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VIP R&D
Plasmatechnik – meist unsichtbar,aber unverzichtbar fur die Zukunft
Plasma Technology - mostly invisible, but important for the future
Karin Reichel
204 Vakuum in Forschung und Praxis 17 (2005) Nr. 4 204–208� 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI:10.1002/vipr.200500261
0947-076X/05/0408
Zusammenfassung
Die Plasmatechnik ist eine bedeutende
Querschnittstechnologie mit einer enor-
men Anwendungsvielfalt und einem gro-
ßen Zukunftspotenzial. Dies ist das Ergeb-
nis der Evaluierung des Forderschwer-
punktes Plasmatechnik des Bundesmini-
steriums fur Bildung und Forschung
(BMBF), die im Jahr 2004 abgeschlossen
wurde. Der Beitrag gibt einen Uberblick
uber die wesentlichen Aussagen der Eva-
luierung und die relevanten Anwendungs-
und Forschungsthemen.
Summary
Plasma Technology is an important key
technology with various applications and
an immense potential for the future. This is
the result of the evaluation of the research
programme plasma technology of the
German Federal Ministry of Education and
Research which was finished in 2004. The
article gives an overview about the main
statements and the prior topics of appli-
cation and research.
Einleitung
Die Plasmatechnik erobert zunehmend
neue Anwendungsbereiche, auch wenn sie
– bis auf den Bereich der Plasmalichtquel-
len – fur den Nutzer im Allgemeinen un-
sichtbar bleibt. So hat die Plasmatechnik
wesentlich zur Realisierung der Hoch-
druckdirekteinspritzung bei Dieselmoto-
ren beigetragen, Abbildung 1. Plasmatech-
nische Verfahren ermoglichen die Be-
schichtung von Architekturglas oder die
Herstellung effizienter Solarzellen ebenso,
wie die Nanostrukturierung bzw. Funktio-
nalisierung von Biochips, Abbildung 2. Die
hierfur relevanten technischen Plasmen
weisen eine Vielzahl spezieller Eigen-
schaften auf und eignen sich als univer-
selles Werkzeug fur die Beschichtung,
Funktionalisierung oder Strukturierung
von Oberflachen, fur den Schadstoffabbau
in Abgasen oder die effiziente Lichterzeu-
gung.
Die Anwendungen werden aufgrund
wachsender Komplexitat und dem Trend
zur Miniaturisierung zunehmend an-
spruchsvoller bei gleichzeitiger Forderung
nach einfacheren und kostengunstigeren
Prozessen. Hier sind vor allem Hochlei-
stungs- und Atmospharendruckverfahren
gefragt. Aufgrund ihres universellen Cha-
rakters und ihrer ausgepragten Umwelt-
freundlichkeit entwickelt sich die Plasma-
technik zu einer unverzichtbaren Basis-
technologie im Bereich der Prozess- und
Verfahrenstechnik.
Das Bundesministerium fur Bildung und
Forschung (BMBF) hat diesen Trend fruh-
zeitig erkannt und fordert seit Mitte der
90iger Jahre verstarkt industriegefuhrte
Verbundprojekte, um das Potenzial der
Plasmatechnik fur neuartige Anwendungen
nutzbar zu machen. Diese Forderung wur-
de im Zeitraum April 2003 bis April 2004
vom Institut fur Angewandte Wirtschafts-
forschung in Tubingen evaluiert. Die we-
sentlichen Aussagen zum Stand und Po-
tenzial der Plasmatechnik sollen nachfol-
gend kurz erlautert werden. Die Ergebnisse
sind im Detail in der Broschure zur Evalu-
ierung Plasmatechnik enthalten [1].
VolkswirtschaftlicheBedeutung der Plasmatechnik
Die Evaluierung hat gezeigt, dass
Deutschland uber eine ausgezeichnete
Marktposition verfugt und neben den USA
Abb. 1: Unit-Injector-System fur Nutz-fahrzeuge(Quelle: Robert Bosch GmbH, Stuttgart)
Abb. 2: Plasmafunktionalisierter Dia-gnostikchip(Quelle: Boehringer Ingelheim microPartsGmbH, Dortmund)
Vakuum in Forschung und Praxis 17 (2005) Nr. 4 205� 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
und Japan zu den Weltmarktfuhrern zahlt.
Dies gilt vor allem fur den Bereich der
Plasmaanlagen, der Exportquoten bis zu
70% aufweist. Der Anlagenbau ist uber-
wiegend durch kleine und mittlere Unter-
nehmen gepragt, die durch ihre hohe Fle-
xibilitat die Vielseitigkeit der Anwendun-
gen und die jeweils notwendige Anpassung
der Plasmen gewahrleisten. Dies stellt ein
herausragendes Merkmal der deutschen
Fuhrungsposition dar.
Die Technologie- und Marktfuhrerschaft
Deutschlands besteht z.B. fur Anlagen fur
die Großflachenbeschichtung (Flachglas,
Folien- und Bandstahl), die Fertigung opti-
scher Speicher (CD, DVD) sowie Barriere-
schichten auf PET-Flaschen oder – in der
Entwicklung begriffen - fur die Verkapse-
lung von OLEDs. Weitere Starken liegen bei
Anlagen fur Hartstoffbeschichtungen so-
wie bei den Plasmalicht- und Strahlungs-
quellen.
Nicht zu vernachlassigen ist der Einfluss
der Plasmatechnik auf den Arbeitsmarkt. So
sind ca. 25.000 Menschen direkt mit der
Erzeugung von Plasmalicht- und Strah-
lungsquellen befasst. Weitere 45.000 bis
60.000 Beschaftigte bauen bzw. betreiben
Anlagen, die plasmatechnische Prozesse
nutzen. Hinzu kommen diejenigen, deren
Produkte nur verkauft werden, weil vor-
oder nachgeschaltet eine Plasmabehand-
lung in den Prozessablauf integriert ist.
Insgesamt hangen damit 350.000 – 500.000
Stellen mehr oder weniger direkt von der
Plasmatechnik ab, was ca. 6 - 7% der Ar-
beitsplatze im verarbeitenden Gewerbe
entspricht.
Die bisherige Forderung der Plasma-
technik durch das BMBF wird als sehr er-
folgreich bewertet. Hervorzuheben ist,
dass aufgrund der ausgepragten Interdiszi-
plinaritat Synergien zwischen Grundla-
genbereichen, wie z. B. Physik, Biologie,
Chemie, und verschiedenen Anwendungs-
feldern, wie Maschinenbau, Kunststoff-
technik, Elektrotechnik, Medizin und Op-
tik, entstanden sind, die Hebelwirkungen
in vielen Branchen ermoglicht haben. Als
besonders positiv wird die gute Zusam-
menarbeit von Industrie und Forschung in
Deutschland, die wesentlich durch die
Forderung unterstutzt wurde, bewertet.
Aufgrund des positiven Fazits der Evaluie-
rung hat das BMBF die Forderung indus-
trieller Verbundprojekte zur Erschließung
neuer Anwendungsfelder der Plasmatech-
nik bereits fortgesetzt.
PrioritareThemen fur Forschung undAnwendung
Das heutige und zukunftige Potenzial der
Plasmatechnik wurde im Rahmen der Eva-
luierung durch Befragungen von Instituten,
Unternehmen sowie auslandischen Exper-
ten ermittelt. Hierfur wurden fast 500
Fragebogen ausgewertet und zahlreiche
Gesprache mit Experten gefuhrt. Einige
wesentliche Ergebnisse der Auswertungen
sind nachfolgend ausgefuhrt. Dabei wurde
zwischen branchenspezifischen Themen
und Querschnittsthemen unterschieden.
Die Abbildung 3 zeigt die zehn am hau-
figsten genannten Querschnittsthemen in
Anwendung und Forschung. Dabei sind
vergleichend die Antworten der Vertreter
aus Wissenschaft und Industrie sowie die
internationaler wissenschaftlicher Exper-
ten gegenubergestellt. Es ist erkennbar,
dass aus nationaler Sicht den Feldern Be-
schichtungstechnik, Oberflachenaktivie-
rung und Funktionalisierung große Be-
deutung beigemessen wird. Die Funktio-
nalisierung kommt aus internationaler
Sicht etwas kurz, was vermutlich an einem
unterschiedlichen Verstandnis der Begriffe
liegt.
Seitens der Unternehmen besteht die
Tendenz, nicht nur die Maschinen und
Anlagen zu verkaufen, sondern komplette
Prozesse anzubieten. Hier sehen die deut-
schen Firmen einen Wettbewerbsvorteil
und es hilft, die Hemmnisse bei der Ein-
fuhrung der Technologien zu reduzieren.
Dies zeigt sich in dem hohen Stellenwert
der Prozessentwicklung, des Anlagenbaus
sowie Themen wie Plasmadiagnostik, Mo-
dellierung und Simulation, die wesentliche
Voraussetzungen fur effizientere Verfahren
und die Erschließung neuer Anwendungs-
felder darstellen.
Die Abbildung 4 zeigt die wichtigsten
Themen fur die wirtschaftliche Verwertung
der Ergebnisse aus Sicht der Industrie und
der internationalen Experten. Erkennbar
ist, dass Themen wie Atmospharendruck-
plasmen, Reinigung und Polymerbehand-
lung an vorderster Stelle stehen, gefolgt
von der Forderung nach kostengunstigen
und leicht in die Fertigung integrierbaren
Verfahren. Auch Fragen der Prozessstabili-
tat und Umweltaspekte werden als wichtig
eingestuft.
Die Anforderungen, die sich aus dem
zunehmenden Einsatz von Kunststoffen
ergeben, werden ebenfalls ersichtlich. Die
Weiterverarbeitbarkeit dieser Werkstoffe
erfordert fast immer eine Vorbehandlung
oder eine mehr oder weniger aufwandige
Oberflachenveredlung, wofur bereits heute
Plasmaverfahren mit zunehmender Ten-
denz zum Einsatz kommen. Gerade der
Wunsch nach schneller, in den Prozess in-
tegrierbare und moglichst selektiver
Funktionalisierung und Modifizierung der
Oberflachen stellt die Plasmatechnik vor
immer neue Herausforderungen. Hier sind
neuartige, modulare und selektive aber
auch gepulste Plasmaquellen mit hoher,
kurzzeitiger Leistungseinkopplung gefragt.
Die Notwendigkeit, komplexere Schich-
ten abzuscheiden oder gezielt Gasphasen-
prozesse im Volumen zu steuern, korreliert
mit der Forderung, sich bei zukunftigen
Forschungsaktivitaten vermehrt plasma-
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Abb. 3: Die prioritaren Forschungsthemen in Anwendung und Forschung(Quelle: Bericht zur Evaluierung Plasmatechnik, Institut fur Angewandte Wirt-schaftsforschung, Tubingen)
206 Vakuum in Forschung und Praxis 17 (2005) Nr. 4� 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
chemischen Fragen zuzuwenden, die bei
den Unternehmen an erster Stelle der
Forschungsthemen stehen, Abbildung 5.
Dies resultiert daraus, dass inzwischen die
meisten plasmatechnischen Verfahren re-
aktiv ablaufen.
Der Modellierung und Simulation von
Plasmaprozessen wird zukunftig verstarkt
Bedeutung beigemessen, da sie die Ent-
wicklung von Verfahren aber auch die
Prozesssteuerung deutlich vereinfachen
wird. Inzwischen stehen leistungsfahige
Rechner zur Verfugung, es mangelt aber an
geeigneten und einfach bedienbaren Si-
mulationswerkzeugen. Zudem sind viele
Plasmaprozesse sehr komplex und die
plasmachemischen Ablaufe nur in Ansatzen
verstanden, so dass eine industrietaugliche
Modellierung nicht moglich ist. Hier ist in
den nachsten Jahren noch verstarkt For-
schungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten.
Bezuglich der Plasmaquellen, die eine
wichtige Voraussetzung fur neue Prozesse
und Anwendungen darstellen, werden
verschiedene Schwerpunkte genannt. Ne-
ben dem bereits genannten Atmospharen-
druck rucken auch Themen wie gepulste
sowie modulare und skalierbare Quellen in
den Fokus des Interesses. Auch Plasmalicht-
und Strahlungsquellen wird große Bedeu-
tung beigemessen.
Die Forderung nach Atmospharen-
druckquellen hat bereits in den letzten
Jahren zu zahlreichen Aktivitaten gefuhrt.
Vor allem Konzepte auf Basis der dielek-
trisch behinderten Barrierenentladung,
Abbildung 6, haben große Verbreitung ge-
funden. Hier hat es Entwicklungen von
Strahlquellen gegeben, bei denen das
Plasma aus der Quelle herausgeblasenwird.
Aber auch die herkommlichen Barrie-
reentladungen wurden weiter untersucht.
Zu nennen sind in diesem Zusammenhang
verschiedene Forschungsarbeiten zur Ho-
mogenisierung der Barrierenentladung, um
eine gleichmaßigere Behandlung zu er-
moglichen und lokale Uberhitzungen der
Substrate durch die Streamer zu reduzieren.
Fur die Sterilisation von Verpackungsfolien
wurde das Prinzip der kaskadierten Bar-
riereentladung erfolgreich untersucht.
Hierfur werden zwei Barrierenentladungen
hintereinander geschaltet, wodurch so-
wohl eine effiziente UV-Erzeugung als auch
eine Verbesserung der direkten Plasma-
einwirkung moglich wurde.
Auch andere Quellenkonzepte dringen
in den Bereich des Atmospharendrucks vor.
Inzwischen gibt es zahlreiche Plasmaquel-
len, die im Grobvakuum bzw. direkt bei
Atmospharendruck arbeiten. Hervorzuhe-
ben sind die Aktivitaten im Bereich der
Mikroplasmen, denen zukunftig ein großes
Potenzial beigemessen wird. Diese Quellen
sind im Allgemeinen modular aufgebaut
und bilden meist flachige Plasmen aus.
Abbildung 7 zeigt ein derartiges Konzept,
das aus Mikrostrukturelektroden aufgebaut
ist. Aber auch erfolgreiche Ansatze fur Mi-
kro-Plasmajets existieren inzwischen.
Hocheffiziente Quellen, die einen hohen
Energieeintrag bei gleichzeitig geringer
Temperaturbelastung erlauben, stellen die
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Abb. 4: Prioritare Themen fur die wirtschaftliche Verwertung aus Sicht der Unter-nehmen sowie auslandischer Experten(Quelle: Bericht zur Evaluierung Plasmatechnik, Institut fur Angewandte Wirtschafts-forschung, Tubingen)
Abb. 5: Die wichtigsten Themen fur die Forschung aus Sicht der Unternehmen und derForscher aus dem Ausland(Quelle: Bericht zur Evaluierung Plasmatechnik, Institut fur Angewandte Wirt-schaftsforschung, Tubingen)
Abb. 6: Barrierenentladung an einemQuarzrohr(Quelle: Fraunhofer-Institut fur Laser-technik, Aachen)
Vakuum in Forschung und Praxis 17 (2005) Nr. 4 207� 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
gepulsten Plasmaquellen dar. Durch die
zum Teil sehr kurzen Pulsdauern kann die
Temperaturbelastung gezielt eingestellt
werden. Anderseits konnen durch geeig-
nete Wahl der Puls-/Pause-Verhaltnisse
plasmachemische Reaktionen initiiert und
spezifisch gesteuert werden, wodurch sich
vollig neue Prozesse realisieren lassen. Das
Potenzial der gepulsten Plasmen lasst sich
heute erst in Ansatzen uberschauen. Hier
sind noch viele Forschungsarbeiten zur
Klarung der Prozessablaufe und der Wei-
terentwicklung der Quellen erforderlich.
Potenzialeder Plasmatechnik furverschiedeneAnwendungsbereiche
Im Rahmen der Evaluierung wurden die
Unternehmen auch dahingehend befragt,
in welchen Branchen ihre Anwendungen
zu finden sind bzw. welche in den nachsten
10 Jahren erschlossen werden sollen, Ab-
bildung 8. Die Grafik lasst erkennen, dass
die Bereiche Medizin-/Biotechnologie,
Kunststoffbe- und verarbeitung sowie
Fahrzeugbau am haufigsten genannt wer-
den. Dies entspricht auch den Trends, die
den Forschungs- und Anwendungsthemen
zu entnehmen sind und bereits dort be-
schrieben wurden. Bei der Abbildung ist
allerdings zu beachten, dass nicht in allen
Bereichen eine reprasentative Anzahl von
Unternehmen befragt wurde. Insofern
sollten die Ergebnisse nur als Trend und
nicht absolut betrachtet werden.
Nachfolgend soll fur die als prioritar
bewerteten Wirtschaftsbereiche kurz auf-
gezeigt werden, welche Anwendungen
sich dahinter verbergen:
Lichttechnik: Entladungslampen zeich-
nen sich durch eine hohe Effizienz und
Strahlungsintensitat sowie große Lebens-
dauern aus. Wir finden sie heute in Form
von Leuchtstofflampen fur die Allgemein-
beleuchtung und in zunehmendem Maße
als Hochdrucklampen, Abbildung 9, wo sie
in Stadien, als Straßenbeleuchtung oder
auch in Beamern Einsatz finden. Inzwi-
schen haben sie auch in Form der Xenon-
Lampe Einzug in das Automobil gehalten.
Den Hochdrucklampen wird aufgrund ih-
rer hohen Leuchtdichte und Effizienz zu-
kunftig ein großes Potenzial beigemessen,
auch wenn sie in vielen Anwendungsfel-
dern mit LEDs konkurrieren werden.
Elektronik, Nachrichtentechnik (Mi-
kroelektronik): Dieser Bereich stellt ein
wichtiges Anwendungsfeld der Plasma-
technik dar, denn ohne sie ware die heutige
Chipproduktion so nicht moglich. Hier gilt
es, sich auch in Zukunft den Anforderun-
gen weiterer Miniaturisierung zu stellen.
Ein wichtiger Schritt ist hierbei die Wei-
terentwicklung der Lithographieverfahren,
bei denen Plasmen zukunftig zur Erzeu-
gung der extrem kurzwelligen Strahlung
von 13,5 nm genutzt werden. Zukunfts-
themen sind weiterhin die Be- und Verar-
beitung flexibler Leiterplatten oder die In-
tegration organischer Halbleiter in Ge-
samtsysteme. Auch bei der Herstellung von
OLEDs oder im Bereich der Photovoltaik
werden Plasmaverfahren verstarkt eine
Rolle spielen.
Medizintechnik, Biotechnologie, Phar-
mazie: Der Trend in Richtung einfacherer
und kostengunstiger Behandlungsmetho-
den erfordert komplexe oberflachentech-
nische Ausrustungen insbesondere von
polymeren Werkstoffen. Anwendungen
sind neben medizinischen Geraten und
Implantaten auch lab-on-a-Chip-Systeme,
deren Oberflachen funktionalisiert werden
mussen. Ein weiterer Bereich betrifft die
Sterilisation von medizinischen Geraten,
die mit Plasmen schnell und ohne kritische
Zusatzstoffe erfolgen kann.
Kunststoffbe- und -verarbeitung:
Kunststoffteile finden heute in allen Berei-
chen Anwendung, so dass sich viele Bezuge
zu anderen Branchen finden. Zusatzlich
seien Verpackungen aufgefuhrt. Grund-
satzlich erfordert der Einsatz von Kunst-
stoffen Oberflachenmodifizierungen, wie
die Metallisierung oder Aktivierung fur
Druck- und Lackierprozesse oder eine
Funktionalisierung zur gezielten Anbin-
dung weiterer Stoffe.
Fahrzeugbau: Bereits eingangs wurde
das Beispiel der Einspritzpumpe genannt,
bei der wesentliche Komponenten nur mit
Plasmabeschichtungen den enormen Be-
anspruchungen standhalten konnen. Hier
sind vor allem tribologische Schichten ge-
fragt. Aber der verstarkte Einsatz von
VIP R&D
Abb. 7: Flachige Plasmaquelle mit Mi-krostrukturelektroden(Quelle: Technische Universitat Braun-schweig)
Abb. 8: Wirtschaftsbereiche, in denen Plasmaanwendungen existieren bzw. in dennachsten 10 Jahren erwartet werden(Quelle: Bericht zur Evaluierung Plasmatechnik, Institut fur Angewandte Wirt-schaftsforschung, Tubingen)
Abb. 9: Hochdruck-Bogenlampe(Quelle: Osram GmbH, Munchen)
208 Vakuum in Forschung und Praxis 17 (2005) Nr. 4� 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
Kunststoffen erweitert die Einsatzmoglich-
keiten zur Vorbereitung von Lackier- und
Klebeprozessen. Zudem finden Verfahren
wie Plasmafeinreinigung oder Plasma-
schweiß- und schneidprozesse Anwen-
dung. Erganzend sei nochmals auf die Xe-
nonlampe als Scheinwerfer, hingewiesen.
Maschinen- und Anlagenbau: Die
deutschen Hersteller der diversen Plasma-
anlagen nehmen international eine fuh-
rende Position ein. Zudem sind Plasma-
module Bestandteil großer Fertigungsanla-
gen, z.B. zur Reinigung oder Aktivierung
von Folien. Des Weiteren sind viele Ma-
schinenbauteile inzwischen mit tribologi-
schen Schichten versehen, ohne die die
Bauteile ihre Aufgaben nicht erfullen
konnten. Als Beispiele seien die Beschich-
tungen von Turbinenschaufeln oder von
Gleitlagern genannt.
Metallerzeugnisse: In der Metallverar-
beitung haben sich viele Plasmaverfahren,
wie das Plasmaschweißen und -schneiden
oder die Plasmanitrierung von Werkstuk-
ken, seit langem etabliert. Spanende
Werkzeuge werden heute fast ausschließ-
lich in beschichtetem Zustand eingesetzt,
was zu einer drastischen Reduzierung des
Schmierstoffeinsatzes bei der Fertigung
gefuhrt hat.
Optik: Optische Komponenten werden
haufig durch Schichtsysteme realisiert, die
mit Plasmaverfahren aufgebracht werden.
Dies reicht von der Entspiegelung von
Brillen bis zur Vergutung von optischen
Linsen und Linsensystemen.
Glasgewerbe: Beschichtungen von
Flachglas zur Herstellung von Warme-
schutzverglasungen sind heute bereits
Standard, aber im Hinblick auf intelligente
und schaltbare Schichtsysteme wird zu-
kunftig ein großes Potenzial gesehen.
Textilgewerbe: Beispiele fur die Textil-
behandlung mit Plasmen sind die Antifilz-
ausrustung von Wolle oder die Hydrophi-
lierung und Hydrophobierung von techni-
schen Textilien, Abbildung 10, die zu-
kunftig die teilweise umweltkritischen
nasschemischen Verfahren ablosen konn-
ten.
Druckgewerbe: Im Druckgewerbe wer-
den Plasmen zur Aktivierung der Oberfla-
chen, Plasma-UV-Lampen zur Trocknung
der Druckfarben und Plasma-Lichtquellen
zur Belichtung der Druckplatten einge-
setzt. Neue Druckverfahren durch Plasma-
strukturierung/-aktivierung befinden sich
in der Entwicklung.
Chemische Industrie: Großtechnisch
werden Plasmen derzeit nur in einem al-
teren Verfahren zur Herstellung von Ace-
tylen eingesetzt. Langfristig wird erwartet,
dass nichtthermische Plasmen in Kombi-
nation mit Katalysatoren zu industriellen
Anwendungen fuhren werden. Zudem
weist der Bereich der Mikroreaktoren ein
großes Potenzial fur plasmagestutzte Pro-
zesse auf.
Heutigerund zukunftigerForschungsbedarf
Der aus der Evaluierung abgeleitete For-
schungsbedarf umfasst die Weiterentwick-
lung von Licht- und Strahlungsquellen
ebensowie eine praxistaugliche Diagnostik
sowie neue und verbesserte Verfahren fur
die Oberflachenbehandlung. Hervorzuhe-
ben ist die große Bedeutung, die den po-
lymeren Werkstoffen beigemessen wird.
Insbesondere wachsende Technologie-
bereiche, wie die Photovoltaik oder die Bio-
und Medizintechnik stellen standig neue
Anforderungen an die spezifische und ef-
fiziente Oberflachenbehandlung. Im
Grenzbereich von Medizintechnik, Bio-
technologie und Pharmazie befinden sich
mit den Biochips und den Medikamenten-
abgebenden Systemen schnell wachsende
Markte, fur die plasmatechnische Kompe-
tenzen entscheidend sind. Uber diese Be-
reiche hinausgehende Bedeutung kommt
der Mikro- und Nanostrukturierung mit
Plasmen zu. Plasmagestutzte Sterilisations-
und Entkeimungsverfahren erfordern noch
grundlegende Forschung, besitzen aber ein
großes Anwendungspotenzial.
Im Rahmen der Evaluierung wurden
querschnitts- und branchenorientierte
Themen betrachtet, die allerdings eng
verzahnt sind. So sind neue Plasmaquellen
die Basis fur die Erschließung erweiterter
Anwendungsbereiche. Effiziente und in-
dustrietaugliche Diagnostiken sowie Simu-
lationsprogramme konnen die Entwicklung
der Prozesse wesentlich unterstutzen.
Neben der Anwendungsvielfalt ist der
ausgepragte Querschnittscharakter und
damit verbunden ein hohes Maß an Inter-
disziplinaritat ein herausragendes Krite-
rium der Plasmatechnik. Dies ist die Basis
fur das enorme Potenzial der Plasmatech-
nik, gleichzeitig schafft es aber eine Bar-
riere fur die Einfuhrung plasmatechnischer
Verfahren in die Produktion. Vielfach be-
steht die Angst, dass diese Technologien zu
kompliziert und teuer seien, als dass sie in
kleinen und mittleren Unternehmen ein-
gesetzt werden konnen. Dabei sind die
Technologien heute soweit fortgeschritten,
dass Automatisierung der Prozesse und
Moglichkeiten zur Ferndiagnose selbstver-
standlich sind. Hier gilt es, zukunftig ver-
starkt das offentliche Bewusstsein fur die
Technologie zu starken und Hemmnisse,
wie unzureichende Aus- und Weiterbil-
dungsangebote, abzubauen. Auch diesem
Aspekt soll zukunftig mehr Bedeutung
beigemessen werden.
Literatur
[1] Broschure zur Evaluierung Plasmatechnik,herausgegeben von der VDI Technologiezen-trum GmbH, Dusseldorf, September 2004weitere Informationen und Bestellmoglichkeitunter http://www.techportal.info
Autorin:
Frau Dr.-Ing. Karin Reichel, Jahrgang 1960, stu-
dierte Physik in Dusseldorf undwar anschließend
als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl
fur Werkstofftechnologie an der Universitat
Dortmund tatig. Sie promovierte 1991 uber die
Abscheidung von verschleiß- und korrosionsbe-
standigen Schichtsystemen mittels der Arc-PVD-
Technik. Seit 1993 ist sie als Technologiebera-
terin im Bereich Physikalische Technologien des
VDI-Technologiezentrums in Dusseldorf tatig. Im
Rahmen der Projekttragerschaft fur das Bundes-
ministerium fur Bildung und Forschung (BMBF)
koordiniert sie den Bereich Plasmatechnik.
Kontakt:
Dr. Karin Reichel
VDI Technologiezentrum GmbH
Graf-Recke-Str. 84
40239 Dusseldorf
E-mail: [email protected]
VIP R&D
Abb. 10: Plasmabehandelte PVDF-Folie(Quelle: Fraunhofer-Institut fur Grenzfla-chen- und Bioverfahrenstechnik, Stutt-gart)