen, um uns den Dank zu ersparen.

PALM[IRE]. Wahrscheinlich, denn so kann auch nur ein geistiges Wesen sprechen: und daß sie nur die Hände sehen ließ, ist ein Beweiß, daß es auch unter den Geistinnen Koquetten giebt. Ach! wie oft ist nicht die Hand das Schönste bey einem Frauenzimmer!

SIDI. Schweige, du beleidigst unsere Wohlthäterinn.

Sechster Auftritt.

Terramontanos Geister in verschiedenen komischen Larven. SIDI, PALMIRE stossen einen Schrey aus. Die GEISTER

werfen sich vor ihnen nieder, und winken, ihnen zu folgen.

SIDI. Ach Palmire! – Sind wir denn am Eingange der Hölle? – Was sollen wir thun?

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PALM[IRE]. Ach du gerechter Richter! Was sind das für wilde Gesichter! (Die Geister winken und drohen)

Die Stimme Huldens ruft: Folgt!

SIDI. Es sey! – Ach Pizichi stehe mir bey!

PALM[IRE]. (zu dem mir der langen Nase) Komm! du sollst mein Chapeau9 seyn, damit ich nicht falle.

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(Sie hält sich an seine Nase) Wohin führst du uns? … Bist du stumm? (er deutet ja) Brav! du wirst ein ge-fälliger Ehemann werden. (Sie werden unter vielen Komplimenten abgeführt.)

Siebenter Auftritt.

ARMIDORO, KASPAR BITA.

(Der Wind stürmt wieder, wie zuvor. Man hört aus der Ferne Fagott und Zither)

Duetto.

Armidoro. Kaspar.

ARMIDORO.

Hier bey diesem Ungewitter Klaget Armidorens Zither, Trauertöne weh und laut Um die ihm geraubte Braut.

KASPAR.

Ach, Palmire! bey den Winden Mag dich auch der Teufel finden: Und bey dieser Angst und Noth Brummt vor Galle mein Fagot.

BEYDE.

In der Gegend muß sie seyn.

(Ein Papagey sitzt auf dem Baume, und schreyt dazu)

Herein! herein!

BEYDE.

In dem Berge muß sie seyn.

KASPAR. So möcht’ ich doch nur wissen, wo denn die unsichtbare Kammerjungfer ist, die uns herein gerufen hat? – Jetzt hat der Teufel den Pizichi auch gehohlt! –

ARMIDORO. Siehst du denn nicht, daß es ein Papagey war? (er zeigt ihm denselben)

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KASPAR. (einen Stein aufhebend) Ey, du Mistvieh, du abscheuliches! (Der Papagey verbirgt sich und lacht.)

ARMIDORO. Laß ihn! –

KASPAR. Guter Freund Paperl! kann er mir nicht sagen, ob seine Herrschaft zu Hause ist? – He? – Der kömmt mir auch so vor, wie ein Portier oder ein Bedienter: wenn man ihnen nichts in die Hand druckt, so kriegt man keine Auskunft.

9 Chapeau| ‹phon. schapo› Herr, Liebhaber, Begleiter (MGKL, AW 152)

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ARMIDORO. (zum Papagey, der wieder aufsitzt) Sage mir gutes Thier, werd ich hier Sidi finden?

PAPAGEY. „Nur herein!“

KASPAR. Ja richtig, gnädiger Herr Prinz! da drinnen ist’s, und der Paperl ist ihr Extramadel, denn die Frauenzimmer plaudern gern.

ARMIDORO. Schweige! – Nun, so komm, goldene Zither! und stärke meinen Muth!

Aria.

ARMIDORO.

Gute Zither! deine Töne, Trauren zärtlich, so wie ich! Ach, und meine heiße Thräne, Rollet, Sidi! nur um dich. Hilf mir, liebe Zither! klagen, Armidoro trauet dir, Mit der Zither will ich’s wagen Bleibst du gute Zither mir. Wäre sie in Höllenschlünden Bebte nimmer doch mein Fuß,

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Sidi würd’ ich dort auch finden Als ein zweyter Orpheus. Muthig muthig! nur hinein Sidi muß befreyet seyn.

(Ab zwischen das Gebirge, mit Kaspar, der noch einige Erdschollen auf den Papagey wirft.)

Achter Auftritt.

Der Papagey verschwindet, und PIZICHI steigt vom Baume und lacht.

[PIZICHI.] Ha! ha! ha! – Geht nur, ihr habt schon den rechten Weg. – Pizichi hat euch nicht verlassen. – Aber nun Pizichi, zeig einmal, daß du kein Kind bist, ziehe die Kinderschuhe aus, und versuche dein Glück, ob du was bey Weibern vermagst. Suche Hulden, die Königinn des Eichenwaldes und der Gewässer für deine Lieblinge zu gewinnen.

(Er schlägt an den umgehängten Feuerstahl: ein starker Wind schüttelt die größte Eiche, die an der Spitze eines Berges steht, sie theilet sich, und Hulda tritt aus derselben. Pizichi legt sich unter einen Baum, und scheint zu schlummern, Rul-

la steht neben Hulden.

Neunter Auftritt.

HULDA. PIZICHI und JUTA.

HULDA. Welcher unheilige Sturm wagt sich an meine Eiche? – – (sie streckt ihre Lilie aus, der Wind schweigt) Ist keine meiner Schwestern

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zersplittert? (Sie geht mit Rullen den Berg hinunter, und berühret Jutens Baum, die vortritt.)

JUTA. Gnädigste Gebieterinn!

HULDA. Wie steht es um euren Wald? –

JUTA. Wohl und gut. Besser als mit den Fremdlingen, die darinn hausen.

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RULLA. (zupft Hulden) Sieh doch Hulda, sieh den schönen Knaben, der dort unter dem Baume schlum-

mert!

JUTA. Ja wohl! – Laß uns ihn wecken

HULDA. Irr ich, oder seh ich recht? – Ist das nicht Perifirimens Pizichi.

RULLA. Er ist es! (mit Freuden in die Hände klopfend)

JUTA.

RULLA. (bittend) Darf ich ihn wecken? (zu Hulda.)

HULDA. Thue es! – (Rulla weckt ihn schüchtern. Pizichi erwacht, reibt sich die Augen, und fällt auf seine Kniee.)

PIZICHI. Göttinnen, Engelinnen, oder Zauberinnen! wer ihr seyd! erbarmet euch eines armen Findel-kindes, das seine Ziehältern verlohren hat, die sich nun in der Zauberer Macht befinden.

HULDA. Schweig Pizichi, ich kenne dich, und will, so viel ich kann, deine Lieblinge schützen. Komm und ruhe bey mir aus. Ich weiß nun alles. –

JUTA. Wie der Wind seine Locken zerzauset hat!

RULLA. Hast du dir kein Flügelchen gebrochen?

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PIZICHI. (mit Rullen liebäugelnd) (zu sich) Fasse Muth Pizichi! Das Ding beginnt nicht übel.

Aria.

PIZICHI. (indem er allen schmeichelt, die sich zu ihm hinkauern, und ihn liebkosen.)

Mädchen, schönen Engeln gleich, Nehmt mich auf, erbarmet euch! Seht den kleinen Pizichi. Nimmt mich diese, oder die? Wählt nicht lange, ich bin frey, Wählt mich lieber alle drey. Du gefällst vor allen mir (zu Rulla) Tausend Künste zeig ich dir, Pizichi ist ein Genie, Ein Genie ist Pizichi.

(Sie führen ihn liebkosend ab auf Huldens Berg.)

Zehnter Auftritt.

Das Theater stellt eine dunkle Höhle vor. BOSPHORO, TERRAMONTANO und ZUMIO, der sich zwey große Säcke mit Eßwaaren umgehangen hat.

TERRAMONT[ANO]. Nun da sind wir. Ich glaube, es wird finster genug seyn, um Hulden ein Rendez-vous zu geben?

ZUMIO. Man könnte sich einander ins Maul greifen, wenn wir keinen Bosphoro bey uns hätten.

BOSPH[ORO]. Schweige Narr! – Ich begreife nicht Terramontano, wie du so ruhig und so munter seyn kannst?

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TERRAMONT[ANO]. Es ist schon meine Art so, und überdem bin ich das Zauberwerk gewohnter als du. Sey ohne Sorge. Laß uns nun Hulden beschwören!

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ZUMIO. Mir mag geschehen, was da will. Dießmal bin ich besser versorgt. Ein Maulesel kann nicht

schwerer tragen. (Er frißt aus den Säcken)

TERRAMONT[ANO]. Profaner! Lege deinen Vorrath ab.

ZUMIO. Ehe mein Leben.

TERRAMONT[ANO]. Gehorche, oder! – – (er thut es) Und nun trete in diesen Kreis. (Er zieht den Windling von seinen Lenden, und formiret um Zumio einen Kreis. Die Säcke liegen ausser demselben.)

ZUMIO. Pfuy Teufel Herr! ihr zieht euch ja die Därme aus dem Leibe? (er greift mit dem Fuß nach dem Sack.)

BOSPH[ORO]. Wo du ein Wort während der Beschwörung verlierst, so bist du des Todes.

(Bosphoro und Terramontano machen Zeichen. Jener hält Kräuter, Bosphoro eine Schachtel in den Händen. Ein großer Kessel mit unterem Feuer steigt auf. Zumio macht einen langen Hals.)

Duetto.

Bosphoro und Terramontano.(Indem sie die Ingredienzen hineinwerfen.)

BOSPH[ORO].

Höre Göttinn der Gewässer! –

TERRAM[ONTANO].

Halt das Maul! ich kann es besser, Höre Königinn des Waldes, Willst du Warmes oder Kaltes?

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BOSPH[ORO].

Willst du weißen Teufelsquark? Oder schafst du Menschenmark?

TERRAM[ONTANO].

Jungfernmilch und Schneckenblut, Und gebratnen Schnee auf Glut, Grünen Windling, Kutelkraut?

BOSPH[ORO].

Oder junger Schlangen Haut?

ZUMIO.

Br! br!

BEYDE.

Rodle, rodel! Brodle, modle Dich zu der Erscheinung um. Sprudle, sprudle, Sudle, sudle Rühr das Trankel um und um, Walle, walle Zisch und knalle, Hitze, hitze Kessel schwitze,

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Schäumest du hübsch rein und klar Ist die Kräutersuppe gar.

(Der Kessel versinkt. Hulda erscheint.)

Eilfter Auftritt.

HULDA. Vorige. ZUMIO äußert sein Wohlgefallen an Hulda.

HULDA. Wer ruft mich?

TERRAM[ONTANO]. Ein Exzauberer und dein Schulkamerad.

HULDA. Ich kenne euch, besonders dich Terramontano, der du leichtsinnig genug bist, durch eitel Spaß die schlechtesten Streiche zu begehen.

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TERRAM[ONTANO]. Ich deprecire gehorsamst. –

HULDA. Und auch dich Bosphoro, dessen Herz so schwarz als sein Bart roth ist, auch dich kenn ich nur zu gut.

BOSPH[ORO]. (indem er auf die weiße Seite desselben greift) Ich habe mich gebessert, wie ihr seht.

HULDA. Genug. Ich vertheidige keine ungerechte Sache. Ich kann nichts gegen das Schicksal, und dar-um will ich Sidi und Armidoren, nur in so weit beschützen, als ihr ihnen mit Gewalt zusetzen wol-let.

TERRAMONT[ANO]. (heuchelnd) Wie kannst du das von einem so eingezogenen Jüngling denken?

BOSPH[ORO]. (eben so) Ich bin ja ganz ohne alle Macht.

HULDA. Ja, ich will euch sogar nicht entgegen seyn, so lang ihr selbst untereinander nicht uneinig seyd. Wollt ihr, so kommt und schwört mir im Innern meiner Höhle auf beydes.

BOSPH[ORO]. Ich bin bereit – (für sich) falsch zu schwören!

TERRAM[ONTANO]. Der Himmel ist mein Zeuge! wie falsch ich denke! (zu sich)

HULDA. Nun, so kommt! (zu Zumio) Du bleibst indessen hier im Kreise, bis wir wieder kommen, oder weibliche Teufel sollen dich quintelweise zerreissen.

ZUMIO. Ach! nur keine weibliche Teufel, die sind zehnmal ärger als die männlichen.

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TERRAM[ONTANO]. (mit Karricatur) Gehe voraus, mächtige Hulda, du bist eine größere Hexe, und wir sind arme Teufel gegen dich. (Er und Bosphoro folgen)

Zwölfter Auftritt.

ZUMIO allein im Kreise.

[ZUMIO.] Nun, da bin ich sauber einloschirt! – Ich habe just so viel Platz zum spatzieren gehen, als ein Ochs in einem Bräuhause. – – – Da ists ja so finster, wie in einem Guck in’s Loch? … So allein, und nichts zu essen, wenn ich nur eine Ansprache hätte! … (Es wird lichter) Wohl mir!

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Dreyzehnter Auftritt.

JUTA von der anderen Seite. ZUMIO im Kreise.

ZUMIO. (in äußerster Bewegung) O Erde, o Wasser, o Luft, o Feuer! – Nun kann ich nicht länger – ich muß aus dem Kreise, oder ich ermorde mich selbst, wie der Skorpion, wenn er Kohlen fühlet.

JUTA. (ihm winkend) Komm doch einmal näher!

ZUMIO. Ach! – ich darf nicht – Komm du zu mir. Wir haben Platz.

JUTA. Wie nennst du dich?

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ZUMIO. Sonst Zumio, aber jetzt ein Göttersohn.

JUTA. So muß Bachus10 dein Vater seyn.

Aria.

JUTA. (koquettirend)

Dicker Jüngling, liebst du mich? Sage ja; ich liebe dich. Komm ein wenig her zu mir, Scherzen möcht’ ich gern mir dir. Weil du dick und herzig bist Komm doch Lieber! Pst! pst! pst! Dieses Mündchen ladet ein – Wie kannst du so schläfrig seyn? Lieber Zumio! ach! ach! Liebst du mich, so folg mir nach.

(Sie lacht ihn schelmisch an und läuft fort)

ZUMIO. (allein) Das heiß ich eine Versuchung. – Da sieht man, was ich für ein Held bin. – Aber Zumio hat auch Muth – er wär im Stand, es mit allen Ungeheuern der Welt und der Hölle aufzunehmen.

(Die Geister erscheinen in ihren Larven und einige wilde Thiere, die ihm seinen Vorrath auffressen; und ihn necken. Zumio schreyt gewaltig, sie entfliehen.)

Vierzehnter Auftritt.

ZUMIO auf der Erde. BOSPHORO. TERRAMONTANO.

TERRAM[ONTANO]. Was ist das für ein Lärm? – Wird hier jemand abgestochen?

[27]

ZUMIO. Abgestochen nicht, aber erschreckt, in Versuchung geführt, und aufgefressen.

BOSPH[ORO]. Dummkopf!

TERRAMONT[ANO]. (lachend) Warum bist du aber auch so ein fetter Bissen? – (er hebt den Kreis auf) Geh!

BOSPH[ORO]. Du bist ein rechter Hasenfuß.

ZUMIO. Herr! wenn ihr Thiere halten wollt und Mädchen, so gebt den ersten etwas zu fressen, und den letzteren etwas zu lieben, daß sie ehrliche Leute nicht anpacken.

10 Bachus| Gott des Weines (HCL)

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TERRAMONT[ANO]. (lachend) Ich danke für die Lektion Dickwanst. – Komm, ich will deine Säcke wieder

füllen. Es ist Zeit zu kabaliren11.

ZUMIO. Brav Herr! Ihr geht auf Kabalen aus, und dazu laß ich mich brauchen. (Er küßt Bosphoro den Bart, und Terramontano den Windling und ab)

Fünfzehnter Auftritt.

Veränderung in Terramontanos Garten. Viele Kürbisse liegen herum, worunter ein besonders großer hervorragt.

KASPAR. ARMIDORO. Im Grunde eine Terasse.

KASP[AR]. Sakerlot Herr! der Paperl hat Recht. Da riechts wie in einer Apotheke, oder viel mehr wie bey einem Frauenzimmer – Da muß Sidi und Palmire wohnen.

ARMID[ORO]. Dummkopf! Fühlst du nicht den Geruch der Hyazynthen, Rosen und Orangen? –

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KASP[AR]. Richtig Herr Prinz! Mit Dorantschen hat Palmire immer ihre Haare eingeschmiert, und das hab ich nicht leiden können, so gern ich sie sonst gerochen habe.

ARMID[ORO]. Schweige, und laß uns lieber unsere Instrumente versuchen, ich will auf der Zither ein Liedchen schlagen.

KASP[AR]. Larifari!12 Was hilft das Schlagen. – Unsere Mädeln hat der – Herr sey bey uns! gehohlt! – Perifirime mag mir auch die wahre seyn! – Einmal für allemal, mit Hexen sollt ihr euch nicht abge-ben.

ARMID[ORO]. Schurke! – Komm und folge meinem Beyspiele! (Er greift in die Zither, Kaspar bläst Fagott. Sidi und Palmire erscheinen im Hintergrunde. Armidoro und Kaspar wollen nach, und werden von einer Dryade in Teufelsmaske aufgehalten, Kaspar schreyt. Sidi und Palmire verlieren sich.)

JUTA. Halt!

KASP[AR]. Herr Prinz! Kommt mir zu Hülfe! – Seht ihr hier die alte Wahrheit bestätigt, daß sich die Schönen am Ende in Teufel verwandeln?

JUTA. (nimmt die Larve ab) Bin ich ein Teufel? –

KASP[AR]. Beym Teufel! Mich soll er hohlen, wenn du ein Teufel bist. (will sie herzen)

ARMID[ORO]. Laß mich!

JUTA. Bleibt. Es ist eitel Blendwerk.

KASP[AR]. Wißt ihr noch, wie wir voriges Jahr auf dem Berge Verstecken gespielt haben? – Die nämli-che Komödie! –

[29]

ARMID[ORO]. Laß mich! – (zu Juta) Vielleicht bist du selbst nur Blendwerk! (er reißt sich los, und hängt eine Armschleife auf den Baum) Sidi, wenn ich dich verfehle, Armidoro war hier! – Folge mir Kaspar.

KASP[AR]. Herr! ich kann nicht. – Was der Teufel einmal in den Klauen hat, das läßt er sobald nicht aus.

JUTA. Geh, deine Liebkosungen sind mir zu stark. – Ich wollte euch nur vor Terramontano warnen, und – – – ich darf nicht weiter reden. (Sie verbirgt sich in den Baum: Kaspar geht um und um, sucht überall, und steigt endlich hinauf)

11 kaba l i ren| von ‹franz. cabaler› intrigieren, Ränke schmieden 12 Lar i far i !| nichts da, Unsinn!; leeres Geschwätz, Gerede (WMa 518)

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15

[KASPAR.] Wo ist denn der schöne Teufel hingekommen? – Lieber, süßer, goldner Baum, öfne dich! –

(er fällt herunter) Das war ein Korb, soviel ich merke. – Ich gebe dir meinen Fluch, abscheulicher Baum! Du sollst in Hinkunft verdorren. – Mein Herr ist fort – Wenn mich Palmire liebt, so mag sie mich hier suchen. – Wenn ich an die vergangene Zeit denke, so möcht ich Baumöl weinen. Komm her, du lieber Fagott, und erinnere mich an die vergangene Zeiten.

Deutscher Tanz.13

[KASPAR.]

So komm, du mein herziger lieber Fagott, Du halfst mir im vorigen Jahr aus der Noth. Sag mir, wie gehts dir denn? Blast du denn noch so schön? – Ja vormals da tanzten die Madeln noch drein, Doch jetzt tanzt und blast sich der Kasper allein.

[30]

(Man hört einen Fagott akkompagniren)

Ey! hohl mich der Geyer! was soll denn das seyn? Da blast mir schon wieder ein anderer drein. Tausend! was ist denn das? Wenn ich ein Solo blaß? – Ey blast meinetwegen, wers immer auch ist, Es bleibt doch der Kaspar der Hauptfagottist.

(Die Kürbisse fangen an zu hüpfen)

KASP[AR]. Brav! Das ist nicht übel. Voriges Jahr haben die Madeln getanzt, jetzt fangen die Plutzer an. (Er packt einen an, nach der Aria schreyt Buzephagel.)

Sechszehnter Auftritt.

KASPAR. BUZEPHAGEL.

BUZEPH[AGEL]. (rufend) „Schneid mich an! schneid mich an!“

KASP[AR]. Das ist eine curjose Affaire! – Zum Glück, daß ich ein gelernter Barbier bin. (Er nimmt sein Taschenmesser, und schneidet den Kürbis voneinander. Buzephagel steigt heraus, und fällt Kasparn komisch zu Fü-ßen) Schon wieder ein Ungeheuer? – Der sieht aus, wie der Vollmond, wenn er aufgeht. Rede, wer bist du?

BUZEPH[AGEL]. Wer werd’ ich seyn? Das kannst du aus meinem Plutzerkopf14 sehen. Ich bin ein Narr.

KASP[AR]. Brav! Am Ende muß ich mir meine Freundschaft wie den Rettig aus der Erde schneiden.

[31]

BUZEPH[AGEL]. Ich war Terramontanos Hofnarr – unglücklicherweise hab’ ich ihm einmal die Wahr-heit gesagt, und er hat mich so lange in einen Kürbiß verwandelt, bis Wein über mich geschüttet würde, denn nur dann sollt’ ich meinen Witz wieder bekommen.

KASP[AR]. Du kömmst mir vor, wie unsere Poeten, die nur erst spaßig sind, wenn sie getrunken haben. – Also ich hab dich erlöset? – So müssen in meinem Fagott noch einige Tropfen Wein gewesen

13 Deutscher Tanz| Walzer (HCL) 14 P lutzerkopf| ‹phon. Bludsa› großer Kopf, auch Dummkopf oder Kürbis (WMa 167)

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16

seyn. – Aber jetzt fällts mir erst ein. Ha! ha! ha! Du warst Hofnarr, und hast die Wahrheit gesagt, da sieht man, daß du nur Hoftalk15 gewesen bist!

BUZEPH[AGEL]. (weinerlich) Du hast Recht! (auf einmal außerordentlich kindisch lachend) Hi! hi! hi! – Aber jetzt bin ich frey. Jetzt kann dich Buzephagel warnen.

KASP[AR]. Wie? – Buze … wie heißt du? …

BUZEPH[AGEL]. Buzephagel. – – Ihr seyd in großer Gefahr. Ich will dir alles vertrauen, wenn du deinen Fagott der Kompagnie meines Schwefelpfeiferls werth hältst, das so gut wie dein Fagott bezaubert ist.

KASP[AR]. Nun so laß vorher hören. – Aber du mußt warten, bis ich angefangen habe. Wir werden oh-nehin zusammstimmen, wie eine schielende Ehe.

[32]

Duetto.

Kaspar und Buzephagel.

KASP[AR].

Wenn ich auf das Loch hier greife (zeigt es ihm) Dann erst Buzephagel pfeife!

BUZEPH[AGEL].

Gut: ich werde richtig pfeifen Wenn du auf das Loch wirst greifen.

KASP[AR].

Du merkst also auf den Griff

BUZEPH[AGEL].

Und du merkst auf meinen Pfiff.

Kasp. (intonirt falsch)

BUZEPH[AGEL].

O pfuy Teufel! Schwerenoth! Ey wie falsch blast du Fagott?

KASP[AR].

Soll ich etwa ihn verkehren? (er kehrt ihn um) Laß du dich auch einmal hören!

Buzeph. (pfeift)

KASP[AR].

Didel didel dump! Just wie der Haderlump.*)16 (ihn ausspottend)

BUZEPH[AGEL].

Du kannst es erst recht schön Pru! pru! läßt du es gehn. (eben so)

15 Hofta lk| Dalk – dummer Mensch (DWB) 16 Anmerkung im Original: *)So nennt man in Wien den Mann, der mit einem Schwefelpfeifchen herumgeht, und alte Lum-pen zusammenkauft.

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17

KASP[AR].

Schwefelpfeiferl geh nach Haus!

BUZEPH[AGEL].

Schimpfest du, pfeif ich dich aus.

KASP[AR].

Laß es uns zugleich probiren, Das wird herrlich harmoniren.

BEYDE.

Nur hübsch wacker angesetzt Und das Mundloch eingenetzt.

[33]

Nur das Zeug recht angepackt Aufgepaßt und halte Takt. (Sie blasen)

KASP[AR].

Schweige, du vertreibst die Ratzen! Geh, sonst kommen wieder Katzen. (Er sieht sich furchtsam um)

BUZEPH[AGEL].

Gelt, du kannst es nicht begreiffen, Wie ich gar so schön kann pfeiffen? Kaspar, gelt ich pfeiffe schön?

KASP[AR].

Gar schön bitt’ ich, laß uns gehn. (Beyde ab)

Siebenzehnter Auftritt.

SIDI und PALMIRE.

PALMIRE. Gnädigste Prinzessinn, ich glaube, wir waren behext. Ich habe mit meinen fleischlichen Au-gen Kasparn gesehen, und doch mußt’ ich vor ihm fliehen?

SIDI. Es war Armidoro, ich kenne den Ton seiner Stimme, seine Töne, zu gut. – Nur er kann diese Harmonieen zaubern. – Wo ist er, wo weilet mein Geliebter?

PALMIRE. Es war niemand anderer als Kaspar. Ich kenne seine Musik zu gut.

SIDI. (die Schleife erblickend) Ha! Er war hier, er hat mich gesehen! Es war also Blendwerk? – Komm theu-res Unterpfand seiner Liebe. (Sie küßt die Schleife)

[34]

PALMIRE. (die überall herumsucht) Ach Kaspar! Hast du mir gar nichts hinterlassen? – (Perifirimens Stimme)

[PERIFIRIME.]

„Wenn auch das Schicksal euch von euren Liebsten trennt, So wißt, daß Treue nur die wahre Liebe krönt. Schützt eure Lilien, und handelt mit Bedacht, Nehmt euch vor Bosphoro und Zumio in Acht.[“]

SIDI. Ha meiner Mutter Stimme! – Wo bist du?

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18

PALM[IRE]. Vielleicht einige tausend Meilen von hier! – Die Frau hat immer eine gute Brust gehabt.

Aber was sagte sie denn von Bosphoro und Zumio? Die sind ja auf 300 Jahr in der Erde, und das wird mir die Frau Fee vergeben, daß unsere Reitze noch nicht dreyhundert Jahre alt sind? –

(Man hört von innen einen Lärm)

SIDI. Komm Palmire, laß uns in jene Seitenallee fliehen, der Stimme meiner Mutter nach! – Hörst du? – – Man kömmt näher! – –

PALM[IRE]. Was nützt unser Verbergen, wenn es Männer sind, die folgen uns überall nach? (ab)

Achtzehnter Auftritt.

TERRAMONTANO. BOSPHORO. ZUMIO.

ZUMIO. (will denen Mädchen nach) Herr! da sahen meine Augen Palmiren, und meine Füße müßen nach. (Wird von Terramontano abgehalten)

[35]

TERRAM[ONTANO]. Und deine Füße werden zurückbleiben, oder dein Kopf bleibt allein hier.

BOSPH[ORO]. Ach Sidi, meine Sidi! (ihr nachseufzend)

TERRAMONT[ANO]. Ho! ho! Bruder Teufelsbraten! Seine Sidi? Laß er sich den Gusto vergehen.

BOSPH[ORO]. Wenn ich nur die andere sehen könnte, so wär ich zufrieden.

TERRAM[ONTANO]. Geduld! Hilf mir nur erst das Abentheuer bestehen, dann heißt es: Wer’s Glück hat, führt die Braut nach Hause.

ZUMIO. Aber erlauben Sie meine Herren – ich bin zwar nur ein dummer Kerl – aber werden uns denn Sidi und Palmire nicht erkennen, und vor uns fliehen, denn wir stehen nicht am besten angeschrie-ben? – Nicht wahr, ich bin auch nicht leer? – He! he! –

TERRAM[ONTANO]. Besonders, wenn du gefressen hast. Geh Hannsnarr17! – Es steht nicht in meiner Macht euch andere Kleider zu machen, aber –

ZUMIO. Pfuy Herr! so könnt ihr noch weniger als ein Schneider, und wollt ein Zauberer seyn?

BOSPH[ORO]. (ihm winkend) Zumio!

TERRAM[ONTANO]. Laßt den Narren reden. – Aber habt ihr vergessen, was uns Hulda versprach? – Sie werden weder sich selbst, noch uns, ehe wieder erkennen, bis wir beyde mitsammen uneins sind? –

BOSPH[ORO]. (zu sich) O dann ist Sidi und Bertha verloren!

[36]

ZUMIO. (kniet nieder zwischen beyde) O, meine Herren, ich bitte sie um alles in der Welt, machen sie keine Narrheiten, und vertragen sie sich gut miteinander. Ich weiß zwar, daß das zwischen zwey Leuten, die eine Kunst treiben, viel begehrt ist, aber es ist doch eine Schande, wenn sich Leute von Charak-ter wie das Klampferergesindel*)18 betragen.

BOSPH[ORO]. (stoßen ihn mit dem Fuße weg)

TERRAM[ONTANO].

ZUMIO. So gehts, wenn man vornehmen Herren die Wahrheit sagt!

17 Hannsnarr| Anspielung auf Hanswurst, der als Possenfigur ja stets den Narren darstellt 18 Anmerkung im Original: *)Klemperer. Klemperer| Klempener, Klämperer, Klempner – Handwerker, der Geschirr aus gelbem Blech fertigt; Blechschmied oder Spengler, der Name bezieht sich auf das Geräusch, welches beim Bearbeiten des Ble-ches mit dem Hammer entsteht (GKWB)

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19

TERRAM[ONTANO]. Schweige! – Die Zeit nahet heran.

(Er schwingt den Stab. Ein Rasensitz steigt auf.)

Neunzehnter Auftritt.

Finale.

Vorige. ARMIDORO und KASPAR werden von einigen Geistern auf einer, SIDI und PALMIRE von der anderen Seite eingeführet. TERRAMONTANO und BOSPHORO gehen ihnen entgegen, und laden sie auf den Rasensitz ein.

BOSPH[ORO]. TERRAM[ONTANO].

Seyd willkommen! laßt euch nieder, Und erquickt die matten Glieder, Nur dem Winde danken wir Schöne Gäste, so wie ihr.

SIDI. ARMID[ORO]. KASP[AR].

Nehmet unsern Dank entgegen Wir sind wirklich sehr verlegen.

KASP[AR]. (zu sich)

Nein die Sache ist nicht echt Ey, ich traue doch nicht recht.

[37]

ZUMIO.

Ha! da seh ich meine Schöne O, mir wässern schon die Zähne, Ha Palmirchen! freue dich, Sponso tuo19 werde ich!

TERRAM[ONTANO]. BOSPH[ORO].

Hier auf diesem Rasen sitzet Ihr bequemer als sonst wo.

ARMID[ORO].

Sehen wir, was Verstellung nützet, Scheinen wenigstens wir froh!

KASPAR.

Herr, ach glaubt mir, Kaspar schwitzet Das sind Zauberer Ho! ho!

ZUMIO.

Wie des Schwarzels Auge blitzet, Freue dich Freund Zumio.

SIDI.

Sie erlauben.

(Sidi und Palmire setzen sich. Bosphoro und Terramontano setzen sich zu ihnen)

19 Sponso tuo| entweder ‹ital. sposo tuo› dein Gatte, dein Bräutigam oder ‹ital. sponsor tuo› dein Sponsor, Gönner

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BOSPH[ORO]. TERRAM[ONTANO].

Ha! die unschuldsvollen Tauben! Ohne Kompliment mein Schatz! Nehmen auch die Herren Platz!

(Armidoro und Kaspar setzen sich)

ARMID[ORO]. KASP[AR].

Schöne Mädchen, meiner Seele!

ZUMIO. (hinter Palmire)

Da geh’ ich nicht von der Stelle.

SIDI. (zu Palmire)

Wer mag wohl der Jüngling seyn?

KASP[AR].

Herr! jetzt fallt mir just was ein. Fickerment und Sackerlot! Ich vergaß auf den Fagott.

ARMID[ORO].

Ach uns droht ein Ungewitter. Ich vergaß auf meine Zither.

[38]

ALLE.

Laßt uns nun allhier im Grünen Auf die besten Mittel sinnen, Wie ihr/man nun nach Hause kömmt, Ohne daß euch/uns Unheil hemmt.

(Perifirime und Hulda kommen aus dem Hintergrunde mit Pizichi und Rulla. Pizichi hält Kaspars Fagott, Rulla Ar-midorens Zither.)

PERIFIRIME. (berührt Sidi mit dem Stabe, die schreyend auffährt.)

Komm, erwach aus deinem Schlummer,

HULDA. (thut ein Gleiches mit Armidoro)

Denk an deiner Sidi Kummer!

SIDI. (springen auf) Ha! Was hör’ ich!

ARMID[ORO].

BOSPH[ORO].

TERRAM[ONTANO]. Ha! Was seh ich!

ZUMIO.

TERRAM[ONTANO].

Ha Verräther! wie vermessen! (zu Bosph.) Hast du deinen Schwur vergessen? Was hast du mit Sidi vor?

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21

BOSPH[ORO].

Du warsts selber, du Verräther! Armidoro war der Thäter! – O was war ich für ein Thor.

ARMID[ORO].

Sidi hör ich –

SIDI.

Armidoren! –

ALLE.

Himmel hülf! wir/sie sind verloren

BOSPH[ORO].

Falscher Schurke (zu Terramont.)

TERRAM[ONTANO].

Ha Verräther! (zu Bosphoro)

ZUMIO. KASP[AR].

Jetzt kommt jeder sich in’s Haar, Weh, o weh! jetzt ist es gar!

[39]

ALLE.

Keiner weiß, wie ihm geschehen, Taub vom Hören, blind vom Sehen, Bin ich vor Entsetzen starr, Keiner weiß noch, wie ihm war.

ARMID[ORO]. (erkennt Sidi)

Meine Sidi –

SIDI.

Armidoro! –

(fliehen sich in die Arme)

KASP[AR].

Ha Palmire!

ZUMIO.

Ich krepire.

BOSPH[ORO]. TERRAM[ONTANO]. ZUMIO.

Auseinander ihr Verfluchten, Achtet ihr das Gastrecht so?

ALLE.

Ha das sind ja die Verruchten Bosphoro und Zumio.

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22

(Palmire und Sidi sinken in Ohnmacht, und werden von den Berggeistern fortgeschleppt. Armidoro und Kaspar retten

sich auf die Terrasse, die die Geister alsogleich umzingeln, Zumio ebenfalls von hinten zu nach der Terrasse. Pizichi bläst Fagott, Rulla schlägt die Zither.)

ARMIDORO. KASPAR.

Pizichi, Pizichi hilf uns aus der Noth, Schlage die Zither und blase Fagott.

PERIFIRIME. HULDA.

Seyd nur getröstet und ruft Pizichi! So fehlt der Beystand den Hülflosen nie!

PIZICHI. RULLA.

Wenn auch das Höllengesindel hier rast Rulla schlägt Zither und Pizichi blast.

TERRAM[ONTANO]. BOSPHOR. ZUMIO.

Umzingelt die Schurken und sperret sie ein, Sie sollen gerädert, zerviertheilet seyn.

ALLE.

O Pizichi, Pizichi hör unser Schreyen.

[40]

(Terramontanos Geister wollen die Flüchtlinge verfolgen, die sich auf die Terrasse retiriren; in diesem Augenblicke stürzt die Terrasse zusammen, und wird zu einem tiefen Rohrstumpfe, woraus Terramontanos Leute die Köpfe als Frösche

recken, und Zumio als Stockfisch heraussieht. Bosphoro und Terramontano entfliehen. Armidoro und Buzephagel fahren in einem Wolkenwagen ab, an dem Kaspar unten frey hängt. Perifirime, Hulda, Pizichi und Rulla verschwinden.)

Frosch-Chor.

Pizichi und Buzephagel! Jagel! Jagel! Frösche sind wir mit Gewalt Husch, husch, husch! Wie ists so kalt! Sprudel! sprudel! Qua, qua, qua! Hüpfet Fröschel Hopsassa! Buzephagel! Buzephagel! Jagel! Jagel! Qua! qua! qua!

(Man höret das Quacken noch lange nach dem Fallen der Cortine.)

Ende des ersten Aufzuges.

[41]

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ZWEYTER AUFZUG.

Erster Auftritt.

Ein eingemauerter Wiesenplan mit einigen Rosenhecken. THERBA, LINDAMINE und KIAMA sitzen und malen Schmetterlinge.

Terzetto.

Wenn jemand kömmt und jemand frägt Womit wir uns zerstreuen, So sagt dem, der den Vorwitz hägt Es sind die Malereyen. Denn Blumen, Vögel, Wies’ und Flur Und derley schöne Dinge, Die malen wir nach der Natur Doch meistens Schmetterlinge.

THERBA allein.

Doch Schwestern sagt, was ist ein Mann? Das möcht ich gern noch wissen, Damit ich ihn auch malen kann, Und dann das Bildchen küßen. Denn Blumen, Vögel, Wies’ und Flur Und derley alte Dinge, Sagt Solma, sind die schönsten nur Und Männer Schmetterlinge.

[42]

ALLE DREY.

Wenn Männer Schmetterlinge sind, So möcht’ ich einen malen, Er müßte uns mein gutes Kind So viel ich weiß, gefallen. Wir malten ihn bald weiß bald blau, Nachdem wir einen fiengen, Kommt Schwestern, suchet auf der Au Nach solchen Schmetterlingen.

THERBA. Ach du lieber Himmel! – Mein Farbenvorrath ist schon völlig zu Ende, und ich mag nicht immer Schmetterlinge malen. (wirft die Muschel weg.)

LINDAM[INE]. Terramontano ist auch gar zu grausam, uns keinen Mann sehen zu lassen, und ich habe doch einmahl gelesen, daß die Mädchen ohne diese Waare nicht leben können?

KIAMA. Wenigstens nicht lange! – (seufzend)

THERBA. Er möchte so wild seyn, als er wollte, wenn er sich nur sehen ließe. – Aber Solma will es nicht haben, bis ich zwanzig Jahre alt bin – Ach, das ist das erstemahl, daß ich mir alt zu seyn wünsche.

LINDAM[INE]. Siehst du Therba, siehst du, den schönen Buttervogel?

(Ein schöngefleckter Schmetterling schwebt über den Hecken.)

THERBA. Fangt ihn, fangt ihn, vielleicht ist es ein Mann! (Sie jagen ihm nach, und werfen den Fußteppich über ihn.)

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24

THERBA. Hast du ihn? halt ihn fest! (zu Lindamine.)

[43]

LINDAM[INE]. Wenn ich ihm aber die Farben verwische? – – Halt! ich fühl ihn flattern.

(Sie nehmen den Teppich behutsam weg, Pizichi liegt darunter, und schielt sie lächelnd an. Sie fahren schreyend auf.)

Zweyter Auftritt.

THERBA. LINDAMINE. KIAMA. PIZICHI.

THERBA. Was ist das für ein Vogel?

LINDAM[INE]. Vielleicht ist es ein Schmetterling nach der Mode?

PIZICHI. Ich bitte allerseits um Verzeihung, daß ich Ungelegenheit mache, ich habe mich verflogen.

ALLE DREY. Wie? – Du kannst reden? –

THERBA. Bist du denn auch wirklich von der fliegenden Gattung? –

PIZICHI. Du lieber Himmel! wie könnt’ ich einen armen Vogel so fragen, ihr seht ja, daß ich Flügel ha-be?

LINDAM[INE]. Aber warum bist denn du so nackt um die Füße, und fast am ganzen Körper?

PIZICHI. Ach! da bin ich unter schlimme Mädchen gekommen, und die haben mich so jämmerlich ge-rupft – aber ich bin ihnen husch! durchs Fenster.

THERBA. Nun warte guter Freund, ich will dir die Flügel stutzen, daß du nicht mehr fortflatterst.

[44]

PIZICHI. Liebe Mädchen thut mir nichts zu Leide. Ich bleibe gern bey euch, und will euch ein Liedchen singen.

THERBA.

LINDAM[INE]. Wie? Du kannst auch singen?

KIAMA.

PIZICHI. Und lasse mich nach dem Werkel abrichten.

THERBA. Bist du denn etwa gar – gar – ein Mann?

PIZICHI. (zu sich) „Die rätht hübsch nahe an.[“] – (laut) Das nicht, schönes Mädchen! ich bin nur noch eine Puppe, und wenn die einmahl enthüllet ist, hm! dann liesse sich etwas reden.

THERBA. Wie, du wirst einmahl ein Mann? …

LINDAM[INE].

LINDAM[INE]. Da lassen wir dich nicht mehr von der Stelle.

THERBA. Wir wollen dich schon füttern und pflegen.

PIZICHI. Je nun meinetwegen! Da geschieht mir kein Possen.

THERBA. O wie bin ich so froh, daß ich wieder einmahl ein Vögelchen habe. Ich habe zwey schöne liebe Thierchen gehabt, zwey Zeißige.

PIZICHI. Ich bin auch ein Zeißig.

THERBA. Desto besser! – (traurig) Sie sind nun hin, und Therba ist ohne irgend einen friedlichen Hausthierchen, ihre Katze ausgenommen: aber das sind falsche, falsche Thiere, und meine Vögel-chen waren so gut, so gut. – – –

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25

[45]

Aria.

THERBA.

Ich hatte einst zwey Vögelchen, Die sangen wunderschön, Und schlugen mit den Flügelchen Als sollt’ ich sie verstehn.

PIZICHI.

Ey, ey! ey, ey! Ey, ey! ey, ey!

THERBA.

Die Vögelchen sind beyde hin, Nun bin ich ganz allein, Doch liegen sie mir stets im Sinn, Es will mich nichts mehr freun.

PIZICHI.

Ey, ey! ey, ey! Ey, ey! ey, ey!

THERBA.

Ich küßte dann die Mädchen hier, Und fühlte nichts dabey – Drum guter Vogel sage mir, Woran der Fehler sey?

PIZICHI.

Ey, Ey! Ey, Ey! Es war kein Mann dabey.

THERBA. (ihm die Wange klopfend) Brav kleiner Schäcker20 – Du kömmst mir nicht mehr los, und sollst mir in einen Käfig.

PIZICHI. Je nachdem ich gehalten werde.

LINDAM[INE]. Sag mir nur kleiner Gelbschnabel, giebts noch viele solche Vögel wie du bist?

PIZICHI. O das glaub ich, Große und Kleine.

THERBA. Ach! wenn sich nur auch einmahl ein Großer hieher verflöge!

PIZICHI. Wünsche das nicht, denn es giebt gar zu viele Raubvögel darunter.

[46]

Dritter Auftritt.

ARMIDORO und KASPAR mit BUZEPHAGEL lassen sich im Wolkenwagen nieder, in dem sie abgefahren sind: die Mädchen sehen in die Höhe, und erheben ein fürchterliches Geschrey.

PIZICHI. Bleibt, bleibt! Das sind Zugvögel, die mitsammt dem Häusel*)21 fliegen.

20 Schäcker| Name einer Drosselart; Wachholderdrossel (DWB, PUL) 21 Anmerkung im Original: *)Gebauer. Gebauer| Behältnis für Vögel; Käfig (GKWB)

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ALLE. Vögel – Vögel?

THERBA. Komm, laß uns sie locken! –

PIZICHI. Das thut: ich will mich indessen unter den Teppich verbergen, und den Lockfinken machen. (Sie bedecken ihn mit dem Teppich. Indessen kommen die drey Luftschiffer immer näher. Pizichi lockt.)

Septetto.

ALLE.

Vögel! Vögel! Vögel!

(Sie sehen die Luftmaschine, die sie für Vögel halten.)

THERBA.

Sind’s Lerchen, sind’s Finken? Die Federn, die blinken! Seht Schwestern! sie sinken Gemach schon herab.

PIZICHI. (lockend)

Herab! herab!

LINDAM[INE].

Die gehen auf’s rauben Ihr könnt es mir glauben, Sie fahren auf Tauben Abscheulich herab.

[47]

THERBA.

Wir wollen uns wehren Und singen sie lehren, Wer Vögel will fangen, betrage sich fein, Und werfe mir Prügeln nicht drein.

ARMID[ORO]. BUZEPH[AGEL]. KASP[AR].

Laßt länger uns Luft hier nicht trinken, Kommt, lasset zur Erde uns sinken, Dort sitzen ja Mädchen, und winken, Und laden in’s Grüne uns ein.

PIZICHI.

Willkommen Blanchardische Brüder! Streckt euer Gefieder! Bst! bst! Kommt herab.

ARMID[ORO]. BUZEP[HAGEL]. KASP[AR].

Wer ist die mit bräunlichen Locken? Herr Je? unser Flug kommt in’s Stocken Herr Prinz! die verstehn sich auf’s Locken Nur muthig hinab!

(Pizichi lockt: sie pfeifen von oben.)

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27

THERBA.

Hört, wie sie schön singen und pfeiffen, Und trillern und schleiffen, So einfach und simpel, Sinds Finken, sinds Gimpel? Sinds Lerchen, sinds Zeißig, sinds Nachtigallen? Sinds Adler, sinds Geyer? wir wollen sie malen. Sey’s Kolibri, Papagey, sey’s Kakadu, Komm Pizichi, Pizichi! locke herzu!

ALLE 3.

Sey’s Kolibri, Papagey, sey’s Kakadu, Komm Pizichi, Pizichi! locke herzu!

PIZICHI.

Bst! bst! Stille, stille! du Braunköpfchen du! Sie fliegen den Beeren auch ungelockt zu.

[48]

ARMID[ORO]. KASP[AR]. BUZEPH[AGEL].

Wir geben uns willig gefangen: im Nu Ist Netz und ist Garn und ist Meisenschlag zu.

KASP[AR]. Sackerlot Herr! ich glaube gar, wir sind im Serail des Haram Bassa?

BUZEPH[AGEL]. He! he! he! Das ist eine Freude. Just drey für drey. Bey einer schlägt der Prinz, bey der andern blast der Kaspar, und der dritten pfeiff ich ein Liedchen vor.

ARMID[ORO]. Schweigt! – Ach Sidi!

KASP[AR]. Pfuy doch! Wer wird denn bey so schönen Figuren von einer andern reden! (Er macht seine Grimassen gegen die Schönen, was ihm Buzephagel à Tempo nachmacht. Die Mädchen drehen sie neugierig um und um.)

LINDAM[INE]. Die sind gern in’s Garn gegangen!

KIAMA. Sie wollen noch nicht singen.

THERBA. Wenn ihr Vögel seyd, warum habt ihr denn keine Flügel?

KASPAR. Ha ha ha! Flügel? – Wir haben uns die Flügel schon lange verbrannt.

ARMID[ORO]. (ihr mir Ehrfurcht näher tretend) Schönes Mädchen! vergieb unserer Kühnheit – Für was hältst du uns? –

THERBA. Je nun, für Vögel.

LINDAM[INE]. (zu Kaspar) Du darfst es gar nicht läugnen, denn das ist ja dein Schnabel? (sie weiset auf seinen Fagottansatz.)

KASP[AR]. Natürlich! Gieb Acht, daß er dich nicht beißt. – Wir sind die wahren Vögel! wir haben einen einzigen Gimpel bey uns, und dem hab ich erst die Thür aufgemacht.

[49]

BERTHA. [recte: THERBA.]

LINDAM[INE]. Keine Vögel also? Was denn sonst? –

KIAMA.

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28

ARMID[ORO]. (zu sich) Welche reitzende Unschuld! – (laut) Du kannst es aus meiner Empfindung lesen,

daß ich ein Mann bin! (Er nimmt sie an der Hand.)

BERTHA. [recte: THERBA.]

KIAMA. (hüpfend) Ein Mann, ein Mann? (Sie umringen ihn)

LINDAM[INE].

KASP[AR]. (der die Hände über den Kopf zusammen schlägt) O Spectaculum! – Da sieht man, was ein Mann werth ist. – He! he! Hört ihr Mädchen! – Ich bin auch kein Vogel.

LINDAM[INE]. Auch ein Mann? – (Sie gehen zu ihm)

KIAMA. (zu Buzephagel) Und wer bist denn du?

BUZEPH[AGEL]. (hellaut lachend) Ich? Hi! hi! hi! Ich bin der Niemand, und der Exhofnarr von Terramon-tano. – Der wird Augen machen, der wird schauen! (Er hält sich den Bauch und setzt sich auf Pizichi, der ihn umleert.)

Vierter Auftritt.

PIZICHI. ARMIDORO. KASPAR. BUZEPHAGEL. THERBA. LINDAMINE. KIAMA.

KASP[AR]. (lacht) Was ist denn das für ein kleines Zaunschlupferl?*)22 – Auweh, über die Unschuld! – – – (ihn näher betrachtend) Pi – Pi – Pizichi – bist du es, oder bist du es nicht? –

[50]

Sag, red, sing oder krähe, gieb mir nur eine Antwort! Bist du es wirklich?

PIZICHI. Freylich bin ich es, du Dummkopf!

KASP[AR]. Du bist’s, ich kenne dich an deiner Grobheit.

THERBA. Wie, du bist auch kein Vogel?

KASP[AR]. Er ist noch ein Nesthockerl. – *)23

ARMID[ORO]. Lieber, goldener Pizichi, sey mir tausendmal willkommen. – Sage mir nur, wo wir uns befinden, und wer diese schönen Mädchen sind?

BUZEPH[AGEL]. (der sich reibt) Was das Spitzbübl für Stärke hat.

PIZICHI. Ihr seyd in Quasi-Masi-Abdera, auf Terramontanos Gebiete, und diese schönen Mädchen sind seine Gefangenen.

ARMID[ORO]. Terramontano? Laß uns fliehen! –

KASP[AR].

THERBA. Fliehe nicht schöner Jüngling! nimm mich mit dir, ich liebe dich, weil du ein Mann, und noch dazu ein schöner Mann bist.

ARMID[ORO]. Welche Reitze, und welcher Zauber! – Ich kann dich nicht mitnehmen. – –

THERBA. Wie du kannst mich nicht mitnehmen? – (sehr traurig.)

KASP[AR]. Ich kann euch auch nicht mitnehmen. (geht auf und ab)

LINDAM[INE]. Ihr seyd mir die saubern Männer, erst zeigt ihr uns, wie man herumfliegt, und dann wollt ihr keinen Flug mir uns machen.

22 Anmerkung im Original: *)Zaunkönig. 23 Anmerkung im Original: *)Ein noch unflicker Vogel. unf l icker| meint nicht flügge

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29

[51]

KIAMA. (zu Buzeph.) Und du? –

BUZEPH[AGEL]. Ich kann und will mit euch fliegen, wenn ihr Courage habt.

PIZICHI. (der indessen seinen heimlichen Spott mit allen trieb) Geh Kürbisschedel! – (stößt ihn weg) Seyd unbe-sorgt. Terramontano hat keine Macht über seine schöne Gefangene, bis jede ihr zwanzigstes Jahr erreicht hat, wir sind also sicher vor Ueberfall.

KASP[AR]. (sieht alle durch die Faust an) Herr! eilen wir, sonst kömmt uns der Zauberer über den Hals.

LINDAM[INE]. Der Grobian! –

ARMID[ORO]. (zu Therba) Ich fühle dein Unglück.

THERBA. Was hilft mir dein bloßes Mitleid?

PIZICHI. Armidoro! Dir vertrau’ ich diese Unschuld an: sie ist von deinem Stande. Ich kenne deine Be-scheidenheit, und deine Treue. Und nun schweigt, und vernehmt meine Befehle.

KASP[AR]. O Spitzbübel! Wenn ich dich jetzt zu Hause hätte, ich wollte dich befehlen lehren.

(Pizichi schlägt an den Feuerstahl)

Fünfter Auftritt.

Zwey kleine GENIEN kommen mit einer Säge, und er winkt ihnen einen Baum mitten abzusägen.

Vorige.

THERBA. Aber Kleiner, du verdirbst mir ja den Baum?

[52]

PIZICHI. Schweige Prinzessinn! Ein Baum, der keine Früchte bringt, verdient kein besseres Schicksal.

ARMID[ORO]. Verschone den Baum!

LINDAM[INE]. KIAMA. Er hat Recht. Ey, laß ihn! –

KASP[AR]. Der Baum giebt wenigstens eine Klafter24 Holz.

BUZEPH[AGEL]. Das ist der kleinste Holzversilberer, den ich in meinem Leben gesehen habe.

(Die zween Genien sägen. Der Baum fällt, und aus ihm steigt Hulda mit Rulla, zu der Pizichi hinläuft.)

Sechster Auftritt.

HULDA. RULLA. Vorige.

HULDA. (zu Pizichi) Kleiner Landläufer! Muß man dir deine Geliebten auf solche Art entgegen führen?

KASP[AR]. Das ist auch einer von den Amanten, die, je gröber sie sind, je eher etwas erhalten.

(Armidoro und die Mädchen knieen nieder.)

HULDA. Ein wahrer Ritter muß jede Unschuld retten. Dir Armidoro vertrau ich Therba an, sie aus den Klauen des Ungethümes zu befreyen. Therba ist schön und reitzend, sie wird deiner Treue Ueber-windung kosten, und das will das Schicksal haben. – (zu den Mädchen) Euch vertrau’ ich eurer eige-nen Obhut.

24 Klaf ter| alte deutsche Maßeinheit; bis 1875 war das Wiener Klafter (189,65 cm) in Gebrauch, z. B. als Maßeinheit für Brennholz (MGKL)

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30

PIZICHI. Muth ist die erste Sache des Mannes, das weiß ich noch von meinen jungen Jahren

[53]

her. Ihr müßt noch einmal zu Terramontano, um Sidi und Palmiren zu trösten. Geht in Bergtracht und sucht Unterhalt. Eure musikalischen Kenntniße kommen euch treflich zu statten. Terramonta-no ist ohnehin kein Musikkenner.

KASP[AR]. Aber der Hr. von Bosphoro ist so musikalisch wie ein alter Schulmeister.

ARMID[ORO]. Mein Ring spricht mich von aller Verkleidung frey, und macht mich ohnehin unkennbar.

KASP[AR]. Ich ziehe mich auch nicht aus, denn, wenn es schon einmal Zauberey ist, so gehts in einem hin. –

PIZICHI. (schlägt ihn auf den Rücken) Gescheidt Herr Vater Kaspar, so erspart er dem höllischen Gardero-ber25 eine Arbeit!

HULDA. Legt eure Instrumente indessen in diesen hohlen Baum, den ich beschütze, und empfanget diese kleinen dafür. (Sie giebt Armidoren eine Sackzither und Kaspar einen kleinen Sackfagott an einer Schnur, den er umhängt)

KASP[AR]. Mein Fagott hat ja ausgebrütet? – –

ARMID[ORO]. Gütige, vorsichtige Hulda! –

PIZICHI. (winkt wieder)

[54]

Siebenter Auftritt.

Zwey GENIEN. Vorige.

(bringen eine Violine, und ein großes Waldhorn.)

PIZICHI. Du Kaspar, nimm dieses Waldhorn, und Armidoro diese Violine. – Seyd ihr in Gefahr, so nehmt eure Sackinstrumente zu Hülfe, und Buzephagel ist euer Notenträger.

KASP[AR]. Da können wir gleich Nachtmusiken geben, denn der Buzephagel trägt die Laterne auf dem Buckel. (auf seinem Höcker)

THERBA. Lieber Armidoro – ich verstehe kein Wort.

ARMID[ORO]. Ich werde dirs schon erklären.

LINDAM[INE]. (zu Kaspar) Bist du denn auf deinem Fagott so kunstreich?

KASP[AR]. Da sieht man, daß du aus der andern Welt bist. Mein Fagott hat ja schon einen Lärm ge-macht, daß die Gassenbuben das gesungen haben, was er geblasen hat.

HULDA. Nun genug! – Pizichi ist Armidorens, Rulla Sidis und Therbas Schutzgeist. – Rulla erwartet deinen Unterricht.

PIZICHI. Sie wird unter meinem Schutze einen baldigen Fortgang machen.

HULDA. Kommt ihr indessen! (Alle ab bis auf Kasparn, und Lindamine.)

25 Garderober| Ordensbeamter, welcher für die Verwahrung der Zeremonienkleider zuständig ist (PUL)

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31

[55]

Achter Auftritt.

KASPAR. LINDAMINE.

LINDAM[INE]. Lieber Kaspar, du wirst es schon meiner Neugierde vergeben, daß ich mich um deine Kunst mehr als um das Abendessen bekümmere. – Laß doch einmal etwas von der Kunst deines Fagottes hören, indessen Hulda mit Armidoren zaubert.

KASP[AR]. Je warum denn nicht. – Ich muß nur erst sehen, ob ich auf dem kleinen Fagott etwas blasen kann?

LINDAM[INE]. Ich möchte doch lieber von dem großen Fagott ein Stückel hören. (sie hohlt ihn aus dem Baume) Da blas.

KASP[AR]. Jetzt, auf welchem willst du etwas hören?

LINDAM[INE]. Auf dem du schöner bläst, ich habe ja noch gar keinen gehört.

KASP[AR]. Meinetwegen! (er versucht es bald auf diesem, bald auf jenem, und bringt keinen Ton heraus, Lindamine lacht ihn aus.)

LINDAM[INE]. Du kannst was sauberes! –

KASP[AR]. Kann ich was dafür, daß er im Baume die Stimme verlohren hat? (Man ruft von innen. Lindami-ne lacht und läuft ab.)

Neunter Auftritt.

KASPAR allein.

[KASPAR.] Das ist ein verdammter Streich. Am Ende hat mich Buzephagel verzaubert? –

[56]

(er probirt wieder, es bläst nicht) Ich bringe keinen Ton heraus. Ich hab immer geglaubt, es wird immer eins seyn, ob ich diesen oder jenen nehme, wenn er nur bläst – aber jetzt seh ich, daß ich angeführt bin. – Jetzt, in was soll ich blasen? – (er versucht das Waldhorn, dann den Fagott.) Schau, jetzt gehts! – (Er legt den großen Fagott in den Baum) Den behalt ich in Reservo, bis auf bessere Zeiten, und den Kleinen nehm ich mit; aber auf was blas ich itzt am ersten? (Er hat vorn das Waldhorn, und hinten den kleinen Fa-gott an einer Schnur.)

Aria.

Jetzt hab’ ich gar höllische, teuflische Noth, Da hab ich das Waldhorn, da hängt der Fagott. Sagts, blas ich von hinten, sagts, blas ich von vorn? Ich blas halt Fagott, und blas wieder in’s Horn. (Er bläst beydes)

Den Großen, den leg ich für jetzt in den Baum, Da hat er zum Brüten just Zeit und just Raum. Den Kleinen steck’ ich in die Waidtasche hier, So bleibt der Fagott und das Waldhorn bey mir. (ab)

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Zehnter Auftritt.

Terramontanos Pallast.

SIDI und PALMIRE.

SIDI. Ach Palmire! Was hab’ ich nicht alles ausgestanden. Ach, Armidoro, kaum war

[57]

ich so glücklich dich zu sehen, so verlor ich dich wieder.

PALM. Und kaum tönte Kaspars Fagott in meinen zarten Ohren, so vertrug der Wind das Echo seiner stark tönenden Triller.

SIDI. Du kannst noch scherzen, und weißt doch, daß der schändliche Bosphoro und sein elender Zu-bringer wieder auferstanden sind?

PALM. Ey immerhin; so lange wir nicht wollen, und unsere Lilien unversehrt sind, die uns Hulda gab, welcher Teufel kann uns was anhaben. Und zu dem seht ihr ja, daß sein Bart die Farbe changirt? Wenn sich die Haare ändern, so ändert sich auch der Mensch.

SIDI. Daß sie doch die 300 Jahre ausgeschlafen hätten!

PALM[IRE]. Wieder ein neuer Beweiß, daß durch die Bergwerke alles Unheil in die Welt gekommen ist. Aber seyn sie ruhig Prinzessinn, Zumio ist ein Stockfisch geworden, und da bleibt wenigstens sein schlechtester Theil, der Kopf, zurück. Stille Prinzessinn! Man nähert sich, nur die Lilien fein in Acht genommen.

Eilfter Auftritt.

TERRAMONTANO mit einigen Geistern. Vorige.

TERRAMONTANO. (zu seinen Geistern) Entfernt euch, ihr wilden Bestien, man kann nicht wissen, ob ihr nicht die Damen zu sehr erschrecket. – (Die Geister murrend ab) Raisonirt nicht ihr Schlingel,

[58]

ihr Schleppträger meines Ruhmes. Ich bin die Ziffer, und jemehr ich solche Nullen hinter mir nach-laufen habe, desto größer bin ich. – Mes Dames! Sie vergeben, daß ich ein wenig mein Hauswesen rangirte. – Ich muß Sie sehr der letzten Ungelegenheit wegen um Vergebung bitten. Der dumme Bosphoro ist an allem Schuld – Sie werden Alterationen haben? – Ich habe bereits in meine Höhle um Antispasmodicum geschickt, und Krebsaugen von einigen Todtenschedeln raspeln lassen.

PALM[IRE]. Sie sind allzugütig! – (spöttisch)

SIDI. Sie sind zu besorgt, uns unser Dank. – – – –

TERRAM[ONTANO]. Schweigen Sie – Das kenn ich. – Sie möchten mir lieber die Augen auskratzen, als mir danken, aber da scheer’ ich mich den Teufel darum, denn ich treibe das Zaubererhandwerk nur zum Spasse, um die Leute zu secciren, übrigens bin ich sehr galant gegen die Damen, wenn sie ein wenig geschmeidig sind.

PALM[IRE]. Der Flegel!

SIDI. Der ungezogene Wollüstling! – (zu ihrer Lilie) Weiche nicht von mir, Spiegel meiner Seele!

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TERRAM[ONTANO]. Uebrigens seyen Sie Bosphoros wegen außer Sorgen, er wird ihnen nichts in den

Weg legen: ich hab ihn erlöset, und er hat mir sie licitando26 verkauft. Da ich nun der Meistbiethen-de bin, und Armidoro, so wie Kaspar sie verneglischiren27 – so – –

[59]

SIDI. Armidoro wäre ungetreu?

PALM[IRE]. Kaspar sollte mich verlassen?

TERRAM[ONTANO]. En verité!28 – Sie ziegeunern mit andern Schönen im Lande herum! (zu sich) Helft mir lügen, weibliche Geister! – (laut) Ihr seyd nun in meiner Gewalt. Geht in jenes Kabinet, mein Spiegel wird euch ihre Untreue weisen.

SIDI. Heuchler! Ich gehe, nicht mich zu überzeugen, nur mich von dir zu entfernen. Armidoros Un-treue gäbe mir wenigstens Thränen unverdienter Leiden, und diese schaffen Linderung, da ich für dich nur Verachtung fühle. (ab)

PALM[IRE]. Meinetwegen seh ich was oder nichts, wenn ich nur zu einem Spiegel komme. (mit einem tiefen Knikse) Ihre Dienerinn bis in den Tod – Palmire! (ab)

Zwölfter Auftritt.

TERRAMONTANO.

[TERRAMONTANO.] Bravissimo! Die eine sagt mir Grobheiten, wie ein Häringsweib29, die andere foppt mich wie eine prima Donna ihren Cicisbeo30. – Eh bien! – Was liegt mir daran, wenn ich sie nur weidlich quäle. Giebt es eine größere Lust, als die Fische an der Angel zappeln zu sehen? – Warum gehen sie auf die die Würmer? – Bosphoro ist ein Schurke, aber ich bin ein seelenguter Teufelskerl. – Ich habe meine Freude an der

[60]

Narrheit der Menschen, wie an einem Schauspiele.

Aria.

Die Welt scheint ein Theatrum nur Dem Zauberer Directori, Ich schreibe mir die Partitur Und bin der Regens Chori. Oft sitz ich in der Loge drin’ In meinem Schauspielhaus, Und pfeiffe, wenn ich muthig bin, Akteur und Dichter aus.

Ich spiele manches Stück mir vor Durch meine Menschentruppen, Wenn mancher auch den Kopf verlor, Von meinen kleinen Puppen. Ich lerne, daß ein dummer Tropf, In dieser dummen Welt, Ist er bordirt, auch ohne Kopf, Viel Beyfall oft erhält.

26 l ic i tando| von ‹lat. licitum› Gebot, hier soviel wie auf dem Weg des Meistgebotes (PUL) 27 vernegl i sch iren| verneglischieren –vernachlässigen 28 En ver i té !| ‹franz.› in Wahrheit 29 Här ingswe ib| Heringsverkäuferin (DWB) 30 Cic i sbeo| Hausfreund, Begleiter verheirateter Frauen zu gesellschaftlichen Anlässen (DCL)

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34

Ach! kömmt das Ende nun heran, Theatri vagabundi, So gleicht aufs Haar sich jedermann – Sic transit gloria mundi. Befreyt von Leib und Seelendurst, Verfliegt die Zauberey – Der Pantalon31 und der Hanswurst, Ist alles Einerley. (ab)

[61]

Dreyzehnter Auftritt.

BOSPHORO. ZUMIO, (der an einem Beine nagt.)

ZUMIO. Ach Herr! Dießmal ein Stockfisch gewesen, und in meinem Leben nicht wieder. Ihr könnt es am besten wissen, wie einem dabey zu Muthe ist.

BOSPH[ORO]. Spitzbube!

ZUMIO. Nun, ich meine, weil ihr ein Zauberer seyd.

BOSPH[ORO]. Höre Zumio!

ZUMIO. Mit beyden höchsteigenen Ohren.

BOSPH[ORO]. Terramontano ist ein Schurke, und hat uns zum besten. Am Ende denkt er mich nur zum Deckmantel zu nehmen, raubt mir Sidi, und ich verliere Therba noch obendrein.

ZUMIO. (kalt) Das ist leicht möglich. So geht es euch eben so wie mir mit diesem Beine: euch bleiben die Knochen, und ein andrer frißt das Fleisch herunter.

BOSPH[ORO]. Stille! Er kömmt.

Vierzehnter Auftritt.

BOSPHORO. TERRAMONTANO. ZUMIO.

TERRAM[ONTANO]. Seyd ihr hier? – Wie leicht wär es mir, euch beyde für die Störung meines Vergnü-gens in Roßkäfer zu verwandeln?

ZUMIO. Wenn ihr mich verwandeln wollt, so verwandelt mich in einen Raben, damit ich doch meine Nahrung finde.

[62]

BOSPH[ORO]. Ich bin in deiner Gewalt Terramontano, aber mißhandle mich nicht, denn auch die Dankbarkeit hat ihre Gränzen. Ich bin unschuldig.

TERRAM[ONTANO]. Ich will es glauben, daß du keinen Theil daran hast, aber reitze mich nicht wieder zum Zorne. –

ZUMIO. (zu Terramont.) Herr! die Abendglocke läutet bereits in meinem Magen. Ich weiß, daß mein Herr gern allein überlegt, laßt indessen für mich ein wenig decken.

TERRAM[ONTANO]. So komm du Freßdictionair, ich will dich bey meinem Koche aufführen. – Du Bosphoro, planire!

ZUMIO. Kommt Herr! ich freue mich der neuen Bekanntschaft. (ab mit Terramontano)

31 Panta lon| Pantalone – ein Typus aus der italienischen Comedia dell’Arte; meist stellt diese Figur einen geizigen venezianischen Kaufmann vor (MGKL)

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35

Fünfzehnter Auftritt.

BOSPHORO allein.

[BOSPHORO.] Verdammtes Schicksal! Traue mir nicht Terramontano. Ich bin zwar ein Exzauberer, aber meine Plane arbeiten im Stillen weiter. Verderben über dich und deine Rotte, und sollt ich selbst darüber verderben!

Aria.

Zittre! Bebe! Rache weilet – Wehe dem, den sie ereilet! Wehe dir! und Weh und ach! Bosphoro trägt es dir nach.

[63]

Selbst an deinen Todesqualen Findet Bosphoro Gefallen. Mich an deinem Schmerz zu laben, Dolche dir ins Herz zu graben, Dumpfes Stöhnen deiner Brust Brächte Wonne mir und Lust. Solltest du am Höllenschlunde, Einst in deiner letzten Stunde, Wankend an der Spitze seyn, Stieß ich tückisch dich hinein. (ab)

Sechszehnter Auftritt.

ZUMIO allein, mit einem Fagotte.

[ZUMIO.] Glück zu Zumio! da hab ich einen herrlichen Fund gemacht. – Den hat gewiß Kaspar im Fluge vergessen. Da will ich mein Glück bey Palmirchen versuchen. (Er verbirgt sich)

Siebenzehnter Auftritt.

PALMIRE aus dem Kabinette. ZUMIO.

PALM[IRE]. (ausspuckend) Pfuy! pfuy! pfuy! über alle Mannsbilder! – Kaspar ungetreu! er! auf den ich mein ganzes Vertrauen setzte? Ich habe schon so viele Männer gekannt, und noch alle falsch be-funden.

ZUMIO. (von hinten) Glückliche Aspekten! – (Er wirft sich zu ihren Füßen. Palmire kirrt32 auf)

[64]

ZUMIO. Schreye nicht, Amsel meiner Seele! Ich bin es. Zumio, dein dich zärtlich liebender Zumio, der aus Liebe zu dir versunken ist, und durch ein Jahr lang von unterirrdischen Winden gepeinigt wur-de! Dein Zumio, der dir hier einen unläugbaren Beweis von Kaspars Untreue darbringt, den er zu-rückgelassen hat.

PALM[IRE]. (verwundert) Kaspars Fagott?

ZUMIO. Sieh ihn an, ob es nicht sein Fagott ist? Als er floh, warf er ihn mir mit den Worten zu: „Nimm hin, mein Sohn, ich vermache dir meinen Fagott, und mit ihm meine Ex-Palmire. Blase, so viel Stückchen drauf, als du willst, der Himmel gebe dir einen langen Athem: hüte dich vor Hektik und

32 k i r r t| kirren – durchdringend schreien, aber auch wimmern, jammern (DWB)

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Lungensucht, ich gehe zum neuen Liebchen[“], und, Heidipritsch33! Weg war er! Das heiß ich gelo-gen über einen Zeitungsschreiber! (zu sich)

PALM[IRE]. (erboßt) Neues Liebchen? ich seine Ex-Palmire? – Weiß er, was das heißt, Ex-Ex-Palmire? – – – Er soll mir nur kommen, er ist nicht der erste, dem ich die Stiege gewiesen habe!

ZUMIO. (zu sich) O Bravo, bravissimo, delicatissimo34! (laut) Reitzende Strohwittwe! – Vergiß deinen magern Schatz, und nimm den Fetten an. – Ich besitze Kaspars Fagott, und er ist ganz zu deinen Diensten.

PALM[IRE]. Was soll ich thun? – –

ZUMIO. „Sie überlegt, sie wankt, sie schwankt, Kupiden sey der Sieg gedankt!“

[65]

PALMIRE. Ja lieber Zumio – – du wirst mir vergeben – aber ich muß doch vorher deine Kunst hören?

ZUMIO. Billiges Begehren! – O ihr Geister aller verhungerten Musikanten steht mir bey, und du kleiner Kapellmeister, Pizichi! mach mir keinen Strich durch die Rechnung. (laut) Du sollst hören und er-staunen, aber dafür muß [!] du mir versprechen, mich zu lieben.

PALMIRE. Blase nur erst, dann wollen wir sehen.

Siebenzehnter Auftritt.

PIZICHI von hinten, Vorige.

PIZICHI kömmt von hinten und dreht ihm den Ansatz ab, bleibt dann stehen, und spottet seiner.

ZUMIO. Sperre deine zarten Ohren auf, und laß die Töne meines Fagots dein Herz erweichen, wie die Harmonien der himmlischen Sphären die Seelen der aus Laimbatzen gebildeten Menschen schmel-zen! Höre, erstaune, zittre und sinke in Ohnmacht.

Aria.

ZUMIO.

Sieh, ich will mich exerciren Nun vorerst im Fagotiren Ha! es geht – es ist kein Zweifel (er will blasen)

[66]

Ach! – der Ansatz ist beym Teufel! Henker! wer soll da nicht fluchen, Jetzt muß ich den Ansatz suchen? Du verdammter Pizichi! Leiht mir einen Musici.

(Er legt ihn weg und sucht; Palmire lacht: indessen schraubt ihn Pizichi wieder an.)

Gunst such ich hier bey Palmiren Und kann doch nicht fagottiren Ich kann doch – das ist zum rasen Und zum Aergern, gar nichts blasen? Ha! – Da ist er! jetzt gieb Acht Ich will blasen, daß es kracht. Alle Wetter! Feuer! Feuer!

33 Heid ipr i t sch| schnell verschwinden (WMa 460) 34 de l ica t i ss imo| Superlativ von ‹ital. delicato› fein, auserlesen

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(Der Fagott giebt Feuer)

Ey, das Blasen kommt mir theuer! Nein die Kunst will ich verreden, Die verschenk ich einem jeden, Der muß aus der Hölle seyn Ey da blas der Teufel drein. (ablaufend)

PALMIRE. Ein feuriger Fagott? – Ach du künstlicher Zumio! – – (Sie will ihn aufhebrn [!]. Pizichi nimmt den Fagott und schlägt sie mit der Hand auf die Finger. Palmire läuft ängstlich ab.)

Achtzehnter Auftritt.

TERRAMONTANO. BOSPHORO. SIDI. PALMIRE. Dann ARMIDORO und KASPAR im Hintergrunde. Zuletzt ZU-

MIO.

[67]

TERRAMONT[ANO]. Meine schönen Damen! Sie werden nun überzeugt seyn, wie gut ich es, mit Ihnen meine.

BOSPHORO. Und meine unvergleichliche Sidi wird mir die Zudringlichkeit vergeben, mit der ich sie belästigte.

PALMIRE. (zu Sidi) Geben Sie doch zum Scheine nach, gnädigste Prinzessinn, denn der Stolz geht allen-falls in einer Welt nur an, wo wir für Zauberinnen gelten, aber nicht da, wo es natürlich zugeht.

SIDI. Schweige! – Sieh nur, deine Lilie hat schon ein Blatt verloren. – (laut) Mein Dank ist so groß als eure Wohlthat.

PALMIRE. (ihre Lilie, die sie am Busen hat, betrachtend) Je nu, wer kann dafür, daß auch der Flor der Lilien vergänglich ist.

BOSPHORO. (zu Terramontano) Ihr Groll ist noch nicht geendet.

TERRAMONT[ANO]. Ein Narr, der sich darum bekümmert – Ist es gefällig im Mondschein ein Gäng-chen zu machen – ihr Damen aus der Oberwelt empfindelt ja so gern. – Vielleicht sieht Armidoro eben jetzt in den Mond und – –

SIDI. (empfindsam) Und denkt an Sidi?

TERRAMONT[ANO]. (lächelnd) Und liebäugelt mit einer andern. – Und doch, gute Sidi, kostet es mich nur ein Wort, und er kehrt wieder in deine Arme.

SIDI. (zu Terramont. Füßen) Ach! wenn du dieses kannst, so schaff mir ihn wieder den Mann meiner See-le! –

[68]

ZUMIO. (der furchtsam hereinschlich, tritt zu Palmiren.) Und mich kostet es nur einen Blaser, so liegt Kaspar zu deinen Füßen.

PALMIRE. Ach Zumio, wie würd’ ich dich lieben. (sinkt ihm zu Füßen, hier erscheinen Kaspar und Armidoro im Hintergrunde.)

ARMIDORO. Die Ungetreue!

KASP[AR]. Das falsche Meerfräulein! –

TERRAMONT[ANO]. Stehen sie auf! – Geduld und Gehorsam ist die erste Pflicht der Weiber.

ARMIDORO. (laut) Und Treue gegen ihre Geliebten!

SIDI. (zu sich) Welche Stimme! – Er umschwebt mich! – Soll ich ihn wieder verrathen?

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BOSPH[ORO]. Sie überlegen schöne Sidi? – Seyen Sie außer Furcht. Meine Dankbarkeit gegen Terra-

montano ist größer als meine Liebe. – Sie sind vor mir sicher.

SIDI. Ich glaub’ und vergebe dir! – Ich zittre wie eine Verbrecherinn!

ZUMIO. (zu Palmire) Ich will mir alle Mühe geben, Kasparn bey dir zu verdrängen, aber dann bedenke, daß Dankbarkeit die größte Tugend ist.

KASP[AR]. (laut) Und Untreue, ein Verbrechen, das weder da, noch dort verziehen wird. (ab mit Armido-ro)

PALMIRE. Was hör ich? – (Sidi winkt ihr zu schweigen) Wäre es möglich? – Umflattert mich sein Geist? – (Ein kleiner Genius kömmt als Bergknappe, doch sieht man die Flügel herausstehen.)

[69]

[BERGKNAPPE.]

„Herr! es sind Bergknappen hier Wünschten sich zu produziren vor Dir[“]

TERRAMONT[ANO]. Wie erwünscht! – Führt sie vor das Schloß.

BOSPH[ORO]. Was spielen sie für Instrumente?

DER BERGKNAPPE.

„Es sind eigentlich ihrer Drey Ist eine Geig’ und ein Waldhorn dabey Der eine singt, und der andre trägt Noten Die Bergleute schicken mich darum als Bothen.[“]

SIDI. (zu sich) Wenn es Armidoro wäre! – Aber der Dritte?

PALMIRE. (zu sich) Vielleicht ists Kaspar, der jetzo auf dem Horne bläßt? –

BOSPH[ORO]. Mir ahndet Unheil!

ZUMIO. Mir auch.

TERRAMONT[ANO]. (lächelnd) Kommt, wir wollen die Gassation hören. (er rüttelt den Kleinen vertraulich beym Kopfe)

„Seht hier! dieser kleine Zwerg, Ist eine Frucht aus meinem Berg’ Such kleiner Poet! – Apporte35 Verloren![“]

(er wirft ihm Geld hin. Der Genius läuft ab.)

„Ich sag’s immer: die Poeten werden geboren“

(Nimmt die Damen am Arme, und geht ab.)

[70]

ZUMIO. (der Bosphoro zurückzieht) Ich bin auch ein Poet und im Scandiren erfahren! drum mein’ ich, der Zaubrer hat uns zum Narren.

(Bosphoro stößt ihn weg. Zumio watschelt nach)

35 Appor te| apportieren – herbringen, hier bring! vgl. aber auch: Apportage – Trägerlohn

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39

Neunzehnter Auftritt.

(Das Theater stellt eine Gegend vor Terramontanos Pallaste vor. Es ist Nacht: die Schloß-Gegend ist beleuchtet, und am Firmamente sind hellblinkende Sterne. Hinten das Meer, das nun ruhig ist.

Finale.

(BUZEPHAGEL trägt Noten und hängt sie an die Ecken)

[BUZEPHAGEL.]

Im hölzernen Verschlagel Bringt hier der Buzephagel Die Noten alle schon: Behängt mit schwarzen Flecken Nun aller Häuser Ecken Zu der Gassation. Die Liebe war der Dichter Auch braucht man keine Lichter, Und die Stellagen nicht: Sie werdens Ständchen bringen Und pfeifen, blasen, singen Bey guter Sternen Licht.

(Die Berggeister sammeln sich)

GEISTER.

So wollen wir dann hören Was diese Pfuscher scheeren Und ob’s der Mühe werth Daß man die Narren hört

[71]

BUZEPH[AGEL].

Die Noten sind pro Forma Weils bey der Musik Norma Daß man draus fideln thut Sie wissen ’s schon durch Proben Und lassen gern sich loben Sie können’s alle gut.

(Armidoro. Therba. Kaspar. Kiama. Lindamine in Bergmannstracht.)

BUZEPH[AGEL].

Da sinds, ins Himmels Nahmen!

(Armidoro hat seine Violine, Kaspar das Horn.)

ARMID[ORO]. THERBA.

Nun sind wir schon beysammen Ein jeder von uns ist gestimmt

KASP[AR]. BUZEPH[AGEL].

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40

Daß keiner B statt Kreutzel36 nimmt.

SIDI.

Seht, es winkt der Abendstern! Alle Lieben, nah und fern, Sehen nun den Himmel an Und erfreuen sich daran

BOSPH[ORO]. TERRAM[ONTANO]. ZUMIO.

Seht dort blinkt der Abendstern Wären unsre Feinde fern Daß uns keiner schaden kann Wie ergötzt ich mich daran!

ARMID[ORO]. KASPAR. BUZEPH[AGEL]. THERBA.

Nur zu sehr die Sterne funkeln Möchten sie sich mehr verdunkeln Daß man uns nicht kennen kann Sonst sind wir nicht gut daran

GEISTER und BERGLEUTE.

Soviel Sterne um den Stern Sind der Geister nah und fern Ihre Zahl wächst immer an Bis man sie nicht zählen kann.

[72]

BOSPH[ORO]. TERRAM[ONTANO]. ZUMIO.

Nun ihr Stümper, fanget an! (Sie kommen von der Terrasse herab.)

(Therba mit Accompagnement des Geigensolo und des Waldhornes.)

ARMID[ORO]. THERBA.

Mein Liebchen floh, weiß nicht wohin! Schnell ist sie mir verschwunden Die Liebe trieb mich nach ihr hin Bis ich sie aufgefunden Ich fand sie – ach! daß Gott erbarm! In eines fremden Buhlers Arm.

BOSPH[ORO]. TERRAM[ONTANO]. ZUMIO.

Möchten doch die Hunde schweigen

SIDI.

Ihm ist dieses Spiel nur eigen

ALLE.

Wer sie sind, muß sich bald zeigen.

36 B sta t t Kreu tze l| musikalische Zeichen; Kreuzel zeigt an, dass die Note, vor der es steht, um einen halben Ton erhöht werden muss; im Gegensatz dazu ist das B (b) ein Zeichen des Herabsetzens, d. h. eine Note, vor der ein b steht, wird um einen halben Ton tiefer gegriffen (UWK)

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41

BOSPH[ORO]. TERRAM[ONTANO]. ZUMIO.

Doch! es hat noch keine Noth Keine Zither, kein Fagott.

SIDI. ARMID[ORO]. KASP[AR]. PALM[IRE]. BUZEPH[AGEL]. THERBA.

Pizichi hülf’ aus der Noth Wenn uns Ungewitter droht

[73]

BOSPH[ORO]. TERRAM[ONTANO]. ZUMIO.

Mir wird angst und bang dabey! (leise)

SIDI. ARMID[ORO]. KASP[AR]. THERBA.

Gott der Liebe steh mir bey!

(Pizichi erscheint im Grunde)

PIZICHI.

Laßt das Piano seyn! Allegro fällt nun ein, Weibertreu, Weibersinn Fliegt nicht wie Wind dahin.

(Bosphoro. Terramontano. Zumio und Buzephagel so wie alle Berggeister werden von Pizichi in die Waden gekneipt und stehen hüpfend bald auf diesem, bald jenem Fuße.)

BOSPHORO. TERRAMONTANO. ZUMIO. BUZEPHAGEL und alle BERGGEISTER.

So hohle der Teufel den höllischen Trug Hört aus nun zu spielen, ich habe genug Wir stehen wie Störche hier auf einem Bein Wir stehn auf dem einen, ziehn’s andere ein.

SIDI. THERBA. ARMID[ORO]. KASPAR.

Welche neue Wunderwerke! [74]

ZUMIO.

Hier giebts Gelsen, wie ich merke! –

(Er schlägt sich selbe von den Füßen, Pizichi lacht: nimmt Kaspar und Armidoro Horn und Geige.)

PIZICHI.

Eure Schönen sind getreu Schlagt und blast, ich steh euch bey.

(Sie ziehen Fagott und Sackzither und spielen. Sidi und Palmire eilen auf ihre Seite.)

SIDI. Armidoro!

ARMID[ORO]. Meine Sidi!

PALMIRE. Ach mein Kaspar!

KASPAR. Ach Palmire!

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42

BUZEPH[AGEL]. BERTHA. [recte: THERBA] KIAMA. JUTTA.

Welch Gewirre!

BOSPH[ORO]. TERRAM[ONTANO]. ZUMIO.

Zither, Zither und Fagott? Gebt den Schurken gleich den Tod!

THERBA.

Arme Therba! Lindamine!

TERRAM[ONTANO].

Was! betrügen mich die Sinne?

GEISTER.

Alles muß ermordet seyn.

ALLE.

Großer Gott, was soll das seyn!

(Sie flieht zu Armidoro. Sidi und Palmiere werden von Armidoren und Kaspar getrennt. Armidoro, Kaspar, Buzepha-gel, Therba, Lindamine, Kiama werden in das Gebäude getrieben. Sidi und Palmire aber auf die andere Seite abgeführt.

Hulda und Perifirime im Hintergrunde.)

TERRAM[ONTANO].

Bosphorus aus dieser Flasche,

(Er giebt ihm eine Flasche und hält ebenfalls eine)

Leget das Gebäud’ in Asche!

BOSPH[ORO].

Komme Feuer, flieg hinaus, Und entzünde dieses Haus!

[75]

(Sie spritzen es gegen das Gebäude, das alsogleich die Flammen ergreifen.)

ALLE.

Wirbelt wirbelt Flammen, Brennet es zusammen, Knistert, knastert, lodert, Wie mein/sein Wink es fodert37. Stürze Zauberschloß, stürz ein, Alles soll verbrennet seyn.

PERIFIRIME. HULDA.

Schwellet, schwellet Wellen, Mehrt euch Wasserquellen. Falle Regen, falle, Lösch die Flammen alle. Alma, Rulla, Pizichi, Rette jene, strafe die.

37 foder t| veraltet für fordert

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43

(Die Wellen steigen sichtbar, man hört einen starken Regen, die Flamme erlischt.)

BOSPHORO. ZUMIO. TERRAMONTANO und seine GEISTER.

Tod und Verderben! Ha! ihr müßt sterben!

PERIFIR[IME]. HULDA. PIZICHI. RULLA.

Zittert Verräther! Mächtige Götter Schützen die Unschuld und sprechen euch Hohn, Bieten der Treue stäts Hülfe und Lohn. (ab)

[76]

(Der Wind braußt: die Fluthen steigen und werfen Wellen.)

BOSPH[ORO]. ZUMIO. TERRAM[ONTANO].

Es braußt der Sturm, es tobt das Meer, Und doch blinkt hell der Sternenherr. Ihr Götter, welche gute Macht, Hat unsre Kunst zum Fall gebracht.

BERGGEISTER.

Verdammt! die ganze Zauberkunst Verschwindet wie ein eitler Dunst, Der Regen macht uns alle naß, Nein nein Frau Fee, das ist kein Spaß.

BOSPH[ORO].

Ihr Memmen, seyd ihr Wasserscheu?

TERRAM[ONTANO].

Packt an, ich laß euch alle frey.

(Sie wollen auf das Gebäude zu)

ARMID[ORO]. KASP[AR]. BUZEP[AGEL]. (erscheinen auf dem Vorsprunge desselben)

Ach Pizichi, hilf aus der Noth, Erschein auf Zither/Pfeiferl und Fagott!

(Pizichi und Rulla kommen mit einem großen Schiffe, das beyde leiten. Der Vorsprung der Terrasse verwandelt sich in eine Wolke, und legt sich mit ihnen in das Meer. Armidoro, Kaspar, Buzephagel, Therba, Lindamine, Kiama fahren

mit Pizichi und Rulla ab. Bosphoro, Terramontano, Zumio stehen wie eingewurzelt mit ihren Geistern.)

„Lebt wohl ihr Herren Pudelnaß, Seht uns fein nach, und merkt euch das![“]

(Sobald sie ab sind, thürmen sich die Wellen wieder, und auf 4 Seiten schlägt der Blitz vor ihnen nieder. Sie erwachen aus ihren starren Gruppen.)

[77]

ALLE.

Durch und durch naß, Ha! was ist das!

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(Untereinander in größter Verwirrung)

Das Wasser thürmt sich an, Fliehe, wer fliehen kann. Auf den Baum, auf das Haus. Der Himmel leert sich aus! Ha welche Todesqual! Wasser kömmt überall – Hin ist hin, todt ist todt Rett uns aus Wassernoth! Alles stirbt, was da lebt, Himmel und Erde bebt! Verdammt sey er und sie, Die Fee und Pizichi.

(Die Erde bebt. Der Meersturm und Regen währet fort: alle steigen unter dem Chore auf die Bäume, und die Ecken der Häuser.)

Ende des zweyten Aufzuges.

[78]

DRITTER UND LETZTER AUFZUG.

Erster Auftritt.

Kurzes Wäldchen mit Mondenlichte.

PERIFIRIME. HULDA. PIZICHI und RULLA: alle kleinen Genien in einem Halbzirkel.

CHOR.

Sie sind, sie sind in Sicherheit, Vollendet ist die Reise, So lohnen wir die Zärtlichkeit Nach guter Wesen Weise.

PERIFIR[IME]. HULDA. PIZICHI. RULLA.

Noch ist ein schwerer harter Strauß Für alle zu bestehen, Ob sie die Prüfung halten aus, Das wollen wir erst sehen.

GENIEN.

Wir wollen uns nicht zeigen, Und schweigen. Wir wollen uns verstecken, Nicht wecken. Das schlafende Gefühl, Weil es die Fee so haben will.

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[79]

PIZICHI.

Ganz gut, ihr Gauche38 von jeher! Ich will’s als euer Oberster.

GENIEN.

Ja, Gauche sind wir von jeher, Und du bist unser Oberster. (ab)

Zweyter Auftritt.

PERIFIRIME. HULDA. PIZICHI.

PERIFIR[IME]. Und nun Pizichi, überlassen wir es dir, die Sache zu lenken. Bald ist Terramontanos Macht vorüber, und die Meinige beginnt. Beschütze sie bis dahin, und stärke ihren Muth, bey der letzten Probe nicht zu wanken.

HULDA. Rulla ist dafür dein Lohn. Bis dahin werde sie deinen Augen entzogen. (Sie nimmt Rulla zu sich)

RULLA. Lebe wohl Pizichi!

PIZICHI. (will nach ihr hin. Perifirime hält ihn zurücke.) Lebe wohl Rulla! – Bald, bald seh ich dich wieder. – So lang ich athme, ist mein letzter Hauch dir gewidmet, und Pizichi wird siegen, oder ewig deinen Verlust beweinen. (schnell ab)

PERIFIR[IME]. (zu Rulla) Tröste dich! – Eilet von hinnen, schon nahen sie sich zerstreut dem Walde. (ab)

[80]

Dritter Auftritt.

ARMIDORO und THERBA in ihrer allerersten Kleidung.

THERBA. Wohin führst du mich, liebes unglückliches Wesen, daß ich Mann zu nennen mich scheue, und doch so gern Mann nennen möchte. – Es ist hier so dunkel und schaurig – zwar leuchtet der Mond, aber er macht dir die Wange so blaß, du zitterst? – und da fürchtet sich Therba auch – (in ihn sich verbergend) Ach, wenn du bebest, was soll denn Therba thun?

ARMID[ORO]. (zu sich) Himmel steh mir bey, und du Bild meiner göttlichen Sidi!

THERBA. Ach lieber Mann – Pfuy mit dem Worte! – Ich will dich Blondin nennen, so nannt ich mein Täubchen, das der Marder fraß. O, es war ein garstiger Marder, fast so garstig, wie Terramontano. – (zusammenfahrend) Gott wenn er uns etwa ereilte –

ARMID[ORO]. Wo auch unsere Leute sind? (unruhig) Wir haben sie im Dickicht verloren …

THERBA. Ach, ich bin so müd und matt, und der Schlaf kömmt mir in die Augen. – (Armidoro setzt sich, sie lehnt sich an seinen Busen) Komm, laß mich hier ausruhen, und hier unsere Gefährten erwarten. – (ihm ans Herz greifend) Um’s Himmelswillen! Bist du krank? – Ach, wie stark klopft dir dein Herz? – Ey, man

[81]

sagte mir doch immer, die Männer hätten keine Herzen?

ARMID[ORO]. (immer ängstlicher) O ja das haben sie – freylich nicht alle, aber ich fühle hier das Klopfen vieler Tausenden. – Ach Sidi!

38 Gauche| Vögel (PUL)

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46

THERBA. Wenn du so viele Herzen hast, armer Blondin, so schenke mir eines davon, deiner Sidi blei-

ben ja noch zur Genüge? – Nur eines! gieb! gieb! –

ARMID[ORO]. O Mond! mache bald der Sonne Platz, oder verdunkle dich. – O Unschuld, o Liebe!

THERBA. Ja, Liebe? – Hör einmal Blondin, du sprachst immer von der Liebe, und ich mußte sogar da-von singen, ohne daß ich ein Wörtchen davon verstund. Es muß eine gute Sache darum seyn, denn selbst in Solmas Gesetzbuche steht ihr Lob, und mein Schicksal prophezeiht mir einst das Glück derselben. – Sage mir, zeige mir, was ist die Liebe?

ARMID[ORO]. (ausweichend) Dein Schicksal? … Sage mir Prinzessinn, erzähle mir deine Geschichte …

THERBA. Ja, da hab ich jetzt Lust und Zeit dazu. – Ich will wissen, was die Liebe ist, damit ich mich darein zu schicken weiß, wenn ich sie brauche. Sieh, du singst gut, nun so singe mir’s, wenn du’s nicht sagen willst. Ich will fragen, und du hilfst mir ein. So vergeht uns die Furcht, und Leute, die singen, erregen weniger Aufsehen. – Ey was! ich frage einmahl,

[82]

und du wirst wohl nicht so unhöflich seyn, mir die Antwort schuldig zu bleiben. –

Duetto.

THERBA.

Lehre mich die Liebe kennen, Denn du kennst sie, glaub’ ich gut?

ARMID[ORO].

Soll ich dir die Liebe nennen – Mädchen! sey auf deiner Hut! Sie macht elend. –

THERBA. (traurig)

Schweige! schweige!

ARMID[ORO].

Sie macht glücklich –

THERBA. (freudig)

Zeige, zeige! Doch wie macht man’s? – Rede weiter!

ARMID[ORO].

Die Empfindung ist die Leiter,

THERBA.

Lehre mich empfindsam seyn.

ARMID[ORO].

Ach! dann hältst du mir die Leiter,

THERBA.

Und du steigst in’s Herz hinein.

THERBA.

Liebst du mich? ich liebe dich,

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ARMID[ORO].

Gute Therba, lasse mich!

THERBA.

Da klopfts heftig, klopfts dir wieder? Deine Therba liebst du sie?

(hält ihm die Hand aufs Herz.)

ARMID[ORO].

Götter seht auf mich hernieder, Hilf mir guter Pizichi!

THERBA.

Sie mich an. –

ARMID[ORO].

Ich kanns nicht wagen. –

THERBA.

Lieber Mann!

ARMID[ORO].

Was soll ich sagen?

THERBA.

Lieber! du bist glühend warm,

[83]

ARMID[ORO].

Tugend reiche mir den Arm.

BEYDE.

Ach so weh! und ach so wohl! Ach ich weiß nicht, was das soll. Wunderlich klopfts da herum, Ach, die Liebe macht mich stumm.

THERBA. Ach Blondin! Du hörst schon auf zu singen, aber ich noch nicht zu fragen. Entweder erkläre dich deutlicher, oder fang wieder von neuem an.

ARMID[ORO]. (hingerissen) Ach Therba! –

PIZICHI. Denk an Sidi! –

ARMID[ORO]. Der Ruf meines Gewissens, oder meines Genius? – Ach Therba, wenn Sidi nicht hier ist, so kann ich mich nicht näher erklären. Ich weiß nur die eine Hälfte, und Sidi weiß die andere.

THERBA. Schade! Was du ihr vertrauest, könntest du mir wohl auch vertrauen?

ARMID[ORO]. Ich kann nicht. – Laß uns gehen.

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Vierter Auftritt.

PIZICHI. ARMIDORO. THERBA.

PIZICHI. Nicht ohne mich!

ARMID[ORO]. Mein Pizichi!

THERBA. Ach ich möchte auch einen solchen Genius haben, gieb mir ihn! (nimmt ihn zu sich)

[84]

PIZICHI.

Sey immer so, und doch nicht so, So wirst du deines Lebens froh, Die Herzenslust wird sicher dein, Und Pizichi dein Schutzgeist seyn. –

Doch jetzt, jetzt naht die Zeit deiner Prüfung Armidoro. Du mußt noch einmal mit Therben zu Terramontano, und dich eigenhändig in seine Gewalt begeben. Errette Sidi, oder habe Muth für sie zu sterben.

ARMID[ORO]. Den hab ich!

PIZICHI. Hab aber auch Kraft ihr getreu zu seyn. Du nimmst mit Therben allein, ganz allein, den Weg durch diesen stundenlangen Wald in Terramontanos Schloß.

THERBA. Ich zu Terramontano – Wehe mir!

PIZICHI. Wohl dir!

THERBA. Lehrt mich vielleicht Bosphoro auf dem Wege die Liebe? – O dann scheu ich keinen Terra-montano.

ARMID[ORO]. Ach Pizichi! wie schwer prüfest du mich!

PIZICHI. Geht, die Liebesgötter geleiten euch.

ARMID[ORO]. Lasse sie weg, ich bedarf ihrer nicht. Komm Therba!

THERBA. Laß sie mit, so haben wir Ansprache. – Wo sind denn unsere Gefährten Kleiner?

PIZICHI. Alle geborgen. Geht und führt euch gut auf, denn ich kann nicht immer bey euch seyn.

(Armidoro führt Therben mit weggewandtem Gesichte fort, die immer seinen Kopf sachte nach ihr zurückdreht. Pizichi tritt zurück.)

[85]

Fünfter Auftritt.

KASPAR. BUZEPHAG. LINDAM. KIAMA. PIZICHI.

KASP[AR]. Da mag der Teufel weiter herumsteigen; ich hab mir schon vier Paar Strümpfe zerrissen. Das spitzbübische Fuhrwerk hat uns ja umgeleert, als wie ein Fuder Heu.

BUZEPH[AGEL]. Und ich bin in einen Sumpf getreten, daß ich völlige Halbstiefeln habe, und eine Kröte hat mich abscheulich angeblasen, ich meine immer, daß’s eine von denen war, die ich in den Sumpf verhext habe.

LINDAM[INE]. Mir ist Todtenübel!

KIAMA. Mir auch!

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KASP[AR]. Das wäre kein übler Streich! – Wenn ich nur meinen großen Fagott bey mir hätt’, da wär

gleichwohl ein klein wenig Wein darin gewesen. (Er läßt sie zu dem Kleinen, und Buzephagel zum Schwe-felpfeiferl riechen. Sie erhohlen sich)

KASP[AR]. (geht stolz auf und ab) Da kann man sehen, was die Tonkunst für einen Einfluß auf die Nerven hat. (er sieht den Mond) Ah, jetzt merk’ ich erst, warum die Mädeln ohnmächtig worden sind, da dro-ben hängt der Mond, und sie sind mondsüchtig! Richtig, denn das ist ja jetzt die neueste Mode-krankheit.

LINDAM[INE]. Ach so allein in dem Wald, und mit zween so bildschönen Männern!

BUZEPH[AGEL]. Ich bin für gar nichts zu rechnen.

KASP[AR]. Sie möchten mich gern papierln, und hernach brennen? aber anpumpt! Reiner, keuscher

[86]

sittsamer Mond, sichelkrummes Ebenbild, du bist Zeuge, daß ich meiner Palmire getreu bin. So lang ich diese Zeilen ansehe, so lang kommt keine Lieb in mein Herz. (er zieht ein Papier heraus) Das ist ihre eigne manupropria39 – als wanns gestochen wär, und noch obendrein französisch:

„Je vous aime40 Und das Extrem!“

BUZEPH[AGEL]. Das ist ein schöner Stil, ich wollt, ich hätt einen solchen – Aber wir sind halt schon wieder verhext – oder unsere Herrschaft ist in den Morast gefallen.

KASP[AR]. Meinetwegen; aber mit den Madeln geh ich nicht länger, denn ich kenne mich allzu gut. (will fort, sie halten ihn)

Sechster Auftritt.

PIZICHI. KASPAR. Vorige. PIZICHI hat eine kleine Handlaterne.

PIZICHI. Muß’s etwa ein Licht seyn? – Heimleuchten um einen kleinen Kreuzer?

KASP[AR]. Hohl mich der Schwarze (dreht ihn um) Du bist ja der Pizichi – Was Teufel! bist du ein Later-nenbube geworden?

PIZICHI. Ja, aber nicht für dich, Strohkopf!

KASP[AR]. Du! wenn du mir viel machst, so leucht ich dir heim.

PIZICHI. Perifirime und Hulda gebieten dir, durch mich, zu Terramontano umzukehren, Palmire

[87]

zu retten, und mit Lindamine den Weg allein durch diesen Wald zu nehmen.

KASP[R]. Was? Zurück soll ich – und allein mit der da? – Nein, nein! Pizichi da wird nichts draus.

PIZICHI. Du mußt.

KASP[AR]. Nein, und er geht nicht.

PIZICHI. So ist Palmire für dich verloren.

KASP[AR]. Meinetwegen ich gehe, aber wenn ich in einem Sumpf ersticke, so verklag ich dich bey der Fee. Ich geh! –

LINDAM[INE]. Aber ich gehe mit dir. (hängt sich ein, Kaspar dreht sich los)

PIZICHI. Gehorche! (zu Buzephagel und Kiama) Ihr folgt mir. (ab)

39 manupropr ia| ‹lat. manu propria› (m. p.) – mit eigener Hand geschrieben, unterzeichnet (MGKL) 40 Je vous a ime| ‹franz.› Ich liebe Sie

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KASP[AR]. He! Herr Laternbub! – Brav! Jetzt hat er’s Licht ausgelöscht: gewiß sind sie in einen Graben

gepurzelt.

HULDA. (unsichtb.) Sey unbesorgt, und schlage dich links. Sey behutsam. Das ist keine wahre Tugend, die keiner Prüfung ausgesetzt wird. Armidoro und Sidi warten deiner dort.

LINDAM[INE]. Wer ist das?

KASP[AR]. (still) Wer wird’s seyn? eine Hexe, es ist ja bald zwölf Uhr. Jetzt komm, wenn du willst, aber gescheidt ist schön, und kein Wort reden.

LINDAM[INE]. Nichts reden, und in der Finster gehen? Das ist nicht möglich.

[88]

Aria.

Mädchen müssen schwätzen, Ihre Züngeln wetzen, Ihre Zunge wird nicht schwer Geht bald hin und geht bald her. Immer wie ein Perpendikel Schweigen? ey! das wär ein Stückel, Wer zum Reden ist zu faul, Hat umsonst die Zung’ im Maul.

Mädchen müssen plaudern, Nie mit Antwort zaudern, Niemals schwätzen sie sich satt, Niemals reden sie sich matt. Jede, die von Staub und Asche, Ist auch eine Plaudertasche, Plaudert stets in Einem fort, Und hat stets das letzte Wort.

(Kaspar will immer drein reden, hält ihr am Ende den Mund zu, und führt sie so ab.)

Siebenter Auftritt.

Veränderung in Terramontanos Pallast.

(SIDI und PALMIRE liegen auf Pölstern und auf die Hand gestützt: ihre Lilien liegen an ihnen an: sie sprechen im Traume.)

SIDI. Ach Armidoro! – Wie lieb’ ich dich! und wie dank’ ich dir für deine Treue. –

[89]

PALMIRE. Ach Kaspar! – ach Zumio! – Welch ein süßer Traum! – – Ach, möcht’ er ewig dauern! – – –

Achter Auftritt.

HULDA, PERIFIRIME. SIDI. PALMIRE schlafend.

HULDA.

Was dir im Traum erscheint, ist wahr Es stellet dir das Urbild dar. Bleib ihm getreu, nach deiner Pflicht Sey unerschüttert! wanke nicht

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(Sie drückt Perifirime die Hand und ab)

PERIFIRIME. Ha! Ihr meine Lieben! – So kann ich euch nur im Schlafe mir meiner Gegenwart beglü-cken? – Seyd im Schlafe glücklich! (neigt sich über sie) Zittre Terramontano! zittert vor mir, Bosphoro und Zumio! Mutterrache schwebet über euch.

Aria.

Rache fordern diese Thränen Diese Thränen fordern Blut! Zehnfach sollst du sterben können Du verdammte Natterbrut! Meine Flüche treffen schwer Werden euch mit Macht ereilen Zögen mich von tausend Meilen Aus der Welten Ende her. Ach der armen Mutter Freuden Waren kurz, und lang ihr Schmerz, Es zerreißt das lange Leiden

[90]

Mein verwaistes, armes Herz Meine Lieben! lebet wohl! Euch will ich die Rache weihen, Denken wie ich euch befreyen Oder schrecklich rächen soll. Lebet wohl, nehmt diesen Kuß, Da ich von euch scheiden muß.

(Sie neigt sich über beyde)

Fort von hier und nicht verweilt, Da mein Geist zur Rache eilt. (ab)

Neunter Auftritt.

SIDI, PALMIRE.

SIDI. (erwachend.) Hört’ ich nicht die Stimme meiner Mutter? – Wo sind wir? – Ohne Gefahr gerettet – und Armidoro, wo ist er!

PALMIRE. (erwacht ebenfalls.) Kaspar! – – Ich kann nicht – ich bin ja im Wasser! – Wie hier auf diesen Pölstern? – Ach so war ja alles nur ein Traum. – (betrachtet ihre Lilie) Diana steh mir bey! Meine Lilie hat schon wieder ein Blatt verloren. – Wie ists möglich? Wir träumten uns ja auf dem Wasser?

SIDI. Ach Palmire, du irrest. Es war kein Traum. Wir sahen Armidoren und Kasparn wirklich – ach vielleicht ist er schon lange verbrannt – und er liebte mich so treu!

PALMIRE. Woher wißt ihr dann das?

SIDI. Perifirime ist mir im Traume erschienen.

[91]

PALMIRE. Ja, wer auf Träume glauben wollte! Mir sind Kaspar und Zumio auch im Traum erschienen ach, da hätt’ ich zwey Liebhaber und jetzt hab ich keinen! – Daß wir auch daher reisen musten, ehe wir verlobt waren!

SIDI. Schweige Unvorsichtige! –

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PALMIRE. Nun du lieber Himmel! – Wenn ich nicht vorsichtig bin! (guckt hinaus)

SIDI. Schweige! – Was kümmert mich dein Kammergewäsche. Kaspar, der dein Mann wird, wird deine Vorsicht am besten zu rühmen wissen.

PALMIRE. Mein Mann? – Ja, wenn die verdammte Reise nicht gewesen wäre, aber so muß ich mich, wer weiß wie lange noch! versitzen.

SIDI. Wir müssen in den Tempel der Prüfung, und dahin geht kein anderer Weg.

PALMIRE. Ich bin schon lange geprüft – und bewährt und treu befunden. Bosphoro mit seinem halb weiß, halb rothen Bart, Terramontano mit seiner petrifizirten41 Larve wird mich nicht bezaubern, höchstens Zumio, wenn er mir nicht gar zu fett und boshaft wäre, könnte mein zartes Herz erobern – Ich will ein wenig hinaus, und sehen, ob das Wasser gesunken ist – und meine Lilie mitnehmen. (nimmt sie mit) Es ist auch eine verdammte Blume, sie verwelkt vom Hauche.

SIDI. (ihre Lilie haltend) Die meine blüht, sieh diese Lilie an!

[92]

PALMIRE. Ja, weil ihr sie sorgfältiger, als ich verwahrt. (ab)

Zehnter Auftritt.

SIDI allein.

[SIDI.] Leichtsinnige! Ach Armidoro! diese Lilie ist der Spiegel meines Herzens. – Das erste Geschenk, was ich dir mache, ist diese Blume, mein Ebenbild.

Aria.

Du Blümchen, das ein starker Hauch Schon welk und dorren macht Nimm Blümchen vor Gefahr dich auch Vor rauher Luft in Acht. Blüh einsam, bis als Wanderer Er duftend dich erblickt, Und dich, gefällst du ihm zu sehr, Für seinen Busen pflückt. (ab)

Eilfter Auftritt.

TERRAMONTANO. ZUMIO.

ZUMIO. Herr! Mir thut die Wahl wehe, wo ich lieber seyn will, im Sumpfe oder im Wasser?

TERRAMONTANO. Verschweige Bosphoro, was ich dir vertraue. Ich halte dich für einen ehrlichen Kerl, und will dir deine Durchnässung hundertfach belohnen.

[93]

ZUMIO. Ich schwöre auf eure Redlichkeit, daß ich ehrlich bin.

TERRAMONT[ANO]. (zu sich) Der Teufel traue dem Schwure! – Nun gut, so höre! – Die Braut, die ich für deinen Herrn bestimmte, ist in Armidoros Gewalt, dafür ist ihr Kammermädchen Lindamine Kas-pars Geliebte und du erhältst Palmiren sicher.

ZUMIO. Herr braucht mich, zu was ihr wollt, und wenn ich meinen verstorbenen Vater umbringen soll-te!

41 petr i f i z i r ten| petrifiziert – versteinert (MGKL)

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PERRAMONT. [recte: TERRAMONTANO.] Bosphoro darf nichts davon erfahren, und da mein Hofnarr

Buzephagel mit der Bagasche durchgegangen ist, so setze ich dich an dessen Stelle, wenn du mir behülflich bist.

ZUMIO. Ich Hofnarr? – Herr, du sollst Spaße hören, daß du weinen sollst. Palmire? wird dann deine Hofnärrinn?

TERRAMONT[ANO]. Richtig! Da nimm diese Flasche, sie besitzt die Kraft, lustig zu machen.

ZUMIO. Die kann ich als Hofnarr brauchen.

TERRAMONT[ANO]. Und nebst dem die Gabe, dem Trinker alle Geheimniße zu entlocken, und ihn zu zwingen, alles zu sagen, was er auf dem Herzen hat. Doch ist die Wirkung gleich vorüber, Willst du versuchen?

ZUMIO. Wirkt der Trank auch auf euch?

TERRAMONT[ANO]. Natürlich! – Nun zur Probe. Und dann must du bey Bosphoro, Sidi und Palmiren den Versuch machen.

(Thut, als machte er einen Schluck: Zumio ebenfalls. Terramontano will

[94]

nur zum Scheine trinken, Zumio stoßt ihm aber am Munde um.)

Duetto.

Terramontano. Zumio.

TERRAMONT[ANO].

Trinke zu, du Galgenschwengel42!

ZUMIO.

Trinke zu, du falscher Bengel!

TERRAMONT[ANO].

Daß dich alles Unheil trifft!

(ihm Gesundheit zu trinkend.)

ZUMIO.

Jeder Tropfen werde Gift!

(Eben so)

TERRAMONT[ANO].

Wenn ich schmeichle, glaub es nicht!

(streichelt ihm den Bauch)

ZUMIO.

Schön thue ich dir in’s Gesicht.

(streichelt ihm die Wange)

42 Galgenschwenge l| Mensch, der den Galgen verdient hat, Missetäter (GKWB)

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BEYDE.

Gehe nur du Teufels Braten! Nein, kein Haar trau ich dir mehr – Esel geh, ich wills dir rathen Lieber Bruder, Serviteur43!

(Sie umarmen sich)

TERRAMONT[ANO].

Seht den dicken Wolsack an

ZUMIO.

Glaubt der Narr, daß er was kann.

TERRAMONT[ANO].

Dummer Esel geh hinaus!

ZUMIO.

Wär ich Herr, du sollst hinaus!

BEYDE.

Schurke! du bist mir zuwider Schon dein Anblick ärgert mich Ach! wir lieben uns wie Brüder – Hätt’ ich dich, wie wollt’ ich dich!

(Sie gehen umschlungen ab, und stechen sich rücklings die Eselohren. An der Thüre geht Zumio zurück.)

(Dieses Duett muß so gesungen und gespielet werden, daß Ausdruck und Gesang immer mit der Action falsch

[95]

begleitet, und da, wo eine Sottise44 gesagt, sie mit Komplimentart gesungen, und gespielet wird.)

Zwölfter Auftritt.

ZUMIO allein, dann BOSPHORO.

ZUMIO. Geh du falscher Kerl – du hast dich verschnappt – aber ich habe mich wacker gehalten, und ihm wider meinen Willen die größten Komplimente gesagt. Da kömmt Bosphoro, dem muß ich gleich alles entdecken, weil der falsche Drache es so redlich mit mir meint.

Dreyzehnter Auftritt.

BOSPHORO. ZUMIO.

ZUMIO. Lebt ihr auch noch gestrenger Herr? –

BOSPH[ORO]. Leider, zu meiner Qual, da ich alle meine Anschläge vereitelt sehen muß.

ZUMIO. Ach Herr, damit ihr seht, wie herzlich ich es mit euch meine, da nehmt einmal diese Flasche in die Hand. Den Trank erhielt ich von Terramontano, um ihn Sidi zu reichen. Er besitzt die Kraft alle Geheimniße aus dem Herzenskeller ohne Einschlag herauszulocken.

43 Serv i teur| ‹franz.› Diener (PUL) 44 Sott ise| Albernheit, Narrheit, beleidigende Rede (PUL)

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55

BOSPH[ORO]. Und den vertraute er dir an?

ZUMIO. Ja Herr, und obschon ihr einen rothen Bart habt, so ist er doch ein größerer Spitzbube.

BOSPH[ORO]. Halunke! was hindert mich –

[96]

ZUMIO. Mäßigt euch, ich will euch Dinge entdecken – (er geht in den Hintergrund zu lauschen, in dem Augen-blicke verwechselt Bosphoro die Flasche mit der seinigen.)

BOSPH[ORO]. Ich will ihm die Alraunflasche45 dafür geben, und mich so zugleich an Terramontano rä-chen. – Da nimm deine Flasche wieder, ich mag keinen Gebrauch zum Schaden meines Nächsten machen. – Mache aber bey Sidi und Palmire keinen Gebrauch ohne mein Wissen.

ZUMIO. Gut! Der Zauberer ist euch um mich neidisch. (geheimnißvoll) Er will mich zum Hofnarren ma-chen.

BOSPH[ORO]. Dich? – Du dummer Kerl! Ha! ha! ha!

ZUMIO. Nu seht ihr, Herr, daß ich spassig bin, ihr lacht schon, ohne daß ich ein Wort rede?

TERRAMONTANO. (von innen.)

Rodle rodle, Brodle! brodle! Komme lieber Bosphoro!

ZUMIO. Jetzt geht Herr! der Zaubrer rührt euch schon das Häferl.

BOSPH[ORO]. Sey klug. (ab)

Vierzehnter Auftritt.

ZUMIO allein.

[ZUMIO.] Es ist doch ein Elend um einen dicken Domestiken. Wie freue ich mich, wenn ich einmal

[97]

in Ruhestand gesetzet werde. – Nach so viel Strapazen hab’ ich einen solchen Hunger, daß ich nicht mehr bleiben kann. – Ach, wenn ich an meine selige Heimath denke, so steigt mir das Wasser in den Zähnen auf. So ein Speckknödelchen in der Form einer Schiebkugel von der Hand meiner alten Baase Marzibille. – Ich bin verliebt wie ein Täuber, aber beym Cerberus, ich gebe Palmiren in die-sem Augenblick für ein Speckknödel hin.

Fünfzehnter Auftritt.

Ein weiblicher GENIUS kömmt als Köchinn mit einer Schürze, und stellt ihm eine Schüssel voll Knödel hin.

GENIUS. Da iß!

ZUMIO. Tausend Dank! – aus welcher Küche?

GENIUS. Aus der Hofküche – Laß dir’s schmecken. (läuft ab)

ZUMIO. (die Finger darnach leckend) Wart sie ein wenig Jungferchen – ich will ihr etwas schenken. (er sucht lange) Ha! Ein Göttergeruch! (er nimmt einen, und steckt ihn in den Mund, der alsogleich feurig wird.) Alle Teufel! was ist das? Die sind nah am Feuer gestanden. (er versucht es wieder) Auweh, auweh! – (er läuft

45 Alraunf la sche| Alraun – von ‹althochdt. alruna› Geheimnis; Alraun ist auch ein anderer Name für die Wurzel von Mandra-gora, die wegen ihrer menschenähnlichen Gestalt als Alräunchen bezeichnet wird, das Alräunchen (auch Galgenmännchen) ist dem Aberglauben nach ein weissagender dämonischer Geist, der als glückbringend angesehen wird (PUL, MGKL)

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wie wüthend herum) Heiß! heiß! – Wasser! Wasser! (er leert die Flasche, und thut als blieb ihm etwas im Halse stecken.) Alle Wetter, was ist das? –

[98]

Es zappelt in meinem Halse, es hüpft in meinem Magen, zwickt in meinem Bauche. (Er erhebt ein jämmerliches Geschrey, und wälzt sich auf der Erde.) Ihr verfluchten Spitzbuben! – Ach, wenn noch ein är-gerer ist, so komm er mir zu Hülfe, Herr Teufel! Belial, Luzifer, Satanas! –

Sechszehnter Auftritt.

KASPAR als Zauberer. ZUMIO sich wälzend.

KASP[AR]. Wer ruft mich!

ZUMIO. Ach gnädiger Herr von Teufel, ich habe Feuer im Leib.

KASP[AR]. So trink Wasser.

ZUMIO. Hab’s schon gethan, und da hab’ ich eine Kröte mit hineingesoffen.

KASP[AR]. (besieht die Flasche) Unglücklicher! Das ist eine Allraun Flasche, du hast das Allraunel mit aus-getrunken.

ZUMIO. Ach der Himmel steh mir bey. – Es macht völlige Burzelbäume im Leibe, helft mir Herr Teu-fel!

KASP[AR]. Ich bin nicht der Teufel, wohl aber sein Gebieter, der Zauberer Krimskramskrabes, der auf deinen Ruf erscheint, da Bosphoro und Terramontano in der Beschwörung begriffen sind. (Er be-rührt ihn.)

ZUMIO. (aufspringend) Ich küße tausendmahl die Hände – ach! wie ist mir so leicht!

[99]

(Er nimmt den Teller und wirft ihn hinaus) Geht zum Teufel mit samt der Köchinn! –

KASP[AR]. Ohne mich wärst du verloren gewesen. – Zur Dankbarkeit schwöre mir, wider Sidi und Palmiren nichts zu unternehmen, und Kasparn nichts in den Weg zu legen.

ZUMIO. Alles, alles. – Wenn er da gewesen wäre, ich hätte ihm so gar mit Knödeln aufgewartet, und mit einem Trunke.

KASP[AR]. Bösewicht! – Wofern du deinen Schwur brichst, so wird dich der Teufel hohlen. Belial er-scheine!

Siebenzehnter Auftritt.

BUZEPHAGEL bucklicht als Teufel. KASPAR. ZUMIO, noch immer etwas benebelt.

BUZEPH[AGEL]. (durch die Nase) Was willst du Herr?

ZUMIO. Lieber Herr Bruder Teufel, thue er mir nichts, ich bin selbst ein armer Teufel, und ein Recon-valescent46.

KASP[AR]. Nimm den Kerl wohl in’s Gesicht, und messe seine Schwere, ob du im Stande bist, ihn durch die Luft zu tragen.

BUZEPH[AGEL]. Herr, und wenn’s zwölfe wären. Die dicken Herren trag ich lieber als die dünnen.

ZUMIO. Ich will ja gern alles thun! – Der Himmel verzeih mir meine Sünde, aber wie sieht der Teufel dem Notenträger so gleich!

46 Reconvale scent| Genesender, ein sich von seiner Krankheit Erholender (PUL, HCL)

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[100]

KASP[AR]. (ein Papier herausziehend) Unterschreibe! –

BUZEPH[AGEL]. (dreht ein Horn ab, giebt Zumio eine Feder, und läßt ihn eintauchen)

KASP[AR]. Nun, wirds bald?

ZUMIO. Der Herr ist gewiß ein Bogenschreiber in der Hölle? –

BUZEPH[AGEL]. Zu dienen. (Er legt sich hin)

ZUMIO. Ein sauberer Schreibkasten? – Nu, die Schrift wird der Teufel lesen können.

KASP[AR]. Das soll er auch! Schreibe nur so wie sonst, du hast ohnehin eine Teufelsschrift. – Schreib! Ich entsage Palmiren.

ZUMIO. Das kann ich nicht schreiben.

KASP[AR]. (drohend) Warum nicht?

ZUMIO. Ich kann gar nicht schreiben.

KASP[AR]. So schreibe wenigstens deinen Namen.

ZUMIO. So! – (thut es)

BUZEPH[AGEL]. (steckt sein Horn wieder auf) Und wenn du dein Wort brichst, so hohl ich dich mit der Extrapost.

ZUMIO. Was hab ich denn unterschrieben – Etwa gar einen Wechsel?

KASP[AR]. Ja, auf deine Seele.

ZUMIO. Das geht an, keinen andern könnt’ ich ohnehin nicht bezahlen. Das heißt aber nur dann, wenn ich mein Wort breche?

KASP[AR]. Nur dann.

BUZEPH[AGEL]. Traue mir nicht; ich bin ein wilder Teufel, wenn ich in Harnisch komme.

[101]

Aria durch die Nase.

BUZEPHAGEL.

Ich bin ein großer, großer Herr, Der Bruder von Herrn Luzifer. Ich bin Satanas Herr Schwager, Plutos erster Kucheltrager, Mephistophilis Herr Vetter, Und geheimer Hoftrompeter. Wenn einer will zum Teufel gehn, Blas ich dazu, Treng teng ten ten! (ab)

Achtzehnter Auftritt.

ZUMIO. KASPAR.

ZUMIO. Schau der Teufel ist musikalisch, er singt durch die Fistel!47

47 e r s ingt durch d ie F i s te l| vgl. Fistelstimme, Falsett – von ‹lat. fistula› Röhre; eine besondere Art der Stimmerzeugung, die überwiegend für höhere Tonlagen geeignet ist (MGKL)

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KASP[AR]. Das glaub ich: der Teufel hat ja auch seine Hofkapelle – Du fühlst dich doch nun wieder

besser?

ZUMIO. Zu dero Befehl – la la comme ça –

KASP[AR]. Nun will ich dir auch das Allraunel zeigen, das du verschluckt hast.

ZUMIO. Meinetwegen, aber ich halte das Maul fest zu, daß es mir nicht wieder hinunter rutscht.

(Kaspar winkt. Pizichi kömmt eben so wie Zumio angezogen, in der nämlichen proportionirten Dicke, mit schwarzkrau-sem Kopfe u. s .w.)

[102]

Neunzehnter Auftritt.

PIZICHI als Zumio. ZUMIO. KASPAR.

ZUMIO. (erstaunt) Haltet mich, mich wandelt eine Ohnmacht an! – Das ist ja mein leibhaftiges Ebenbild? (Pizichi läuft zu Zumio, und küßt ihm die Hand) Guten Morgen Herr Papa.

KASP[AR]. Das ist das Allraunel.

ZUMIO. Was Allraunel, was? – Das ist ja mein leiblicher Sohn? – Nun vergeß ich alle Schmerzen, komm du Herzensjunge! –

(er hebt Pizichi auf, und tanzt mit ihm herum. Kaspar lacht ihn aus.)

KASP[AR]. Nun was giebst du mir für die Freude?

ZUMIO. Ich überlasse dir Palmiren, zu was brauch ich sie nun weiter?

PIZICHI. Papa, mich hungert wie einen Rohrwolf.

ZUMIO. Hungern? – O es läßt sich nicht läugnen, du bist mein Sohn. – Komm, daß uns die Zaubrer nicht erblicken. Komm süße Furcht meines Durstes!

Duetto.

Pizichi und Zumio. (indem er ihn bald auf den Arm nimmt, bald niederstellt, bald mit ihm herumtanzt. Kaspar macht seine Grimassen.)

ZUMIO.

Alle Wetter! Sapperment!

PIZICHI.

Mein Papa! Potz Element!

ZUMIO.

Sagt mir’s, bin ich’s, wer mich kennt?

(Er stellt sich neben ihn)

PIZICHI.

Ich bin kürzlich abgespännt.*)48

48 Anmerkung im Original: *)Ein Provinzialismus für, von der Brust entwöhnen.

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[103]

ZUMIO.

Er hat völlig mein Gesicht.

PIZICHI.

Bin ich’s, oder bin ich’s nicht?

ZUMIO.

Ja du bist’s, du bist mein Sohn!

PIZICHI.

Mach’, sonst lauf’ ich gleich davon.

ZUMIO.

Büberl, wie! du kannst schon laufen?

PIZICHI.

Ja Papa! und fressen uns saufen.

ZUMIO. PIZICHI.

Ey das alles kannst du schon? Ja das alles kann ich schon. Bist mein Blut und bleibst mein Sohn! Bin dein Blut, dein wahrer Sohn.

ZUMIO.

Sage, willst du wohl studiren?

PIZICHI.

Lehrt mich lieber das Transchiren.

ZUMIO. (küßt ihn)

Ach! du gleichst mir auf ein Harr.

PIZICHI.

Auf die Art wär’ ich ein Narr?

ZUMIO. PIZICHI.

Er ist witzig! ah c’est bon!49 Wie der Vater, so der Sohn. Vater ach! mich hungert schon, Trag in’s Wirthshaus deinen Sohn.

(trägt ihn ab.)

Zwanzigster Auftritt.

KASPAR allein, nimmt die Flasche.

[KASPAR.] Ha, ha, ha! – Hab ich dich erwischt Spitzbube – Ich habe dich wohl schimpfen gehört – Nu warte, Pizichi wird dich schon ängstigen. Weil ich ihn nur in’s Schloß gebracht habe, um Sidi und

49 ah c ’es t bon!| ‹franz.› ah, das ist gut!

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Palmire zu trösten – O du goldene Flasche, wer weiß, zu was du mir noch gut bist, komm her! Mein Herz soll dein Flaschenkeller seyn. (ab)

[104]

Ein und zwanzigster Auftritt.

ZUMIO allein: denn TERRAMONTANO und BOSPHORO.

ZUMIO. Ach mein kleiner Zumio! – Wo bist du hin? – Ich bin um meinen kleinen Zumio gekommen, wer hat mir ihn gestohlen?

TERRAM[ONTANO]. Was erhebt der Dummkopf für ein Geschrey?

BOSPH[ORO]. Was fehlt dir?

ZUMIO. Ach! ich habe die Flasche zerbrochen, die ihr mir geschenkt habt, und da ist das Allraunchen herausspazirt, und hat mir auf’s Haar gleich gesehen, und nun ist es fort.

BOSPH[ORO]. Verdammter Streich!

TERRAM[ONTANO]. Was hör ich? –

BOSPH[ORO]. Vergieb mir Herr! ich habe die Kraft des Trankes versuchen wollen, und Zumios Flasche gegen die meinige vertauscht.

TERRAM[ONTANO]. Ich wollte, daß euch beyde der Beelzebub hohlte!

ZUMIO. Ach, ich gehöre ohnehin schon sein! (zitternd)

TERRAM[ONTANO]. Undankbarer Rothbart, und du ungeschickter ausgefressener Schmeerbauch, was soll ich nun mit euch beginnen? Ich hätte gute Lust, euch in Oel zu sieden.

ZUMIO. (niederknieend) Ach Herr, ich kann schon den Geruch nicht leiden, ich müßte vor Grausen ster-ben.

[105]

BOSPH[ORO]. Sey großmüthig Terramontano, und vergieb mir – Ich wollte nur deine Treue prüfen. – Hier hast du deine Flasche wieder. (giebt sie ihm)

TERRAM[ONTANO]. Was will ich mit euch machen? Euch hat die böse Henne ohnehin auf dem Neste vergessen. (zu Zumio) Wir zwey sprechen schon noch miteinander, ich habe dir ohnehin noch etwas angeschrieben.

ZUMIO. Löscht es wieder aus Herr – Ihr wißt, ich bin ein aufrichtiger Kerl, und ihr habt euch auch so ziemlich das Maul verbrennt, und wenn ich – – –

TERRAM[ONTANO]. Schweige Nilpferd! – – Die Zeit meiner Macht über unsere Feinde ist bald zu Ende – Sie sind durch meine Geister alle wieder in unserer Gewalt, ich habe sie in zwey der untersten Berghöhlen, abgesondert, eingekerkert. Theilt diesen Trank in kleine Fläschchen. Ich dringe mit meinen Leuten auf einer, du von der andern Seite ein. – Für uns sind die Felsenwände durchsichtig, und wir können alles übersehen, dann – –

ZUMIO. Ha ha ha! Das ist also ein unterirdisches Guckinsloch?

TERRAM[ONTANO]. Schweige Meeraffe!

BOSPH[ORO]. Schweige Tölpel!

ZUMIO. Ihr müßt einen curjosen Kalender haben – Das sind ja lauter fremde Namen – Reden die Her-ren nur weiter.

TERRAM[ONTANO]. Wenn du erlaubst. Wir reden ihnen zu, einander zu entsagen, geben diesen Trank

[106]

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für Gift aus, und zwingen sie ihn zu nehmen, wenn sie beharren.

BOSPH[ORO]. Ha! ich verstehe. Dann reden sie aus Herzensgrunde, und wir erfahren manches, was uns nutzbar ist. –

TERRAM[ONTANO]. Widerstehen sie, so tödten wir Armidoren und Kasparn vor ihren Augen. Therba ist dein und Sidi ist mein. – Du gehst auf Sidis Seite und ich zu Armidoren – (leise) Damit er Therba nicht erkenne.

ZUMIO. Und Palmire? –

TERRAM[ONTANO]. Soll deine Treue krönen. Kommt.

ZUMIO. Da werd’ ich so ziemlich dem Teufelsschreibzeug ähnlich sehen. – Ey was, einem Teufel hab ich mich schon unterschrieben, dann unterschreib ich mich dem andern. Vergißt der auf mich, so hat mich der andere beym Zipfel. Herzenskind! Wo bist du? Komm in die Arme deines Vaters. (alle ab)

Zwey und zwanzigster Auftritt.

Veränderung in eine unterirdische finstere Berghöhle mit schwachen Lampen erleuchtet: das Theater ist in der Mitte ab-getheilt, so, daß auf beyden Seiten zwo Handlungen vorgehen können. Auf einer Seite ist SIDI, PALMIRE. Auf der an-

dern: ARMIDORO, KASPAR, BUZEPHAGEL, THERBA, LINDAMINE, KIAMA.50

Auf Seite I.

SIDI. Gott! Was soll mit uns geschehen? – Wir sind verloren!

Auf Seite II.

ARMID[ORO]. Welche düstere, schaudervolle Höhle – Ach Sidi! dein Armidoro stirbt für dich.

[107]

[Auf Seite I]

PALM[IRE]. Der Grobian von einem Zauberer, uns im Finstern so lang allein zu lassen. Ach Kaspar! Wüßtest du, wie man deiner Palmire begegnet!

SIDI. Du kennst meine Unschuld und meine Liebe, und du Geist meiner Mutter, wache über mir und meinen Armidoro.

PALM[IRE]. Ach Kaspar! Wenn du meinen Tod erfährst, so blase mir ein Trauerlied auf deinem Fagotte.

[107]

[Auf Seite II]

KASP[AR]. Ach Palmire! Dein Kaspar blast jetzt das letzte Solo, hernach geht seinem Fagott der Athem aus.

THERBA. Lieber Blondin! Soll ich denn wirklich sterben, eh ich noch weiß, was Liebe ist?

BUZEPH[AGEL]. Itzt müssen wir schon vor unserem Tod in einer Hölle verschmachten.

LINDAM[INE]. In der Blüthe meiner Jahre soll ich schon dahin?

KIAMA. Wär ich lieber im Bette gestorben!

50 Es wurden die beiden Parallelszenen nicht wie im Original nebeneinander, sondern hintereinander wiedergegeben. Diese Handhabung hat zur Folge, dass die Originalseitenzahl in eckiger Klammer zweimal angegeben wird.

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Drey und zwanzigster Auftritt.

BOSPHORO und einige Berggeister zu SIDI und PALMIRE, von Zumio begleitet. TERRAMONTANO ebenfalls mit eini-gen Sklaven zu ARMIDORO. Einige tragen Dolche. [Die Szene ist wieder geteilt.]

[Auf Seite I]

BOSPH[ORO]. (zu Sidi) Zittre nicht schöne Sidi. – Ich bringe Leben oder Tod. Terramontano entbiethet dir seine Liebe, wenn du Armidoren entsagest,

[108]

der dich bereits aufgegeben hat, oder den Gifttod in diesem Becher. Ein Rettungsmittel ist dir übrig, wenn du mich erwählest.

ZUMIO. (zu Palmiren) Wähle Palmirchen! – Gieb mir den Tod, und laß mich ihn dir nicht geben. – Ich will als dein Sklave sterben.

SIDI. (ihre Lilie emporhebend) Fort von mir, Ungeheuer! – Du kannst mich tödten, aber nicht über meine Tugend triumphiren. – Armidoro! im letzten Augenblicke meines Lebens schwör’ ich dir Treue – Du kannst nicht ungetreu seyn. – (mit Muth) Gebt mir den Becher.

PALM[IRE]. Ach Kaspar! Ich dachte nur an deiner Seite zu sterben. – Heiß glüh ich vor Liebe – laßt mich sie löschen! (auf den Becher.)

[109]

BOSPH[ORO]. Wohlan, so seyd vernichtet.

ZUMIO. Sauft den Tod hinein!

[107]

[Auf Seite II]

TERRAM[ONTANO]. Ha Nattergezüchte! find ich euch hier beysammmen? Und du verlaufene Dirne (zu Therba) und du verrätherischer Schurke –

[108]

(zu Buzephagel) euer Lebensende nahet sich. – Ihr beyden Gauner! (zu Armid. und Kaspar) Entsaget eurer Liebe, oder trinkt den Tod aus diesen Gefäßen.

ARMID[ORO]. Bösewicht! – Ich verabscheue dich und deinen Antrag, und werde Sidi nie vergessen.

KASP[AR]. Ich will für Palmiren sterben, und vermache ihr meinen Fagott im Kodizille51.

BUZEPH[AGEL]. Und ich will dich noch im Tode auspfeiffen, du abscheuliches Scheusal. (mit Carricatur)

THERBA. Ich entsage meinem Blondin, weil er Sidi liebt, aber dich verachte ich, weil du dem Marder ähnlich siehst, der meine Tauben fraß.

TERRAM[ONTANO]. So sterbe Natterbrut! Euch beyde nehm ich in meinen Pallast (zu Lindam. und Kia-ma)

[109]

BOSPH[ORO]. Wohlan, so seyd vernichtet.

ZUMIO. Sauft den Tod hinein!

51 Kodizi l le| Kodizill – eine dem Testament beigelegte Verfügung (MGKL)

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Sextetto.

SIDI.

Armidoro meine Treue, Nimmt im Tode selbst nicht ab, Du dem ich die Blume weihe,

(hebt sie aus dem Busen)

Pflanze sie einst auf mein Grab.

ARMIDORO. (von der andern Seite, ohne sie zu sehen.)

Sidi, Sidi! meine Treue, Bauet mir das frühe Grab, Du, der ich die Zither weihe, Nimm ihr ihre Saiten ab.

THERBA.

Meine frühe Jugend sinket, Ungenossen in das Grab, Und, eh’ noch der Frühling winket, Fallen meine Blätter ab.

KASP[AR].

Ach Palmire, bey dem Blasen Aller Winde schwör ich dir, Meine Kunst – das ist zum rasen! Die Fagottkunst stribt mit mir.

GEISTER.

Zückt die Dolche, füllt die Becher,

TERR[AMONTANO]. BOSPH[ORO].

Ruhe bringt uns euer Tod.

DIE UEBRIGEN.

Pizichi, sey unser Rächer, Schlage Zither, blas Fagott!

[110]

KASP[AR].

Komm heraus du Miedel! Maunel!*)52 Komm heraus! husch, husch, Allraunel! Komm heraus, und mach uns frey, Puff! Das Glas ist gleich entzwey!

ALLE.

Gute Götter! steht uns bey! Pizichi ach! steh uns bey!

(Er wirft das Glas weg: das Theater verändert sich in die letzte Decoration, Perifirime und Hulda geheiliget. Rückwärts Hulda und Pizichi mit Kränzen geziert bey Hulda und Perifirimen, samt den Genien. Bosphoro, Zumio und Terramon-

tano erstarren.)

52 Anmerkung im Original: *)Ein Provinzialismus.

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SIDI. (zu ihren Füßen) Meine Mutter!

ARMID[ORO]. Meine Sidi!

SIDI. (auf ihn zueilend) Armidoro!

KASP[AR]. Palmire!

PALM[IRE]. Herzensfagottist!

HULDA. (mit Pizichi und Rulla vortretend) Vergeßt ihr eure Schutzgeister? (alle küßen sie)

PERIFIR[IME]. (Therba Armid. zuführend) Umarme dieses Mädchen!

SIDI. Wie, meine Mutter?

ARMID[ORO]. (erstaunt) Therba?

PERIFIR[IME]. Du vermißest seit den Kinderjahren deine Schwester – Empfange sie aus meinen Hän-den, und führe sie in deines Vaters Reich. (Therba und Armidoro umarmen sich)

ARMID[ORO]. Meine Schwester!

THERBA. Bruder! Wie ist es möglich?

PERIFIR[IME]. Dieser Unhold raubte dich als Kind deiner trostlosen Mutter (auf Terramont.) Doch genug für jetzo! Ich habe die Tugend belohnt,

[111]

ich will nun auch das Laster bestrafen, und dießmal sollt ihr mir nicht so geschwinde entwischen. (Sie winkt: Bosph. Zumio werden versteinert) Werdet Stein; wie euer Herz es war, und bleibet so, bis wie-der euch ein Stein befreyt. Und du (zu Terramont.) sinke in das Eingeweide der Erde, und schlage dir die noch übrigen Zähne in den Hals. (Er versinkt: ein starker Windstoß.)

KASP[AR]. Br! Das war gewiß der letzte Wind, den er gemacht hat.

HULDA. Und nun Rulla! – Sey du der Lohn des braven Pizichi! (Sie giebt sie zusammen.)

ALLE. Wie sollen wie euch danken?

PIZICHI. Durch eure Liebe – (an das Parterre) Durch euren Beyfall und eure Gnade! – Denn nur von Euch hängt Pizichis Daseyn und Wachsthum ab: nur von Euch hängt es ab, ob er diese guten Kin-der noch ferner begleiten, oder sich in seine Region zurückziehen, und ob er seinem Urheber flu-chen oder ihm danken soll?

PERIFIR[IME]. (zu Pizichi) Du geleitest Therben und Armidoren. Wir müssen für das gute Mädchen ei-nen Mann suchen, damit auch sie glücklich werde.

KIAMA. Auch für uns!

LINDAM[INE].

HULDA. Gewiß. – Nun vollführt eure dritte und letzte Reise. (zu Armidoro und Sidi) Doch vorher dankt euren Schutzgeistern für eure Rettung.

[112]

BUZEPH[AGEL]. Auch die Reise mach ich mit, und will mir alle Mühe geben, sie euch nicht langweilig zu machen.

KASP[AR]. Und wenn ich über die Reisekosten der zweyten Reise so viel, wie bey der Ersten heraus-bringe, so mach ich auch die Dritte mit.

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Schlußgesang.

Rulla leb und Pizichi, Ueberall hilft ein Genie. Hebt die Genien empor, Preiset sie im Freudenchor. Wir sind alle hier zufrieden: Pizichi! du gutes Kind, Mache, daß es auch hienieden Unsre Gönner alle sind.

Hulda und Perifirime besteigen den Thron. Armidoro und Sidi knieen vor demselben, und werden mit Kränzen geziert. Therba steht auf der ersten Stufe, und empfängt aus Huldens Händen eine Lilie, die sie über beyde Häupter emporhält, und der Armidoro eine Hand reicht. Sidi und Palmire schwingen ebenfalls ihre Lilien, und Kaspar und Palmire knieen auf beyden Seiten. Buzephagel knieet mitten, und hält sein Pfeifchen an den Mund. Die Genien machen einen Halbzir-

kel, und die Berggeister halten Stuffen auf Tassen empor, Pizichi und Rulla werden auf beyden Seiten aufgehoben, und in dieser Gruppe fällt der Vorhang.

Ende.

jz