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VIP R&D Plasmatechnik – meist unsichtbar, aber unverzichtbar fu ¨r die Zukunft Plasma Technology - mostly invisible, but important for the future Karin Reichel 204 Vakuum in Forschung und Praxis 17 (2005) Nr. 4 204–208 Ó 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI:10.1002/vipr.200500261 0947-076X/05/0408 Zusammenfassung Die Plasmatechnik ist eine bedeutende Querschnittstechnologie mit einer enor- men Anwendungsvielfalt und einem gro- ßen Zukunftspotenzial. Dies ist das Ergeb- nis der Evaluierung des Fo ¨rderschwer- punktes Plasmatechnik des Bundesmini- steriums fu ¨r Bildung und Forschung (BMBF), die im Jahr 2004 abgeschlossen wurde. Der Beitrag gibt einen U ¨ berblick u ¨ber die wesentlichen Aussagen der Eva- luierung und die relevanten Anwendungs- und Forschungsthemen. Summary Plasma Technology is an important key technology with various applications and an immense potential for the future. This is the result of the evaluation of the research programme plasma technology of the German Federal Ministry of Education and Research which was finished in 2004. The article gives an overview about the main statements and the prior topics of appli- cation and research. Einleitung Die Plasmatechnik erobert zunehmend neue Anwendungsbereiche, auch wenn sie – bis auf den Bereich der Plasmalichtquel- len – fu ¨r den Nutzer im Allgemeinen un- sichtbar bleibt. So hat die Plasmatechnik wesentlich zur Realisierung der Hoch- druckdirekteinspritzung bei Dieselmoto- ren beigetragen, Abbildung 1. Plasmatech- nische Verfahren ermo ¨glichen die Be- schichtung von Architekturglas oder die Herstellung effizienter Solarzellen ebenso, wie die Nanostrukturierung bzw. Funktio- nalisierung von Biochips, Abbildung 2. Die hierfu ¨r relevanten technischen Plasmen weisen eine Vielzahl spezieller Eigen- schaften auf und eignen sich als univer- selles Werkzeug fu ¨r die Beschichtung, Funktionalisierung oder Strukturierung von Oberfla ¨chen, fu ¨r den Schadstoffabbau in Abgasen oder die effiziente Lichterzeu- gung. Die Anwendungen werden aufgrund wachsender Komplexita ¨t und dem Trend zur Miniaturisierung zunehmend an- spruchsvoller bei gleichzeitiger Forderung nach einfacheren und kostengu ¨nstigeren Prozessen. Hier sind vor allem Hochlei- stungs- und Atmospha ¨rendruckverfahren gefragt. Aufgrund ihres universellen Cha- rakters und ihrer ausgepra ¨gten Umwelt- freundlichkeit entwickelt sich die Plasma- technik zu einer unverzichtbaren Basis- technologie im Bereich der Prozess- und Verfahrenstechnik. Das Bundesministerium fu ¨r Bildung und Forschung (BMBF) hat diesen Trend fru ¨h- zeitig erkannt und fo ¨rdert seit Mitte der 90iger Jahre versta ¨rkt industriegefu ¨hrte Verbundprojekte, um das Potenzial der Plasmatechnik fu ¨r neuartige Anwendungen nutzbar zu machen. Diese Fo ¨rderung wur- de im Zeitraum April 2003 bis April 2004 vom Institut fu ¨r Angewandte Wirtschafts- forschung in Tu ¨bingen evaluiert. Die we- sentlichen Aussagen zum Stand und Po- tenzial der Plasmatechnik sollen nachfol- gend kurz erla ¨utert werden. Die Ergebnisse sind im Detail in der Broschu ¨re zur Evalu- ierung Plasmatechnik enthalten [1]. Volkswirtschaftliche Bedeutung der Plasmatechnik Die Evaluierung hat gezeigt, dass Deutschland u ¨ber eine ausgezeichnete Marktposition verfu ¨gt und neben den USA Abb. 1: Unit-Injector-System fu ¨r Nutz- fahrzeuge (Quelle: Robert Bosch GmbH, Stuttgart) Abb. 2: Plasmafunktionalisierter Dia- gnostikchip (Quelle: Boehringer Ingelheim microParts GmbH, Dortmund)

Plasmatechnik – meist unsichtbar, aber unverzichtbar für die Zukunft. Plasma Technology - mostly invisible, but important for the future

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VIP R&D

Plasmatechnik – meist unsichtbar,aber unverzichtbar fur die Zukunft

Plasma Technology - mostly invisible, but important for the future

Karin Reichel

204 Vakuum in Forschung und Praxis 17 (2005) Nr. 4 204–208� 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI:10.1002/vipr.200500261

0947-076X/05/0408

Zusammenfassung

Die Plasmatechnik ist eine bedeutende

Querschnittstechnologie mit einer enor-

men Anwendungsvielfalt und einem gro-

ßen Zukunftspotenzial. Dies ist das Ergeb-

nis der Evaluierung des Forderschwer-

punktes Plasmatechnik des Bundesmini-

steriums fur Bildung und Forschung

(BMBF), die im Jahr 2004 abgeschlossen

wurde. Der Beitrag gibt einen Uberblick

uber die wesentlichen Aussagen der Eva-

luierung und die relevanten Anwendungs-

und Forschungsthemen.

Summary

Plasma Technology is an important key

technology with various applications and

an immense potential for the future. This is

the result of the evaluation of the research

programme plasma technology of the

German Federal Ministry of Education and

Research which was finished in 2004. The

article gives an overview about the main

statements and the prior topics of appli-

cation and research.

Einleitung

Die Plasmatechnik erobert zunehmend

neue Anwendungsbereiche, auch wenn sie

– bis auf den Bereich der Plasmalichtquel-

len – fur den Nutzer im Allgemeinen un-

sichtbar bleibt. So hat die Plasmatechnik

wesentlich zur Realisierung der Hoch-

druckdirekteinspritzung bei Dieselmoto-

ren beigetragen, Abbildung 1. Plasmatech-

nische Verfahren ermoglichen die Be-

schichtung von Architekturglas oder die

Herstellung effizienter Solarzellen ebenso,

wie die Nanostrukturierung bzw. Funktio-

nalisierung von Biochips, Abbildung 2. Die

hierfur relevanten technischen Plasmen

weisen eine Vielzahl spezieller Eigen-

schaften auf und eignen sich als univer-

selles Werkzeug fur die Beschichtung,

Funktionalisierung oder Strukturierung

von Oberflachen, fur den Schadstoffabbau

in Abgasen oder die effiziente Lichterzeu-

gung.

Die Anwendungen werden aufgrund

wachsender Komplexitat und dem Trend

zur Miniaturisierung zunehmend an-

spruchsvoller bei gleichzeitiger Forderung

nach einfacheren und kostengunstigeren

Prozessen. Hier sind vor allem Hochlei-

stungs- und Atmospharendruckverfahren

gefragt. Aufgrund ihres universellen Cha-

rakters und ihrer ausgepragten Umwelt-

freundlichkeit entwickelt sich die Plasma-

technik zu einer unverzichtbaren Basis-

technologie im Bereich der Prozess- und

Verfahrenstechnik.

Das Bundesministerium fur Bildung und

Forschung (BMBF) hat diesen Trend fruh-

zeitig erkannt und fordert seit Mitte der

90iger Jahre verstarkt industriegefuhrte

Verbundprojekte, um das Potenzial der

Plasmatechnik fur neuartige Anwendungen

nutzbar zu machen. Diese Forderung wur-

de im Zeitraum April 2003 bis April 2004

vom Institut fur Angewandte Wirtschafts-

forschung in Tubingen evaluiert. Die we-

sentlichen Aussagen zum Stand und Po-

tenzial der Plasmatechnik sollen nachfol-

gend kurz erlautert werden. Die Ergebnisse

sind im Detail in der Broschure zur Evalu-

ierung Plasmatechnik enthalten [1].

VolkswirtschaftlicheBedeutung der Plasmatechnik

Die Evaluierung hat gezeigt, dass

Deutschland uber eine ausgezeichnete

Marktposition verfugt und neben den USA

Abb. 1: Unit-Injector-System fur Nutz-fahrzeuge(Quelle: Robert Bosch GmbH, Stuttgart)

Abb. 2: Plasmafunktionalisierter Dia-gnostikchip(Quelle: Boehringer Ingelheim microPartsGmbH, Dortmund)

Vakuum in Forschung und Praxis 17 (2005) Nr. 4 205� 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

und Japan zu den Weltmarktfuhrern zahlt.

Dies gilt vor allem fur den Bereich der

Plasmaanlagen, der Exportquoten bis zu

70% aufweist. Der Anlagenbau ist uber-

wiegend durch kleine und mittlere Unter-

nehmen gepragt, die durch ihre hohe Fle-

xibilitat die Vielseitigkeit der Anwendun-

gen und die jeweils notwendige Anpassung

der Plasmen gewahrleisten. Dies stellt ein

herausragendes Merkmal der deutschen

Fuhrungsposition dar.

Die Technologie- und Marktfuhrerschaft

Deutschlands besteht z.B. fur Anlagen fur

die Großflachenbeschichtung (Flachglas,

Folien- und Bandstahl), die Fertigung opti-

scher Speicher (CD, DVD) sowie Barriere-

schichten auf PET-Flaschen oder – in der

Entwicklung begriffen - fur die Verkapse-

lung von OLEDs. Weitere Starken liegen bei

Anlagen fur Hartstoffbeschichtungen so-

wie bei den Plasmalicht- und Strahlungs-

quellen.

Nicht zu vernachlassigen ist der Einfluss

der Plasmatechnik auf den Arbeitsmarkt. So

sind ca. 25.000 Menschen direkt mit der

Erzeugung von Plasmalicht- und Strah-

lungsquellen befasst. Weitere 45.000 bis

60.000 Beschaftigte bauen bzw. betreiben

Anlagen, die plasmatechnische Prozesse

nutzen. Hinzu kommen diejenigen, deren

Produkte nur verkauft werden, weil vor-

oder nachgeschaltet eine Plasmabehand-

lung in den Prozessablauf integriert ist.

Insgesamt hangen damit 350.000 – 500.000

Stellen mehr oder weniger direkt von der

Plasmatechnik ab, was ca. 6 - 7% der Ar-

beitsplatze im verarbeitenden Gewerbe

entspricht.

Die bisherige Forderung der Plasma-

technik durch das BMBF wird als sehr er-

folgreich bewertet. Hervorzuheben ist,

dass aufgrund der ausgepragten Interdiszi-

plinaritat Synergien zwischen Grundla-

genbereichen, wie z. B. Physik, Biologie,

Chemie, und verschiedenen Anwendungs-

feldern, wie Maschinenbau, Kunststoff-

technik, Elektrotechnik, Medizin und Op-

tik, entstanden sind, die Hebelwirkungen

in vielen Branchen ermoglicht haben. Als

besonders positiv wird die gute Zusam-

menarbeit von Industrie und Forschung in

Deutschland, die wesentlich durch die

Forderung unterstutzt wurde, bewertet.

Aufgrund des positiven Fazits der Evaluie-

rung hat das BMBF die Forderung indus-

trieller Verbundprojekte zur Erschließung

neuer Anwendungsfelder der Plasmatech-

nik bereits fortgesetzt.

PrioritareThemen fur Forschung undAnwendung

Das heutige und zukunftige Potenzial der

Plasmatechnik wurde im Rahmen der Eva-

luierung durch Befragungen von Instituten,

Unternehmen sowie auslandischen Exper-

ten ermittelt. Hierfur wurden fast 500

Fragebogen ausgewertet und zahlreiche

Gesprache mit Experten gefuhrt. Einige

wesentliche Ergebnisse der Auswertungen

sind nachfolgend ausgefuhrt. Dabei wurde

zwischen branchenspezifischen Themen

und Querschnittsthemen unterschieden.

Die Abbildung 3 zeigt die zehn am hau-

figsten genannten Querschnittsthemen in

Anwendung und Forschung. Dabei sind

vergleichend die Antworten der Vertreter

aus Wissenschaft und Industrie sowie die

internationaler wissenschaftlicher Exper-

ten gegenubergestellt. Es ist erkennbar,

dass aus nationaler Sicht den Feldern Be-

schichtungstechnik, Oberflachenaktivie-

rung und Funktionalisierung große Be-

deutung beigemessen wird. Die Funktio-

nalisierung kommt aus internationaler

Sicht etwas kurz, was vermutlich an einem

unterschiedlichen Verstandnis der Begriffe

liegt.

Seitens der Unternehmen besteht die

Tendenz, nicht nur die Maschinen und

Anlagen zu verkaufen, sondern komplette

Prozesse anzubieten. Hier sehen die deut-

schen Firmen einen Wettbewerbsvorteil

und es hilft, die Hemmnisse bei der Ein-

fuhrung der Technologien zu reduzieren.

Dies zeigt sich in dem hohen Stellenwert

der Prozessentwicklung, des Anlagenbaus

sowie Themen wie Plasmadiagnostik, Mo-

dellierung und Simulation, die wesentliche

Voraussetzungen fur effizientere Verfahren

und die Erschließung neuer Anwendungs-

felder darstellen.

Die Abbildung 4 zeigt die wichtigsten

Themen fur die wirtschaftliche Verwertung

der Ergebnisse aus Sicht der Industrie und

der internationalen Experten. Erkennbar

ist, dass Themen wie Atmospharendruck-

plasmen, Reinigung und Polymerbehand-

lung an vorderster Stelle stehen, gefolgt

von der Forderung nach kostengunstigen

und leicht in die Fertigung integrierbaren

Verfahren. Auch Fragen der Prozessstabili-

tat und Umweltaspekte werden als wichtig

eingestuft.

Die Anforderungen, die sich aus dem

zunehmenden Einsatz von Kunststoffen

ergeben, werden ebenfalls ersichtlich. Die

Weiterverarbeitbarkeit dieser Werkstoffe

erfordert fast immer eine Vorbehandlung

oder eine mehr oder weniger aufwandige

Oberflachenveredlung, wofur bereits heute

Plasmaverfahren mit zunehmender Ten-

denz zum Einsatz kommen. Gerade der

Wunsch nach schneller, in den Prozess in-

tegrierbare und moglichst selektiver

Funktionalisierung und Modifizierung der

Oberflachen stellt die Plasmatechnik vor

immer neue Herausforderungen. Hier sind

neuartige, modulare und selektive aber

auch gepulste Plasmaquellen mit hoher,

kurzzeitiger Leistungseinkopplung gefragt.

Die Notwendigkeit, komplexere Schich-

ten abzuscheiden oder gezielt Gasphasen-

prozesse im Volumen zu steuern, korreliert

mit der Forderung, sich bei zukunftigen

Forschungsaktivitaten vermehrt plasma-

VIP R&D

Abb. 3: Die prioritaren Forschungsthemen in Anwendung und Forschung(Quelle: Bericht zur Evaluierung Plasmatechnik, Institut fur Angewandte Wirt-schaftsforschung, Tubingen)

206 Vakuum in Forschung und Praxis 17 (2005) Nr. 4� 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

chemischen Fragen zuzuwenden, die bei

den Unternehmen an erster Stelle der

Forschungsthemen stehen, Abbildung 5.

Dies resultiert daraus, dass inzwischen die

meisten plasmatechnischen Verfahren re-

aktiv ablaufen.

Der Modellierung und Simulation von

Plasmaprozessen wird zukunftig verstarkt

Bedeutung beigemessen, da sie die Ent-

wicklung von Verfahren aber auch die

Prozesssteuerung deutlich vereinfachen

wird. Inzwischen stehen leistungsfahige

Rechner zur Verfugung, es mangelt aber an

geeigneten und einfach bedienbaren Si-

mulationswerkzeugen. Zudem sind viele

Plasmaprozesse sehr komplex und die

plasmachemischen Ablaufe nur in Ansatzen

verstanden, so dass eine industrietaugliche

Modellierung nicht moglich ist. Hier ist in

den nachsten Jahren noch verstarkt For-

schungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten.

Bezuglich der Plasmaquellen, die eine

wichtige Voraussetzung fur neue Prozesse

und Anwendungen darstellen, werden

verschiedene Schwerpunkte genannt. Ne-

ben dem bereits genannten Atmospharen-

druck rucken auch Themen wie gepulste

sowie modulare und skalierbare Quellen in

den Fokus des Interesses. Auch Plasmalicht-

und Strahlungsquellen wird große Bedeu-

tung beigemessen.

Die Forderung nach Atmospharen-

druckquellen hat bereits in den letzten

Jahren zu zahlreichen Aktivitaten gefuhrt.

Vor allem Konzepte auf Basis der dielek-

trisch behinderten Barrierenentladung,

Abbildung 6, haben große Verbreitung ge-

funden. Hier hat es Entwicklungen von

Strahlquellen gegeben, bei denen das

Plasma aus der Quelle herausgeblasenwird.

Aber auch die herkommlichen Barrie-

reentladungen wurden weiter untersucht.

Zu nennen sind in diesem Zusammenhang

verschiedene Forschungsarbeiten zur Ho-

mogenisierung der Barrierenentladung, um

eine gleichmaßigere Behandlung zu er-

moglichen und lokale Uberhitzungen der

Substrate durch die Streamer zu reduzieren.

Fur die Sterilisation von Verpackungsfolien

wurde das Prinzip der kaskadierten Bar-

riereentladung erfolgreich untersucht.

Hierfur werden zwei Barrierenentladungen

hintereinander geschaltet, wodurch so-

wohl eine effiziente UV-Erzeugung als auch

eine Verbesserung der direkten Plasma-

einwirkung moglich wurde.

Auch andere Quellenkonzepte dringen

in den Bereich des Atmospharendrucks vor.

Inzwischen gibt es zahlreiche Plasmaquel-

len, die im Grobvakuum bzw. direkt bei

Atmospharendruck arbeiten. Hervorzuhe-

ben sind die Aktivitaten im Bereich der

Mikroplasmen, denen zukunftig ein großes

Potenzial beigemessen wird. Diese Quellen

sind im Allgemeinen modular aufgebaut

und bilden meist flachige Plasmen aus.

Abbildung 7 zeigt ein derartiges Konzept,

das aus Mikrostrukturelektroden aufgebaut

ist. Aber auch erfolgreiche Ansatze fur Mi-

kro-Plasmajets existieren inzwischen.

Hocheffiziente Quellen, die einen hohen

Energieeintrag bei gleichzeitig geringer

Temperaturbelastung erlauben, stellen die

VIP R&D

Abb. 4: Prioritare Themen fur die wirtschaftliche Verwertung aus Sicht der Unter-nehmen sowie auslandischer Experten(Quelle: Bericht zur Evaluierung Plasmatechnik, Institut fur Angewandte Wirtschafts-forschung, Tubingen)

Abb. 5: Die wichtigsten Themen fur die Forschung aus Sicht der Unternehmen und derForscher aus dem Ausland(Quelle: Bericht zur Evaluierung Plasmatechnik, Institut fur Angewandte Wirt-schaftsforschung, Tubingen)

Abb. 6: Barrierenentladung an einemQuarzrohr(Quelle: Fraunhofer-Institut fur Laser-technik, Aachen)

Vakuum in Forschung und Praxis 17 (2005) Nr. 4 207� 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

gepulsten Plasmaquellen dar. Durch die

zum Teil sehr kurzen Pulsdauern kann die

Temperaturbelastung gezielt eingestellt

werden. Anderseits konnen durch geeig-

nete Wahl der Puls-/Pause-Verhaltnisse

plasmachemische Reaktionen initiiert und

spezifisch gesteuert werden, wodurch sich

vollig neue Prozesse realisieren lassen. Das

Potenzial der gepulsten Plasmen lasst sich

heute erst in Ansatzen uberschauen. Hier

sind noch viele Forschungsarbeiten zur

Klarung der Prozessablaufe und der Wei-

terentwicklung der Quellen erforderlich.

Potenzialeder Plasmatechnik furverschiedeneAnwendungsbereiche

Im Rahmen der Evaluierung wurden die

Unternehmen auch dahingehend befragt,

in welchen Branchen ihre Anwendungen

zu finden sind bzw. welche in den nachsten

10 Jahren erschlossen werden sollen, Ab-

bildung 8. Die Grafik lasst erkennen, dass

die Bereiche Medizin-/Biotechnologie,

Kunststoffbe- und verarbeitung sowie

Fahrzeugbau am haufigsten genannt wer-

den. Dies entspricht auch den Trends, die

den Forschungs- und Anwendungsthemen

zu entnehmen sind und bereits dort be-

schrieben wurden. Bei der Abbildung ist

allerdings zu beachten, dass nicht in allen

Bereichen eine reprasentative Anzahl von

Unternehmen befragt wurde. Insofern

sollten die Ergebnisse nur als Trend und

nicht absolut betrachtet werden.

Nachfolgend soll fur die als prioritar

bewerteten Wirtschaftsbereiche kurz auf-

gezeigt werden, welche Anwendungen

sich dahinter verbergen:

Lichttechnik: Entladungslampen zeich-

nen sich durch eine hohe Effizienz und

Strahlungsintensitat sowie große Lebens-

dauern aus. Wir finden sie heute in Form

von Leuchtstofflampen fur die Allgemein-

beleuchtung und in zunehmendem Maße

als Hochdrucklampen, Abbildung 9, wo sie

in Stadien, als Straßenbeleuchtung oder

auch in Beamern Einsatz finden. Inzwi-

schen haben sie auch in Form der Xenon-

Lampe Einzug in das Automobil gehalten.

Den Hochdrucklampen wird aufgrund ih-

rer hohen Leuchtdichte und Effizienz zu-

kunftig ein großes Potenzial beigemessen,

auch wenn sie in vielen Anwendungsfel-

dern mit LEDs konkurrieren werden.

Elektronik, Nachrichtentechnik (Mi-

kroelektronik): Dieser Bereich stellt ein

wichtiges Anwendungsfeld der Plasma-

technik dar, denn ohne sie ware die heutige

Chipproduktion so nicht moglich. Hier gilt

es, sich auch in Zukunft den Anforderun-

gen weiterer Miniaturisierung zu stellen.

Ein wichtiger Schritt ist hierbei die Wei-

terentwicklung der Lithographieverfahren,

bei denen Plasmen zukunftig zur Erzeu-

gung der extrem kurzwelligen Strahlung

von 13,5 nm genutzt werden. Zukunfts-

themen sind weiterhin die Be- und Verar-

beitung flexibler Leiterplatten oder die In-

tegration organischer Halbleiter in Ge-

samtsysteme. Auch bei der Herstellung von

OLEDs oder im Bereich der Photovoltaik

werden Plasmaverfahren verstarkt eine

Rolle spielen.

Medizintechnik, Biotechnologie, Phar-

mazie: Der Trend in Richtung einfacherer

und kostengunstiger Behandlungsmetho-

den erfordert komplexe oberflachentech-

nische Ausrustungen insbesondere von

polymeren Werkstoffen. Anwendungen

sind neben medizinischen Geraten und

Implantaten auch lab-on-a-Chip-Systeme,

deren Oberflachen funktionalisiert werden

mussen. Ein weiterer Bereich betrifft die

Sterilisation von medizinischen Geraten,

die mit Plasmen schnell und ohne kritische

Zusatzstoffe erfolgen kann.

Kunststoffbe- und -verarbeitung:

Kunststoffteile finden heute in allen Berei-

chen Anwendung, so dass sich viele Bezuge

zu anderen Branchen finden. Zusatzlich

seien Verpackungen aufgefuhrt. Grund-

satzlich erfordert der Einsatz von Kunst-

stoffen Oberflachenmodifizierungen, wie

die Metallisierung oder Aktivierung fur

Druck- und Lackierprozesse oder eine

Funktionalisierung zur gezielten Anbin-

dung weiterer Stoffe.

Fahrzeugbau: Bereits eingangs wurde

das Beispiel der Einspritzpumpe genannt,

bei der wesentliche Komponenten nur mit

Plasmabeschichtungen den enormen Be-

anspruchungen standhalten konnen. Hier

sind vor allem tribologische Schichten ge-

fragt. Aber der verstarkte Einsatz von

VIP R&D

Abb. 7: Flachige Plasmaquelle mit Mi-krostrukturelektroden(Quelle: Technische Universitat Braun-schweig)

Abb. 8: Wirtschaftsbereiche, in denen Plasmaanwendungen existieren bzw. in dennachsten 10 Jahren erwartet werden(Quelle: Bericht zur Evaluierung Plasmatechnik, Institut fur Angewandte Wirt-schaftsforschung, Tubingen)

Abb. 9: Hochdruck-Bogenlampe(Quelle: Osram GmbH, Munchen)

208 Vakuum in Forschung und Praxis 17 (2005) Nr. 4� 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Kunststoffen erweitert die Einsatzmoglich-

keiten zur Vorbereitung von Lackier- und

Klebeprozessen. Zudem finden Verfahren

wie Plasmafeinreinigung oder Plasma-

schweiß- und schneidprozesse Anwen-

dung. Erganzend sei nochmals auf die Xe-

nonlampe als Scheinwerfer, hingewiesen.

Maschinen- und Anlagenbau: Die

deutschen Hersteller der diversen Plasma-

anlagen nehmen international eine fuh-

rende Position ein. Zudem sind Plasma-

module Bestandteil großer Fertigungsanla-

gen, z.B. zur Reinigung oder Aktivierung

von Folien. Des Weiteren sind viele Ma-

schinenbauteile inzwischen mit tribologi-

schen Schichten versehen, ohne die die

Bauteile ihre Aufgaben nicht erfullen

konnten. Als Beispiele seien die Beschich-

tungen von Turbinenschaufeln oder von

Gleitlagern genannt.

Metallerzeugnisse: In der Metallverar-

beitung haben sich viele Plasmaverfahren,

wie das Plasmaschweißen und -schneiden

oder die Plasmanitrierung von Werkstuk-

ken, seit langem etabliert. Spanende

Werkzeuge werden heute fast ausschließ-

lich in beschichtetem Zustand eingesetzt,

was zu einer drastischen Reduzierung des

Schmierstoffeinsatzes bei der Fertigung

gefuhrt hat.

Optik: Optische Komponenten werden

haufig durch Schichtsysteme realisiert, die

mit Plasmaverfahren aufgebracht werden.

Dies reicht von der Entspiegelung von

Brillen bis zur Vergutung von optischen

Linsen und Linsensystemen.

Glasgewerbe: Beschichtungen von

Flachglas zur Herstellung von Warme-

schutzverglasungen sind heute bereits

Standard, aber im Hinblick auf intelligente

und schaltbare Schichtsysteme wird zu-

kunftig ein großes Potenzial gesehen.

Textilgewerbe: Beispiele fur die Textil-

behandlung mit Plasmen sind die Antifilz-

ausrustung von Wolle oder die Hydrophi-

lierung und Hydrophobierung von techni-

schen Textilien, Abbildung 10, die zu-

kunftig die teilweise umweltkritischen

nasschemischen Verfahren ablosen konn-

ten.

Druckgewerbe: Im Druckgewerbe wer-

den Plasmen zur Aktivierung der Oberfla-

chen, Plasma-UV-Lampen zur Trocknung

der Druckfarben und Plasma-Lichtquellen

zur Belichtung der Druckplatten einge-

setzt. Neue Druckverfahren durch Plasma-

strukturierung/-aktivierung befinden sich

in der Entwicklung.

Chemische Industrie: Großtechnisch

werden Plasmen derzeit nur in einem al-

teren Verfahren zur Herstellung von Ace-

tylen eingesetzt. Langfristig wird erwartet,

dass nichtthermische Plasmen in Kombi-

nation mit Katalysatoren zu industriellen

Anwendungen fuhren werden. Zudem

weist der Bereich der Mikroreaktoren ein

großes Potenzial fur plasmagestutzte Pro-

zesse auf.

Heutigerund zukunftigerForschungsbedarf

Der aus der Evaluierung abgeleitete For-

schungsbedarf umfasst die Weiterentwick-

lung von Licht- und Strahlungsquellen

ebensowie eine praxistaugliche Diagnostik

sowie neue und verbesserte Verfahren fur

die Oberflachenbehandlung. Hervorzuhe-

ben ist die große Bedeutung, die den po-

lymeren Werkstoffen beigemessen wird.

Insbesondere wachsende Technologie-

bereiche, wie die Photovoltaik oder die Bio-

und Medizintechnik stellen standig neue

Anforderungen an die spezifische und ef-

fiziente Oberflachenbehandlung. Im

Grenzbereich von Medizintechnik, Bio-

technologie und Pharmazie befinden sich

mit den Biochips und den Medikamenten-

abgebenden Systemen schnell wachsende

Markte, fur die plasmatechnische Kompe-

tenzen entscheidend sind. Uber diese Be-

reiche hinausgehende Bedeutung kommt

der Mikro- und Nanostrukturierung mit

Plasmen zu. Plasmagestutzte Sterilisations-

und Entkeimungsverfahren erfordern noch

grundlegende Forschung, besitzen aber ein

großes Anwendungspotenzial.

Im Rahmen der Evaluierung wurden

querschnitts- und branchenorientierte

Themen betrachtet, die allerdings eng

verzahnt sind. So sind neue Plasmaquellen

die Basis fur die Erschließung erweiterter

Anwendungsbereiche. Effiziente und in-

dustrietaugliche Diagnostiken sowie Simu-

lationsprogramme konnen die Entwicklung

der Prozesse wesentlich unterstutzen.

Neben der Anwendungsvielfalt ist der

ausgepragte Querschnittscharakter und

damit verbunden ein hohes Maß an Inter-

disziplinaritat ein herausragendes Krite-

rium der Plasmatechnik. Dies ist die Basis

fur das enorme Potenzial der Plasmatech-

nik, gleichzeitig schafft es aber eine Bar-

riere fur die Einfuhrung plasmatechnischer

Verfahren in die Produktion. Vielfach be-

steht die Angst, dass diese Technologien zu

kompliziert und teuer seien, als dass sie in

kleinen und mittleren Unternehmen ein-

gesetzt werden konnen. Dabei sind die

Technologien heute soweit fortgeschritten,

dass Automatisierung der Prozesse und

Moglichkeiten zur Ferndiagnose selbstver-

standlich sind. Hier gilt es, zukunftig ver-

starkt das offentliche Bewusstsein fur die

Technologie zu starken und Hemmnisse,

wie unzureichende Aus- und Weiterbil-

dungsangebote, abzubauen. Auch diesem

Aspekt soll zukunftig mehr Bedeutung

beigemessen werden.

Literatur

[1] Broschure zur Evaluierung Plasmatechnik,herausgegeben von der VDI Technologiezen-trum GmbH, Dusseldorf, September 2004weitere Informationen und Bestellmoglichkeitunter http://www.techportal.info

Autorin:

Frau Dr.-Ing. Karin Reichel, Jahrgang 1960, stu-

dierte Physik in Dusseldorf undwar anschließend

als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl

fur Werkstofftechnologie an der Universitat

Dortmund tatig. Sie promovierte 1991 uber die

Abscheidung von verschleiß- und korrosionsbe-

standigen Schichtsystemen mittels der Arc-PVD-

Technik. Seit 1993 ist sie als Technologiebera-

terin im Bereich Physikalische Technologien des

VDI-Technologiezentrums in Dusseldorf tatig. Im

Rahmen der Projekttragerschaft fur das Bundes-

ministerium fur Bildung und Forschung (BMBF)

koordiniert sie den Bereich Plasmatechnik.

Kontakt:

Dr. Karin Reichel

VDI Technologiezentrum GmbH

Graf-Recke-Str. 84

40239 Dusseldorf

E-mail: [email protected]

VIP R&D

Abb. 10: Plasmabehandelte PVDF-Folie(Quelle: Fraunhofer-Institut fur Grenzfla-chen- und Bioverfahrenstechnik, Stutt-gart)