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ZEITSCHRIFT DES VEREINS FÜR PFAHLBAU UND HEIMATKUNDE E.V. AUSGABE 7/8 . 1998/99 Platt Platt Die Pfahlbauten 1999: Nasse Füße beim Jahrhunderthochwasser. Aber den Kopf voller neuer Ideen für Die Pfahlbauten 1999: Nasse Füße beim Jahrhunderthochwasser. Aber den Kopf voller neuer Ideen für 2000

Plattform VII VIII · land berichtet. Ein Thema, das inzwischen auch ver-stärkt bei den vorgeschichtlichen Ufer- und Moor-siedlungen diskutiert wird. Eine gründliche Rückbe-trachtung

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Page 1: Plattform VII VIII · land berichtet. Ein Thema, das inzwischen auch ver-stärkt bei den vorgeschichtlichen Ufer- und Moor-siedlungen diskutiert wird. Eine gründliche Rückbe-trachtung

ZEITSCHRIFT DES VEREINS FÜR PFAHLBAU UND HEIMATKUNDE E.V. AUSGABE 7/8.1998/99

PlattPlatt

Die Pfahlbauten 1999:

Nasse Füße beim

Jahrhunderthochwasser.

Aber den Kopf vol ler

neuer Ideen für

Die Pfahlbauten 1999:

Nasse Füße beim

Jahrhunderthochwasser.

Aber den Kopf vol ler

neuer Ideen für

2000

Page 2: Plattform VII VIII · land berichtet. Ein Thema, das inzwischen auch ver-stärkt bei den vorgeschichtlichen Ufer- und Moor-siedlungen diskutiert wird. Eine gründliche Rückbe-trachtung

ZEITSCHRIFT DES VEREINS FÜR PFAHLBAU UND HEIMATKUNDE E.V. AUSGABE 7/8.1998/99

Platt formGewidmet den Helferinnen und Helfernbeim Jahrhunderthochwasser 1999

Page 3: Plattform VII VIII · land berichtet. Ein Thema, das inzwischen auch ver-stärkt bei den vorgeschichtlichen Ufer- und Moor-siedlungen diskutiert wird. Eine gründliche Rückbe-trachtung

Liebe Vereinsmitglieder,

Ihnen an der Schwelle zum Jahre 2000 unsererZeitrechnung die Vereinszeitschrift Plattform 1997– 1999 mit vielen interessanten Beiträgen zukom-men zu lassen, erfüllt den Vorstand des Vereins fürPfahlbau- und Heimatkunde e. V. mit Freude.

Können wir doch damit unserem Vereinsziel zurFörderung der wissenschaftlichen Erforschung derVor- und Frühgeschichte, vor allem der vorge-schichtlichen Pfahlbauten und Siedlungen im Vor-alpenraum, besonders des Bodenseegebietes, derVolksbildung sowie der Verbreitung vorgeschicht-licher Kenntnisse erneut gerecht werden.

Der Verein und seine durchschnittlich 640 Mitglie-der fühlen sich diesem Vereinszweck durch seinenVorstand unter Wahrung einer gesunden Finanz-,Vermögens- , und Ertragslage auf der Grundlageder steuerlich anerkannten Gemeinnützigkeit aus-schließlich verpflichtet.

1997 konnten wir das 75jährige Vereinsjubiläumfeiern, nachdem 1 Jahr zuvor unter der Schirmherr-schaft des damaligen Bundespräsidenten Herzogder aus eigenen finanziellen Mitteln errichtete Mu -seumsneubau präsentiert und seiner wissenschaftli-chen Bestimmung zugeführt werden konnte – einin der Museumsgeschichte wohl einmaliger Erfolg.

Dem Verein ist als selbständige Abteilung das welt -weit bekannte Freilichtmuseum und Forschungsin-stitut für Vor- und Frühgeschichte, das Pfahlbau-Museum, unter Leitung von Museumsdirektor Dr. Schöbel integriert, der die wissenschaftlicheund pädagogische Arbeitsausrichtung mit zeit-gemäßen Zielsetzungen entsprechend den Erkennt-nissen moderner Archäologie seit 1990 erfolgreichumgesetzt hat.

Mit einem festen Mitarbeiterstamm, der sich imSommer während der Hauptbesucherzeit oft auf bis zu 55 Personen beläuft, dankenswert vielenengagierten Vereinsmitgliedern und einer festenVerankerung in der deutschsprachigen Museums-landschaft ist der Verein und sein Museum zu einerwichtigen Institution wissenschaftlicher Forschungund Wissensvermittlung über die Vorgeschichtegeworden.

Nicht nur durch unsere eigenen Ausgrabungen1998 und 1999 in der „Wasserburg Buchau“ imFederseegebiet konnten die Ausgrabungsergeb -nisse Prof. Reinerths bestätigt und erweitert wer-den, sondern auch durch neue Projekte auf allenEbenen des Museums und des Vereins – vorrangigauch der internationalen Kooperation – , Aktionenauf dem Museumsgelände sowie der Vermittlungneuer pädagogischer Formen für unsere Besucher,vor allem der Zielgruppe der Schüler, wurde in denvergangenen 3 Jahren Prägendes für unser Museumund den Verein geschaffen.

Durch ein gnädiges Geschick blieb uns in bangenTagen bei weiter ansteigendem Wasserspiegelwährend der Jahrhunder-Hochwasser-KatastopheMai/Juni 1999 die vorhersehbare vollständige Zer-störung der stein- und bronzezeitlichen Museumsan-lage erspart: Ein in dieser Zeit nicht ungewöhn licherFöhnsturm hätte trotz aller erfolgten menschenmög -lichen Sicherungsmaßnahmen die Plattformen zumEinsturz bringen können. Unermeß licher Schadenwäre entstanden und ob der Verein finanziell über-haupt in der Lage gewesen wäre, die Pfahldörferwieder aufzubauen, kann – Gott sei Dank – dahinge-stellt bleiben (kostet doch allein der Wiederaufbauder Schiffsanlegestelle Hagnau 2 Mio DM).

Wir alle sehen nun erwartungsvoll dem Ende die-ses Jahrhunderts mit 77 Jahren Vereinsgeschichteentgegen und fragen uns als geschichtlich interes-sierte Menschen, was uns die letzten zwei oder gardrei- bis fünftausend Jahre vergangener – in Anbe-tracht der Evolution doch so kurzen – menschlicherGeschichte an Entwicklungen und Erkenntnissenalles gebracht haben?

Ein ungeheuer komplexer Fragenkreis wird sichhieraus wohl individuell beim Klang der Silverster-glocken am 31.12.1999 ergeben. Endgültig beant-wortbar? – Ich denke nein !

Aber wir wissen alle um die Zerstörung und denVerfall von Kulturen der Vorzeit und Neuzeit, den-ken wir nur daran, was Europa vor 150 Jahrengetan – besser nicht getan – hat, um das geistigeErbe und Überleben der Indianerkulturen zu retten?

Es sei mir zum Sprung in das neue Jahrtausend dieFrage gestattet: Wir vom Verein für Pfahlbau- und

Vorwort

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Inhalt

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Ernst und Werner Feist: Die Häuser der Nivchi,Ostsibirien ..............................................................2

Nils Müller-Scheeße: Im Schatten des Eiffelturms:Die Präsentation von Pfahlbauten und Pfahlbau -funden auf Weltausstellungen ..............................22

Angelika Fleckinger:Der Mann aus dem Eis – Zur musealen Präsentation eines sensiblen Ausstellungskomplexes ........................................32

Othmar Wey: Die Ausgrabungen Hans Reinerths in der Siedlung Egolzwil 2 in den Jahren 1932 – 33 ..............................................................39

Ingo Campen und Harald Stäuble:Holzfunde im Braunkohlen tagebau Zwenkau: Ausnahme oder Regel?...........................................................46

Francesco Menotti: Die Aufgabe der frühbronze -zeit lichen Uferrandsiedlung von Bodman-Scha-chen (dt. Bearbeitung Peter Walter) .....................58

Marcus Schulz: Sedimentologische Kartierung des Uferbereichs zwischen Unteruhldingen undSeefelden ..............................................................66

Mathias Krauß, Gunter Schöbel, Peter Walter:Das „Hornstaadhaus“ im Pfahlbaumuseum Unter -uhldingen. Feldversuch und Bewohnung.Ein Zwischenbericht.............................................70

Gunter Schöbel:Der Nachbau eines „Arbon-Hau-ses“ der Horgener Kultur im Pfahlbaumuseum Unter uhldingen ....................................................82

Matthias Baumhauer: Ergebnisse einer Besucher-umfrageim Pfahlbaumuseum 1997.......................92

Ulrich Eberli: Neue Holzfunde aus Pfäffikon-Burg,Kanton Zürich, Schweiz .......................................96

Ursula Gnepf Horisberger, Stefan Hochuli, Werner H. Schoch: Archäologische Entdeckungen im Zugersee ........................................................102

Urs Leuzinger: Nicht alle Tassen im Schrank ...Die Holztassen-Herstellung im jungsteinzeitlichenDorf Arbon-Bleiche 3.........................................104

Claus Wolf, Jean-Pierre Hurni: Neues zur Archi-tektur des west schweizerischen Endneolithikums:erste Auswertungsergebnisse der Befunde in denSeeufer sied lungen von Concise-sous-Colachoz(VD) am Neuenburgersee...................................107

Beat Eberschweiler: Fundmeldungen aus Schwyzerund St. Galler Gewässern ...................................117

Adalbert Müller, Martin Mainberger, Urs Löhnert:Weitere Untersuchungen am „Salzschiff“ (W203) von Unteruhldingen/Bodensee ...........................120

Martin Kolb: Unterwasserarchäologie in der Sipplinger Bucht.......................................122

Gunter Schöbel: Spuren einer mittelbronzezeitli-chen Höhensiedlung auf Alt-Heiligenberg, Gemeinde Heiligenberg, Bodenseekreis ...........126

Gunter Schöbel: Reste einer mittelalterlichen Brücke über die Seefelder Aach bei Oberuhldingen,Ge mein de Uhldingen-Mühlhofen, Bodenseekreis.....................................................128

Gunter Schöbel: Sondierungen in der spät -bronzezeitlichen Ufersiedlung von Unter uhldingen,Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen, Bodenseekreis.....................................................129

Gunter Schöbel: Wiederausgrabungen in der „Wasserburg Buchau“, einer spätbronzezeitlichenUfersiedlung im Federseemoor .........................130

Marion Heumüller: Der Bohlenweg „Am Ödenbühl“ im südöstlichen Federseemoor(Kreis Biberach) .................................................132

Christian Bollacher: Neue Untersuchungen zum Siedlungsplan des neolithischen MoordorfesDullenried bei Bad Buchau, Ldkr. Biberach ......134

Rolf-Heiner Behrends: Ein ungewöhnliches Gefäß der Bandkeramik aus Schwetzingen, Rhein-Neckar-Kreis............................................138

Peter Walter: Medizinmänner/Schamanen in den Torwiesen? Endneolithische Funde aus Bad Buchau (Sammlung Menz) .........................140

Peter Walter: Eine Pfeilspitze aus Sipplingen....145

Gunter Schöbel: Ein Bronzebeil aus Burgweiler,Gemeinde Ostrach, Landkreis Sigmaringen.......146

Vereins- und Museumsnachrichten 1997 bis 1999 .....................................................148

Gunter Schöbel: Jahrhunderthochwasser in den Pfahlbauten ..............................................168

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lichen Gemeinschaft stehen wie verschiedeneSchweizer Ausgrabungen vom Pfäffikersee, vomZugersee, der Innerschweiz oder vom Neuenburger-see in der aktuellen, überregionalen Berichterstattungobenan. Für Baden-Württemberg und unsere unmit-telbare Region sind Berichte zum Uhldinger Salz-schiff, einer Lädine, aus dem 16. Jh. oder die von uns geförderte Tauchausgrabung in Sipplingen vongroßem Interesse. Daneben erhellt die Betrachtungeines bandkeramischen „Birkenpechgefäßes“ unsereVorstellung von der Herstellung und Lagerung des„steinzeitlichen Klebstoffes“. Notizen zu Einzelfun-den aus unserer unmittelbaren Umgebung, zu Scherben von Heiligenberg oder einer Pfeilspitze aus Sipplingen wie auch eines Randleistenbeiles ausBurgweiler zeigen auf, dass auch das Hinterland desBodensees eine lange, wenn auch noch kaumerforschte Geschichte besitzt. Für die Naturwissen-schaften stehen Aufsätze, die sich mit der Verlan-dungsproblematik und der Erosion im unmittelbarenUmfeld unserer Pfahlbausiedlung von Unteruhldin-gen beschäftigen. Es sind aber auch historische See-spiegelschwankungen, die in ihren Auswirkungenam Beispiel von Bodman-Schachen am ÜberlingerSee geprüft werden. Ein Thema das im Hinblick aufdas große Hochwasser des Jahres 1999 sicher einesehr aktuelle Bedeutung hat. Unsere eigenen Akti-vitäten im Museum wie der Aufbau des Arbonhausesoder die Bewohnung des Hornstaadhauses findenwie die Unternehmungen des Pfahlbauvereins in denletzten 3 Jahren, darunter auch die vom Forschungs-institut vorgenommenen Ausgrabungen in BadBuchau, in der „Wasserburg“, und im spätbronze-zeitlichen Pfahlfeld von Unteruhldingen, eingehendBerücksichtigung. Eine Umfrage unter den Museums -besuchern zeigt abschließend und wegweisend dieEinschätzung unseres Freilichtmuseums durch denGast in unserem Hause auf. Die noch offenen Wün-sche unserer Besucher sind uns Aufgabe und Richt-schnur. Sie werden uns in wissenschaftlicher wieauch touristisch-erlebnisorientierter Hinsicht bei denweiteren Planungen beschäftigen.

Ein von der EU gefördertes Projekt „Archeo-Live“mit dem Städtischen Museum von Modena in Italienund dem Naturhistorischen Museum in Wien inÖsterreich soll als erster Baustein in den nächstenJahren gerade die pädagogischen und wissenschaftli-chen Grundlagen hierzu liefern. Es sollen in Italien

bei Montale eine mittelbronzezeitliche Terramare-Siedlung, in Österreich eine kleine eisenzeitlicheBergbauernansiedlung in Hallstatt und in unseremFreilichtmuseum Häuser nach dem Vorbild der spät-bronzezeitlichen Ausgrabung in Unteruhldingen-Stollenwiesen entstehen. Mit diesem europäischenProjekt, auf das sich Vereinsvorstand und alleMuseumsmitarbeiter freuen, soll die Museumsarbeitim neuen Jahrtausend fortgesetzt werden.

G. SchöbelMuseumsdirektor

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Heimatkunde e. V. sehen uns der wissenschaftli-chen Erforschung und pädagogischen Vermittlungder Erkenntnisse der Kulturen der Stein- und Bron-zezeit verpflichtet. Haben wir diesen Wissensdurstund diese Verpflichtung voll erfüllt?

Heute bestehen noch kleine in der Steinzeit lebendeKulturgruppen von Mitmenschen, wie z. B. denYanonamis in Südamerika, Aborigenes in Australien,Buschmännern in Botswana, Ovahimbas in Nami-bia usw., deren Kulturen und andere es zu rettengelte. Vermutlich wird deren heutige Existenz nichtauf Dauer zu erhalten sein, aber deren würdige undals Mit-Menschen geachtete Verwirklichung ihreruralten Lebensformen.

Früher gejagt zum Zeitvertreib, heute staunen wirüber deren Reichtum an Überlebenstechniken, lernen davon, sind erstaunt über deren Märchen,Mythen, religiösen Weltbildern usw, z.B. der Abo-rigenes.

Daher wage ich, die Frage zu stellen, ob es nichtein neues zusätzliches Ziel unserer erfolgreichenVereinsgeschichte (die natürlich keine Änderung inder bewährten Konzeption erfahren darf) wäre, derMit-Mensch, der heute noch auf der Kulturstufeder Steinzeit steht, ihm sein Überleben zu sichern?

Allen Mitarbeitern des Pfahlbau-Museums, vorabDr. Schöbel, den Verantwortlichen im Vorstand,den Vereinsmitgliedern, den vielen freiwilligenHelfern, Firmen, Behörden und Institutionen, wieder freiwilligen Feuerwehr, THW, usw. aufrichti-gen Dank für den teils unermüdlichen Einsatzwährend der Hochwassergefahr 1999 .

Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest und die Rea-lisierung all Ihrer Hoffnungen und Wünsche beibester Gesundheit im Jahre 2000.

Mit herzlichen Grüßen Ihr

Fritz Förster1. VorsitzenderVerein für Pfahlbau- u. Heimatkunde e. V.

Hinweis:Die Mitgliederversammlung des Vereinsfindet im 20./21. Mai 2000 in Singen am Hohen -twiel statt.

Vorwort des Direktors

Liebes Mitglied, lieber Leser dieser Zeitschrift,

das bestimmende Ereignis des Jahres 1999 in denPfahlbauten von Unteruhldingen war rückblickendnicht der Auftritt des Steinzeitmenschen „Uhldi“alias Mathias Krauß, sondern das „Jahrhundert hoch -wasser“. Die Pfahlbauten, denen das Wasser bis zumFußboden stand, wurden unter dem tatkräftigen Ein-satz aller Museumsmitarbeiter, der Feuerwehr undden Technischen Diensten sowie vieler Vereinsmit-glieder und Freiwilliger in den Pfingsttagen vorSchlimmerem bewahrt. Der höchste Seespiegelstandseit 109 Jahren am Bodensee überspülte 4 der insge-samt 15 Häuser, Teile der Plattformen und alle Wegeim Ufergelände. Ein weiterer Anstieg des Bodenseeshätte katastrophale Auswirkungen für die Freilichtre-konstruktion gehabt. Den Helfern in der Not sei des-halb das letzte Heft unserer Vereins- und Museums-zeitschrift im ausgehenden 20. Jahrhundert gewidmet.

Der vorliegende Band greift unter Berücksichtigungdes extremen Hochwassers verschiedene museums-relevante Themen auf. Den Beginn macht ein Beitragzur ethnografischen Hausforschung und Alltagskul-tur in Sibirien, der interessanterweise von Sommer-siedlungen am Wasser und Winterdörfern im Hinter-land berichtet. Ein Thema, das inzwischen auch ver-stärkt bei den vorgeschichtlichen Ufer- und Moor-siedlungen diskutiert wird. Eine gründliche Rückbe-trachtung zur Präsentation von Pfahlbauten anläss-lich der Weltausstellungen im 19. Jh. folgt, welchedie Annahme unseres Themas in der Bevölkerungaus historischen und ganz anderem Blickwinkelzeigt. Die museale Präsentation eines sensiblen Aus-stellungskomplexes, wie ihn der Mensch aus demEis: „Ötzi“, darstellt, beschäftigt im Anschluß darandie Museumsleiterin des neuen, so erfolgreichenBozener Museums. Notwendige Grundlagenarbeitim Bereich der Forschungsgeschichte stellen neueBetrachtungen zu den AusgrabungskomplexenEgolzwil II in der Schweiz, sowie Dullenried oder zuden vorgeschichtlichen Bohlenwege im Federsee-moor dar. Aktuelle Berichte aus der Archäologieschließen sich an. Ein Brunnen aus dem 53. Jh. v. Chr.und seine wichtige Funktion abseits der Seen undFlüsse für die Wasserversorgung einer vorgeschicht-

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Die Naturhistorische Gesellschaft in Nürnbergbesitzt seit den Zwanziger Jahren eine umfangrei-che Sammlung von Gegenständen der Nivchi (Giljaken), einem ostsibirischen Volk. Die Samm-lung entstand um die Jahrhundertwende. Die Neu-einrichtung eines Museums für Völkerkunde inNürnberg im Frühjahr 2000 führte zu intensiverBeschäftigung mit Bereichen, die in der Sammlungnicht vertreten sind. Besonders Fragen im Zusam-menhang mit Hausbau und Wohnungswechsel fan-den unser Interesse.

Die Autoren danken Frau Marita Ando und HerrnErhard Schwerin vom Museum für Völkerkunde in Leipzig für die Bereitstellung vonModellen zum Studium, für In formationen undRatschläge. Frau Ingrid und Frau Susanne Feistdanken wir für Übersetzungen und kritischeBegleitung.

Die Häuser der Nivchi,OstsibirienErnst und Werner Feist

Standortfaktoren

Die Nivchi waren um 1900 ein Volk, das sichhauptsächlich von Fisch und Seesäugern ernährte.Alle ihre Dörfer lagen in unmittelbarer Nähe zumWasser: am Amur, am Amur-Liman (Mündungsbe-reich des Amur), an den Küsten des OchotskischenMeeres oder am Tymy-Fluß im Nordteil der InselSachalin (v. Schrenck 1891, 319; Black 1973, Fig. 1).

Durch die Berührungen der Nivchi mit Nachbar-völkern, insbesondere mit Chinesen und Japanern,sowie im 19. Jahrhundert zunehmend mit Russen,entstand das Bedürfnis, Handel zu treiben. Darüberhinaus gerieten sie unter politischen Einfluß dieserGroßmächte und mußten Steuern bezahlen. Dafürwurden im Winter oberhalb der steilen Hochufer inden Ausläufern der Taiga mit ihren ausgedehntenWald- und Sumpfgebieten Pelztiere gejagt, bezie-hungsweise mit Fallen erbeutet (Semjonow 1975;v. Schrenck 1891, 319 – 321).

Sie züchteten Hunde für ihre Handelsreisen mitdem Schlitten im Winter. Sie verarbeiteten mitgroßem Geschick Häute der Fische, Felle der See-säuger, der Hunde und der Pelztiere zu Leder undFellkleidung für den Eigenbedarf und den Handel.

Die Standortfaktoren ihrer Siedlungen waren somitsaisonal unterschiedlich definiert. Im Sommer warwichtig • die Nähe zur Stromrinne, der die Lachse folgten,• genügend tiefes Wasser zum Anlanden der Boote,• trockenes, hochwassersicheres Ufer.

Im Winter dagegen zählte • die Nähe zum Jagdrevier,• Schutz vor Schneestürmen durch nahe Berge,

durch hohen Wald, durch dichtes Gebüsch,• natürlicher Holzvorrat zum Heizen,

(Black 1973, 6; v. Schrenck 1891, 320).

7

Anforderungen an den Hausbau

Das Klima in den Siedlungsgebieten, die nach denBreitengraden zwischen Hamburg und Frankfurta.M. liegen, ist zwar etwas milder als im übrigenSibirien, aber dennoch strenger als bei uns.• Monsunartige Winde bringen im Sommer starke

Regenfälle und Überschwemmungen (siehe Abb. 1).• Die Sommer sind heiß aber kurz (weniger als

30 Tage über 20°C Durchschnittstemperatur) (siehe Abb. 2).

• Die Winter sind lang (120 – 150 Tage unter -10°C)(siehe Abb. 2).

• Flüsse und Seen tragen 150 bis 210 Tage eine feste Eisdecke.

Im Sommer leiden Mensch und Tier unter derMückenplage, im Winter unter eisigen Winden(GHCN 1997).

Es ergaben sich daher bestimmte Anforderungenan den Hausbau. Während der Sommermonatemußte man vor Feuchtigkeit durch Nebel undRegen, vor Über schwemmungen des Amur und vorUnge ziefer geschützt sein, im Winter vor Kälte,Sturm und Schnee.

Die Nivchi konnten diese Anforderungen technischnicht in einem Bau verwirklichen. Sie besaßen des-halb unterschiedliche Häuser für Sommer undWinter. Ein luftiger Pfahlbau erfüllte die Bedin-gungen für die Sommermonate. Dagegen wurdenim Winter leicht beheizbare, zeltartige Winterjur-ten mit windfesten Wänden, die bis zu 1 m in dieErde eingetieft waren oder Winterhäuser mit be -heizten Bänken und zwei Herdstellen bevorzugt (v. Schrenck 1891, 321 – 322).

Witterung und Nahrungsbeschaffung zwangen zum Umzug jeweils im April/Mai und Oktober (v. Schrenck 1891, 355; Black 1973, 6).

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Nürnberg (48° N 11° O)

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Festland (53° N 141° O)

Abb. 1: Temperatur diagrammnach GHCN 1997.

Abb. 2: Niederschlags -diagramme nachGHCN 1997.

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in verschiedene Sommerdörfer trennten, in denensie wiederum mit Bewohnern anderer Winterdörferzusammen lebten. So war für manche Nivchi derUmzug nur der Wechsel ins Nachbarhaus, währendandere ihren Hausrat mehrere Kilometer weit trans-portieren mußten (v. Schrenck 1891, 320).

Soziologische Faktoren

Die Winterhäuser beherbergten Großfamilien, diedurch die väterliche Linie bestimmt waren. DieBewohner eines Winterhauses teilten sich im Som-mer auf mehrere der kleineren Sommerhäuser auf.Da die Sommerhäuser und die Vorratshäuser leichtzu verwechseln waren, beziehen sich alle Autorenbei soziologischen Betrachtungen auf die Winter-häuser (z.B. v. Schrenck 1891, 359 – 360).

Die Dörfer entlang der Flußufer und der Meeres küs -ten waren klein: Sie umfaßten durchschnittlich dreiWinterhäuser im Amur- und Amur-Liman-Gebiet,aber nur zwei in Sachalin (v. Schrenck 1891, 364).

Die geringe Zahl der Winterhäuser bedingte einerelativ hohe Anzahl von Bewohnern. Nach Stern-berg (Black 1973, 7 nach Sternberg 1893, 34) lebtenin einem Winterhaus oft über 50 Personen. Durch-schnittlich kann man pro Winterhaus mit 10 bis 20Personen rechnen (Black 1973, 7), nach v. Schrenckmit 16 in Winterhäusern, mit 8 Bewohnern in tradi-tionellen Winterjurten (v. Schrenck 1891, 365).

In kleineren Siedlungen lebten in der Regel nurMitglieder einer Familie. In den größeren Siedlun-gen in wirtschaftlich günstigeren Gebieten lebtenneben mehreren Familien auch Zuwanderer vonNachbarvölkern (z.B. Tungusen oder Russen).

Die Anlage der Dörfer war einzeilig und folgte derUferlinie (vgl. Abb. 3). Sie war bestimmt von derFamiliengliederung. Brüder oder Söhne des Sied-lungsgründers bauten ihre Häuser flußaufwärts,wenn sie einen eigenen Hausstand gründeten.Manchmal entstand in großen Dörfern auch einezweite Häuserreihe (Black 1973, 7 nach Taksami1961, 100 – 101).

Jede Familie hatte als Familienbesitz Fischereizonenund Jagdgebiete (Black 1973, 7 nach Zolotarev

1933, 55) sowie bestimmte Kult- oder Opferplätzeim Wald und am Strand bzw. Ufer (Black 1973, 7nach Sternberg 1933, 59, 312 – 313).

Die Dörfer der Nivchi hießen Langr, Magho, Nyi,

Pud-wo, Tamla-wo, Tebach, Tschai-wo, Tschomi,

Udmk-wo oder Wair. Wo heißt Dorf (v. Schrenck1891, 362 – 363).

Beschreibung des Dorfes Kal´ ma nach Taksami(Black 1973, 7 nach Taksami 1961, 102): Die Sied-lung war klein – nur drei Winterwohnungen mitüber 40 Personen. Zusätzlich zu den Winterwoh-nungen gab es Sommerhäuser, Fischgestelle, Platt-formen für die Fischzurüstung, sowie Pfosten fürdie Fischausrüstung. Alle Bauten waren in einerbestimmten Ordnung in der Nähe des Ufers errich-tet. Unmittelbar an der Wasserkante waren dieBauten für die Fischverarbeitung. Etwa 25 – 40 mweiter waren die Winterjurten, daran angrenzenddie Sommerhäuser und andere Wirtschaftsbauten.Es gab vier Bärengehege und zwei Bauten für dasAufbewahren der Gegenstände des Bärenfestes.Von den Häusern entfernt lagen die Boote auf demStrand. Am Rande der Siedlung, im Gehölz, lagder Friedhof, wo jede Familie ihren zugeteiltenPlatz hatte.

Das Sommerhaus

Sommerhaus käryf (ke ryv) (v. Schrenck 1891, 355–358) (vgl. Abb. 4–7).

Die Zeit zum Umzug war gekommen, wenn mitder Schneeschmelze Wasser in die Grube der zelt-artigen Winterjurte floß, bzw. den Boden des Win-terhauses aufweichte. Durch das wärmere Wettervermehrte sich das Ungeziefer. Vor allem Läusequälten die Bewohner.

Auf 12 Pfählen wurde in ca. 1,5 m Höhe eine Platt-form errichtet. Die oberen Pfahlenden waren mitBirkenrindenstücken abgedeckt, um Ratten denWeg ins Haus zu verwehren (Abb. 4.1, 4.2). Dar-auf befand sich das ca. 9 m lange und 5,5 m breiteHaus (Abb. 4.3, 4.4, 5). Zum schmalen Balkonführte ein Steigbaum. Es schloß sich ein Vorrauman aus Wänden mit senkrecht gestellten Bretternzum Lagern von Fischvorräten und Gerät. Dahinter

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Die Gebäude einer Siedlung (Abb. 3)

Die Anlage einer Sommersiedlung um faßte nebenden Sommerhäusern Trockengerüste für Häute undFische, Plattformen für die Fisch verarbeitung unddas Lagern von Geräten, ein fache Unterstände fürdie Hunde und Bootsländen. Gebärhütten warenhinter den Häusern errichtet. Sie waren nach denSitten der Nivchi absolut notwendig (Black 1973, 7;Abb. 3 oben). Die auf manchen Fotos von Nivchi-Siedlungen aus der Zeit der Jahrhundertwendeabgebildeten Zelte sind in der alten Tradition desNordens mit Stangen errichtet und mit Matten, Fel-len oder Planen gedeckt. Ob sie giljakischen Ur -sprungs sind oder von An gehörigen anderer Völkererrichtet waren, konnte nicht geklärt werden.

Die Wintersiedlungen wiesen als Wohngebäude dietraditionelle Winterjurte und/oder das Winterhausauf. Taksami berichtet (Black 1973, 9 nach Taksa-mi 1961, 120), daß die traditionelle Winterjurte seit

der Jahrhundertwende ganz verschwunden sei.Nach v. Schrenck gab es um 1850 auf Sachalin fastnur traditionelle Winterjurten, während im Amur-gebiet nur Winterhäuser zu finden waren. Nebenden Winterhäusern standen Vorratshäuser, angelegtwie niedrige Sommerhäuser. Man konnte in ihnennicht aufrecht stehen. Ritualschuppen, in denen dieFamiliengeräte für das Bärenfest aufbewahrt wur-den, gab es nur in Siedlungen, die als Heimatgebieteiner Familie betrachtet wurden. In den Winter-siedlungen hatten auch die Hunde feste Unterkünf-te. Vereinzelt gab es Bärenzwinger, in denen einBär für das Bärenfest aufgezogen wurde (vgl. Feist1995). Die Familiengräber befanden sich zwischenDorf und Wald (Abb. 3 unten; Black 1973, 7, 16).

Je nach den topographischen Verhältnissen konntenWinter- und Sommerhäuser im gleichen Ort stehen,oder sich in weit auseinanderliegenden getrenntenWinter- und Sommersiedlungen befinden. Auchkam es vor, daß Bewohner eines Winterdorfes sich

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Abb. 3: Ideales Dorf der Nivchi. Oben: Sommerdorf.Unten: Winterdorf,nach Kreinovich (Black1973, Fig. 3 nachKreinovich 1936).

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Diese Art von Dreischichtendach samt der Wind -sicherung entspricht einer zirkumpolar üblichenBautradition (vgl. z.B. Bresson/Bresson 1981).

Zu den Maßverhältnissen der Sommerhäuser kön-nen sichere Aussagen nicht gemacht werden, daleider nur sehr wenige Maßangaben vorliegen.

V. Schrenck gibt für ein Sommerhaus käryf folgen-de Werte an:

Pfahlhöhe 4 - 5 Fuß 1,22 - 1,52 m

Länge 4 - 5 Faden 28 - 35 Fuß 8,53 - 10,66 m

Breite 3 Faden 21 Fuß 6,40 m

Die Angaben v. Schrencks ergeben ein Maßver-hältnis von 3 : 4 bzw. von 3 : 5, wobei man nichtsicher sein kann, ob europäische Einflüsse unbe-wußt eine Rolle spielen.

Das Modell eines Sommerhauses im Völkerkunde-museum Leipzig (Inv. Nr. NAS 1411) weist miteinem Längen - Breitenmaß von 40 cm x 63 cm einSeitenverhältnis von 1 : 1,575 ≈ 1 : 1,6 = 5 : 8 auf.

Als sicher kann man die Angabe bezeichnen, daßalle Wohnteile, die die Herdstelle im Zentrumhaben, Quadrate als Grundform aufweisen. Leiderberichtet kein Autor über die Art, wie die Nivchiihre Bauten vermessen haben. Auch für die Annah-me, daß Faden (die Länge der ausgebreiteten Arme)und Fuß als Maße, Pflock und Faden als Werkzeugeine Rolle spielten, gibt es keinen Hinweis.

V. Schrenck erwähnt, daß andere paläoasiatische Völker wie die Kamtschadalen auf hohen Pfählenpyramidenförmige Sommerhäuser bauten. Sie ent-sprechen dem Aussehen der Winterjurte, sindjedoch auf einen Pfahlrost gesetzt.

11

war ein quadratischer, ca. 30 m2 großer Wohnraum.Er war bei manchen Sommerhäusern als einfacherBlockbau, bei anderen als Spaltbohlenbau errichtet(Abb. 6). In seiner Mitte befand sich die ca. 1 m x2,2 m große, 50 cm hohe Herdstelle (Abb. 4.4, 5).Sie bestand aus einem hölzernen Kasten, der mitfestgestampfter Erde gefüllt war. Auf einer Seitewaren drei im Dreieck gestellte Steine eingelassen.Auf ihnen stand ein großer Eisenkessel zum Kochendes Hundefutters. Über der Herdstelle befand sichim Dach ein durch den Firstbalken geteilter recht-eckiger Rauchabzug. Darunter waren im Dachge-bälk einige Längs- und Querstangen befestigt,woran die Haken für die Kochkessel gehängt wur-den (Abb. 4.4). An den Wänden waren auf dreiSeiten ca. 1,6 m breite Sitz- und Schlafbänke. Ander Türwand bewahrte man in kleinen RegalenHausrat auf und lagerte Brennholz. Auch der Was-serbehälter aus Birkenrinde stand dort. Da die Rit-zen der Wände nicht abgedichtet waren, war dieSommerwohnung angenehm rauchfrei und durch-lüftet. Unter der Plattform hingen die Schlitten undhielten sich die Hunde auf (Abb. 4.4). An beson-ders trockenen Plätzen der Westküste Sachalinswurden Sommerhäuser auch ebenerdig gebaut.

Alle uns zur Verfügung stehenden Abbildungenvon Sommerhäusern wie auch die Modelle desVölkerkundemuseums Leipzig weisen auf Rofen-dächer hin (Abb. 7). Die beiden Fußpfetten liegenunmittelbar auf den Seitenwänden, die Firstpfettedirekt auf den Giebelspitzen auf (Abb. 4.3). Siewird außerdem durch eine Säule in der Wohnraum-mitte und durch zwei Königsbalken in der Giebel-front und auf der Plattform gestützt (Abb. 4.4, 7).Die beiden Fußpfetten werden im Bereich derPlattform durch kurze Stützen getragen. Alle Stüt-zen stehen entweder in Pfostenschuhen oder sindwie alle anderen Holzverbindungen gezapft.

Auf den Pfetten liegen in lockeren Abständen Stangen (Sparren). Sie sind Grundlage für die Bir-kenrinde, die die wasserdichte Schicht bildet. DieBirkenrinde wird durch eine Lage von Spaltbretterngegen das Abdecken durch den Wind ge schützt. DieBretterschicht ist durch lange, waagrecht liegendeStangen auf jeder Dachseite gesichert. Sie werdengegen den Dachrand durch stehengebliebene Aststut-zen der Stangenunterlage, gegen den First durchBretter vor den beiden Giebeln gehalten (Abb. 4.4).

10

1,6Bank

Abstellraum Bal-kon

Wohnraum

Herd

0,65

0,8 0,8 0,8

0,65

1,01,6

95,8 2,3 ,9

5,5�2,2

4,8

3,21,6

Abb. 4: Aufbau eines Sommerhauses.

Abb. 5: Grundriß eines Sommerhauses, Maßan-gaben in Meter, nach v. Schrenck (v. Schrenck 1891, 355 – 358).

Abb. 6: Verschiedene Typenvon Sommerhäusern.6.1: Vorderfront reinerBretterbau. Zeichnun-gen nach unveröffent-lichten Fotos.6.2: Wohnteil alsBlockbau, Lagerteil alsSpaltbohlenbau mitBretterwand. 6.3: Reiner Blockbau.

Abb. 7 (links): Modell eines Sommer-hauses, Museum fürVölkerkunde, Leipzig(Inv. Nr. NAS 1411).

Abb. 8 (rechts):Sommerhütte in Kamtschatka, Sibirien (Steller 1774, 214).

4.1

4.2

4.3

4.4

6.1

6.2

6.3

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einer Abmessung von 53 cm x 54 cm ein Seiten-verhältnis von 1 : 1,02. Die Dachneigung beträgtauf der steilen Seite 50°, auf der flacheren ca. 40°.

Als Vergleich sind die Maße eines Lappstaden vonInteresse. Die traditionellen Winterhäuser der Lap-pen sind ebenfalls fast quadratisch und etwas klei-ner als die Jurten der Nivchi. Mit einem Außenmaßvon 3,88 m x 4,40 m ist das Seitenverhältnis 1 : 1,13.Die Dachneigung beträgt 50° bzw. 38° (Manker/Hvarfner 1976, 38).

Jurten dieser Bauart sind in weiten Teilen der Polar -region nachgewiesen (z.B. Manker/Vorren 1958).

Winterhaus tschadryf (chad ryv)(v. Schrenck 1891, 326-330), (Abb. 13 – 16)Um 1900 gab es nur noch wenige Winterjurten intraditioneller Bauweise. Durch den jahrhundertelan-gen Kontakt der Nivchi mit Mandschuren und Chi-nesen setzte sich immer mehr das Winterhaus durch.

Die Bezeichnung „chinesisch“ wurde von v. Schrenckeingeführt (v. Schrenck 1891, 351 – 353), der dieHerkunft der Bauweise der Heizung bis nach Chinazurückverfolgte. Ausgrabungen in Vuollerim beiJokkmokk in Nordschweden beweisen allerdingsein sehr viel älteres Vorkommen solcher Heizungen.Sie werden auf 4000 v. Chr. datiert (Kurzinforma -tion des Museums in Vuollerim).

Das Winterhaus war ein ca. 9 m x 11 m großerHolzbau mit eingespannten Spaltbohlenwändenund gestampftem Lehmboden, der für 16 bis 20Personen Raum bot (Abb. 13). Die Bohlen warenan ihren Enden abgeflacht. Die Enden lagerten indreieckigen Ausnehmungen, die in die Pfosten seit-lich eingekerbt waren. Die Ritzen zwischen denBohlen waren mit Moos verstopft. Zwei Pfosten imInneren des Hauses sowie die beiden Mittelpfostender Giebelwände trugen den Dachfirst. Weiteredünnere Ständer im Inneren des Hauses stütztendie Dachseiten. Die Pfosten waren durch Querbal-ken verstrebt, die bis zu den Wänden reichten. Siewurden zum Aufhängen z.B. von Kleidungs-stücken verwendet (Abb. 13). Ein aus Stangen und Stöcken gebautes Dachgitter deckte man mitTannenrinde und trockenem Gras oder Schilf, das außen von Längsstangen angedrückt und

13

Das Winterhaus

Traditionelle Winterjurte toryf (to ryv) (v. Schrenck 1891, 321 – 323, 325), (Abb. 9 – 12)Setzten im Oktober die ersten Fröste ein, zog manwieder ins Winterhaus. Die Jurte wurde zeltartigaus Baumstämmen über einer quadratischen, ca. 1 m tiefen Grube mit 6 – 7 m Seitenlänge errichtet(Abb. 9, 11). Dazu wurden 4 Pfosten im Innerender Grube aufgestellt und mit Querbalken verbunden,

12

Lager-fläche

Lager-fläche

Lager-fläche

Lagerfläche

Lagerfläche

Lager-fläche

Bank

Herd

Bank

Bank0,9

0,9

0,9

1,0 0,8

6,0

6,02,2

1,6

1,6

1,6

an welche die Außenwandbalken gelehnt wurden (Abb. 9, 12). Von außen wurde mit Gras und Erdeabgedichtet. Ein niedriger, abwärtsführender über-dachter Gang leitete ins Innere. Am Gangende wardie Türe der Jurte, entweder als Schiebetüre, odermit Angeln versehen angebracht (in Abb. 9 wegge-lassen). Hinter der Türe führte eine Stufe in denInnenraum. Wie im Sommerhaus befand sich imZentrum, unter dem Rauchloch an der Spitze desDaches, die Herdstelle (Abb. 9, 10). Sie war wie imSommerhaus gebaut, von gleichen Abmessungen,mit dem Standplatz für den Kessel zum Kochendes Hundefutters und mit entsprechend angebrach-ten Haken (siehe Sommerhaus). Das auf der Herd-stelle brennende Feuer diente nicht nur zum Kochenund als Heizung der Jurte, sondern war auch dieeinzige Lichtquelle des fensterlosen Raums. Un -mittelbar an der Herdstelle standen Birkenrinden-behälter für das Trinkwasser. An der Eingangs-wand stapelte man das Brennholz. An den dreianderen Wänden waren ca. 1,6 m breite Sitz- undSchlafbänke für 8 bis 10 Personen. Auf ihnenwurde quer, mit dem Kopf zur Wand geschlafen(Abb. 9; v. Schrenck 1891, 353). In den von denBänken ausgesparten Ecken lagerten Geräte,Kästen mit Hausrat und Kleidung, und Nahrungs-vorräte. Im überdachten Zugang hielten sich dieHunde auf. Die Jurte war durch das Feuer oft ver-qualmt, so daß trotz Tieftsttemperaturen ab und zudurch Öffnen der Türe Lüftung nötig war, was zueinem rapiden Temperatursturz führte.

Für die Winterjurte toryf gibt v. Schrenck folgendeMaße an:

Das Seitenverhältnis der Winterjurte beträgt ca. 1 : 1.Der Grundriß entspricht etwa der Größe des Wohn-teils im Sommerhaus. Das Modell einer Winterjur-te des Leipziger Museums für Völkerkunde hat mit

Länge und Breite 20 – 22 Fuß im Quadrat 6,09 m – 6,70 m im Quadrat

Lochtiefe 3 – 4 Fuß 0,91 m – 1,22 m

Sitz- und Schlafbänke Höhe: 1,5 Fuß Höhe: 0,46 m

Breite: 5 – 6 Fuß Breite: 1,52 m – 1,83 m

Herd Breite ca. 4 Fuß Breite: 1,22 m,

Länge ca. 8 Fuß Länge: 2,44 m

Abstand von den Bänken: Abstand von den Bänken:

ca. 3 Fuß, gleiche Höhe 0,91 m

wie die Bänke.

Abb. 9: Traditionelle Winterjurte.

Abb. 10: Grundriß einer traditionellen Winterjurte, Maßangaben in Meter,nach v. Schrenck (v. Schrenck 1891, 321 - 323).

Abb. 11: Modell einer traditio-nellen Winterjurte, Vor-derseite mit dem Ein-gang mit Schiebetürund dem Rauchloch.Museum für Völker-kunde, Leipzig (Inv. Nr. NAS 824).

Abb. 12: Innenraum des Modellseiner traditionellenWinterjurte mit demhölzernen Herdkasten(vorne), der Sitz- undSchlafbank (hinten undlinks) und mit Stangenzum Aufhängen derKleider und der Koch-kessel. Museum fürVölkerkunde, Leipzig (Inv. Nr. NAS 824).

Abb. 13: Winterhaus.

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Das Vorratshaus

Vorratshaus njö (v. Schrenck 1891, 358)Die Vorratshäuser glichen im äußeren Erschei-nungsbild (Pfahlbau) und in der Raumaufteilungvollständig den Sommerhäusern (Abb. 3 unten).Allerdings standen sie neben den Winterhäusern,da erst im Winter die Vorräte verbraucht wurden.In den Abmessungen etwas kleiner und niedrigererlaubten sie kein aufrechtes Stehen im Inneren. In ihnen wurden an den Wänden die Fischvorräteaufgehäuft.

Der Bärenzwinger

Bärenzwinger (v. Schrenck 1895, 697)Die Zwinger waren viereckige Balkenkästen mitkleiner, stark verrammelter Tür, mit noch kleinerem,stets offenem Fenster. War ein Bär zur Aufzucht imZwinger, so wurden Bretter als Ab deckung über denKasten gelegt, mit Stangen be festigt und mit Steinenbeschwert.

Rituelle Regeln im Haus

Die Türe eines Hauses war immer nach Ostengerichtet, weil nach dem Glauben der Nivchi imWesten das Reich der Toten mly-vo lag (Black1973, 7 nach Taksami 1961, 101). Das Hausinnerewar in zwei Bereiche geteilt. Dem „Herrn des Was-sers“ war die Haushälfte, die zum Strand oder Uferzeigte, dem „Herrn der Berge“ die andere Haus-hälfte geweiht. Gegenstände, die einer dieser Mächtezugeordnet werden konnten, wurden nur im ent-sprechenden Hausteil aufbewahrt. So lagerte maneinen Bärenkopf oder rituelles Gerät des Bären -festes in den dem Eingang gegenüberliegendenHausecken, die dem „Herrn der Berge“ zugeordnetwaren. Auch die Herdstellen waren dieser Eintei-lung unterworfen, ebenso wie die Benutzung derHerde. So durfte z.B. das Futter für Bären, die fürein Bärenfest aufgezogen wurden (vgl. Feist,1995), nur auf dem Herd des „Herrn der Berge“gekocht werden (Bären hatten nach dem Glaubender Nivchi für den „Herrn der Berge“ dieselbeBedeutung wie Hunde für die Nivchi selbst (Orloff1964, 227). Auf den Sitz- und Schlafbänken warendie Plätze des Hausherrn und seiner Familie im

Anschluß an den Herd, der dem „Herrn des Was-sers“ zugeteilt war (Black 1973, 9, 14 nach Stern-berg 1933, 315 ff). An der Rückwand gegenüberder Türe befanden sich die Ehrenplätze für Gäste(V. Schrenck 1891, 329) oder der Platz eines Man-nes, der von einem Bären verwundet worden war(Black 1973, 14 nach Sternberg 1933, 315 ff).

Zeremonien beim Bau und Bezugdes Hauses nach Lydia Black (Black 1973, 12)

Der Platz für ein neues Winterhaus wurde vomFamilienältesten ausgesucht. Es kam nur eine Stel-le in Frage, die noch niemals vorher besiedelt war.Häufig wurde der Schamane befragt, ob der Platzvon Geistern gestört sei.

Der Bau begann mit dem Ausheben der Pfosten-löcher. Kiesel, Flintstein, Zweige von wilden Rosenund Hechtköpfe wurden beigegeben. Die untersteBalkenlage wurde in die Schlitze der Pfosten ein-gefügt. Um sicher zu gehen, daß der Platz günstigwar, wurde er dann mit Mehl bestreut. War dieFläche am nächsten Morgen ungestört oder zeigtesie einen Männerfußabdruck, war alles in Ordnung.Fand man aber eine Tierspur oder den Abdruckeiner Frauenhand, ließ man alles liegen und suchteeinen neuen Platz. Kurz vor Vollendung des Bauesversah man die Hauptstützen mit menschlichen

Abb. 16: Winterhäuser (v. Schrenck 1891, Taf. XI).

15

festgehalten wurde. Die Außentür befand sich aneiner Ecke der Giebelwand (Abb. 13, 14, 16). Einehohe Schwelle sollte kalten Luftzug und das Eindrin-gen von Schnee verhindern. Das Haus hatte bis zusieben ca. 1 x 1 m große Fenster aus dünn geschab-ten Lachshäuten. Längsstreben dienten zur Befesti-gung der Häute. Die Fenster konnten nur durch Her-ausnehmen des gesamten Rahmens geöffnet werden.Links und rechts der Türe waren zwei Herdstellenaus Lehm. Sie wurden durch eine viereckige Öff-nung an der Vorderseite beheizt. Ein rundes Loch inder Herdplatte war für den großen Eisenkesselbestimmt. Der Rauchabzug der beiden Herde führteunter den Wandbänken hindurch zu einem diagonalgegenüber der Türe stehenden Kamin, einem hohlenBaumstamm (Abb. 13, 15, 16). Die Sitz- und Schlaf-

bänke waren dadurch so warm, daß Wachs schmel-zen konnte. Da das Haus keinen Vorraum hatte,brachte jedes Öffnen der Türe die Außenkälte herein.Man schlief auf den Bänken quer wie in der traditio-nellen Winterjurte, jedoch mit dem Kopf nach innenund den Füßen zur Wand. Durch die in Wandnäheangebrachten Rauchabzüge sollten eher die Füße alsder Kopf gewärmt werden. Ein weiterer Nachteilwäre gewesen, daß die zahlreichen Ratten, „die stetslängs der Wand hinlaufen, einem beständig über dasGesicht rennen“ (v. Schrenck 1891, 353). In der Tür-wand war unter dem Giebel ein rundes Lüftungsloch,verschließbar mit einer Schilfmatte (Abb. 13). Anden Wänden befanden sich vereinzelt Regale für denHausrat. Im Zentrum stand ein großer Tisch, auf demdie Hunde gefüttert wurden. Die Hunde waren aneiner Hängevorrichtung über dem Tisch angebunden(Abb. 13). Die mit Schilfmatten und Fellen belegtenSitz- und Schlafbänke waren eine Brut stätte fürLäuse und Ungeziefer, besonders gegen Ende desWinters. Wie v. Schrenck berichtet (v. Schrenck1891, 329–330), stellte er selbst im Sommer seinZelt nicht in die Nähe eines Winterhauses auf, umdem Ungeziefer zu entkommen.

Die Kenntnis der Technik des Holzbaues mit ein-gespannten Spaltbohlenwänden gelangte aus Chinaüber die Mandschurei zu den Nivchi. Sie ist eineuralte Technik und archäologisch auch in Europabelegt wie z.B. in der Siedlung Biskupin, Polen(Lausitzer Kultur, frühe Eisenzeit, Mitte des 1. Jt.v. Chr.; Luley 1992, Teil III, Abb. 163).

Für das Winterhaus tschadryf gibt v. Schrenck fol-gende Maße an:

Das Modell im Völkerkundemuseum in Leipzig zeigtmit 63 cm x 72 cm ein Verhältnis von 1 : 1,14 auf.

14

Bank

Hundetisch

Herd

Herd

0,8

11,0

1,6

1,8

3,7

1,6

1,6

9,0

Länge und Breite Ungefähr quadratisch,

gewöhnlich etwas länger als breit.

Länge: 6 – 7 Faden, Länge: 12,79 m – 14,93 m

Breite 5 – 6 Faden Breite: 10,66 m – 12,79 m

Höhe Wände niedrig,

Dach groß und flach abfallend.

Fenster Quadratisch, mal länger als breit,

mal umgekehrt, 3 – 4 Fuß groß 0,91 m – 1,22 m

Sitz- und Schlafbänke Höhe 1,5 Fuß, Breite: 1 Faden Höhe: 0,46 m, Breite: 2,13 m

Hundetisch 1 Faden x 2 Faden 2,13 m x 4,26 m

Abb. 14: Grundriß eines Winterhauses, Maßan-gaben in Meter, nach v. Schrenck und Stern-berg (v. Schrenck 1891,326 - 330; Black 1973,Abb. 5a nach Sternberg1933).

Abb. 15: Winterhaus nach einemFoto. Zu beachten sinddie Windstäbe an beidenGiebelseiten (vgl. Feistu. Feist 1994).

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Abb. 19: Vorratstasche aus Seehundsfell, Inv. Nr. 8206/557.

Abb. 20: Vorratstasche ausFischhaut (Lachs), Inv.Nr. 8206/552.

Gesichtern und setzte an der Schwelle Steine fürdie Wohnung des „Herrn des Hauses/Jurte“ und/oder der „Herrin des Hauses/Jurte“ (Abb. 17, 18).

Den fertigen Bau betrat der Älteste bei Sonnenun-tergang, um festzustellen, ob es ungewöhnlicheErscheinungen zu sehen oder zu hören gab. EinKnarren im Holz z.B. konnte die Familie veranlas-sen, das fertige Haus aufzugeben und an andererStelle neu zu bauen. Beim Einzug wurde die Zere-monie „Fütterung des Hauses“ vorgenommen. Vier Hunde wurden geopfert, einer für jede Haus-ecke. Bündel von Holzspänen (zach - chakh) wur-den aufgehängt und mit dem Blut der Opfertierebesprengt. Blutopfer wurden auch dem Hauptbal-ken und den Hauptpfosten gebracht. Das Fleischder Hunde wurde gegessen. Den Hundekopf unddie daruntergesteckten Pfoten befestigte man ander Außenwand. Beim anschließenden Einwei-hungsfest nahm der Hausherr kleine Portionen vonjedem Gericht, bestrich damit Bauteile des Hausesund warf etwas davon unter Beschwörungsformeln

ins Feuer. Nach der „Fütterung des Hauses“ wie-derholten alte angesehene Männer die Beschwörung.Bei jedem Herbstumzug ins Winterhaus wurdeerneut den Schutzgeistern des Hauses und des Feu-ers geopfert.

Die Zeremonien um den Hausbau, die dieses sibi -rische Urvolk bewahrt hatte, können ein Licht aufdie Bedeutung archäologischer Befunde auch inEuropa werfen.

Aufbewahrung von Kleidung, Hausrat, Vorräten

In den Häusern gab es außer den Sitz- und Schlaf-bänken nahezu keine Möbel. Lediglich der Hunde-tisch im Winterhaus und Wandregale in Herdnähewaren vorhanden. Zur Aufbewahrung von Haus-haltsgeräten, Kleidung und Vorräten dienten des-halb eine Vielzahl von Körben, Schachteln, Kistenund Taschen in unterschiedlichsten Größen. Dieseließen sich nicht nur leicht beim halbjährlichenUmzug transportieren, sondern im Haus nach Be -darf aufbewahren. Kisten und Schachteln konnteman in Hausecken stapeln.

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Taschen

Die Taschen sind aus Fischhaut, Tuch oder Tierfell(Hund oder Seehund) genäht (Abb. 19, 20, 21) Inder Nürnberger Sammlung sind alle als Vorrats -tasche bezeichnet, ohne einen näheren Verwen-dungszweck zu nennen. Sie dienten wohl vor allemder Verpackung von Nahrungsvorräten und wert-vollen Handelsgütern während Jagd- oder Handels-reisen im Boot oder mit dem Schlitten (vgl. auchSchubert 1997, 26). Sie sind trapezförmig mit run-den Ecken, in der Regel aus vielen kleinen Teilengenäht. Halbkreisförmige Klappen verschlossendie Taschen. Zum Zubinden dienten Lederriemen.Keine Tasche hat einen Henkel.

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Inv. Nr. Bezeichnung Breite x Höhe

8206/552 Vorratstasche aus Fischhaut (Lachs), ornamentiert 76 cm x 59 cm

8206/553 Vorratstasche aus Fischhaut (Lachs) 72 cm x 52 cm

8206/554 Vorratstasche aus Fischhaut (Lachs) 52 cm x 41 cm

8206/555 Vorratstasche aus Fischhaut (Lachs) 49 cm x 29 cm

8206/556 Vorratstasche aus Fischhaut (Lachs) 38 cm x 42 cm

8206/557 Vorratstasche aus Seehundsfell 80 cm x 54 cm

8206/558 Vorratstasche aus Seehundsfell 47 cm x 25 cm

8206/559 Vorratstasche aus Zeug 33 cm x 24 cm

Abb. 17: Herr der Jurte, Inv. Nr. 8206/8.

Abb. 18: Herrin der Jurte, Inv. Nr. 8206/7.

Abb. 21: Schnitt einer Vorrats -tasche aus Fischhaut(Lachs). Das untereDrittel bildet die Vor-derseite, der Mittelteildie Rückseite derTasche. Oben die Ver-schlussklappe. Inv. Nr. 8206/553.

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Holzkisten

In der Nürnberger Sammlung gibt es quaderförmi-ge Holzkisten, in der Mehrzahl jedoch ovale oderrunde. Quaderförmige sind aus vier Wandteilen,Boden und Deckel gebaut, wie dies bis heute auchbei uns üblich ist (Abb. 22). Bei ovalen oder run-den Kisten und Kistchen ist die Wand einteilig ausHolz gebogen (Abb. 23, 24). Das Wandbrett ist imBereich der Rundung nur etwa 0,5 cm dick. Aneiner Längsseite überlappen sich die beiden Brett -enden. Sie werden dort mit mehreren Holzzapfenzusammengehalten. Zum besseren Halt der Zapfensind die Brettenden nicht so dünn gearbeitet wiedas Wandbrett im Bereich der Krümmung. Sym-metrisch zu diesem Mittelsteg befindet sich auf dergegenüberliegenden Längsseite ein ebensolcherSteg im Wandbrett. Er versteift die zweite Längs-seite und fehlt somit bei runden Behältern. Bodenund Deckel sind genau eingepaßt. Der Boden ist inder Regel ebenfalls verzapft. Der Deckel kann ent-weder vollständig abgenommen oder an einer Seitemit Lederriemen als Scharnier fest angebundenwerden. Sein Rand kragt verdünnt abgesetzt überdie Wand, so daß der Deckel nicht verrutschenkann. Bei allen Holzkisten sind Deckel und Wand-flächen reich mit Kerbschnittdekor ornamentiert.

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Der letztgenannte ovale Holzbehälter ist wie eineSpanschachtel gearbeitet. Die Enden der Wandungmit ca. 0,3 cm Dicke überlappen und sind mit Näh-ten aus Tiersehnen fixiert. Ein weiteres gleich gear-beitetes Wandbrett steckt im Behälter. Die Längebeträgt 19 cm, die Breite 9 cm, die Höhe 5 cm.

Behälter aus Birkenrinde

Fast alle Birkenrindenbehälter sind quaderförmiggefaltet, teils mit Einschnitt, teils ohne. ZweiBehälter ohne Deckel werden in der Sammlung alsSchüssel bezeichnet, ein Verwendungszweck nichtangegeben. Drei Behälter mit Deckel sind Schach-teln, der Verwendungszweck ist nur bei der klein-sten angegeben. Sie dient der Aufbewahrung vonNähnadeln. Ein Behälter ohne Deckel, aber mitHenkel ist ein Korb zum Beerensammeln. Die Falt-technik stimmt mit den anderen beiden Gruppenüberein. Da Birkenrinde sehr dicht hält, sind darausgefertigte Behälter gut geeignet, Flüssigkeiten auf-zubewahren.

Beim Falten ohne Einschnitt entstehen schrägeZipfel, die nach außen über die Längsseiten ge-klappt werden (Abb. 25). An diesen Stellen

Abb. 25: Korb zum Beerensam-meln aus Birkenrinde,Inv. Nr. 8206/384.

Abb. 26: Schüssel aus Birkenrinde, Inv. Nr. 8206/382.

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Inv. Nr. Bezeichnung Behälter: Größe Wandbrett:Länge x Breite x Höhe Länge x Höhe

8206/373 Quaderförmige Kiste 50,5 x 22 x 17 cmmit flachem Deckel, ornamentiert

8206/374 Quaderförmige Kiste 30 x 21 x 19 cmmit gewölbtem Deckel, ornamentiert

8206/375 Quaderförmige Kiste 25,5 x 16,5 x 5,5 cmmit flachem Deckel, ornamentiert

8206/369 Ovale Kiste 64 x 40 x 38 cm 169 x 38 cmmit flachem Deckel, ornamentiert

8206/371 Ovale Kiste 30 x 23 x 13 cm 92,5 x 13 cmmit flachem Deckel, ornamentiert

8206/370 Ovale Kiste 35 x 22,5 x 17 cm 103 x 17 cmohne Deckel, ornamentiert

8206/376 Ovaler Korb 23 x 15,5 x 12 cm 71 x 12 cmaus Holz zum Beerensammeln

8206/378 Runde Holzschachtel 14 x 14 x 11,5 cm 51 x 11,5 cmmit flachem Deckel

8206/379 Runde Holzschachtel mit flachem Deckel 12 x 12 x 10,5 cm 47,5 x 10,5 cm

8206/372 Ovale Holzschachtel 19 cm x 9 cm x 5 cmohne Deckel, ornamentiert

Abb. 22: Quaderförmige Kistemit flachem Deckel,ornamentiert, Inv. Nr. 8206/373.

Abb. 23: Ovale Kiste mit flachem Deckel, ornamentiert, Inv. Nr. 8206/371.

Abb. 24: Schrägbild der ovalen Kiste, Inv. Nr. 8206/371.

Abb. 27 (links): Faltplan zum Korb, Inv.Nr. 8206/384.

Abb. 29 (links): Faltplan einer hohen Schachtel aus Birkenrinde, Inv. Nr. 8206/380.

Abb. 28 (rechts): Faltplan des Deckels einer Schachtel.

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entstehen 3 Schichten Birkenrinde übereinander,beim Falten mit Einschnitt dagegen nur zwei (Abb.28, 29). Die Einschnitte verlaufen teils senkrechtzum Rand des rechteckigen Birkenrindenstückes,teils gebogen, damit an den beim Falten entstehen-den Rundungen keine Stauchungen auftreten. Beimanchen Behältern sind deswegen auch überstehen-de Faltteile zum Teil weggeschnitten. Die weißeBastschicht der Birkenrinde ist manchmal innen,manch mal außen. Der gefaltete Behälter wurde mitSchnur oder Rindensplissen genäht. Zur Verstärkungder Wand und des Randes wurden kleinere Rinden-stücke oder Streifen, teils auch randparallel verlau-fende Holzstäbe innen oder außen mit angenäht. DieNähte sind teils als Ziernähte ausgeführt. Bei man-chen Behältern zeigen die Wandflächen eingepreßteOrnamentik. Das größtezusammenhängende Bir-kenrindenstück mißt längsdes Stammes 60 cm und rund um den Stamm54 cm, ist also von einemBirkenstamm mit ca. 17 cm Durchmesser abgeschält.

Bei zwei kleinen Behältern, als Tabaksdosenbezeichnet, sind Boden und Deckel aus Holzbzw. Kork, die Wand aus Birkenrinde (Abb. 30,31). Sie erinnern, wie das oben erwähnte kleineHolzgefäß, an Spanschachteln. Durch die Ver-wendung steifer Materialien für Boden undDeckel ist eine Faltung der Rinde nicht mehrnötig. Die Rinde ist oval gebogen, ähnlich denovalen Holzkisten. Die Enden sind gezackt ein-geschnitten und so ineinander gesteckt, daß dieSpitzen nach innen zeigen (vergleichbar gefalte-ten Händen, von der Handfläche aus betrachtet).Eine Naht ist daher nicht notwendig. Eine heraus-nehmbare Innenwand ist allerdings zusammen-genäht.

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Anschrift der Verfasser:

Ernst FeistGoldberger Str. 60D-90473 Nürnberg

Werner FeistBothmerstr. 41D-90480 Nürnberg

Abbildungen:

Zeichnungen:

Abb. 3, 4, 6, 13, 15: E. Feist.

Abb. 1, 2, 5, 10, 14: W. Feist.

Abb. 8: Steller 1774, 214.

Abb. 24, 26, 28, 29, 31: W. u. E. Feist.

Fotos:

Abb. 7, 11, 12: W. Feist.

Abb. 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 25, 27, 30: Archiv der völker-

kundlichen Sammlungen.

Abb. 16: v. Schrenck 1891, Taf. XI.

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Inv. Nr. Bezeichnung Behälter: Birkenrindenstück:Länge x Breite x Höhe Quer x Längs zum Stamm

8206/380 Hohe Schachtel mit Deckel, 22 x 19 x 28 cm Schachtel: 39 x 79 cmoben verjüngend, ornamentiert Deckel: 27 x 28 cm

8206/381 Flache Schachtel mit Deckel, 34,5 x 23 x 13 cm Schachtel: 50 x 58,5 cmornamentiert Deckel: 43 x 31 cm

8206/386 Kleines Schächtelchen zum 8,5 x 6 x 4 cm Schachtel: 13,5 x 16,5 cmAufbewahren von Nähnadeln Deckel: 12 x 11 cm

8206/382 Schüssel 33 x 27 x 12,5 cm 54 x 60 cm

8206/383 Schüssel 23,5 x 20 x 8 cm 33 x 34 cm

8206/384 Korb zum Beerensammeln 22,5 x 14 x 13,5 cm 40 x 40 cm

Inv. Nr. Bezeichnung Länge x Breite x Höhe

8206/284 Dose zum Aufbewahren 12 x 6,5 x 5,5 cmvon Rauchtabak

8206/285 Schnupftabaksdose 8,5 x 5,5 x 7 cm

Abb. 30 (oben):Dose zum Aufbewah-ren von Rauchtabak,Inv. Nr. 8206/284.

Abb. 31 (rechts): Schrägbild der Dosezum Aufbewahren vonRauchtabak, Inv. Nr. 8206/284.

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kom plexer; so wurde beispielsweise auf der Welt-ausstellung von 1889, für die der Eiffel-Turm er -richtet worden war, unterhalb des Turms an einemrückwärtsgewandten Gegenentwurf gearbeitet: eineSerie von 44 historischen Bauten sollte den Blickder Besucher auf die Vergangenheit richten und dieGeschichte der menschlichen Behausungen aufzei-gen (Abb. 1). Teil dieser „Histoire de l’habitationhumaine“ war die Rekonstruktion einer „Pfahlbau-siedlung“.

Im folgenden soll ein auf den ersten Blick abseitigerscheinender Aspekt der Weltausstellungen be -handelt werden: die Präsentation von archäologi-schen Pfahlbaufunden; denn die eben erwähnte Re konstruktion von 1889 steht keineswegs am An -fang der Zurschaustellung von Pfahlbaufunden aufWeltausstellungen, sie stellt vielmehr bereits dieKlimax dieser Entwicklung dar. Mehr als eine nurkasuistische Betrachtung von über 100 Jahre altenAusstellungsinhalten hat die Beschränkung aufPfahlbaufunde durchaus ihre Berechtigung: kaumeine andere archäologische Fundgattung löste eineähnlich starke Resonanz beim Publikum aus, wasvor allem den zumeist vorzüglichen Erhaltungsbe-dingungen zuzuschreiben ist.2 Deshalb läßt sichanhand der Präsentation von Pfahlbaufunden undPfahlbaurekonstruktionen auf Weltausstellungenexemplarisch der Grad der Aufmerksamkeit nach-vollziehen, der den archäologischen Befunden inder zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von derÖffentlichkeit geschenkt wurde. An diese Fund-und Ausstellungsgattung lassen sich Fragestellun-gen anknüpfen, die über die Pfahlbauproblematikund auch über die Archäologie hinausgehen.

Paris 1867

Bereits von den Zeitgenossen wurde die Expositionuniverselle von 1867 gerne als die erste „wahre“Weltausstellung bezeichnet. Neben den modern-sten Zeugnissen von Industrie, Kunstindustrie undKunst beinhaltete sie einen Aspekt, der für die wei-tere Entwicklung des Weltausstellungsgedankeninsgesamt, aber auch für die Museumswelt vongrößter Bedeutung werden sollte: erstmals wurde

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Wenn man Menschen des ausgehenden 20. Jahr-hunderts nach Dingen befragt, die sie mit den Welt -ausstellungen des 19. Jahrhunderts in Verbindungbringen, so fallen zumeist Stichworte wie „CrystalPalace“ oder „Eiffel-Turm“. Weitgehend in Ver-gessenheit geraten ist, daß die Weltausstellungenviel mehr als nur bauliche Großleistungen zu bie-ten hatten: sie waren „Feste des Fortschritts“, gla-mouröse „events“, anläßlich derer die Menschensich und ihre Zeit zelebrierten.1 Zweifellos stellteder zweckfreie Eiffel-Turm ein besonders mächti-ges Symbol dar, um die scheinbar unbegrenztentechnologischen Möglichkeiten des Menschen zudemonstrieren und zu feiern. Doch das Bild ist

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Im Schatten des Eiffelturms: Die Präsentation von Pfahlbauten und Pfahlbaufunden auf Weltausstellungen*

Nils Müller-Scheeßel

Abb. 1:Panorama der Weltausstellung von 1889. Umlau-fendes Fries mit Abbildungen der His toire del’Habitation (in der oberen Reihe [drittes Bild vonlinks] die Pfahlbaurekonstruktion). Die Gebäudeerstrecken sich unterhalb des Eiffelturms über diegesamte Schmalseite des Weltausstellungsgeländes(Phillip Dennis Cate und Familie).

* Der vorliegende Beitragbasiert in Teilen auf meinerenglischen Master’sthesis ”Fair Prehistory: Euro-pean Archaeology and WorldExpositions of the NineteenthCentury“. Die Veröffentli-chung der gesamten Arbeit istin Vorbereitung. Dort werdenweitere Informationen zuThemen zu finden sein, diehier nur angeschnitten werdenkönnen. – Für eine kritischeDurchsicht des Manuskriptsdanke ich J. Müller-Scheeßel.

1 Einen guten Überblick überdie einzelnen Weltausstellun-gen geben Findling/Pelle 1990und Schroeder-Gudehus/Ras-mussen 1992. Von deutscherSeite siehe Haltern 1973, Beut-ler 1973, Kroker 1975. Zwaroberflächliche, aber leichterreichbare Informationen bie-tet neuerdings das Spezialheft„Einfach gigantisch, gigantischeinfach“ der Zeitschrift„Damals“ (30, 1998).

2 Zur allgemeinen zeitgenössi-schen Rezeption der Pfahlbau-ten: Bandi 1979; Bandi/ Zim-mermann 1980; Schöbel 1997.

3 Mortillet 1867, 259 ff.; Anon.1868, 48 ff.; Commissionimpériale 1867, 281 ff. -Zusätzlich zu den prähistori-schen Funde stellte Ritteraußerdem frühmittelalterlicheGräberfunde und L. RauModelle von Ackerbaugerätenaus allen Zeiten und Regionenaus (Linas 1868, 178).

4 Zwei der Gemälde stammtenvon L. Berthoud („NächtlicherAngriff und Brand einesPfahl baudorfes“ und „Nach-grabung in Pfahlbauten in derStation St. Aubin“), die beidenanderen von R.-A. Bachelin(„Inneres eines Pfahlbaudorfesaus der Steinperiode“ [Abb. 2]und „Pfahlbaudorf aus demBronzezeitalter, von Tène amnordöstlichen Ende desNeuen burgersees aufgenom-men“ [Abb. 3]). Die beidenGemälde von Bachelin sind imAuftrag des SchweizerischenBundesrates 1867 eigens fürdie Weltausstellung angefer-tigt worden (Bandi/Zimmer-mann 1980, 9 f.).

versucht, ein umfassendes kulturhistorisches Bildzu präsentieren, das den Erzeugnissen der Gegen-wart die Errungenschaften der Vergangenheit ge -genüberstellte. Wesentlicher Bestandteil diesesVersuches war die „Histoire du travail“ genannteGruppe, die den gesamten Raum der innerstenGalerie des mächtigen Zentralbaus auf dem Welt-ausstellungsgelände einnahm. Der französischeGe neralkommissisar machte klar, daß für diesegesonderte Ausstellung alle Objekte von den zu -rückliegendsten Perioden – und hierbei schloß erausdrücklich Objekte eines „rudimentären“ Cha-rakters aus der Zeit vor der Entdeckung der Metalleein – bis zum Ende des 18. Jahrhunderts akzeptiertwürden (Le Play 1868, 122 f.). Dieser Hinweiswurde von den verantwortlichen nationalen Kom-missionen allerdings unterschiedlich interpretiert.Manche Staaten, wie z.B. Österreich, konzentrier-ten sich ganz auf die Präsentation von Objektenneuzeitlicher Epochen, andere, wie insbesondereFrankreich und Großbritannien, bemühten sich,alle Perioden – einschließlich der prähistorischen –angemessen zu repräsentieren. Für unseren Zu -sammenhang relevant ist die Schweizerische Aus-stellung, die ihre Präsentation ganz auf die prä his -to rischen Perioden gründete. Hier spielten dieFunde aus den Schweizerischen Seen eine zentraleRolle. In mindestens 12 horizontalen Vitrinen,zwei isolierten Kästen und 29 vertikalen Glas-schränken wurden Funde der Stein- bis Eisenzeitaus den Sammlungen Clément, Messikommer,Uhlmann, Schwab und Ritter ausgestellt.3 Besonde-res Interesse fanden die Funde aus der SammlungMessikommer wegen ihrer zahlreichen gut erhalte-nen organischen Reste (Linas 1868, 171).

Im Vergleich zu den Präsentationen der anderenLänder ist die Gestaltung der Schweizerischen Ausstellung fortschrittlich zu nennen. Während inden anderen Sektionen die Objekte offensichtlichhauptsächlich nach typologischen Kriterien ohnejeglichen Versuch einer Interpretation ausgestelltwurden, ging der Verantwortliche der SchweizerAusstellung, Clément, darüber hinaus. Über denVitrinen hatte Clément zwei Trophäen angebracht,die jeweils aus rekonstruierten Waffen und Gerä -ten der Stein- bzw. Bronzezeit bestanden. J. Mes -sikommer hatte das „Modell einer Hütte auf

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Abb. 3 (unten):Pfahlbaudorf der Bron-zezeit (s. Abb. 2).

vermitteln, als es die bloßen Objekte gekonnt hät-ten: die schweizerische Ausstellung umfaßtezusätz lich ein von M. Götzinger entworfenesModell eines Pfahlbaues (Abb. 4), das auf denAngaben von F. Keller basierte7, und eine „idealeDarstellung eines Pfahlbautendorfes in Relief“(Anon. 1873, 200). Entsprechend kam die Schwei-zer Ausstellung beim (ausländischen) Fachmannsehr gut an: „ ... die Schweizer haben es verstan-den, auf der Weltausstellung das vor Augen zuführen, was man gerne sieht und woran man nichtleicht vorübergeht, wie das so oft geschieht, wenndie Menge des Ausgestellten zu groß ist“ (Fraas1874, 35).

Dieses positive Urteil O. Fraas’ kontrastiert deutlichmit dem Eindruck, den er von der anderen bedeu-tenden Ausstellung erhielt, die Pfahlbaufunde zeig-te. Hierbei handelte es sich um die von der Anthro-pologischen Gesellschaft in Wien organisierte Aus-stellung, die in der Sektion des Erziehungswesensplaziert worden war.8 Angesichts der Kürze der zurVerfügung stehenden Zeit war von dem Verant-wortlichen, J. Woldrich, eine ansehnliche Samm-lung zusammengestellt worden, die jedoch untereiner für Laien und Fachleute offensichtlich glei-chermaßen verwirrenden Systematik zu leidenhatte. Die Funde waren nicht chronologisch oderthematisch geordnet, sondern nach den Fundum-ständen in „Funde aus Höhlen“, „Funde aus demWasser“ und „Funde vom Lande“ eingeteilt. Den

Berichten nach zu urteilen war die Ausstellungzwar gut besucht, doch gerade die frisch entdeck-ten Funde aus den österreichischen Pfahlbausied-lungen am Attersee, welche die „Funde aus demWasser“ ausmachten, wurden wenig vorteilhaftpräsentiert. Nach der Beschreibung von O. Fraaszu urteilen, waren die Funde unterschieds- und ord-nungslos auf sieben Kartonblätter und in drei Vitri-nen gestopft worden. Die Reaktionen der Besucherwaren entsprechend: „ ... das Publicum hat auchbereits darüber gerichtet, denn es läuft theilnahms-los an den hundert Scherben und Knochensplitternvorbei, es weiss nicht, was es daraus machen soll“(Fraas 1874, 36).

Paris 1889

1867 hatte die schweizerische Ausstellung vonPfahlbaufunden noch für größte Aufmerksamkeitgesorgt, 1873 und 1878 konnten auch Österreicherund Franzosen Objekte aus „ihren“ Pfahlbautenausstellen.9 Während der nächsten großen Weltaus-stellung im Jahre 1889 in Paris hatten Funde ausPfahlbausiedlungen mittlerweile eine derart weiteVerbreitung gefunden, daß der Amerikaner T. Wil-son (1891, 666) in Bezug auf die dort ausgestelltenSchweizerischen Objekte konstatieren konnte:„there was nothing remarkable about them morethan one can find in good museums.“ Objekte aus Pfahlbausiedlungen oder Strukturen, die dafür ge halten wurden, waren fester Bestandteil der

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Wien 1873

Mortillets Zustimmung zu der schweizerischenAusstellung wird besonders augenfällig, wenn man dazu die Ablehnung österreichischer Forscherge gen derartige Popularisierungsmaßnahmen inBe ziehung setzt, die diese anläßlich der nächstengroßen europäischen Weltausstellung 1873 in Wienäußerten.5 Noch stärker als auf der Pariser Ausstel-lung wollte man auf der Wiener Weltausstellung daskulturhistorische, sogar universalhistorische Momentbetonen.6 Aus verschiedenen Gründen wurde dieserkulturhistorische Teil der Weltausstellung ein Miß -erfolg auf breiter Linie. Immerhin wurden trotzdemauch auf dieser Weltausstellung der Öffentlichkeitprähistorische Funde präsentiert.

Eine dieser Ausstellungen wurde abermals von derSchweiz organisiert. In der Schweizer Abteilungder sog. „Exposition des amateurs“ waren Pfahl-bauobjekte aus den Sammlungen Gross, Désor,Messikommer und der Stadtbibliothek Bern zusehen (Anon. 1873, 200 ff.). Im wesentlichenkonnte die Ausstellung gegenüber der Weltausstel-lung von 1867 nicht mit neuartigen Funden auf-warten. Dennoch zeigte die Schweizerische Aus-stellung einige Besonderheiten, die sie positiv vonden an deren archäologischen Ausstellungen auf derWiener Weltausstellung abhob: einerseits hatteman offensichtlich eine stärkere Didaktisierungund Übersichtlichkeit der Präsentation angestrebt,in dem man die Funde der verschiedenen Periodenauf Karton von jeweils unterschiedlicher Farbe auf-gebracht hatte. Andererseits wurde wiederum ver-sucht, den Besuchern ein lebendigeres Bild zu

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Abb. 4:Pfahlbaumodell von W.Götzinger, gezeigt aufder Wiener Weltaus-stellung 1873 (Bernisches Histori-sches Museum).

Abb. 2 (oben):Pfahlbaudorf der Stein-zeit. Gemälde vonRodolphe-AugusteBachelin (1830 - 1890),angefertigt im Auftragdes SchweizerischenBundesrates für dieWeltausstellung inParis von 1867 (Lan-desmuseum Zürich).

6 Zur Wiener Weltausstellungim speziellen siehe: Pemsel1989.

7 Das Götzinger’sche Modellwurde per Verkaufsprospektgeradezu weltweit vertrieben(s. Bandi/Zimmermann 1980Abb. 16). – Für diese undweitere reichliche Informatio-nen zu den schweizerischenAusstellungen auf den Welt-ausstellungen des 19. Jahr-hunderts bin ich K. Zimmer-mann (Bernisches Histori-sches Museum) zu großemDank verpflichtet.

8 Für eine konzise Darstellungder Ausstellung der anthro -pologischen Gesellschaft: Heinrich 1995/96, 19-23. Ich möchte an dieser Stelle A. Heinrich (Anthropologi-sche Gesellschaft Wien) herz-lich für ihre Hilfsbereitschaftin Bezug auf Informationenzur Ausstellung der Gesell-schaft danken.

9 Im AnthropologischenGebäude der Pariser Expositi-on universelle von 1878waren Funde von verschiede-nen Stationen am Lac duBourget ausgestellt (Costa deBeauregard/Perrin 1878).

5 Diese Ablehnung rührt teil-weise sicherlich von einer eli -täreren Einstellung der öster-reichischen Wissenschaftlerher. M. Much (1874, 26)spricht verächtlich davon, daßderartige Nachbildungen nurfür diejenigen gut seien, dieder Vorstellungskraft erman-gelten. Dementsprechendseien Modelle ohne jedenwissenschaftlichen Wert undnur in Schulen oder in Mu-seen für Dekorationszweckezu gebrauchen. Auch J. Wol -drich (1874, 121) betont denGegensatz zwischen deninteressierten „Fachmännern“und der breiten Masse, diearchäologische Objekte „nurdort misstrauisch beachtet(e),wo sie in grösserer Mengebeisammen waren oder wosonst ein ,Amateur‘ die Auf-merksamkeit darauf lenkte“.

Pfählen aus dem Steinzeitalter“ (Anon. 1868, 49)zur Weltausstellung geschickt. Schließlich warenvier Ge mälde über die Vitrinen gehängt worden,die das Leben in den schweizerischen Pfahlbautenaus künstlerischer Sicht anschaulich darstellten 4.

Neben diesem Versuch einer Interpretation selbstsind die anerkennenden Worte bemerkenswert, dieder bedeutende französische UrgeschichtsforscherG. de Mortillet (1867, 283) für diese spezielleForm der Ausdeutung der Funde fand: für ihnwaren die Gemälde für den Laien um vieles ver-ständlicher und gewinnbringender als etwa diegelehrten Ausführungen F. Kellers, des „Vaters“der wissenschaftlichen Pfahlbauforschung.

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das entscheidende Movens, die entscheidende Voraussetzung für den weiteren Fortschritt derMensch heit gewesen (Ammann 1889, 10 ff.). Nachihrer Vorstellung war es vor allem das Schutzbe-dürfnis vor wilden Tieren bzw. feindlichen Stäm-men ge wesen, was die Menschen zum Wohnen inPfahlbauten getrieben habe. Während der zusätzli-chen Zeit, die sie dadurch gewannen, daß sie nichtständig auf der Hut sein mußten, erfanden dieMenschen nach der Ansicht Garniers undAmmanns die Bearbeitung der Metalle.

Ursprünglich hatten Garnier und Ammann offen-sichtlich geplant, die Rekonstruktion der Häuserdurch ein weiteres Detail zu bereichern, das beikonsequenter Umsetzung als ausgesprochen fort-schrittlich hätte bezeichnet werden müssen: sieplanten, die Gebäude als begehbare Museen einzu-richten, in denen die jeweils zum Gebäude passen-den Alltagsgegenstände dem Besucher so präsen-tiert werden sollten, daß er augenblicklich einenEinblick in das vergangene Leben erhalten konnte(Ammann 1889, 7f.). Von unserer Vorstellungeines Freilichtmuseums ist das nicht mehr weit ent-fernt. In der Praxis scheint von dieser progressivenIdee nicht viel übrig geblieben zu sein: sofern sieder Öffentlichkeit zugänglich waren, wurden dieGebäude offensichtlich hauptsächlich zur Restaura-tion oder als Geschäftsräume genutzt; so konntenneugierige Besucher im Nachbau des Germani-schen Dorfes Cervisia kosten (ebd., Anhang).

Auch wenn die meisten zeitgenössischen Beobach-ter diese Kommerzialisierung als der ursprüngli-chen großartigen Idee abträglich ablehnten, soäußerte sich die große Mehrzahl insgesamt positivzu Garniers Idee und lobte dessen edukative Wir-kung. Bemerkenswert ist allerdings, daß sich vonden etablierten Archäologen keiner zu den Rekon-struktionen von Garnier geäußert hat. Trotzdemwird man die Breitenwirkung der im Rückblickeher skurril wirkenden Gebäude der „Histoire del’habitation“ wohl nicht hoch genug einschätzenkönnen: genausowenig wie ein Weltausstellungs-besucher von 1889 die reale Chance gehabt hätte,den Eiffel-Turm zu übersehen, so kann man auf-grund der strategischen Lage der Bauten der„Histoire de l’habitation“ direkt unterhalb des Eif-fel-Turmes sicher davon ausgehen, daß jeder Be -sucher der Weltausstellung in Kontakt mit den

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Sammlungen praktisch aller größeren kulturhisto-risch ausgerichteten Museen geworden. Selbst dieVereinigten Staaten verfügten im damaligen Natio-nal Museum über entsprechende Objekte.10

1889 wurde die Öffentlichkeit in archäolo gischerHinsicht durch zwei andere bemerkens werte Ausstellungen gefesselt: das erste waren die lebens -großen und lebensechten Figurengruppen der„Histoire du travail“, die neben anderem exempla-rische Szenen aus dem Alt-/Mittelpaläolithikum,

dem Jungpaläolithikum, dem Neolithikum, und der Bronzezeit abbildeten (Hamy 1889; Wilson1891, 653 ff.). Das zweite war die oben bereitsange sprochene „Geschichte der menschlichenBehausungen“ des Architekten C. Garnier.11 Gar-niers Projekt um faßte 44 Gebäude von den urge-schichtlichen An fängen über die Behausungenaußereuropäi scher Völker bis zu einem Renais-sance-Haus, die er direkt zu Fuße des Eiffelturmserrichten ließ (Abb. 1; 5). Garnier und sein engsterMitarbeiter A. Ammann legten größten Wert aufdie angeblich erreichte Authentizität der Bauwerke(Garnier 1889; Ammann 1889, 7). Sie gingen sogarso weit, die Baumstämme, die für den Bau derPfahlbauten notwendig waren, durch Feuereinwir-kung zu zerteilen, statt sie maschinell herrichten zulassen (P. 1889). Einige Jahre nach der Weltaus-stellung versuchten sie, die Rekonstruktionen imeinzelnen wissenschaftlich zu belegen. Neben denarchäologischen Belegen selbst führten Garnierund Am mann vor allem ethnographische Parallelenfür die Richtigkeit ihrer Rekonstruktion an(Ammann 1889, 17; Garnier/Ammann 1892).

Die „Pfahlbausiedlung“, der Stein- und beginnen-den Bronzezeit zugeordnet und in einem kleinenkünstlichen Teich errichtet, bestand aus drei unter-schiedlichen Gebäuden – einer Rundhütte mit ko -nischem Dach, einem kegelförmigen Bau und einerHütte mit rechteckigem Grundriß, deren Dach aneiner Seite bis zum Boden reichte –, die durch einegemeinsame Plattform miteinander verbunden waren.Ein kurzer Steg führte von der Plattform zum Ufer(Abb. 6; 7). Selbst ein im Teich schwimmenderEinbaum fehlte nicht. Sucht man nach der Inspira-tionsquelle für diese Rekonstruktion, so brauchtman nicht allzu lange zu forschen: zu offensicht-lich lehnt sich der Garnier’sche Entwurf an denallerersten Rekonstruktionsversuch F. Kellers von1854 an (Abb. 8), der die nachfolgenden Rekon-struktionen für ungefähr ein bis zwei Jahrzehntebestimmte.12 Sowohl die Rundhütte, das Rechteck-haus mit dem bis zum Boden reichenden Dach wieauch das Konzept der durchgehenden Plattformfinden sich dort wieder.

Ihre Konzeption verbanden Garnier und Ammannmit einer zumindest für die prähistorischen Peri-oden extrem deterministischen Geschichtsphilo -sophie: danach waren die jeweiligen Behausungen

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Abb. 7 (oben):Pfahlbaurekonstruk tionder Histoire de l’habita-tion, im Hintergrundrechts weitere Bauwer-ke (Biblio thèque Histo-rique de la Ville de Paris).

Abb. 5:Ansicht der verschiede-nen prähistorischenBehausungen derHistoire de l’habitationauf der Pariser Weltaus-stellung von 1889 miteinem Bildnis C. Garniers. Das dritteBild von oben stellt diePfahlbaurekonstruk tiondar (Huard 1889, 37).

Abb. 6:Grundriß der Pfahlbau-rekonstruktion von1889 mit umgebendemTeich (ohne Maßstab)(Labat 1989, 156 Kat.-Nr. 76).

10 Europäische Pfahlbaufundewurden beispielsweise 1888auf einer amerikanischen,nationalen großen Gewerbe-ausstellung in Ohio ausgestellt,auf der auch ein in den USAhergestelltes Modell einesPfahlbaudorfes präsentiertwurde (Wilson 1888, 26).Letzteres hatte evtl. sogar dasauf der Wiener Weltausstel-lung ausgestellte Exemplarzum direkten Vorbild, da die-ses 1875 nach New Jersey ver-kauft worden war (frdl. Mitt.K. Zimmermann).

11 Leider ist unklar, woher Gar-nier den Anstoß für sein Pro-jekt erhielt. Zur „Histoire del’habitation“ im allgemeinen:Labat 1989.

12 Vgl. die Abbildungen inBandi/Zimmermann 1980.

Abb. 8 (unten):Zeichnerische Pfahl-baurekonstruktiondurch F. Keller von1854 (Keller 1854, 81,Taf. 1, Abb. 4).

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Schluß

Die Garnier’sche Pfahlbaurekonstruktion stelltgleichzeitig Höhe- und Endpunkt der Präsentationvon Pfahlbaufunden auf Weltausstellungen dar. In dieser Entwicklung spiegelt sich exakt die euro -päische Einstellung zu prähistorischen Funden im allgemeinen wider: zwar wurden auch noch nach1889 auf Weltausstellungen prähistorische Objekteausgestellt, doch spielten sie nie mehr eine solcheRolle wie zuvor.13

Bevor man diese Beobachtung erklären kann, mußdas zunächst paradox erscheinende Fakt begreiflichgemacht werden, daß auf Weltausstellungen, diewie kaum eine zweite Institution des 19. Jahrhun-derts für Modernität und Modernisierung standen,Zeugnisse der Vergangenheit teilweise derartigmassiv präsentiert wurden. Bei näherem Hinsehenentpuppt sich diese Konstellation allerdings alsweniger widersprüchlich, als es zuerst den An scheinhat. Die Menschen der viktorianischen Epoche inEuropa und Amerika waren überzeugt, in der bestenaller möglichen Gesellschaften zu leben. DieseÜberzeugung machte einen entscheidenden Teildes viktorianischen Selbstverständnisses aus, dasden sendungsbetonten Imperialismus des 19. Jahr-hunderts erst ermöglichte. Die Weltausstellungenwaren in diesem Zusammenhang willkommeneGe legenheiten, sich und andere von dieser Wahr-heit immer wieder aufs Neue zu überzeugen. DerAusstellung von Objekten der Vergangenheit kamdabei die Funktion zu, den großen zivilisatorischenund moralischen Fortschritt zu unterstreichen, dendie viktorianische Gegenwart erreicht hatte (Zip pe -lius 1986, 417). Damit erweist sich die Präsentationder Vergangenheit auf Weltausstel lungen innerhalbder Weltanschauung des 19. Jahrhunderts nicht nurals nicht widersprüchlich, sondern im Gegenteilsogar als überaus folgerichtig.14

Der Grund dafür, daß die Pfahlbauthematik im spe-ziellen und archäologische Themen im allgemeinennach 1889 keine Berücksichtigung mehr fanden, istwahrscheinlich in einem komplexen Zusammen-spiel mehrerer Faktoren zu suchen. Eine wichtigeUrsache dürfte in der wachsenden Fragwürdigkeitder oben erwähnten Überlegenheits- und Fort-schrittsideologie liegen. Auch von der Vorstellung,daß es so etwas wie eine universale Kultur gebe,

die man auf den Weltausstellungen repräsentierenkönne, begann man sich ab der Jahrhundertwendezu verabschieden. Archäologische Funde paßten indie speziellen Thematiken, die daraufhin für diemeisten der nachfolgenden Weltausstellungen ent-wickelt wurden, nicht mehr hinein. Vergleicht mandie Präsentationsmethoden, die auf den verschiede-nen Weltausstellungen eingesetzt wurden, so erhältman den Hinweis auf eine weitere Ursache für dasoffensichtlich abnehmende Interesse nach 1889.Während 1867 noch die archäologischen Fundeselbst für Aufregung und Begeisterung sorgen konnten, wurde 1889 nur noch ausgefalle-nen Projekten wie der „Histoire de l’habitation“oder der „Histoire du travail“ öffentliche Aufmerk-samkeit geschenkt. 1889 hatte sich der Neuigkeits-wert archäologischer Objekte offenbar erschöpft.Als letzten Grund kann man schließlich die zuneh-mende Etablierung und Professionalisierung derArchäologie annehmen. Wurden die ersten Welt-ausstellungen von den damals noch hauptsächlich„Amateure“ zu nennenden Archäologen als wichti-ge Schauplätze angesehen, um der noch jungenWissenschaft „Archäologie“ angemessenes Gehörzu verschaffen, so war dieses Bedürfnis mit derGründung eigener Gesellschaften und Publikati-onsorgane zumindest von wissenschaftlicher Seiteher erloschen.

Schlaglichtartig werden so an den auf den Weltaus-stellungen sichtbaren Auswirkungen die Wandlungsowohl der Archäologie als auch der Gesellschaftselbst deutlich.

Abschließend sei noch auf einen Punkt hingewie-sen, der einen gewissen Bezug zur Gegenwartbesitzt. Es ist oben immer wieder herausgestrichenworden, daß einzelne Ausstellungskonzeptionenoder -präsentationen für ihre Zeit ausgesprochenfortschrittlich waren. Manche dieser Innovationenwurden erst Jahrzehnte später in den Museenumgesetzt. Eine Erklärung für diese Beobachtungist meines Erachtens schnell gefunden: die Welt-ausstellungen waren die Aushängeschilder sowohlder ausrichtenden Nation als auch der Aussteller.Diese hatten hohe Summen in die Vorbereitungdieser Veranstaltungen investiert und waren des-halb darauf angewiesen, daß eine möglichst großeAnzahl von zahlenden Besuchern durch die Toreder Weltausstellung kamen. Von daher ist es

13 In den Vereinigten Staatenvon Amerika fällt der Höhe-punkt des Ausstellens archäo-logischer Funde auf die Welt-ausstellung 1893 in Chicago.Hier verschob sich das Ge -wicht in den nachfolgendennationalen und internationa-len Ausstellungen eindeutigzugunsten ethnologischerbzw. anthropologischer Aus-stellungen.

14 Allerdings war es nichtallein die Vergangenheit, dieden Hintergrund für eineumso leuchtendere Gegen-wart abzugeben hatte. Auchkolonisierte Völker aus Afri-ka und Asien wurden inimmer stärkerem Maß aufWeltausstellungen zur Schaugestellt, um die Überlegenheitder Europäer und Amerikanerzu belegen (Zippelius 1986,416 ff.; Greenhalgh 1988, 82 ff.). Hier schließt sich derKreis in Bezug auf dieRekonstruktionen Garniers:dessen Bedeutung liegt gera-de darin, daß es ihm gelang,zwei der wichtigsten Bespie-gelungswelten der viktoriani-schen Gesellschaft, dieeuropäische Vergangenheitund die exotische Gegenwartder Kolonien, in einem Kon-zept zu vereinen (vgl. auchLabat 1989, 145).

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Konstruktionen kam. Ein Hinweis auf die starkeWirkung der Idee Garniers ist die große Anzahlvon Zeitungsartikeln, Illustrationen, Karikaturen(z. B. Abb. 9), Postkarten und anderen Souvenirs,die die „Geschichte der Behausungen“ zum Themahatten (Labat 1989). Nimmt man die teilweise auchironisch gemeinten Illustrationen zum Maßstab, soscheint es, als ob insbesondere die Pfahlbausied-lung, so viel plastischer als alle archäologischenFunde oder Modelle, zu Staunen und Unglaubenbei den Besuchern der Weltausstellung geführt hät-ten (Abb. 10).

Wegen des oben angesprochenen Totschweigensvon wissenschaftlicher Seite ist die Wirkungsge-schichte der Pfahlbaurekonstruktion in archäologi-scher Hinsicht leider nicht klar. Zwar orientiertesich Garnier bei seinem Entwurf an einer wissen-schaftlichen Rekonstruktion, doch diese war zumZeitpunkt der Ausführung bereits 35 Jahre alt (s. o.).Wissenschaftliche Gültigkeit hatte eine jüngereRekonstruktion F. Kellers erlangt, auf der das Göt-zinger’sche Modell basierte. Letzteres sorgte füreine weite Verbreitung des jüngeren Entwurfs, derauch als Vorlage für das Pfahlbaudorf diente, dassich der Industrielle C. F. Bally in seinem Land-schaftspark im Maßstab 1 : 2 aufbauen ließ (Schö-bel 1997, 116 f.). Dieser Park wurde zwischen1888 und 1890 eingerichtet; es muß also offenblei-ben, welche von den beiden Rekonstruktionen fürsich beanspruchen kann, der erste großmaßstäbli-che Nachbau eines Pfahlbaudorfes zu sein. Zumin-dest ist bekannt, daß Bally regelmäßiger Besucherder Weltausstellungen war. Es scheint also nichtausgeschlossen, daß er die Idee zur Rekonstruktionbei der Ansicht der Nachbildung Garniers enthielt,sich dann aber für eine wissenschaftlich aktuellereVersion entschied.

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Abb. 9:Karikatur C. Garniers,auf der Plattform seinerPfahlbaurekonstruktionsitzend. Die Bildunter-schrift lautet: „Mon-sieur Garnier erfindetdas Fußbad.“ (Jeannioto. J. [1889]).

Abb. 10:Ironische zeichnerischeWiedergabe der Pfahl-baurekonstruktion von1889. Die „Pfahlbau-leute“ sind eine Zugabedes Zeichners (Huard 1889,161).

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selbstverständlich, daß die Ausrichter und Ausstel-ler die Weltausstellung so attraktiv wie möglich zugestalten versuchten. Aus dem Druck heraus, auchfinanziell erfolgreich sein zu müssen, waren einigeAusstellungsmacher bereit, neue Wege bei den Präsentationsmethoden zu beschreiten – und wurdenmeist mit öffentlicher Aufmerksamkeit belohnt.Diese Beobachtung scheint insbesondere imZusammenhang mit der derzeit auch in deutschenMuseen stattfindenden Debatte über eine stärkereBesucher- und Marktorientierung der Museen vonInteresse.15 Ohne einer Kommerzialisierung derMuseen ohne „Wenn“ und „Aber“ das Wort redenzu wollen, läßt sich aus der Betrachtung der Welt-ausstellungen die Lehre ziehen, daß in diesem Falleine stärkere Berücksichtigung des zahlenden Be -suchers, d. h. Konsumenten, einen positiven Inno-vationsdruck zur Folge hatte. Daß dieser Druck beiden zeitgenössischen Museen fehlte, ist zu bedau-ern, da dadurch durchaus mögliche Neuerungenjahrzehntelang verschleppt wurden.

Anschrift des Verfassers:

Nils Müller-Scheeßel M.A.Römisch-Germanische KommissionPalmengartenstraße 10–12D-60325 Frankfurt a. M.

Abbildungen:

Abb. 1: Phillip Dennis Cate und Familie.

Abb. 2, 3: Schweizerisches Landesmuseum Zürich.

Abb. 4: Bernisches Historisches Museum.

Abb. 5, 10: Aus Huard 1889, 37, 161.

Abb. 6: Aus Labat 1989, 156, Kat.­Nr. 76.

Abb. 7: Bibliothèque Historique de la Ville de Paris.

Abb. 8: Aus Keller 1854, 81, Taf. 1, Abb. 4.

Abb. 9: Aus Jeanniot o. J. (1889).

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15 Stellvertretend: Zimmer 1996.

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Abb. 1 (rechts): Originalgetreue Rekon-struktion des Mannesaus dem Eis.

Abb. 2: Das Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen-Südtirol.

Retuscheur, Birkenrindengefäße, eine Kraxe/Rücken trage und diverse Reservematerialien sowieKnochenspitzen.

Alle Fundobjekte sind in den Werkstätten desRömisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainzrestauriert worden.

Die Bekleidung

Der Fellmantel des Mannes aus dem Eis bestehtaus senkrechten, dunklen und hellen Fellstreifender Hausziege (Abb. 3). Als Nähmaterial dientenFäden aus Tiersehnen. Das Kleidungsstück warlange im Ge brauch, wie die starke Verschmutzungder Innenseite sowie mit Grasfäden ausgeführteReperaturen zeigen.

Der Mann aus dem Eis trug zwei die Beine be dek-kende Hosenröhren (Abb. 4). Diese bestehen ausmehreren zusammengenähten Fellstücken der Haus-ziege. Am unteren Ende der Beinröhre wurde jeweilseine Lasche aus Hirschfell angenäht, die sich amSchuh werk festbinden ließ. Dadurch konnte ein Hoch - rutschen der Beinkleidung verhindert werden. MitTrageriemen, die am oberen Ende der Röhren fi xiertwaren, konnten sie am Gürtel festgeknotet werden.

Ein auf den Gürtel aufgenähter Beutel beinhaltetefünf Gegenstände – einen Klingenkratzer, einenBohrer, ein Lamellenstück aus Silex und eine 7,1 cmgroße Knochenahle (Abb. 5). Den größten Teil desInhalts füllte eine schwarze Masse, die als Zunder-schwamm identifiziert werden konnte. Dieser dien-te zum Entfachen von Feuer, war also wichtigerBestandteil des prähistorischen Feuerzeuges undmußte vor allem trocken aufbewahrt werden. FeinePyritspuren zeigen, daß für die Erzeugung vonFunken Pyritknollen zur Anwendung kamen.

Unter den erhaltenen Lederresten befindet sich zu demein 50 cm langes und 33 cm breites Lederfragment,das als Lendenschurz angesprochen werden kann.

Von den Schuhen des Mannes aus dem Eis hat sichder rechte relativ gut erhalten, während vom linken

Abb. 3: Der fragmentierte Fellmantel.

Abb. 4: Die sog. Leggings aus Ziegenleder.

Abb. 5: Im Lederbeutel warenmehrere Gegenständeverstaut.

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Das am 28. März 1998 eröffnete Südtiroler Archä -o logiemuseum in Bozen-Südtirol dokumentiert auf1.200 m2 die Ur- und Frühgeschichte Südtirols vomEnde der letzten Eiszeit (15.000 v. Chr.) bis zurZeit Karls des Großen (um 800 n. Chr.). Eingefügtin den historischen Rahmen bilden der Mann ausdem Eis und seine Beifunde den zentralen Ausstel-lungskomplex.

Das Besondere des 1991 am Tisenjoch zu tage ge -tretenen Fundkomplexes besteht darin, daß dieAuffindung einer Mumie mit vollständiger Klei-dung und Ausrüstung Einblick in die nahezu voll-ständige Tracht des ausgehenden Neolithikums

(3300 bis 3100 v. Chr.) gibt. Bekleidungsreste ken-nen wir bisher lediglich in relativ fragmentiertemZustand aus den Pfahlbauten des zirkumalpinenRaumes, wobei es sich in der Regel um gewebte odergeknüpfte pflanzliche Fasern handelt. TierischeMaterialien wie Felle etc. haben sich dort nicht erhal-ten. Insofern bietet der Fundkomplex „Mann ausdem Eis“ eine Momentaufnahme eines kupferzeitli-chen Mannes, der sich im Hochgebirge bewegte. DieBekleidung setzt sich aus einer Mütze, einem Fell-mantel, einem Paar Hosen, einem Schurz, einemPaar Schuhen sowie einem Mantel zusammen. Zuseiner Ausrüstung gehören ein Bogen, ein Köchermit Pfeilen und Pfeilschäften, ein Beil, ein Dolch, ein

Der Mann aus dem Eis Zur musealen Präsentation eines sensiblen Ausstellungskomplexes

Angelika Fleckinger

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Schuh nurmehr die Netzstruktur vorhanden ist(Abb. 6). Der einzelne Schuh besteht jeweils auseinem ovalen Sohlleder, dessen hochgeschlageneRänder mit einem Lederriemen eingefaßt wordenwaren. An dessen Innenseite war ein Netz ausGrasschnüren befestigt. Dieses fixierte das zumWärmeschutz in die Schuhe gestopfte Heu.Während die Schuh sohle aus dem Pelzleder desBraunbären besteht, wurde das Oberleder ausHirschfell gefertigt.

Größere Reste von Grasgeflecht, die zunächst alseine Matte angesprochen worden sind, entpupptensich als Teile eines freien, ärmellosen Umhanges(Abb. 7). Zur Herstellung des Mantels dientenlange Gräser eines alpinen „Süßgrases“. Gras- undStrohmäntel wurden bis in unser Jahrhundert hin-ein vor allem von Hirten als wirksamer Regens-schutz getragen.

Als Kopfbedeckung trug der Mann aus dem Eiseine halbkugelige Mütze aus Bärenfell (Abb. 8).Am unteren Rand der Mütze waren zwei Lederbän-der befestigt, die zur Fixierung der Kopfbedeckungam Kinn dienten.

Die Ausrüstung

Zur Ausrüstung des Mannes aus dem Eis gehört einBeil, das sich aus einer 9,3 cm langen Beilklingeaus reinem Kupfer mit trapezförmigem Umriß undeiner Knieholmschäftung aus Eibenholz zusam-mensetzt (Abb. 9).

Der größte Gegenstand der Ausstattung ist der 1,82 m lange Bogenstab aus Eibenholz, der sichvollständig erhalten hat. Weder der Griff ist fertig-gestellt, noch sind an den Enden Vorrichtungenvorhanden, die die Sehnenschlaufe aufnehmen.

Der Köcher besteht aus einem rechteckigen, läng -lichen Sack aus Gamsfell, der sich nach unten hinleicht verschmälert. An der Längsnaht ist der Köchermit einer 92,2 cm langen Haselrute versteift worden.Die Verschlußklappe sowie der Trageriemen fehlen.

Der Köcher enthielt zwei schußbereite, aber gebro-chene Pfeile und zwölf Rohschäfte aus Wolligem

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Schneeball. Das dickere Ende war bei allen Schäf-ten eingekerbt. Die beiden fertigen Pfeile warenmit Spitzen aus Silex bestückt, die mit Birkenteerund einer Fadenumwicklung fixiert worden waren.Daneben haben sich Reste einer dreiteiligen Radial-befiederung erhalten. Ein Pfeil war mit eingesetztemVorschaft aus Hartriegelholz ausgestattet.

Im Köcher befanden sich außerdem vier mit Bast-streifen zusammengeschnürte Hirschgeweihspit-zen, eine gekrümmte Geweihspitze, zwei Tierseh-nen und eine zu einem Kneuel gewickelte Schnuraus Baumbast. Dabei könnte es sich um die Bogen-sehne gehandelt haben.

Der 13,2 cm lange Feuersteindolch besteht auseiner kleinen dreieckigen Feuersteinklinge undeinem Griff aus Eschenholz. Die dazu gehörendeScheide ist aus Bast gearbeitet (Abb. 10).

Zu den ungewöhnlichsten Objekten der Ausstat-tung des Mannes aus dem Eis gehört der Retu-scheur (Abb. 11). Dabei handelt es sich um ein11,9 cm langes Teil eines entrindeten Lindenastes,der an einer Seite gerade abgeschnitten ist, währenddas andere Ende zugespitzt und in den Markkanalein 6,1 cm langer runder Hirschgeweihspan einge-schlagen worden ist. Mit dem Gerät konnten Fein-arbeiten bei der Herstellung von Silexgerätendurchgeführt werden.

Zum Komplex gehört weiter ein grobmaschig ge -knüpftes Netz aus Grasschnüren, das vermutlichzum Vogelfang diente.

Die Rückentrage bzw. Kraxe setzt sich aus einem1,98 m langen, zu einer U-Form zusammengebo -genen Haselstock und zwei schmalen Brettchen ausLärchenholz mit 38 bzw. 40,3 cm Länge zusam-men. Die Rückentrage kann nicht mehr genau re -konstruiert werden.

Zum Fundkomplex gehören auch zwei Gefäße ausBirkenrinde (Abb. 12). Die Form entspricht einerzylindrischen Dose. Der leicht ovale Boden miteinem Durchmesser von 15 bis 18 cm war eigensgefertigt und mit dem aufgehenden Teil verbunden.Der rund 20 cm hohe Gefäßkörper besteht auseinem einzigen rechteckigen Rindenstück. VomNähmaterial blieben keine Spuren erhalten. Zum

Abb. 9: Das Beil des Mannesaus dem Eis ist das ein-zige vollständig erhalte-ne Beil der Urgeschich-te.

Abb. 10: Zum Dolch gehört eineScheide aus Baumbast.

Abb. 11: Mit dem Retuscheurwurden Steingerätebearbeitet.

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Abb. 6: Die Schuhe des Mannes aus dem Eis.

Abb. 7: Der Grasmantel dientedem Mann aus dem Eisals Regenschutz.

Abb. 8: Die Fellmütze hat sich ausgezeichneterhalten.

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Inhalt eines Behälters gehörten Blätter des Spitzah-orns. Darin eingebettet befanden sich auch Nadelnvon Fichte und Wacholder. Außerdem konntenReste von Einkorn und Weizen beobachtet werden.Die Blätter schlossen kleine Partikel von Holzkoh-le ein. Der Inhalt des Birkenrindengefäßes läßt aufeine Funktion als Glutbehälter schließen. Dieeigens dafür frisch geernteten Blätter dienten dabeials Isoliermaterial.

Der Mann aus dem Eis trug an seiner Kleidung aufzwei Fellstreifen aufgefädelte kugelige Gebilde,die aus dem Fruchtkörpergewebe des Birkenpor-lings herausgeschnitten und in der Mitte gelochtwurden. Sie dienten therapeutischen Zwecken.Baumschwämme wurden bis in unser Jahrhunderthinein zu Heilzwecken verwendet.

Der einzige Gegenstand in der Ausrüstung desMannes aus dem Eis, der eventuell als Schmuckangesprochen werden kann, ist eine Perle aus Mar-mor. Sie ist zentral gelocht und auf einem Fellrie-men aufgefädelt, der ein Bündel von spiralig aufge-drehten Riemen aufnimmt.

An Nahrungsmittelresten führte der Mann aus demEis eine Schlehfrucht mit sich. Neben Getreide-resten im Birkenrindengefäß saßen in den Fellrestender Kleidung zwei ganze Getreidekörner (Einkorn)fest. Im Zuge der Nachgrabung konnten zwei klei-ne Knochensplitter geborgen werden. Deren anato-mische und zoologische Bestimmung ergab, daß essich um Teile von Halswirbeln eines männlichenSteinbockes handelt. Der Mann aus dem Eis decktesich auf seiner Reise demnach mit Steinbockfleischein, das er vermutlich geräuchert oder getrocknetmit sich führte.

Diese umfangreichen organischen Materialien unddie Mumie selbst galt es nun in entsprechenderForm zu präsentieren.

Bereits vor der Erarbeitung des Ausstellungskon-zeptes durch Mitarbeiter des Amtes für Boden-denkmäler der Autonomen Provinz Bozen standdurch einen Beschluß der Südtiroler Landesregie-rung fest, daß die Mumie, sollte sie durch die Prä-sentation keinen Schaden nehmen, auf jeden Fallder Öffentlichkeit gezeigt werden soll.

Während der 6 Jahre, in denen die Mumie seit ihrerAuffindung (im Jahre 1991) am Institut für Anato-mie der Universität Innsbruck aufbewahrt wurde,war sie in ein steriles Operationstuch und Crash-Eis eingehüllt. Dadurch konnten annähernd Glet-scherbedingungen simuliert werden (- 6° C und100% Luftfeuchtigkeit). Für die museale Präsenta-tion in Bozen mußte eine neue Kühltechnologieentwickelt werden, die es möglich macht, die Mumieohne diese Umwicklungen zu konservieren, um sie„sichtbar“ zu machen. Das Konservierungssystemist bislang einzigartig auf der Welt: Ein komplexesMantelthermosystem verhindert die Bildung einerEisschicht auf der Mumie. Auch hinsichtlich desProblemes der Beleuchtung wurde eine Lösunggefunden; dem Kaltlicht in der Zelle werden durchSpezialfilter alle ultravioletten und infrarotenStrahlen entzogen.

Da die Experimentierungsphase zur Konservierungmit einem Prototypen noch im Gange war und beiBeginn der Konzeptarbeit für das Museum 1995nicht definitiv gesagt werden konnte, ob die Prä-sentation der Mumie bei der Eröffnung des Mu se -ums technisch möglich sein wird, wurde parallel anzwei Konzepten gearbeitet. Wäre eine Präsentationder Mumie aus konservatorischen Gründen nichtmöglich gewesen, hätte man ein Hologramm zuseiner Visualisierung vorgesehen.

Der Tatsache bewußt, daß es sich um einen archäo-logischen Fund handelt, dessen „Zurschaustellung“durchaus auch zu ethischen Polemiken führenkönnte, wurde auf eine sehr zurückhaltende Formder Präsentation großer Wert gelegt.

Heute präsentiert sich die Abteilung „Mann ausdem Eis“ als sehr sachlich gehalten; Grafik und

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Architektur stehen in keiner Konkurenz zum Ob -jekt. Die verschiedenen Aspekte, wie etwa die Entdeckung, Bergung, Nachuntersuchung odermedizinische Forschungen werden zusätzlich zuden Schautafeln durch Videoprojektionen illu-striert und durch interaktive Multimediastationenergänzt (Abb. 13).

Durch die Unterteilung des Schauraumes entscheidetder Museumsbesucher selbst, ob er sich die Mumieansehen möchte oder nicht. Das Fenster, durch wel-ches man einen Blick auf die Mumie werfen kann, istnicht in den Mittelpunkt des Ge schehens „gezerrt“worden, sondern in einen optisch abgegrenzten,dezent gehaltenen apsidialen Raum eingebunden.Die 40 x 30 cm große Wand öffnung erlaubt es demMuseumsbesucher, einen Blick in die Kühlzelle zuwerfen, in der die Mumie auf einer Präzisionswaageliegend, bei – 6° C und 98% Luftfeuchtigkeit gela-gert bzw. konserviert wird (Abb. 14).

Hinter der Metallwand, die im Ausstellungsraumsichtbar ist, befindet sich die sog. „Eismannbox“,eine komplexe Anlage, die sich aus zwei Kühlkam-mern mit jeweils unabhängigen Systemen, einemUntersuchungsraum und einem vorgelagerten De -kontaminierungsraum zusammensetzt (Abb. 15). Inallen Räumen sind Sterilität und Luftfilterunggarantiert. Für weitere wissenschaftliche Untersu-chungen steht ein kleines Labor zur Verfügung.Eine EDV-Station registriert die Meßwerte (Druck,Temperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Gewicht derMumie), die von den am Körper der Mumie bzw.in der Kühlzelle montierten Sonden geliefert wer-den und löst automatisch Alarm aus, sollten sichVeränderungen zeigen. Durch dieses Alarm- undSicherheitssystem können die hauseigenen spezia-lisierten Techniker im Notfall sofort reagieren. DerPathologe Dr. Eduard Egarter Vigl ist für die Kon-servierung der Mumie verantwortlich; eine Gruppevon Anthropologen und Medizinern betreut diezukünftige Forschungsarbeit an der Mumie desMannes aus dem Eis.

Im Gegensatz zu den anderen Abteilungen des Mu -seums ist die Etage, die dem Komplex „Mann ausdem Eis“ gewidmet ist, abgedunkelt. Diese Maß-nahme dient weniger der Inszenierung, sondern istvielmehr eine konservatorische Notwendigkeit, diesich aus der Lichtempfindlichkeit der Objekte ergibt.

Die Beifunde sind in klimatisierten Spezialvitrinenbei einer Temperatur von 18° C gelagert. OptischeGlasfieberlampen beleuchten die Objekte mit 50Lux. Zahlreiche Illustrationen und 1:1 Zeichnun-gen der Fundobjekte verdeutlichen die handwerkli-che Kunstfertigkeit des kupferzeitlichen Menschen.

Abb. 13 (oben):Der Ausstellungsbe-reich „Mumie“ ist sehrdezent gehalten.

Abb. 14: Durch diese Fenster -öffnung kann ein Blickauf die Mumie ge -worfen werden.

Abb. 15: Die Eismannbox setztsich aus mehrerenKammern zusammen.

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Abb. 12: Reste von zwei Birkenrindengefäßen.

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Abgesehen davon, daß die Lederobjekte gelegent-lich nachgefettet werden müssen, ist die musealePräsentation derselben aus konservatorischer Sichtrelativ problemlos.

Das Vorhandensein des Fundkomplexes „Mannaus dem Eis“ ist eine besondere Gelegenheit, Men-schen in das Archäologische Landesmuseum zuführen. Täglich wird das Südtiroler Archäologie-museum von durchschnittlich 900 Personen ausaller Welt besucht. Faszination, Erstaunen undErfurcht werden dem Zeugen der eigenen Vergan-genheit entgegengebracht, Reaktionen, die sicher-lich zu einer neuen Sensibilisierung für archäologi-sche Kulturgüter führen und Impulse zum kulturel-len Selbstverständis geben.

Anschrift der Autorin:

Dr. Angelika FleckingerSüdtiroler ArchäologiemuseumMuseumstraße 43I-39100 Bozen

Abbildungen:

Abb. 1 – 4, 6 – 14, 16: Südtiroler Archäologiemuseum

(Pernter).

Abb. 5: Südtiroler Archäologiemuseum (Samadelli).

Abb. 15: Angelantoni Industries.

Literatur:

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Fleckinger/Steiner 1999 · A. Fleckinger/H. Steiner,

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Höpfel / Platzer/Spindler 1992 · F. Höpfel /W. Platzer /

K. Spindler (Hrsg.), Der Mann im Eis. Bd. 1. Bericht über das

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Spindler/Rastbichler-Zissernig/Wilfing/Nedden /Noth durfter

1995 · K. Spindler /E. Rastbichler-Zissernig/H. Wilfing/D. zur

Nedden /H. Nothdurfter (Hrsg.), Der Mann im Eis. Neue Funde

und Ergebnisse. Veröff. Forschinst. Alpine Vorzeit Universität

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museum (Hrsg.), Die Gletschermumie aus der Kupferzeit.

La mummia dell‘età del rame. Neue Forschungsergebnisse zum

Mann aus dem Eis. Schr. Südtiroler Archäologiemus. 1

(Bozen/Wien 1999).

Abb. 16: In einer großen Tischvitrine werden die Bekleidungsrestegezeigt.

Die Siedlung Egolzwil 2 liegt im Wauwilermoos,einem ca. 20 km nordwestlich von Luzern gelege-nen, im letzten Jahrhundert endgültig verlandetenKleinsee im Kanton Luzern, Schweiz (Abb. 1).Ausgrabungen wie Lesefunde zeigen, daß dasWauwilermoos seit dem Epipaläolithikum bis insspäte Neolithikum wohl ständig besiedelt war(Abb. 3). Dagegen ist trotz Lesefunden bis heutekeine gesicherte Siedlung aus der Bronzezeitbekannt geworden. Dank der hervorragendenErhaltungsbedingungen sind die neolithischen See-ufersiedlungen Egolzwil 2, 3 und 4, benannt nacheinem Dorf am Rande des Wauwilermooses, weitüber ihre Region hinaus bekannt geworden. DieAusgrabung der Siedlung Egolzwil 2 ist ein WerkHans Reinerths, des 1990 verstorbenen Leiters desPfahlbaumuseums Unteruhldingen. Seine Ausgra-bungen führte er im Auftrag der PrähistorischenKommission der Naturforschenden Gesellschaftdes Kantons Luzern in den Jahren 1932–33 durch.Die Grabungen brachten ein umfangreiches Fund-material und viele für die Siedlungsgeschichtehochinteressante Befunde zu Tage (Abb. 4). Diedamals vorgesehene und von Reinerth mehrfachangekündigte Bearbeitung und Publikation derGrabungsergebnisse ist aber nie zustande gekom-men. Seine Grabungsunterlagen waren für dieFachwelt kaum zugänglich1. Bis heute stellen zwei populärwissenschaftliche Grabungsberichte(Reinerth 1933; Ströbel 1938) und eine Silex-studie (Ströbel 1939) unsere einzigen publizierten

Die Ausgrabungen Hans Reinerthsin der Siedlung Egolzwil 2 in den Jahren 1932 – 33Othmar Wey

Abb. 1 (oben): Das Wauwilermoos um 1932. Blick nachSüden.

Abb. 2 (mitte):Bei den Grabungsarbei-ten.

Abb. 3 (links): Siedlungen im Wau wilermoos(nach Speck 1990, 255).Dreiecke: Mittelsteinzeitliche Stationen 1 – 31.Quadrate:Jungsteinzeitliche Moor -siedlungen Egolzwil (E) 1 – 5,Schötz (S) 1 – 6,Wauwil (W) 1M. 1:50 000.

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Informationsquellen über jene Grabungen dar. Siesind aber wenig informativ und vermochten unserenWissensdurst nie zu befriedigen. Im Laufe der Jahrebegannen zudem unbewusst falsche Ansichten unserBild über die Siedlung Egolzwil 2 zu prägen.

Im Rahmen einer Aufarbeitung cortaillodzeitlicherSiedlungen der Zentralschweiz habe ich mich auchdiesem Siedlungsplatz näher angenommen (Wey2000, Druck in Vorber.). Im folgenden möchte icheinige grundlegende Angaben allgemeinen Charak-ters über die Grabung von Egolzwil 2 vermittelnund mit gewissen Missverständnissen aufräumen.

Die Grabung Reinerths fand in den Jahren 1932 – 332

statt und stellte für die damalige Zeit eine der grös-sten Grabungen nördlich der Alpen dar (Abb. 5). Ineinem ersten Schritt wurde das vermutete Sied-lungsterrain mit einem in regelmässigen Abständenvon 5 m angelegten Netz von Sondierungen (0,5 x0,5 m) überzogen, um die Ausdehnung der Kultur-schicht zu erfassen. Daraufhin wurde eine Flächevon 7775 m2 eingemessen, von denen mindestens6045 m2 ausgegraben wurden.3 Die Grabungsflächewurde in Quadrate von je 10 m Seitenlänge einge-teilt und mit den Nummern 1 – 65 versehen (Abb. 6).In der nördlichen Grabungsfläche wurden zudemneun Felder à 5 x 15 m Seitenlänge (Nummern 66 –74) angehängt. Die 65 Quadrate wurden nochmalsin vier Teilflächen à 5 x 5 m untergliedert und mitden Buchstaben a – d versehen. Diese Teilflächen à25 m2 stellen die kleinste Rastergrösse dar. Unab-hängig von diesem Vermessungsnetz wurden dieaufgrund von Lehmlagen und Pfostenstellungende finierten Hausgrundrisse dokumentiert. Sie er -hielten in den Schichten I und II je die fortlaufen-den Bezeichnungen H1, H2, ... etc., während jeneder Schicht III, da sie als unterste Lehmlagen vonjenen der Schicht II abgetrennt wurden, die gleicheNummer wie in der Schicht II tragen. Die Fundar-tefakte tragen entweder eine Fundortsbezeichnunggemäss Vermessungsnetz oder eine solche gemässder Hausbefundnummer. Erstere lassen sich mühe-los kartieren. Die Funde aus dem Bereich der Häu-ser können dagegen nicht immer kartiert werden,da die genaue Position einzelner Häuser in der Gra-bungsfläche unsicher oder unbekannt ist.

41

1 Der wissenschaftliche Nach-lass Reinerths wurde nachseinem Tode 1990 in mehre-ren Etappen dem Pfahlbau-museum Unteruhldingenübergeben. Darunter befan-den sich auch viele originaleGrabungsdokumente zuEgolzwil 2. Unbekannt ist bisheute der Verbleib eines Feld-buches, falls ein solches vonReinerth tatsächlich geführtwurde. Ich danke dem Vereinfür Pfahlbau- und Heimatkun-de e.V. und dem Pfahlbaumu-seum Unteruhldingen für dieMöglichkeit, alle Materialienzu Egolzwil 2 einsehen zudürfen.

2 Oft wird zusätzlich auch das Jahr 1934 genannt. 1934wurden aber nur die geöffne-ten Grabungssektoren wiederzugeschüttet.

3 Bis heute wurde kein Planaufgefunden, der die tatsäch-lich ausgegrabene Flächewiedergibt.

Abb. 5: Grabungsambiance in Egolzwil 2.

Abb. 4: Siedlungsbefund ausder Fläche 18c.

Grundsätzlich sollte nach der Arbeitsweise Rei-nerths jedes Fundobjekt eine Fundnummer mitSchicht- und Fundortsangabe aufweisen. Tatsacheist aber, dass es, besonders unter der Keramik,viele Fundartefakte gibt, bei denen die eine oderandere Bezeichnung oder sogar die gesamte Be -schriftung fehlt. Abgesehen von den Funden ausden vielen Sondierungen des Jahres 1932, die keineSchichtangabe kennen, sondern nur mit dem Buch-staben „K“ (= Kulturschicht) und teilweise demQuadrat markiert sind, wurde bei nach ReinerthsEinschätzung unwichtigen Funden wie zierlosenWandfragmenten, Bodenscherben, unbearbeitetenoder zerbrochenen Geweihartefakten oft auf dievollständige Beschriftung verzichtet. Es gibt aberauch Ränder und verzierte Wandfragmente, diekeine Markierung (mehr?) tragen. Auch seine wäh -rend der Grabung erstellten handgeschriebenenInventarbücher, die, oft mit einer Zeichnung verse-hen, knapp 10.000 Fundobjekte erfassen, sindunvollständig. Besonders keramische Artefaktewurden trotz vorhandener Schichtbezeichnungnicht aufgenommen. Zu einem späteren Zeitpunktwurde ein zweites maschinengeschriebenes In -ventar, im folgenden nach seinem Autor Inventar„Hufnagel“ genannt, erstellt und zur Zeit des 2. Weltkrieges in unbekannter Zahl vervielfacht.Dieses neue Inventar „Hufnagel“ erfasst, geordnetnach damals anerkannten Formtypen, aber ohneRücksicht auf die Schichteinteilung Reinerths, die Fundartefakte unter neuen Inventarnummern.Diese neuen Inventarnummern wurden auf denFundobjekten aber nicht angebracht, sondern mannannte abschliessend im Katalog unter der neuenInventarnummer die alte (inkl. Schicht und Qua-drat, bzw. Hausbefundnummer). Dabei schlichensich viele Fehler ein, so dass ohne Nachkontrolleauf dem Objekt keine Gewähr der Angaben be -steht. Nach der Grabung wurden viele Keramik-scherben zu ganzen Gefässen, vor allem zu Scha-len, Knickschüsseln und Kleingefässen ergänzt.Bei dieser Arbeit wurden viele Gefässe verwech-selt und mit falschen Fundnummern und Schicht-angaben versehen.

In der Literatur wird Egolzwil 2 stets als Siedlungmit drei Schichten erwähnt (Ströbel 1939, 83; Itten 1970, 74; Speck 1990, 258). Alle stützen sichdabei auf die Angaben Reinerths, der im Kultur-schichtpaket drei „Wohnschichten“ erkannt habenwill (Reinerth 1933, 4). Da auch Fundmaterial ausdrei verschiedenen Zeitperioden, nämlich der Cor-taillod-, der Horgener und der schnurkeramischenKultur gefunden wurde, wurden die drei Schichtenmit den drei Zeitphasen gleichgesetzt. Die ältesteSchicht, von Reinerth als Schicht III bezeichnet,wurde zur Cortaillod-Schicht, die Schicht II zurHorgener Schicht und die jüngste Schicht I zurschnurkeramischen Schicht. Nur wenigen Autorenist aufgefallen, dass zeitlich sicher einordbareKeramik nicht immer diesem einfachen Schemagefallen wollte (Mauser-Goller 1969, 83; Itten1970, 74; Pape 1978, 58 ff.). M. Itten löste das Pro-blem, indem sie der Markierung auf den Fundob-jekten die Zuverlässigkeit absprach und W. Papehielt das Miteinander von Horgener und schnurke-ramischen Funden in der Schicht I und II als Be -weis der Gleichzeitgkeit dieser zwei Kulturen. Nie-mand hinterfragte dagegen die behauptete, aber nie vorgelegte Stratigraphie. An der Abfolge von

1aa

b

c

d

Palisade Süd

1933

Palisade Süd

1932

2a 3a

122

23

24

25

26

54

55

56

57

58

59

60

61

62

63

27

2 3 28 29 30

31 32 33

34 35 36 49

37 38 39 50

40 41 42 51

43 44 45 52

64

65

46 47 48

666768697071727374

53

4 5 6

7 8 9

10 11 12

13 14 15

16 17 18

19

10 m

20 21N

Abb. 6: Plan der einzelnenFlächeneinheiten inEgolzwil 2.

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Horgen – Schnurkeramik gibt es heute keine Zwei-fel mehr. Auch die Zuverlässigkeit der Bezeich-nungen auf den Fundobjekten scheint mir trotzeinigen nachweisbaren Beschriftungsfehlern nichtdas Hauptproblem zu sein. Dieses liegt weitgehendin den damals gemachten Beobachtungen zur Stra-tigraphie, die sich wohl deutlich anders und kom-plizierter präsentierte als sie Reinerth sah. Viele Fra-gen sind heute aber kaum mehr zu klären, da dieAufzeichnungen dazu keine Angaben enthalten. Sowurden während der Grabung einige Profile aufge-nommen, aber kein einziges ist mit der von Reinerthvorgenommene Schichtunterteilung versehen.

Sowohl Reinerth wie Ströbel machen in ihren Be -richten kaum Angaben über die beobachtete Schicht -abfolge und die Kriterien, die zu den drei Schich-ten I, II und III führten. Beide betonen, dass dasKulturschichtpaket „streng schichtweise“ abgedecktwurde (Reinerth 1933, 4; Ströbel 1938, 7). NachReinerth wurden im ganzen Siedlungsgebiet dreiWohnschichten erkannt. Eine starke Brandlage, diedas ganze Pfahlbaudorf überzog, soll als Anhalt zur Entfernung der Deckschicht gedient haben. NachStröbel wurden die drei Schichten mit den römi-schen Zahlen I, II und III (von oben nach unten)bezeichnet. „Schicht I und Schicht II sind (...) durcheine Brandschicht deutlich getrennt. Die Schicht II

lässt sich innerhalb der Häuser durch die Lehmbö-den untergliedern. Dagegen ist es schwer, zeitlichdie Brücke von einem Haus zum andern zu schla-gen. Immerhin gibt eine innere Palisade den Um -fang der ältesten Siedlung an, innerhalb derer dieuntersten Schichten der Häuser als Schicht IIIabgetrennt wurden“ (Ströbel 1939, 83).

Diese wenigen, aber wichtigen Angaben Ströbelslassen folgende Schlüsse zu:

a) Es gibt nur ein einziges Schichtpaket. Zwischenden drei Schichten existieren keine sterilen Trenn-schichten. Solche aus Seekreide sind in der Tatweder auf Fotos erkennbar noch in den Profilzeich-nungen eingetragen. Diese zeigen eine Stratigra-phie mit einem einzigen Kulturschichtpaket, dasvon einer Seekreideschicht unter- und überlagertwird. Landeinwärts dünnt die überlagernde See-kreideschicht aus und verschwindet, während dieKulturschicht bis zu einer Mächtigkeit von 80 cmzunimmt (Abb. 7 und 8).

b) In der Schicht II wurden an mehreren Stellenübereinanderliegende Lehmböden beobachtet.Diese sich überlagernden Lehmlagen zeigen imgünstigsten Fall mehrere Erneuerungsphasen, imschlechtesten und hier wohl wahrscheinlicherenFall aber verschiedene Siedlungsphasen an (Abb. 8).

Abb. 7: Profilausschnitt zwischen Befund „Haus5“ und der Uferzone.

Abb. 8: Stratigraphie durch denBefund „Haus 9“.

43

c) Die Abtrennung der Schicht III von der SchichtII ist willkürlich, stratigraphisch nicht nachvoll-ziehbar und nur im Bereich der Häuser innerhalbder inneren Palisade gemacht worden. Was Reinerthals „innere“ Palisade versteht, ist unbekannt. Esgibt keinen erläuternden Plan, der eine äussere voneiner inneren Palisade unterscheidet, sondern nurPläne mit dem Eintrag einer einzigen Palisade(Abb. 9).

d) Die Gleichzeitigkeit der „inneren“ Palisade mitder Schicht III ist nicht bewiesen. Die „innere“ Pa -lisade könnte auch zu einem späteren Dorf ge hören.Die Schicht II ausserhalb der „inneren“ Palisadeenthält daher auch Material, das innerhalb der„inneren“ Palisade als Schicht III abgebaut wurde.

Als Schlussfolgerung muss festgehalten werden,dass basierend auf den wenigen stratigraphischenAngaben Ströbels und der GrabungsdokumentationReinerths keine Gewähr besteht, dass die drei ge -grabenen Schichten geschlossene Befund- undFund komplexe darstellen. Eine Antwort kann nurdie Aufarbeitung des Fundmaterials, vor allem derKeramik, bieten.

Die Auszählung aller mit einer Schichtbezeichnungversehenen und einer Kulturperiode sicher zuord-baren Randscherben ergab folgendes Bild:

Abb. 9: Dorfplan der älterenSiedlung.

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Abbildung 10 zeigt in aller Deutlichkeit, dass dieSchichten I und II keinenfalls geschlossene Fund-komplexe darstellen. Einzig in Schicht III kann ichunter 410 Rändern nur zwei nichtcortaillodzeitlicheScherben ausmachen.

Die Gliederung in Schicht I und II aufgrund einesBrandhorizontes, wie dies Ströbel berichtet, trenntekeine geschlossenen Siedlungsphasen voneinander.Mangels aufgezeichneten Beobachtungen könnenwir über die Fehlerquellen der Schichttrennung nurspekulieren. Rätselhaft ist auch das Vorfinden cor-taillodzeitlicher Scherben in der Schicht I. DieseCortaillod-Funde stammen sowohl aus Rand- wieaus zentralen Grabungszonen. Ihre Zahl ist be -scheiden. In der Regel kommen maximal zwei Cor-taillod-Randscherben pro Quadrat (= 100 m2) vor.Nur aus dem Quadrant 9 stammen acht Randscher-ben. In den Randzonen ist das Auftauchen vonschichtfremdem Material noch erklärbar. Eine Tren-nung der ausdünnenden Kulturschichten bei fehlen-den Zwischenschichten ist wegen der erosiven undaufwühlenden Wirkung des Wellenschlages stetsschwierig. Die 16 Cortaillod-Scherben aus dem zen-tralen Siedlungsbereich (Quadrate 4, 8, 9, 12, 23, 24)belegen dagegen Fehler im stratigraphischen Abbaudes Schichtpaketes, für die ich zur Zeit noch keineErklärung finde. Diese Cortaillod-Funde aus demzentralen Siedlungsbereich (u. a. Knickschüsseln undSchalen) lassen sich nämlich auch nicht mit der jüng-sten belegten Cortaillod-Phase, einem späten Cortail-lod, in Verbindung bringen.

Die Schicht II ist die umfangreichste Schicht undenthält überwiegend Cortaillod-Fundartefakte. Man müsste wenn überhaupt von einer Cortaillod-Schicht sprechen. Der Horgener Anteil in der SchichtII ist bescheiden und weist auf eine insgesamt eherdünne erhaltene Horgener Siedlungsschicht inEgolzwil 2 hin. Nur schwer erklärbar ist die Feststel-lung, dass in der Schicht II weiterhin eine grössereZahl schnurkeramischer Randscherben vorkommt.Die von Reinerth angestrebte „strenge schichtweise“Abdeckung des Schichtpaketes muss auf jedenfall

als misslungen bezeichnet werden. Schicht II istein vermischter Komplex mit viel Cortaillod,wenig Horgen und etwas Schnurkeramik. Nebendieser Tatsache interessiert nun aber auch, wiehomogen der Cortaillod-Fundkomplex der SchichtII an sich ist. Auch hier hat die Aufarbeitung unü-bersehbare Hinweise ergeben, dass wir es nicht miteinem geschlossenen Fundensemble zu tun haben.Der Hauptanteil ist aufgrund der Gefässformen(viele Knickschüsseln, Tonlampen, aber auch Ge -weihbechern) und statistisch abgestützten Merkma-len der Keramik in eine späte Phase des Cortaillodclassique zu datieren. Sie ist jünger als die dreiSiedlungsphasen der unmittelbar benachbartenSiedlung Egolzwil 4.4 Ferner gibt es Fundmaterial,das einem späten Cortaillod angehört. Einige wei-tere Funde sind teils der Schicht III zuzurechnen,teils stammen sie sogar aus einer vorklassischenZeit der Cortaillod-Kultur. Letztere stellen aberkeine weitere Siedlungsphase dar, da sie aus einerGrabungszone stammen, wo die Schicht III von der Schicht II abgetrennt wurde. Sie müssen aufeine andere Weise den Weg in die Schicht II ge -funden haben. Auch der kleine, noch unbearbeiteteHorgener Fundkomplex scheint mir nicht beson-ders homogen zu sein. Neben Material einer eherspäten Horgener-Phase scheinen mir auch Hinwei-se auf ein frühes Horgen vorhanden zu sein.

Die Schicht III bildet mit kleineren Einschränkun-gen den einzigen homogenen Fundkomplex. Einezur Zeit unauffindbare schnurkeramische und einehorgenerzeitliche Scherbe, die im Inventar als vonSchicht III stammend ausgewiesen, aber mit SchichtII markiert ist, sind die zwei einzigen nicht cortail-lodzeitlichen Scherben. Mit der Abtrennung deruntersten Lagen der Schicht II als Schicht III inner-halb der "inneren" Palisade wurde das dicke cor-taillodzeitliche Schichtpaket nicht nur nochmalsunterteilt, sondern man hat tatsächlich zwei Sied-lungsphasen voneinander getrennt. Die Merkmaleder Keramik zeigen, dass die Funde in eine frühePhase des Cortaillod classique gehören. DieseSiedlungsphase ist vor jene der Siedlung Egolzwil

Abb. 10: Cortaillod- , Horgenerund schnurkeramischeRandscherben in denSchichten I, II und III.

45

Cortaillod Horgen SchnurkeramikSchicht I 40 (35,7 %) 15 (13,4 %) 57 (50,9 %)Schicht II 1070 (90,7 %) 39 (3,3 %) 71 (6,0 %)Schicht III 408 (99,6 %) 1 (0,2 %) 1 (0,2 %)

4 Das Autorenteam um RénéWyss legte 1983 das Fund -material von Egolzwil 4 alsgeschlossenen, einschichtigenFundkomplex vor. Dies ent-spricht nicht den Tatsachen!Bereits der Ausgräber EmilVogt unterschied in den Gra-bungskampagnen von 1958 –64 drei Siedlungsphasen.Meine Neubearbeitung desFundmaterials, besonders derKeramik, zeigte in eindrückli-cher Weise, dass drei zeitlicheinander folgende Fundkom-plexe vorliegen.

4 zu datieren. Ausserhalb der „inneren“ Palisadetreten Schicht III - zeitliche Funde als Funde derSchicht II auf.

Die mit Hilfe der Keramik aufzeigbare starke zeit-liche Vermischung der Schichten I und II hat natür-lich gravierende Konsequenzen für die übrigenFundmaterialgruppen. Funde aus Silex, Stein, Kno-chen, Holz oder Geweih, die sich chronologisch oftweniger eng fassen lassen, können kaum mehrsinnvoll ausgewertet werden. Zudem fehlt es in derZentralschweiz mit Ausnahme der Cortaillod-Kul-tur noch weitgehend an einer guten Materialbasisgeschlossener und publizierter Fundkomplexe, diedie regionalen Merkmale aller neolithischen Peri-oden aufzeigen würden und sich so auch vermisch-te Materialkomplexe leichter bearbeiten liessen.Die von der Kantonsarchäologie Zug vor kurzemherausgegebene Untersuchung der Funde der hor-generzeitlichen Seeufersiedlung von Hünenberg -Chämleten ist ein Schritt in die richtige Richtung.Weitere sind sehr zu begrüssen.

Auch die Zusammengehörigkeit der vielen vonReinerth ausgegrabenen und einzelnen Schichtenzugeordneten Befunde kann angesichts der ver-mischten Fundkomplexe kaum zutreffen. SeineDarstellungen zur inneren Organisation der dreiDörfer mit Hafen, See- und Landtoren und Zu -gangswegen (z. B. die ältere Siedlung, Abb. 9) sind weitgehend Reinerths Wunschdenken ent-sprungen. Dagegen hat Reinerth richtig gesehen,wenn er nicht von Pfahlbauten im Wasser spricht,sondern von Dörfern, deren „Wohnbauten ohnetragenden Pfahlrost auf den Moorgrund gelegtwaren“ (Reinerth 1933, 2).

Anschrift des Verfassers:

Dr. Othmar WeyArchäologisches BüroFeldweg 9CH-6204 Sempach

Privat:Schöneggrain 11CH-6285 Hitzkirch

Abbildungen:

Abb. 1, 2, 4, 5, 7, 8, 9: Archiv Pfahlbaumuseum (APM).

Abb. 3, 10: O. Wey (Abb. 2 nach Speck 1990, 255).

Abb. 6: O. Wey nach R. Reinerth (APM).

Literatur:

Itten 1970 · M. Itten, Die Horgener Kultur (Basel 1970).

Mauser-Goller 1969 · K. Mauser-Goller, Die relative Chronolo-

gie des Neolithikums in Südwestdeutschland und der Schweiz.

Schriften zur Ur- und Frühgeschichte der Schweiz (Basel 1969).

Pape 1978 · W. Pape, Zur Zeitstellung der Horgener Kultur.

Germania 56, 1978, 53–65.

Reinerth 1933 · H. Reinerth, Ausgrabungen der Prähistorischen

Kommission der Naturforschenden Gesellschaft Luzern im

Wauwilermoos, 1933 (Sep.).

Speck 1990 · J. Speck, Zur Siedlungsgeschichte des Wauwiler-

mooses. In: M. Höneisen (Hrsg.), Die ersten Bauern, Bd. 1

(Zürich 1990) 255–270.

Ströbel 1938 · R. Ströbel, Die Pfahlbauten des Wauwiler

Mooses. Ein Führer durch die Kleinfunde der Ausgrabungen

1932/33 im Naturhist. Museum Kanton Luzern (Luzern 1938).

Ströbel 1939 · R. Ströbel, Die Feuersteingeräte der Pfahlbaukul-

tur (Leipzig 1939).

Wey 1988 · O. Wey, Hitzkirch-Seematt. Neue Untersuchungen

und Standortbestimmung. Arch. Schweiz 12, 1988, 58–63.

Wey 2000 · O. Wey, Die Cortaillod-Kultur in der Zentralschweiz.

Arch. Schr. Luzern (2000 Druck in Vorber.).

Wey · O. Wey, Die Cortaillod-Kultur am Burgäschisee. Die Sied-

lung Burgäschisee-SW, -Süd, -Nord und -Ost. Acta Bernensia

(Druck in Vorber.).

Wyss et al. 1983 · R. Wyss et al., Die jungsteinzeitlichen

Bauerndörfer von Egolzwil 4 im Wauwilermoos. Bände 1 und 2

(Zürich 1983).

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In der letzten Zeit häufen sich Befunde, die so tiefangelegt worden waren, daß deren untere Bereichebis heute im Grundwasser gestanden haben (eineÜbersicht dazu in Koschik 1998). Manche dieserBefunde sind eindeutig Brunnen.

Neben dem besonderen Augenmerk, das dieserBefundkategorie auf Grabungen nun zunehmendgeschenkt wird, führte die Entdeckung von Brun-nenanlagen auch dazu, sie zum Gegenstand ver-stärkter Forschungen zu machen. Bei der Durch-sicht der Fachliteratur konnten Strukturen vonAltgrabungen, die entweder vergessen warenoder anders gedeutet wurden, nunmehr als Brun-nen identifiziert werden. Aufgrund gut erhaltener

Werkzeuge und Geräte aus organischen Materia-lien, die bei Ausgrabungen in jung-, end- undspätneolithischen und bronzezeitlichen Seeufer-randsiedlungen des Voralpengebietes oder in denKüstenregionen der Meere gefunden wurden,sind Erkenntnisse zu deren materieller Kulturimmer wieder auf zeitgleiche Kulturgruppenübertragen worden, die auf trockenem Mineral-boden siedelten. Für die frühneolithische Linien-bandkeramik gibt es jedoch diese Möglichkeitnicht. Erst die Brunnen aus Mohelnice, Kück-hofen und die nachfolgend vorgestellten Befundeaus Zwenkau bieten die Milieubedingungen, daßauch unverkohlte organische Materialien sicherhalten konnten.

Holzfunde im Braunkohlentagebau Zwenkau:Ausnahme oder Regel?Ingo Campen und Harald Stäuble

47

„Auch die Auswahl und Bearbeitung des Holzes

zeigt uns die Träger der Linearbandkeramik als

erfahrene und gewandte Zimmerleute und dies

gewiß nicht nur in Hinsicht auf den Brunnenbau,

weiter als ‚Faßbinder‘ und schließlich auch als

Seiler.“ (R. Tichy 1972, 20).

Bandkeramische Brunnen

Seit 1970 sind durch die von Rudolf Tichy in derKiesgrube von Mohelnice, Kreis Sumperk inMähren gegrabenen bandkeramischen Brunnen dieersten Objekte dieser Epoche aus organischem Mate-rial bekannt (Tichy 1972). Zwei der vier in unmittel-barer Nachbarschaft liegenden Brunnen datieren indie Linienbandkeramik – die anderen beiden sindäneolithisch bzw. trichterbecherzeitlich.1 Jedoch nuraus einem davon konnten organische Funde gebor-gen werden. Nach der Restaurierung der Holz-, Seil- und Bastfragmente wurden sie als Teile von„Eimern“ gedeutet. Obwohl es über diesen erstenBericht hinaus – zusammen mit einer vorläufigenBestimmung der Holzfunde (Opravil 1972) – zu keiner weiteren Publikation kommen konnte2, zei-gen sich doch deutliche Parallelen zu den späterenFunden, so daß nunmehr auch die Brunnen ausMohelnice in einem neuen Licht erscheinen.

Erst der Fund eines Brunnens in Erkelenz-Kück -hofen im Jahre 1990 (Weiner 1992; zuletzt zusam-menfassend Weiner 1998) rückte die Problematikdes vorgeschichtlichen Brunnenbaus einerseits, vorallem aber jene der Gefäße und Geräte aus organi-schem Material in frühneolithischer Zeit wiederstärker ins Bewußtsein der Archäologen. Die Grün-de dafür sind sowohl in der Größe des Kückhove-ner Brunnens, somit in der Mächtigkeit der Brun-nensedimente und der großen Fundzahl sowie derbesonders guten Erhaltung zu sehen. Nicht zuletztist es auch dem rastlosen Einsatz des Ausgräberszu verdanken, daß viele Altfunde ein zweites Mal„ausgegraben“ wurden.

Die beiden wichtigsten sind die am Anfang un seresJahrhunderts gefundenen und zunächst als Grabfundegedeuteten Brunnen aus Zipsendorf in Thüringenund Rehmsdorf in Sachsen-Anhalt (Amende 1922).Auch wenn sich diese Fundplätze zusammen mitden neuesten Brunnen aus Eythra in Sachsen heutein unterschiedlichen Bundesländern befinden, soliegen sie allesamt in der Braunkohlenregion dersüdlichen Leipziger Tieflandsbucht. Allerdingsunterscheiden sich die kleinräumigen Lagen derFundorte. Während der 1907 geborgene Fund ausZipsendorf auf der „Wasserscheide“ zwischen derWeißen Elster und der östlich fließenden Schnau-der lag, wurde 1921 der Rehmsdorfer Brunnen in

der Talaue der Schnauder etwa 4 – 5 km davon ent-fernt gefunden. Beide wurden von einer Oberflächevon über 170 m NN eingetäuft, der erste lediglichetwa 3,5 m, der zweite über fünf Meter.

Die Siedlung Eythra im Braunkohlentagebau Zwenkau

Etwa 20 km nördlich von diesen Altfunden wirdunterhalb und südlich der abgebaggerten OrtschaftEythra seit 1993 eine ausgedehnte linien- undstichbandkeramische Siedlung untersucht. DieArbeiten finden im Zuge der Braunkohlengewin-nung im Tagebau Zwenkau statt. Das seither inAnspruch genommene Areal von über 250 ha wirdteils in Sondagen, zum großen Teil jedoch groß -flächig archäologisch untersucht. Die dem Tagebauzum Opfer fallenden Flächen liegen westlich desAltlaufs der Weißen Elster auf den glazialen Schot-terflächen. Der Schotterkörper setzt sich aus Restender Elster- und Saalegrundmoränen zusammen,dazwischen sind Flußschotter der Elster eingescho-ben. Die Deckschichten stammen aus weichselzeit-lichen umgelagerten Lössen, teilweise treten Ton-mudden auf. Im Bereich der weichselzeitlichen undholozänen Aue haben sich Schotter, Kolluvien undAuelehme erhalten. Die Mächtigkeit des Schotter-paketes schwankt zwischen acht und fünfzehnMetern. Das Liegende wird durch schluffig tonigemarine tertiäre Sedimente gebildet, die gleichzeitigden Sperrhorizont, auf dem sich der Grundwasser-horizont ausbildet, darstellen.

Insgesamt konnten bislang 83,5 ha archäologischdokumentiert und ausgegraben werden (Abb. 1).Im Westen, etwa 2,5 km vom ursprünglichen re -zenten Elstertal entfernt, befindet sich eine frühbron-zezeitliche Siedlung mit annähernd 50 Hausgrun-drissen. Über das gesamte Areal liegen verstreutendbronze-/ früheisenzeitliche Einzelhöfe. Aus an -deren vorgeschichtlichen Epochen liegen weitereSiedlungsreste und Gräber vor. Lediglich Spuren dermittleren Bronzezeit scheinen vollständig zu fehlen.

Im Bereich des westlichen Auenrandes der WeißenElster wurden bislang über 25 ha einer hauptsäch-lich bandkeramischen Siedlung ausgegraben. ImNorden wurde schon mit den ersten Schnitten eine

1 Die Datierung erfolgte typo-logisch, mittels 14C-Datenund aufgrund einiger dendro-chronologisch bestimmterHölzer.

2 Laut persönlicher Mitteilungvon Herrn Tichy im Jahre1989 wurde er nach demBrunnenfund mit anderenAufgaben beauftragt. Seinewichtigen Beiträge zur band-keramischen Tonware undzum Hausbau fanden somiteinen jähen Abbruch, wieauch sein Schriftenverzeich-nis deutlich zeigt.

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dichtbesiedelte Fläche angetroffen (Abb. 1). NachSüden hin scheint sich die bandkeramische Sied-lung Eythra über die Tagebaugrenze – heute in 50 mEntfernung gelegen – hinweg auszudehnen, wieeinige Sondagen belegen. Lediglich im Westen undOsten läßt sich die Siedlung eingrenzen. Bislangwurden über 200 Hausgrundrisse der Linien- undStichbandkeramik, eine Vielzahl von Gruben undüber einhunderttausend Scherben gefunden, diejedoch auch aus jüngeren Epochen stammen. Auchwenn die absolute Besiedlungsdauer noch nichtabgesichert ist, so deutet die Vielzahl an Hausgrun-drissen darauf hin, daß die gegrabene Siedlungetwa ab dem 53. Jh. v. Chr. belegt gewesen seinmuß. Funde der Ältesten Bandkeramik wurdennämlich bislang nicht gemacht. Die älteste Kera-mik ist durch eine frühe Phase von Flomborn nachder Einteilung von Meyer-Arendt (1966) vertreten3.Einige Hausgrundrisse weisen zwar noch die fürdie Älteste Bandkeramik typischen Außengräbenauf, diese werden jedoch auch noch in der zweitenund vereinzelt sogar in jüngeren Phasen der Band-keramik angetroffen. Die typo logische Zuweisungdieser Hausgrundrisse zu sammen mit der Keramikspricht für einen in Ka lenderjahren ge messenenBeginn im 53. Jh. v. Chr. (Stäuble 1994).

Eine konkrete Prüfung vor Ort durch absolute Datie-rungen steht wegen fehlenden geeigneten Materialsnoch aus. Das kurzlebige Knochenmaterial ist aufdem Fundplatz nicht erhalten. Bis zum Abschlußder Pflanzenrestanalysen – Pflanzen eignen sich füreine 14C-Datierung – werden die dendrochronologi-schen und auch die Radio karbondaten der Brunnen-hölzer aus Eythra die einzig verfügbaren sein. Diesegeben zwar den Zeitpunkt für den Brunnenbau, mitSicherheit aber nicht die Besiedlungsdauer an. Bis-lang hat man in Eythra auch keine absolut-chrono-logischen Indizien für das Ende der linienbandke-ramischen Besiedlung. Das gleiche gilt für denBeginn und das Ende der stichbandkeramischen Kul-tur. Im allgemeinen wird davon ausgegangen, daßsich diese in ihrem Verbreitungsgebiet im östlichenund südlichen Mitteleuropa an die Linienbandkera-mik etwa um 4900 v. Chr. anschließt und etwa inder Mitte des 47. Jh. v. Chr. endet (Petrasch 1990)4.Erst die detaillierte Untersuchung des Fundmaterialswird eine Einschätzung des typologischen Spektrumsaus Eythra erlauben. Auf grund der Befundsituationkann zunächst lediglich postuliert werden, daß einehohe Siedlungsdichte besteht, so daß man für denrelativ kurzen Zeitraum von einer durchgehendenBesiedlung ausgehen kann. Die in Eythra vollstän-dig ausgegrabene dreifache Kreisgrabenanlage(Campen/Heyd/Stäuble/Tinapp 1997; Stäuble imDruck) würde diese Annahme bekräftigen, geht manweiterhin davon aus, daß solche Anlagen eine typi-sche Er scheinung der späten Stichbandkeramik sind.

Die Nachweise für die folgenden Kulturen derJungsteinzeit sind wesentlich spärlicher, so daß manvon einem deutlichen Siedlungsrückgang im Auen-randbereich sprechen muß. Mit Sicherheit nachge-wiesen sind einzelne Gruben und Gräber der mittle-ren und jüngeren Jungsteinzeit (z.B. BaalbergerKultur, Kugelamphorenkultur), über ein Dutzendschnurkeramische Bestattungen sowie eine Vielzahlvon bronze- und eisenzeitlichen Siedlungsspuren.In dem um die Jahrhundertwende in der geologi-schen Karte definierten Auenbereich selbst wurdenneben bandkeramischen Siedlungsspuren (Cam-pen/Heyd/ Stäuble/Tinapp 1997, 47, Abb. 2) aucheinzelne slawische Gruben gefunden.

Eine hervorragende Stellung nehmen die Ausgra-bungen im Tagebau durch den Nachweis einerVielzahl von tiefen Befunden ein, die an der Basis

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Abb. 1:Übersichtsplan der Aus-grabungen im Braunkoh-lentagebau Zwenkau, Lkr.Leipziger Land. DiefrühjungsteinzeitlichenFundstellen konzentrie-ren sich haupt sächlicham Auenrandbereich derWeißen Elster im Ostendes Tagebaus. Am west-lichen Rand wurdengroße Flächen unter-sucht, die zahlreiche Siedlungs-spuren ab der frühenBronzezeit lieferten.

Abb. 2:Planausschnitt derbandkeramischen Sied-lung unter der ehemali-gen Ortschaft Eythra imTagebau Zwenkau.Neben den zahlreichentypischen Gruben undHausspuren der Jung-steinzeit dominiert hierdie dreifache stichband-keramische „Kreisgra-benanlage“. Weiterhinsind auch die zahlrei-chen gestörten Bereichedurch die Siedlung der30er Jahre unseres Jahr-hunderts zu erkennen.

noch eine Erhaltung von organischen Materialienaufwiesen. Die in der Regel etwa 3 m unter derheutigen Oberfläche nachgewiesenen Hölzer lasseneine Deutung dieser Befunde als Brunnen zu. Wiein den Profilen anhand der Pseudovergleyungsichtbar wird, sind die oberen Bereiche der Brun-nen wechselnd feuchten Bedingungen ausgesetzt,was die Verwitterung der sicherlich vorhandenenHolzkonstruktionen im Laufe der Jahrhunderte ver-ursacht hat. Aus der seit 1994 ununterbrochenenSerie von bislang 22 vorgeschichtlichen Brunnenlassen sich drei (Brunnen 17, 21 und 22) dem Früh-neolithikum zuordnen.

Die bandkeramischen Brunnen aus Eythra

Im November 1997 wurde zunächst ein band -kerami scher Brunnen, im Sommer 1998 eine zweiteBaugrube mit zwei Brunnenkästen unterschied -licher Konstruktionsart aus gleicher Zeit gefunden(Abb. 2). Die etwa 200 m voneinander entferntenBrunnengruben wurden am westlichen Auen -randbereich der Weißen Elster angelegt. Zu erken-nen waren sie nach dem Abtrag des Oberbodensauf etwa 120 m ü. NN. Wieviel höher die alteOberfläche gelegen hat, ist nicht mit Sicherheit zusagen. Die Pfostengruben der benachbarten band-keramischen Häuser waren ab Grabungsplanumnoch zwischen 0,1–0,5 m eingetieft, so daß in derRegel mit etwa einem Meter Erosion zu rechnenist. Erst die Aufarbeitung des Siedlungsmaterialswird erkennen lassen, ob die Brunnenlage mit dermerkbaren Abnahme der Siedlungsdichte im Um -kreis der Brunnen zusammenhängt. Eine Zuwei-sung der darin liegenden Keramik zu gleichzeitigenHäusern wird schwer möglich sein. In der gegrabe-nen Siedlungsfläche von nunmehr weit über 25 hasind keine weiteren Brunnen dieser Zeit gefundenworden. Das bedeutet zunächst, daß die drei band-keramischen Brunnen, trotz ihrer „Häufung“ bis-lang einmalig, so doch zu selten sind, als daß sieeine alltägliche Erscheinung während der gesamtenLinien- und Stichbandkeramik gewesen sein kön-nen; weder in Eythra und auch nicht in anderenSiedlungen dieser Zeit.

Die Datierung

Alle drei Brunnen stammen aus dem 6. vorchristli-chen Jt. Der erste gefundene bandkeramischeBrunnen 17 ist wegen seiner guten Erhaltung auchjahrgenau datiert. Die erhaltenen Hölzer sind alleaus einem etwa 120 Jahre alten Eichenbaumstammangefertigt. Stellenweise ist die Waldkante erhal-ten, so daß ein jahrgenaues Schlagdatum ermitteltwerden kann. Die verwendeten Hölzer sind im Jahr5084 v. Chr. im Winter gefällt worden. Die beidenübrigen Brunnen sind zur Zeit noch nicht genaudatiert. Für sie liegen zunächst zwei 14C-Daten vor.Der aus Ahorn gefertigte Röhrenbrunnen 21 liefertdas Datum 6292±45 BP (Hd-20735: 5319-5230BC, 1 Sigmabereich). Für den jüngeren Kasten-brunnen 22, dessen erhaltene Bretter aus Eichegefertigt wurden, konnten die äußersten erhaltenenJahrringe datiert werden, das Meßresultat für Brett4 liegt bei 6235±84 BP (Hd-20734: 5299-5072 BC,1 Sigmabereich). Erste dendrochronologische Ana-

3 Freundliche Mitteilung. M. Cladders.

4 Nach einigen Autoren (Zápo-tocká 1993) soll sie sogar bisweit in die zweite Hälfte des 5.Jt. v. Chr. gedauert haben. Ins-gesamt ist die absolute Datie-rung dieser Kultur sehr lücken-haft.

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lysen der Hölzer von Brunnen 22 weisen auf einSchlagdatum um 5200 v. Chr. hin, so daß dieserBrunnen etwa 100 Jahre älter als der erste Kasten-brunnen sein muß, jedoch fehlt bei diesen Hölzerndie Wald- wie auch die Splintkante. Der darunter-liegende Brunnen muß auf jeden Fall älter ange-setzt werden.

Die Konstruktion

Die drei Brunnen unterscheiden sich stark in ihrerKonstruktionsart. Die Brunnen 21 und 22 liegen ineiner gemeinsamen Grube (Abb. 3). Der Röhren-brunnen 21 besteht aus einem ausgehöhlten Ahorn-stamm von etwa 1 m Durchmesser. Seine Basisliegt bei 116 m ü. NN und damit etwa 3,5 m unterder heutigen Oberfläche, die wasserundurchlässigeSchicht beginnt ungefähr 30 cm tiefer. Der Stamm,der durch die Verwitterung längs gerissen ist, liegtauf Eichenbalken von etwa 10 cm Stärke, so daßdas Wasser leicht von unten in den Brunnen ein-fließen kann. Der darüberliegende Kastenbrunnenist aus Eichenbrettern zusammengefügt. Der qua-dratische Innenraum hat eine Seitenlänge von 75 cm.Es sind lediglich die vier Bretter an der Basiserhalten, die in Blockbauweise miteinander ver-bunden waren. Die entsprechenden Aussparungensind so stark verwittert, daß man nichts über dieGenauigkeit der Zurichtung sagen kann. AuchArbeitsspuren lassen sich wegen der fortgeschritte-

nen Verwitterung nicht mehr feststellen, trotzdemist ersichtlich, daß die Bretter grob zugerichtetsind. Auf die Qualität wurde offensichtlich keinbesonderer Wert gelegt, denn es kamen Bretter mitgroßen Astansätzen zum Einsatz. Sie weisen eineBreite von etwa 30 cm auf, während die Dicke zwischen 2 cm und 10 cm schwankt. Es hat denAnschein, als sei der Röhrenbrunnen (Brunnen 21)an seiner nordöstlichen Seite zusammengebrochen.Bevor der Brunnenschacht vollständig zusedimen-tiert worden war, wurde ein neuer Brunnen (der 22.und vorläufig letzte Brunnen aus dem Vorfeld desTagebaus Zwenkau), etwas nach Osten versetzt,ab getäuft. Offensichtlich war es wegen eineserhöhten Grundwasserspiegels nicht nötig, ihn aufdie vorherige Tiefe herunterzutreiben. Es reichteeine absolute Höhe von 116,6 m ü. NN, um an dasWasser zu gelangen. So konnte sich die Basis desälteren Brunnens erhalten. Obwohl es keinenarchäologischen Beweis dafür gibt, nehmen wirdoch an, daß Brunnen 21 kurze Zeit nach dem Ver-fall des Brunnen 22 angelegt wurde.

Durch die besonders guten Erhaltungsbedingungenam Brunnen 17 lassen sich hier die meisten Aussa-gen treffen. Er wurde in einer Grube von ungefährvier Metern Durchmesser auf 116,5 m ü. NN ab ge - täuft, was etwa einer Tiefe von 4,5 m von der heu-tigen Oberfläche aus entspricht (Abb. 4). In etwa2,5 m unter dem Grabungsplanum, das sich ca. 0,8 munter der Oberfläche befindet, sind die Spaltbohlennoch auf etwa 1 m Tiefe erhalten. An der West-und Ostseite sind jeweils vier Hölzer vorhanden, ander Nord- und Südseite jedoch fünf. Darüber istnoch eine stark verwitterte Lage fragmentarischvorhanden, teilweise nur noch als Schatten zu er -kennen. Der Innenraum des Brunnens beträgt 80 cmauf 85 cm. Die dafür verwendeten Hölzer sindjedoch bis zu 1,8 m lang und alle aus einem Ei chen -stamm gearbeitet. Bis auf die unterste Lage warenalle Bretter ineinander verschränkt. Die untersteBalkenlage jedoch weist eine architektonische Be -sonderheit auf, die bislang noch nicht beobachtetwerden konnte. Der westliche, wie auch der östli-che Balken sind an beiden Enden durchbohrt, sodaß die dazugehörigen südlichen und nördlichenHölzer mit Zapfen eingepaßt werden konnten(Abb. 5). So mit wurde ein fester Rahmen geschaf-fen, auf den die folgenden Balken in Blockbau-weise aufgesetzt werden konnten. Die Hölzer liegen

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Abb. 3: Der zweite und drittelinienbandkeramischeBrunnen (Nr. 21 und22) in etwa 2,5 m Tiefe.Im Kastenbrunnen istdie erste Befundlagemit erhaltenen organi-schen Funden zu sehen.Er überlagert den nochnicht vollständig freige-legten ausgehöhltenBaumstamm.

Abb. 4 (oben):Der unterste Teil desersten linienband -keramischen Brunnens(Nr. 17) aus Eythra beiden Vorbereitungen zurBlockbergung.

Abb. 5 (links): Die Spaltbohlen deruntersten Lage vonBrunnen 17 wurden,nicht wie die darüber-liegenden, verschränkt,sondern miteinanderverzapft.

an nähernd passgenau übereinander, die spitzeKante der Spaltbohlen liegt jeweils auf der darun-terliegenden Waldkante auf. Mancherorts wurdendie Nahtstellen mit Moosresten abgedichtet, anzwei Stellen wurden zusätzlich kleine Holzbrett-chen eingefügt.

Nach den bislang letzten Brunnenfunden erkenntman, daß sich die Brunnenbauweise schon inner-halb der Bandkeramik stark unterscheidet. Einegewisse Ähnlichkeit besteht zwischen den Brunnenaus Eythra und denen aus Mohelnice. Aufgrund der Anordnung der im Brunnenkasten des Brunnen 224 aus Mohelnice senkrecht stehenden Pfostenund wegen unterschiedlicher Verfärbungen in denBrunnensedimenten geht der Ausgräber davon aus,daß sich innerhalb des Kastenbrunnens noch einRöhrenbrunnen befand (Tichy 1972, 19). Der le -diglich notgeborgene Brunnen 256 bestand dahin-gegen offensichtlich ausschließlich aus vertikaleingetieften Brettern. Soweit bestimmbar, handeltes sich auch bei diesem etwa 100 Meter von demersten entfernt gelegenen Befund ebenfalls umeinen bandkeramischen Brunnen (Tichy 1972, 20).

Die Brunnen aus Mohelnice sind wichtig und nen-nenswert, auch wenn ihr genauer Aufbau nichtmehr weiter rekonstruiert werden kann. Zusammenmit den neuesten Funden aus Eythra zeigen sie,daß schon zu Beginn der Jungsteinzeit eine Vielfaltin der Bauweise von Brunnen bestand, die mit denFunden aus Zwenkau bislang erst ab dem Spätneo-lithikum/der frühen Bronzezeit belegt werden konnte(Stäuble/Campen 1998).

Die Funde

Gerade wegen ihrer Tiefe stellen Brunnen eine be -sondere Befundkategorie dar. Wenn nicht groß -flächig der Grundwasserspiegel abgesunken ist, lie-gen an der Basis noch Bedingungen vor, wie siesonst nur auf Feuchtbodengrabungen vorzufindensind. Gerade das Fundspektrum aus organischemMaterial, einschließlich der Knochenfunde, ist inbandkeramischen Siedlungen stets unterrepräsen-tiert. Funde aus Holz oder anderen pflanzlichenMaterialien fehlen, soweit sie nicht verkohlt sind,völlig. So bieten die drei bandkeramischen Brunnen

aus Eythra die Chance, auf kleinstem Raum Auf-schlüsse über eine materielle Kultur zu erhalten,die uns sonst verborgen bleibt. Der Grundflächealler drei Brunnen von zusammen ca. 4 qm stehteine Fläche von annähernd 25 ha bandkeramischerSiedlungsgrabung gegenüber, auf der diese Art vonorganischen Resten vollständig fehlen. Dies ent-spricht einem Verhältnis von 1:60.000. Würdeman dem Volumen aller bandkeramischen Befundedas Volumen der Brunnensedimente mit organi-scher Erhaltung gegenüberstellen, fiele das Ver-hältnis noch ungünstiger aus.

Die Erhaltungsbedingungen für Makroreste undPollen sind ungleich besser als in den Sedimentender bandkeramischen Gruben. Das Spektrum dernachgewiesenen Samenreste ist erheblich größer

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als bei den verkohlten Funden. Das gleiche gilt fürdie Pollenerhaltung, die in den wechselnd feuchtenübrigen Grubensedimenten sehr schlecht ist. Eineneue zusätzliche reichhaltige Informationsquellebilden in den Brunnensedimenten die erhaltenenChitinreste der Insekten. In einer ersten Probekonnten bis zu neun Arten identifiziert werden,

was einer recht hohen Ausbeute entspricht. Interes-sant ist der Nachweis der heute im mediterranenRaum lebenden Scarabaeiden Pleurorphorus caesus5.

Da die Ausgrabung der zwei letzten Brunnen undauch die Konservierung der Funde aus dem erstenBrunnen noch nicht abgeschlossen ist, können auchnur vorläufige Angaben zu den Funden, die ausBrunnen 17 stammen, gemacht werden.

Neben einer verhältnismäßig kleinen Anzahl vonbandkeramischen Scherben sind drei Wandscher-ben, die wahrscheinlich einem Gefäß zuzuordnensind, besonders hervorzuheben (Abb. 6). Diebesonders kleinen Fragmente sind mit Pech bestri-chen, das in einigen Bereichen schon abgewittertist. In das Pech sind mehrere dünne, etwa 3 mmbreite Knochenbändchen eingelegt. Daraus wurdenDreiecke herausgeschnitten, so daß ein Sägeblatt-muster entsteht. An der besterhaltenen Scherbe istzu erkennen, daß drei dieser parallel liegendenBänder einen Winkel bilden. Das Pech wurde – wieauf der gleichen Scherbe zu erkennen ist – über dieübliche eingeritzte Linienverzierung aufgetragen.Die Intarsie folgt offensichtlich nicht der darunter-liegenden Verzierung. Vergleichbare Muster sind

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Abb. 6 (oben):Kleine Scherben mitbesonderer Verzierungaus Brunnen 17. In einepechartige Masse, dieüber die Keramik ver-strichen wurde, sindStreifen mit Dreieckenaus Knochenplättchengelegt worden.

Abb. 7 (rechts):Planum von Brunnen17 in Höhe der unter-sten Balkenlage. Zu erkennen sind zahl-reiche Schnüre und drei Beutel aus organi-schem Material, die vorüber 7000 Jahren alsSchöpf gefäße dienten.

Abb. 8:Einer der beiden im obe-ren Brunnenbereich lie-genden Bastbeutel ausBrunnen 17 wurde erstkürzlich im Labor dessächs. Landesamtes frei-gelegt. Trotz derschlechter ge glaub tenErhaltung der organi-schen Materialien liefernsie überraschend gute In -for mationen zur Herstel-lungsart der „neuen“Fundkategorie. M. 1:4.

hauptsächlich aus Böhmen innerhalb der Sarka-Gruppe (Vencl 1961) bekannt, wobei dort vermutetwird, daß in das Pech Rindenfragmente gedrücktwurden. In der näheren Umgebung ist ein fast voll-ständiges Gefäß dieser Art aus dem bandkerami-schen Brunnen in Rehmsdorf (s.o.) gefunden wor-den. Einzelstücke sind auch aus Dresden-Nickernund Eilsleben bekannt (Einicke 1996; Stäuble /Campen 1999). Unlängst wurde ein fast vollständi-ges Gefäß aus dem Gräberfeld in Schwetzingenpubliziert, das die gleiche Verzierungsart aufweist(Behrends 1997, 24, Abb. 6). In allen Fällen schei-nen besondere Erhaltungsbedingungen gegeben zusein, da sich unter normalen Verhältnissen solcheVerzierungen aus organischem Material nichterhalten haben werden. Es stellt sich auch hier dieFrage, inwieweit wir es mit einer möglicherweiseüblichen Verzierungsart zu tun haben, derenBesonderheit erst durch die schlechten Erhaltungs-bedingungen für organische Materialien entsteht,die für Siedlungen auf Mineralböden typisch sind.Die bisherigen Funde werden allesamt der jüngstenLinienbandkeramik, am Übergang zur Stichband-keramik zugeordnet, d.h. in das späte 50. Jh. v. Chr.(s.o.). Die Funde aus Eythra jedoch zeigen, daß dieseDatierung entweder nicht zutrifft oder aber von einerlängeren Laufzeit ausgegangen werden muß.

Bei der Feingrabung im Brunneninneren wurdenfünf Schöpfgefäße aus organischem Material ge -borgen, die auf zwei verschiedene Arten hergestelltwurden. Vier bestehen aus langen, einmal quer inder Mitte ge falteten Rindenstreifen. Während dieFaltkante den Boden bildet, sind sie an den zweisenkrechten Kanten mit Schnüren, vermutlich ausBast, vernäht. Die Öffnung wurde durch eineninnen angenähten Zweig bzw. durch ein Holzbandringförmig ausgesteift. Den Henkel bildete ineinem Fall ein halbierter, gebogener, mit Schnur-wicklungen befestigter Ast (Abb. 7, Mitte). Einanderer Beutel, der weiter oben in der Brunnenfül-lung lag, wurde en bloc geborgen und erst jetzt her-auspräpariert (Abb. 8). Dessen Henkel be steht auseinem Schnurbündel, wie er auch an einem Fundaus dem Brunnen von Erkelenz-Kückhofen vor-kommt (mdl. Mitteilung J. Weiner). Bei der weite-ren Schnur, die am mittleren Bereich des Henkelsbefestigt ist und vom Objekt wegführt, handelt essich wahrscheinlich um das Zugseil des Schöpf-beutels. An diesem Exemplar sind schon beim

jetzigen Stand der Restaurierung einige spezielleMerkmale erkennbar. Das mindestens 25 cm hoheBastgefäß hat an seinem oberen Rand einenUmfang von etwa 60 cm. Ähnlich wie der vierteSchöpfbeutel (Abb. 7, oben Mitte) überlappt auchhier die Bastmatte an der Seitenkante des Gefäßesum etwa 2 cm und ist mit einem Schrägstich zu-sammengenäht. Unter dem Rand ist im Inneren einZweig von etwa 1 cm Durchmesser angebracht.Der zur Aussteifung des Beutels dienende Zweigwurde mit Hilfe einer Schnur befestigt, die in re -gelmäßigen Abständen durch die Bastmatte geführtwurde. Auch die einzelnen Schnüre, die dann ge -bündelt den Griff bilden, wurden um den befestig-ten Zweig geführt.

Das fünfte Gefäß weicht davon stark ab (Abb. 7,oben rechts). Hier sind die übereinanderliegendenEnden des 23 cm breiten Rindenstreifens zwischendie Hälften eines etwa 30 cm langen gespaltenenAstes geklemmt. Dessen Enden sind geschnitzt unddurch Schnurwicklungen verbunden (Abb. 9).Unbestimmt ist noch, auf welche Weise die ande-ren Kanten zusammengehalten wurden. War ledig-lich die untere Kante zusammengenäht, so entstehteine Art Trichter, der an dem seitlichen Stab gut zuhalten ist. Möglich ist jedoch auch die Rekonstruk-tion eines Schöpfgefäßes, das an zwei oder sogardrei Seiten – analog zu einem der Funde aus demzweiten linienbandkeramischen Brunnen aus Eythra– durch gespaltene Äste befestigt wurde. Allerdings

5 Die Analyse der Pollen- undMakroreste aus der Brunnen-füllung werden von M. Knip-ping und H.P. Sticka durchge-führt, die dendrologischen Un -tersuchungen erfolgen durchM. Friedrich (Institut für Bota-nik der Universität Hohen-heim). Die Bestimmung derInsektenreste einer Sediment-probe verdanken wir einerArbeitsgruppe um J. Böhmer(Inst. für Zoologie der Univer-sität Hohenheim). Die Radio-karbondaten wurden dankens-werterweise am C14-Labor desInstituts für Umweltphysik derUniversität Heidelberg von B. Kromer gemessen.

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wurden am oder in der Nähe des fünften Beutelsdavon bislang noch keine weiteren Teile gefunden.

Ein Fund fällt besonders aus dem Rahmen. Es han-delt sich um ein schmales etwa 50 cm langes und 1 cm breites Band aus organischem Material, dasjedoch nicht vollständig ist (Abb. 10). Die Rohma-terialbestimmung ist zum jetzigen Zeitpunkt nochnicht abgeschlossen, doch spricht nach Ansicht derBearbeiter einiges dafür, daß es sich auch hierbeium Bast handelt. Bemerkenswert ist die Ornamen-tierung auf diesem Stück. Es setzt sich aus gleich-seitigen, gleichschenkligen und rechtwinkligenDreiecken zusammen, aus denen ein symmetrisches

Muster zusammengestellt wurde, das sich acht malwiederholt. Das Muster beginnt mit zwei kleinengleichseitigen Dreiecken, die sich mit der Basis ander Kante des Bandes gegenüberstehen. Darauf fol-gen zwei rechtwinklige Dreiecke, deren kleineKathete zu den vorherigen Dreiecken weist undderen Hypothenuse von der Basis des Bandes zuseiner Mitte weist. Im Zentrum liegen zwei ge gen -überliegende gleichschenklige Dreiecke mit derSpitze an den Kanten. Danach wiederholen sichseitenverkehrt die vorherigen Muster. Im Sedimentwurden bei der Feingrabung noch weitere, kleinereFragmente gefunden, die wohl zum gleichen Ob -jekt gehören. Diese im Rahmen der üblichen Kera-mikverzierung besondere Ornamentik hat jedocheine deutliche Affinität mit der weiter oben be -schriebenen Verzierung der drei Keramikfragmente.Die eingebrannten Dreiecksreihen auf dem hellenHintergrund des Holzbandes sind eine Umgekeh-rung des visuellen Effekts, der sich durch die hel-len Knochenplättchen auf dem schwarzen Hinter-grund der pechverzierten Gefäße ergibt. Die Funk-tion des Stückes ist noch unklar. Möglich ist, daßdieses Stück zur Versteifung eines Beutels dienteund an seinem oberen Rand befestigt war, dochsind auch eine Vielzahl an weiteren Interpretatio-nen als Haarreif, Gürtel oder bloß als Schmuck-stück möglich.

Hervorzuheben, weil ungewöhnlich, ist auch dieHerstellungsart des verzierten Holzbandes, dasmittlerweile wegen seiner Form „die Schlange“genannt wird. Das Motiv wurde in das Band

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Abb. 9:Ein Ende des gespalte-nen und mit Schnürengebundenen Holzsta-bes, der die zwei Endeneines Rindenstreifenszusammenhält. Das Foto zeigt einDetail des fünften Beu-tels aus Brunnen 17(vgl. Abb. 7, obenrechts).

Abb. 10:Die sogenannte„Schlange“ von Eythrakurz nach deren Ent-deckung bei den Aus-grabungen der Block-bergung (untere Teilvon Brunnen 17) imHof des JapanischenPalais in Dresden.

Abb. 11:An einer Seite zusam-mengenähtes zylindri-sches Bastgefäß mitebenfalls angenähtemRundboden aus einemFlechtwerkbrunnen (Nr.20 im Tagebau Zwen-kau) der schnurkerami-schen Kultur.

eingebrannt, wobei offenbar ein strichförmigerStempel benutzt wurde. Während auf der einenSeite des Bandes die Dreiecke noch vollständigflächig ausgefüllt sind, wobei die Striche nebenein-ander ge setzt wurden, wird zur anderen Seite hindie Ausarbeitung immer nachlässiger durchgeführt,bis nur noch die Umrisse markiert sind. Über dasverwendete Gerät kann zur Zeit nur gemutmaßtwerden, uns erscheint ein zugerichteter Knochenam wahrscheinlichsten zu sein.

Ob ein kleines, etwa 10 cm langes Holzstück, des-sen spitzes Ende angebrannt ist, mit der Verzierungdes Holzbandes in Verbindung gebracht werdenkann (als „Stift“), kann erst durch Experimentegeklärt werden.

Über 20 Fragmente von Schnüren konnten alleinim Brunnen 17 identifiziert werden. Sie bestehenüberwiegend aus zwei-adrigen Strängen in S-Stel-lung. Dickere Schnüre bestehen wieder aus zweiSträngen in S-Stellung, die selbst aus zwei Strän-gen in Z-Stellung bestehen. Die dünneren Schnüreentsprechen de nen, mit denen auch die Gefäßevernäht wurden, die dicken Schnüre dienten alsHalteseile für die Schöpfgefäße.

Weitere vorgeschichtliche Brunnenim Braunkohlentagebau Zwenkauund in den angrenzenden Gebieten

Die im Titel gestellte Frage ist insoweit rhetorisch,als die in den letzten Jahren durchgeführten Aus-grabungen auf verschiedenen Trassen von Versor-gungsleitungen ebenfalls einige vorgeschichtlicheBrunnen erbrachten (Friederich/Meller/Stäuble/Tinapp 1997; Stäuble/Hiller 1998). Die mittlerwei-le vier sicheren und drei weiteren nicht eindeutigenBrunnen zeigen, daß deren konzentriertes Vor -kommen im Tagebau Zwenkau keine Sonderer-scheinung, sondern lediglich ein Resultat der Auf-deckung von großen Flächen ist6. Obwohl es beiden verhältnismäßig schmalen Grabungsflächendieser Trassen, die zwischen 12 und 30 Meterbetragen, eher vom Zu fall bestimmt ist, ob man diebislang seltene Be fundgattung Brunnen antrifft,scheint die Vielzahl der Projekte auf einem relativengen Raum gute Voraussetzungen zu schaffen.

Unwahrscheinlicher wäre, daß der Südraum Leip-zig diesbezüglich eine Sonderstellung einnimmt.

Seit dem im November 1997 abgegebenen Berichtzu den Brunnenfunden im Vorfeld des TagebausZwenkau wurden neben den drei schon erwähntenbandkeramischen noch weitere drei Brunnen ge -grabenen. Auch sie lagen, wie die meisten, bislangeng beieinander. Bei zwei der drei handelt es sichum Flechtwerkbrunnen, die nur etwa 2 m eingetieftwaren. Der dritte Brunnen ist aus einem ausgehöhl-ten Baumstamm hergestellt. Einer der Flechtwerk-brunnen konnte bislang archäologisch datiert wer-den. Es handelt sich eindeutig um einen schnurke-ramischen Brunnen, wie der Fund einer fast voll-ständigen Amphore in den unteren Schichten er -kennen läßt (Campen 1999).

Interessanterweise ist die Vielzahl und Vielfalt anFunden aus den bandkeramischen Brunnen einma-lig im Vergleich zu den zahlenmäßig überwiegen-den Brunnen aus anderen Zeiten, die in einer großenAnzahl in der Region gefunden wurden. Obwohlauch dort die Erhaltungsbedingungen zumindest inden untersten Bereichen fast immer gut war, so daßnicht nur stets die Bauweise erkannt, sondern teil-weise auch konserviert werden konnte, sind in fastkeinem der „nicht-bandkeramischen“ Brunnen Ob -jekte aus organischem Material gefunden worden.Lediglich in dem schnurkeramischen Brunnen lie-gen zwei tonnenförmige Bastgefäße von ca. 30 cmHöhe und 20 cm Durchmesser. Zumindest einesder Gefäße wurde aus zwei Stücken gearbeitet. DieWandung aus einem Stück ist mit einer doppeltenNaht zusammengehalten (Abb. 11). Der runde Bo -deneinsatz wurde außen an der Wandung vernäht.

Außer den restlichen Brunnenkästen selbst, vondenen die untersten Bereiche noch unterschiedlich

6 Im Verlauf der Grabungenan einer Gasversorgungslei-tung (JAGAL) wurde imSpätherbst 1998 nördlich vonKitzen, Ldkr. Leipziger Land,noch ein weiterer Brunnenentdeckt. Der gut erhalteneBrunnenkasten datiert vorerstaufgrund der Befunde deranliegenden Siedlung ansEnde der Bronzezeit.

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gut erhalten waren, lag ansonsten nur noch imuntersten Bereich der Verfüllung einer jungbronze-zeitlichen Brunnengrube noch ein Artefakt aus Holz.Es handelt sich wahrscheinlich um einen zerbro-chenen Holm eines ehemaligen Schaftbeiles (Stäuble/Huth 1995, 17, Abb. 7). Zwei parallele langschmaleBruchstellen am Kopf deuten auf ehemals vorhan-dene Lamellen, die etwa im rechten Winkel davonabgegangen sein müssen. Sie haben wahrscheinlicheine Stein- oder Bronzeklinge umfaßt.

Weiterhin konnten Mitte der achtziger Jahre indem Auenrandbereich einige hundert Meter nörd-lich von Eythra ein slawischer Brunnen gegrabenwerden, in dem zwei schön verzierte Schöpflöffelaus Holz lagen (Herklotz/Stuchly 1987).

Endbetrachtungen

Die Brunnen lagen nicht in der Siedlung selbst,sondern waren in einer gewissen Entfernung zu ihrangelegt. Der Grund für die Ortswahl kann unteranderem in der gemeinsamen Nutzung der Brunnendurch mehrere Hausgemeinschaften liegen, so daßeine Bindung des Brunnens an ein bestimmtes Hauseher unzweckmäßig erschien. Fast alle Brunnenliegen in Zonen, in denen der Schotterkörper durchkryoturbate Erscheinungen mit lehmig tonigenSedimenten angereichert ist. Dadurch hat sich andiesen Stellen ein feuchteres Milieu ausgebildet,was sicher am Bewuchs sichtbar war. Teilweisekam es dort auch mitten im Schotterkörper zurAus bildung von stillen Grundwassern, was währendder Ausgrabung wegen der für den Tagebau nöti-gen Grundwasserabsenkung zu beobachten war.Das war der Grund dafür, genau an diesen StellenBrunnen anzulegen. Die drei bandkeramischenBrunnen von Eythra, in deren direktem Umfeldkeine weiteren Brunnen aus anderen Epochennachzuweisen waren, zeigen, daß Brunnen auch inFlußnähe gebaut wurden. Dies unterscheidet sie,wie auch die in ähnlicher Lage angetroffenenBefunde aus Mohelnice (s.o.) deutlich von demBrunnen aus Erkelenz-Kückhofen. Der dort betrie-bene Aufwand – um zum Grundwasser zu gelan-gen, mußte man ihn sehr tief graben – war erheb-lich. Offensichtlich bestand der Bedarf, wenn auchnicht während der gesamten Bandkeramik, das

ganze Jahr über mit frischem und sauberen Wasserversorgt zu sein7. Es wird das Ziel künftiger For-schung sein, in enger Zusammenarbeit mit der phy-sischen Geographie, der Dendrochronologie undPaläobotanik herauszufinden, wann und wie langedie Brunnen gebaut und genutzt wurden und vorallem ob dieses Bedürfnis versorgungsbedingt waroder ob es ein kulturelles Bedürfnis widerspiegelt.

Anschrift der Verfasser:

Dr. Ingo CampenDr. Harald StäubleLandesamt für Archäologie mit Landesmuseum für VorgeschichteJapanisches PalaisD-01097 Dresden

Abbildungen:

Alle Fotos und Zeichnungen: Landesamt fürArchäologie.

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57

7 Auch wenn sich durch dasInternationale Symposium inErkelenz im November 1997und der daraus resultierendenPublikation (Koschick 1998)die Anzahl der Brunnenfundebemerkbar vergrößert hat, soberechtigt das trotzdem beste-hende Mißverhältnis zwischen(sicheren) Brunnenfundenund der Vielzahl von bandke-ramischen Siedlungen nichtdie Annahme, daß Brunnenregelmäßig angelegt wurden.Wenn jede Siedlung zu jederZeit mindestens einen Brun-nen stehen hatte, so müßtensogar bei der An nahme einerlangen Lebenszeit von bis zu100 Jahren (der Brunnen ausErkelenz, der mit Sicherheitbislang der stabilste ist,widerspricht dem jedoch) nundoch schon einige hundertgegraben worden sein.

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Page 31: Plattform VII VIII · land berichtet. Ein Thema, das inzwischen auch ver-stärkt bei den vorgeschichtlichen Ufer- und Moor-siedlungen diskutiert wird. Eine gründliche Rückbe-trachtung

Bodman-Schachen 1Forschungsgeschichte

Vier prähistorische Pfahlbausiedlungen Bodman-Schachen 1, Bodman-Löchle, Bodman-Weiler 1und Bodman-Weiler 2 wurden im Bereich vonBodman-Schachen bis zum Ende des 19. Jahrhun-derts entdeckt. Weiterhin gibt es zwei kleinereSiedlungsplätze in der Nähe von Ludwigshafenund bei Bodman-Blissenhalde, am südöstlichenUfer des Überlinger Sees (Abb. 1). Die Entdeckun-gen setzten im strengen Winter 1854 ein, als derRevierförster A. Ley einige prähistorische Pfahl-bauartefakte fand. In diesem Jahr war der Wasser-stand des Bodensees und der meisten anderenVoralpenseen sehr tief, und hölzerne Pfähle undArtefakte wurden im flachen Wasser sichtbar. A.Ley berichtete über seine Funde nicht vor 1866,aber seine Entdeckungen wurden bereits im zwei-ten Pfahlbaubericht von F. Keller erwähnt (Keller1858). Obwohl seriöse archäologische Studienschon mit K. Dehof im 5. Pfahlbau be richt in den1860er Jahren einsetzten (Keller 1863), beschäftig-te sich die Wissenschaft mit Bodman-Schachennicht sofort. Erste stratigrafische Untersuchungennahm 1899 K. Schumacher in Bodman-Weiler vor.Dort ist die Rede von einem Pfahlbau A (B.-Weiler)und einem Pfahlbau B (B.-Schachen).P. Weber in den 20er Jahren, H. Reinerth in den30er und R. A. Maier in den 50er Jahren beschäf-tigten sich vor allem mit Artefaktanalysen und dertypologischen Gliederung des Materials, dennsystematische Ausgrabungen fanden zu ihrer Zeitin Bodman nicht statt.

Die Pfahlbausiedlungen im Bereich Bodmans warensomit bis vor einigen Jahren kaum untersucht. Erstdie unterwasserarchäologischen Untersuchungender 70er Jahre änderten dies. Der Sammler P. Men-zel begann in den frühen 70er Jahren die verschie-denen Fundstellen taucharchäologisch zu untersu-chen. Dies war einer der Ausgangspunkte für diemoderne Unterwasserarchäologie im Bodensee, dieseit den späten 70er Jahren vom Landesdenkmal-amt Baden-Württemberg, Arbeitsstelle Hemmen -hofen, im Rahmen des Pfahlbauprojektes Boden-see-Oberschwaben getragen wird. Die vorläufigletzten interdisziplinären taucharchäologischen

Aus grabungskampagnen wurden von J. Köningervon 1982-1984 und 1986 unternommen (Köninger1996a).

Chronologische Entwicklung derSiedlungen von Bodman-Schachen 1(Köninger 1996a)

Die chronologische Situation in Bodman-Schachen 1kann anhand sedimentologischer, dendrochronolo-gischer und typologischer Daten untersucht werden(Abb. 2).

Die früheste Besiedlungsperiode (19. Jh. v. Chr.,C14-datiert) wird durch eine Kulturschicht(Schicht A) angezeigt, der Seekreideablagerungenohne die geringsten Anzeichen menschlicher Akti-vitäten vorangehen und auch wieder folgen. Diesist ein deutliches Zeichen einer Siedlungsaufgabe.Die zweite Siedlungsphase (Phase B, C) währtemehr als 40 Jahre, dendrochronologisch gesehenbesteht sie aus drei Unterphasen (B1, B2, C). DieFälldaten der Bäume, die zur Konstruktion derHäuser eingeschlagen wurden, liegen zwischen1644 und 1591 v. Chr. Die Phasen B1 und B2 fol-gen einander ohne Zwischenphase, zwischen B2und C dagegen liegt eine natürliche Seeablagerung.Die Bildung der Kulturschicht C kann im Extrem-fall bis zum Beginn der letzten Schlagphase um1500 v. Chr. angedauert haben. Diese dritte undletzte Phase deckt nur die kurze Periode zwischen1506 und 1495 v. Chr. ab und steht am Beginn dermittelbronzezeitlichen „dunklen“ Periode, einemSiedlungsunterbruch in allen Feuchtbodensiedlun-gen (15. – 12. Jh. v. Chr.). Sie ist von zentralerBedeutung für das Verständnis der Dynamik, diezum Verlassen von Seeufersiedlungen führte(Köninger 1995, 1996a, 1996b, 1997).

Topographische und geologischeAspekte der Region Bodman-Schachen 1

Die westlich an die Fundstelle Bodman-Schachen 1angrenzende Espasinger Niederung war in derNacheiszeit ein Teil des Bodensees. Geologisch ge -

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Ein CAD- und GIS-gestützter Versuch, prähistorische See spiegelschwankungen nachzuweisen

Obwohl „Pfahlbauten“ vom Ende des 5. Jt. bis zum8. Jh. v. Chr. existierten, sind Seeufersiedlungennicht durchgehend nachweisbar. Ihre Ent wicklungwar von den Faktoren Kultur, Um welt, Topographieund Klima abhängig. Anders als in den Regionensüdlich der Alpen sind im nordalpinen Raum anden meisten Seeufern Siedlungsunterbrüche zu ver-zeichnen. Besonders prägnant sind diejenigen zwi-schen dem 24. und 20. Jh. v. Chr. und dem 15. und der Mittedes 12. Jh. v. Chr.

Auch am Bodensee suchte man bald nach der Ent-deckung der ersten Pfahlbauten 1854 bei Meilenam Zürichsee nach den Überresten dieser prähisto-rischen Dörfer an und, wie man da mals glaubte, inden Seen. Die frühbronzezeitliche Uferrandsied-lung von Bodman-Schachen 1 ist spätestens seit1866 bekannt. Sie liegt am westlichen Ende desBodensees (Überlinger See). Im Westen schließtsich die große Espasinger Niederung an, im Nor-den und Westen der Ebene steigen Hügel bis auf600 m über den Meeresspiegel an.

Bodman-Schachen 1 wurde unmittelbar vor Einset-zen der zweiten Hauptbesiedlungslücke 1503 v.Chr. aufgegeben. Zwei andere frühbronzezeitliche

Siedlungen, Zürich Mozartstraße am Zürichsee undArbon Bleiche 2 auf der Schweizer Uferseite desBodensees (Kanton Thurgau) entwickelten sichähnlich, auch sie wurden im letzten Jahrzehnt des16. Jh. v. Chr. verlassen.

Jüngste interdisziplinäre Studien zeigen, daß dermögliche Grund für das Verlassen der seenah gele-genen, frühbronzezeitlichen Siedlung von Bod-man-Schachen 1 am Beginn des 15. Jh. v. Chr. eindurch klimatische Veränderungen hervorgerufenerSeespiegelanstieg war. Sedimentologische Unter-suchungen erlauben es, die durch Überschwem-mungen bedingten Veränderungen der bronzezeitli-chen Landschaft mit Hilfe von CAD- und GIS-gestützten Computersimulationen nachzuvollzie-hen. Bodman-Schachen 1 und seine Umgebungsind damit ein gutes Fallbeispiel für durchUmweltfaktoren erzwungenen kulturellen Wandel.

Die Tragfähigkeit der auf den Simulationen beru-henden Theorien soll im Anschluß überprüft wer-den. Auch die möglichen Konsequenzen diesesSeespiegelanstieges werden diskutiert. Das Haupt-ziel dabei ist, herauszufinden, wohin die Bevölke-rung ausgewichen ist. Verließen sie das Seeufervollständig, oder zogen sie sich einfach, je nachSeespiegelstand, ins Hinterland zurück, um anheute weit vom Ufer entfernten Stellen zu siedeln?

Die Aufgabe der frühbronzezeitlichen Uferrandsiedlung von Bodman-SchachenFrancesco Menotti,

dt. Bearbeitung Peter Walter

58

6 0 6 1 2 k m

N

S

EW

CH

A

D

Bodman-Schachen 1

Die Alpenregion

D

A

100 km

I

F

CH

Bodensee

Abb. 1: Überlinger See und die Region vonBodman-Schachen.

Abb. 2: Besiedlungsabfolge inBodman-Schachen 1(Köninger 1996a, 59).

1: Besiedlung: Erste Phase (19. Jh. v. Chr.).

2-3: Siedlungsaufgabe.4-5: Besiedlung:

Zweite Phase(17./16. Jh. v. Chr.).

6: Erneute Aufgabeder Siedlung.

7: Besiedlung: Dritte Phase(16./15. Jh. v. Chr.).

8: Endgültige Auf -gabe der Siedlung.

8

7

6

5

4

3

2

1

Page 32: Plattform VII VIII · land berichtet. Ein Thema, das inzwischen auch ver-stärkt bei den vorgeschichtlichen Ufer- und Moor-siedlungen diskutiert wird. Eine gründliche Rückbe-trachtung

merkt M. Joos an, daß klimatische Faktoren nichtdie einzigen Gründe für Seespiegelschwankungensind (Joos 1982). Die Nutzung des Landes durchden Menschen, anthropogene Faktoren also, dieEntwaldung, das Abholzen weiter Gebiete, könnensehr leicht das hydrologische Gleichgewicht vonSeen und Flüssen verändern. Tatsächlich ist zuneh-mende Entwaldung in Verbindung mit landwirt-schaftlichen Aktivitäten hauptsächlich dafür ver-antwortlich zu machen, daß die Aufnahmefähigkeitdes Erdreichs für Wasser und Feuchtigkeit ab -nimmt und in der Folge die Niederschläge die Seenund Flüsse schneller erreichen und dadurch einenAnstieg des Niveaus bewirken (Gross/Ritzmann1990). Da der Bodenseeraum ein dem Zürichseeähnliches Klima und auch eine vergleichbare Sied-lungsdichte aufweist, ist es sehr wahrscheinlich,daß das Gebiet um Bodman ähnlichen Gesetz-mäßigkeiten wie die Zürichseeregion unterworfenwar. Dies wird durch Pollen- und Sedimentanalysenbestätigt, die eine intensive Entwaldung in Kombina-tion mit dem Anbau domestizierter Pflanzen rund umdie Espasinger Ebene während der frühen Bronzezeitbelegen (Rösch 1990). Die dendrochronologischenSequenzen weisen bemerkenswerte Ähnlichkeitenzwischen den frühbronzezeitlichen Seeufersiedlun-gen von Bodman-Schachen 1 am Bodensee undZürich-Mozartstraße am Zürichsee auf, die beide um1500 v. Chr. verlassen wurden. In Zürich folgte nach1503 v. Chr. ein signifikanter Anstieg des Seespie-gels (Abb. 4). Zur Frage, ob das Niveau des Boden-sees bei Bodman-Schachen 1 im gleichen Maßeanstieg, gibt es derzeit keine Untersuchungen.Ersatzweise können mit Computersimulationen dieAuswirkungen des ansteigenden Wassers auf dieLandschaft graphisch dargestellt werden.

Die folgenden vier Karten (Abb. 5 – 8) beruhen aufden aktuellen Höhenlinien, die mit Hilfe von AUTO -CAD digitalisiert und in GIS ARCH.VIEW expor-tiert wurden. Da die heutigen Höhenlinien auf-grund der alluvialen Ablagerungsprozesse nichtdenjenigen der Frühbronzezeit entsprechen können,sind die frühbronzezeitlichen Höhenlinien niedri-ger anzusetzen. Mögliche Überschwemmungsbe-reiche sind grau gerastert. Das Seespiegelniveauwährend der frühen Bronzezeit (392 m ü. NN) istauf Abb. 5 zu sehen. Die Schachener Halbinselverschwindet bei einem Anstieg des Seespiegels

Abb. 5:Situation in der Espasinger Ebene bei einem Seespiegel von392 m ü. NN. Punkt: Bodman-Schachen 1.

Abb. 6:Situation in der Espasinger Ebene bei einem Seespiegel von395,5 m ü. NN. Weißer Punkt: Bodman-Schachen 1.

Abb. 7:Situation in der Espasinger Ebene bei einem Seespiegel von397,5 m ü. NN.

Abb. 8:Situation in der Espasinger Ebene bei einem Seespiegel von 400 m ü. NN.

61

sehen besteht sie, unter einigen fluvialen und kollu-vialen Ablagerungen, aus einer Reihe von Kalk -schichten, die sich hier durch die schmelzendenGletscher ablagerten (Göttlich 1971).

Das sehr flache Gebiet wird ist von den StockacherHügeln im Norden, von den Homburger Hügeln imWesten und dem Bodanrück im Süden umgeben.

Die generelle morphologische Situation des oben beschriebenen Gebietes kann durch ein GIS-IDRISI-Raster-Bild, das auf einer CAD-digitali-sierten, umgearbeiteten topographischen Karteberuht, besser dargestellt werden (Abb. 3).

Die Ebene wird durch zwei Flüsse geteilt, durchdie Stockacher Aach im Westen und den vom Bo -danrück kommenden Dettelbach, der im Bereichdes „Großen Ried“ in die Stockacher Aach ein-mündet, deren derzeitiges Delta am Aachhornliegt, einer aus fluvialen Sedimenten der Aachbestehenden Halbinsel. Das prähistorische Deltalag 700 m nördlich davon, in der Nähe einer ande-ren kleinen Halbinsel, dem Schachenhorn (Erb/Haus/Rutte 1961).

Die Espasinger Ebene veränderte während der letzten Jahrtausende ihr Aussehen mehrfach. DasBecken des „Großen Ried“ wurde mit alluvialenund kolluvialen Sedimenten aufgefüllt. Die Boden-güte ist im Zentrum der Ebene von mittlerer Qua-lität, um sich zu ihren Rändern hin zu verbessern.Zwei Ausleger der Ebene entstanden durch Schmelz -wasser des Rheingletschers während der letzten Eis-zeit, vor 18.000 Jahren. Einer verläuft in nördlicher

Richtung, dem Stockacher Aach-Einschnitt fol-gend, und verbindet die Espasinger Ebene mit demDonautal. Der andere erstreckt sich nach Süden inden Hegau bis kurz vor Singen (Schlichtherle1985).

Die frühbronzezeitliche Siedlung von Bodman-Schachen 1 liegt auf dem Schachen-Horn, einerkleinen Halbinsel, die durch fluviale Akkumulationvon Sedimenten gebildet wird. Die noch erhaltenenHolzpfähle liegen im Flachwasser ungefähr 120 mbis 160 m von der derzeitigen Uferlinie entfernt.Die absolute Meereshöhe dieser Flachwasserzoneliegt bei 395,5 m ü. NN. Sie erstreckt sich bis hin-unter auf die Höhenlinie 392. Da die prähistorischeSiedlung auf 393 m ü. NN liegt, ist sie derzeit ganz -jährig von Wasser bedeckt.

Klimatische Änderungen und Seespiegelschwankungen: GIS-Simulationen

Paläoklimatische Studien, die vor allem auf den-drochronologischen (Bortenschlager 1977; Furrer1977; Renner 1982), auf pollenanalytischen (Burga1979, 1987, 1988, 1991) und sedimentologischenUntersuchungen (Joos 1976, 1982, 1991; Magny1980, 1992) beruhen, zeigen, daß zunehmendeFeuchtigkeit und Niederschläge im Einzugs gebieteines Sees direkt durch die Seespiegelständereflektiert werden. Vor allem diese Seetransgres-sionen werden für das Verlassen der frühbronze-zeitlichen Seeufersiedlungen des Bodenseegebietesund die Aufsiedlung des Hinterlandes am Ende des16. Jh. v. Chr. verantwortlich gemacht.

M. Gamper, J. Suter und S. Jacomet (Gamper/Suter1982; Jacomet 1985) untersuchten die Situation inder Zürichseeregion und konnten nachweisen, daßder Seespiegel des Zürichsees von 2.500 v. Chr. anbis heute großen Schwankungsbereichen unterwor-fen war (Abb. 4).

Diese Wasserstandsvariationen werden mit Klima-schwankungen in Verbindung gebracht. GegenEnde des 16. Jh. v. Chr. nahmen Niederschläge zuund die Seespiegel begannen zu steigen. Allerdings

60

Abb. 3:Die geomorpho logischeStruktur der Region umBodman-Schachen.1: Bodensee2–5: Espasinger Ebeneab 6: Hügelzone

Abb. 4:Seespiegelschwankun-gen im Zürichsee (nachGross/Ritzmann 1990,168) mit Nachtragun-gen des Ver fassers.

Seespiegel

niedr.v. Chr.- 750

- 1000

-1250

-1500

-1750

-2000

-2250

hoch

auf das heutige Niveau (395,5 m ü.NN) fast voll-ständig (Abb. 6). Wenn das Wasser erst einmal dasflache Land erreicht hat, reicht ein geringer Was-seranstieg aus, um ein gutes Viertel der gesamtenEspasinger Ebene zu überfluten (Abb. 7). Nach H. Schlichtherle (Schlichtherle 1995) stieg der See-spiegel nie höher als 400 m ü. NN. Bei diesem

12345

6

6

Page 33: Plattform VII VIII · land berichtet. Ein Thema, das inzwischen auch ver-stärkt bei den vorgeschichtlichen Ufer- und Moor-siedlungen diskutiert wird. Eine gründliche Rückbe-trachtung

die Ufer verlassen wurden, um im Hinterland zusiedeln. Die wichtigsten sind die FundstellenHünenberg-Chämleten, Luzernstraße (Abb. 9, 1),Cham-Eich, Zugerstraße (Abb. 9, 2), Steinhausen,Schloßberg (Abb. 9, 3), Steinhausen-Eschenmat(Abb. 9, 4), Baar, Altersheim Martinspark (Abb. 9,5) und Cham-Oberwil, Hinterbüel (Abb. 9, 6).

Während des Zeitraumes zwischen dem 15. und12. Jh. v. Chr., der bisher kaum Siedlungsbelegeerbrachte, waren die Dorfanlagen von Cham-Eich,Zugerstraße, Cham-Oberwil, Hinterbüel und Stein-hausen, Schlossberg besiedelt. Sie weisen interes-sante Dorfpläne auf und waren teilweise noch im12. Jh. v. Chr. belegt, kurz bevor die Ufer der nor-dalpinen Seen erneut besiedelt wurden (Hochuli1995; Gnepf 1995).

Zusammenfassung

Bodman-Schachen 1 nimmt eine zentrale Stellungin der Erforschung frühbronzezeitlicher Seeufer-siedlungen ein. Die letzte Besiedlung setzt am Endedes 16. Jh. v. Chr. kurz vor dem mittelbronzezeitli-chen Seeufersiedlungsunterbruch ein. Dieser Zeit-abschnitt ist besonders wichtig für das Verständnismöglicher Faktoren, die die Bevölkerung gezwun-gen haben könnten, den Siedlungsraum Seeuferzugunsten von Landsiedlungen aufzugeben. Inter-disziplinäre Untersuchungen zeigen, daß vor allemUmwelteinflüsse, insbesondere Klimaveränderun-gen das Siedelverhalten am Ende der Frühbronze-zeit stark beeinflusst haben. Ein kühleres Gesamt-klima und vor allem erhöhte Niederschläge verur-sachten einen Anstieg des Seespiegels.

Obwohl das genaue Ausmaß der Seetransgressionwährend der mittleren Bronzezeit nicht bekannt ist,kann die Auswirkung des steigenden Wassers mitHilfe von GIS ARCH.VIEW simuliert werden.

In der sehr flachen Espasinger Ebene war einAnstieg von wenigen Metern ausreichend, umgroße Teile dieser Ebene rund um die Siedlungs-stelle Bodman-Schachen zu überfluten und unbe-wohnbar zu machen. Parallel dazu ist eine zuneh-mende Zahl mittelbronzezeitlicher Landsiedlungen

im Bereich des Bodensees, aber auch des Zürich-sees und des Zugersees zu verzeichnen.

Da die mittelbronzezeitlichen Dörfer auf Mineral-böden liegen, erhält sich hier organisches Materialund Holz selten. Somit kennen wir die Strukturenund das genaue Aus sehen dieser Dörfer nicht undkönnen auch wenig darüber sagen, ob sie den Ufer-siedlungen glichen. Jedoch ist es sehr wahr schein -lich, daß einige dieser Siedlungen durch diejenigenMenschen errichtet wurden, die zuvor an den Uferngelebt hatten. Ein „Exodus“ zu Beginn des 15. Jh.v. Chr. fand also aller Wahrscheinlichkeit nachnicht statt. Einige wichen ins trockene Hinterlandaus und andere zogen sich mit ihren Siedlungen jenach Wasserstand entlang der sich veränderndenUferlinie zurück, um die noch geeigneten Stellenan den Seen zu besiedeln.

Danksagung

Ich möchte mich herzlich für vielfältige und wertvolle Unterstützung bei folgenden Kollegenbedanken:

Dr. Andrew Sherratt, Ashmolean Museum Oxford(GB), Dr. Helmut Schlichtherle, Landesdenkmal-amt Baden-Württemberg (D), Dr. Joachim Könin-ger, Archäologische Dienstleistungen Freiburg (D),Dr. Gunter Schöbel, Peter Walter M. A., Pfahlbau-museum Unteruhldingen (D), Dr. Urs Leuzinger,Amt für Archäologie Kanton Thurgau (CH), ErwinRigert, Amt für Archäologie Kanton Thurgau (CH),Andre Tschan, St. Cross College Oxford (GB),Tyler Bell, Queen’s College Oxford (GB).

63

Wasserstand wäre die gesamte Ebene mit Wasserbedeckt (Abb. 8). Da während der frühen Bronze-zeit die Ebene um einiges tiefer als heute lag, kannangenommen werden, daß bei einem Anstieg desSeespiegels um 3 – 4 m, ausgehend vom frühbron-zezeitlichen Niveau 392 m ü. NN, die gesamteEbene überschwemmt wurde.

Der Weg führt ins Hinterland: Mittelbronzezeitliche Siedlungenrund um den Bodensee und denZürichsee

Die Verbreitungskarten zeigen in der gesamtennordalpinen Seen-Region für die mittlere Bronze-zeit (15. – 12. Jh. v. Chr.) kaum Uferrandsiedlun-gen. Eine plötzliche Auswanderung der gesamtenBevölkerung aus dem Seengebiet fand aber sichernicht statt. Mittelbronzezeitliche Landsiedlungen inden Mineralbodenbereichen sind im nordalpinenGebiet schon lange bekannt. Die Entdeckung eini-ger mittelbronzezeitlicher Siedlungen in unmittel-barer Nähe zu den Seen hat in jüngster Zeit dieDiskussion darüber angestoßen, ob diese Siedlun-gen als Pfahlbausiedlungen betrachtet werden kön-nen, oder wenigstens als Siedlungen, die die See-ufersiedlungen ablösten (zuletzt Hopert/Schlicht-herle/Schöbel/Spatz/Walter 1998). Schließlich gibtes auch noch die Möglichkeit, daß beide Siedlungs-formen gleichzeitig nebeneinander bestanden, mitKonsequenzen für deren funktio nale Deutung. Ausder Ethnologie kennen wir z. B. Sommersiedlun-gen in Pfahlbauten und Wintersiedlungen in Block-bauten an Land (siehe Beitrag Feist S. 6 ff.).

Auch in der Nähe von Bodman-Schachen gibt es inder Flur „Breite“ eine mittelbronzezeitliche Sied-lungsstelle auf einer Höhe von 403,7 – 404,7 m ü. NN,etwa 400 m vom heutigen Bodenseeufer entfernt.Holzkohlestücke aus der Fundschicht in der „Brei-te“ konnten C14-datiert werden (1735-1435 v. Chr.[2σ], kalibriert), hölzerne Strukturen hatten sichnicht erhalten. Eine erste typologische Analyse deskeramischen Materials deutet auf eine Datierungder Siedlung in die volle Mittelbronzezeit hin(Schlichtherle 1994). Weitere mittelbronzezeitlicheSiedlungen liegen etwa 4 km südöstlich auf dem

„Hals“ (572,3 m ü. NN) und 2 km südöstlich aufder „Bodenburg“ (651,4 m ü. NN) (zuletzt Hopert/Schlichtherle/Schöbel/Spatz/Walter1998). Weiterim Hinterland gibt es andere wich tige, typologischdatierte mittelbronzezeitliche Siedlungen bei Hilz-ingen, Mühlhausen-Ehingen in der Nähe Singens(Dieckmann 1989, 1991; Aufdermauer/Dieckmann1995) und auf „Altheiligenberg“ bei Heiligenberg(siehe Beitrag G. Schöbel S. 127).

Auch bei Kreuzlingen und Tägerwilen, KantonThurgau, Schweiz, wurden anlässlich von Son -dagegrabungen im Vorfeld der dort geplantenAutobahn N7 einige mittelbronzezeitliche Sied-lungsstellen, allerdings wiederum ohne Holzerhal-tung, angeschnitten (Kreuzlingen Wildenwis/Sau-bach-West und Kreuzlingen-Schlossbühl). Daskeramische Spektrum der drei Fundstellen weichtvon dem der Seeufersiedlungen typologisch ab.Die Fundstellen liegen 2–3 km vom Bodensee ent-fernt auf einer Höhe von 520 m ü. NN. Tägerwilen-Hochstross ist eine frühbronzezeitliche Siedlung,die im unteren Teil des Tales liegt (408 m ü. NN).Tägerwilen-Müller-Thurgaustrasse (413 m ü. NN)liegt schon im ansteigenden Gelände. Diese Fund-stelle ist vermutlich bronzezeitlich. Tägerwilen-Im Ribi (422 m ü. NN) und Tägerwilen-Spulacker-strasse (418 m ü. NN) liegen auf einer flachenGeländeterrasse zwischen Kreuzlingen und Täger-wilen im oberen Teil des Moränenrückens. Siedatieren in die späte Bronzezeit (Rigert 1998).Festzuhalten bliebt also die Tendenz einer Bewe-gung vom See ins Hinterland während der frühenBronzezeit bis in die späte Bronzezeit hinein.

Eine ähnliche Situation findet sich am Zürichsee, woeine ganze Anzahl mittelbronzezeitlicher Siedlungenin den Hügeln um Meilen und um Zürich herumgefunden wurde. Diese Dörfer werden als Fortset-zungen von schon existierenden frühbronzezeitlichenLandsiedlungen betrachtet, mit Ausnahme Erlen-bachs, das offensichtlich Pfahlbautraditionen fort-führt. Weitere Studien werden zeigen müssen, obdieses Szenario die wahren Verhältnisse wiedergibt.

Am Zugersee, ca. 15 km südlich des Zürichsees,deutet die große Zahl mittelbronzezeitlicher Sied-lungsstellen im direkten Umfeld des Sees daraufhin, dass auch hier während der mittleren Bronzezeit

62

Zuger See

1 •

2 •

3 • 4 • 5 •

6 •

0,7 0 0,7 1,4 km

N

S

EW

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65

Anschrift des Verfassers:

Francesco MenottiOxford UniversityInstitute of Archaeology36 Beaumont StreetOxfordOX1 2PGGroßbritannien

Abbildungen:

Abb. 1, 3, 5–9: F. Menotti

Abb. 2: nach Köninger 1996a, 59.,

Abb. 4: nach Gross/Ritzmann 1990, 168, mit Nachtr.

des Verfassers

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Nicht jede Untersuchung des Seebodens im Be -reich prähistorischer Pfahlbausiedlungen beinhaltetarchäologische Aspekte. Die Kartierung der Ufer-zone zwischen Unteruhldingen und Seefelden(siehe Abb. 2) wurde unter der Maßgabe durchge-führt, den menschlichen Einfluß auf Erosions- undVerlandungsprozesse aufzuzeigen. Eingriffe in dasStrömungsregime der Flachwasserzone erfolgtendurch die Regulierung des Unterlaufs und derMündung der Seefelder Aach, durch Baggerungenim Naturschutzgebiet „Seefelder Aach-Mündung“sowie durch massive Uferverbauungen im Bereichvon Seefelden und Unteruhldingen. Auch die jüng-ste Errichtung von Schilfschutzzäunen nördlichund südlich der Zu flußmündung blieb nicht ohneAuswirkungen auf die Umlagerungsprozesse imUferbereich. Das Strömungsregime in der Flach-wasserzone erfuhr durch die aufgezählten mensch-lichen Eingriffe Veränderungen, die sich im Ver-teilungsprozeß der Ufersubstrate manifestierten.

Das Archiv des Seebodens wurde zur Beschrei-bung der Abtragungs-, Transport- und Ablage-rungsprozesse herangezogen. In vier Teilprojektenwurden 76 Sedimentkurzkerne aus dem ufernahenBereich der Flachwasserzone entnommen. DieKerne wurden im Labor des Institutes für Seenfor-schung in Langenargen geöffnet, beschrieben und fotografiert. Im Anschluß daran erfolgte dieProbennahme zur Sedimentanalytik. Insgesamt

Sedimentologische Kartierung des Uferbereichszwischen Unteruhldingen und Seefelden*Marcus Schulz

66

wurden aus den 76 Sedimentkernen 270 Probenentnommen, die einer Korngrößensiebanalyse nachDIN-Norm unterzogen wurden. Zusätzlich wurdenOberflächenkartierungen der nicht überflutetenStrandbereiche nach den Kriterien der Sediment-korngröße und der Pflanzenbedeckung vorgenom-men, um die Tiefenkartierung räumlich und inhalt-lich zu ergänzen.

Auf der Basis der Oberflächenkartierung erfolgtedie Einteilung in 1. Sandige Buchtsedimente. 2. Sandige Deltaablagerungen.3. Fein- bis grobkiesige Sturmablagerungen

aus der Brandungszone.4. Pflaster aus Grobkies und Blockwerk, welche

intensive Auswaschung anzeigen.

Der letztgenannte Sedimenttyp wurde häufig vorden Ufermauern von Seefelden und Unteruhldin-gen, aber auch in der südlichen Bucht des Pfahl-baumuseums gefunden. Kiesige Sturmablagerun-gen sind feinkörnigen Sedimenten häufig vorgela-gert. Sie markieren exponierte Bereiche wie bei-spielsweise eine Landzunge 200 Meter nördlichdes Pfahlbaumuseums. Naturgemäß liegen Delta -ablagerungen im Mündungsbereich der SeefelderAach vor. Anhand der Oberflächenkartierungkonnte nachgewiesen werden, daß massive Ufer-verbauungen der Ansiedlung höherer Pflanzen imStrandbereich hinderlich sind. Der Schilfschutz -zaun hat nicht nur positive Auswirkungen: Er stelltfür hochmobile Kiesbänke kein Hindernis dar undbewirkt die Bildung von Schwemmtorf an seinerseewärtigen Seite.

Die Beschreibung der Sedimentkerne bestätigteund erweiterte die Typisierung der Sedimente ge-mäß der Oberflächenkartierung. Ein Sedimentpro-fil senkrecht zur Uferlinie aus der nördlichen Buchtdes Pfahlbaumuseums liegt in Abbildung 3 vor.

Siltige Sedimente sind kennzeichnend für Arealemit geringen laminaren Strömungen. Die feinkörni-gen Ablagerungen besitzen häufig eine rhythmi-sche Schichtung, die auf sich zyklisch änderndeSedimentationsbedingungen hinweist. Die Still-

67

PP

SeestraßeSeestraße

Yachthafen

Unteruhldingen

Fischereihafen

Bad

Strandpromenade

Pfahlbauten

Pfahlbauten

NaturschutzgebietSeefelder Aach-Mündung

Grieß

Seefelder Aach

Seeplätz

Campingplatz Maurach

Seefelden

Bodensee

N

Abb. 1: Die Entnahme der Sedi-mentkerne findet oft-mals unter kalten Witte-rungsbedingungen statt.

wasserfazies findet sich im seewärtigen Abschnittdes Naturschutzgebietes, im inneren Bereich derPfahlbautenbucht und in älteren Schichten südlichdes Yachthafens von Unteruhldingen. Im letztge-nannten Uferabschnitt bestehen seekreideähnlicheAblagerungen vor, die aus prähistorischer Zeitstammen. Sie werden von rezenten sandigen biskiesigen Schichten mit erosiver Grenze überlagert.

Sandige Sedimente dominieren im seewärtigen Uferbereich westlich von Seefelden. Sie sind über-wiegend sehr homogen. Ihre gute Sortierungbasiert auf kontinuierlicher mäßig starker Wellen-bewegung. Die Sande vor der Seefelder Aach-Mündung sind hingegen typische Deltaablagerun-gen. Sie kommen zusammen mit teilweise lami-nierten, siltigen Sedimenten vor.

Die Unterscheidung der Kiese in Sturmablagerungenund Auswaschungsrelikte ist allein anhand der se -dimentologischen Beschreibung nur schwer zu voll -ziehen. Eine Gradierung nach der Korngröße giltals typisches Merkmal für eine Sturmablagerung.

Letztendlich mußten jedoch die Ergebnisse derKorngrößenanalysen herangezogen werden, um dieVermutung zu bestätigen, daß die grobkörnigenSedimente aus dem Bereich der Landzunge nörd-lich des Pfahlbaumuseums Sturmablagerungen dar-stellen. In ihren Korngrößenspektren erscheintneben dem Maximum im Kiesbereich eine Korn-größenpopulation im Mittelsandbereich. Sie wurdeim Gegensatz zu den kiesigen Bestandteilenwährend des Sturmereignisses in Schwebe trans-portiert und bildete mit ihnen bei der Depositioneine Mélange. Den kiesigen Residualen fehlt hin-gegen aufgrund langfristiger Auswaschung diebegleitende Sandpopulation. Sie kommen vor denUfermauern von Seefelden und Unteruhldingensowie im mittleren Abschnitt des Naturschutzge-bietes vor.

Rasterelektronenmikroskopaufnahmen belegen,daß tonig-feinsiltige Partikel überwiegend autoch-thonen Ursprungs sind (siehe Abb. 4). Insbeson-ders die prähistorischen Ablagerungen aus demUferbereich südlich des Yachthafens von Unteruhl-

Abb. 2: Topographische Karte des Unter suchungsgebietes.

dingen weisen Korngrößenspektren auf, die charak -teristisch für ein autochthon geprägtes Areal sind.

Grobsiltige Bestandteile stammen mutmaßlich ausder Seefelder Aach. Sie können mehrmals zwi-schendeponiert, resuspendiert und weitertranspor-tiert worden sein.

Mittel- bis grobsandige Sedimente liegen in expo-nierteren Bereichen als fein- bis mittelsandige Ab -lagerungen vor. Diese Unterscheidung half, dasStrömungsbild von einem kleinräumig sehr hetero-genen Uferabschnitt am Nordufer des ÜberlingerSees zu vervollständigen.

* Diese Untersuchung wurdeunterstützt durch die Gemein-de Uhldingen-Mühlhofen, dasPfahlbaumuseum Unteruhl-dingen, das Seenforschungs-institut Langenargen und dieGewässerschutzdirektionRavensburg.

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Die Ergebnisse münden in eine räumliche Darstel-lung von Erosion und Verlandung (siehe Abb. 5).Von Erosion sind die ufernahen Bereiche vor denMauern von Unteruhldingen und Seefelden betrof-fen. Dazu gehört auch der südliche Teil der Pfahl-bautenbucht. Die Auswaschung wird durch die anden Uferbefestigungen stattfindende Wellenreflek-tion begünstigt. Insbesonders südlich des Yacht -hafens von Unteruhldingen ist die intensive Abtra-gung unerwünscht. Dort werden prähistorischeSiedlungsreste allmählich freigelegt (Schöbel 1999).

Die ausgewaschenen Bestandteile lagern sich ingrößerer Entfernung zum Ufer wieder ab und bildenvereinzelt, wie westlich von Seefelden, große Sand-bänke. Auch der mittlere und der nördliche Teil desPfahlbaumuseums sind von starker Verlandung be -droht. Die ungünstige Buchtsituation wird durch denKieswall im südlichen Naturschutzgebiet verstärkt.

In den kommenden Jahrzehnten können Gegen-maßnahmen zu den bedrohlich erscheinenden Entwicklungen notwendig werden. Dabei ist eswünschenswert, daß die Sanierungsarbeiten vonRe naturierungsmaßnahmen begleitet werden.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Marcus SchulzAlbert-Köhler-Str. 10D-29221 Celle

Abbildungen:

Abb. 1, 4: Frau Burkhardt, Seen forschungsinstitut Langenargen.

Abb. 2, 3, 5: M. Schulz.

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69

397.0

396.5

396.0

395.5

395.0

394.5

394.0

393.5

393.0

392.5

Höhe [m

]

0

10

20

30

40

50

60

70

80

Kernlänge [cm

]

W E

Abb. 3: Tiefenprofil senkrechtzur Uferlinie aus dernördlichen Bucht desPfahlbaumuseums. Diekiesige Deckschicht imöstlichsten Kern stelltein Auswaschungsreliktdar.

Schwemmtorf

siltig, homogen

siltig, laminiert

siltig bis feinsandig

überw. feinsandig

überw. mittelsandig

überw. grobsandigbis feinkiesig

überw. mittel- bisgrobkiesig

Gradierung nach derKorngröße

erosive Schichtgrenze

vereinzelt Pflanzenreste

häufigPflanzenreste

vereinzeltSchalenreste

häufigSchalenbruchstücke

Schillage

Linsen

Flasern/Flaser-schichtung

Flecken

gut sortiert

mäßig sortiert

schlecht sortiert

5288600

5288400

5288200

5288000

5287800

5287600

5287400

5287200

5287000

Seefelden

Campingplatz Maurach

Seefelder Aach Mündung

Naturschutzgebiet

Pfahlbaumuseum

Strandbad

Fischereihafen

YachthafenUnteruhldingen

1.0 Verlandung

0.5

0.0

-0.5

-1.0 Erosion

3517000.03517200

Bod

ense

e

Abb. 5: Räumliche Verteilungvon Verlandung (+1)und von Erosion (-1) imgesamten Kartier gebiet.

Abb. 4: Rasterelektronenauf-nahme eines Sedi -mentes aus der Flach-wasserzone. Zu sehensind autochthone Calcitkristalle und eine Kieselalge (Foto: M. Schulz, SeenforschungsinstitutLangenargen).

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Am 26. Juli 1996 wurde das „Hornstaadhaus“ imFreilichtmuseum in Unteruhldingen fertiggestellt1.Drei Jahre später, nach drei Wintern, mehrerenkräftigen Herbststürmen, einer zeitweiligen experi-mentellen Nutzung und dem Jahrhunderthochwas-ser 1999, ist eine wirklichkeitsnahe Belastungerfolgt und deutlich am Haus zu bemerken. Interes-sant sind für die archäologische Wissenschaft dieDokumenta tion der Veränderung innen und imaußen, und für die Wissenschaft und das Publikumgleichermaßen, die Erfahrungswerte der Bewoh-nung durch einen Museumsmitarbeiter (Abb. 1).

Bereits wenige Monate nach der Errichtung desHauses konnten die ersten Veränderungen in derKonstruktion bemerkt werden. Setzungserschei-nungen an der Firstwand unterhalb der Wandpfette(Abb. 2) und eine leichte Absenkung eines seewär-tigen Pfahles ohne Pfahlschuh waren zu bemerken.Schon im November 1996 waren Bindungen ausdem verwendeten Hanf-Leinenseil in der nördli-chen Traufecke verrottet. Auch der Vorplatz wiesbereits nach kurzer Zeit, bedingt durch seine expo-nierte Lage, mürbe Seile auf, die durch Weidenru-ten und Lindenbast gesichert wurden (Abb. 3, 4).

Das „Hornstaadhaus“ im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen. Feldversuch und Bewohnung.Ein Zwischenbericht.Mathias Krauß, Gunter Schöbel, Peter Walter

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Wichtig war nach einem Jahr die Ausbesserung derLehmwände durch den Auftrag neuen Hüttenlehms.Als anfällig hatten sich die dem Wetter besondersausgesetzten West- und Nordwestwände erwiesen.Schlagregen und die übrigen Witterungseinflüsseführten hier zu Schäden in den Lehmausfachungender Wände, teilweise zu größeren Löchern (Abb. 5).

Abb. 2 (links):Setzungs- und Schwun-derscheinungen an derFirstwand, Frühjahr1997.

Abb. 3 (rechts):Zusätzliche Befestigungdes Vorplatzes durchWeidenruten.

71

Abb. 1:Das bewohnte „Horn-staadhaus“, Sommer1997.

Abb. 4:Zusätzliche Fixierungdes Bodenbelages des Vorplatzes durch Lindenbast.

Abb. 5:Die Verwitterung dernördlichen Längswandgibt sich durch Löcherund durch an Innen-und Außenseite herab-geflossenen Lehm zuerkennen.

1 Schöbel 1997, 96.

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Durch den Auftrag einer weißen Kalkfarbe, diearchäologisch inzwischen mehrfach belegt ist,konnten die erosiven Prozesse stark gebremst wer-den. Der erste Anstrich erfolgte noch vor demWohn-Experiment 1997. Am 5. Mai 1999 (Abb. 6)wurde die nordwestliche Wetterseite des „Horn-staadhauses“ erneut überstrichen und ausgebessert.

Heruntergefallene Lehmbrocken, manchmal mit denAbdrücken der Ruten und Stangenhölzer, konntenunter dem Haus festgestellt werden (Abb. 7). Lehm -auswaschungen erzeugten auf dem abgehobenenFußboden, aber auch an dessen Unterseite im Was-ser kurzlebige Lehmablagerungen. Inwieweit dieAusbildung von Lehmlinsen auch unterhalb abge-hobener Pfahlbauten, wie archäologisch oft zubeobachten, auf solche Auswaschungen zurückzu-führen sind, muß die weitere Beobachtung zeigen.Oberflächlich zumindest bestimmt auch im Winter1999/2000 nach Trockenfallen der Strandplatteeine sandige Matrix die Ablagerungen im Bereichdes Hausgrundrisses. Schnegglisandspülsäume,Detrituswälle von bis zu 50 cm Durchmesser undangespülte, eingeregelte Hölzer und Hölzchenbeherrschten – wie schon 1998 – den Befund.2

Deutlich sind damit Unterschiede in der Sommer-und Wintersedimentation, im Wasser und an Land,denen vor allem im Hinblick auf die Pfahlbaufrageeine große Bedeutung zukommen wird, zu erkennen.

Vom 6. August 1997 bis 10. Oktober 1997 wurdedas rekonstruierte „Hornstaadhaus“ 63 Tage lang,während eines langen und sonnenreichen Sommersund Herbstes von Mathias Krauß oder „Uhldi“, wie ihn die Medien tauften, bewohnt (Abb. 8). ImNo vember 1998 fand unter Winterbedingungenwährend drei Wochen an einigen Tagen ein zweiterVersuch statt.

Die Nutzung erfolgte vor allem abends und nachts.Tagsüber wurde das Haus selten aufgesucht, so wiedas auch für die Jungsteinzeit anzunehmen ist. Eth-nologische Vergleiche mit heute noch bewohntenPfahlbauten in Afrika und Asien zeigen ein ähnli-ches Bild. Während der Bewohnungsphase wurdetäglich Protokoll geführt, insbesondere über Mate-rialien, die in das Haus eingebracht und später inden See geworfen wurden (Abb. 9). Eine fortlau-fende fotografische Dokumentation begleitete denVersuch. Das ursprüngliche Vorhaben, alle ins

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Wasser geworfenen Steine, Silices, Knochen,Keramikscherben etc. zu beschriften und beimWegwerfen jeweils die Position der Gegenständeeinzumessen, war kaum möglich. Bei hunderten, z.T. sehr kleinen Objekten war dies im Flachwasser-bereich nicht zu leisten. Fundkonzentrationen undgrößere Objekte dagegen konnten in ihrer Lagezum Haus fotografiert und skizziert werden.

Nach dem Rückgang des Wassers im Winter1997/1998 wurde das vom Haus aus hinunterge-worfene, an der Oberfläche sichtbare Material am3. März 1998 aufgenommen (Abb. 10, 11). Zieldieser Dokumentation war es, Aussagen über dieDynamik der Ausbildung von Kulturschichten imoffenen Wasser zu bekommen. Die Scherben eini-ger Töpfe waren zum Zeitpunkt der Planaufnahmebereits flächig durch Frost aufgesprengt. Zu einemspäteren Zeitpunkt sollen Grabungen in diesemBereich feststellen, wie sich das Material weiterverändert oder verlagert hat.

Abb. 8 (links):Blick von oben auf die Feuerstelle 2, Früh-jahr 1999.

Abb. 9 (oben):Kulturschicht wirderzeugt, vom Vorplatzaus werden organischeMaterialien in den See geworfen.

Abb. 10 (mitte):Aufnahme der Kulturschicht vor dem„Hornstaadhaus“ imFrühjahr 1998. Im Mit-telpunkt sind durchFrostsprengung aufge-platzte Keramikscher-ben zu erkennen.

Abb. 11 (unten): Die Aufnahme der Hin-terlassenschaftenerfolgt im ausge-steckten Quadratmeter-system entlang derHausflucht.

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Abb. 6 (links):Im Mai 1999 erfolgt derzweite Kalkanstrich aufder Wetterseite.

Abb. 7 (rechts):Getrocknete Lehm-brocken mit Flecht-werkabdrücken fallenin See, Frühjahr 1997.

2 Zu Spülsäumen um bewohn-te Pfahlbauten vgl. Pétrequin1984,125.

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Die Ausstattung des Hauses und der Versuchsper-son während der Bewohnung sollte vor allem demZeitschnitt der Hornstaader Gruppe (Jungneolithi-kum, um 3900 v. Chr.) entsprechen (Abb. 14). Dabei der Kleidung die Funde des Voralpenlandesjedoch nicht ausreichten, wurde mit Vergleichsma-terial aus jüngeren neolithischen Perioden gearbei-tet, insbesondere mit Ausrüstungsgegenständenvon „Ötzi“. Replikate der Leggins, des Rucksacksund des Köchers kamen zum Einsatz 3 (Abb. 15).

Nacheinander wurden zwei Feuerstellen eingerich-tet (Abb. 16). Die erste rechts neben der Türe4(Feuerstelle 1), sie war die 1997 ausschließlichgenutzte Feuerstelle. Im September 1998 kam mitFeuerstelle 2 eine weitere, zentral im Haus ange-legte hinzu (Abb. 8). Diese Situation ist den Befun-den aus Horn staad angenähert. Für sie wurde auf 75 cm x 63 cm der 5 cm starke Seekreideboden bisauf die Fußbo denbelag abgetragen. Zunächst wurdeeine Isolationsschicht aus Birkenrinden verlegt, dar-auf eine 8 cm starke, zweiteilige Lehmschicht(Mischungs ver hältnis Lehm : Sand = 2 : 1). Eine inder Mitte der Lehmschicht eingefügte Lage aus 18ca. 4 cm dicken Sandsteinplatten sollte zusätzlichHitze speichern. Derartige, z. T. brandgerötete

Sandsteinplatten wurden bei den Grabungen inHornstaad im Bereich der Innenräume einiger Häu-ser festgestellt4. Die Lehmschicht wurde mit einerweiteren Birkenrindenlage bedeckt, darauf folgteeine ab schließende, 4 cm dicke Lehmschicht, darineingebettet ein rundumlaufender Steinkranz ausSeegeröllen. Die Gesamthöhe von Feuerstelle 2über dem Bodenniveau betrug 10 cm. Sowohl derHüttenboden als auch die beiden Feuerstellen fielendem Hochwasser des Frühjahres 1999 zum Opfer.

Folgenden Fragen sollte bei dem Versuch be -sonders nachgegangen werden:

Wie verläuft die Abnutzung des Hauses (Fuß -boden, Wände, Dach, Vorplatz, Bindungen)? Wiewirkt sich ein regelmäßig unterhaltenes Feueraus?Welche Setzungserscheinungen des Hausessind zu beobachten? Wo bleiben die Abfälle (Kera-mik, Silex, Steine, Knochen, Essensreste, Pflanzen-teile, Holzabfälle, „Auskehrreste“), die vor demHaus ins offene Wasser (Sommer) oder auf denschlammigen Untergrund (Herbst/Winter) gewor-fen wurden? Wie werden diese Materialien und die natürlichen Seesedimente durch schwankendeSeepegel und Wellenschlag verlagert? Was sagen

Abb. 15 (links): Ausrüstungsgegenstän-de des Gletschermannes„Ötzi“, Bogen undRucksack, ergänzen dieAusstattung des Uhl-dinger Steinzeitmen-schen.

Abb. 16 (rechts):Aufbau von Feuer- stelle 1, rechts nebender Eingangstüre.

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Organische

Abfälle

1 Bund Emmer, verkohlt

2 Bund Lindenbast

1 Schubkarren Eichenrinden, teils noch mit Splintholz

1 Schubkarren Lindenrinde, 80 cm bis 280 cm lang

und 10 bis 50 cm breit

1 angekohlter Eichenhalbling, 65 cm lang

1 angekohlter Rundling Kiefer, etwa 50 cm lang

1 Eimer Holzkohle

1 Eimer Holzschnitzel

1 Zunderschwamm

1 Holzkiste halbvermoderte Fellstücke

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Keramik, Stein,

Knochen

1 Eimer gebrannte Ton-

scherben, darunter Guss -

form und Tiegel

1 Handvoll Kalkstein zur

Herstellung von Perlen

10 l ausgekochte Hirsch -

knochen

Abb. 12: Liste von am 13./20. August 1997 in den See vordem Vorplatz des „Hornstaadhauses“ eingebrach-ten Materialien. Die Stücke wurden an der vorderen rechten Eckedes Vorplatzes bei einer Wasserhöhe von 95 cm inden See geworfen. A lle schwimmfähigen Teilebewegten sich bald durch den Wellengang Rich-tung Ufer, um sich dort abzulagern. Nur größereRindenstücke, die sich in den Pfählen verfingen,blieben im vorderen Hausbereich auf der Wasser-oberfläche liegen und gelangten bei sinkendemSeepegel in die „Kulturschicht“.

Abb. 13: Tabelle der während der Wohnversuches im„Hornstaadhaus“ in den Bereich seewärts des Vor-platzes geworfenen Abfälle (Abb. 9).

Organische

Abfälle

Essensreste

Erbsen (Kraut, Schoten)

20 Fischskelette (Felchen)

1 angekohltes Brot am 16.9.

1 angekohltes Brot am 1.10.,

bei gesunkenen Seepegel

1 Bastschnur

Mineralische

Abfälle

Asche, ca. 10 l

Ausgekehrter Bodenlehm

Mehrere Eimer Baulehm (1998)

Holzkohle (Feuerstelle 1

und 2)

Keramik, Stein

Knochen

3-4 „Pfyner“ Töpfe

1 „Pfyner“ Topf

mit Birkenpech

1 Ungebrannter

„Horgener“ Topf

20% eines „Backtellers“

Silexabschläge (8 zerlegte

Knollen) unter Vorplatz

Quarzitfragment

2 Sandsteinplatten

2 fragmentierte Sand -

steinplatten

10 zerbrochene Markasit-

bröckchen

1 Silexklinge

1 Retuscheur aus Hirsch-

geweih

1 vollst. Knochenahle

1 in 3 Teile zerbrochene

Knochenahle

Abb. 14: „Uhldi“ knüpft ein Fischernetz. Im Vordergrundsind Rekonstruktionen der Lindenbastschuhe ausAllensbach und ein Rindengefäß, Befund Tisen-joch („Ötzi“), zu beobachten.

3 Die meisten Replikate der„Ötzi“-Ausrüstung (Ruck-sack, Gürtel, Dolch, Pfeile,Bogen, Köcher, Amulett)wurden von Harm Paulsen,Schleswig gefertigt. – „Ötzi“-Bergschuhe, die Bastscheidedes Ötzi-Dolches, Schuhe ausLindenbast und Rattan nachVorbildern aus Allensbacham Bodensee, vergleichbareLederschuhe nach Vorla-genaus Buinerveen/NL, Lin-denbast-Hüte nach Vorbildernaus Hornstaad und Sipplingenwurden von Anne Reichert,Ettlingen-Bruchhausen herge-stellt. – Das Ötzi-Kupferbeil(Rolf Auer, Pfahlbaumuse-um), der Lendenschurz (Zie-genleder) und die Leggins(Rehleder) wurden im Pfahl-baumuseum angefertigt(Marianne Sommer, Pfahl-baumuseum, Gerda Arnold,Deggenhausertal).

4 Freundliche Mitteilung B.Dieckmann, Landesdenkmal-amt Baden-Württemberg,Hemmenhofen.

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Eine Vermessung des Hauses im Winter 1997/1998ergab keine signifikanten Veränderungen im Ver-gleich zum Zustand vor der Bewohnung.

Die in den Bereich vor dem Haus geworfenenAbfälle (Abb. 13, Abb. 9) wurden 1998 planigra-fisch und fotografisch dokumentiert. Während desHausaufenthaltes konnte beobachtet werden, daßdie Strömung ein Abschwemmen der schwimm-fähigen Abfälle (Holz, Rindenbahnen, Essensresteetc.) nach W und NW nicht zuließ. Meist verteiltensie sich nach SW/S/SO, also Richtung Ufer. Sehrleichte schwimmbare Abfälle, wie Erbsenschalenetc. trieb es nach W auf den See hinaus. Asche triebin der Regel Richtung Ufer.

Nicht unwesentlich für die Verteilung und Umlage-rung schwerer, nicht schwimmfähiger Abfälle, wieKeramikscherben, Silexsplitter oder Knochen sindbiogene Faktoren. Wasservögel, besonders Schwä-ne, aber auch Enten und Blässhühner verlagern beiNahrungssuche im Schlamm solche Objekte zumTeil nicht unerheblich.

Die Lage des Hauses im Uferbereich bedingt,abhängig von den Bodenseewasserständen undkurzfristigen Ereignissen wie Sturm oder Algen-blüte, große Unterschiede der Sedimentationsbe-dingungen. Durch eine fortlaufende Einmessungder Oberfläche jeweils im Winter, mit Notierungder Sedimente und „Kulturschichtbestandteile“,soll die Mechanik der Schichtgenese dokumentiertwerden. Dazu wurde, wie berichtet, ein Raster mitfesten Mess punkten unter dem Hausgrundrissangelegt. Zudem erfolgte durch die Paläobotanike-rin Frau Ursula Maier am 14. Mai und am 31.Oktober 1997 eine erste Aufnahme der bei Flach-wasserstand vorhandenen Pflanzengesellschaften(Abb. 21, Abb. 22)6. Im Wechsel aus Spülsäumen,Fein- Grob detritus lagen oder bereits ersten terre-strischen Bildungen lässt sich ein sehr schnellerund keineswegs gleichläufiger Prozess der Sedi-mentierung erkennen. Interessant sind hierbei dieersten Ergebnisse zur Verlagerung der bewusst inden See eingebrachten Kulturschichtbestandteilewie Knochen, Pflanzenabfall oder Keramikscher-ben, die in ihrer Lage nach Verschwemmung undErosion durch den Bo densee auch in Zukunft fest-gehalten werden. 1997/1998 konnte sich keine

erkennbare Kulturschicht ausbilden. Dafür war derZeitraum des Versuches wohl zu kurz, die Mengeorganischen Abfalls zu gering und vor allem dieAnzahl der beteiligten Personen zu klein.

Die Ausstattung des Hauses und der Versuchsper-son nach neolithischen Vorbildern diente insbeson-dere dazu, den Versuch in der Vermittlung an dieBesucher, die auf diese Weise eine Art jungstein-zeitliches Lebensbild geboten bekommen, einzu-setzen. Die Tatsache, daß „Uhldi“ als Einzelpersonan genähert „jungsteinzeitlich“ lebte, wurde vonihm subjektiv als nicht einfach empfunden. Ihmfehlte die dörfliche Gemeinschaft. Im folgendensoll kurz zur Erläuterung Erfahrungen des Hausbe-wohners eingegangen werden.

Er begann seinen Tag zwischen 8.00 und 9.00 Uhr.Als erstes war ein Feuer zu machen, entwederdurch neues Feuerschlagen oder mit Glut des Vor-abends, was in 30% der Fälle glückte, denn nach 8 – 11 Stunden war jede Glut erloschen. Feuer-schlagen dauerte zu Beginn eine Stunde und mehr,

Abb. 20: Das über Feuerstelle 1eingebrachte Funken-fluggitter.

Abb. 21: Aufnahme der Pflanzengesellschaftenin den Zonen 1 – 8unter dem „Hornstaad-haus“ durch die Paläo -botanikerin Dr. UrsulaMaier.

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derartige Verlagerungsprozesse im Zusammenhangmit der Frage nach der Lage von Pfahlbauten imoder am Wasser aus (Pfahlbaudiskussion)? Bildetsich eine „Kulturschicht“? Wie viel bleibt von ihrim Schwankungsbereich des ab- und wieder zuneh-menden Sees erhalten?

Nach fünf Wochen wies der Fußboden acht schadhafte Stellen von je ca. 150 cm2 Größe auf

(Abb. 17, 18). Insbesondere die Bereiche um denSteigbaum und zwischen Steigbaum und Feuerstel-le 1 waren von den Schäden betroffen. Sie korre-spondierten mit den am meisten genützten Stellenund rührten von der Trittbelastung her. Im Türbe-reich des Innenraumes war der Bodenlehm beson-ders stark zersetzt, da durch die intensive Nutzungund Begehung des Vorplatzes zusätzlich hohemechanische Kräfte durch die Belaghölzer, dieunter der Tür hindurch in den Innenraum reichen,in diesen übertragen wurden.

An den mit Seilen fixierten Verbindungsstellen derHölzer entstanden durch die Nutzung des Hauseskeine signifikanten Beeinträchtigungen. Über Feu-erstelle 1 verziegelte der Wandlehm durch die häu-fige Befeuerung bis 20–30 cm oberhalb des Brand -flächenniveaus. Im gleichen Bereich war an derAußenwand nach einigen Frostnächten der Wand-lehm aufgebrochen. Die Flechtzweige des Wan-daufbaus waren durch die Hitzeinwirkungen ver-kohlt (Abb. 19). Ein zerstörender Effekt, der bei„Wandfeuerstellen“ zukünftig durch höhere Isolati-onsmassen berücksichtigt werden sollte. Der see-seitige, vordere Dachbereich (ca. 50% des Daches)wurde vor dem Versuch aus Sicherheitsgründenvon innen mit Natronwasserglas (Verhältnis Was-serglas : Wasser = 1 : 9) imprägniert. Das Feuerbrachte eine erhebliche Verrußung mit sich, diezusätzlichen Schutz vor Funkenflug bot. In Anleh-nung an ethnologische Beispiele5 kam zusätzlichüber beiden Feuerstellen ein Funkenfang aus Hasel -ruten zum Einsatz. Über Feuerstelle 1 betrug dieAnbringungshöhe 2,20 m. Dieser 150 cm x 65 cmgroße Funkenfang bewährte sich sehr gut. ÜberFeuerstelle 2 wählte man eine Höhe von 1,53 m,hier sind die Ausmaße 160 cm x 85 cm. Feuerstelle2 konnte insgesamt nur ca. 10 Mal benutzt werden,bevor sie das Hochwasser im Frühjahr 1999 zer-störte. Die Rauchentwicklung beim Betrieb derFeuerstelle 1 war nicht unmäßig stark. Der Rauchzog im Dachbereich meist schnell ab (Abb. 1, 20).Das Befeuern zog nur langsam Wärmeentwicklungim Rauminneren nach sich. Ab 21.00 Uhr, mitdeutlich sinkender Außentemperatur, besondersaber nach dem Zubettgehen und Löschen des offe-nen Feuers gegen 22.00 Uhr er folgte ein deutlicherTemperaturabfall.

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Abb. 17: Abnutzungsspuren imBodenlehm. Die Gra-sisolation tritt unterdem zerbrochenen Fuß -bodenestrich hervor.

Abb. 18: Abgenutzte Trittstelleam Fuße des Steig-baums, der in den Zwi-schenboden führt.

Abb. 19: Ansicht der erodiertenAußenwand seeseitigFeuerstelle 1.

5 Siehe z. B. BeitragFeist/Feist in diesem Band, 9,Abb. 12 – Pétrequin rekon-struierte in seinem Nachbaueines neolithischen Hausesam lac de Chalain einen fastidentischen Funkenfang(Pétrequin 1991, 21)

6 Ein Bericht über die vegeta-tionskundlichen Untersuchun-gen im Uferbereich des Frei-lichtmuseums durch Frau Dr.Ursula Maier, Landesdenk-malamt Baden-Württemberg,Hemmenhofen, ist in Vorbe-reitung.

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konnte aber durch Übung auf unter drei Minutengebracht werden. Allerdings war der Bedarf an Zun-der und Markasit bzw. Pyrit gleichbleibend hoch.Das Frühstück bestand meist aus Weizenfladen-brot. Danach war Brennholz und Trinkwasser zubeschaffen und es wurden, wenn keine Besucher-führungen anstanden, Arbeiten wie Fischernetzknüpfen, Töpfern, Silexschlagen, Weben, Kleidungflicken, Knochenwerkzeug schleifen ausgeführt.

„Uldis“ Bastschuhe waren schnell verschlissen.Bereits nach drei Tagen traten in der Sohle ersteLöcher auf. Das ist vor allem auf den Kiesbelagdes Weges zum Museum zurückzuführen. Leder-schuhe, die nach dem gleichen Schnittmustergefertigt waren, hielten erheblich länger (vierWochen).

Wie zu erwarten war, gestaltete sich die Nahrungs-zubereitung (Feuer unterhalten, Brennholz besor-gen, Mehl mahlen) sehr zeitintensiv, insbesondereaufgrund der gewählten „Singlesituation“. DieHauptmahlzeiten wurden abends eingenommen. Esgab Graupen-, Linsen- und Erbseneintöpfe, gele-gentlich bereicherten auf einer heißen Sandstein-platte gebratene Felchen und Fleisch die Speisekar-te7. Binnen 63 Tagen wurden fünf Kochtöpfe „Pfy-ner“ Art (feintonige Knickwandschalen) verschlis-sen. 1997 kam ein „Horgener“ Topf sporadisch,1998 fast immer zum Einsatz. Er erwies als hervor-ragender Kochtopf, der besonders resistent gegenHitzespannungen war.8 Das Aus-/Abwaschen vonKeramikkochtöpfen allerdings erwies sich als pro-blematisch, denn die festen Krusten, die bei derZubereitung von Getreidebreien entstanden, warenfast nicht mehr wegzubekommen. Als unabdingbarbeim Kochen wurde ein Schneidebrett empfunden.

Vergleiche zur Frage des Rauchabzuges und desHeizwertes zwischen Feuerstelle 1 und 2 ergabenkeine großen Unterschiede. Allerdings zeigte sich,daß bei Wind und geöffneter Tür die Gefahr desFunkenfluges bei Feuerstelle 2 größer war, deswe-gen wurde der Funkenfang hier niedriger als beiFeuerstelle 1 angebracht. Zugleich ergab sich dar-aus der Vorteil, darauf Sammelpflanzen bessertrocknen zu können.

Während des Versuches gelangte kaum Ungezieferins Haus. Interessant war vor allem, daß nur sehrvereinzelt Stechmücken in den Hausbereich kamen,obwohl das nahe gelegene Ufer vor allem in denAbendstunden von ihnen wimmelte.

Nach dem Abendessen war Tagebuch zu führen,spätestens zwei Stunden nach Einbruch der Dun-kelheit ging die Testperson zu Bett.

7978

A

C

B

E

GI

J

DF

10

7

93

11

81

524

6

e d' e d c

b f g

a

Abb. 23 (oben): Pressebericht zu „Uhldi“im Mai 1999, ap.

Abb. 24 (links):„Uhldi“ und das Boden-seehochwasser in derBildzeitung.

Abb. 22: „Hornstaadhaus“.M. 1:100.

Abb. 22.1 und 2:A Schlafstelle.B Feuerstelle 1, 1997.C Feuerstelle 2, 1998.D Reibstein.E Steigbaum.F Tür.G Netz.H Schwemmgut,

Strohreste Bett.I Gestell 1.J Gestell 2.� Abnutzungsbereiche

des Fußbodens.� Starke Abnutzungsbe-

reiche (Löcher).

Abb. 22.3:1 – 4 Keramiktopfreste.5 „Gebrannter Ton“.6 Feuerstellenaus -

räumung oder „Horgener“ Topf völlig zerfallen.

7 Knochenkonzentra tion. 8 Zersprungene Sand-

steinplatte.9 Plastikblumentopf.10 Silexkonzentration mit

„Retuscheur“.11 Rindenbahnen.

Schichten a Graues lehmig-sandi-

ges, kiesiges Sediment,Mollusken, organischeBestandteile (Grob -detritus). Sortierung: Mittelkies zum See bisFeinsand zum Land.

b Gerölle, moderne Auf-schüttung.

c Graugrüne, stark mitorg. Be standteilen(Grobdetritus) durch-setzte lehmig-sandigeDeckschicht, Algen -schlickgemisch mitPionier gräsern.

d Schilfaufschwemmung auf c.

d’ Ansiedlung von Gräsern.

e Algenauflage aufSchlick (Detritus).

f Organisches Paket, inden Bestandteilen wiee, wohl im Win-ter ’96/97 abgelagert.Starker Bewuchs durchGräser.

g Strandrasen.

7 Wo die Versorgung mitLebensmitteln durch „Uhldi“selbst nicht möglich war,besonders bei Sammelpflan-zen und Anbaufrüchten, hal-fen Museumsmitarbeiter beider Beschaffung. Aufgrundder Fischereigesetze undmangels Angelschein durfteer auch nicht fischen. Dahererfolgte die Versorgung mitdieser wichtigen Eiweißquelledankenswerterweise durchden Unteruhldinger FischerNobert Knoblauch.

8 Alle zum Einsatz gekomme-nen Töpfe und Geräte warenRekonstruktionen. Die Kera-mik wurde von J. Rech undM. Krauß hergestellt.

E GI

HJ

D

Abb. 22.1: 1997/1998

Abb. 22.3: 3.3.1998

Abb. 22.2: 27.8.99

Vorplatzhölzer

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Parallel zum Versuch mit wissenschaftlicher Fra-gestellung entwickelte sich die Bewohnung des„Hornstaadhauses“ zu einem in den Medien starkbeachteten Ereignis (Abb. 23). Die Versuchspersonwurde, wie erwähnt, in Anlehnung an den mumifi-zierten Mann vom Tisenjoch in Südtirol („Ötzi“)von der Presse „Uhldi“ getauft. Obwohl in Presse-mitteilungen und in jedem Kontakt mit den Medien(Radio/TV/Printmedien) ausführlich und konse-quent auf den experimental-archäologischen Kon-text dieses Versuches hingewiesen wurde undwird, fokussierte sich die Be richterstattung immermehr auf die Figur „Uhldi“ und das Leben in derSteinzeit (Abb. 24). Dies wirkt bis heute fort.„Uhldi“ kann in seiner Bekanntheit zwar nicht mit"Ötzi" konkurrieren, gleichwohl ist er untrennbar,und dies ist seine Aufgabe, mit der jüngsten Phaseexperimenteller und darstellender Archäologie imPfahlbaumuseum verbunden.

Ein besonderes Ereignis war das Jahrhunderthoch-wasser 1999. Hauptursache dafür waren die unge-wöhnlich ergiebigen Niederschläge im Mai. Eskam zu zwei Starkregenereignissen am 11.–13.Mai 1999 und zu Pfingsten, am 21.–22. Mai 1999.In den zentralen und östlichen Voralpen fielen diegrößten Regensummen aller Maimonate seit 1910mit weit über 100 Liter pro Quadratmeter in derSchweiz, in Vorarlberg und im Allgäu9. Innerhalbweniger Tage stieg der Bodensee auf einen Jahr-hunderthöchststand mit 5,65 m am Pegel Konstanz.Mit einer Geschwindigkeit von 45 cm innerhalbvon 24 Stunden am 21./22. Mai 1999 zählt dieserAnstieg zu den schnellsten, seit 1816 beobachteten,am Bodensee.

In der Nacht vom 13. auf 14. Mai 1999 riß derWellenschlag bei einem Pegelstand von 4,70 mbeim „Hornstaadhaus“ den Zugangssteg und einenTragpfahl des Vorplatzes ab. Am 21. Mai 1999 –der Bodensee überschritt erstmals die Marke 5,00 mam Pegel Konstanz – schlugen wiederum hoheWellen von bis zu 70 cm in das Haus, wodurch derFußboden stark aufgeweichte (Abb. 25). Sobaldsich das Wasser einen Weg in den Innenraumgebahnt hatte, begannen die Wellen den Lehm inStücke zu reißen und nach außen zu transportieren,bis nur noch das Gras (Abb. 26), das als Isolations-schicht unter den Fußbodenlehm ge legt worden

80

war, im Haus herumschwamm. Nach 36 Stundenwar der gesamte Bodenbelag aufgelöst, und auchder Wandlehm erodierte bis auf etwa 30 cm Höhe.Der gelöste Lehm war als grau-weißer Schleier imUferbereich noch Tage danach zu sehen. In denfolgenden Wochen hatte sich dieser als Lehmsedi-ment von etwa 1–2 cm Stärke unter Wasser imUmkreis von etwa 5–7 m um die dem Ufer zuge-wandte Seite des Hauses abgelagert. Mit Trocken-fallen des Ufergeländes war dieser Lehm ober-flächlich nicht mehr zu erkennen.

Ab Pfingstsonntag, den 23. Mai 1999, waren derVorplatz und der Innenraum etwa 30 cm überspült.Im Hausinnenbereich konnten die Schäden notiertwerden (Abb. 27). Nach dem Absinken des See-spiegels war das ganze Ausmaß der Zerstörung imPfahlbauhaus erkennbar. Steg und Vorplatz warendurch die Wasserkraft zerstört oder stark be schädigt.Im Innenraum erhielten sich die Bodenhölzer undWandkonstruktionsbestandteile. Interessant war,daß sich einige Belaghölzer des Vorplatzes im Haus -inneren über der Feuerstelle 2 in Längsrichtungabgelagert hatten. Alle schweren Bestandteile derbeiden Feuerstellen, sowie der Reibstein und derUnterbau des Bettlagers blieben erhalten. Aller-dings verlagerte die Wasserkraft etwa den Reib-stein um fast einen halben Meter (Abb. 28). DieBindungen der Hölzer, vor allem des Vorplatzes,erschienen stellenweise gelockert und zerrissen.

Relativ gut erhielten sich überraschenderweise dieBindungen der Bodenhölzer an den Stellen, wo siean die Boden- und Wandpfähle gebunden waren.Anscheinend beeinflußte die Lehmausfachung dieStabilisierung des Hauses in diesen Bereichenbesonders günstig. Pilzbefall konnte nicht festge-stellt werden, dafür aber eine Entrindung der Be lag -hölzer des Bodens. Diesen Zustand hielt das Teamder „Sendung mit der Maus“ fest, das ja schon 1996die Errichtung des „Hornstaadhauses“ filmte undauch die Wiederinstandsetzung dokumentieren undbegleiten möchte. Die Ausbesserung des Hauses inseinen beschädigten Teilen ist für das Frühjahr2000 vorgesehen.

Trotz der gravierenden Einwirkungen durch Wind,Wetter und Naturgewalten befindet sich das Hausnach über drei Jahren baulich noch in einem guten

Zustand. Die Ausbesserungsarbeiten an Haus undGrasdach dürften das „Hornstaadhaus“ in etwa 2–3 Tagen wieder vollständig hergestellt haben.

Anschrift der Verfasser:

Mathias Krauß Dr. Gunter Schöbel Peter Walter M.A.Strandpromenade 6D-88690 Uhldingen-Mühlhofen

Abbildungen:

Abb. 1-: Pfahlbaumuseum, G. Schöbel.

Abb. : Pfahlbaumuseum, P. Walter.

Abb.: F. Schulz-Friese, Überlingen.

Abb.: D. Diestel, Überlingen.

Literatur:

Boonstra 1996 · A. Boonstra, Leben unter eisenzeitlichen

Bedingungen. Ein Experiment von zwei „Monden“ [im Frei-

lichtmuseum Eindhoven]. In: M. Fansa (Hrsg.), Experimentelle

Archäologie in Deutschland, Bilanz 1996. Arch. Mitt. Nord-

westdeutschland, Beih. 18, 1997, 33–41.

Pétrequin/Pétrequin 1984 · P. Pétrequin/A. M. Pétrequin, Habi-

tat lacustre du Bénin (Paris 1984).

Pétrequin 1991 · P. Pétrequin (Hrsg.), Construire une maison

3000 ans avant J.-C. (Paris 1991).

Schröder/Güde/Rossknecht 2000 · H.-G. Schröder/H. Güde/

H. Rossknecht, Jahrhundert-Ereignisse als Chance zur Erfah-

rungserweiterung. Das Jahrhunderthochwasser 1999. In: Boden-

seekreis/Stadt Friedrichshafen (Hrsg.), Leben am See, Jahrb.

Bodenseekr. Bd. 17, 2000, 357–371.

Schöbel 1997 · G. Schöbel, Das neue „Steinzeithaus“ im Frei-

lichtmuseum Unteruhldingen. Plattform 5/6, 1996/97, 83–98.

Schöbel 2000 · G. Schöbel, „’S HOT G’HEBT“. Hochwasser

1999 in den Pfahlbauten. In: Bodenseekreis/Stadt Friedrichsha-

fen (Hrsg.), Leben am See, Jahrb. Bodenseekr., Bd. 17, 2000,

372–383.

Walter 1997 · P. Walter, Wohnen im Hornstaadhaus. Arch.

Deutschland 1/1998, 69.

81

Abb. 25: Das Hochwasser weichtden Fußboden auf.

Abb. 26: Das unter dem Fußbo-den zur Isolation ausge-legte Gras schwimmtim Innenraum desGebäudes.

Abb. 27: Fußboden und Wandsind bis etwa Kniehöhevom Bodenseehoch-wasser ausgewaschen.Das Sonnenlicht scheintdurch die Ritzen vonBelag und Wandkon-struktion.

Abb. 28: Nach dem Jahrhun-derthochwasser kannder von Lehm befreiteUnterbau, der nur nochdie schweren Bestand-teile der Inneneinrich-tung aufweist doku-mentiert werden. DieKraft der Wellen hat den schwe-ren Reibstein um fasteinen halben Meter ver-lagert, Belaghölzer desVorplatzes wurden par-allel über die ausge-schwemmten Feuerstel-len im Innenraum eingelagert.

9 Schröder/Güde/Rossknecht2000, 357–371. - Schöbel2000, 372–383.

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gelmäßig mit Wipfel (Zopfende) voran eingeschla-genen Weißtannenpfählen gesetzt wurde. DieWandreihen zur Aufnahme von Boden- und Wand-pfetten waren dagegen mit wuchsorientiert einge-schlagenen Eschenpfählen und Weißtannenstän-dern mit Wipfel voran in Doppelstellung einge-schlagen worden. Bei den Eschen boten sich dienatürlichen Astgabeln als Bodenträger und bei denWeißtannen die gekehlten Stammenden als Wand-und Firstpfettenständer bei der Planung an (Abb. 2).Über die bei der Konstruktion einsetzbare Maxi-malhöhe orientierte uns ein vorliegender 8,18 mlanger Pfahl der Ausgrabung, mit Einkerbung 1,40 munterhalb des mutmaßlichen Kopfendes. Damitkonnte unter Abzug der ermittelten Einschlagtiefeneine Annäherung an die Haushöhe und den wahr-scheinlichen Dachwinkel, der am Ende zwischen25 und 32 Grad zu liegen kam, vorgenommen wer-den. Entsprechend der immer noch andauerndenPfahlbaudiskussion in der Schweiz wurde bei derabgehobenen Fußbodenhöhe ein geringerer Wertals beim benachbarten Hornstaadhaus, im Mittelzwischen 0,2 m und 1,5 m, gewählt (Abb. 2). DerPrügelfußboden kam mit seiner Oberkante zwi-schen 397,17 m und 397,27 m ü. NN, etwa auf denHochwassermarken der Höchststände 1965 und1987 am Bodensee, zu liegen. Er befindet sichdeutlich über dem Hochwassermittel der letztenhundert Jahre, das mit 5,22 m Pegel Konstanz, dasentspricht 397,11 m ü. NN, auch die Orientierungs-marke für die meisten modernen Hafenanlagen dar-stellt.3 Überlegungen zu einer ebenerdigen Kon-struktion konnten aufgrund überwiegender Indizienzur abgehobenen Bauweise in der gemeinsamenDiskussion zwischen Ausgräber und Bauleutenbald verworfen werden. Zu erwähnen sind, wieetwa auch in der etwas jüngeren Siedlung Sipp -lingen am Bodensee4, kopfseitig verstürzte Herd-stellen mit der Brandfläche nach unten, Lehm-packungen innerhalb der Hausgrundrisse direkt aufSee sediment ohne darunter liegenden Holzbefund.

Anzusprechen sind außerdem ein 6 Meter langerund nur oben zugearbeiteter Steigbaum oder cha-rakteristische Nachpfählungen im Eckbereich des Hauses (Abb. 3), die ein Jahr nach der Grün-dung (3375 v. Chr.) gesetzt wurden. Derartige

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Abb. 1: Pfahlplan und Haus-standorte der SiedlungArbon-Bleiche 3, nachde Capitani/Leuzinger1998, 240, Abb. 4.Dunkelgrau: Haus 23.

Abb. 2: Nord-Ost AnsichtArbon-Haus, Version 2,mit 1 m langen Leg-schindeln, KandernerDeckart.

Abb. 3: Ecksituation Haus 23Arbon-Bleiche 3, Aus-grabung 1994, südwest-liche Ecke, Feld 55,Westprofil, 66/198. InUnteruhldingen als süd-westliche Ecke rekon-struiert.

Im Frühsommer 1998 erfolgte im UnteruhldingerFreilichtmuseum der Aufbau des Hauses Nr. 15,eines „Arbon-Hauses“. Es ergänzt den zwischen1922 und 1996 errichteten Bestand an stein- undbronzezeitlichen Pfahlbauten um eine neue, mitTannenschindeln gedeckte Variante.1 Erstmalswurde damit auch ein Vorbild vom schweizerischenBodenseeufer, das sich durch eine hervorragendeBefundlage hervorhebt, für die modellhafte archäo-logische Rekonstruktion im Maßstab 1:1 ausge-wählt. Das Projekt, das zum Zwecke der experi-mentellen Erfahrung, der archäologischen Indizien-prüfung und der pädagogischen Vermittlung ver-wirklicht wurde, ist das Ergebnis einer engenZusammenarbeit mit dem Amt für Archäologie desKantons Thurgau, hier insbesondere mit dem Aus-

gräber der Ufersiedlung Arbon-Bleiche 3, HerrnUrs Leuzinger (Frauenfeld). Ihm, der handwerkli-chen und der wissenschaftlichen Abteilung desPfahlbaumuseums sei an dieser Stelle für ihre Mit-arbeit besonders gedankt.

Die Grundlage für die Rekonstruktion bildeteHausgrundriss Nr. 23 der Ausgrabungen 1993 bis1995 in Arbon (Abb. 1), bei dem es sich, nach derDendrochronologie, um eines der jüngsten Häuserinnerhalb der Siedlung handelt (3376 v. Chr.)2. Alszweischiffiger Pfostenbau von etwa 4 m Breite und8 m Länge gab er sich durch seine Holzauswahlund Holzverwendung als Firstsäulenbau im typi-schen Arboner Bauschema zu erkennen. Die mor-phologische Analyse zeigte, daß die Firstreihe re -

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Der Nachbau eines „Arbon-Hauses“ der HorgenerKultur im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen Gunter Schöbel

1 Der vorliegende Aufsatzwurde in gekürzter Formbereits im Anzeiger derArbeitsgemeinschaft fürExperimentelle Archäologieder Schweiz, c/o Museum fürUrgeschichte Zug, 1999, ver-öffentlicht.

2 de Capitani/Leuzinger 1998,bes. 239 f., Abb. 4.

3 Schöbel 1997, 83 f.

4 Kolb 1993.

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Abb. 8 (links): Die Wandpfetten liegen.

Abb. 9 (rechts): Tag 4: Nach dem Auf-legen des Firstbalkensund der Dachsparrenbeginnt die Anbindungder Dachlatten. DieLattenabstände sindbeim ersten Versuchnoch zu eng gelegt.

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Abb. 10 (links): An der Nordostecke erfolgt im Außenbereich dieFußbodenbindung probehalber mit Lindenrinde-streifen.

Abb. 11 (oben): Der Rohbau ist fertiggestellt, seine Entwicklungwird aufmerksam von den Museumsbesuchern ver-folgt.

5 Vgl. etwa Maise/Kinsky1997, 102 f., Abb. 18. – DerNachbau beruht auf den Be -funden der spätbronzezeitli-chen Ufersiedlung Zug-Sumpf(Seifert 1996). – Nach Seifertsind Bretter von etwa 1 m undvon über 1,90 m belegt. – Sieheauch Capitani/Leuzinger 1998,241. – Die charakteristischenBrandspuren auf den Tannen-schindeln sind für die Inter-pretation von großer Bedeu-tung.

Nachpfählungen sind für den Ausgleich erster Set-zungserscheinungen nach dem Hausbau bei heutenoch existierenden abgehobenen Pfahlbauten amLac Nokué in Westafrika charakteristisch. Auchbeim 1996 im Pfahlbaumuseum rekonstruierten„Hornstaad-Haus“ wurden sie festgestellt.

Nach Abschluß der Planungsphase (Abb. 4), dieauch die zeitaufwendige Materialbeschaffung bein-haltete, erfolgte am 15. Juni 1998 der Einschlag derersten (Abb. 5), morphologisch bis auf die Jahrrin-ganzahl möglichst genau ausgewählten Pfähle(Abb. 6), die zentimetergenau entsprechend denAusgrabungsplänen mit einfachen Standschlingeneingerüttelt wurden. Es folgte das Auflegen desBodenbelages und der Wand- und Firstpfetten(Abb. 7–9). Die Verbindungen der Hölzer wurdenmit zweifach und dreifach gezwirnten Hanf-Lei-nenseilen, die als Rollenware vorgefertigt bezogenwurden, gefestigt. Beispielhaft und aus Gründender Haltbarkeitsprüfung anderer Bindematerialienwurden stellenweise auch Weidenschösslinge undLindenbast eingesetzt (Abb. 10).

Am fünften Tag stand mit dem Auflegen der erstenDachlatte der Rohbau und das Richtfest konntegefeiert werden (Abb. 11).

Schwierig und relativ langwierig gestaltete sich derAufbau des Daches, das oft aus Gründen geringerBefundinformationen das größte Problem bei einerarchäologischen Rekonstruktion darstellt. Die Lege -art und die zu verwendende Länge der in großerZahl in Arbon nachgewiesenen Weißtannenschin-deln bereitete Kopfzerbrechen. In einem Prozeßvon mehreren Tagen wurde die Anzahl der einge-setzten Dachlatten und der Dachschindeln sukzes-sive verringert. Entsprechend der Verkohlungsspu-ren an den Originalschindeln war zunächst wie beianderen 1:1 Rekonstruktionen5 von einer Dreifach-Überdeckung der eingesetzten Tannenbretter vonetwa 1 m Länge, und somit von 8 bis 10 Dachlat-tenreihen und Schindelreihen pro Dachseite ausge-gangen worden. Durch das Wechseln von kurzenund langen Überlappungen sowie von kurzen undlangen Belagbrettern konnte die Anzahl von Lattenund Schindeln zunächst auf 7 Lagen reduziert wer-den. Der Lernprozeß und die Forderung, die ein-fachste Lösung zu finden, um eine möglichst hohe

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Abb. 4: Planungsphase: Ein Stangenphantomzeigt die beabsichtigtePositionierung des Hau-ses an.

Abb. 5: Tag 1: Der erste Pfahlist an seinem vorgese-henen Platz.

Abb. 6: Die Bodenpfetten fürden Unterbau werdenaufgelegt.

Abb. 7: Tag 3: Bodenuntersicht.

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Annäherung an das Original zu erhalten, führtedann nach wiederholten Versuchen dazu, Schin-deln von bis zu 2,20 m Länge auf dem Dach einzu-setzen6. Befundgetreue Bretter mit 0,5 –1,5 cmStärke, geschlagen aus einer 145-jährigen Weißtanne(Abb. 12), ermöglichten schließlich die Deckungeiner etwa 3 m messenden Dachflanke mit nur 2–3Schindellagen. Dies war eine der wichtigsten Er-fahrungen beim Bau des Unteruhldinger „Arbon-Hauses“ (Abb. 13). Nicht die der Einfachheit hal-ber auch schon an anderen Orten verwendetenmeterlangen Schindeln aus der Spaltmaschine desSchindelmachers, die ein sehr kompaktes undschweres Dach erzeugen, das in den Museen oftzusätzlich modern genagelt und verschraubt wer-den muß, sondern die selber aus dem Stamm gefer-tigten Langschindeln mit der archäologisch auch inder Spätbronzezeit inzwischen mehrfach nachge-wiesenen Maximallänge, erzeugten das verfolgte,wahrscheinlichste Ergebnis (Abb. 15). Dies zeigt,daß jeder Kompromiß beim Versuch einer Hausre-konstruktion, sei es aus wirtschaftlichen, techni-schen oder auch zeitlichen Gründen, die Gefahr in sich trägt, das Modell in seiner Aussagekraft zuschwächen, ja falsche Schlüsse und Bilder gegen -über dem Betrachter zu befördern.

An den Wänden kamen die langen Spaltbretter(Abb. 16) ebenso zum Einsatz. Verspannt zwischenZangen sollen sie neben den gängigen Prügel- undFlechtwänden mit Lehmbewurf die Möglichkeitender festgestellten Wandgestaltung aufzeigen.Geplant ist im weiteren Baufortschritt ein Variierenund Kenntlichmachen der architektonischen Ge -staltung. Dies zielt auf kontroverse Diskussion undFragen der Besucher bei den Museumsführungen:„Warum hat dieses Haus kein Schilf-, Stroh- oderGrasdach wie die übrigen?“ – „Was ist denn dasfür ein Haus, das sieht ja ganz anders aus, viel fla-cher und kleiner?“ – „Warum ist es nicht fertiggebaut?“ – „Warum steht das Haus ausgerechnet inUnteruhldingen und nicht bei uns in der Schweiz?“– „Sind denn noch weitere Häuser geplant?“ –„Entschuldigen Sie, was ist da jetzt original Pfahl-bau und was haben Sie da hinzu gemacht?“.

Das sind Fragen, die nicht nur aus dem Freilicht-museum, sondern auch aus der Wissenschaft be-kannt sind und die pädagogisch und konzeptionell

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Abb. 12 (oben): Aus den Stammabschnitten einer Weiß tanne, die schon das Türblatt für das Hornstaadhaus lieferte, entstehen Dachschindeln.

Abb. 13 (unten): Weißtannenschindeln von 2,10 m Länge, Version 3, werden auf dem Dach in 3-fach Überdeckung aufgebunden.

Abb. 14: Die Dachkonstruktion,erste Ausführung mit Kurzschindeln,August 1998.14.1: Eindeckung mitMeterschindeln.14.2: Dachuntersicht,links unten erste Versuche mit Lang-schindeln.14.3: Aufsicht.14.4: Seitenansicht vonSüd-Ost.

6 Vgl. de Capitani/Leuzinger1998, 241. – J. Speck 1955,bes. 316, Abb. 17, Taf. 11,5sowie frdl. Mitt. J. Speck. –Zu den aktuellen Rekonstruk-tionen der spätbronzezeitli-chen Siedlung von Greifen-see-Böschen Ruoff 1998, 7. –H. Gollnisch-Moos 1999, 65 ff., 72.

M. 1:75

14.1 14.2

14.4

14.3

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prähistorischen Siedlungen auf mineralischenBöden als eine weitere Möglichkeit stärker berück-sichtigt werden. Das Haus ist im Bereich derWand- und Dachgestaltung überraschenderweiseviel leichter. Der Bedarf an Bindungen, Dachlatten,Bauholz und Lehm ist gegenüber der üblichenBauweise geringer. Die starke Weißtanne, einfachzu spalten und regional bis heute ein oft verwende-ter Rohstoff, eignet sich in idealer Weise für diese„Leicht bauweise“. Sie ist inzwischen für unserenRaum aus der Horgener Kultur und der Spätbron-zezeit (ca. 1050–850 v. Chr.) bekannt7. Ob dieseBauweise auch beständiger sein kann, wird eingeplanter Belastungstest am Ufer des Bodensees inden nächsten Jahren im Freilichtmuseum Unteruhl-dingen zeigen.

Die Probe aufs Exempel erfuhr das begonneneHaus noch im Verlauf des Jahres 1999. Ende 1998,in einem Jahr mit verhältnismäßig niederem Was-serstand, war der Neubau noch kaum vom Wassererreicht worden. Während sich um das näher amSee gelegene Hornstaadhaus im Spätjahr nochmächtige Strandwälle (Abb. 16) aus Schwemm-hölzchen, zersetzten Pflanzenfasern und Schneggli-sanden aufbauten (arch. Fein- und Grobdetritus)(Abb. 16), ging es unter dem landwärtig gelegenen

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Abb. 17 (links): Herbstlicher Spülsaumin der Pfahlbaubucht.

Abb. 18 (rechts): Terrestrische Sedi menteunter dem „Arbon-haus“, September 1998.

Abb. 19 (mitte): Sturmschaden.

Abb. 20 (unten): Im Sturm abgerisseneBretter mit bereits deut-lich erkennbaren Verle-gespuren auf der Innenseite.

7 G. Schöbel 1996, 121 f.,Taf. 106. – Meine vormalsgeäußerte Meinung, spätbron-zezeitliche Häuser müssteninfolge zahlreicher Hütten-lehmfunde mit lehmverputz-ten Flechtwänden rekonstru-iert werden, kann heutedahingehend ergänzt werden,daß auch mit verputzten Bret-terwänden z. B. in Hagnau undUnteruhldingen zu rechnen ist.

8 Gollnisch-Moos 1999, 65,Anm. 65. – Die Aussage, daßdie größte Gefahr für sturm-bedingte Dachabdeckungenauf der windabgewandtenSeite (Lee) bestehen, kanndurch den UnteruhldingerFeldversuch beim vorliegen-den Legschindeldach trotz O-W Orientierung nichtbestätigt werden. Ganz imGegenteil, im Osten fehltekein Brett. Lokale Sturmschä-den im Firstbereich bei denSchilfdächern im Pfahlbau-museum treten dagegen gerneinfolge Verwirbelungen oftauf der windabgewandtenSeite auf.

aufgegriffen und in der Darstellung weiter ent-wickelt werden müssen.

Farbmarkierungen sollen zum Beispiel nach Fertig-stellung das Erkennen original nachgebildeter Bau-elemente innerhalb der Rekonstruktion für Fach-leute und Museumspublikum erleichtern. Das nach14 Aufbautagen mit zwei Seitenwänden erst halbfertiggestellte Pfahlhaus sollte 1999 mit einer Innen -einrichtung entsprechend eines Zeitschnittes „End-neolithikum“ des nordalpinen Verbreitungsgebietesder Horgener Kultur (zwischen 3380 und 2800 v.Chr.) versehen werden. Doch dies verhinderte vor-erst das „Jahrhunderthochwasser“ am Bodensee.

Die Reaktionen der Besucher zu diesem neuenHausprojekt waren trotz der Bauverzögerungensehr positiv. Es ließ sich sehr gut, als ein etwasanderes Haus, in die Erläuterungen beim Mu se -ums besuch einfügen. Gerade auch ein Rohbau, unddies zeigte die Erfahrung, ist spannend für dieerläuternden Besucherführer und das wissbegierigeMuseumspublikum. Mehr als 400.000 Besucherhaben das „Arbon-Haus“ seit Mitte Juni 1998bereits betrachtet. Es eignet sich als Anschauungs-objekt außerhalb der „Dörfer“ hervorragend zurVerdeutlichung unterschiedlicher, am Bodenseeinzwischen belegter Konstruktionsweisen.

Eine erste archäologische Bewertung dieser Re -konstruktion zeigt, daß der geringere Dachwinkelund die Verwendung der dickeren Stammenden imWand- und Dachbereich eine weitaus höhere Ver-steifung und Festigkeit des Grundgerüstes erzeu-gen, als dies etwa bei einem „Hornstaadhaus“ mitwurzelseitiger Einsetzung der Tragpfähle der Fallist. Erst durch den Lehm in den Wänden und imBoden erhielt dieses Haus eine für unsere Maßstä-be akzeptable Festigkeit. Dies ist nicht nur unterdem Aspekt des Holz-, sondern auch des Lehmbe-darfs zu berücksichtigen.

Das Modell „Arbon“ der Horgener Kultur aus der Zeit um 3370 v. Chr. konnte mit einem weitgeringeren Zeit- und Materialaufwand als dasinzwischen an mehreren Orten rekonstruierte Lehm -flecht wandhaus mit Schilf- oder Strohdachdeckungerbaut werden. Diese Erkenntnis sollte vor allembei Hausrekonstruktionen mit Befunden aus

Abb. 15 (oben): Das „Arbon-Haus“. Links daneben das 1996errichtete „Hornstaad-Haus“. Im Hintergrund das 1938–1940 rekonstruierte„Steinzeitdorf- Sipplingen“ im Sommer 1998.

Abb. 16 (unten): Lange Wandbretter zwischen Zangen verspanntbilden die Ostwand.

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und Rindenverbindungen, die allerdings fünfMonate nach dem Hochwasser noch in leicht bes-serem Zustand als die Seile sind. Pilze oder Fäul -nisansätze konnten im betroffenen Unterbau bis-lang nicht festgestellt werden. Alle Bindungenmüssen dort jedoch in Folge des Hochwassers undder eingedrungenen Feuchtigkeit erneuert werden.Versuche mit Bindungen aus Weißtannenästenwerden zeigen, ob sie die ihnen nachgesagte höhe-re Beständigkeit besitzen. Auf dem Dach begannim Oktober 1999 auf der Ostseite, der Schauseite,der Abbau der kurzen noch verbliebenen Meter-schindeln und das Aufbinden der Langschindelnentsprechend den Arboner Belegen (Abb. 25). Ver-schiedene Verlegetechniken fanden Anwendung.Zum Verspannen und Ausgleichen dienten auchkürzere Brettabschnitte. Schwierigkeiten bereitetnoch die Abdichtung des auf Stoß gearbeiteten Firstes, die wie beim Hornstaadhaus mit Rindenbah-nen und Dachreitern vorgenommen werden soll.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Gunter SchöbelPfahlbaumuseum UnteruhldingenStrandpromenade 6D-88690 Uhldingen-Mühlhofen

Abbildungen:

Abb. 1, 3: Amt für Archäologie des Kantons Thurgau.

Abb. 2, 14.3, 14.4: Planzeichnungen Büro Hoffmann, Meersburg.

Abb. 4–14.2, 16–25: Pfahlbaumuseum Unteruhldingen,

G. Schöbel.

Abb. 15: F. Schultz-Friese, Überlingen.

Literatur:

de Capitani/Leuzinger 1998 · A. de Capitani/U. Leuzinger, Arbon-

Bleiche 3. Siedlungsgeschichte, einheimische Tradition und

Fremdeinflüsse im Übergangsfeld zwischen Pfyner und Horgener

Kultur. Jahrb. SGUF 81, 1998, 237–249.

Gollnisch-Moos 1999 · H. Gollnisch-Moos, Uerschhausen-

Horn. Haus und Siedlungsstrukturen der spätestbronzezeitlichen

Siedlung. Forschungen im Seebachtal 3 (Frauenfeld 1999).

Kolb 1993 · M. Kolb, Die Horgener Siedlungen in Sipplingen,Ergebnisse taucharchäologischer Untersuchungen im SipplingerOsthafen 1982–1987 (unpubl. Dissertation Freiburg i. Br. 1993).

Maise/Kinsky 1997 · Chr. Maise/M. Kinsky, Ein Haus wie vor3000 Jahren. Bericht vom Nachbau eines spätbronzezeitlichenHauses, Tugium 13/1997, 95–106.

Ruoff 1998 · U. Ruoff, Greifensee-Böschen, Kt. Zürich, DieUnterwasser-Rettungsgrabung, Helv. Arch. 113, 1998, 2–20.

Schöbel 1996 · G. Schöbel, Die Spätbronzezeit am nordwestli-chen Bodensee. Taucharchäologische Untersuchungen inHagnau und Unteruhldingen 1982–1989. Siedlungsarchäologieim Alpenvorland IV. Forsch. u. Ber. Zur Vor- u. Frühgesch.Baden-Württemberg 47 (Stuttgart 1996).

Schöbel 1997 · G. Schöbel, Das neue „Steinzeithaus“ im Frei-lichtmuseum Unteruhldingen, Plattform 5/6, 1996/97, 83–98.

Schöbel 1999 · G. Schöbel, „S’hot ghebt“, Hochwasser 1999 inden Pfahlbauten. Leben am See, Jahrb. des Bodenseekreises Bd. XVII, 2000, 372–383.

Seifert 1996 · M. Seifert, Die spätbronzezeitlichen Ufersiedlun-gen von Zug-Sumpf, Band 1: Die Dorfgeschichte (Zug 1996).

Speck 1955 · J. Speck, Die Ausgrabungen in der spätbronzezeit-lichen Ufersiedlung Zug-Sumpf. Ein Beitrag zur Frage derPfahlbauten. In: W. U. Guyan/H. Levi/W. Lüdi/J. Speck/H.Tauber/J. Troels-Smith/E. Vogt/M. Welten, Das Pfahlbau-problem. Monographien zur Ur- und Frühgeschichte derSchweiz, Bd. 11 (Basel 1955) 275–334.

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Abb. 24: Hochwasser im Pfahl-bauhaus.

Abb. 25: Aufbinden der Lang-schindeln und Renovie-rung des Daches am 15.Oktober 1999.

Abb. 21 (links): Heitere Dokumentationdes Hochwasserstandesam 14.5.1999.

Abb. 22 (unten): Ausräumen der Häuser.

Abb. 23 (rechts): Spülsaum am Ufer hin-ter dem Arbonhaus inder Woche nach Pfing-sten 1999.

9 Zwei der durch Sturmein-wirkung heruntergewehtenSchindelbretter wurden imNovember 1999 ca. 80 – 100m nördlich des Hauses imangrenzenden Naturschutzge-biet im Spülsaum des Som-merwassers angetroffen.Interessant ist dieser Befundbezüglich neuer Grabungser-gebnisse am Zuger See. Nach Mitteilung des Kantons-archäologen Stefan Hochulifanden sich im Oktober 1999in der Nähe der spätbronze-zeitlichen Siedlung Zug-Sumpf verspülte Tannen -bretter und schwimmfähigeHölzer wie allein acht Paddelin einer durch Moorablage-rungen überdeckten Kultur-schicht.

10 Zu den Hochwasserereig-nissen im Pfahlbaumuseumvgl. Schöbel 1999.

Rohbau bei der Schichtsedimentation mit Blätternund Humus noch recht terrestrisch zu (Abb. 18).Dergestalt waren keine Rückschlüsse auf die Ent-stehung der bis heute feucht erhaltenen Kultur-schichten in Arbon, die eindeutig den Einfluß desSees zeigen, möglich. Hatten wir vielleicht zu weitan Land gebaut?

Ende Oktober 1998 hielt das nur gebundene undbeschwerte Schindeldach bei Sturm mit Windstär-ken von 8–10 nicht viel schlechter als die übrigenGras- und Schilfdächer, an denen mittlere bis leich-te Schäden auftraten. Ein Sturmschaden war aufder Traufseite am First festzustellen (Abb. 19). Er betraf etwa 35 Meterschindeln oberhalb der

Brettverschalung der Ante an der Frontseite. Firstund Trauf auf der dem Wind zugewandten Seitewaren besonders betroffen.8 Windböen prallten vonWest direkt auf die Stirnwand des Hauses, wurdenauf die überstehende Dachinnenseite abgeleitet unddrückten dort die Belagbretter aus ihren Bindun-gen. Der Schaden konnte durch Wiedereinsetzen,Nachbinden und Verklemmen der in etwa 10 mUmkreis verteilten Schindeln (Abb. 19) raschbehoben werden9. Durch einen windgeschützterenVorplatz und eine besser abgedichtete Dachunter-seite soll dieser Gefahr zukünftig begegnet werden.

Weitaus bedrohlicher zeigte sich der diesjährigeFrühsommerhochstand des Bodensees, der mit 5,65 m Pegel Konstanz als Jahrhunderthochwasserauch in die Geschichte des Pfahlbaumuseums ein-gehen wird.10 Er war der bislang höchste Wasser-stand in der Geschichte unseres Freilichtmuseums.Anfangs stand noch die heitere Dokumentation desSeespiegelanstieges im Vordergrund (Abb. 21),wenige Tage später musste mit dem Ausräumender Häuser begonnen werden (Abb. 22). Ein mäch-tiger Spülsaum aus Bau- und Schwemmhölzern bil-dete sich landwärts der neuen Rekonstruktionen(Abb. 23), die Uferwege gerieten unter Wasser, derZugangssteg und Teile des Bodenbelages wurdenin kurzer Zeit abgespült. Kniehoch stand der Bo -densee in der noch unfertigen Rekonstruktion(Abb. 24), in der zum Glück noch nicht mit demge planten Innenausbau begonnen worden war.

Nach dem Absinken des Seepegels zeigten sich dieSchäden insbesondere bei den Bindungen der Bau -hölzer. Durch die Wellenmechanik waren vor allemdie Leinen-Hanfseile gelockert und zum Teil abge-rissen. Kaum besser stand es um die Lindenbast-

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Kennen wir die Erwartungen der etwa 250.000Besucher, die jährlich die Unteruhldinger Pfahl-bauten besuchen? Werden diese Erwartungendurch den Besuch im Museum erfüllt, oder lassensich Verbesserungsmöglichkeiten erkennen? Daswaren einige der wichtigsten Fragen, die wir unsvor dem Beginn der Besucherbefragung im Pfahl-baumuseum gestellt haben1.

Die Befragung2 ist von den Mitarbeitern des Mu -seums von Mai bis September 1997 durchgeführtworden3. Bei der zeitlichen Gestaltung dieser Ein-zelfallstudie wurde darauf geachtet, daß sowohl dieVor- als auch die Nachsaison in vergleichbarerWertigkeit in der Analyse der Umfrage einfließt.Um einen repräsentativen Querschnitt zu erhalten,fand die Befragung in diesem Zeitraum alle dreiWochen für die Dauer von sieben Tagen statt. Dieam ersten Tag erfolgte Probebefragungen zeigte,daß an dem Umfragebogen keine Nachbesserungennötig waren. Insgesamt fanden sich 2821 Aus-kunftpersonen, die an dieser Befragung teilnah-men. Dies entspricht 1 % der Personen, die 1997das Freilichtmuseum besuchten.

Die Informationen und Erkenntnisse, die wir an -hand der 20 Fragen erhalten haben, können an die-ser Stelle nur angerissen werden. Sie reichen vonAuskünften zur Herkunft der Besucher über bevor-zugte Urlaubsplätze am Bodensee bis hin zu Fragen

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machen (899 Nennungen), gefolgt vom südlichenBayern (413 Personen)6. Überraschend gering wardie Zahl der Befragten, die aus Österreich (31 Per-sonen) und aus der deutschsprachigen Schweiz(115 Personen) kamen. Die Zahl der schweizerischenund österreichischen Besucher war wesentlich ge -ringer als die Anzahl der Befragten aus weiter ent-fernt liegenden Gebieten wie dem Rhein-Main-Gebiet (289 Personen)7. Gering war die Anzahl derBesucher auch aus den neuen Bundesländern, wiedie Zahlen aus Sachsen (57 Personen) und ausBrandenburg (64 Personen) zeigen.

Damit es zu einem Besuch der Einrichtung kommt,

ist eine gute Infrastruktur eine entscheidende Vor-

aussetzung. Sind die Besucher mit der Erreichbar-

keit des Museums zufrieden?

Um das Pfahlbaumuseum zu erreichen, mußtemehr als die Hälfte der Besucher über 10 km anrei-sen. Ihren Urlaubsstandort im näheren Umkreisvon 10 km um das Museum hatten 32 % der Teil-nehmer der Befragung, weitere 10 % waren in derGemeinde Uhldingen-Mühl hofen untergebracht.Bei der Frage nach der Anreise zum Museum ergabsich, daß dem Auto bei der Anreise eine überragen-de Bedeutung zukommt. Über 60 % aller Teilneh-mer an der Umfrage sind mit dem PKW angereist(Abb. 2). In der Häufigkeit der Nennungen folgenSchiff und Fahrrad mit jeweils 10%. Hinzu kommenweitere 8 %, die mit Bussen (Reisebus und öffentli-che Verkehrsmittel) zum Museum gelangten. Bahn-reisende (4 %) und Wanderer (3 %) waren sehr sel-ten unter den Be fragten. Die Zahlen führen deutlichvor Augen, welche Bedeutung dem PKW – trotzaller Maßnahmen zur Förderung des umweltscho-nenden Tourismus – noch immer zukommt.

In diesem Zusammenhang ist das Ergebnis vonWichtigkeit, das sich bei der Frage nach der Situa -tion der Parkplätze in Uhldingen-Mühlhofen er -geben hat. Mit der Parkplatzsituation zeigten sich31 % der Besucher nicht zufrieden8. Die Fragenach der Beschilderung des Museums hat hingegenein gutes Ergebnis erbracht. Fast alle Befragten (99 %) konnten den Weg „sehr gut“ oder „nachleichtem Suchen“ finden9.

Eine der wichtigsten Fragen, die sich vor demBeginn der Umfrage stellte, zielte darauf ab, denGrund zu erfahren, der zum Museumsbesuch ge-führt hat. Die Abbildung 3 zeigt die Gründe, ge-trennt nach Kontakten, die über Familien undBekannte („Familie“), über die Auslage von Pro-spekten und über Plakate („Prospekte“), über Bei -träge bzw. Werbung in Zeitungen und Zeitschriften(„Zeitung“) sowie über Berichte im Fernsehen undim Rundfunk („Radio/TV“) zum Besuch des Mu -seums führten. Die Antworten auf diese Frage zei-gen, daß 1255 der Teilnehmer den entscheidendenImpuls für den Besuch im Museum über privateKontakte, d.h. über Familienangehörige oder überBekannte, erhalten haben. Von dieser Personengrup-pe sind nur wenige (13 %) durch Werbemaßnahmendes Museums oder durch Medien zum Besuch ange-regt worden. Daraus ergibt sich, daß der Museums-besuch in den meisten Fällen durch den engerenFamilien- oder Freundeskreis angeregt wurde.

Der zweitwichtigste Faktor stellt die Werbung desMuseums, insbesondere über Flyer und Plakate,dar („Prospekt“). Von 401 Besuchern, die die Werbeaktivität als einen Grund für ihren Besuchangaben, haben bereits 25 % weitere Impulse überdie Medien oder über die Familie erhalten. Erstdanach stand der Entschluß fest, das Museum zubesuchen. Insgesamt 311 Personen wurden auf-grund von Beiträgen in den Printmedien („Zeitung“)auf die Pfahlbauten aufmerksam gemacht. Von die-sen 311 Personen haben bereits 40 % weitere Im -pulse von außerhalb, d. h. entweder über ihre„Familie“, über „Prospekte“ oder über „Radio/TV“benötigt. Erst danach kam es zum Besuch imMuseum. Für nur 209 Auskunftpersonen (8 %)waren Beiträge im Fernsehen und im Radio(„Radio/TV“) ein entscheidender Grund für ihrenBesuch. Diese Besuchergruppe hat am häufigstenzusätzliche Anregungen für den Besuch benötigt.Jeder zweite dieser 209 Befragten hat noch weitereImpulse von außen benötigt, ehe das Museumbesucht wurde.

Die Analyse hat ergeben, daß 1997 mindestens 25 %der Besucher über gezielte Werbe maßnahmen desMuseums, d.h. über Prospekte, Plakate und den

Ergebnisse einer Besucherumfrageim Pfahlbaumuseum 1997Matthias Baumhauer

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4 Gründe dafür könnten einegewisse Müdigkeit nach demEnde der Führung sein. Aberauch andere Faktoren wie dasFehlen einer Lesebrille unddie Tatsache, daß die Senio-ren oft als Gruppenreisendeunterwegs sind und für eineBefragung keine Zeit haben,dürften entscheidende Gründefür die geringe An zahl derüber 65jährigen an der Befra-gung darstellen.

5 Diese hohe Zahl an Familienentspricht der allgemeinenTendenz, wonach Familien inkulturhistorischen Museenhäufiger anzutreffen sind alsin Kunstmuseen. Vgl. hier -zu den Beitrag von Schulze1994.

6 Für die Nahregion imGroßraum Stuttgart/Böblingenist die Bedeutung des Boden-sees als Naherholungsgebiet,auch für Wochenendausflüge,besonders hoch.

7 Hier stellt sich die Frage, obdie Landesgrenze das ent-scheidende Kriterium für dierelativ geringe Teilnahme von Östeerreichern undSchweizern dargestellt hat.

8 Zu hohe Gebühren am Orts-randparkplatz nannten 4 %der Besucher.

9 Nur 1 % der Befragten emp-fand die Beschilderung zumMuseum als unzureichend.

Frage 1:

„Sind Sie zum ersten Mal im Pfahlbaumuseum?“

Mehr als zwei Besuche (13 %)

Zwei Besuche (13 %)

Erstbesucher (74 %)

2807 = 100 %

der Budgetierung der Urlaubskasse und der Effek-tivität der Werbemaßnahmen des Museums.

Wie setzen sich die Auskunftpersonen nach sozio -

demographischen Gesichtspunkten, etwa nach Alter

und Beruf, zusammen?

37 % der Befragten waren Kinder und Jugendlichezwischen 5 und 19 Jahren. Weitere 35 % verteilensich auf die Altersgruppe der 20–50jährigen, 25 %waren im Alter zwischen 51 und 65 Jahren. Vonden über 65jährigen haben nur wenige an derUmfrage teilgenommen (3 %)4. Der größte Pro-zentsatz der Befragten waren Schüler (34 %),gefolgt von Angestellten/Beamten (21 %), Perso-nen in handwerklich-technischen Berufen (8 %),Pädagogen und Akademikern (5 %).

Unter den Teilnehmern der Umfrage waren Famili-en, die auch den höchsten Prozentsatz an Besuchernim Museum stellen, mit 64 % am häufigsten vertre-ten5. Einzel- und Gruppenbesucher nahmen zu je -weils 18 % an der Befragung teil. Bei 26 % derBefragten handelt es sich um Mehrfachbesucher,die bereits mindestens einmal in den Pfahlbautenwaren (Abb. 1). Darunter befanden sich vieleErwachsene mit Kindern, die in ihrer eigenenKindheit hier zu Besuch waren und die nun – mitGästen oder Kindern – ihre Erinnerungen auffrischenund ihre positiven Erlebnisse an andere weiterge-ben wollten.

Woher stammen die Gäste, die das

Pfahlbaumuseum besuchen?

Rund 2/3 aller Befragten gaben an, Urlauber imBodenseeraum zu sein (64 %). Aus benachbartenUrlaubsregionen, wie aus dem Schwarzwald oderaus dem Allgäu, kamen 9 %. Weitere 27 % derBefragten machten einen Tages- oder Wochenend-ausflug an den Bodensee. Die regionale Analysehat ergeben, daß ein großer Prozentsatz der Aus-kunftpersonen aus dem Bundesland Baden-Würt-temberg stammt. Die Region zwischen Stuttgartund dem Bodensee läßt sich bei der räumlichenAnalyse deutlich als Haupteinzugsgebiet und alsKernzone der Besucher des Pfahlbaumuseums aus-

Abb. 1

1 Für Hinweise zu Literaturund Anregungen zur Besucher-forschung sei Prof. Dr. HansJoachim Klein (Karlsruhe),Frau Patricia Muno (München)und Herrn Dr. Ulrich Paatsch(Heidelberg) herzlich gedankt.

2 Zu Theorie und Praxis derBesucherbefragung vgl. deneinführenden Beitrag vonKlein 1998 und Boelke/Kreid-ler 1998.

3 Den Kollegen des Museumssei bei der Anfertigung desFragebogens (Herr Peter Wal-ter M.A.) und bei der Realisie-rung der Befragung gedankt.Ein besonderer Dank gilt auchHerrn dipl. phys. MathiasKrauß, der die zeitaufwendigeEingabe der Daten in den PCübernommen hat.

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nannt. Dies trifft sowohl für das ArchäologischeLandesmuseum in Konstanz (1 %), als auch aufdas Federseemuseum in Bad Buchau (0,5 %) zu.Die Beantwortung dieser Frage zeigt deutlich, daßdie Besucher das Pfahlbaumuseum in erster Linieals attraktiven Ausflugsort und erst in zweiter Linieals „Museum“ betrachten.

Viele Besucher nehmen gerne ein kleines Anden-ken von ihrem Urlaubsort mit nach Hause. Um dasSpektrum an geeigneten Souvenirs zu erkunden,sind die Besucher nach ihrer Kaufbereitschaft undnach ihren besonderen Interessen befragt worden.Dabei ergab sich ein überraschendes Bild. Zweivon drei Besuchern sind bereit, bei geeignetenAngeboten im Museumsshop ein An denken zuerwerben. Eindeutig bevorzugt werden kleineAndenken, die im Preissegment unter 10 DM lie-gen. An erster Stelle der Kaufwünsche der Besu-cher stehen Postkarten (24 %), gefolgt von Kopienarchäologischer Funde (11 %), Büchern (10 %)und dem Führer durch das Museum (7 %).

Abschließend ist zu vermerken, daß sich vieles,was aufgrund von Erfahrungswerten vermutetwurde, in der Umfrage anhand exakter Daten be -stätigt hat. Dabei ist deutlich geworden, daß derBesucher des Pfahlbaumuseums kein klassischerMuseumsbesucher ist. Er hat weniger In teresse ander Archäologie und betrachtet die Pfahlbauteneher als Erlebnisort mit hohem Freizeitwert, andem ihm historische Sachverhalte ganzheitlich undverständlich vermittelt werden. Als wichtigesErgebnis ist festzuhalten, daß die persönliche Emp-fehlung, die auf früheren Besuchen und positivenErfahrungen im Museum beruht, den wichtigstenFaktor für den Erfolg des Freilichtmuseums dar-stellt. Das Pfahlbaumuseum dient somt als Kataly-sator für das historische Bewußtsein weiter Bevöl-kerungskreise. Es kommt auf diese Weise einemBildungsauftrag nahe, der sich an die verschieden-sten Altersgruppen wendet. Entscheidend für diepersönlichen Empfehlungen ist der hohe Grad anZufriedenheit, den die knapp 3000 Teilnehmer derBefragung zum Ausdruck gebracht haben und dersich auch in der Besuchshäufigkeit – jeder vierteBesucher ist Mehrfachbesucher – widerspiegelt.Weiterhin konnte festgestellt werden, daß etwajeder vierte Besucher im Umfragejahr durch geziel-

te Werbemaßnahmen des Museums erreicht wor-den ist. Diese Zahl verdeutlicht die Bedeutungeiner effektiven Werbe- und Öffentlichkeitsarbeitim Museum. Die Besucher haben auch Anregungenfür Verbesserungen gegeben, die zum Teil bereitsumgesetzt werden konnten bzw. die in die weiterenperspektivischen Planungen des Museums ein-fließen10. Als ein Ergebnis ist festzuhalten, daß amBodensee zu Ostern 2000 eine Gästekarte einge-führt wird, die sich auch auf den Befragungsergeb-nissen des Pfahlbaumuseums stützt. Die Planungenwerden es erlauben, zielgerichtete Konzepte für eininnovatives und in die Zukunft gerichtetes Museumzu entwickeln, das sich den Bedürfnissen des Besu-chers im neuen Jahrtausend öffnet.

Anschrift des Verfassers:

Matthias Baumhauer M.A.Pfahlbaumuseum UnteruhldingenStrandpromenade 6D-88690 Uhldingen-Mühlhofen

Abbildungen:

Abb. 1–4: Pfahlbaumuseum Unteruhldingen.

Literatur:

Boelke/Kreidler 1998 · P. Boelke/R. Kreidler (Hrsg.), Zur

Geschichte der Besucherforschung an den Museen der Stadt

Köln: Mu seumspädagogik in Köln, (Bonn 1998) 108–121.

Klein 1998 · H. J. Klein, Evaluation für besucherorientierte

Einrichtungen. In: Auf dem Weg zu effektiven Ausstellungen.

Fachtagung am Staatlichen Museum für Naturkunde und Vorge-

schichte in Oldenburg 29.–31.1.1998, (Oldenburg 1998), 1–17.

Schöbel 1999 · G. Schöbel, Tourismus und Archäologie – Das

Pfahlbaumuseum Unter uhldingen. In: Museumsblatt 27,

September 1999, 17–21.

Schulze 1994 · Besucherinteressen und Besucherverhalten im

Museum. In: M.-L. Schmeer-Sturm/Ch. Schulze/J. Thinesse-

Demel/K. Ulbricht/H. Vieregg (Hrsg.), Museumspädagogik in

neuer Sicht. Erwachsenenbildung im Museum, Bd. 1 (Balt-

mannsweiler 1994) 108–114.

94

10 Interessante Untersuchungs-ergebnisse lieferte eineUmfrage des InternationalenBodensee-Tourismusverban-des (IBT) anläßlich einerBefragung unter den 10attraktivsten Bodenseezielen(TOP 10), welche auf einernachfolgenden Gästebefra-gung im Juli und September1999 basierte. Sie zeigte denhohen Bekanntheitsgrad derPfahlbauten bereits vor demBodenseebesuch der Gäste anund bestätigte im wesentli-chen die UnteruhldingerUmfrage aus dem Jahre 1997.Mit 11,8% Bekanntheit vorUrlaubsantritt liegen diePfahlbauten in der Besucher-gunst noch vor Schloß Salemund Affenberg Salem und aufPlatz 2 hinter dem Marktfüh-rer im Bodenseetourismus,der Blumeninsel Mainau.Zum Thema vgl. auch Schöbel 1999.

Frage 4:

„Wie sind Sie angereist?“

0 10 20 30 40 50 60 70% 80

PKW

Schiff

Fahrrad

Bus

Bahn

Wanderer

Keine Angabe

Frage 12.2:

„Art der Anregung?“

0 20 40 60 80 100%

Familie

Prospekt

Zeitung

Radio/TV

Frage 13:

„Andere Besuchsorte?“

0 5 10 15 20%

Friedrichshafen

Mainau

Meersburg

Affenberg

Salem

Konstanz

Birnau

Lindau

Schaffhausen

Andere

Abb. 2

Abb. 3

Abb. 4

Einsatz von Medien erreicht worden sind. Die Ant-worten zeigen, wie wesentlich die Maßnahmen derWerbung und der Öffentlichkeitsarbeit für das Mu -seum sind. Die häufigsten Kontakte, die zum Mu -seumsbe such geführt haben, gehen jedoch auf diedirekten Empfehlung vertrauter Personen zurück.Diese persönlichen Kontakte waren in den meistenFällen der entscheidende Grund, der schließlichzum Mu seumsbesuch führte.

Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis gewinnt die

Frage, wie zufrieden die Besucher die Pfahlbauten

verlassen, eine zusätzlich Bedeutung.

Bei dieser Frage haben die Besucher dem Museumeine ausgezeichnete Leistung bescheinigt. Nur 2 %der Museumsbesucher zeigten sich mit Ihrem Be -such nicht zufrieden. Insgesamt 98 % der Befrag-ten haben das Museum sehr oder zumindest eini-germaßen zufrieden verlassen. Ein positives Bildergab sich auch bei der Frage nach der Qualität derim Museum dargebotenen Information und bei derBetreuung der Besucher durch das Museumsperso-nal. Auch bei dieser Frage zeigten sich jeweils 98 % der Besucher mit dem jetzigen Zustand sehrbzw. einigermaßen zufrieden. Die Antworten führendeutlich vor Augen, daß die Besucher im Museumbedürfnisgerecht informiert werden.

Wie lassen sich in Zukunft potentielle Besucher für

das Museum gewinnen?

Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, sinddie Besucher nach anderen Ausflugszielen befragtworden. Dabei sind, wie erwartet, vor allem dietouristischen Anziehungspunkte der Bodensee-Region genannt worden (Abb. 4). Am häufigstenwurde das Zeppelinmuseum in Friedrichshafenerwähnt, das jeder fünfte Besucher der Pfahlbautenin seinem Besuchsprogramm hatte (20 %). Mit derInsel Mainau (15 %), Burg und Stadt Meersburg(14 %), dem Affenberg bei Mendlishausen, Salemund der Barockkirche Birnau folgen fünf touristi-sche Ziele, die ein umfangreiches Kultur- und Frei-zeitangebot bieten. Zwei von drei Umfrageteil -nehmern besuchten mindestens einen dieser sechsOrte, die in unmittelbarer Nachbarschaft zumPfahlbaumuseum liegen. Archäologische Museenwurden als Ausflugsziele nur ganz vereinzelt ge -

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trennte eine lange, ununterbrochene Siedlungstätig-keit von den jüngsten, schlecht erhaltenen Sied-lungsphasen. Unter der Versturzschicht lagen zwei,möglicherweise drei aufeinanderfolgende Schich-ten mit überdurchschnittlich reichem Fundmaterial.Vermutlich führte eine Katastrophe dazu, dass dieSiedler beinahe ihren gesamten Hausrat zurückge-lassen hatten (Abb. 1, 2). Die Ursachen dafür sindnoch unklar. Ein abrupter Seespiegelanstieg kannaufgrund der Verhältnisse des Pfäffikersees ausge-schlossen werden.

In der Fläche zeichnete sich eine für Seeufersied-lungen typische, regelmässige Anordnung vonHerdstellen ab. Zusammen mit den Pfahlstandortenergaben sich noch keine konkreten Hausgrundrisse,allerdings haben die Auswertungen erst vor kurzembegonnen. Die Herdstellen mit Durchmessern zwi-schen einem bis vier Metern bestanden aus Lehmund waren auf Baumrinden, Astmaterial oder ver-schiedenen Hölzern ausgelegt. Auch bei den zahl-reichen Erneuerungen breitete man auf der altenHerdstelle eine neue Unterlage aus. Seltener wur-den die Lehmschichten durch eine aschig-sandigeSchicht mit Holzkohle getrennt. Üblicherweisewurde die anfallende Asche von der Herdstelleweggeräumt. Im Randbereich der Herdstellen ent-standen so zusammen mit zahlreichen Knochenund unterschiedlichen Funden regelrechte Abfall-haufen. Insgesamt wurden während der Ausgra-bung rund 140 Herdstellen und 200 andere Sied-lungsstrukturen wie Abfallhaufen oder Flachskon-zentrationen dokumentiert und von über 4500 Hölzern Proben entnommen.

Das Fundmaterial ist charakteristisch für die Horge -ner Kultur und kann aufgrund typischer Merkmalein den Zeitraum von 3100 – 3000 v. Chr. datiertwerden. Die bisherigen, noch nicht abgeschlosse-nen Jahrringmessungen an Eichen- und Weisstan-nenproben brachten relative Abfolgen von Schlag-phasen, aber noch keine absoluten Datierungen.

Dank der fundreichen Siedlungsschichten stehtheute eine Vielzahl interessanter Artefakte zur Ver-fügung. So standen beispielsweise mehrfach dieTopfböden noch in Reihen und lediglich die Gefäss -wände lagen stark zerscherbt daneben. In Rohlinge

für Beilklingen zersägte und aufgespaltene Steinelassen sich teilweise wieder zusammensetzen undgeben Auskunft über den Herstellungsprozess undden Arbeitsplatz. Zu den interessantesten Fundenzählen neben den Textilien die Holzobjekte, erlau-ben doch erst die Funde von Griffen, Stielen, Fas-sungen und Zwischenstücken eine sichere Deutungder Geräte aus Felsgestein, Silex, Geweih undKnochen. Diese besondere Bedeutung des Werk-stoffes Holz zeigt sich vor allem bei guten Erhal-tungsbedingungen, wie in Pfäffikon-Burg, wo bei-nahe jedes zehnte Fundobjekt aus Holz besteht.Dies ergibt insgesamt über 1200 Holzartefakte, dienach sorgfältiger Dokumentation zur Zeit in denLabors des Schweizerischen Landesmuseums kon-serviert werden. Durch den starken Druck derDeckschichten waren vor allem die grösseren Holz -objekte teils erheblich deformiert und in kleineFragmente zerbrochen, weshalb sich die Bergungund nun die Re staurierung schwierig gestaltet.

Im reichen Fundmaterial fallen einige bisher nichtbekannte grosse, kammartige Hechel aus Holz -spitzen auf. In ihrer Art gleichen sie überdimensio-nalen Kämmen. Sie bestehen aus 8 – 10 Holzspitzenvon bis zu 50 cm Länge, die in der Mitte durcheinen quer zu den Spitzen angebundenen Knebelzusammengehalten werden. Neben solchen grossenExemplaren wurde auch ein kleiner Hechel ausHolz spitzen gefunden (Abb. 4). Die Spitzen bestehenaus Weisstannenholz und werden von einer Schnuraus Lindenbast zusammenghalten. Der Hechel mit fünf Zinken ist vermutlich nicht vollständig

Abb. 3 (links): Pfäffikon-Burg, grosser kammartigerHechel aus Holzspitzen(Länge 47 cm).

Abb. 4 (rechts): Pfäffikon-Burg, kleiner Hechel ausHolzspitzen, Weiss -tanne, M. 1:3.

97

Neue Holzfunde aus Pfäffikon-Burg, Kanton Zürich, Schweiz

Der Pfäffikersee ist seit den spektakulären Ausgra-bungen von Jakob Messikommer zu Beginn diesesJahrhunderts – im Gegensatz zu Zürich- und Grei-fensee – archäologisch gesehen ein wenig in denHintergrund getreten. Die wichtigen Fundstellenam Pfäffikersee blieben jedoch, dank der einzigar-tigen Er haltungsbedingungen, stets von besondererBedeutung. Im Jahre 1997 wurde mit der Ausgra-bung Pfäffikon-Burg erstmals seit beinahe 100 Jahren wieder eine Pfahlbausiedlung in grösseremAusmass untersucht.

Die 1925 entdeckte Fundstelle liegt am nördlichenEnde des Pfäffikersees im Areal einer ehemaligenFischzuchtanstalt. Erste archäologische Untersu-chungen setzten erst 1982 mit verschiedenen Bau-projekten ein. Im Zuge der Inventarisierung derSeeufersiedlungen im Kanton Zürich beobachtetedie Tauchequipe des Büros für Archäologie derStadt Zürich zudem in der steil abfallenden See -halde eine dünne Kulturschicht.

Anlass für die 1997 durchgeführte umfangreicheAusgrabung war der Neubau eines grösseren Re -gen wasserrückhaltebeckens der Gemeinde Pfäffi-kon. Während sechs Monaten, von Anfang Februarbis Ende August 1997, konnte eine Fläche vonrund 520 m2 untersucht werden. Dabei wurde dieBaugrube mit Spundwänden gesichert und derGrundwasserspiegel künstlich abgesenkt.

Aus den vorausgegangenen Sondierungen ergabensich lediglich Hinweise auf eine dünne organischeSchicht der Horgener Kultur. Gross war die Über-raschung, als man in der Grabungsfläche eine 60 –110 cm mächtige Kulturschicht aufdeckte. In fein-stratigraphischen Abträgen liessen sich innerhalbdieser reichhaltigen organischen Schicht zahlreicheHorizonte unterscheiden. Eine dichte Abfolge vonHerdstellen deutet auf eine kontinuierliche Besied-lung hin. Für Siedlungsunterbrüche typische Ein-schwemmsedimente fehlten. Eine grossflächigeVersturzschicht, die in Zusammenhang mit einemkurzfristigen Siedlungsunterbruch stehen könnte,trat im obersten Teil der Kulturschicht zutage. Sie

Aktuellesaus der Archäologie

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Abb. 1 (oben): Pfäffikon-Burg, grosseSchale (Länge 72 cm)und kleiner Napf (Ø ca. 11 cm) in Fund-lage.

Abb.2 (unten): Pfäffikon-Burg, Fundsi-tuation mit Knieholm,Zwischenfutter undSteinbeilklinge sowieFurchenstock.

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Fassungsteil wurde mit zwei oder drei Beilhiebenabgetrennt. Der Griffteil ist noch kantig und manerkennt noch, wie er aus dem Stamm herausgespal-ten wurde (Abb. 7). Selten sind weitgehend fertigbearbeitete Holmrohlinge: einer weist jedoch einenfein überarbeiteten Griff auf und am Schäftungsteilwurde mit dem Herausarbeiten der Gabelung be -gonnen (Abb. 8).

Nicht nur bei den Beilholmen lassen sich die Bear-beitungsschritte detailliert nachvollziehen: AuchRohlinge der kleinen Holzgriffe der Horgener Mes-ser sind mehrfach als noch unbearbeitete, länglicheKlötzchen aus Pappelrinde nachgewiesen. Einesdieser Pappelrindenstücke weist bereits eine Roh-form und einen erst wenig eingetieften Einsatz-schlitz auf (Abb. 9). Abbildung 10 zeigt neben einembereits verwendeten Horgener Messer (rechts) einnoch unbenütztes Exemplar (links): Die Griffendensind noch spitz und die Bearbeitungsspuren nochdeutlich erkennbar, der Birkenteer ist noch nichtabgegriffen und die eingesetzte Silexklinge weistnoch keine Retuschen auf. Es stellt sich die Frage,ob die Klinge noch nicht gebrauchsfertig war odererst bei der Nachschärfung der Schneidekante erst-mals retuschiert worden wäre.

Ein besonderer Fund stellt ein massives, aus Eichen -holz gearbeites Artefakt dar (Abb. 11). Es wurdeaus einem Stamm-Astübergang hergestellt, wobeider Ast kaum bearbeit ist. Aus dem Stammteilwurde auf der einen Seite eine grobe keilförmigeSpitze gearbeitet. Die andere Seite endet in zweilangen, massiven Gabeln. Möglicherweise handeltes sich um eine Pflugsohle und der nicht vollstän-dig erhaltene Astteil bildet den Pflugbaum. Sterzund Pflugschar – möglicherweise aus einem Stückgefertigt oder eng verbunden – wären zu ergänzen.Sie wären so zwischen den Gabelteilen zu befesti-gen, dass die Pflugschar den Boden aufreissen undmit dem Sterz gelenkt werden konnte.

Handelt es sich dabei tatsächlich um einen Pfug, sowäre dies einer der ältesten Nachweise. Aufgrundder Ergebnisse der archäobotanischen Untersu-chungen am unteren Zürichseebecken ist jedocheine Intensivierung des Ackerbaus nachgewiesenund alles deutet auf die Verwendung von Pflügenin Horgener Zeit hin (Jacomet/Brombacher/Dick1989, 155). Auch bei den zoologischen Analysen

Abb. 9: Pfäffikon-Burg, Griff eines HorgenerMessers ohne Klingeund grob zugerichteterRohling.

Abb. 10: Pfäffikon-Burg, Horgener Messer: Ein noch nicht verwen-detes Exemplar (links)und ein Exemplar mitabgegriffenem Holz-griff und Birkenteer(rechts).

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Abb. 8: Pfäffikon-Burg, Knieholmrohling ausEichenholz. Die grobeFormgebung ist abge-schlossen und amSchäftungsteil wurdemit dem Auftrennen derGabelteile begonnen.M. 1:6.

erhalten. Er lässt sich mit den üblicherweise auszugespitzten Hirschrippen gefertigten Flachshe-cheln vergleichen. Einzeln sind solche Holzspitzen,die sonst vorwiegend aus Eibenholz bestehen,bereits seit längerem bekannt. Sie wurden bisheranalog zu den Knochenspitzen als Geschossspitzeninterpretiert (Schlichtherle 1995, 68).

In der Horgener Kultur wäre ein Hausrat ohneHolzgefässe nicht denkbar, denn aus Keramik wur-den lediglich die groben Kochtöpfe und die Vor-ratsgefässe gefertigt. Alle übrigen Gefässe bestan-den aus Holz. In Pfäffikon-Burg präsentiert sichvermutlich das gesamte Spektrum der hergestelltenHolzgefässe: Schalen, Schüsseln und Becher inallen Grössen und Formen (Abb. 1 und 5) gab esebenso wie Schöpfer und Tassen. Auffällig sindjedoch die zahlreichen Rohlinge und besonderszahlreich liegen unbearbeitete oder nur grob zuge-schlagene Maserknollen vor (Abb. 6). Diese ge -hören zum bevorzugten Rohmaterial für rundlicheGefässformen, da die verwachsene Holzstrukturweniger aufriss.

Von den beinahe 200 geborgenen Knieholmen für Steinbeile geben einige nicht fertig bearbeiteteExemplare Auskunft über die Herstellung. DieKnieholme wurden üblicherweise aus Astabzwei-gungen von Eichen oder ausnahmsweise von Buchengefertigt. Der Stand der Bearbeitung ist sehr unter-schiedlich, mehrheitlich handelt es sich um ledig-lich grob zugehauene Rohlinge. Der Ast für den

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Abb. 5: Pfäffikon-Burg, vollständig erhalteneHolzschüssel. Durch-messer ca. 30 cm.

Abb. 6: Pfäffikon-Burg,Rohling für eine Tasseoder Schöpfer ausWeisstanne. Besondersdeutlich sind die Hieb-spuren erkennbar.

Abb. 7: Pfäffikon-Burg, Knieholmrohlingaus Buchenholz. Am Kopfendebeginnt der erste Arbeitsschritt mitder Herstellung des Holmenkopfs,M. 1:6.

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Die besondere Bedeutung der Fundstelle Pfäffikon-Burg liegt im reichhaltigen Fundmaterial und in den– trotz der Lagerung von 5000 Jahren – kaum zer-störten Siedlungshorizonten. Es ist nun Aufgabe derverschiedenen Spezialdisziplinen der Archäologiewie der Dendrochronologie, Botanik, Zoologie undAnthropologie, die sich stellenden Fragen zu beant-worten. Bereits jetzt steht fest, dass die FundstellePfäffikon-Burg sowohl zu neuen Resultaten als auchzu weiteren Fragen führt. Vermutlich begannenwichtige technische und wirtschaftliche Veränderun-gen bereits im Zeitraum der Besiedlung und nichterst mit dem kulturellen Wechsel von der Horgenerzur Schnurkeramischen Kultur.

Anschrift des Verfassers:

lic. phil. Ulrich EberliKantonsarchäologie ZürichWalchetorCH-8090 Zürich

Abbildungen:

Fotos: Kantonsarchäologie Zürich.

Fundzeichnungen: Daniela Hoesli, Kantonsarchäologie Zürich.

Literatur:

Hüster-Plogmann/Schibler 1997 · H. Hüster-Plogmann/

J. Schibler, Archäozoologie. Ökonomie und Ökologie neolithischer

und bronzezeitlicher Ufersiedlungen am Zürichsee. Monogr.

Kantonsarch. Zürch 20 (Zürich 1997) 40 –121.

Jacomet/Brombacher/Dick 1989 · S. Jacomet/Ch. Brombacher/

M. Dick, Archäobotanik am Zürichsee. Ber. Zürcher Denkmal-

pfl. Monogr. 7 (Zürich 1989).

Schibler u.a. 1997 ·J. Schibler/S. Jacomet/H. Hüster-Plogmann/

Ch. Brombacher, Synthese – Synthesis. Ökonomie und Ökolo-

gie neolithischer und bronzezeitlicher Ufersiedlungen am Zürich-

see. Monogr. Kantonsarch. Zürch 20 (Zürich 1997) 329–361.

Schlichtherle 1995 · H. Schlichtherle, Ödenahlen – eine jungneo-

lithische Siedlung der „Pfyn-Altheim Gruppe Oberschwabens“ im

nördlichen Federseeried. Archäologische Untersuchungen 1981–

1986. Siedlungsarchäologie im Alpenvorland III.

Forschber. z. Vor- u. Frühgesch. Baden-Württemberg 46

(Stuttgart 1995) 9–128.

Abb. 12: Pfäffikon-Burg, Weisstannenbrett(Schindel), wieder -verwendet beim Unter-bau einer Feuerstelleaus Lehm.

Abb. 13:Pfäffikon-Burg,mögliche Türe, bestehend aus zweischlecht erhaltenenBrettern und einemTürpfosten.

Abb. 14:Pfäffikon-Burg, Detail der möglichenTüre: einer der beidenDübelzapfen, die denTürpfosten mit demBrett (Türflügel) ver-bindet.

Schöbel 1999 · G. Schöbel, Der Nachbau eines „Arbon-Hauses“

der Horgener Kultur im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen am

Bodensee. AEAS, Anzeiger 1999, 5 – 8.

101

zeichnen sich in diesem Zeitraum Veränderungenab: Rinder wurden als Zug- und Lasttiere einge-setzt (Hüster-Plogmann/Schibler 1997, 67). Aus derZeit vor 3000 v. Chr. sind sichere Funde von Rädern,Jochen und Pflügen noch äusserst selten (Schibleru.a. 1997). Die Intensivierung des Ackerbaus und dienachgewiesene Ertragssteigerung im späten Neo -lithikum setzt jedoch solche Funde in grösserer Zahlvoraus.

Dank der ausgezeichneten Erhaltungsbedingungen inPfäffikon-Burg besteht die Möglichkeit, umfassendebotanische Analysen durchzuführen und noch offeneFragen zur Landwirtschaft, wie Spezialisierung,Intensivierung und Expansion weiter zu klären.Erste, bereits während der Grabung durchgeführtearchäobiologische Bestimmungen (Botanisches In -stitut und Seminar für Ur- und Frühgeschichte, Ab -teilung für Archäozoologie der Universität Basel)erbrachten erstaunliche Resultate und wirkten sichvorteilhaft auf das grabungstechnische Vorgehenaus. Dank dieser Ergebnisse war es möglich, Kon-zentrationen oder Veränderungen innerhalb der orga-nischen Kulturschicht gezielter zu dokumentieren.Da lediglich geringe Verlagerungen der organischen

Schichten vorliegen, ist eine ideale Basis zur Unter-suchung der Siedlungsorganisation gegeben.

Im Gegensatz zu den Holzfunden haben sich –abgesehen von den zahlreichen Pfählen – nur aus-nahmsweise Bauhölzer erhalten. Vermutlich wurdebeim Hausbau grundsätzlich auf aufwendige Zim-mermannsarbeiten verzichtet. Häufig gefundenwurden jedoch kleine Fragmente von Schindeln,welche für die Dächer und/oder die Wände ver-wendet wurden. Die Masse sind anhand der kleinenFragmente nicht zu ermitteln, allerdings wurdenfür den Unterbau der Herdstellen solche Schindelnwiederverwendet. Vor allem die Herdstellen derzweitjüngsten Siedlungsphase wiesen viele wieder-verwendete Schindeln auf, bei welchen die Längenzwischen 1–2 Meter variierten (Abb. 12).

Ebenfalls unter einer Herdstelle wurde nebeneinem stark verwitterten Brett ein Pfosten mit zap-fenförmigem Ende gefunden (Abb. 13). Das Brettwar mit dem Pfosten durch zwei Dübel verbunden(Abb. 14). Wahr scheinlich fassen wir damit denRest einer Türe. Die zapfenförmigen Enden desTürpfosten drehten sich vermutlich in einer geloch-ten Türschwelle bzw. einem Türsturz.

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Abb. 11: Pfäffikon-Burg, pflugartiges Gerät ausEichenholz, M. 1:6.

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mit Mollusken, Steinen, Holzkohlestücken, Tan-nenästchen, Rinde, Moos, diversen anderen organi-schen Bestandteilen und Funden. So fanden sich u. a.Keramikscherben, Steinbeile, Geräte aus Feuer-stein, Knochen, Geflechte und die Reste eines Ein-baums aus Lindenholz. Zur Kuppenmitte hin über-deckt dieser Horizont verschiedene Abfolgen vonz.T. ausgewaschenen, lehmigen, stellenweise starkmit organischem Material durchsetzten Seekreiden,aus welchen ebenfalls diverse Funde stammen. Sokonnten daraus u. a. nahezu vollständig erhalteneGefässe geborgen werden (Abb. 3).

Im gesamten Bereich der Siedlungsstelle fandensich zahlreiche Pfähle, die allesamt bereits auf demNiveau des Seegrundes beobachtet werden konnten.Insbesondere zur Kuppenmitte hin standen diePfähle sehr dicht beieinander. Bis jetzt konnte ersteine mögliche Hausfront erkannt werden.

„Prunkaxt“

Gegen Ende der Tauchkampagne 1998/99 wurdeeine in Europa einzigartige „Prunkaxt“ entdeckt.Die Axt konnte in drei Teilen mit dem darunter lie-genden Sediment im Block geborgen werden. Auskonservierungstechnischen Gründen ist sie nochnicht fertig freigelegt.

Beschreibung: Der Holm mass in Fundlage 120 cmin der Länge (Abb. 4). Er ist aus einem grösseren,gut gewachsenen Eschenstamm von mindestens 10 cm Durchmesser herausgearbeitet worden.

Das Stück weist breite Jahrringe auf, die in Schlag -richtung verlaufen; dadurch wird eine optimaleFestigkeit des Holmes erreicht.

Der Holm ist mit Bändern aus Birkenrinde spiral -förmig umwickelt. Die Rinde ist mit einem Rasterrhom benförmiger Einstiche flächig verziert (Abb. 4–5). Unterschiede in der Grösse und An -ordnung der Rhomben gliedern den Schaft in zweietwa gleich grosse Hälften.

Die Analyse hat gezeigt, dass die Rindenwicklungmit dunkelbraun-schwärzlichem Birkenrindenpechauf den Holm geklebt wurde. Das eingestocheneMuster muss durch den Wechsel von weisser Bir-kenrinde und mit Birkenrindenpech schwarz ge -füllten Einstichen ursprünglich einen äusserst de -korativen Eindruck vermittelt haben.

Die Steinklinge dürfte aus Serpentinit gefertigt sein(Analyse noch ausstehend). Sie ist 17,2 cm lang undzweiseitig zugeschliffen. Die lichte Weite des Bohr-lochs misst 3,3 cm. Die Klinge weist auf der Ober-seite der einen Schneide und auf der Un terseite imBereich des Schaftloches Verletzungen auf.

Der Holm aus Eschenholz ist von unten in dieKlinge eingepasst. Auf der Unterseite der Klingeist der Übergang zum Schaft mit Birkenrindenpechverklebt. In das obere, aus der Klinge hervorste-hende Schaftende sind von oben her vier Keile ausHirschgeweih in den Holm eingeschlagen worden,was ein Abrutschen der Klinge verhinderte.

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Abb. 4 (rechts):Provisorische Aufnah-me der noch nicht fertigfreigelegten Axt.Länge 120 cm.

Abb. 5 (links): Detail der Birkenrin-denwicklung mit rhom-benförmiger Einstich-verzierung.

Archäologische Entdeckungen im Zugersee

Siedlung Cham-Eslen

Anlässlich archäologischer Prospektionstauch -gänge im Zugersee wurde im Jahre 1996 beiCham (Kanton Zug, Schweiz) eine Siedlungsstelledes ausgehenden 5. Jahrtausends vor Christus ent-deckt. Diese mit dem Flurnamen „Eslen“ bezeich-nete Fundstelle im See liegt ca. 70 m vom Uferentfernt auf einer leichten Erhebung des Seegrun-des. Im September 1997 sowie zwischen Oktober1998 und Februar 1999 war die Fundstelle Gegen-stand taucharchäologischer Rettungsuntersuchun-gen einer gemischten Tauchequipe der Kantonsar-chäologie Zug und des Büros für Archäologie derStadt Zürich.

Anhand der Keramikgefässe und C14-Daten kann die Fundschicht in die Zeit zwischen ca. 4350 und4000 vor Christus datiert bzw. der frühen Cortaillod-Kultur und evtl. noch der Egolzwiler Kultur zuge-wiesen werden. Damit handelt es sich nicht nur umdas älteste Seeuferdorf Zugs; die neue Fundstelleentspricht einer der ältesten bisher nachgewiesenenSeeufersiedlungen der Schweiz überhaupt.

Kulturgut in Gefahr

Die im See liegende, rund 20 x 30 m grosse Kuppe,auf welcher sich die Siedlung befindet, ist mehr-heitlich mit Steinen überdeckt (Abb. 1). Unter die-sen Steinen folgt stellenweise ein bis zu 15 cmdicker Wurzelteppich. Geschützt, unter diesemWurzelteppich liegend, konnte sich ein zwischen 2und 4 cm starker Reduktions- oder aber Akkumula-tionshorizont erhalten, der stark mit Wurzelndurchzogen war (Abb. 2). Ansonsten enthielt dieserHorizont Mollusken, Holzkohle, Steine und einigeKeramikscherben. In jenen Bereichen, wo derWurzelteppich fehlt, folgt direkt unter den auf demSeegrund liegenden Steinen eine bis zu 25 cmmächtige Seekreide. In dieser fanden sich nebenvielen liegenden Hölzern auch etliche Steine.

Der eigentliche Fundhorizont lag teilweise unterdieser mächtigen Deckseekreide (Abb. 2). Stellen-weise stieß er aber bis zum Seegrund hinauf, wo ersehr stark der Erosion ausgesetzt ist. Bei diesemFundhorizont handelt es sich um eine 1–10 cmdicke Reduktionsschicht, bestehend aus Seekreide

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Abb. 2: Profil, Blickrichtunggegen Nordosten.

Abb. 3: FlaschenförmigesGefäss (Höhe: ca. 18cm) mit ovaler Mün-dung und zweifachgelochten Henkelösen.

Abb. 1:Das Tauchen im Winter (Januar 1999)bietet den Vorteil klarer Sichtverhältnisseim See.

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Vergraben hindeuten, um das Holz möglichst langefeucht zu halten. Eine ähnliche Befundsituationkonnte bei den zahlreichen Gefäß-Halbfabrikatenvon Niederwil-Gachnang TG Egelsee beobachtetwerden (Müller-Beck 1991, 165). Allerdings fan-den sich in Arbon-Bleiche 3 keine Konzentrationenvon Rohlingen, die auf eine genau lokalisierbareSchnitzwerkstatt hinweisen würden (Abb. 2).

Die neun Objekte gliedern sich in zwei fertige Tas-sen, vier Halbfabrikate, ein Henkelfragment sowiezwei Abfallstücke der Tassenproduktion (Abb. 3).Hervorzuheben ist die vollständige Tasse aus Kern-obstholz, die eine Wandstärke von lediglich 4 mmaufweist (Abb. 4). Es grenzt fast an ein Wunder,dass dieses feine Stück über 5000 Jahre unbescha-det im Boden erhalten geblieben ist.

Obwohl nur neun Tassen resp. Halbfabrikate ge -borgen wurden, kann die Herstellungstechnik die-ser Gerätekategorie nahezu lückenlos belegt undrekonstruiert werden. Als Rohmaterial wurde Ahorn -holz eindeutig bevorzugt; lediglich zwei Objektesind aus Kernobst resp. Eschenholz gefertigt. In der Regel wurde aus einem jungen, schnell ge -wach senen Stammabschnitt ein Rohling herausge-schnitzt, wobei senkrecht zum rund gestaltetenTassenkörper ein grosses Holzstück für den künfti-gen, gebogenen Henkel vorbereitet wurde. Diegezielte Auswahl von Ahornholz für die Tassen-produktion kann auch in anderen neolithischenInventaren beobachtet werden (Winiger 1981,190). Die Oberfläche überarbeitete man schon amRohling sehr sorgfältig, was das Fehlen groberSchnitzspuren belegt. Anschliessend höhlte manmit einem scharfen Gerät, wohl einem Silexarte-fakt, den Tassenkörper aus, bis nur noch eineWanddicke von wenigen Millimetern bestand. Erstzum Schluss wurde aus dem übrig gebliebenen,senkrecht orientierten Holzstück der gekrümmteHenkel herausgeschnitzt. Anschliessend über-schliff man mit Hilfe von Sand die restlichen Ober-flächen, bis diese glatt poliert waren.

Die dendrochronologischen Untersuchungen erga-ben, dass die Siedlung Arbon-Bleiche 3 genau indie Zeit zwischen der Pfyner und der HorgenerKultur datiert (3384–3370 v. Chr.). Nun sind Holz -tassen mit hochgezogenem Bogenhenkel allgemeintypisch für die Horgener Zeit (Winiger 1981, 196).

Abb. 1:Arbon, Luftaufnahmevon Süden, 1995. In derMitte links das Grabungsareal Blei-che.

Abb. 2:Arbon Bleiche 3,Grabungen 1983 und1993 – 95. Dorfplanund Fundlage der Holz-tassen. Haus 23 wurdeim PfahlbaumuseumUnteruhldingen nachge-baut (Schöbel 1999).

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Im Gegensatz zur Gefässkeramik von Arbon-Bleiche 3, die noch stark vom pfynzeitlichen For-menspektrum geprägt ist, scheinen somit in derHolzgefäß-Schnitzerei schon sehr früh neue, progressive Formen entwickelt worden zu sein.Über die Funktion der Holztassen kann nur speku-liert werden, da sich keinerlei Krusten oder sonsti-ge Spuren an den Wänden erhalten haben.

Die Art der Schäftung der Klinge ist bisher v. a.mit Hilfe von Röntgenaufnahmen ermittelt worden.

Datierung: Da die Axt aus besagtem Reduktions -horizont stammt, dürfte sie ebenfalls in die Zeitzwischen 4350 und 4000 vor Christus gehörenbzw. der frühen Cortaillod-Kultur oder vielleichtder Egolzwiler Kultur zuzuweisen sein. C14-Mes-sungen vom Holm werden dies bestätigen müssen.

Funktion: Über die Verwendung der Prunkaxt wirdbereits spekuliert. Obwohl die Axt stabil konstruiertist, sprechen verschiedene Indizien vorerst gegeneine Verwendung als „normales“ Ar beits ge rät. Würdees sich um ein alltägliches Ge brauchs gerät handeln,müssten unter den in den Ufersiedlungen des nördli-chen Alpenvorlandes zahlreich ausgegrabenen Fundenweitere Exemplare vorliegen. Zudem war das Gerätaufgrund seiner „Überlänge“ für viele praktische Ar -beiten, wie beispielsweise für das Holzfällen, wohleher ungeeignet. Weiter war die durch die Bohrungdes Steins hervorgerufene dünne Wandung der Klingekaum dazu geeignet, um harte Schläge aufzufangen.Andererseits weisen u. a. die Absplitterungen an derSteinklinge und das hinsichtlich seiner Zähigkeit undFestigkeit optimal ausgesuchte und verarbeitete Eschen -holz darauf hin, daß die Axt nicht nur als Würdezei-chen oder Zeremonialgerät symbolisch eingesetztworden sein dürfte. Für weiterführende Diskussio-nen wird die potentielle Einsatzfähigkeit des Gerätsmittels praktischer Versuche zu studieren sein.Unabhängig einer eventuellen praktischen Verwen-dung dürften die auffällige Länge sowie die sorgfäl-tige Machart die Chamer Axt aber auf jeden Fall zueinem Statussymbol einer einzelnen Person odereiner sozialen Gruppe gemacht haben (Häuptling,Priesterin, Krieger).

Anschrift der Verfasser:

lic. phil. Ursula Gnepf Horisberger, Dr. Stefan HochuliKantonsarchäologie ZugHofstrasse 15CH-6300 Zug

Werner H. SchochLabor für quartäre HölzerUnterrütistr. 17CH-8135 Langnau a. Albis

Abbildungen:

Abb. 1: Kantonsarchäologie Zug/Flying Camera, B. Krähenbühl.

Abb. 2: Kantonsarchäologie Zug, R. Auf der Maur.

Abb. 3, 5: Kantonsarchäologie Zug, R. Eichenberger.

Abb. 4: Kantonsarchäologie Zug, S. Nüssli, Baltensweiler.

Literatur:

Hochuli 1998 · St. Hochuli, Archäologie im Zugersee. Nachrbl.

Arbeitskreis Unterwasserarch. 4, 1998, 16–23.

Tugium 14, 1998 · 26 f., Abb. 10–11.

Gnepf Horisberger 1999 · U. Gnepf Horisberger, Cham-Eslen:

Eine Siedlung des ausgehenden 5. Jt. v. Chr. im Zugersee.

Neuste Ergebnisse der Grabungskampagne vom Herbst/Winter

1998. Nachrbl. Arbeitskreis Unterwasserarch. 5, 1999, 52–53.

Gnepf Horisberger/Hochuli 2000 · U. Gnepf Horisberger/St.

Hochuli. Eine über 6000 Jahre alte Doppelaxt aus dem Zuger-

see. Nachrbl. Arbeitskreis Unterwasserach. 6, 2000 (in Druck).

Nicht alle Tassen im Schrank ...Die Holztassen-Herstellung im jungsteinzeitlichen Dorf Arbon-Bleiche 3

Die Grabungen des Amtes für Archäologie desKantons Thurgau der Jahre 1983 sowie 1993–1995in der Seeufersiedlung Arbon-Bleiche 3 haben zahl -reiche Hinterlassenschaften aus der Zeit von 3384bis 3370 v. Chr. ans Tageslicht gefördert (de Capi-tani/Leuzinger 1998, 237–249) (Abb. 1). Dank der hervorragenden Feuchtbodenerhaltung fandensich auch viele Holzartefakte wie Werkzeuggriffe,Kämme, Schalen, Körbe und Tassen.

Von besonderem Interesse sind dabei neun Objek-te, bei denen es sich entweder um fertige Exem -plare, Halbfabrikate oder Abfallstücke der Tassen -produktion handelt. Sie stammen mit Ausnahmevon zwei Stücken aus der organischen Kultur-schicht. Gerade bei den Halbfabrikaten könntediese einheitliche Fundlage auf ein bewusstes

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Wahrschein lich dienten sie zum Schöpfen vonFlüssigkeiten oder wurden im eigentlichen Sinne alsTrink gefässe resp. Tassen verwendet.

Was die zweite Hälfte des Titels anbelangt, sindwir vollständig auf Spekulationen angewiesen.Trotz der guten Erhaltungsbedingungen für orga -nisches Material haben sich nämlich keinerleiMöbelreste erhalten. Vermutlich standen in denHäusern weder Schränke noch Truhen. MehrereFundkonzentrationen von Geräten entlang der Haus -wände, z.B. Steinbeile oder Spinnwirtel, könntenbelegen, dass die Mehrzahl der Gerätschaften ent-weder an Balken aufgehängt, oder allenfalls aufeinfachen Wandbrettern versorgt wurden. Wie eindamaliger Haushalt ausgesehen haben könnte, lässt sich bald in der neuen Hausrekonstruktionvon Arbon TG Bleiche 3 im PfahlbaumuseumUnter uhldingen ablesen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Urs LeuzingerAmt für Archäologie des Kantons ThurgauSchlossmühlestrasse 15 ACH-8510 Frauenfeld

Abbildungen:

Abb. 1, 2: ATTG (U. Leuzinger).

Abb. 3: ATTG (E. Schön).

Abb. 4: ATTG (D. Steiner).

Literatur:

De Capitani/Leuzinger 1998 · A. de Capitani /U. Leuzinger,

Arbon-Bleiche 3, Siedlungsgeschichte, einheimische Traditio-

nen und Fremdeinflüsse im Übergangsfeld zwischen Pfyner und

Horgener Kultur. Jahrb. SGUF 81, 1998, 237–249.

Müller-Beck 1991 · H.-J. Müller-Beck, Die Holzgeräte.

In: H. T. Waterbolk/W. van Zeist et al., Niederwil, eine Sied-

lung der Pfyner Kultur. Band IV: Holzartefakte und Textilien.

Academica Helvetica (Bern 1991).

Schöbel 1999 · G. Schöbel, Der Nachbau eines „Arbon-Hauses“

der Horgener Kultur im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen am

Bodensee. AEAS, Anzeiger 1999, 5–8.

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Neues zur Architektur des west -schweizerischen Endneolithikums: erste Auswertungsergebnisse derBefunde in den Seeufer sied lungenvon Concise-sous-Colachoz (VD)am Neuenburgersee

Vorbemerkungen zum Projekt „Bahn 2000“

Die Modernisierung und Umstrukturierung desschweizerischen Eisenbahnnetzes, Projekt „Bahn2000“ genannt, führte dazu, daß in mehreren Teilen des Landes umfangreiche archäologischeRettungsmaßnahmen durchgeführt werden mußten(eine kritische Bestandsaufnahme der gegenseiti-gen Wechselbeziehungen zwischen linearen Groß -projekten und den dadurch verursachten archäolo-gischen Interventionen findet sich in dem vonKaenel 1998 herausgegebenen Sammelband). Derin dieser Hinsicht momentan am stärksten betroffeneBauabschnitt ist der Neubau einer doppelspurigenSchnellbahnlinie entlang des Jurahangfußes amNordufer des Neuenburgersees. Die geplante undz.T. bereits fertiggestellte Trasse gefährdet eineganze Reihe archäologischer Fundstätten, die sichetwa je zur Hälfte auf die Kantone Neuchâtel undVaud verteilen. Während sich im Kanton Neuchâteldie Ausgrabungen ausnahmslos auf Fundstätten imMineralbodenbereich beschränken, sieht sich derKanton Vaud gezwungen, daneben auch eine Un -tersuchung in einer Seeufersiedlung durchzuführen.

Die Seeufersiedlungen von Concise-sous-Colachoz (VD)

Bei dieser Seeufersiedlung handelt es sich um dieFundstelle von Concise-sous-Colachoz (VD), etwaauf halbem Wege zwischen Neuchâtel und Yver-don direkt am See gelegen. Bekannt ist die Stationbereits seit dem Ende der 50er Jahre des letztenJahrhunderts. Damals traten während den Aus -baggerungsarbeiten für den Bau der BahnlinieYverdon-Neuchâtel, die teilweise in den See verlegtwurde, die ersten archäologischen Spuren zutage.F. Troyon, dem damaligen Konservator des Muséecantonal d’archéologie et d’histoire in Lausanne,ist es zu verdanken, daß der Großteil der Fundenicht unkontrolliert von Privatpersonen aufgelesen

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Abb. 3:Arbeitsschritte der Tassenproduktion.

3.1– 3.3:Halbfabrikate.

3.4:Abfallstück.

3.5–3.6:fertige Tassen.

M. 1:4.

3.5

3.6

3.1

3.2

3.4

3.3

Abb. 4 (rechts):Vollständig erhalteneTasse aus Kernobst-holz. M. 1:2.

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In drei Etappen wird seit November 1995 und nochbis Ende Februar 2000 eine Fläche von ca. 5.000 m2

in der ehemaligen Bucht von Concise vollständiguntersucht (Abb. 1). Einen schönen Einblick in dieAusgrabungstechnik mit den schachbrettartig ange-ordneten Grabungsflächen gibt die Abbildung 2.Die für eine Ausgrabung in einer Seeufersiedlungan sich recht imposante Fläche umfaßt jedoch nurden nördlichsten Teil des ursprünglich während derverschiedenen Epochen besiedelten Gesamtarealsvon ca. 40.000 m2. Weitere 5.000 m2 verbleiben ineinem sich unmittelbar anschließenden Auenbruch-wald als „archäologische Reserve“ für kommendeGenerationen erhalten, von 10.000–15.000 m2, diesich weiter im See befinden, ist nur noch das Pfahl-feld erhalten, da die Kulturschichten der natürli-chen Erosion zum Opfer gefallen sind und der Restist schließlich durch die Baumaßnahmen des letz-ten Jahrhunderts zerstört worden.

Hauptziel des Projektes ist es, so detailliert wiemöglich die Lebensverhältnisse prähistorischerAgrargemeinschaften im Feuchtbodenmilieu in allihren Facetten zu erforschen. Um dies auf breiterBasis zu erreichen, wurde von Anfang an eineganze Reihe von Naturwissenschaften wie Sedi-mentologie, Pollenanalyse, Archäobotanik, Archäo -zoologie und Dendrochronologie, um nur die wich-tigsten zu nennen, in das Projekt integriert. Dieserwies sich gerade im Falle von Concise als äußerstwichtig, da sich schon nach kurzer Zeit herausstellte,daß wir auf eine der umfangreichsten und kom -plexesten Siedlungsabfolgen gestoßen sind, die imcircumalpinen Raum bisher bekannt waren.

Dies zeigt sich sehr eindrucksvoll an den Stratigra-phien, die zum Teil mehr als 2,50 m mächtig sindund anhand derer sich die Siedlungsgeschichte wie ineinem offenen Buch ablesen läßt (Abb. 3). Charakte-ristisch ist die alternierende Abfolge von sehr dünnenstratigraphischen Einheiten, die abwechselnd durchorganische Kulturschichten und sandige Zwischen -schichten repräsentiert werden. Fast immer sinddiese sandigen Schichten jedoch nicht steril, sondernstellen Erosionshorizonte von ehemals vorhandenenKul turschichten dar, die vor einer endgültigen Sedi-mentierung durch einen Seespiegelanstieg bis aufwenige organische Partikel völlig ausgewaschenwurden. Dieser an sich schon schwer zu deutendeAblagerungsmechanismus wird zusätzlich dadurch

Abb. 3 (oben): Concise-sous-Colachoz(VD): Südprofil desSektors 91, in dembesonders gut die jung-und endneolithischenSchichten sichtbar sind.

Abb. 4 (links): Concise-sous-Colachoz(VD): dendrochrono -logische Daten (Stand Mai 1999).

109108

wurde, sondern in das Museum gelangte. DieseSammlung bildet (zusammen mit den Funden aus derspätbronzezeitlichen Seeufersiedlung von Corcelet-tes, nur wenige Kilometer südwestlich von Concise)auch heute noch den Grundstock der prä historischenAbteilung des Museums in Lausanne. Da Troyondaneben auch sehr aktiv wissenschaftlich tätig warund neben einer Reihe von kleineren Artikeln bereits1860 eine grundlegende Monographie über Wesenund Zweck der Seeufersiedlungen publizierte (Troy-on 1860), in der er einen Teil der Funde von Conciseabbildete, galt die Siedlung in der zweiten Hälfte desletzten Jahrhunderts als eine der bekanntesten undfundreichsten Stationen in ganz Europa.

Von diesem frühen „Ruhm“ blieb spätestens seitder Jahrhundertwende nicht mehr viel übrig, wofürmehrere Faktoren verantwortlich zu machen sind.Zum einen fanden praktisch am gesamten Norduferdes Neuenburgersees, soweit es zum Kanton Vaudgehört, keine archäologischen Untersuchungenmehr statt (ganz im Gegensatz zum Kanton Neu -châtel) und zum anderen galt die Fundstelle ganzeinfach als weitgehend zerstört und völlig ausge-beutet. Dieser Zustand änderte sich erst, als in den80er Jahren erste Diskussionen über den Verlaufder neuen Bahntrasse geführt wurden. Um endgül-tig die Frage klären zu können, ob und wo sichnoch intakte Kulturschichten befanden und in wie-weit diese durch das Projekt „Bahn 2000“ gefähr-det waren, beauftragte die Kantonsarchäologie das Département d’anthropologie et d’écologie derUniversität in Genf mit der Durchführung vonBohrungen und Sondagen in dem potentiellenSiedlungsareal. Das dabei erzielte Ergebnis zeigtesehr eindrücklich, daß noch auf mehreren tausendQuadratmetern Kulturschichten und Pfahlfeldervorhanden waren (Pugin u. a. 1990). Aus diesemGrund wurde in Kooperation mit den schweizeri-schen Bundesbahnen ein mehrjähriges Projekt aus-gearbeitet, das sowohl in Einklang mit den techni-schen Bedürfnissen der Ingenieure stehen, als auchden Belangen des Denkmalschutzes Rechnung tra-gen sollte. Als Ergebnis aus diesen Diskussionenist schließlich das momentan realisierte Projekthervorgegangen, daß einerseits keine baulichenVerzögerungen nach sich zieht, andererseits aberauch eine vernünftige archäologische Dokumenta-tion und Bergung der Befunde und Funde gewähr-leistet.

Abb. 1 (oben): Concise-sous-Colachoz (VD): Situationsplan desProjektes mit den verschiedenen Grabungsetappen.

Abb. 2 (unten): Concise-sous-Colachoz (VD): Teilansicht der dritten Grabungskampagne im Frühjahr 1999; gutzu erkennen ist die schach brettartige Auf teilung derGrabungssektoren.

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Ihre Besonderheit gegenüber den anderen dazu-gehörigen Kulturgruppen ist der relativ starke Ein-fluß der Schnurkeramik, der sich neben der Kera-mik vor allem durch typische Streitäxte aus Felsge-stein (Abb. 7) manifestiert.

Dieser sehr gute Forschungsstand trifft für dieArchitektur in keiner Weise zu. Selbst in einer erstkürzlich erschienenen Zusammenfassung überSiedlungswesen und Hausbau im schweizerischenNeolithikum konnte für die Auvernier-Kulturlediglich ein Plan der Lehmlinsen von Portalbanherangezogen werden, der in etwa die Hausstand -orte anzeigen sollte. Für echte Hausgrundrissemußte auf den Siedlungsplan von Charavines amLac de Paladru im französischen Département Isère unweit von Grenoble zurückgegriffen werden(Hasenfratz/Gross-Klee 1995, Abb. 133–134).Eine Schlüsselstellung könnte sicherlich die in den Jahren 1986-88 vollständig ausgegrabene Sied-lung von St. Blaise, Bains-des-Dames (NE) amNeuenburgersee einnehmen. Außer zwei schema-tisch dar gestellten Hausgrundrissen ohne Bezug zum ei gent lichen Dorfplan sind jedoch noch keineSiedlungsbefunde publiziert (Giligny/Michel 1995,Abb. 5).

Gründe für das Fehlen klar definierter Siedlungs-strukturen sind mehrere anzuführen. Zum einenstammen die großflächigen Grabungen zumeist ausden 70er Jahren, als die Dendrochronologie erst imAufbau begriffen war und Proben zumeist nur vonPfählen mit mehr als 50 Jahrringen genommenwurden. Zum anderen lagen die gegrabenen Flächenim Siedlungszentrum und ermöglichten durch ihrzu dichtes Pfahlfeld nur sehr selten eine Interpreta-tion der Befunde. Schließlich ist noch die abgeho-bene Bauweise der Häuser zu erwähnen, die, andersals bei den ebenerdigen Häusern der kleinerenSeen der Zentral- und Ostschweiz, keine unmittel-bar sichtbaren Spuren der Häuser hinterlassen.

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Abb. 7: Concise-sous-Colachoz(VD): Streitaxt derAuvernier-Kultur ausSerpentin.

Abb. 8: Concise-sous-Colachoz(VD): ausgewähltearchitektonische Struk-turen der AuvernierKultur.

Die architektonischen Strukturen von Concise

Um diesem oben beschriebenen Manko etwasabzuhelfen, möchten wir im folgenden einigearchitektonischen Strukturen und Besonderheitenvon Concise kurz vorstellen. Betont werden sollallerdings die Tatsache, daß es sich bei dieser Vor-lage um einen ersten Entwurf einer noch laufendenGrabung handelt, der nach der endgültigen Aus-wertung durchaus noch gewissen Modifikationenunterliegen kann. Topographisch gesehen handeltes sich um ein Areal mit einer besonders währenddes Endneolithikums sehr hohen Pfahldichte. Sokonnten allein in der Zone 2 dem Zeitabschnitt von2826 bis 2440 v. Chr. bereits mehr als 1000 datierteEichen zugewiesen werden.

erschwert, daß sich innerhalb dieser Schichten eineganze Reihe von lokal begrenzten Strukturen wiez.B. Steinhäufen, Lehmlinsen oder auch verziegelteReste von heruntergestürzten Feuerstellen befinden.

Die durch die archäologischen Schichten und dasdarin vorhandene Fundmaterial erschließbare hoheSiedlungsdichte wird durch die dendrochronologi-sche Analyse der Pfähle und liegenden Hölzer ein-drucksvoll bestätigt. Durch bisher ca. 2.500 datier-te Eichen konnten mehr als 20 verschiedene Dorf-anlagen nachgewiesen werden, die sich über mehrals zwei Jahrtausende vom Beginn des 4. bis zurMitte des 1. Jahrtausends v. Chr. er strecken (Abb. 4).Darunter befinden sich auch Zeitabschnitte, die inder Westschweiz bisher nur sehr spärlich (z.B.3270 v. Chr.; 3000–2900 v. Chr.) oder sogar über-haupt nicht (1800 v. Chr.) vertreten waren.

Als direkte Folge dieser intensiven Siedlungstätig-keit über mehrere Jahrtausende an einem Ort prä-sentieren sich die Pläne der Pfähle und Pfosten-löcher vor allem im seewärtigen Bereich als einnahezu unauflösliches Punktraster, das eine Inter-pretation der Strukturen ausgesprochen schwieriggestaltet (Abb. 5 und 6). Auch für eine derartigeAnalyse erweist sich die Dendrochronologie alsunabdingbar, da durch die rein archäologischenBeobachtungen (z.B. erstes Auftauchen der Pfähle,absolute Tiefe der Pfahlspitze) nur eine grobeUnterteilung in Jungneolithikum, Endneolithikumund Frühe Bronzezeit möglich wäre.

Die Architektur des westschweizerischen Endneolithikums

Die endneolithische Auvernier-Kultur, die in kultu-reller Hinsicht in die Civilisation Saône-Rhône ein-gebunden ist, die sich von den französischen Vor-alpenseen über das Burgund und den französischenJura bis in das westschweizerische Mittelland aus-breitet, kann in vielerlei Hinsicht als eine der ambesten erforschten neolithischen Kulturerscheinun-gen Europas bezeichnet werden (z.B. Ramseyer1987 oder Wolf 1993).

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Abb. 5 (oben): Concise-sous-Colachoz (VD): Pfahlplan der Zonen1 und 2; besonders in der Zone 1 sind einige Zugangswege gut erkennbar.

Abb. 6 (unten): Concise-sous-Colachoz (VD): Plan der Pfosten-löcher in den Zonen 1 und 2; auffallend ist diehohe Dichte im südlichen Grabungsareal.

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derartige Dichte dieser Anlagen besitzt. Die bisherbekannten Stationen weisen in der Regel lediglicheinen Weg auf (siehe die detaillierte Aufzählung inWolf u. a. 1999). Zudem finden sich in der Litera-tur außer der reinen Aufzählung der Befunde undeinigen Längen- und Breitenangaben kaum weitereAngaben, etwa zu Konstruktionselementen oderBauweise. Bis in die 30er Jahre unseres Jahrhundertswurde für diese Bauwerke eine abgehobene Bau-weise postuliert und sie demzufolge auch als Pfahl-baubrücken bezeichnet. Lediglich H. Reinerth deute-te diese Befunde schon 1926 als ebenerdige Boh-lenwege (Reinerth 1926, 63 f.), was von E. Vogt inden 50er Jahren aufgegriffen wurde, der die Exi-stenz einer abgehobener Bauweise grundsätzlichverneinte (Vogt 1955, 176 ff.). Spätestens ab die-sem Zeitpunkt wurden die Anlagen ausnahmslosals ebenerdige Bohlenwege interpretiert, wofür dieRekonstruktion zweier Pfahlbauhäuser samt Ver-bindungsweg am Lac de Chalain im französischenJura sicherlich als eindrucksvollstes Beispiel zunennen ist (Pétrequin u. a. 1991).

Während der ersten Monate der letzten Grabungs-kampagne im Frühjahr 1999 ergab sich ein sehrinteressanter Befund, der diese Frage für den end-neolithischen Zugang von Concise hoffentlichklären kann (Abb. 10). Eingekeilt zwischen diePfähle des Weges wurde eine Vielzahl von liegen-den Hölzern gefunden, die vermutlich mit der auf-gehenden Konstruktion unmittelbar in Verbindungstehen. Neben zahlreichen Planken wurden auchandere architektonische Elemente wie Keile undHölzer mit Löchern und Gabelenden gefunden.Sollte die endgültige Auswertung unseren erstenEindruck bestätigen, so haben wir in Concise indiesem Fall tatsächlich von einem abgehobenenZugangsweg und keinem ebenerdigen Bohlenwegauszugehen.

Der Dorfzaun des Jahres 2484 v. Chr.

Neben der topographischen Situation der Zugangs-wege geben vor allem die Palisadensysteme Auf-schluß über die genaue Größe und Ausdehnung der verschiedenen Siedlungen. Besonders für dasEndneolithikum sind inzwischen eine ganze Reihevon Dorfzäunen zeitlich genau fixiert worden. Nach-gewiesen sind mindestens sieben Anlagen aus den

Jahren 2890–2885, 2706, 2669, 2630, 2561, 2484und 2448 v. Chr. Besonders betont werden soll derAusdruck Dorfzaun. Um mehr handelt es sich beikeiner dieser Konstruktionen (keine der neolithi-schen „Palisaden“ besitzt auch nur Anzeichen einesfortifikatorischen Charakters). Für unsere Darstel-lung haben wir den Dofzaun ausgewählt, der imJahre 2484 v. Chr. errichtet wurde. Er ist ebenfallsauf Abb. 8 dargestellt. Verwendung dafür fandenausschließlich Eichen (bisher konnten 109 jahrgenaudatiert werden), die sehr sorgfältig ausgesucht wur-den und einen sehr homogenen Eindruck vermitteln.Es handelt sich ausnahmslos um sehr junge Bäume,die durchschnittlich nur 13 Jahrringe aufweisen. Mitdieser geringen Jahrringanzahl korrespondiert auchder geringe Durchmesser von ca. 6 cm. Schließlichentsprechen sie sich auch in der Form (zu 95 %runde Stämme) und in der Jahreszeit, in der siegeschlagen wurden (zu 100 % im Herbst/Winter).

Das Dorf, das von diesem Zaun umschlossen wird,mißt an seiner breitesten Stelle ca. 60 m, die Nord-Südausdehnung liegt im ausgegrabenen Bereichzwischen 8 und 14 m. Architektonisch gesehenweist die Anlage mehrere Besonderheiten auf.Zunächst einmal ist auffallend, daß sie in ihremnordwestlichen Abschnitt bis zu dem Punkt, andem sie auf den Zugangsweg trifft, aus einer dop-pelten Reihe von Eichen besteht. Nachdem derZaun durch den Weg unterbrochen wurde, setzt ersich anschließend nur noch einreihig fort und istzudem ca. 4,5 m in Richtung See verschoben. Indiesem Abschnitt weist er außerdem einige Lückenauf, die wir uns zunächst nicht erklären konnten.Eine genauere Pfahlplananalyse konnte dieses Problem jedoch lösen. Genau in diesem Bereichbe fand sich ein Haus aus der zweiten Hälfte des 26. Jh. v. Chr., das spätestens für den Bau diesesZaunes abgebrochen wurde, um genügend Frei-fläche für künftige Bauten zu schaffen. Währenddie anderen Pfähle dieses älteren Hauses für keinejüngeren architektonischen Konstruktionen mehrVerwendung fanden, wurden die nordwestlichenvier Pfosten in den Dorfzaun des Jahres 2484 v. Chr.integriert (die offenen Punkte auf Abb. 8) undschlossen so die auf den ersten Blick vorhandenenLücken.

113

als auch halbe und ganze Stämme verwendet.Ebenso ist das Alter der benützten Bäume sehrheterogen. Es kommen sehr junge Bäume mit gera-de einmal 20 Jahrringen vor, daneben wurden aberauch sehr alte Exemplare mit mehr als 150 Jahrrin-gen verarbeitet. Diese Unterschiede wirken sichnatürlich auch auf den Durchmesser der Bau -hölzer aus. Besonders interessant ist der durch dieDendrochronologie vorgegebene zeitliche Rahmen des Bauwerkes. Nachdem der Weg im Jahre 2826 v. Chr. das erste Mal angelegt wurde, blieb erfür nahezu 4 Jahrhunderte ohne Unterbrechung inBetrieb und wurde ständig ausgebessert (Abb. 9).In längeren Abständen fand zusätzlich eine um -fassende Restaurierung mit einer größeren An -zahl Hölzer statt. Das letzte Mal war dies im Jahr2450 v. Chr. der Fall, nur 10 Jahre, bevor die Sied-lung für mehr als 6 Jahrhunderte aufgegebenwurde. Erwähnenswert ist auch die Tatsache, daßin dem Weg Schlagphasen vertreten sind, die sichan den übrigen Bauwerken der Siedlungen nichtfinden lassen.

Schon ein flüchtiger Blick auf Abbildung 5 machtklar (vor allem in Zone 1), daß dieser Weg nichtder einzige ist, der in Concise nachgewiesen wer-den konnte. Insgesamt sind bereits 14 Zugangs -wege aufgedeckt worden, die sich über nahezu alleSiedlungsepochen verteilen. Allerdings ist dersoeben beschriebene endneolithische Zugang dereinzige seiner Art, der über eine derart lange Zeitbenutzt wurde. Alle übrigen wurden in sehr kurzerZeit (teilweise liegen Schlagdaten nur aus einemeinzigen Jahr vor) errichtet und blieben dann ledig-lich eine prähistorische Generation, d.h. ca. 20–30Jahre, in Benutzung. Dieses Phänomen findet sichim gesamten Siedlungsverhalten der Bewohnerwieder. Während im 4. Jt. v. Chr. während des Jung-neolithikums die Dörfer nur sehr kurzfristig bestan-den haben und innerhalb derselben Bucht immerwieder an einer anderen Stelle neu errichtet wur-den, treffen wir während des Endneolithikums im3. Jt. v. Chr. eine Platzkonstanz an, die 400 Jahreanhält (allgemein zum Thema des Siedlungsverhal-tens siehe Wolf 1995; konkret auf Concise bezogenMaute-Wolf 1999).

Die hohe Anzahl von Zugangswegen ist ein sehrüberraschendes Phänomen, da bisher keine Sied-lung bekannt ist, die auch nur annähernd eine

112

Abb. 9: Concise-sous-Colachoz (VD): end-neolithischer Zugangs-weg mit Anzahl der proSchlagjahr darin ver-bauten Pfähle.

Abb. 10: Concise-sous-Colachoz (VD): Pfähledes endneolithischenZugangswegs mitdazwischen verkeiltenhorizontalen Bauele-menten.

Der endneolithische Zugangsweg

Die wichtigste architektonische Konstruktion indem untersuchten Abschnitt ist sicherlich ein nord-west-südost gerichteter Zugangsweg, der nicht nurvom Jura her in die Siedlung hineinführt, sondernsie auf seiner gesamten Länge auch durchquert und in nahezu zwei gleich große Areale unterteilt (Abb. 8). Insgesamt ist der Weg in der ausgegrabe-nen Fläche bei einer Breite von 2,5–3 m auf knapp40 m Länge nachgewiesen. Eine eingehende Ana-lyse des Bauwerkes erwies sich in mehrerlei Hin-sicht als ausgesprochen interessant. Verwendetwurden fast ausnahmslos Eichen (für die Zonen 1und 2 ca. 250), die sehr unterschiedliche Merkmaleaufweisen können. So wurden sowohl gespaltene,

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1 24 1 22 2480 3 1432 38 1 17 2480 3 1563 40 1 17 2481 3 1514 21 1 14 2480 3 1465 30 1 17 2480 3 1746 24 1 20 2480 3 1457 20 1 18 2480 3 1468 54 1 20 2481 3 1609 30 1 16 2480 3 16210 36 1 22 2480 3 17311 39 1 22 2480 3 15712 17 1 17 2480 3 141

Im Gegensatz zu Haus 1 sind bei Haus 2 diegesamten Konturen zweifelsfrei zu erkennen.Dank der erhaltenen Kulturschicht mitsamt dendazugehörigen Strukturen (Abb. 11) ergibt sichein Nord-Süd ausgerichtetes zweischiffigesGebäude von ca. 7 m Länge und ca. 3,60 m Brei-te. Mit seiner nordwestlichen Längsseite ist essehr nahe an den Dorfzaun herangerückt und läßtnicht einmal mehr einen schmalen Durchgangfrei. Wie schon bei Haus 1 ergab die dendrochro-nologische Analyse auch in diesem Fall ein ein-heitliches Muster. Die 12 verbauten Pfosten sindin nahezu allen Kriterien recht homogen. Obwohldie Pfähle durchschnittlich weniger Jahrringe auf-weisen als bei Haus 1, ist der Durchmesser etwasgrößer. Dies bedeutet, daß die Bäume schnellergewachsen sind, d.h. daß sie entweder aus einemlichteren Waldbestand stammen oder günstigereWachstumsbedingungen aufwiesen. In Benutzungbefand sich das Gebäude maximal 32 Jahre, da2448 v. Chr. der Dorfzaun des bisher jüngstenendneolithischen Dorfes quer durch die Nord-westseite des Hauses verläuft.

Haus 3Errichtung: ......................................2480 v. Chr.Holzart: ...........................................EicheLänge: .............................................ca. 7 mAnzahl der Joche: ............................4Durchschnittliche Anzahl der Jahrringe: ..................................41Durchschnittlicher Durchmesser der verwendeten Bäume: ................18,75 cm

1 38 1 17 2480 3 1762 55 1 23 2480 3 1523 33 1 17 2480 3 1444 37 1 18 2480 3 160

Über Haus 3, das im selben Jahr wie Haus 2 errich-tet wurde, lassen sich leider nur sehr wenige Anga-ben machen, da die südliche Grabungsgrenze querdurch das Haus verläuft. Immerhin ist die Längedes Gebäudes mit ca. 7 m bestimmbar, was nahezuidentisch mit dem soeben beschriebenen Gebäudeist, von dem es durch eine Gasse von 2,5 m Breitegetrennt wird. Vermutlich entsprechen sich auchdie übrigen Daten der Häuser. Wie die anderen bei-den Gebäude ist auch Haus 3 parallel zum See ori-entiert, was als charakteristisch für alle endneolit-hischen Bauten der Westschweiz zu bezeichnen ist.

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Jahr

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Jahr

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Abb. 11: Concise-sous-Colachoz(VD): Blick in Haus 2mit freigelegter organi-scher Kulturschicht unddazugehörigem Stein-haufen.

Haus 1Errichtung: ......................................2498 v. Chr.Holzart: ...........................................EicheLänge: .............................................ca. 15,5 mBreite: .............................................ca. 4,5 mAnzahl der Joche: ...........................7Fläche: ............................................ca. 70 m2

Durchschnittliche Anzahl der Jahrringe: ..................................39Durchschnittlicher Durchmesser der verwendeten Bäume: ................16 cm

1 31 1 17 2498 3 1312 42 1 19 2498 3 1593 27 1 14 2498 3 1244 42 1 19 2498 3 1255 35 1 18 2498 3 1186 40 1 17 2498 3 1187 40 1 19 2498 3 1378 98 1 17 2498 3 1199 25 1 12 2517 0 8110 33 1 15 2509 0 8411 35 2 15 2498 3 11712 32 1 19 2498 3 >11613 35 1 18 2498 3 10714 35 1 18 2498 3 11515 39 1 22 2498 3 12316 39 1 18 2503 0 10017 40 1 13 2499 3 8118 65 1 17 2504 0 8919 32 1 13 2498 3 7320 22 1 12 2511 0 6221 40 1 13 2498 3 90

Legende: Form des Pfahles: 1 = Rundling; 2 = Hälbling.Letzter gemessener Jahring: das abweichendeSchlagjahr der Nummern 9, 10, 16, 18 und 20erklärt sich dadurch, daß der letzte Jahrring nicht mehr erhalten war. Jahreszeit der Fällung: 3 = Herbst/Winter; 0 = nicht bestimmbar (letzter Jahrring nicht erhalten).

Die Pfostenstellung des Hauses 1 innerhalb desGesamtpfahlplanes ist dank der Dendrochronologierelativ eindeutig. In der direkten Umgebung findensich keine weiteren Pfosten, die dieser Schlagphasezuzuordnen wären, so daß die Form eines Nord-Süd ausgerichteten zweischiffigen Gebäudes vonca. 15,5 m Länge und ca. 4,5 m Breite klar zumAusdruck kommt (Abb. 8). Etwas problematischgestaltet sich die Bestimmung der genauen Länge.Theoretisch wäre auch eine Interpretation möglich,die von zwei separaten kürzeren Gebäuden mit vierbzw. drei Jochen ausgeht. Die dazugehörige Kul-turschicht ist in diesen Sektoren leider erodiert,womit auch wichtige Strukturen wie z.B. Lehm -linsen oder Steinhäufen nicht mehr vorhanden sind.Da uns der archäologische Befund in diesem Fallnicht weiter hilft und eine Unterteilung der Struk-tur rein willkürlich geschehen würde, haben wiruns unter Vorbehalt für ein Gebäude entschieden.Ausschlaggebend war auch die dendrochronologi-sche Untersuchung, die bei den 21 dafür verwende-ten Pfählen keine großen Unterschiede erkennenläßt. Wie die Tabelle zeigt, sind bis auf einzelneAusreißer die Anzahl der Jahrringe, die Form undder Durchmesser der verwendeten Pfähle und dieJahreszeit, in der die Bäume geschlagen wurden,recht homogen. Lediglich bei der erhaltenen Längeder Pfähle fallen die am weitesten im Südwestengelegenen Exemplare etwas ab. Dies läßt sich aberzwanglos dadurch erklären, daß die Sedimentationdort erheblich geringer ist und die Pfähle so weiteroben erodiert sind.

Haus 2Errichtung: ......................................2480 v. Chr.Holzart: ...........................................EicheLänge: .............................................ca. 7 mBreite: .............................................ca. 3,60 mAnzahl der Joche: ...........................4Fläche: ............................................ca. 25 m2

Durchschnittliche Anzahl der Jahrringe: ..................................31Durchschnittlicher Durchmesser der verwendeten Bäume: ................18,5 cm

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cm)

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Fundmeldungen aus Schwyzer und St. Galler Gewässern

Unterwasser-ProspektionVor drei Jahren erstellte die Stadtzürcher Tauch -equipe ein erstes Kurzinventar sämtlicher ZürcherSeeufersiedlungen. Dafür wurden alle damals be -kannten Fundstellen und darüber hinaus alle „sied-lungsverdächtigen“ seichten Uferzonen an denzahlreichen Gewässern im Kanton abgeschwom-men. Die grosse Überraschung war, dass es an -scheinend auch heute noch prähistorische Sied-lungsplätze zu entdecken gibt – selbst an so stark

Abb. 1a/b: Karte der Zürcher Seenlandschaft. Der vergrösserte Ausschnitt zeigt das pro-spektierte Gebiet mit den beiden Inseln Ufenau und Lützelau sowie der Hal-binsel Hurden. Rapperswil und Hurden sind durch eine mit wenig Wasserüberdeckte glaziale Schüttung verbunden. Heute sind die beiden Gewässerbaulich durch den Seedamm, eine stark frequentierte seequerende Verkehrs-achse, voneinander getrennt. Kantonsgebiete: SG = St. Gallen, SZ = Schwyz, ZH = Zürich.Graue Flächen: Gebiete über 500 m.ü.M.Strichlinie: Kantonsgrenzen.Graue Fundpunkte = bereits vor 1996 bekannte Ufersiedlungen. Schwarze Fundpunkte = Neue Entdeckungen der letzten drei Jahre. 1: Freienbach SZ - Bächau 2: Freienbach SZ - Lützelau3: Freienbach SZ - Hurden Seefeld 4: Freienbach SZ - Hurden Kapelle5: Freienbach SZ - Hurden Untiefe West 6: Rapperswil SG - Untiefe Ost7: Rapperswil SG - Technikum 8: Jona SG - Wurmsbach

Fazit

Abschließend lassen sich folgende zusammenfassen-de Bemerkungen machen. Die Seeufersiedlungen inder ehemaligen Bucht von Concise mit ihrer dreitau-sendjährigen Besiedlungsgeschichte ge hören sicher-lich zu den bedeutendsten Ensembles ihrer Art inEuropa. Gerade die daraus resultierende Komplexitätder Befunde und Strukturen und die Dichte desPfahlfeldes erschweren eine eindeutige archäologi-sche Interpretation ungemein. Aus diesem Grundenimmt die dendrochronologische Analyse eineSchlüsselstellung ein, da erst dadurch eine zeitlicheAuflösung der verschiedenen Siedlungsphasen mög-lich wird und zusammenhängende architektonischeEinheiten erfaßt werden können. Hervorgehobenwerden muß die Tatsache, daß es sich einmal mehrals sehr lohnend erwies, alle Hölzer zu untersuchen.Bei einer entsprechend großen Menge lassen sicherwiesenermaßen auch mit den Proben sehr guteErgebnisse erzielen, die nur sehr wenige Jahrringeaufweisen. Gerade unsere in diesem Artikel vorge-stellten Beispiele machen dies deutlich. Sowohl diePfähle der drei Häuser, als auch vor allem die ver-wendeten Hölzer für den Dorfzaun liegen z.T. weitunter 50 Jahrringen. Daneben konnten schon zumjetzigen Zeitpunkt, gewissermaßen als Nebenergeb-nis, dank der dendrochronologischen Ergebnisse vonConcise einige andere Seeufersiedlungen absolut-chronologisch fixiert werden (dies betrifft vor allemdie Frühe Bronzezeit), die sich vorher als noch nichtdatierbar erwiesen.

Somit bleibt nur zu hoffen, daß sich das interdiszi-plinäre Projekt von Concise auch nach Ende der Gra-bungen als „archäologischer Eckpfeiler“ er weist, vondem die ganze prähistorische Forschung der Regionprofitieren kann

Anschrift der Verfasser:

Dr. Claus WolfMonuments Historiques et Archéologie10, place de RiponneCH-1014 Lausanne (VD)

Jean-Pierre HurniLaboratoire Romand de Dendrochronologie4, rue Saint-MichelCH-1510 Moudon (VD)

Abbildungen:

Abb. 1, 5, 6, 8: MHAVD (D. Quinn).

Abb. 2, 3, 7, 10, 11: MHAVD (Ph. Muller).

Abb. 4, 9: LRD (Moudon).

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ersten Tauchgänge lieferten interessante, bereitsfreigespülte und stark erodierte Funde der Früh-bronzezeit. Die Untiefe ist ausserordentlich expo-niert: Sie liegt unweit der Zufahrtsrinne zu einemHafen und ist bei Niedrigwasserstand kaum mehrwasserüberdeckt. Alle übrigen Entdeckungenscheinen – beim momentanen Wissensstand – ehersolche Siedlungsphasen abzudecken, die auch inden Zürcher Gewässern häufig anzutreffen sind.Die Erfahrungen der letzten Jahre haben uns aller-dings gelehrt, dass mit jedem zusätzlichen Tauch-gang gezielter in die Fundplätze eingetaucht wer-den kann und dabei sehr oft weitere Siedlungspha-sen und Besonderheiten erfasst werden.

Um die beiden Inseln im Zürichsee (Ufenau, Lüt-zelau), im Bereich der Hurdener Landzunge undauf der seichten Uferplatte vor Rapperswil sindviele weitere Strukturen vorhanden, die aber sicherjünger sind, nämlich kleinere Pfahlfelder sowielineare und zickzackförmige Pfahlsetzungen (s.a.Abb. 2). Es dürfte sich dabei um Reste mittelalter-licher Stege und Uferverbauungen und um (früh) -neuzeitliche Pfählungen im Zusammenhang mitdem Fischereiwesen handeln.

Eine erste Aktion am Bodensee: Das HeidenländliAls Heidenländli wird eine Untiefe östlich vonRorschach (Gemeinde Rorschacherberg, Kt. SG)bezeichnet. Sie wurde bereits im 19. Jh. untersucht,weil sie nämlich bei extremem Niedrigwasserstandeine begehbare Insel bildete. Dabei tauchten Pfahl-reihen und zugehauene Balken auf, die natürlichrasch das Interesse auf sich zogen. Schon Vadian(Deutsche hist. Schriften II, 432f.) wusste zuberichten: „Dan wan diser see winterszeit klein ist,so findt man ob Rorschach und bei Arbon in demglaslautern und stillen wasser starke und breitepfalment und malzeichen starker gebeuwen, dievon dem gewell außgweschen und von dem wasserüberzogen und eingeflötzt sind“.

Die Fundstelle wurde im Winter 1997 erstmalsdurch Taucher der GSU abgeschwommen. Dabeizeigte sich das folgende Bild: Es handelt sich umeine klar begrenzte Anlage von heute noch etwa 40 x 50 m Ausdehnung, bestehend aus einem etwaeinen Meter hohen Plateau aus grossen Sandsteinen.Dazwischen zeigen sich überall aufwendig gearbeitete

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Balken sowie mächtige Pfähle. An den Tannen-und Eichenhölzern sind interessante Bearbeitungs-details erkennbar, z. B. sorgfältig abgebeilteEnden, Zapflöcher und Nuten. Stellenweise lassensich kastenförmige Konstruktionen erahnen.

Das ganze Areal ist nahezu fundleer. Auffallendwaren nur die massiven Lagen aus Tannen ästen mitdarin eingelagerten Holzbearbeitungsabfällen undKonzentrationen von Fruchtkernen. Über die Funkti-on des Bauwerks wurde bereits früher gerätselt: Als„bauliche Vorrichtung für Fischer“ ist es sicher zugross, alte Hafenanlagen oder Umschlagplätze (z.B.Steinach) sehen anders aus und gegen eine „mensch-liche Wohnstätte“ spricht u.a. die Absenz von Abfall.Ein erster Da tierungsansatz ergibt sich aus zwei C14-

Abb. 4:Heidenländli. Arbeits-aufnahme bei klarenSichtverhältnissen. Ein Taucher ist mit derFreilegung eines Kon-struktionsholzes mitZapfloch beschäftigt.

Abb. 5:Heidenländli. Grenzeder Anlage mit einigendeutlich freigespültenPfahlköpfen und demEnde der Steinschüt-tung.

Abb. 2:Luftaufnahme mit See-damm (oben) und demRapperswiler Techni-kum (rechts). Deutlicherkennt man den Flach-wasserbereich vor demDamm und die für denHafen und die Fahrrin-ne ausgebaggertenAreale (dunkle Flächenim Wasser). Im Seezeichnet sich die früh-bonzezeitlichen Fund-stelle als ovale Untiefeab. In unmittelbarerNähe befindet sich einezickzackfömige Pfahl-setzung.

Punktuell erfolgten bereits Tauchgänge am Boden-see, weitere Aktionen (z.B. im Walensee) sind vor-gesehen.

Neue „Pfahlbauten“ zuhaufNimmt man alle Suchtauchgänge zusammen, sohat die Stadtzürcher Tauchequipe alleine in denvergangenen drei Jahren in Zentral- und Ost-schweizer Gewässern – neben zahlreichen Struktu-ren jüngerer Zeitstellung – insgesamt 20 neue„Pfahlbaustationen“ entdeckt.

Eine detaillierte Präsentation der jüngst entdecktenFundstellen am oberen Zürichsee und am Oberseeist natürlich noch nicht möglich. Dafür waren dieTauchgänge zu kurz. Sie vermittelten uns indeseinen allerersten Eindruck davon, was augenblick-lich offen am Seegrund liegt. Es ist unbedingt nötig– und auch vorgesehen –, sich in den kommendenJahren weitere Informationen zu beschaffen, umdie verschiedenen Areale besser kennenzulernen,also ihren Zustand und ihr „Informationspotential“besser abschätzen zu können. Erst mit diesem Wis-sen können sinnvoll Prioritäten bei der künftigendenkmalpflegerischen Betreuung gesetzt werden.

Inseln und UntiefenAuf dem höchsten Punkt der Insel Lützelau (Abb. 1b, Nr. 2) wurde 1964 bei Sondierungen,neben römischen und mittelalterlichen Funden ein kleiner urgeschichtlicher Scherbenkomplex ge -borgen. Bei den unterwasserarchäologischen Un ter -suchungen im Flachwasserbereich sind nun am öst-lichen Inselzipfel ein ausgedehntes Pfahlfeld undStreufunde verschiedener Epochen dokumentiertworden. Von besonderem Interesse sind die Fundeder älteren Horgener Kultur. Ein weiterer Sied-lungsplatz gleicher Zeitstellung konnte gut 300 mvon der heutigen Uferlinie entfernt, und somit rechtweit im Obersee draussen, lokalisiert werden (Abb.1b, Nr. 6). Darüber hinaus wurden noch weitereprähistorische Siedlungsplätze in diesem Grenzge-biet der Kantone und Seen entdeckt. Eine derartigeKonzentration ist aussergewöhnlich, eine vergleich-bare Fundstellendichte war bis anhin nur vom Stadt-zürcher und vom Meilemer Seeufer her bekannt.

Eine seichte Stelle direkt vor dem RapperswilerTechnikum (Abb. 1b, Nr. 7) wird in Kürze ein - gehender untersucht werden können. Schon die

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genutzten Ufern wie jenen des Zürichsees. Leidermachte die Prospektionskampagne vorerst an denKantonsgrenzen halt. Dank des Interesses derarchäologischen Amtsstellen von Aargau, Zug, St. Gallen und Schwyz konnte die Prospektion inden Jahren 1997/98 auf jene Kantone ausgedehntund diese Wissenslücke geschlossen werden.

Im Zuge der Bestandesaufnahmen wurde dasGebiet des oberen Zürichsees und des östlich an -schliessenden Obersees mit seinen Inseln, Land-zungen, Buchten und Untiefen erstmals systematischabgeschwommen. In Schwyz wurden sämtlicheArbeiten von der Zürcher Tauchequipe erledigt. InSt. Gallen wurden versuchsweise zuerst angelernteSporttaucher der Gesellschaft für Schweizer Unter-wasser-Archäologie (GSU) eingesetzt. Deren Mel-dungen wurden nachträglich verifiziert und gege-benenfalls ergänzt. Die Resultate aus diesen erstenInventarisationen überstiegen sämtliche Erwartungen.

Abb. 3:FrühbronzezeitlichesKeramikensemble. Ero-dierte Oberflächenfun-de aus der neu entdeck-ten Fundstelle Rappers-wil-Technikum.

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immer wieder Taucher an der Oberfläche gesichtet,die Gegenstände bei dem vor Ort an kerndenSchlauchboot entgegennahmen bzw. deponierten.Auch richtete sich ab und zu eine längliche, signal-gelbe Boje auf, deren Zucken eine gewisse Regel-mäßigkeit erkennen ließ. Daß es sich bei dem Kar-ree um den Arbeitsplatz einer taucharchäologischenSondage eines Wracks aus dem 16. Jh. handelt,konnte man nicht ahnen. Die gelben, länglichenBojen sind sog. „Blubs“, Signalkörper, welche dieKommunikation zwischen den Einsatztauchern unddem Einsatzleiter im Schlauch boot ermöglichen.Zudem war der Taucheinsatz, dicht bei der Fähran-legestelle, mit der Wasserschutz polizei und denKapitänen der anlegenden Schiffe abgesprochen,die aus Gründen der Sicherheit gerne einen kleinenBogen um die Tauchstelle fuhren.

Bei den Tauchern handelte es sich um die Teilneh-mer/-innen des 3. Fortgeschrittenenkurses Unter-wasserarchäologie, den der Schweizer Unterwas-ser-Sport-Verband (SUSV) zusammen mit der Ge -sellschaft für Schweizer Unterwasserarchäologie(GSU), der Sektion für Unterwasserarchäologie derGesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Würt-temberg und Hohenzollern (SUWA), und dem Lan-desdenkmalamt Baden-Württemberg in der Zeit vom12. – 17. Oktober 1998 in Unteruhldingen durch-führte. Als Tauchbasis diente das PfahlbaumuseumUnteruhldingen, wo dankenswerterweise die ganzeTauchlogistik untergebracht werden konnte.

Angeleitet und organisiert wurde die Schulung vonzwei Taucharchäologen der SUWA sowie demzuständigen Ausbilder des SUSV Enrico Rampi-nelli. Bei täglich zwei Tauchgängen konnten ver-schiedene unterwasserarchäologische Technikengeübt wurden. Abends fanden dann Unterrichts-blöcke zum theoretischen Hintergrund der Schiffs -archäologie, im speziellen zur historischen Schiff-fahrt in voralpinen Gewässern, statt.

Getaucht wurde in zwei Gruppen. Grundlage fürdie Arbeiten am Wrack war die zeichnerische Auf-nahme von W203 (Mainberger 1996, 297–300).Aufgrund des damals erstellen Planes aller aus demSediment ragenden Wrackteile wurde zunächst dasSchiff auf weitere Details, wie nicht beobachteteund eingezeichnete Holzdübel, auf den Erosionsgrad

(d.h. sind neue Planken und Rangen hinzugekommenbzw. fehlen Planken, Rangen, Nägel usw.), hinuntersucht. Gleichzeitig wurde das Umfeld vonW203 nach weiteren losen Teilen, Funden undSteganlagen prospektiert. Zusätzlich wurden dieRangen und Planken durchnumeriert und mit Schil-dern gekennzeichnet. Bei der Einmessung unterWasser wurde der Verlauf des am Haldenabbruchliegenden Schiffes entlang der beiden Bordwändeverfolgt, ferner wurden zwei Dalben als Haupt-meßpunkte und ein Spant als Hilfsmeßpunkt mar-kiert, die dann von Land aus eingemessen wurden.Ein weiteres Ergebnis der einwöchigen Aktion ist,daß in der näheren Umgebung keine weiteren Dal-ben mehr gefunden wurden, so daß die beiden Dalben, die sich unmittelbar im bzw. neben demSchiff befinden, eher der Kennzeichnung des Wracksals Schiffahrtshindernis dienten. Auch wurden imnäheren Umfeld keine weiteren Einzelfunde ge -macht. Außerdem konnte beim Vergleich des zwei-einhalb Jahre alten Planes eine fortschreitende

121

Abb. 1:Detail von W203.

Proben an Pfählen, deren dendrochronologischeAnalyse kein Resultat erbrachte. Die seltsame„Pfahlbaute“ gehört ins Hochmittelalter.

Künftige AufgabenSobald Bauteile und Fundgegenstände offen amSeegrund liegen, sind sie dem Wellenschlag ausge-setzt und werden zerstört. Durch die permanenteErosion werden überall laufend neue Dinge freige-legt, die Situation kann sich innerhalb kurzer Zeitrasch verschlechtern. Deshalb ist es in Zukunftbesonders wichtig, die vielen bekannten Fund -plätze periodisch zu kontrollieren. Nur so ist ge -währ leistet, dass wir rechtzeitig neu entstandeneSchäden erkennen und darauf reagieren können.

Dank gebührt den beiden kantonalen Dienststellen, welchediesen ersten wichtigen Schritt, die Bestandesauf-nahme des Kulturgutes in Zürich- und Obersee,ermöglicht haben: Für St. Gallen die Leiterin derKantonsarchäologie, Frau Dr. Irmgard Grüningerzusammen mit Herrn Dr. Martin Schindler, fürSchwyz der Leiter des Staatsarchives, Herr Dr.Josef Wiget zusammen mit Herrn Peter Inderbitzin.

120

Abb. 6:Heidenländli. Ober-flächenaufnahme durchF. Willi vom März1921.

Anschrift des Verfassers:

lic. phil. Beat EberschweilerBüro für Archäologie der Stadt ZürichNeumarkt 4CH-8001 Zürich

Gesellschaft für Schweizer Unterwasser-Archäologie GSUPostfach 282CH-8053 Zürichwww.gsu.ch (in Vorbereitung)

Abbildungen:

Abb. 1, 3: Büro für Archäologie der Stadt Zürich.

Abb. 2: Kantonsarchäologie Zürich.

Abb. 4-5: GSU.

Abb. 6 aus F. Willi, Auf Spuren der ältesten Niederlassungen in

unserer Gegend. Rorschacher Neujahrsbl. 1922, S. 41–50.

Literatur: (unpublizierte Berichte)

Eberschweiler 1996 · B. Eberschweiler, Kt. Zürich – Kurz -

inventarisation der Zürcher Seeufersiedlungen (Frühjahr/

Sommer 1996).

Eberschweiler 1998 · B. Eberschweiler, Kt. St. Gallen – Tauch-

prospektion St. Galler Gewässer (Zürichsee/Obersee). Bericht

über die Arbeiten. November 1997 bis April 1998 (1998).

Eberschweiler 1998 · B. Eberschweiler, Kt. Schwyz –

Schwyz ’98. Eine erste unterwasserarchäologische Bestandes-

aufnahme des Schwyzer Kulturgutes in Zürichsee und Obersee.

Herbst 1998 (1998).

Eberschweiler/Riethmann 1997 · B. Eberschweiler/P. Rieth-

mann,Rorschacherberg /Heidenländli – Bericht zur Tauchpro-

spektion vom Februar 1997 (1997).

Weitere Untersuchungen am „Salzschiff“ (W203) von Unteruhldingen/Bodensee

Unteruhldinger Feriengäste und Passagiere derBodenseeflotte fragten sich vergangenen Herbstnach der Bedeutung des durch Bojen ab gesperrtenKarrees, das den unmittelbaren Schiffsverkehr zubehindern drohte. Zu allem Überfluß wurden auch

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auf einer Fläche von weit über 20.000 m2 Sied-lungsschichten vorhanden sind. Weitgehend intakteKulturschichtareale dieser Größenordnung zählenam Bodensee und den anderen großen voralpinenSeen zu den Seltenheiten. Die Vielzahl zeitlich ver-schiedener Siedlungsphasen mit Kulturschichtnie-derschlag hebt Sipplingen vom Gros der Pfahlbau-siedlungen ab.

Eine besonders intensive Besiedlungstätigkeit istvor allem während des Jung- und Endneolithikums(3900 v. Chr. – 2850 v. Chr.) nachgewiesen (Kolb1997). Die Verbindung von immer wieder einset-zenden Aufsiedlungsphasen und die Verlagerungvon Dorf standorten führte zur allmählichen Akku-mulation anthropogener Siedlungsschichten. Imarchäologischen Befund zeigt sich dies in Formzahlreicher, verschiedenartiger Schichtabfolgenunterschiedlicher Zeitstellung. Überlagerungen vonFundschichten sind im Siedlungsareal der Sipplin-

123

x 150 x 200 x 250 x 300 x 350 x 400 x 450 x 500 x 550 x 600 x 650 x 700

y 200

y 150

— y 100

N

S

E

W

Uferbefestigung

Uferbefestigung

Caisson Reinerth 1929/30

y 200

y 150

— y 100

x 150 x 200 x 250 x 300 x 350 x 400 x 450 x 500 x 550 x 600 x 650 x 700

schwarze Flächen: untersuchte Bereiche 1997/98

N

S

E

W

Abb. 1:Sipplingen Osthafen, Lageplan der Grabungs-schnitte und der verschiedenen Kulturschichten.1 Sechs Siedlungen der Horgener Kultur

(3316–2856 v. Chr.).2 Hornstaader Gruppe (3919–3907 v. Chr.).3 Ältere Pfyner Kultur (3857–3817. v Chr.).4 Mittlere-jüngere Pfyner Kultur (um 3660 v. Chr.).5 Jüngere Horgener Kultur (um 2900–2860 v. Chr.). 6 Zwei Siedlungen der älteren bis mittleren

Pfyner Kultur (3800–3700 v. Chr.).7 Mittlere bis jüngere Pfyner Kultur

(3700–3600 v. Chr.).8 Mittlere Horgener Kultur (3033–3022 v. Chr.).9 Spätbronzezeit (um 934–933 v. Chr.).

standard: ungefähre dendrochronologische Daten.fett: jahrgenaue dendrochronologische Eckdaten.unterstrichen: typologische Datierung, dendrochro-nologische Auswertung noch im Gange1.

1 Die Zuweisungen dendro-chronologischer Daten zuKulturschichten sind vorläufi-ger Natur und beruhen über-wiegend auf Pfahldaten undentsprechenden Befundbeob-achtungen, die Verknüpfungmit liegenden Hölzern ist ineinigen Fällen noch nichtbelegbar.

Erosion fest gestellt werden. Einzelne Teile warennicht mehr vorhanden, während die Spanten undPlanken im Schiffsinnern weiter erodieren.

Kurz zusammengefaßt kann diese länderübergrei-fende Kooperation als Erfolg gewertet werden,deren Resultate weitere Informationen zum „Salz-schiff“ von Unteruhldingen liefern. Wesentlich waraber auch der erneute Kontakt zu Sporttauchernund deren Sensibilisierung für die eigene Schiff-fahrtsgeschichte in den heimischen Seen. Dies istbesonders wichtig bei einer boomenden Lifestyle-Sportart wie dem Sporttauchen, bei der Wracksvermehrt angetaucht werden und somit die Gefahrder unbewußten bzw. bewußten Beschädigungzunimmt. Deswegen muß der Kontakt zu den Sport -tauchern weiter aufrechterhalten und verstärkt werden, um die Unterwasserdenkmäler auch fürkommende Generationen zu erhalten. Interessantist der Weg, den die Schweiz diesbezüglich einge-schlagen hat. Während in Deutschland die beiSporttauchern wichtige Brevetierung und Anerken-nung von Spezialkursen wie z.B. dem „Wrack -tauchen“ ausschließlich im Aufgabenbereich derjeweiligen Sporttauchverbände liegt, ist dies in der Schweiz anders. Hier können archäologischeZusatzbreviers nur von der GSU und dem SUSVanerkannt werden, wobei hier neben der taucheri-schen Ausbildung auch die theoretische Schulungnicht zu kurz kommt.

Anschriften der Verfasser:

Adalbert Müller M.A.Albert-Ludwig-UniversitätInstitut für UrgeschichteBelfortstraße 22D-79805 Freiburg

Dr. Martin MainbergerAlbert-Hugardstr. 12D-79219 Staufen

Urs LöhnertMittlere Straße 120CH-4056 Basel

Abbildungen:

Abb. 1: M. Kinsky, Freiburg i. Br.

Literatur:

Mainberger 1996 · M. Mainberger, Taucharchäologisches Expe-

riment am „Salzschiff“ von Unteruhldingen,

Gde. Uhldingen-Mühlhofen, Bodenseekreis. Arch. Ausgr.

Baden-Württemberg 1996, 297–300.

Müller/Rampinelli/Mainberger 1999 · A. Müller /E. Rampinel-

li/ M. Mainberger, Fortgeschrittenenkurs Unterwasserarchäolo-

gie des Schweizer-Sport-Verbandes (SUSV) in Unteruhldingen

am Bodensee. Nachr.bl. Arbeitskreis Unterwasserarch. 5, 1999,

70–71.

122

Unterwasserarchäologie in der Sipplinger Bucht

Die neolithischen und bronzezeitlichen Feuchtbo-densiedlungen in der Sipplinger Bucht zählen zuden herausragenden Kulturdenkmälern Südwest-deutschlands. Schon seit dem letzten Jahrhundertaltberühmt, wurde die Station Sipplingen vor allemdurch die von H. Reinerth 1929/30 durchgeführteCaissongrabung überregional bekannt (Reinerth1932). Seit 1979 erfolgt eine kontinuierliche denk-malpflegerische Betreuung dieser Siedlungsstelledurch das Referat für Feuchtboden- und Unterwas-serarchäologie des Landesdenkmalamts Baden-Württemberg. Das Ziel der archäologischen Akti-vitäten ist eine um fassende Bestandsaufnahme unddie Installation eines langfristigen Bestands-schutzes.

Zu Beginn des Jahres 1997 schien diese Kontinuitätin Frage gestellt, da infolge knapper Landesmittelauch in Sipplingen die archäologischen Untersu-chungen vorzeitig eingestellt werden mußten. Dankder finanzielle Unterstützung durch den Verein fürPfahlbau- und Heimatkunde e.V. in Unteruhldingenwar es jedoch möglich, die Arbeiten in der Sipplin-ger Bucht noch 1997 weiterzuführen.

Der besondere archäologische Stellenwert der„Pfahlbaustation“ Sipplingen beruht im wesentli-chen auf zwei Hauptaspekten. Durch Bohrpro-gramme und Sondagen konnte belegt werden, daß

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bei keinem spätbronzezeitlichen Gefäßfragment einklarer Zusammenhang mit einer organischen Fund-schicht erfaßt werden konnte. Die Ausgrabungzweier Quadranten erbrachte diesbezüglich die not-wendige Klärung. Von zehn bis zwanzig Zentime-ter starken, heterogenen, sandigen Lagen bedeckt,wurde als oberste organische Lage eine Strate auf-gedeckt, die Funde der Horgener Kultur enthielt.Unmittelbar auf der Oberkante dieser Siedlungs-schicht aufliegend, konnte ein sandiges, mit See-kreide vermengtes, molluskenreiches Band ange-schnitten werden, das mit zahlreichen spätbronze-zeitlichen Gefäßbruchstücken durchsetzt war. DasFehlen organischer Anteile läßt darauf schließen,daß es sich um keine primäre Kulturschichtablage-rung mehr handelt. Da auch die darin enthaltenenKeramikfunde meist stärkere Erosionsspuren auf-weisen, muß wohl davon ausgegangen werden, daßein umgelagerter und ausgespülter Fundhorizontvorliegt, der gewissermassen das Kondensat einerehedem vorhandenen Kulturschicht darstellt. Dieangetroffene Befundsituation legt nahe, daß dieerosive Ausräumung der spätbronzeitlichen Schichtnicht rezenten Datums ist. Obwohl im Untersu-chungsareal keine in situ liegende Schichtrestemehr angetroffen werden konnten, besteht dennochdie Möglichkeit, daß weiter seewärts unter Sedi-mentbedeckung noch intakte spätbronzezeitlicheAblagerungen vorhanden sind. Dies gründet sichauf aktuelle Beobachtungen von Abtragungspro-zessen. Diese setzen zuerst in uferwärtig gelegenenBereichen an, während tiefer abgesenkt liegendeSchichten davon ausgenommen sind. Wie aufgrundder Oberflächenaufnahme zu erwarten war, wurdenin beiden ausgegrabenen Quadranten zudem nochmehrere Pfyner Schichten angeschnitten.

Auch zur Datierung der spätbronzezeitlichen Funde ergaben sich Anhaltspunkte. Schon bei derAufnahme des Pfahlfeldes und der oberflächlichenSchichtbefunde fielen einige massive Eichen pfähleauf, die eine sehr feste Konsistenz aufwiesen undnoch weit aus dem Sediment herausragten. Die dendrochronologische Analyse erbrachteDaten um 930 v. Chr.. Damit fällt die spätbronze-zeitliche Besiedlung in Sipplingen mit den Baube-ginn des Dorfes 2 in Unteruhldingen-Stollenwiesenzusammen(Schöbel 1996).

Da die dendrochronologischen Resultate auf eineeinphasige spätbronzezeitliche Belegung schließenlassen, dürfte das geborgene Keramikfundensem-ble ebenfalls diesem Zeitraum zuzuordnen sein.

So hat die im Dezember 1997 durchgeführte Unter-suchung die Kenntnis zur Besiedlung der Sipplin-ger Bucht wesentlich erweitert und zugleich einenweiteren Mosaikstein zur Geschichte der Spätbron-zezeit am Bodensee erbracht.

Wie schon eingangs erwähnt, sind nicht nur die Be -standsaufnahmen ein Schwerpunkt der Arbeiten inder Sipplinger Bucht, sondern auch Maßnahmen zumlangfristigen Schutz des Denkmals, da die ge samteFundstelle durch permanente Abspülungsprozessegefährdet ist. Da ein Großteil der Siedlungsschich-ten bereits offen am Seegrund liegt - die schützen-den Decksedimente sind auf breiter Front bereitsdurch den Wellenschlag abgetragen - gehen Jahrfür Jahr wertvolle archäologische Informationenunwiederbringlich verloren. Im Umfeld des Hafenskonnten während eines zehnjährigen Untersu-chungszeitraumes Erosionsraten von bis zu 2 cmpro Jahr ermittelt werden.

Im Verlauf der vergangenen Jahre sind deswegenmehrere bestandsichernde Maßnahmen eingeleitetworden. Im Ostteil der Sipplinger Bucht wurden imZuge einer mit dem Landesdenkmalamt koordi-nierten Renaturierungsmaßnahme des Wasserwirt-schaftamtes Kiesschüttungen ausgebracht und eskonnte somit eine natürliche Uferabböschung

125

1,9

1,8

1,7

1,6

1,5

1,4

88 90 92 94 96 98 99,7

see-landwärtige Koordinaten (x=300) in Metern

Richtung Haldenabbruch

Höh

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Richtung Land

Baggerkante Hafenostseite

Gelände- oberfläche 1983

Gelände- oberfläche 1993

Kulturschicht

Seekreide

Abb. 3:Sipplingen Osthafen.Darstellung des erosi-ven Abtrages in einerUntersuchungsflächeim Hafenaußenbe-reich.

124

Abb. 2:Sipplingen Osthafen.SpätbronzezeitlichesFundensemble ausSchnitt 126. M. 1:4.

ger Bucht deswegen die Regel, überwiegend sindzwei- bis dreischichtige Stratigraphien anzutreffen,im Umfeld des Osthafens konnten bis zu sechs-schichtige Kulturschichtabfolgen erfaßt werden.

Aufgrund der Weitläufigkeit des Siedlungssarealswar eine flächendeckende Aufnahme der SipplingerBucht nicht durchführbar. Die Erfassung des Denk-malbestandes erfolgte deswegen mittels eines weit -räumiges Rasters von Bohrungen, Oberflächenauf-nahmen (Kolb 1998), Sondagen und Grabungs-schnitten. Ob wohl noch einige Lücken zuschließen sind und die Korrelation einiger Fund-schichten noch nicht entgültig geklärt ist, läßt sichauf der Basis des gegenwärtigen Auswertungsstan-des ein Gesamtbild der neolithischen und bronze-zeitlichen Besiedlungsgeschichte der SipplingerBucht darstellen (Abb. 1). Mehrere Schichtkomple-xe konnten durch das dendrochronologische Laborin Hemmenhofen von A. Billamboz absolut datiertwerden (Billamboz 1998). Die Einordnung weite-rer Fundschichten wurde aufgrund typologischerbzw. relativchronologischer Kriterien vorgenommen.

Beim jetzigen Stand der Auswertung lassen sichmindestens 15 Kulturschichten verschiedener Zeit-stellung unterscheiden. Weitere Siedlungsphasen,für die aber bisher noch kein Kulturschichtnieder-schlag nachgewiesen werden konnte, sind aufgrunddendrochronologischer Daten belegt.

Der Frage weitgehend undokumentierter Sied-lungsphasen widmete sich auch die im Dezember

1997 durchgeführte Untersuchung. Zu diesem Zeit-punkt waren bereits weit über ein Dutzend Sied-lungsschichten der Pfyner und Horgener Kultur mitKulturschichterhaltung bekannt, hingegen warenBelege für Siedlungsphasen darauffolgender Kul-turstufen wie etwa der Schnurkeramik (Köninger/Schlichtherle 1990), der Früh-/Mittelbronzezeitund der Spätbronzezeit kaum zu fassen.

Als Zeugnisse schnurkeramischer Siedlungstätig-keit lagen lediglich einige Altfunde sowie schnur-keramikzeitlich datierte Eichenpfähle aus dem Ostteil der Sipplinger Bucht vor. Ein ähnliche gela-gerte Quellensituation bestand für den Zeitraumder Bronzezeit. Zu dem nicht mehr genau lokali-sierbaren frühmittel- und spätbronzezeitlichen Altfundbestand des vergangenen Jahrhundertshaben sich einige urnenfelderzeitliche Lesefundeneueren Datums aus Aufsammlungen hinzugesellt,deren Fundumstände dokumentiert sind. Dendro-chronologische Datenserien oder Kulturschichtender Bronzezeit waren aber trotz über fünfzehnjähri-ger Sondagetätigkeit nicht belegbar.

Im Winter 1997 wurden erstmals bei Oberflächen-aufnahmen schnurkeramische und urnenfelderzeit-liche Streufunde entdeckt, die in Gemengelage mitKeramikbruchstücken der Pfyner und HorgenerKultur lagen. Da im Untersuchungsareal gleichmehrere Schichten an der Oberfläche auskeilten,stellte sich sofort die Frage, ob darin auch Fund-schichten der Schnurkeramik und der Spätbronze-zeit vertreten sind.

Um diesen Punkt zu klären, wurde im Dezember1997 die Grabungsfläche um weitere 32 Quadratme-ter erweitert. Bei der Aufnahme dieses Schnittes wur-den alle oberflächlich liegenden Fundstücke gebor-gen sowie die bereits durch Erosion freigespültenKulturschichten und Befunde dokumentiert. Darüber-hinaus erfolgte eine vollständige Verprobung der imUntersuchungsareal enthaltenen Pfähle und Hölzer.Im Zuge dieser Sondage kamen zahlreiche weitereKeramikfunde der Spätbronzezeit zum Vorschein, die– mehrheitlich stark verrollt – in einer schütterenStreuung an der Oberfläche lagen. Fundstücke derschnurkeramischen Kultur blieben aber aus.

Weiter ungelöst war zunächst die Frage, ob nocheine spätbronzezeitliche Kulturschicht vorliegt, da

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127

Abb. 1: Ortsbegehung Alt-Heiligenberg am25.06.1997 mit demHeimatverein Heiligen-berg.

Abbildungen:

Abb. 1: Pfahlbaumuseum, G. Schöbel.

Abb. 2: J. Englert, Jettenburg.

Literatur:

Hopert/Schlichtherle/Schöbel/Spatz/Walter 1998 · F. Hopert /

H. Schlichtherle/G. Schöbel /H. Spatz/P. Walter, Der Hals bei

Bodman. Eine Höhensiedlung auf dem Bodanrück und ihr Ver-

hältnis zu den Ufersiedlungen des Bodensees. In: Archäologi-

sche Forschungen im urgeschichtlichen Siedlungslandschaften.

Festschr. G. Kossack zum 75. Geburtstag, Hrsg. H. J. Küster,

A. Lang und P. Schauer (Regensburg 1998) 91 ff.

Wagner 1908 · E. Wagner, Fundstätten und Funde im Großher-

zogtum Baden, 1. Teil (Tübingen 1908) 49.

Abb. 2a und 2b: MittelbronzezeitlicheScherben aus dem Aus-hub der Weganlage,Alt-Heiligenberg, Ver-bleib Pfahlbau-museumUnteruhl dingen. M. 1:1.

wiederhergestellt werden. Eine feste Verspundungder östlichen Hafenausfahrtsrinne, die im Zuge derdiesjährigen Hafenerneuerung angelegt werdensoll, ist ein weiter Schritt, der zu einer deutlichen Re -duktion der Erosion im Hafenumfeld führen wird.Bereits 1993 wurden in Zusammenarbeitet mit demWasserwirtschaftsamt auf mehreren hundert Qua-dratmetern Testflächen mit Geotextilien abgedeckt.Dabei wird die dauerhafte Tauglichkeit verschiede-ner Materialien als Erosionsschutz erprobt. Zudemwurden 1997 in einem besonders erosionsexponier-ten Bereich zwei Testflächen mit Kiesschüttungenversiegelt. Nach Ab schluß dieser Studien besteht diefeste Absicht, die archäologisch relevanten Zonenmit einem dauerhaften Erosionsschutz zu versehen.Nur so kann dieses bedeutende Kulturdenkmal fürkünftige Generationen erhalten werden.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Martin KolbEschholzstraße 38D-79106 Freiburg i. Br.

Abbildungen:

Abb. 1–3: M. Kolb.

Literatur:

Billamboz 1998 · A. Billamboz, Die jungneolithischen Dendro-

daten der Pfahlsiedlungen Südwestdeutschlands als Zeitrahmen

für die Einflüsse der Michelsberger Kultur in ihrem südlichen

Randgebiet. Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württem-

berg 43 (Stuttgart 1998) 159–167.

Kolb 1997 · M. Kolb, Die Seeufersiedlung Sipplingen und

die Entwicklung der Horgener Kultur am Bodensee. In: H.

Schlichtherle (Hrsg.), Pfahlbauten rund um die Alpen (Stuttgart

1997) 22–28.

Kolb 1998 · M. Kolb, Die Oberflächenaufnahme als Prospekti-

onsverfahren bei taucharchäologischen Untersuchungen in der

Sipplinger Bucht am Bodensee. In: Archäologie unter Wasser 2,

Prospektionstechniken (Rahden/Westfalen 1998) 39–45.

Köninger/Schlichtherle 1990 · J. Köninger/H. Schlichtherle, Zur

Schnurkeramik und Frühbronzezeit am Bodensee. Fundber.

Baden-Württemberg 15, 1990, 149–173.

126

Spuren einer mittelbronzezeitli-chen Höhensiedlung auf Alt-Heili-genberg, Gemeinde Heiligenberg,Bodenseekreis

Bei der Verbreiterung eines Forstweges an derNordflanke der mittelalterlichen Burgstelle „Alt-Heiligenberg“ traten mittelbronzezeitliche Scher-ben an der seit 1880 bekannten Fundstelle auf, dievom dortigen Heimatverein dem Pfahlbaumuseumübergeben wurden. Eine Ortsbegehung zeigte, dassdie mittelalterliche Anlage vermutlich auf einerdort befindlichen vorgeschichtlichen Höhensied-lung errichtet wurde (Abb. 1). Durch die Scherben-funde eines großen mit Tupfenleiste versehenenVorratsgefäßes und eines mit Kerbleisten versehe-nen Henkelgefäßes ist damit eine weitere mittel-bronzezeitliche Höhensiedlung im Bodenseeraumbelegt (Abb. 2a und 2b). Nach den bislang aufge-tretenen Funden zu urteilen, war die Anlage aufdem markanten Sporn über der Seefelder Aachnie-derung vermutlich vom Neolithikum bis in dieSpätbronzezeit besiedelt. Sie steht in einer Reihemehrerer inzwischen bekannter Höhensiedlungenauf den Kuppen des Bodenseebeckens, die mitSicherheit in einem engen Bezugsnetz zu denprähistorischen Pfahlbauten standen, deren Erfor-schung aber noch weit hinter der der Ufersiedlun-gen zurücksteht.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Gunter SchöbelPfahlbaumuseum UnteruhldingenStrandpromenade 6D-88690 Uhldingen-Mühlhofen

Reinerth 1932 · H. Reinerth, Das Pfahldorf Sipplingen, Führer

zur Urgeschichte 10 (Leipzig 1932).

Schöbel 1996 · G. Schöbel, Die Spätbronzezeit am nordwestli-

chen Bodensee. Taucharchäologische Untersuchungen in

Hagnau und Unteruhldingen 1982–1989. Forsch. u. Ber. Vor- u.

Frühgesch. Baden-Württemberg 47. Siedlungsarchäologie im

Alpenvorland IV (Stuttgart 1996).

Page 66: Plattform VII VIII · land berichtet. Ein Thema, das inzwischen auch ver-stärkt bei den vorgeschichtlichen Ufer- und Moor-siedlungen diskutiert wird. Eine gründliche Rückbe-trachtung

Sondierungen in der spätbronze-zeitlichen Ufersiedlung von Unter -uhldingen, Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen, Bodenseekreis

Im Frühjahr 1998 und 1999 fand im Rahmen derFundstellenbetreuung in der alt bekannten Siedlungs-anlage eine Tauchsondage des PfahlbaumuseumsUnteruhldingen im Auftrag des Landesdenkmal -amtes Baden-Württemberg statt. Das Ziel war, dieDokumentation des ständig fortschreitenden Zer-störungsprozesses in der etwa 2 Hektar großen An -lage südlich der Unteruhldinger Hafenmole, weiterdie Entnahme von Pfahlproben (Abb. 1) zur Erweite-rung des dendrochronologischen Datengerüstes desSüddeutschen Buchenchronologie und die ergänzen-de Aufnahme der bereits festgestellten Hausgrund -risse des 10. und 9. Jh. v. Chr. Von den 183 entnom-menen Proben (Abb. 2) befinden sich etwa ein Dut-zend gegenwärtig in der Konservierung. Sie sollenim neuen Ausstellungsraum in Ergänzung desTauche raquariums den Besuchern als Belegstückedes größten Unteruhldinger Pfahlbaus in Kürzegezeigt werden. Die aus den kleinen Sondagen imRahmen der ständigen Fundstellenbetreuung gewon-nen Daten zur Siedlungsarchitektur bilden dieGrundlage für den Aufbau weiterer geplanter spät-bronzezeitlicher Häuser im Freilichtmuseum, diedurch das Europaprojekt „Archeolive“ im Rahmendes Programms „Raphael“ der EU in Modena, Wien,Unteruhldingen gefördert sind.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Gunter SchöbelPfahlbaumuseum UnteruhldingenStrandpromenade 6D-88690 Uhldingen-Mühlhofen

Abbildungen:

Abb. 1: R. Klett.

Abb. 2: Pfahlbaumuseum, G. Schöbel.

Literatur:

Schöbel 1999 · G. Schöbel, Nachuntersuchung in der spät -

bronzezeitlichen Ufersiedlung Unteruhldingen Stollenwiesen,

Bodenseekreis. Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 1998 (1999)

78–81.

Abb. 1: Die mit der Stangen-winde (rechts) geborge-nen Pfähle werden nacherfolgter Dokumentati-on unter Wasser mitdem Tauchfloß an Landgebracht.

Abb. 2: Vor der Probenentnah-me für die Dendrochro-nologie erfolgt die sorg-fältige Reinigung undZeichnung der gezoge-nen Eichenpfähle,Unteruhldingen 1998.

129

Reste einer mittelalterlichenBrücke über die Seefelder Aach bei Oberuhldingen, Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen,Bodenseekreis.

Im Zuge einer Baumaßnahme für ein Regenüber-laufbecken in Oberuhldingen, Bregenzer Straße,wurde das Pfahlbaumuseum vom Ortsbaumeisterder Gemeinde darüber in Kenntnis gesetzt, daßbearbeitete Balken in einer Baugrube aufgefundenworden seien. Eine Fundortbegehung im Auftragdes Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg

ergab, daß der Großteil der angetroffenen hölzernenAnlage bereits zerstört war (Abb. 1), sich aber nochReste in der Baugrubenwand befanden (Abb. 2). DieAufnahme des in-situ-Befundes ergab im Bereichgroßer Steinquader, die als Auflager zu deuten sind,noch im Boden steckende Pfähle und verschiedenebalkenförmige Holzbauteile. Am Grabenrand lagendie bereits ausgebaggerten mächtigen Bauteile. Einfast vollständiges Stück besaß 5,30 m Länge, einenDurchmesser von 30 – 40 cm und Aushöhlungen inAbständen von etwa 1,20 m. Durch die Rekonstruk-tion weiterer Bruchstücke lassen sich mindestens 3etwa 5,20 m lange Balken mit Aussparungen rekon-struieren, die als hölzerne querliegende Widerlagerauf Blocksteinen mit Pfahlfixierung gedeutet werdenkönnen. Die Reste des Brückenbauwerkes, dessenoffensichtlich südlicher Teil geschnitten wurde,konnten im Dendrochronologischen Labor des Lan-desdenkmalamtes Baden-Württemberg in Hemmen-hofen durch A. Billamboz im Rahmen einer Splint-grenzdatierung auf 1358 n. Chr. (+- 10 Jahre) datiertwerden (Abb. 3). Die Lage im Bereich einer land-schaftlichen Engstelle zwischen Oberuhldingen undGebhardsweiler auf einer Höhe zwischen 401 und402 m ü. NN. deutet darauf hin, daß damals bewußtein überschwemmungssicherer Standort gewähltwurde. Die Brücke lag an scheinend leicht über derim Gelände noch überall noch gut zu verfolgendenGeländekante einer „mittelsteinzeitlichen Uferlinie“von 400 m ü. NN. Starke Kiesschrägschüttungenüber den Eichenbalken im Grubenwandprofil zeigenallerdings an, daß sie wahrscheinlich dann im Zugeeines plötzlich auftretenden Hochwassers zerstörtwurde. Wo sich der nachfolgende Brückenübergangbefand und welchen Bezug er zum Wegenetz desnahen Zisterzienserklosters Salem besaß, müssenweitere Untersuchungen zeigen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Gunter SchöbelPfahlbaumuseum UnteruhldingenStrandpromenade 6D-88690 Uhldingen-Mühlhofen

Abbildungen:

Abb. 1–3: Pfahlbaumuseum, G. Schöbel.

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Abb. 1: Ausgebaggerte Eichen-balken am Baugruben-rand.

Abb. 2: Arbeiten im Rahmender Notbergung von in-situ befindlichen Höl-zern.

Abb. 3: Probenentnahme für die Dendrochrono-logie.

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(Abb. 4) während des Winterhalbjahres fortgesetzt.Mit diesem neuen Forschungsschwerpunkt desPfahlbaumuseums soll, im Rahmen der allgemei-nen Bearbeitung der Reinerthschen Altgrabungen,nach und nach mit Unterstützung der staatlichenStellen eine Neubewertung und Veröffentlichungder Grabungsergebnisse der 20er Jahre ermöglichtwerden. Eine Fortsetzung der Arbeiten im nächstenJahr ist vorgesehen.

Ich danke den Grabungsmitarbeitern der Archäolo-gischen Untersuchungen von Unteruhldingen undBad Buchau für Ihre Mithilfe ganz besonders.Unteruhldingen: P. Walter M.A., M. BaumhauerM.A., B. Widenhorn, R. Auer, Chr. Sulger, M. Krauß. Grabung Buchau: P. Walter M.A., B. Widenhorn, R. Auer, Chr. Sulger, M. Krauß, A. Maier, C. Bäuker, D. Beilharz, D. Gräf, Th. Sing, J. Hohendorf.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Gunter SchöbelPfahlbaumuseum UnteruhldingenStrandpromenade 6D-88690 Uhldingen-Mühlhofen

Abbildungen:

Abb. 2: Pfahlbaumuseum, F. Förster.

Abb. 1, 3, 4: Pfahlbaumuseum, G. Schöbel.

Literatur:

Schöbel 1998 · G. Schöbel, Wiederausgrabungen in der spät-

bronzezeitlichen Ufersiedlung „Wasserburg Buchau“ im Feder-

seemoor bei Bad Buchau, Kreis Biberach. Arch. Ausgr. Baden-

Württemberg 1998 (1999) 74–77.

Abb. 2:„Wasserburg Buchau“.Besuch des Vereins für Vor- und Frühge-schichte in Württem-berg und Hohenzollernauf der Ausgrabung amTag des offenen Denk-mals am 12.9.98 in BadBuchau, Erläuterungen am Nor-dosttor.

Abb. 3:Flächenschnitt A5, imInnenraum der spät-bronzezeitlichen Ufer-siedlung. Teile des Flü-gelgebäudes Ost vonGehöft 4 (links) undvon Hütte 8 (rechts)sind anhand der erhalte-nen Fuß böden erkenn-bar.

Abb. 4:Auswertung der Gra-bungsfunde im Vor-tragsraum des Pfahl-baumuseums, Winter1998/1999.

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Wiederausgrabungen in der „Wasserburg Buchau“, einer spät-bronzezeitlichen Ufersiedlung imFederseemoor

In Zusammenarbeit mit dem LandesdenkmalamtBaden-Württemberg fanden im Herbst 1998 und 1999 zwei Grabungskampagnen in der durchH. Reinerth zwischen 1921 und 1966 mehrfachuntersuchten Siedlungsanlage statt (Abb. 1). DieArbeiten des Jahres 1998 konzentrierten sich aufdie Freilegung des Nordost- und Südwesttores(Abb. 2), sowie die Eröffnung eines 50 m langenSuchschnittes durch das Zentrum der spätbronze-zeitlichen Anlage. Im September 1999 lag dasSchwergewicht der Untersuchung bei der Suchenach dem Nordtor und der Aufdeckung noch erhal-tener Gebäudegrundrisse des Ausgrabungsjahres1925 im Innenraum (Abb. 1 und 3).

Es zeigte sich, daß stellenweise eine sehr guteFeuchterhaltung, der bereits als vollständig ausge-graben geltenden Siedlung, weitere Rückschlüsseauf die Organisation und Konstruktion der Sied-lung erlaubte. Während Nordost- und Südwesttorals nachträgliche Einbauten in den bestehendenPalisadenring aus 15.000 Kiefernstangen erkannt

wurden, bereitete die Suche nach weiteren bei H. Reinerth erwähnten Baukonstruktionen Schwie-rigkeiten. Brückenbauwerke im Südosten und das„Nordtor“ an der Innenpalisade konnten trotzintensiver Suche noch nicht wieder gefunden wer-den. Ob dies an der vollständigen Ausgrabung oderVermessungsfehlern der Altgrabungen liegt, kannbislang nicht sicher entschieden werden. Dafüraber gelang 1999 die Sicherstellung und Dokumen-tation eines schon 1925 ausgegrabenen Dorfaus-schnittes im Zentrum der Siedlung. Es konnte, unddies darf als kleine Sensation gelten, unter Restendes Gehöftes 4 der jüngeren Siedlung die Untersu-chung eines Ausschnittes von Hütte 8 der unterenSiedlung (Abb. 3) erfolgen. Durch die lange land-wirtschaftliche Nutzung bedingt, waren die Kultur-schichten jedoch nur noch in einer Tiefe von überca. 40 cm wassergesättigt und entsprechend kon-serviert. Darüber hatte die Durchlüftung des Moor-bodens bereits nahezu alle Spuren der in den 20erJahren nachgewiesenen Baustruk turen beseitigt.Damals dokumentierte massive Bauhölzer warenstellenweise in Resten als Verfärbungen im Moor-boden nachzuweisen. Die Bearbeitung der dendro-chronologischen und botanischen Proben hatbegonnen. Im Pfahlbaumuseum werden die Aus-wertungsarbeiten am geborgenen Fundmaterial

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Abb. 1: Luftaufnahme der 152 x 110 m großen„Wasserburg Buchau“,10. September 1999.Die Ausgrabungs-flächen am Nordtor undim Bereich des Innen-raumes geben sichdurch ihre dunklereFärbung gegenüberdem Wiesengelände zuerkennen. Der äußerehelle Kreis kennzeich-net die umgebendeAußenpalisade.

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Der Bohlenweg „Am Ödenbühl“ im südöstlichen Federseemoor(Kreis Biberach)

Das Moor des Federseebeckens ist bislang vor allemfür seine zahlreichen Feuchtbodensiedlungen be -kannt. Mit der Entdeckung der mittelbronzezeitli-chen Bohlenwege, die vom westlichen Moränen-grund zu der im Moor gelegenen Insel Buchau führ-ten (Billamboz/Schlichtherle/Maier 1994), rücktenauch die Wegebauten wieder verstärkt in den Blick-punkt des Interesses, die dann im Rahmen einer Ma -gister arbeit aufgearbeitet wurden.1 Bis heute sind ausdem Federseemoor zwölf verschiedene vorgeschicht-liche bis neuzeitliche Weganlagen bekannt (Abb. 1).

Einer davon ist der Bohlenweg „Am Ödenbühl“(Abb. 1.6), der bereits zu Beginn der wissenschaft-lichen Erforschung des Moores Anfang der 20erJahre vom Urgeschichtlichen Forschungsinstitutder Universität Tübingen unter Leitung von R. R.Schmidt und 1927 von O. Paret untersucht wordenwar. Die Ergebnisse dieser Forschungen wurden inknappen Zusammenfassungen veröffentlicht (Paret1928; Reinerth 1929, 145 ff.).

In Vergessenheit geraten war die Grabung H. Reinerths, der während des Nationalsozialismuszu einem der führenden Archäologen Deutschlandsaufgestiegen war. Er ließ anläßlich der ersten Jahres-tagung der „Süddeutschen Arbeitsgemeinschaft desReichsbundes für Deutsche Vorgeschichte“, die vom13. – 15. Oktober 1937 in Buchau stattfand, nebengroßen Flächen im Taubried (Strobel 1995) und der„Wasserburg Buchau“ auch 155,5 m des insgesamtrund 300 m langen Bohlenweges freilegen.

Die Dokumentation der Grabung, die im Archiv des Pfahlbaumuseums schlummerte, war für die da -malige Zeit sehr detailliert und wurde mit der in dengroßen Siedlungsgrabungen der 20er Jahre ent-wickelten Routine durchgeführt2. Die freige legtenWegstücke wurden genau vermessen, Übersichtsplä-ne erstellt, die Untergrundverhältnisse untersucht,Pollenproben analysiert und die Holzarten zumindestteilweise bestimmt. Wie in der Siedlung „Wasser-burg Buchau“ wurden die ersten dendrochronologi-schen Messungen Deutschlands von B. Huber vor-genommen und der freigelegte Bohlenweg mittelsPlanphotographien von H. Dürr festgehalten.

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Abb. 1: Übersichtskarte der Bohlenwege im Federseemoor: 1 Dullenried, 2 Seekirch-Stockwiesen, 3 SiedlungForschner, 4 Bad Buchau-Wuhrstraße (MBZ), 5 Bohlenweg am Schwarzen Weg, 6 Am Ödenbühl, 7 Bad Buchau-Wuhrstraße (Ha), 8 Bittelwiesen, 9 Dammweg Egelsee, 10 Reisiglage Bad Buchau-Wuhrstraße, 11 Bad Buchau-Bahndamm, 12 Taubried.

1 Heumüller 1998.

2 Die Einsicht in die Reinerth-schen Originaldokumentationermöglichte Dr. G. Schöbelvom Pfahlbaumuseum. Ihmsowie seinen Mitarbeitern J. Hummler und P. WalterM.A. danke ich für ihr freund-liches Entgegenkommen.

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Der Weg, der die 300 m Niedermoor vom östli-chen, festen Moränengrund zum nahegelegenenFederbach überbrückte, wechselte entsprechendden sich ändernden Untergrundverhältnissen vier-mal die Konstruktion. Während nahe des minerali-schen Bodens lediglich eine einfache Prügellageauf den Torf verlegt worden war, ließ der Weg anseinem westlichen Ende einen dreilagigen Aufbauerkennen. Auf zuunterst liegenden Querschwellen,über die zwei bis vier Längshölzer gelegt wurden,folgten wiederum quergelegte Deckhölzer, die dem Weg eine Breite von 1,50 - 1,80 m verliehen(Abb. 2). Über eine dazwischenliegende minde-stens 70 m lange Strecke wurden jedoch arbeits-und materialsparender längsgerichtete Hölzer aufQuerschwellen verlegt (Abb. 3).

Entlang des Federbaches, nahe dem westlichenEnde des Weges, wurden von O. Paret in Zusam-menhang mit dem Bohlenweg mehrere Pfahlstel-lungen untersucht, die er damals trotz Überrestenehemaliger Blockbauhölzer, Tongefäße, Bronzenund Steinen von Herdstellen lediglich als Plattfor-men für den Fischereibetrieb deutete (Paret 1928).Weg und Pfahlstellungen wurden als zusammen-gehörig betrachtet, was durch die einheitlicheDatierung des Pollenanalytikers K. Bertsch(Bertsch 1931) in die Spätbronzezeit bestätigtwurde.

Sondagen, die J. Köninger seit einigen Jahren rund1,5 km nördlich des Bohlenweges durchführt, zei-gen die Pfahlwerke Parets in einem neuen Licht.Hier kamen u.a. Reste ehemals abgehobener, imWasser stehender Hauskonstruktionen der Hall-stattzeit zutage, bei denen es sich nach Ausweisdes Fundmaterials um eine auf Fischfang speziali-sierte Siedlung handeln könnte (Köninger 1997,61). Um solche Hauskonstruktionen wird es sichzumindest teilweise auch bei den spätbronze- oderfrühhallstattzeitlichen Pfahlstellungen Paretsgehandelt haben, zu denen der Bohlenweg „AmÖdenbühl“ führte.

Anschrift der Verfasserin:

Marion Heumüller M.A.Schulstraße 12D-78345 Moos-Bankholzen

Abb. 2 (oben): Übersicht über denKonstruktionsabschnittmit quergelegter Deck-schicht.

Abb. 3 (rechts): Der Konstruktions -abschnitt mit längs -verlegten Deckhölzern.

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Abbildungen:

Abb. 1: M. Heumüller, Taf. 9.

Abb. 2, 3: Archiv Pfahlbaumuseum (APM).

Literatur:

Bertsch 1931 · K. Bertsch, Paläobotanische Monographie

des Federseerieds. Bibliotheca Botanica 26, H. 103 (Stuttgart

1931) 1–127.

Billamboz/Schlichtherle/Maier 1994 · A. Billamboz/

H. Schlichtherle/U. Maier, Eine Bohlenkonstruktion im westli-

chen Federseemoor: Teil einer Straßenverbindung zur Insel

„Buchau“? (Stadt Bad Buchau, Kreis Biberach). Arch. Ausgr.

Baden-Württemberg 1994, 76–80.

Heumüller 1998 · M. Heumüller, Die vorgeschichtlichen Wege

des Federseemoores: Forschungsgeschichte, Konstruktion,

Vergleich (Magisterarbeit Univ. Tübingen 1998).

Köninger 1997 · J. Köninger, Oggelshausen „Bruckgraben“ –

eine hallstattzeitliche Siedlung im südlichen Federseemoor,

Gemeinde Oggelshausen, Kreis Biberach. Arch. Ausgr. Baden-

Württemberg 1997, 59–61.

Paret 1928 · O. Paret, Neue Funde im Steinhauser Ried bei

Schussenried. Fundber. Schwaben N.F. 4, 1926–1928 (1928),

52–58.

Reinerth 1929 · H. Reinerth, Das Federseemoor als Siedlungs-

landschaft des Vorzeitmenschen (Augsburg 1929).

Strobel 1995 · M. Strobel, Taubried I – eine Siedlung der

Schussenrieder Kultur im südlichen Federseeried. Plattform 4,

1995, 42–57.

Neue Untersuchungen zum Siedlungsplan des neolithi-schen Moordorfes Dullenried beiBad Buchau, Ldkr. Biberach

Bereits im Jahre 1875 waren Torfstecher im süd -lichen Federseeried auf die vorzüglich erhaltenenReste jungsteinzeitlicher Moordörfer gestoßen, diespäter unter den Namen „Aichbühl“ und „Riedscha-chen“ in die wissenschaftliche Literatur eingingen.

Die damals durchgeführten Grabungen des Schus-senrieder Oberförsters E. Frank und des Landeskon-servators E. Paulus d. J. hatten über die Landesgren-zen hinweg für Aufsehen gesorgt (Keefer 1992).

Als ab 1919 auf Betreiben des Tübinger Urge schicht -lers R. R. Schmidt neuerliche Untersuchungen in denaltbekannten Stationen anberaumt wurden, rücktedas Federseemoor abermals ins Blickfeld der interna-tionalen Vorgeschichtsforschung. Noch heute geltendie Grabungen des Urgeschichtlichen Forschungsin-stitutes (UFI) der Universität Tübingen als Pionier-leistung auf dem Gebiet siedlungsarchäologischerFeldforschung und als Meilenstein in der Entwick-lung moderner Grabungstechnik.

Auch der junge H. Reinerth war damals an denFedersee gekommen, wo er von Schmidt mit derGrabungsleitung in der 1920 neu entdeckten Sta -tion Dullenried bei Bad Buchau betraut wurde.Anfänglich noch als Student, nach seiner Promo -tion im Jahre 1921 als Assistent am UFI, wußte ersolche Chancen zu nutzen und sich als Ausgräberspektakulärer Befunde besonders in der bronzezeit-lichen „Wasserburg Buchau“ wissenschaftlich zuetablieren. Leider wurde die Veröffentlichung die-ser einzigartigen Grabungen damals mit weit weni-ger Engagement betrieben, als die Feldforschungenselbst. Obwohl die aufgedeckten Befunde aufgrundder günstigen Erhaltungsbedingungen im feuchtenMilieu des Moorbodens ein ungewöhnlich beredtesZeugnis vorgeschichtlichen Lebens abzulegen ver-mochten, erschöpfte sich ihre Publikation allzu oftin kurz gehaltenen Vorberichten oder populärwis-senschaftlichen Abrissen. Die solcherart vorgeleg-ten Ergebnisse und Befundinterpretationen wurdendurch einen Mangel an detailgetreuen Siedlungs-plänen einerseits und die nur in knapper Auswahlabgebildeten Fundstücke andererseits einer wissen-schaftlichen Kritik entzogen. Die Aufarbeitung derAltgrabungen steht zum Teil noch heute aus.

Im Rahmen einer Magisterarbeit an der UniversitätTübingen erhielt ich im letzten Jahr die Gelegen-heit zur Neuaufnahme der Funde aus der Moor-siedlung Dullenried sowie zur Einsichtnahme indie alten Grabungsunterlagen1. Vor dem Hinter-grund des gegenwärtigen Forschungsstandes sollteso eine Neubewertung der alten Befunde und eineKritik der Reinerthschen Interpretationen versucht

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1 Diese Einsichtnahme wurdemir von Herrn Dr. G. Schöbelvom Pfahlbaumuseum Unte-ruhldingen und Herrn Dr. E.Keefer vom Württembergi-schen Landesmuseum ermög-licht. Ihnen sowie Herrn Dr.H. Schlichtherle vom Landes-denkmalamt/Außenstelle Gai-enhofen-Hemmenhofen, FrauS. Wilkie/Stuttgart und HerrnP. Walter M.A./Pfahlbaumu-seum Unteruhldingen sei fürallzeit freundliches Entgegen-kommen herzlich gedankt.

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werden. Nach Reinerths Ansicht handelte es sichbeim Dullenrieder Moordorf um eine Ansiedlungder frühesten Jungsteinzeit. Die rohe Machart undFormenarmut der vorgefundenen Tonware werteteer als Hinweise auf eine noch im urtümlichenAnfangsstadium ihrer Entwicklung verhafteteKeramikproduktion, und seine allzu primitiv gera-tenen Gebäuderekonstruktionen sollten den Ein-druck einer noch in mesolithischem Habitus ver-harrenden Architektur erwecken (Reinerth 1929,59 ff., Abb. 13). Derartige Deutungen sind aberschon lange nicht mehr haltbar. Gerade aufgrunddes keramischen Inventars kann die DullenriederSiedlung heute einem älteren Abschnitt der end-neolithischen Horgener Kultur, etwa um 3200 v.Chr. zugeordnet werden. Im folgenden soll demneu erstellten Gesamtplan der Siedlung das beson-dere Augenmerk gelten.

Das Moordorf Dullenried, das unweit des BuchauerOrtsrandes und südlich der nach Oggelshausenführenden Straße im Wiesenried liegt, wurde vonReinerth in drei Grabungskampagnen (1920, 1928und 1929) untersucht. Im Jahre 1929 legte der Ausgräber einen Gesamtplan vor (Reinerth 1929,Abb. 11), der uns seine Vorstellungen vom Ausse-hen des einstigen Dorfes vor Augen führt (Abb. 1).Es soll demnach aus acht rundlichen „Reisigzelt-hütten“ bestanden haben, die in regelloser An -ordnung auf einer in den steinzeitlichen Federseeragenden Landzunge errichtet worden waren. Bei der Durchsicht der Grabungsunterlagen zeigtesich allerdings schnell, daß der stark schematischeund interpretative Charakter dieses Gesamtplanesnicht dessen einziger Mangel ist. Vielmehr bleiben wichtige Details wie etwa Befundüberschneidungenund einige Pfostenfluchten, die abseits der einge-tragenen Hütten zutage getreten waren und auf dasVorhandensein weiterer Gebäude schließen lassen,unberücksichtigt. Die Hütten 3, 4 und 7 sind darü-ber hinaus in falscher Lage bzw. Orientierung ver-zeichnet.

Die Basis, auf die sich die Erstellung eines neuenSiedlungsplanes stützen konnte, war von unter-schiedlicher Tragfestigkeit. Zum einen standen dieBefundzeichnungen Reinerths zur Verfügung, die1920 noch flüchtig und skizzenhaft, später dannrecht verläßlich zu Papier gebracht worden waren,und als deren Korrektiv die ab 1928 angefertigten

Senkrechtaufnahmen des „wissenschaftlichen Licht -bildners“ H. Dürr herangezogen werden konnten.Zum anderen lagen den Grabungsunterlagen ver-schiedene Flächenpläne und Vermessungsskizzeneinzelner Hütten bei. Die Einmessungen der erstenGrabungskampagne (Hütten 1 bis 3) waren vonRechnungsrat Malz, einem Mitglied des BuchauerAltertumsvereins, durchgeführt und auf einem imMaßstab 1:250 erstellten „Situationsplan über dieAusgrabungs arbeiten im Dohlenried“ eingetragenworden. Man scheint sich damals mit der Aufnah-me der Befund ecken begnügt zu haben, denn dieHüttenböden treten auf dem Situationsplan alsschlichte Rechtecke in Erscheinung. Eine spätervon Reinerth vorgelegte Umzeichnung der Malz-schen Skizze versuchte sich in größerer Detail -treue, indem sie die unregelmäßigen Umrisse dererodierten Hüttenböden wenigstens andeutete (Reinerth 1922, Abb. 4). Da im Jahr 1920 nirgendsgenaue, auf einen Nullpunkt bezogene Meßwertenotiert worden waren, konnte die Eintragung derHütten 1 bis 3 im neu erstellten Gesamtplan nurauf der bestmöglichen Einpassung der vorhande-nen Befundskizzen in die durch Malz und Reinerthvorgegebenen Umrißlinien basieren. Es ist nichtauszuschließen, daß sich dabei Verschiebungenund Verzerrungen im Dezimeterbereich ergaben.

Ein tragfähigeres Datengerüst stand für die Be -funde der zweiten und dritten Grabungskampagnezur Verfügung, da hier für jede Hütte eine eigene

Abb. 1:Plan des MoordorfesDullenried nach Reinerth 1929.

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Lage skizze erstellt worden war, die eine zentime-tergenaue Lokalisierung jeweils mehrerer, auf Foto -grafien und Zeichnungen klar zu identifizierenderPfosten erlaubte. Als Nullpunkte der Messungenhatten die Schnittstellen der Parzellengrenzen mit derSohle des im Norden verlaufenden Entwässerungs-grabens fungiert. Die Darstellungen des neuenGesamtplanes können hier Anspruch auf großePräzision erheben.

Eine Ausnahme bildete lediglich der Befundkom-plex 7, bei dem es sich entgegen den Reinerthschen

Darstellungen um die übereinanderliegenden Restezweier leicht unterschiedlich orientierter Rechteck-gebäude gehandelt hatte (im neuen Plan als Hütte7a/b bezeichnet). Hier hatte sich ein Fehler in dieVermessung eingeschlichen, der sich im Gesamt-plan von 1929 in einer Nordverschiebung desBefundes niederschlug. Die Fehlerhaftigkeit dieserPosition offenbarte sich im Vergleich mit zweiLuftbildern der Grabungsfläche, die während einerBefliegung des Federseemoores durch den Schorn-dorfer Piloten Strähle am 6. November 1928 aufge-nommen worden waren und denen das tatsächlicheVerteilungsbild der damals freigelegten Hüttenbö-den zu entnehmen ist. Die Gebäude 7a und 7b liegen dort weiter südlich, also näher an die Nach-barbefunde 5 und 6 herangerückt2. Allein anhandder Unterlagen war nicht mehr nachzuvollziehen,wie dieser Fehler zustande gekommen war, ge -schweige denn um welchen Betrag man sich ver-messen hatte. Eine Korrektur der alten Daten konn-te sich daher einzig auf eine Auswertung der Luft -auf nahmen stützen, die zu diesem Zwecke einercomputergestützten Entzerrung unterzogen wur-den. Da die korrigierten Bilder (Abb. 2) weitge-hend frei von perspektivischen Distanzverkürzun-gen sind, können an ihnen direkte Messungen vor-genommen werden, nach deren Aussage sich derFehler auf ungefähr 3 m belaufen hat. Zentimeter-genaue An gaben sind hier natürlich nicht möglich.

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Abb. 2:Die Grabungsflächenvon 1928 im entzerrtenLuftbild.

Abb. 3:Der neu erstellteGesamtplan.

2 Eigentlich hätte die irrtümli-che Translokation imGesamtplan von 1929 sogarzu einer Überschneidung mitder acht Jahre früher aufge-deckten Hütte 3 führen müs-sen, die man jedoch zu umge-hen wußte, indem man kur-zerhand auch Hütte 3 nachNorden verschob.

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Der neu erstellte Gesamtplan (Abb. 3) vermittelt nunfolgendes Bild: Im Dullenried wurden nicht nur dieReste von acht Hütten, sondern – einschließlich derPfostenstrukturen A und B – die Relikte von elfGe bäuden ergraben. Unmittelbar nördlich vonHütte 4 scheint sich außerdem ein weiteres Gebäu-de befunden zu haben, dessen mehrphasige Boden-konstruktion im Jahre 1920 im Profil einer kleinenSuchsondage angeschnitten worden war, und auchdie zwischen Hütte 4 und 5 gelegenen Pfosten deu-ten einen weiteren Hausplatz an. Obwohl sich man-cherorts Übereinstimmungen in der Gebäudeaus-richtung abzeichnen, ist ein klarer Bebauungsplannach wie vor nicht zu erkennen.

Die Grabungsgrenzen der ersten Kampagne hattensich noch eng an den Rändern der erhaltenen Hüt-tenböden orientiert, die allerdings entgegen der Auf -fassung des Ausgräbers nicht die realen Umrisseder einstigen Gebäude widerspiegelten, sonderndurch die erosiven Kräfte nachsiedlungszeitlicherSeetransgressionen stark reduziert waren. Als Folgedieses grabungstechnischen Defizits waren vieleWandpfosten, die verläßlichere Aussagen zu denGebäudegrundrissen ermöglicht hätten, unentdecktim Boden verblieben. Aber auch die weiträumigenGrabungsgrenzen der Jahre 1928/29 sollten nichtdarüber hinwegtäuschen, daß man die zwischenden Befunden liegenden Flächen damals nur sehrflüchtig untersucht und meist im Zustand einer„umgegrabenen Wiese“ belassen hatte. Besondersim Umfeld der Befunde 5 und 6 wären vermutlichnoch weitere Pfosten aufzudecken gewesen. Diewahren Abmessungen der Dullenrieder Gebäudesind somit nicht immer eindeutig zu rekonstruieren.

Mit den Hütten 1, 3, 5 und 8 deutet sich – einge-denk dieser Vorbehalte – eine Gruppe relativ klei-ner Gebäude von ungefähr 5 m auf 3,5 m Grund-fläche an. Die Hütten 7a und 7b verfügten außer-dem im Südwesten bzw. Süden über befestigte Vor -plätze, was vermuten läßt, daß sie über die dortigenSchmalseiten betreten wurden. Bei den Befunden 4und 6 scheint es sich um Relikte größerer Bautengehandelt zu haben. Da Hütte 4 glücklicherweisetrotz des stark erodierten Bodens relativ groß flächigaufgedeckt worden war, lassen sich ihre Abmes-sungen anhand der zutage getretenen Pfostenset-zungen auf etwa 7 m mal 3,5 m schätzen. DieUmrisse des Befundes 6 sind leider zu diffus, um

zu einer klaren Aussage gelangen zu können.Immerhin deuten sich hier vier Pfostenfluchten an,die an ein dreischiffiges, etwa Nord-Süd orientiertesGebäude denken lassen, dessen Breite sich aufetwa 4,2 m belaufen hätte. Eindeutige Hinweiseauf eine innere Raumaufteilung der Hütten fehlen.

In den unterschiedlichen Gebäudegrößen offenbartsich eine Variabilität der Dullenrieder Bauweise,die auch in anderen architektonischen Details, etwader Konstruktion der Fußböden oder der Anord-nung der Wand- und Dachstützen faßbar wird. Beiallen Bauten handelte es sich – entgegen den An -nahmen des Ausgräbers – um Rechteckbauten.Diese Gebäudeform, die durch das Bauen in Holzohnehin nahegelegt wird, dokumentiert sich un -miß verständlich in den rechtwinklig verlegten Hüt-tensubstruktionen und zahlreichen geradlinigenPfahlreihen.

Daß die Dullenrieder Befunde mehrere Bauphasenumfassen, zeigt sich nicht nur in den meist wieder-holt ausgebesserten und mitunter zu imposanterMächtigkeit angewachsenen Hüttenböden ausHolz- und Estrichlagen, sondern auch in Gebäu-deüberschneidungen, wie sie neben dem bereitserwähnten Fall der Hütten 7a und 7b auch imBereich der Hütten 5 und 6 vorliegen. Deutlich isthier zu erkennen, daß der ältere Hüttenboden 6unter die nordwestliche Ecke des Nachbarbefundesstreicht. Der scheinbar befundfreie Korridor, derbeide Hüttenböden trennt, ist ein Produkt der Aus-grabung3. Die Unbilden des moorigen Baugrundeshatten Gebäuderenovierungen und Neubauten einstsicherlich in vergleichsweise kurzen Intervallenerforderlich gemacht. Trotz der sich abzeichnendenMehrphasigkeiten bleibt daher Reinerths Annahmeeines mehrere Jahrhunderte währenden Bestehensder Dullenrieder Siedlung – auch angesichts seinereigenen Gebäuderekonstruktionen – unverständlich(Reinerth 1929, S. 59, S. 67). Heute wird man dieSiedlungsdauer im Dullenried allenfalls in Jahr-zehnten rechnen wollen, eine Annahme, der auchdas geschlossen wirkende Fundmaterial nicht ent-gegensteht. Genauere An gaben sind in Ermange-lung dendrochronologischer Daten vorerst nicht zumachen.

Die Reinerthsche Uferlinie (vgl. Abb. 1) wurde imneuen Gesamtplan nicht übernommen. Die schon

3 Hütte 5 war hier zuerst frei-gelegt und im randlichenBereich offenbar zu unacht-sam abgestochen worden.

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früher geäußerte Vermutung, daß sie auf einer Fehl -deutung der moorstratigrafischen Gegebenheitenberuhe (Paret 1941, 34 ff.), ist spätestens seit denNachuntersuchungen E. Walls (Wall 1961) zurGewißheit geworden, der in den 50er Jahren nochjenseits des vermeintlichen Ufers auf die Reste einesweiteren Gebäudes ge stoßen war. Diese Entdeckungzeigte außerdem, daß die Dullenrieder Siedlungdurch Reinerth nicht vollständig ergraben wordenwar, sondern daß zumindest im Norden mit weiterenBefunden zu rechnen ist, die vielleicht noch heuteweitere Er kenntnisse zur jungsteinzeitlichen Besied-lung des Dullenriedes ermöglichen könnten.

Anschrift des Verfassers:

Christian Bollacher M.A.Institut für Ur- und Frühgeschichteund Archäologie des MittelaltersSchloßD-72070 Tübingen

Abbildungen:

Abb. 1: Archiv Pfahlbaumuseum (APM).

Abb. 2: C. Bollacher (nach APM).

Abb. 3: C. Bollacher.

Literatur:

Bollacher 1999 · Chr. Bollacher, Die endneolithische Siedlung

im Dullenried bei Bad Buchau, Ldkr. Biberach. Neue Untersu-

chungen zu den Funden und Befunden der Reinerthschen Gra-

bung von 1920, 1928 und 1929. Unveröff. Magisterarbeit

(Tübingen 1999).

Bollacher 1999 · Chr. Bollacher, Die Keramik aus dem endneo-

lithischen Moordorf Dullenried bei Bad Buchau, Lkr. Biberach.

In: H. Schlichtherle/M. Strobel (Hrsg.), Horgen-Cham.

Goldberg III-Schnurkeramik in Süddeutschland. Rundgespräch

Hemmenhofen 26. Juni 1998 (Freiburg i. Br. 1999) 31–34.

Keefer 1992 · E. Keefer (Hrsg.), Die Suche nach der Vergan-

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Ein ungewöhnliches Gefäß derBandkeramik aus Schwetzingen,Rhein-Neckar-Kreis

Im Herbst 1988 begannen südlich des SchwetzingerSchloßgartens die Erschließungsarbeiten für einaußerordentlich großes Baugebiet. Bis zu diesemZeitpunkt waren archäologische Funde aus diesemBereich nicht bekannt, was sich aber schlagartigänderte, als ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des Lan-desdenkmalamtes die Baustelle beging. Im Grabenfür den künftigen Hauptwasserkanal entdeckte er anmehreren dicht benachbarten Stellen menschlicheKnochen und vereinzelte Scherben von Tongefäßenmit charakteristischer Verzierung. Zusätzlich beob-achtete er in den Grabenwänden dunkle Verfärbun-gen. Seine Fundmeldung gelangte zuerst an dasInstitut für Ur- und Frühgeschichte der UniversitätHeidelberg, das eine erste eilige Notgrabung durch-führte und das Landesdenkmalamt benachrichtigte.Die umgehend vorgenommene Besichtigung derFundstelle erbrachte sichere Hinweise auf ein Grä-berfeld der Bandkeramik, dessen Ausdehnungjedoch vorerst nicht abzuschätzen war.

Im Einvernehmen mit der Stadt Schwetzingen wur-den die Bauarbeiten in dem Areal gestoppt, in demweitere Gräber vermutet wurden, und eine umfas-sende Ausgrabung eingeleitet. Diese dauerte miteiner kurzen Winterpause bis in den Frühherbst1989 und erbrachte das bisher umfangreichsteGräberfeld der Bandkeramik in Baden-Württem-berg. Mehr als 200 Gräber konnten geborgen werden, wenn auch teilweise bereits von den Bau-maschinen gestört. Weitere 25 – 30 Bestattungenwaren vorher Opfer der Bauarbeiten geworden,

139

Abb. 1:Grab 20 aus dem band-keramischen Gräberfeldvon Schwetzingen(Rhein-Neckar-Kreis)in Fundlage. Vor demGesicht des Toten die Reste eines Ton -gefäßes.

138

Wall 1961 · E. Wall, Der Federsee von der Eiszeit bis zur

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Reinerth 1929 · H. Reinerth, Das Federseemoor als Siedlungsland

des Urzeitmenschen, Führer zur Urgeschichte 9 (Augsburg 1929).

und eine schwer abzuschätzende Zahl hatte schonfrüher die landwirtschaftliche Nutzung des Gelän-des nicht überstanden. Erst während der Ausgra-bungen stellte sich zudem heraus, daß sogar eineSiedlung der Frühlatènezeit an dieser Stelle zu denersten Zerstörungen geführt hatte. Zählt man vor-sichtig alle diese Verluste zu den geretteten Gräbernhinzu, kommt man auf eine Gesamtbelegungszahlvon ursprünglich etwa 300 Bestattungen.

Die Außengrenzen des Gräberfeldes wurden aufallen Seiten erreicht, so daß man trotz der erwähn-ten Einbußen von einer kompletten Erfassung spre-chen kann, was für die wissenschaftliche Auswer-tung von erheblicher Bedeutung ist. Berechnet manauf dieser Grundlage den Anteil von Gräbern mitBeigaben, ergeben sich etwa 42 %, für die fragli-che Zeit ein recht hoher Wert! Die Beigaben beste-hen in erster Linie aus Tongefäßen, Geräten undWaffen aus Felsgestein und Silex sowie selteneraus Geweih; rar sind Schmuckstücke aus Muschelnoder Schneckengehäusen. Bemerkenswert ist derUmstand, daß auch Kinder in recht jungem Altergelegentlich eine Totenausstattung erhalten haben,die der der Erwachsenen nicht nachsteht. So findetman hin und wieder Tongefäße, die, wie bei denÄlteren, im Bereich des Kopfes niedergesetzt sind.

Einen solchen Befund treffen wir auch in Grab 20an, das die Skelettreste eines ungefähr vierjährigenKindes enthielt1. Der Leichnam war in einer Hal-tung beigesetzt, wie sie für die Mehrzahl der Grä-ber in Schwetzingen typisch ist: Er lag mit angezo-genen Beinen auf der linken Körperseite, in derarchäologischen Fachsprache ein „linksseitigerHocker“. Die Körperachse war mit dem Kopf imSüdwesten von Südwesten nach Nordosten ausge-richtet, auch dies kennzeichnend für die meistenBestattungen (Abb. 1).

Wenige Zentimeter vor dem Mund des toten Kin-des lag jedoch ein Gefäß, das einige Besonder -heiten aufweist: Im Gegensatz zu vielen anderenwar es nicht zerscherbt, sondern zusammenge-drückt, was ihm in etwa die Form einer Taschegab (Abb. 2a – c). Soweit man den ehemaligenUmriß re konstruieren kann, handelt es sich umein kleines Trinkgefäß mit annähernd halbkuge-ligem Körper, rundem Boden und schmalem,leicht ausladendem Rand.

2a

2b

2c

5 cm

Abb. 2:Beigefäß aus Grab 20.Helle Partien: ursprüng-liche Oberfläche desGefäßes; dunkle Parti-en:Auflage aus Birkenpech. a und b: Seitenansichten.c: Aufsicht auf dieMündung.

1 Die Altersbestimmungwurde durch J. Wahl, Landes-denkmalamt Baden-Württem-berg, vorgenommen.

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Die Oberfläche der Außenwandung war zu fast 50 % mit einer schwarzen Masse überzogen. Umdiese unbeschadet zu erhalten, wurde auf die Ent-nahme des Inhalts und die Wiederherstellung derursprünglichen Gestalt verzichtet. Nach behutsa-mer Reinigung in der Restaurierungswerkstatt desLandesdenkmalamtes in Karlsruhe zeigten sichinnerhalb der schwarzen Umhüllung leicht erhöh-te Stege mit gezackten Rändern, die offensichtlichdurchweg waagerecht oder senkrecht verlaufen.Sie umschließen annähernd rechteckige Felder, indenen die Oberfläche tiefer liegt und den Ein-druck erweckt, als sei hier früher eine Einlage ausanderem Material befestigt gewesen (Abb. 3).Diese Vermutung ist nicht unbegründet, da eineAnalyse der schwarzen Auflage ergab, daß es sichdabei um Birkenpech handelt, welches in vorge-schichtlichen Perioden vielfach als Klebemittelverwendet wurde2. Im vorliegenden Fall kannman sich in den eingetieften Feldern gut Einlagenaus Birkenrinde vorstellen, die zusammen mitdem Pech ein zweifarbiges – schwarz/weißes –Verzierungsmuster ergaben, das ursprünglich dasgesamte Gefäß überzog.

Funde solcher Art sind in der Schweiz durchausbekannt, allerdings aus jüngerer Zeit. Aus einerSiedlung der Bandkeramik von Neuhausen (Lkr.Esslingen) stammen wenige Scherben, die Resteeiner ähnlichen Verzierung tragen3. Sie verbindetmit der Grabbeigabe aus Schwetzingen die Eigen-heit, die bisher noch nicht erwähnt wurde: Unterdem Überzug aus Birkenpech befindet sich eineRillenverzierung, die die üblichen bandkerami-schen Muster zeigt (Abb. 2a und b). Daraus ergibt

sich, daß die fraglichen Gefäße zuerst in gewohnterWeise genutzt wurden und erst zu einem späterenZeitpunkt ihre Verzierung aus Pech und Birkenrin-de erhielten, welche die primären Muster völligverdeckte. Die Gründe für diese Maßnahme sindheute unbekannt. Bei der Seltenheit dieser Erschei-nung ist es wohl auch müßig, hierüber umfangrei-che Erörterungen anzustellen, da sie zwangsweiseins rein Spekultative abgleiten müssen. Vielleichtführen künftige Funde unter besseren Erhaltungs-bedingungen (z.B. Feuchtbodenlagerung) zu tiefe-ren Einsichten.

Hinsichtlich der Datierung der beiden südwestdeut-schen Funde bleibt noch festzuhalten, daß sie ansEnde der linienbandkeramischen Entwicklunggehören, also an die Schwelle zum Mittelneolithi-kum, mithin in eine Umbruchphase, die den Keimfür manches in sich trägt, was erst später zu breite-rer Entfaltung gelangen sollte, wie es auch dieerwähnten Funde aus der Schweiz zeigen4.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Rolf-Heiner BehrendsLandesdenkmalamt Baden-WürttembergArchäologische DenkmalpflegeAmalienstr. 36D-76133 Karlsruhe

Abbildungen:

Abb. 1, 2, 3: Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Karlsruhe.

Abb. 3:Gefäß mit Überzug aus Birkenpech nachder Reinigung.

141140

2 Die Analyse wird R. Rott-länder, Institut für Urge-schichte (Jägerische Archäo-logie) der Universität Tübin-gen verdankt.

3 Helvetia Archaeologica 15,1984, 7 ff. Den freundlichenHinweis auf diese Funde ver-danke ich H. Schlichtherle.

4 Fundberichte aus SchwabenN. F. 12, 1952, 22.

Medizinmänner/Schamanen in denTorwiesen? Endneolithische Fundeaus Bad Buchau (Sammlung Menz)

Mit der Sammlung Josef Menz erwarb das Pfahl-baumuseum 1997/1998 einen Fundbestand, derüber Jahrzehnte von ihm zusammengetragen worden ist. Vor einer endgültigen Auswertung die-ses Komplexes sei an dieser Stelle exemplarischein Fundensemble vorgestellt. Aktueller Anlaß sinddie Grabungen des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg in den Torwiesen bei Bad Buchau(Hohl/Schlichtherle/Strobel 1998).

Ende der 50er Jahre fand Karl Menz im Bereichdes Buchauer Moorbades, beim Stadtbach, im Aus-hub unterhalb der damaligen Grundstücke Reich/ehemalige Gaststätte „Zum Gawatz“ (Abb. 1.3)eine vollständig erhaltene, einschneidige Axt (Abb.2.1–2) mit zentralem, ovoidem Schaftloch undplanparallelen Lochseiten (Lochmaße: 3 cm x 1,6 cm an der Unterseite, 2,85 cm x 1,55cm an der Oberseite – Serpentinit mit schwarzgrü-ner Wasserpatina, L: 19,2 cm, B: 4,25 cm, ø: 3,15cm, Gew: 420 g – Inventarnummer Menz 101). Dielateralen Lochwände springen mittig vor. Dies istein Hinweis auf zwei nebeneinander gesetzte Rund -bohrungen. Durch Durchtrennung des verbliebenenSteges, Glättung, Schliff und Politur der Lochin-nenseite erhielt es seine ovoide Form. Der Nackenist abgestumpft, die Schneide nicht geschärft, son-dern leicht abgerundet. Die Oberseite des Stückesist geschwungen, die Unterseite ist zur Schneidehin leicht unterschnitten, zum Nacken zieht sie um4 mm nach oben. Seitlich und auf der Oberseitesind Schlifffacetten erkennbar. Die Axt ist poliertund von außergewöhnlich guter Erhaltung. Bei derAuffindung steckte im Schaftloch noch der Resteines Eschenstiels (Rieth 1962). Er ist heute nichtmehr aufzufinden.

Im gleichen Aushub kamen eine Hirschgeweih-hacke (Abb. 2.3) mit ovoider Schaftlochung undplanparallelen Lochseiten (L: 11,5 cm, B: 4,8 cm,größter ø: 8,5 cm, Gew: 206 g – InventarnummerMenz 100), ein Miniatureinsatzbeil (Abb. 2,4:Jadeit/Edelserpentinit, hellgrün, L: 2,2 cm, B: 1,6cm, ø: 0,8 cm, Gew: 5 g) eine kleine, dreieckigePfeilspitze (Abb. 2.5) aus grauem Silex (erh. L:1,75 cm, B: 1,5 cm, ø: 0,5 cm, Gew: 1g) und einAbschlag (Abb. 2.6: Silex, grau mit hellen Fleckenund Schlieren, 4,8 cm x 3,3 cm, D: 1,3 cm, Gew:18 g) mit Kantenretusche zutage (InventarnummerMenz 111, für alle drei Gegenstände).

In den letzten Jahren wurden die vor dem Kliffbe-reich der Insel Buchau gelegenen endneolithischenSiedlungen Torwiesen I und II untersucht. Sie lie-gen unweit des Fundplatzes o. g. Ensembles (Hohl/Schlichtherle 1997; Hohl/Schlichtherle/Strobel1999). Die Siedlung Torwiesen II ist den Fundennach zu schließen etwa in das 32. Jh. v. Chr. da tier -bar (Hohl/Schlichtherle/Strobel 1999, 67). DieMenz’schen Funde stehen chronologisch (s. u.) mit

Abb. 1:Auszug aus der geolo-gischen Karte Saulgau(Blatt 7923) mit Eintra-gung der endneo -lithischen Fundstellenim Westen Bad Buchaus.1. Torwiesen II.2. Torwiesen I.3. ungefähre Fund stelle

des endneolithischenKomplexes derSammlung J. Menz.

Mit freundlicher Ge -nehmigung des Landes-amtes für Geologie,Rohstoffe und BergbauBaden-Württembergvom 22.11.1999.

12

3

der nahe gelegenen Siedlung Torwiesen I in Ver-bindung (Abb. 1.2), deren 14C-Daten zwischen3300 und 2900 v. Chr. liegen (Hohl/Schlichtherle1997, 55). Ein direkter Zusammenhang zwischender Fundstelle o. g. Funde und Torwiesen I kannheute nicht mehr hergestellt werden. Da zwischender Fundstelle o. g. Funde und Torwiesen I mehre-re hundert Meter leigen, ist es wahrscheinlich, daßder Fundort der Axt eine eigene, von Torwiesen Iunabhängige Siedlung anzeigt (Abb. 1.3).

Zur Datierung insbesondere der Axt können Paralle-len aus Sipplingen herangezogen werden. In derStratigraphie von Sipplingen sind derartige Äxte aufdie OK der Schicht 15 und die Schichten 13–15 zubegrenzen, deren Dendrodaten zwischen 2920–2860 B.C. liegen (Kolb 1993, 270 f., Taf. 64). Auchaus der Caisson-Grabung H. Reinerths in Sipplingen(Reinerth 1932, 83, 139, N° 358) fand sich am28.04.1930 in der „jüngeren Siedlung“ ein Bruch-stück einer Axt mit ovoider Durchbohrung (Inv.n°Sipplingen 503 [PM I1.1.3.503-951]). Das Fragment(erh. L: 4,35 cm, erh. B: 1,8 cm, ø: 3,75 cm, Gew: 50 g) besteht aus hell oliv-grauem Serpentinit, mitdunkelgrün-schwarzen Bändern. Die auf 2,9 cmerhaltene ovoide Bohrung weist senkrechte feineSchleifrillen auf. Am Bohrloch sind Schleifrillenquer- und längsseitig zu beobachten (Abb. 3).

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Der endneolithische Fundplatz Fridingen-Lehen-bühl lieferte blattförmige, rhombische, gestielteund dreieckige Pfeilspitzen, eine große Zahl Hirsch -geweihzwischenfutter, mittelgroße und kleine Ein-satzbeile sowie eine Axt mit ovoidem Schaftloch.Die Keramik wird von W. Kimmig als untypisch fürHorgen bezeichnet (Kimmig 1974, 98, 101, Abb.7.12). Die Fundsituation in Fridingen läßt keineAussagen zur Stratigraphie zu, doch ist anhand despublizierten Fundmaterials von einer Mehrphasig-keit auszugehen. Die Axt mit ovoidem Schaftlochkönnte dann eher einem jüngeren Ab schnitt desEndneolithikums zugeordnet werden, dem J. Bielauch die Mehrzahl der Funde vom Lehenbühl zu -rechnet. Er geht davon aus, daß der Lehenbühl einerein Horgener Höhensiedlung ist (Biel 1987, 31 ff.).In diesem Zusammenhang sei auf eine Scherbevom Lehenbühl hingewiesen, die aus dem kerami-schen Spektrum heraussticht. Es handelt sich umeine Wandscherbe eines kleinen Gefäßes mit dreiauf dem Bauchumbruch aufgesetzten, flachenKnubben (Biel 1987, 243, Taf. 20.188). SolcheKnickwandschüsseln mit Knubbengruppen sind immitteleuropäischen Endneolithikum weit verbreitet.Sie sind aus der mittleren und jüngeren Phase derChamer Kultur (Matuschik 1992, 214, 217; Matu-schik 1999, 71, Abb. 2b) und aus der Goldberg III-Gruppe des Raumes Bodensee/Ostschweiz be-kannt (Schlichtherle 1999, 40, Abb. 7.13; 46, Abb.13.10.11). In Westeuropa sind sie ebenfalls in endneolithischen Horizonten anzutreffen (zuletzt Löhlein 1998, 196 ff.).

Einschneidige Serpentinitäxte mit ovoider Schaftlo-chung, planparallelen Lochseiten, abgestumpftemEnde, gerundeter Schneide und leicht geschwunge-nem Rücken sind möglicherweise in einem relativeng umrissenen chronologischen Bereich anzusie-deln. Die Sipplinger Daten und auch das 14C-Datumaus der Siedlung Torwiesen I verweisen auf das 30.–28 Jh. v. Chr. (Kolb 1993, 270; Hohl/Schlichtherle1997, 55). Die Mehrzahl dieser Äxte ist in Süd-deutschland zu finden. Vergleichbare Stücke ausHorgener Kontexten der Schweiz, z. B. aus Greifen-see-„Furren“, allerdings mit rundem Bohrloch (Itten1970, 23 ff., Abb 7.1), aus Kontexten der ChamerKultur, der Goldberg III- und der Wartberg-Gruppesind dagegen häufig nicht ausreichend stratifiziertund daher chronologisch nicht näher einzugrenzen(Pape 1980; Spennemann 1984, 57 ff., 234 ff.).

Mit einem Wort Günther Smollas sei dieser Exkursbeendet. Geschichte heißt: So ist’s gewesen! Abge-sehen von dem wie’s war ... (Schmidt 1998).Womit ausgedrückt sein soll, daß man sich nichtmit der chronotypologischen Einordnung desMaterials begnügen darf.

Daher einige Gedanken zur möglichen Funktiondieser Äxte. Es wird in der Literatur immer wiederdarauf hingewiesen, daß die endneolithischen sog.„Streitäxte“ fast ausschließlich aus Serpentinitgefertigt sind (Spennemann 1984, 57 ff.; Böhner1998, 61 f.). Serpentinit steht im zentralen und süd-lichen Alpengebiet (Schweizer Kanton Wallis:Geißpfad/Binntal, Saas Fee, Zermatt), in den kri-stallinen Westalpen, im „Alten Gebirge Nordost-Bayerns“ und im Moldanubikum an (Hassan RezaieBoroon/Baier/Lüttig/Böhner 1997, 90). Im Voral-penland können Serpentinite auch in Moränen vor-kommen. Damit war die Beschaffung des Rohstof-fes Serpentinit gleich schwierig wie die Beschaf-fung von Kupfer.

Viele Äxte sind außerordentlich sorgfältig bearbei-tet, im Falle unseres Stückes glänzt die Oberflächedurch intensive Politur fast metallisch. Häufig sinddie Schneiden abgestumpft und gerundet gearbei-tet. Dies weist deutlich darauf hin, daß mit diesenÄxten keine praktische Arbeit verrichtet wurde,wenn man von ihrem möglichen Einsatz als Waf-fen absieht. In gut untersuchten Siedlungen wieDietfurt sind alle chamzeitlichen Axtklingen (9)aus Serpentinit, alle Beile (218) dagegen ausAmphibolit hergestellt worden (Böhner 1997, 49).

Auch wird betont, daß es sich bei den „Streitäxten“um „Stücke mit Waffencharakter“, um „Prunk -waffen oder Symbolgegenstände“ bzw. um ein„Würdezeichen oder Symbol der sozialen Stellung“handele (Pape 1980, 10). W. Papes Annahme, daßdiese Waffen vor allem in Gräbern zu erwartensind, sei entgegengehalten, daß kaum endneolithi-sche Gräber bekannt sind. Da der Mensch als han-delndes Wesen in seinem unmittelbaren Lebens -umfeld wirkt, sind Würdezeichen und Symbol -gegenstände insbesondere in Siedlungen, aber auchals Opfer etwa in Mooren, Seen, Flüssen oder aufHöhen zu erwarten. Zu überlegen wäre aber auch,ob die vielen isoliert gefundenen Äxte nicht dochvon Gräbern mit einer im archäologischen Befund

143142

Abb. 2:Endneolithische Fundeaus Bad Buchau, Slg. J. Menz.

2.1:Ovoid durchbohrte Ser-pentinitaxt.

2.2:Ovoid durchbohrte Ser-pentinitaxt, M. 1:3.

2.3:Ovoid durchbohrteGeweihaxt, M. 1:1.

2.4:Einsatzbeilchen ausJadeit, M. 1:1

2.5:Pfeilspitze, Silex, M. 1:1.

2.6:Schaber, Silex, M. 1:1.

Abb.3:Bruchstück einer Axtmit ovoider Bohrung,M. 1:3.

2.1

2.2

3

2.3

2.4 2.5

2.6

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145

nicht nachweisbaren Bestattungssitte künden.Zumindest für die Schnurkeramik gibt es Überle-gungen in diese Richtung (Dollhopf/Nadler/Walter1999, 67).

Zuletzt sei noch auf einen in der Literatur bislangnicht wahrgenommenen Umstand hingewiesen.Serpentin galt in der Volksmedizin bis in die Ge -genwart als Mittel u.a. gegen giftige Schlangenbis-se (Murawski 1992, 181). Im Alpenraum waren bisins 20. Jh. n. Chr. hinein Kochtöpfe aus Specksteinin Gebrauch, denen nachgesagt wurde, daß sie imFalle eines versehentlich mitgekochten giftigen Pil-zes diesen durch Aufschäumen anzeigen würden.Steatit (Speckstein) und Serpentinit stehen sichmineralogisch und chemisch sehr nah. Nun wärealso denkbar, daß die Serpentinitäxte im magisch-religiösen Bereich, in enger Verbindung mit einerkonkreten medizinischen Nutzbarkeit bei Vergif-tungen, eingesetzt wurden und somit zum materiel-len Repertoire etwa von Schamanen und/oderMedizinmännern gehörten.

Die schon von P. Schröter 1966 geforderte, voll-ständige Vorlage aller endneolithischen Äxte, ins-besondere derjenigen mit ovalem Schaftloch, istheute mehr denn je ein dringendes Desiderat.

Anschrift des Verfassers:

Peter Walter M.A.Pfahlbaumuseum UnteruhldingenStrandpromenade 6D-88690 Uhldingen-Mühlhofen

Abbildungen:

Abb. 1, 2.1: Pfahlbaumuseum Unteruhldingen, P. Walter.

Abb. 2.2–6, 3: J. Englert, Jettenburg.

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144

Abb. 1:Pfeilspitze aus Sipplin-gen „Untere Neusatz“M. 1:1.

Eine Pfeilspitze aus Sipplingen

1988 wurde bei Gartenarbeiten im Gewann „Untere Neusatz“ (Parzelle 1980) in Sipplingenvon Franz Gunsch ein fossiler Haifischzahn – wohlaus den dort anstehenden Schichten der Molassestammend – und eine Pfeilspitze (Abb. 1) gefunden(gelb-grau-gebänderter Hornstein, L: 5,9 cm, B:3,9 cm, ø: 0,3 cm, Gew: 3g, bis auf einen geringfü-gigen Abspliss an der Spitze vollständig, ab Spitze1,7 cm quer gebrochen; neuer Bruch).

Der Fundort liegt etwa 1 km NW der bekanntenPfahlbausiedlung von Sipplingen etwa 440 m ü. NN,westlich des Sulzbaches und unterhalb der ErhebungNiederhohenfels. Der topographische Bezug zurUferrandsiedlung ist evident.

Obwohl die Übergänge vom Pfyner zum HorgenerTypenspektrum fließend sind und gerade Pfeilspit-zen sich oft einer exakten chronotypologischenAnsprache entziehen, ist festzustellen, daß die vor-liegende Pfeilspitze typologisch etwas vom Horge-ner Spektrum in Sipplingen abweicht (Kolb 1993).Die relativ gerade verlaufenden Seiten, die starkeingezogene Basis und die bilaterale, flache Kan-tenretusche lassen sich gut an pfynzeitliche Ver-gleichsbeispiele anschließen (etwa Zürich-Mozart-strasse, Schicht 4, 3668–3600 v. Chr.; Gross u. a.1992, Tafel 239, 6–12).

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Anschrift des Verfassers:

Peter Walter M.A.Pfahlbaumuseum UnteruhldingenStrandpromenade 6D-88690 Uhldingen-Mühlhofen

Abbildung:

Abb. 1: J. Moser, Jettenburg.

Literatur:

Gross u. a. 1992 · E. Gross/E. Bleuer/B. Hardmeyer/A. Rast-

Eicher/Chr. Ritzmann/B. Ruckstuhl/U. Ruoff/J. Schibler, Zürich

„Mozartstrasse“. Neolithische und bronzezeitliche Ufersied -

lungen, Bd. 2, Tafeln (Zürich 1992).

Kolb 1993 · M. Kolb, Die Horgener Siedlungen in Sipplingen.

Unveröffentl. Dissertation (Freiburg/Br. 1993).

Ein Bronzebeil aus Burgweiler,Gemeinde Ostrach, Landkreis Sigmaringen

Fundmeldung: Am südwestlichen Rande von Burg-weiler, trat im Jahre 1992 beim Ausheben und Anle-gen eines Hausgartens ein Randleistenbeil, TypSalez, Variante C nach Abels, (19. Jh. v. Chr.) auf.Der Landschaftsgärtnermeister G. Wanschura über-brachte das mit einer grünlichen Patinierung unddeutlichen Kratzspuren der Baggerschaufel versehe-ne Stück Herrn Zier vom Naturschutzzentrum Pfrun-ger- und Burgweiler Ried in Wilhelmsdorf. Nach derFundmeldung an das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Außenstelle Hemmenhofen, kam es1999 zur Begutachtung in das Pfahlbaumuseum.

Das Stück ist im Schneidenbereich alt gebrochenund besitzt folgende Maße: Länge erh. 13,8 cm,Schneidenbreite erh. 5,8 cm, Stärke 1,3 cm,Gewicht 286 Gramm.

Da die Fundumstände nicht sicher beobachtet wer-den konnten ist eine klare Zuordnung zu den Kate-gorien Siedlung, Grab oder Hortfund vorläufig nichtmöglich. Nahezu identische Stücke zu diesem Ein-zelfund liegen jedoch von der Ufersiedlungen Meers -burg-Haltnau und Unteruhldingen-Stollenwiesen amBodensee und aus der „Umgebung von Mengen“vor. Ein Bezug des Beils zu belegten vorgeschicht-lichen Siedlungen in etwa 600 und etwa 900 MeterEntfernung in östlicher und westlicher Richtung ist aus der Katastererfassung des Landesdenkmal -amtes Baden-Württemberg, Außenstelle Tübingen,er sichtlich (frdl. Mitteilung R. Kreuble). Es istdaher nicht auszuschließen, dass von dieser Stelleam Kreuzungspunkt größerer Verkehrsachsen vomBodensee an die Donau und zwischen PfrungerRied und dem heutigen Pfullendorf, zukünftigdurch systematische archäologische Arbeit nochmehr wertvolle Informationen zur Vorgeschichteerschlossen werden können.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Gunter SchöbelPfahlbaumuseum UnteruhldingenStrandpromenade 6D-88690 Uhldingen-Mühlhofen

Abbildung:

Abb. 1: J. Englert, Jettenburg.

Literatur:

Abels 1972 · B. U. Abels, Die Randleistenbeile in Baden-Würt-

temberg, dem Elsaß, der Franche Comté und der Schweiz.

Prähist. Bronzefunde, Abt. IX, Bd. 4 (München 1972).

Schöbel 1996 · G. Schöbel, Die Spätbronzezeit am nordwestli-

chen Bodensee. Taucharchäologische Untersuchungen in

Hagnau und Unteruhldingen 1982–1989. Forsch. u. Ber. Vor- u.

Frühgesch. Baden-Württemberg 47. Siedlungsarchäologie im

Alpenvorland IV (Stuttgart 1996).

146

Kannten die Pfahlbauerschon Bumerangs?

Abb. 1:Randleistenbeil.Verbleib: Naturschutz-zentrum Pfrunger und Burgweiler Ried,Wilhelmsdorf, M. 1:2.

Werden Sie auch Mitglied und werben Sie für die-

ses einzigartige Museum! Sie erhalten dann freien

Eintritt und die Zeitschrift „Plattform“ des Vereins

kostenlos.

Kontakt:

Geschäftsstelle des Vereins für Pfahlbau- und Heimatkunde e.V.Strandpromenade 688690 UnteruhldingenTel. 0 75 56 / 85 43Fax 0 75 56 / 58 86eMail: [email protected]: www.pfahlbauten.de

Konten Pfahlbauverein:

Sparkasse Salem-Heiligenberg Kto. 3001757 (BLZ 690 517 25)

Postscheckamt CH Frauenfeld Kto. 85-2747-0

Dies und vieles mehr erfahren Sieim Pfahlbauverein.

Im Mittelpunkt der Arbeit des Vereins für Pfahl-bau- und Heimatkunde e.V. steht das Freilichtmu-seum in Unteruhldingen mit seinen rekonstruiertenDorfanlagen der Stein- und Bronzezeit. Sie stellenanschaulich dar, wie die Menschen am Bodenseegewohnt, gelebt und gearbeitet haben.

Zu diesem Museum zählt aber auch die Arbeithinter den Kulissen im For schungsinstitut, in derVerwaltung und im technischen Bereich, diezusammengenommen den Museumsbetrieb erstermöglichen.

Als nichtstaatliche Einrichtung in der Trägerschafteines Vereins finanziert sich das Museum aus-schließ lich aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden sowieEintrittsgeldern und wird nicht, wie andere Ein-richtungen, von der öffentlichen Hand gefördert.Dieses Museum benötigt daher die Hilfe derer, dieentweder als passives oder aktives Mitglied dieArbeit des Vereins für Pfahlbau- und Heimat -kunde e.V. Unteruhldingen unterstützen.

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Protokoll der Mitgliederversamm-lung vom 2. August 1997 in Unter -uhldingen (gekürzt)

1. Die Begrüßung der über 100 Mitglieder undGäste nimmt der 2.Vorsitzende Uwe Jabs vor.

2. In seinem Grußwort betont Bürgermeister Dr.Ralph Bürk die Verbundenheit zwischen Gemeindeund Pfahlbaumuseum.

3a. Herr Jabs schildert im Tätigkeitsbericht des

Pfahlbauvereins die Arbeit des Vorstandes. Er teiltferner mit, daß sich die Mitgliederzahl im vergan-genen Jahr, begünstigt durch die Einweihung desMuseumsneubaus durch Bundespräsident RomanHerzog, um 46 Personen auf 632 erhöht habe.

3b. Im Tätigkeitsbericht des Pfahlbaumuseums ver-deutlicht Museumsdirektor Dr. Gunter Schöbel dieaußerordentlichen Leistungen im Jahre 1996: Ein-weihung des neuen Museums, Errichtung eines„Hornstaad-Hauses“, Bepflanzung des Versuchs-gartens, Uferrenaturierung etc. Mit mehr als270.000 Besuchern wurde ein neuer Rekord erzielt.

4a. Kassenwart Fritz Förster zeichnet in seinemKassenbericht des Pfahlbauvereins ein sehr positi-ves Bild über die Kassenlage des Vereins.

4b. Den Kassenbericht des Pfahlbaumuseums trägtDr. Schöbel vor. Der Museumsneubau kostete rund5 Millionen DM. Trotz gestiegener Personalkostensteht das Museum finanziell gut da.

4c. In seinem Kassenprüfungsbericht hat HerrKöpple keinerlei Beanstandungen. Herr Harmsbeantragt deshalb die Entlastung von Vorstand undKassenwart. Vorstand und Kassenwart werden ein-stimmig, bei Enthaltung der Betroffenen, entlastet.

5. Planungen und Haushaltsvoranschlag für 1998,vorgestellt von Herrn Dr. Schöbel, sehen eine Viel-zahl von Arbeiten im Bereich von Handwerk, Ver-waltung und Wissenschaft vor. Es werden auch Anstrengungen unternommen, dieBesucherzahlen im Winterhalbjahr zu erhöhen.

Planungen und Haushaltsvoranschlag für 1998werden einstimmig angenommen.

6. Bei der Ehrung langjähriger und verdienter Mit-glieder und Mitarbeiter gibt Herr Jabs bekannt, daßder Vorstand den bisherigen Vorsitzenden Hans-Erwin Wende zum Ehrenvorsitzenden und Frau Dr. Elisabeth Heinsius zum Ehrenmitglied ernannthat. Beide bekommen eine Urkunde und die golde-ne Ehrennadel des Vereins überreicht. Herr Dr.Schöbel nimmt dann die Ehrung von drei Mitarbei-tern vor, die seit 10 Jahren im Dienste des Pfahl-baumuseums stehen. Es sind dies Herr Wieden-horn, Herr Hummler und Frau Sommer. Danachwerden noch 9 Mitglieder geehrt, die seit 25, 30bzw. 40 Jahren dem Verein angehören.

7. Wahlen zur Ergänzung des Vorstandes

Ein Mitglied hatte den Antrag gestellt, den Ge -schäftsführer bei jeder Mitgliederversammlunggeheim wählen zu lassen. In der Satzung ist dies abernicht vorgesehen. Der Antrag wird mit großer Mehr-heit, bei 3 Zustimmungen und 4 Enthaltungen, abge-lehnt. Da der 1.Vorsitzende, Hans-Erwin Wende, ausgesundheitlichen Gründen zum Ende des Jahres1996 zurückgetreten war, stand eine Ergänzungswahlan. Herr Busam stellte den An trag, bis zur nächstenturnusmäßig anstehenden Wahl kommissarisch einen1.Vorsitzenden zu wählen. Die Mitgliederversamm-lung stimmte dem Antrag bei 4 Gegenstimmen und 8Enthaltungen zu. Zur Wahl dieses Amtes stellt sichHerr Fritz Förster zur Verfügung. Da keine weiterenKandidaten vorgeschlagen werden, entscheidet sichdie Mitgliederversammlung mit großer Mehrheit füreine offene Wahl. Herr Förster wird bei 10 Gegen-stimmen und 10 Enthaltungen zum kommissarischen1.Vorsitzenden gewählt. Da dieser bisher Kassenwartwar, stellt Herr Busam den Antrag, einen kommissa-rischen Kassenwart zu wählen. Die Mitglieder stim-men dem zu und wählen Herrn Walter Bühler zumkommissarischen Kassenwart.

8. Als Ort und Zeitpunkt der nächsten Jahres tagung

legt die Mitgliederversammlung den 16./17.Mai1998 und Zug in der Schweiz fest.

D. Ecker, Schriftführer

148 149

Vereinsnachrichten 1997Jahrestagung 1997anlässlich des 75jähri-gen Bestehens derPfahlbauten in Unter -uhldingen.

Abb. 1:Der 2. Vorsitzende des Pfahlbauvereins, Uwe Jabs,beglückwünscht Herrn Fritz Förster zur Wahl zum1. Vorsitzenden.

Abb. 2:Herr Förster dankt dem langjährigen VorsitzendenHerrn Hans Erwin Wende für seine Tätigkeit imVorstand und als 1. Vorsitzender des Pfahlbauver-eins.

Abb. 3:Die langjährige Kassiererin des Pfahlbaumuseums,Frau Marianne Ziebarth verlässt die Pfahlbautenund bekommt zum Abschied einen Blumenstraußüberreicht.

Abb. 4:Der Vorstand dankt Frau Sommer für die 10jährige Mitarbeit im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen.

Abb. 5:Am Fundort der Alamannengräber von Unteruhl-dingen erläutert Mathias Baumhauer M.A. diefrühmittelalterliche Besiedlungsgeschichte derStandortgemeinde.

Abb. 6:Die Tagungsexkursion ist bei der „villa rustica“ inOberuhldingen angelangt. Peter Walter M.A.,erläutert den Teilnehmern den Forschungsstand derrömischen Zivilsiedlungen im nördlichen Bodensee-raum.

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Abb. 7Festakt zum 75 jährigen Bestehen der Pfahlbautenvon Unteruhldingen. Herr Staatssekretär Müller ver-liest das Grußwort des Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Erwin Teufel, und würdigt dieArbeit des Trägervereins.

Abb. 8:Gespannt verfolgen die anwesenden Gäste dieFestreden. Vorne links im Bild die jüngste Tochtervon Georg Sulger, Frau Maria Wenk, welche andiesem Tag die feierliche Einweihung des GeorgSulger Platzes und des Denkmals für dieMuseumsgründer vornahm.

Abb. 9:Der Schonacher Künstler Prof. K. Ringwald prüftdie Anbringung der bronzenen Gedenktafel zum 75jährigen Bestehen der Pfahlbauten.

Abb. 10: Aufnahme aus dem Innenraum des Versammlungs-hauses, Haus Riedschachen 1, 1922.

Abb. 11: Bürgermeister Tausendfreund, Meersburg imGespräch mit Familie Wende bei der Eröffnung derSonderausstellung: „Das war der Anfang, 1922 –1997, 75 Jahre Pfahlbauten“.

Abb. 12:75 Jahre Pfahlbauten. Mit Schuldverschreibungender Vereinsmitglieder wurde in den 20er Jahrender Grundstein für die Errichtung der Pfahlbautengelegt.

150

75 Jahre Pfahlbaumuseum Unteruhldingen. Das

bedeutet, daß unter neun Millionen Besuchern rund

vier Millionen Schülerinnen und Schüler die Pfahl-

bauten gesehen haben. Das Museum hat also viele

Schülergenerationen beeinflußt.

Die Sachüberreste im modernen Museumsbau

und die Rekonstruktionen am Ufer des Boden-

sees regen die Phantasie des Beobachters über

uns sehr ferne Epochen der Menschheitsge-

schichte an. Das Arrangement der Zeugnisse und

Repliken, die zum Teil funktionsfähig sind, führt

nicht nur zum kognitiven Lernen, sondern spricht

auch die Sinne an. Das Projekt „Leben in der

Steinzeit“ für die Klassenstufen 6 (Hauptschule)

und 7 (Realschule und Gymnasium) ermöglicht

handlungsorientierte Arbeitsformen in einer Brei-

te und Intensität, die an anderen Lernorten selten

anzutreffen sind. Das Projekt, konzipiert und

getragen von Lehrkräften an Schulen und Mitar-

beitern des Museums, wird vom Oberschulamt

seit 1991 finanziell und personell unterstützt. Wir

sind froh, daß wir diese Möglichkeit haben und

freuen uns über die gute Zusammenarbeit mit

dem Pfahlbaumuseum.

Das Pfahlbaumuseum dokumentiert heute in

pädagogisch vorbildlicher Weise die Lebensweise

von Menschen, die vor vielen tausend Jahren am

Ufer des Bodensees gelebt haben. Es hat mit 75

Jahren auch eine eigene Geschichte. Seine Entste-

hung ist von der jungen Weimarer Republik geprägt

worden, die rassistische Ideologie des nationalso-

zialistischen Staats hat zwölf Jahre Museumsge-

schichte geformt, der liberale Geist der parlamenta-

rischen Demokratie unseres Staates bestimmt das

Erscheinungsbild des heutigen Freilichtmuseums

und Forschungsinstituts. Das heute vermittelte

Geschichtsbild beruht auf den letzten Erkenntnissen

der archäologischen Wissenschaft. Unsere Schüler-

generationen werden sich durch die Beschäftigung

mit den quasi-originalen Zeugnissen stärker der

Vielschichtigkeit der Probleme bewußt, mit denen

sich die Menschen früherer Epochen auseinander-

zusetzen hatten. Die gewonnenen Kenntnisse und

Einsichten formen ihr Geschichtsbild.

Das Oberschulamt dankt dem Pfahlbauverein und

seinen Mitarbeitern für ihr Engagement und

wünscht Ihnen und sich für die Zukunft den Fort-

gang der gedeihlichen Zusammenarbeit.

Dr. Manfred Saller

Präsident

75 Jahre PfahlbautenGrußwort des Oberschulamts Tübingen

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Das Gebiet um den Bodensee zählt europaweit zu

den Regionen, die durch die gesamte Geschichte

hindurch die kulturelle und politische Entwicklung

Europas entscheidend beeinflußt haben.

Davon legen auch die Pfahlbauten von Unteruhl-

dingen Zeugnis ab, die jährlich Tausenden von

Besuchern Wissenswertes und Interessantes über

das Leben der Menschen in der Stein- und Bronze-

zeit erzählen. Sie werden in diesem Jahr 75 Jahre alt.

Dazu gratuliere ich der Leitung des Pfahlbaumu-

seums, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

sowie allen Mitgliedern des privaten Trägervereins

für Pfahlbau und Heimatkunde sehr herzlich.

Den Anstoß für die im Jahr 1922 zwischen Meers-

burg und Überlingen entstandenen Pfahlbaurekon-

struktionen gaben Ausgrabungen im Moor des

oberschwäbischen Federsees. Dort wurden ab 1919

mehrere Siedlungen aus der Zeit zwischen 4400

und 850 v. Chr. entdeckt. Sie waren weitgehend

gut erhalten und konnten vom Urgeschichtlichen

Forschungsinstitut der Universität Tübingen teil-

weise vollständig freigelegt werden.

Drei Namen stehen dafür, daß zwischen der Idee

eines Pfahlbaumuseums und seiner Eröffnung am

1. August 1922 nicht einmal zwölf Monate vergin-

gen: der damalige Uhldinger Bürgermeister Georg

Sulger, der Landrat Hermann Levinger sowie der

Überlinger Kunstmaler Victor Mezger. Das damals

vorgelegte Konzept, ohne staatliche Zuschüsse

allein in der Trägerschaft eines privaten Altertums-

vereins ein „Heimatmuseum zum Anfassen“ zu

bieten, hat sich bis heute bestens bewährt: 1997

konnte der 9.000.000 Besucher begrüßt werden.

Ich wünsche dem Pfahlbaumuseum in Unteruhldin-

gen auch in Zukunft viel Erfolg und danke der Lei-

tung, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

sowie den Mitgliedern des Trägervereins für ihr

vorbildliches Engagement.

Erwin Teufel

Ministerpräsident

75 Jahre PfahlbautenGrußwort des Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg

75 Jahre PfahlbautenGrußwort des Präsidenten des Landesdenkmalamtes

In diesem Jahr blicken wir auf das 75-jährige Beste-hen des Pfahlbaumuseums von Unteruhldingenzurück. Dieses Jubiläum gilt einer musealen Einrich-tung, die in vielfacher Weise auf die historische Vor-stellung der breiten Bevölkerung einwirkte, aberauch Höhen und Tiefen einer Forschungseinrichtungdurchleben mußte, wie selten ein Museum zuvor.

Die Unteruhldinger Pfahlbauten am Bodenseegehören zu den überregional bekannten musealenEinrichtungen. Alljährlich besuchen zehntausendevon Schülern und Erwachsenen diese eindrucksvol-len Rekonstruktionen steinzeitlicher und bronzezeit-licher Uferrandsiedlungen am See.

Im 1996 eröffneten neuen Museumsgebäude werdendie Ergebnisse der südwestdeutschen und schweize-rischen Pfahlbauforschung der letzten 150 Jahreanschaulich aufbereitet. Die Rekonstruktionsversu-che dieser Uferrandsiedlungen bieten dazu eine wert-volle Bereicherung.

Nachdem im Jahre 1979 vom LadesdenkmalamtBaden-Württemberg das Pfahlbauprojekt mit großerfinanzieller Förderung durch die Deutsche For -schungs gemeinschaft als langfristiges Forschungs-projekt der Landesarchäologie in der Nachkriegszeitwieder aufgenommen wurde, und wir heute nachüber 15-jähriger intensiver Feldforschung eine Füllevon neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zurfrühen Neolithisierung am Bodensee und zum Ver-hältnis zwischen Mensch und Umwelt im Neolithi-kum erarbeiten konnten, war es mehr als selbstver-ständlich, daß diese Ergebnisse in die Neukonzeptiondes Pfahlbaumuseums Eingang fanden.

Das Pfahlbaumuseum in Unteruhldingen bildet somitein hervorragendes und wichtiges Informationszen-trum für die Vermittlung wissenschaftlicher For-schungsergebnisse der prähistorischen Siedlungsar-chäologie Baden-Württembergs.

Blicken wir auf die inzwischen 75-jährige Geschich-te zurück, so hat das Pfahlbaumuseum immer wiederversucht, die Forschung auf diesem Sektor voranzu-

treiben. Diese Aufgabe wird heute, insbesondere vonder Arbeitsstelle Hemmenhofen des Landesdenkmal-amtes weitgehend übernommen.

Es ist jetzt unser Wunsch, gemeinsam mit dem Pfahl-baumuseum die Erforschung der Uferrandsiedlungam Bodensee zu verfolgen und zu komplettieren.

Unser Dank gilt den Begründern des Pfahlbaumu-seums von Unteruhldingen und insbesondere dem Ver-ein für Pfahlbau- und Heimatkunde e.V., der sich dieAufgabe gestellt hat, nunmehr in der dritten Ge -neration, ohne staatliche finanzielle Unterstützung, die-ses Museum einzurichten und zu betreiben. Zum 75-jährigen Bestehen wünscht das LandesdenkmalamtBaden-Württemberg dem Pfahlbaumuseum von Unte-ruhldingen sowie dem Verein für Pfahlbau- und Hei-matkunde e.V. weiterhin eine gute Entwicklung. Demwissenschaftlichen Leiter des Pfahlbaumuseums, HerrnDr. Gunter Schöbel sowie allen Mitarbeiterinnen undMitarbeitern möchte ich für die gute Zusammenarbeitvielmals Dank sagen und ich hoffe und wünsche, daßdiese erfolgreiche Kooperation auch in den nächsten 25 Jahren wie gehabt fortgesetzt werden kann.

Prof. Dr. Dieter PlanckPräsident

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Impressionen 1997

Abb. 1:Auch im Winter sind die Pfahlbauten geöffnet.Winterdienst.

Abb. 2:Der Uhldinger Fischer Norbert Knoblauch (links)versorgt mit seinen Fängen im Flachwasserbereich das Taucheraquarium imneuen Ausstellungsraum.

Abb. 3:Bestandesaufnahme der Pflanzungen im Versuchsgarten durch die Paläobotanikerin Dr. U. Maier vom Landesdenkmalamt B.-W.,Referat Pfahlbauarchäologie, Hemmenhofen.

Abb. 4:Museum- und Handwerkertag am 11. Mai 1997.Wie geht man mit einem Eibenbogen um?

Abb. 5:Wie scharf ist ein bronzezeitliches Rasiermesser?

Abb. 6:Wie lang braucht das Backen eines Fladenbrotes?

154

Abb. 7:Am 3. Juli 1997 besucht der Neunmillionste Besu-cher das Pfahlbaumuseum. Es ist Herr Rahn ausHolzgerlingen bei Böblingen, der vor 30 Jahrenschon einmal die Pfahlbauten besucht hat und die-ses Mal mit Kindern und Enkeln nach Unteruhldin-gen gekommen ist.

Abb. 8:Die neue Kopfbedeckung in den Pfahlbauten vonUnteruhldingen.

Abb. 9:Gemeinschaftswerbung mit dem ZeppelinmuseumFriedrichshafen: Vom Pfahlbau zum Leichtbau.

Abb. 10:Dichterlesung mit Herrn Gagesch für Kinder aufden Pfahlbauten.

Abb. 11:Aufarbeitung des Lesefundkomplexes Langenrain-Hals im Pfahlbaumuseum. Fachkundiger Ratkommt von Prof. em. Wolfgang Kimmig ausTübingen.

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Protokoll der Mitglieder -versammlung vom 16. Mai 1998 in Zug (Schweiz) (gekürzt)

1. Begrüßung der anwesenden Mitglieder undGäste durch den 1. Vorsitzenden, Fritz Förster, imgotischen Saal des Rathauses. Stadtpräsident OthmarRomer gibt einen Überblick über die ge schichtlicheEntwicklung Zugs und seiner Umgebung.

2a. Im Tätigkeitsbericht des Vereins hebt Herr För-ster die positive Entwicklung der Mitgliederzahlenhervor und erinnert an die 75-Jahr-Feier desMuseums vom vergangenen Jahr.

2b. Museumsdriektor Dr. Gunter Schöbel kann imTätigkeitsbericht des Museums den Besucher -rekord von rund 280.000 Personen im Jahr 1997bekanntgeben. Er schildert die vielfältigen Arbei-ten im Bereich von Verwaltung, Organisation,Technik und Wissenschaft.

3a. Walter Bühler verdeutlicht mit seinem Kassen-

bericht die gute Kassenlage des Vereins.

3b. Im Kassenbericht des Museums hat Dr. Schöbel auch Gutes zu berichten: Trotz desMuseumsneubaus für 5 Millionen DM konntenprojektbezogene Rückstellungen für den weiterenAusbau des Museums gemacht werden.

3c. Der Bericht des Kassenprüfers, Herrn Köpple, lobt die gute Kassenführung von Vereinund Museum. Da er keinerlei Beanstandungengefunden hat, beantragt er die Entlastung von Vor-stand und Kassenwart.

3d. Vorstand und Kassenwart werden ohne Gegen-stimmen, bei Enthaltung der Vorstandsmitglieder,entlastet.

4. Planungen und Haushaltsvoranschlag für 1999werden von Herrn Dr. Schöbel vorgetragen. Nebender Instandhaltung des 14 Häuser umfassendenFreilichtmuseums sind vor allem der Neubau einesArbon-Hauses sowie Grabungen in der „Wasser-burg Buchau“ vorgesehen.

Die Versammlung genehmigt einstimmig, bei Ent-haltung des Vorstandes, die vorgelegten Planungenund den Hauhaltsvoranschlag für 1999.

5. Bei der Ehrung langjähriger Mitglieder erhaltenu.a. zwei Personen, die seit 40 Jahren dem Vereindie Treue gehalten haben, eine Ehrenurkunde unddie goldene Ehrennadel des Pfahlbauvereins über-reicht.

6. Die Wahlen des Vorstandes und des Kassenprü-

fers leitet Herr Harms. Es werden alle Vorstands-mitglieder, bei eigener Enthaltung, einstimmigwiedergewählt. Neuer Kassenprüfer wird einstim-mig Herr Direktor Haaga.

7. Als Zeitpunkt der nächsten Jahrestagung wirdder 20./21. März 1999 und als Tagungsort Sipplin-gen am Bodensee von der Mitgliederversammlungfestgelegt.

Bericht von der 63. Jahrestagungdes Vereins für Pfahlbau- und Heimatkunde e.V. vom 16. Mai 1998in Zug (Schweiz)

Die 63. Jahrestagung des Vereins für Pfahlbau- undHeimatkunde e.V. fand am 16. Mai 1998 in derschweizerischen Kantonshauptstadt Zug statt undwurde am da rauffolgenden Tag in Unteruhldingenfortgesetzt. Etwa 100 Mitglieder und An gehörigewaren der Einladung an den Zuger See gefolgt. Imgotischen Saal des Zuger Rathauses wurden sie zuBeginn der Mitgliederversammlung von Stadtpräsi-dent Romer begrüßt. Vorsitzender Fritz Förster undMuseumsdirektor Dr. Gunter Schöbel konnten inihren Rechenschaftsberichten auf ein sehr erfolg-reiches Jahr 1997 zu rückblicken. Die Mit glieder -zahl des Vereins stieg auf 636. Mit 279.671 Besu-chern konnte der bisherige Rekord von 1996 um 4 %übertroffen werden. Die Inbetrieb nahme des Mu -seums neu baues, die Feiern zum 75-jährigen Beste-hen des Freilicht museums und zahlreiches Er -scheinen der Pfahlbauten in den Medien hatten zudiesem Erfolg beigetragen. Die Neu wahl des Vorstandes ging schnell über die Bühne, da die

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bisherigen Vorstands mitglieder geschlossen wiederkandidierten und keine weiteren Bewerbungenerfolgten.

Die nächste Jahrestagung wird in Sipplingen statt-finden und wurde von der Ver samm lung auf den20. und 21. März 1999 festgelegt. Dieser früheTermin soll es ermöglichen, die aktuellen Tauch-ausgrabungen des Landesdenk mal amtes vor Sip-plingen, die nur über Winter erfolgen, zu besichtigen.

Nach dem ge meinsamen Mittagessen wurde dasneueröffnete Kantonale Museum für Urgeschichtein Zug besucht, geführt von Museumsleiterin Irmgard Bauer. Alle waren beeindruckt von derVielzahl originaler Fundstücke von der Steinzeitbis zum frühen Mittelalter und deren Präsentationnach modernsten museumspädagogischen Erkennt -nissen. Anschließend fuhr man zur Baarburg,einem Tafelberg in der Nähe des Zuger Sees, derschon in prähistorischer Zeit besiedelt war. Dr. Stefan Hochuli, Leiter der Kantonalen Denk-malpflege, konnte dort oben bei bester Fernsichtdie Vorgeschichte des Kantons Zug den Mitglie-dern des Pfahlbauvereins erläutern. Er führte sieauch zu mehreren Fundstellen früherer Besiedlung.

Nach dem Abendessen fuhr man zurück zum Boden-see, wo am folgenden Tag die Trachtenausstellungdes Trachtenverbandes Baden-Württemberg im Vor-tragssaal des Pfahlbaumuseums be sichtigt werdenkonnte. Sie wurde aus Anlaß des 40-jährigen Beste-hens des Verbandes zusammengestellt und erstmalsin Unteruhldingen der Öffentlichkeit präsentiert.Durch die Ausstellung führten der Landesvorsitzendedes Trachtenverbandes, Siegfried Mager, und derVorstand des Gaues Bodensee, Helmut Halbhuber.Vom steinzeitlichen Spitzhut, wie man ihn bei Aus-grabungen in Pfahl bau siedlungen fand, über denSchwarzwälder Bollenhut bis hin zur Radhaube derBoden seetrachten konnten die anwesenden Mitglie-der des Pfahlbauvereins Interessantes erfahren. Nachdieser harmonischen und erlebnisreichen Jahresta-gung freut man sich auf das Wiedersehen am 20.März 1999 in Sipplingen.

D. Ecker, Schriftführer

Abb. 1:Herr StadtpräsidentRohmer, der die anwe-senden Mitglieder desPfahlbauvereins begrüßt,bekommt den neuenSonderband zu den„Pfahlbauten rund umdie Alpen“ während derMitgliederversammlungüberreicht.

Abb. 2:Museumsleiterin Irmgard Bauer undMuseumsmitarbeiterinSabine Bolliger be -grüßen die Mitgliederdes Pfahlbauvereins imneu eröffneten ZugerArchäologischen Muse-um.

Abb. 3:Rundgang im neu ein-gerichteten KantonalenMuseum Zug. Besonde-re Aufmerksamkeit giltdem dort im Innenraumerrichteten ebenerdigenHolzbau aus ZugSumpf.

Abb. 4:Kantonsarchäologe Dr. Stefan Hochuliführt die Mitglieder aufder Baarburg.

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Vereinsnachrichten 1998

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Impressionen 1998

Abb. 1:Erneuerung von Pfählen und Vorplatzbelag amRiedschachenhaus 1.

Abb. 2:Auswechslung von Pfählen und Unterzügen beider Bronzezeit Plattform.

Abb. 3:Im Steinzeitdorf wird der alte Lehmbelag durcheinen neuen ersetzt.

Abb. 4:Eine sukzessive Neupfählung der alten Ring -palisade um das Steinzeitdorf ist nötig geworden.

Abb. 5:Ausstellung: Wer kennt diesen Mann? Spurensuche bei den Nachfahren des un bekanntenLinzgaufotografen G. A. Hory.

Abb. 6:Geschichtskundige aus der Region helfen bei der Identifizierung der meist ohne Beschriftungaufgefundenen Fotografien vom Beginn des Jahr-hunderts.

Abb. 7:Ausstellungseröffnung der Fotoausstellung G. A. Hory in Salem, dem 3. Ort der regionalenWanderausstellung nach Unteruhldingen und Hei-ligenberg.

Abb. 8:Trachtenausstellung des Baden-Württembergi-schen Trachtenverbandes im Mai im Pfahlbaumu-seum.

Abb. 9:Gestern und heute: Frau Steffi Brockschläger bei der Vorbereitung zur Trachtenausstellung imPfahlbaumuseum.

Abb. 10: Das erste Bogenbauseminar mit Herrn JürgenJunkmanns im Pfahlbaumuseum Unteruhldingenund die stolzen Absolventen des Bogenbaukurses.

Abb. 11:Aktionstag UrZeitKlänge am Bodensee. Knochen und Holzflöten.

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Abb. 13:Signalhornblasen.

Abb. 12: Herr Schwen spieltauf der bronzezeitli-chen Lure.

Abb. 15:„Perlen bohren“ im Schülerprojekt „Leben wie inder Steinzeit“.

Abb. 16:Aktionstag im Naturschutzzentrum Wilhelmsdorf.

Abb. 17:Aktionstag in Allensbach am Bodensee.

Abb. 18:Archäologische Forschungstaucher zum Besuch inden Pfahlbauten. Ziel: Die Lädine aus dem 16. Jh. vor Unteruhldingen.

Abb. 19:Forstbiologische Fortbildungsveranstaltungfür die Forstämter Radolfzell, Überlingen und Tettnang im Pfahlbaumuseum.

Abb. 20:Der Bedarf eines Freilichtmuseums an originalge-treuen Nachbildungen ist groß. Der Töpfer bringteine spätbronzezeitliche Schalenkollektion.

Abb. 21:Betriebsausflug des Pfahlbaumuseums in das Singener Hegaumuseum. Wie fertigt man ein Gold-blattkreuz im Rahmen eines Museumsprojektes?

Abb. 22:Im Herbst ertaucht, im Frühjahr im Pfahlbaumuse-um zu sehen. Der Neufund eines verzierten Holz-stabes aus dem Zürichsee wird während des Win-ters im Museum nachgefertigt.

Abb. 14: Auch mit einem ausgehöhlten Apfelbaum, der inder Art eines Didgery-doo-s gespielt wird, lassensich Töne erzeugen.

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Protokoll der Mitgliederversammlungvom 20. März 1999 in Sipplingen

1. Eröffnung und Begrüßung durch den 1.Vorsit-zenden und Grußworte.

Herr Förster begrüßt die 84 anwesenden Mitgliederund die Gäste, insbesondere Herrn Kayan, Bürger-meister von Sipplingen, Herrn Dr. Trepte, stellver-tretender Bürgermeister von Uhldingen-Mühl -hofen, Herrn Wende als Ehrenvorsitzenden, HerrnHarms vom Förderverein und die Vertreter derPresse.

Herr Bürgermeister Kayan heißt die Versammeltenin seiner Gemeinde herzlich willkommen. Erbedauert, daß der historische Rathaussaal von 1669nicht als Tagungsort dienen kann, weil er geraderenoviert wird. Dann gibt er einen Überblick überdie Geschichte Sipplingens, das 1157 erstmalsurkundlich erwähnt wird, aber schon in der Stein-zeit besiedelt war. Es war bis ins vorige Jahrhun-dert vom übrigen Bodenseeufer abgeschnitten. Anden steilen Hängen wurde seit dem MittelalterWein angebaut, bis um die Jahrhundertwende derWeinbau wegen der Reblaus aufgegeben werdenmußte. Danach wurden etwa 7000 Kirsch bäumeangepflanzt. Heute gibt es noch 39 Kleinbrenner.Sipplingen hat eine Fläche von 427 ha, 83 % davonsind Landschaft- und Naturschutzgebiet. Nach demKriege hat sich Sipplingen zu einem schmuckenFremdenverkehrsort entwickelt. 1987 war es Bundes -sieger in dem Wettbewerb „Unser Dorf soll schönerwerden“. Heute hat Sipplingen 2.150 Einwohner undzusätzlich etwa 500 Zweitwohnsitze. Hinzu kommen700 Fremdenbetten. In den zwei Häfen gibt es 527Wasserliegeplätze. So können im Sommer bis zu10.000 Bewohner zusammenkommen.

Herr Förster unterstreicht die Bedeutung Sipp-lingens für den Pfahlbauverein, der durch die Gra-bungen unter Prof. Reinerth zu wertvollen Fund-stücken gekommen ist. Er dankt Herrn BernhardRegenscheit aus Sipplingen, der seine Privatsamm-lung im alten Bahnhof ausstellt.

2. Tätigkeitsbericht

a) Pfahlbauverein

Herr Förster berichtet, der Verein habe derzeit 636Mitglieder. Im abgelaufenen Jahr sind 7 Mitgliederverstorben und 5 ausgetreten. 11 neue Mitgliederwurden aufgenommen.

Dann trägt Herr Förster den § 1 der Satzung (Ver-einszweck) vor und zeigt an vielen Beispielen auf,wie die einzelnen Ziele erreicht worden sind. NeuePlanungen und Konzepte wurden zusammen mitder EU entwickelt: das Programm „Archeo-Live“im Programm „Raphael“ der EU, gemeinsam mitden Freilichtmuseen Modena in Italien und Hall-statt in Österreich. Er erinnert mit Stolz an dieeigenen Ausgrabungen des Pfahlbaumuseums vomletzten Jahr im Federseemoor. Nach der Bauphasekönne man jetzt wieder Ausgrabungen größerenUmfanges durchführen.

Für die künftige Entwicklung des Museums ist derErwerb von weiterem Gelände von großer Bedeu-tung. Einige schilfbewachsene Grundstücke im nörd-lichen Bereich konnten bereits erworben werden.

Der Vorstand nehme seine Aufgaben sehr ernst,betont Herr Förster, vor allem in Bezug auf dieWirtschaftlichkeitsprüfung und die Kontrolle überdas Pfahlbaumuseum, das eine relativ eigenständi-ge Stellung innerhalb des Vereins einnehme.

b) Pfahlbaumuseum

Herr Dr. Schöbel bezeichnet Sipplingen als einensehr wichtigen Ort für die Pfahlbauforschung. Hierwurden durch die Ausgrabungen von 1929/30 dieGrundlagen für die Errichtung des Steinzeitdorfeserarbeitet. Die Kastengrabungen des jungen Dr. Rei-nerth im Auftrag des Bodensee-Geschichtsvereineswar die erste Flächengrabung im Wasser und dieerste mit einer fotografischen Dokumentation einesBodenseepfahlbaus. Die Funde sind heute noch inder Dauerausstellung des Pfahlbaumuseums zubesichtigen. Er freue sich, heute am historischen Ortden Fortgang des Projektes „Pfahlbauten am Boden-see“ erfahren zu können. Herr Dr. Kolb und HerrMüller M.A. vom Landesdenkmalamt werden am

Nachmittag über die modernen Untersuchungen inder Sipplinger Bucht berichten. Zusammenarbeitüber die Ländergrenzen hinweg und die Nutzung vonSynergie-Effekten seien auf dem Gebiet der Pfahl-bauarchäologie inzwischen Wirklichkeit.

Bereich Museum:

Die Zahl der Besucher im ist im Jahre 1998gegenüber dem Rekordjahr 1997 um 21.407 (- 8 %)auf 258.263 gesunken. Es ist aber immer noch dasfünftbeste Ergebnis seit 1922. Besucherumfragenbestätigen, dass der 3,5 km lange Fußweg vomOrtsrandparkplatz und zurück vor allem den Senio-ren zu weit ist. Das Zubringerbähnle fährt außer-halb der Saison nicht. Nur über Winter (von No -vember bis März) darf im Ort geparkt werden. Wirhoffen, daß die Gemeinde bald einen Busanschlußvor das Museum legt.

Handwerklicher Bereich:

An den Stegen, Plattformen und Häusern des teil-weise 77 Jahre alten Museums mussten zahlreicheReparaturen durchgeführt werden. Dazu wurdenwährend des Winters zwei Saisonkräfte eingestellt.Die Handwerker waren auch bei Ausgrabungen, beiProjektarbeiten und bei der Vorbereitung der Aus-stellungen eingebunden. Der Höhepunkt handwerk-licher Tätigkeit war der Baubeginn eines neuenHauses, des „Arbon-Hauses“, das zusammen mitden Kollegen des kantonalen Amtes für Denkmal-pflege des Thurgaus im Juli 1998 begonnen wurdeund in diesem Jahr fertiggestellt werden soll.

Wissenschaftlicher Bereich:

Es wurden Ausgrabungen in Uhldingen und BadBuchau durchgeführt und mit der Auswertungbegonnen. Einige private Sammlungen wurden neuaufgenommen. Die Archivierungsmaßnahmen imFundmagazin sowie die Arbeiten in der Modell-werkstatt wurden zum Abschluss gebracht. DieAusstellung Hory („Wer kennt diesen Mann?“) warein großer Erfolg und wurde an 6 verschiedenenOrten präsentiert. Ferner wurde im Pfahlbaumuse-um eine Trachtenausstellung des TrachtenverbandesBaden-Württemberg und eine kleine Ausstellungzu den neuen Ausgrabungen in Sipplingen gezeigt.

Weitere Aktivitäten waren ein Bogenbauseminar,die Teilnahme am Aktionstag „Natürlich Mobil“,Aktionen in Allensbach und Wilhelmsdorf, Projek-te mit der Pädagogischen Hochschule in Weingar-ten, Schülerprojekte, die Veranstaltung „UrZeit-KlängeAmSee“, Fortbildungsveranstaltungen fürLehrer und Förster sowie für die vorgeschichtli-chen Seminare von Leipzig, Tübingen und Köln.An mehreren Orten wurden Vorträge gehalten.Magister- und Doktorarbeiten wurden betreut. Wirsind seit einiger Zeit im Internet vertreten unter„www.pfahlbauten.de“. Die Medien- und Pressear-beit war wie gewohnt sehr intensiv.

Bereich Verwaltung:

Neben der Betreuung der Besucher wurden neuePostkarten und Handzettel aufgelegt, die Werbungin Zeitschriften und Katalogen fortgesetzt, Pau-schalangebote entwickelt und ein neues Computer-programm für die Vereinsverwaltung eingesetzt.Tausende von Briefen mussten geschrieben undunzählige Telefonate geführt werden.

Zum Abschluss seines Berichtes gab Herr Dr. Schöbel den positiven Bescheid der EU ausBrüssel bekannt, wonach das Pfahlbaumuseumzusammen mit dem archäologischen Museum imoberitalienischen Modena und dem österreichi-schen Natur historischen Museum in Wien mit seinem Mu seumsbergwerk in Hallstatt im Pro-gramm „Raphael“ gefördert werden. Dadurch können an den drei genannten Orten neue Mu-seums teile erstellt werden.

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Vereinsnachrichten 1999

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3. Kassenbericht 1998

a) Pfahlbauverein

Der Kassenwart, Herr Bühler, berichtet sehr detail-liert über Einnahmen, Ausgaben und Kassenständeder Vereinskasse für das Jahr 1998. Trotz desZukaufs eines Grundstücks für DM 6.921,– warzum Jahresende ein Zuwachs von DM 4.114,64und SFR 733,15 zu verzeichnen.

b) Pfahlbaumuseum

Museumsdirektor Dr.Schöbel gibt einen Überblicküber Einnahmen und Ausgaben des Museums imJahr 1998. Das Museum hat auch im 3. Jahr nachder Eröffnung des Neubaus eine solide finanzielleBasis. Für den geplanten weiteren Ausbau desMuseums sind auch in Zukunft erhebliche finanzi-elle Mittel nötig.

c) Bericht des Kassenprüfers

Herr Direktor Haaga lobt die vorbildliche Kassen-führung. Es habe keinerlei Beanstandungen gege-ben. Daher empfiehlt er der Versammlung, denKassenwart zu entlasten.

d) Aussprache und Entlastung von Vorstand und

Kassenwart

Herr Busam schlägt der Mitgliederversammlungdie Entlastung von Vorstand und Kassenwart vor.Die Mitgliederversammlung stimmt der Entlastungdes Vorstandes ohne Gegenstimmen bei 10 Enthal-tungen (Vorstand + 2 weitere Mitglieder) zu. DieEntlastung des Kassenwarts erfolgt ebenso ohneGegenstimmen bei 8 Enthaltungen.

Planungen und Haushaltsvoranschlag für 2000

Im Mittelpunkt der Planungen für das Jahr 2000,die Herr Dr.Schöbel vorträgt, steht weiterhin dieInstandhaltung der inzwischen 15 Häuser umfas-senden Pfahlbauanlage, der drei Museumsgebäudeund des Betriebsgeländes.

Die Aufarbeitung der Archive wird weitergeführtund die Auswertung der Grabungsergebnisse desvergangenen Jahres soll erfolgen. Das Arbon-Haussoll fertiggestellt werden. Die bestehenden Häusersollen aufgearbeitet und aktualisiert werden. Acht

Aktionen und vier Ausstellungen sind terminiert.Am Aktionstag „Natürlich Mobil“ werden wir wie-der mit Einbaumfahren teilnehmen. Die Teilnahmeam EU-Projekt verpflichtet uns, bis 2001 zweiHäuser der Spätbronzezeit nach Vorbild der Sied-lung Unteruhldingen-Stollenwiesen zu errichten.

Der Haushaltsvoranschlag für das Jahr 2000 siehtfolgendermaßen aus:

Planungen und Haushaltsvoranschlag für das Jahr2000 werden von der Mitgliederversammlung ein-stimmig angenommen.

5. Ehrung langjähriger

und verdienter Mitglieder

22 Personen erhalten für langjährige Mitgliedschafteine Ehrenurkunde (25 Jahre), die silberne Ehren-nadel (30 Jahre) oder die goldene Ehrennadel desVereins (40 Jahre) überreicht.

6. Zeitpunkt der nächsten Jahrestagung

Herr Förster schlägt den 20./21. Mai 2000 als Ter-min für die nächste Jahrestagung vor. Sie soll inSingen stattfinden, dem Ort der Landesgartenschauim Jahre 2000. Außerdem habe Singen ein großar-tiges archäologisches Museum. Es werden keineweiteren Vorschläge gemacht.

Die Mitgliederversammlung beschließt einstimmig,bei einer Enthaltung, den 20./21.Mai 2000 als Termin und Singen als Ort für die nächste Jahres-tagung.

D. Ecker, Schriftführer

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Abb. 1:Projektleiter Dr. Martin Kolb, LandesdenkmalamtB.-W., berichtet von den aktuellen Tauch -untersuchungen in der Sipplinger Bucht.

Abb. 2:Interessiert verfolgen die Mitglieder des Pfahlbau-vereins die Ausführungen zur archäologischenTauchmethode.

Abb. 3:Der Vorstand des Pfahlbauvereins mit Bürgermei-ster Kayan aus Sipplingen (links) in den Tagungs-räumen.

Abb. 4:Bernhard Regenscheit zeigt dem Pfahlbauvereinseine Privatsammlung im alten Sipplinger Bahnhof.

Abb. 5:Erläuterungen beim Hallstattzeitlichen Grab -hügelfeld bei Überlingen-Hödingen.

Abb. 6:Die originalen Funde aus den Grabhügeln werdenvor Ort ausgestellt und können von den Mitglie-dern des Pfahlbauvereins als Belegstücke für dieAlb-Salem Kultur der älteren Eisenzeit im Boden-seeraum begutachtet werden.

Jahrestagung 1999 in Sipplingen.

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Impressionen 1999

Abb. 1:Kinderaktionsveranstaltung im Januar zu 25 Jahre Sendung mit der Maus.

Abb. 2:Dokumentation der Hochwasserschäden im Horn-staadhaus durch das Team der Sendung mit der Maus im Juni 1999.

Abb. 3:„Aktionstag Bumerang“ im Mai 1999.

Abb. 4:Kinder versuchen sich an der Herstellung einessteinzeitlichen Wurfholzes.

Abb. 5:Der Schweizer Bumerangmeister Th. Stehrenber-ger (links) zeigt die Entwicklung vom Rohlingzum fertigen Produkt.

Abb. 6:Frau Hennig vom Freilichtmuseum Neuhausen o.Eck (rechts) zeigt, wie man aus Wolle einen Fadenspinnt.

Abb. 7:Filmaufnahmen im Pfahlbaumuseum. Vom Korn, zum Mehl, zum Brot.

Abb. 8:Thor Björn Petersen, Dänischer Feuersteinspezia-list bei der Demonstration seiner Kunst anlässlicheiner Projektwoche im Juli im Pfahlbaumuseum.

Abb. 9:Aufstellung: „Naturschutz und Archäologie imFederseemoor“ im Wechselausstellungsraum desPfahlbaumuseums.

Abb. 11:Sommeraktion: Ausgraben, Steinbeil schleifen undGeschichten erzählen.

Abb. 10:Sonderausstellung zu den Ausgrabungen des Lan-desdenkmalamtes B.-W. in Sipplingen am Boden-see.

Abb. 12:„Uhldi (II)“ erzählt Steinzeitgeschichten.

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Abb. 3: Pfingstsamstag 1999. Die Feuerwehr Unteruhldin-gen beginnt mit der Sicherung der Pfahlbauten. T-Träger und Punktgewichte zum Beschweren derStege und Plattformen werden ausgelegt, das ein-gedrungene Wasser im alten Museum und Kohlen-keller wird herausgepumpt.

Abb. 2: Der See kommt. Das Archiv im Untergeschoss desWerktstattgebäudes muß in das Obergeschoss ver-lagert werden. Splitwälle und Bretterschutz sollendas Eindringen von Wasser in die Keller räume ver-hindern.

Abb. 4: Von der 32 m - Feuer-wehrdrehleiter aus istdas ganze Ausmaß derÜberschwemmung amPfingstsonntag, den 23.Mail 1999, zu erken-nen. Der Uferweg, das„Hornstaad“- und das„Arbonhaus“ (am rech-ten Bildrand) sindgeflutet. Bauholzschwimmt im Flach-wasserbereich. DieVorplätze der Ried-schachenhäuser sindüberspült. Der Rund-weg an Land wird ge -sperrt. Notstege entste-hen. Dennoch kann derMuseumsbetrieb auf-recht erhalten werden.

Bedrohlich und beeindruckend waren die Ereignis-se im Rahmen des Jahrhunderthochwassers 1999 inden Pfahlbauten von Unteruhldingen.

Über Wochen hinweg bestand eine große Anspan-nung für alle Verantwortlichen und direkt Beteilig-ten. Vier der insgesamt fünfzehn Häuser des Pfahl-baumuseums standen teilweise oder ganz unterWasser. Die Bronzezeitplattform musste teilweiseaus Sicherheitsgründen für die Besucher gesperrtwerden. Bei einem weiteren Anstieg des Bodensee-pegels hätte die gesamte Anlage wegen Überflu-tung auf längere Zeit geschlossen werden müssen.Mit viel Glück und einer großartigen Beteiligungvon Vereinsmitgliedern, der Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen, des Landkreises, des Ministeriums,von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und Kata-strophenschutz gelang es jedoch, Schlimmeres zuverhindern und die Pfahlbauten in ihrem Bestandzu sichern. Eine kleine Retrospektive in Bildernkann veranschaulichen, wie knapp es in den Wochennach Pfingsten 1999 im Freilichtmuseum herging.

Jahrhunderthochwasser in den PfahlbautenGunter Schöbel

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Abb. 1: Das Mobiliar muss aus dem „Arbonhaus“ herausgetragen werden. Es ist die Woche vorPfingsten. Die ersten Wellen überschlagen die Vorplätze und den Zugangsteg. Das Hochwasser nähert sich der 5 Meter Marke am Pegel Konstanz.

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Abb. 9: In einer Nachtaktionlegt die Feuerwehr Uhl-dingen-Mühlhofenmehr als hundert MeterEisenbahn schienen, einMeter wiegt 48 kg, alszusätzliche Beschwe-rung auf Plattformenund Stege.

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Abb. 10: Donnerstag, 27. Mai1999 das Rammschiff„Bär“ beginnt mit derDalbenpfählung imHalbkreis um die Pfahl-bauten. Zwölf Meterlange Pfähle werden 5 –7 Meter tief in den See-grund eingeschlagen.Der Mu se umsbetriebgeht weiter. Katastro-phentouristen erreichendie Pfahlbauten inzwi-schen mit dem Tret-boot.

Abb. 11: Blick von den alten Häusern auf die Bronzezeit-plattform. Zum Schutz gegen die Wellen werdengroße Schwartenbretter am Geländer der Platt -formen befestigt. Bei Sturm und heftigem Wellen-gang ist ein Aufbrechen der Plattform zu befürch-ten.

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Abb. 6: Bei einem Pegel von 5.65 Meter am Pegel Kon-stanz ist das alte Museum und das gesamte Ufer inder Pfahlbaubucht überschwemmt. Acht Pumpenin allen Gebäuden halten den Zugang für die Besu-cher offen. Sandsackwälle und Bretterschutz durchaufgenagelte und mit Draht gesicherten Dielen ander Uferkante sollen gegen einen weiteren Anstiegschützen.

Abb. 7: Vereinsmitglieder undFreiwillige füllenSandsäcke.

Abb. 8: Nicht nur die unermüd-lichen Handwerker desPfahlbaumuseums, son-dern auch der Vereins -vorstand helfen mit, dieHochwasserschutzwällerings um das Museumsherum zu bauen.

Abb. 5: Auch das neue Muse-um erhält über Nachteinen Wassereinbruch.Mitarbeiter helfen amMorgen beim Hinaus-kehren des Wassers.Die Feuerwehr saugtüber den tiefer gelege-nen Aufzugsschacht dieWassermassen ab.

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Abb. 15: Der doppelte Wellen-brecher, gebaut ausmächtigen, bis zu 150Jahre alten Tannen-stämmen, eine großeGemeinschaftsleistungvon Diensten; Mitarbei-tern und Freiwilligen,steht und funktioniert.Etwa 50% der Wellen-amplitude werden bisetwa Wind stärke 7gebrochen.

Abb. 16: Der Museumsbetriebgeht bei ruhigem Seeweiter.

Abb. 17: Die Seeseite der Bronzezeitplattform ist gesperrt.Ein doppelter Sandsackwall, Eisenbahnschienen,Bretter und zusätzliche Holzverstrebungen sollenschützen.

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Abb. 12: Ein Kasten zur Hochwasserspende, gefertigt von der Handwerksabteilung zur Unterstützung derWiederinstandsetzungsmaßnahmen, entsteht.

Abb. 13: Freitag, den 28. Mai 1999. Auf Anregung desTechnischen Hilfswerkes und des Ortsbauamteswird mit der Einrichtung eines Wellenbrechersrund um die Pfahlbauten begonnen. Dazu finden25 Meter lange Weistannenstämme, die kurz vor-her bei Hüfingen in der Nähe von Donaueschingengeschlagen wurden und in der Nacht unter Polizei-schutz mit Schwertransportern an den Bodenseegelangten, mit einem Gesamtgewicht von 150 Ton-nen Verwendung. Am Meersburger Fährehafen derStadtwerke Konstanz können diese Schutzelementeaufgrund der hochwasserbedingten Einstellung desFährebetriebes mit dem Schwerlastkran gewassertwerden. Die Feuerwehr Überlingen, das THW und die Wasser-schutzpolizei ziehen Stamm um Stamm (Einzel -gewicht 3–5 to.) auf dem Seeweg nach Unter -uhldingen.

Abb. 14: Nach Sonnenuntergang steht am Freitag nach 36 Stunden Arbeit ein 250 Meter langer Wellen-brecher um die Pfahlbauten.

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Abb. 22: Erst in der 4. Woche nach Pfingsten entspannt sichdie Lage allmählich.

Am 17. Juli 1999 feiern die Pfahlbauten ein Hel-ferfest. Das Motto lautet: „Jahrhunderthochwasser1999 in den Pfahl bauten, Pegel 5,65 Meter – dastehen wir drüber. Glück gehabt. Die nächstenPfahlbauten bauen wir sicher höher.“

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Abb. 18: Der Krisenstab tagt. Vertreter des Bauamtes der Gemeinde, der Feuerwehr,des THW, des Landratsamtes, der Wasserschutzpolizei und des Pfahlbaumu-seums beratschlagen gemeinsam über die weitere Vorgehensweise. Die Bun-deswehr hat mit dem Pionierbataillon Villingen bereits Hilfe bei weiterer Ver-schärfung der Situation angeboten. Die beteiligten Sachverständigen kommenam Mittwoch den 02. Juni 1999, dem Mittwoch vor Fronleichnam, zumBeschluß, dass die bislang vorgenommenen Schutzmaßnahmen ausreichen,wenn der See nicht mehr über die schon erreichte Hochwassermarke steigt.Als nächste Stufe wird die Errichtung eines zweiten Schutzrings aus kiesge-füllten Armeepontons überlegt.

Abb. 19: Noch am Abend erreicht ein Sturm von 10 – 12Windstärken den Bodensee und zerstört am Ober-see mehrere Großstege der Schifffahrtsbetriebe vonWasserburg/Bayern bis Meersburg. Der Bodenseeüberrollt mit seinen Wellen die Pfahlbauten. Teileder Bronzezeitplattform und der Palisade des Stein-zeitdorfes werden herausgebrochen. Mit der örtli-chen Feuerwehr und den Pfahlbauhandwerkernwird die Freilichtanlage noch in der Nacht durchzusätzliche Sandsäcke und Eisenklammern gesi-chert. Am folgenden Fronleichnamtag setzen wie-der Regenfälle ein. Die Pegel beginnen wieder zusteigen. Ein weiterer Anstieg des Bodensees wirdprognostiziert. Ein Filmteam vom SWR dokumentiert das Sturm-ereignis.

Abb. 20/21:Nächtlicher Einsatz.Sandsäcke fliegen auf dem Vorplatz des Riedschachenhauses I.Teile der Palisade sind schon abgerissen.Wird’s halten? Drei Wochen nachPfingsten erreicht derBodensee erneut einen Höchststand von 5,65 Meter Pegel Konstanz.

Das dunkelblaue „Hochwasser-T-Shirt“ gibts für DM 25,– inden Größen L, XL und XXL ander Museumskasse oder zzgl.einer Versandkostenpauschalevon der Geschäftsstelle.(Solange Vorrat reicht)

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Zum Tod von Frau Dr. GertaBlaschka, geb. Schneider (1908 – 1999)

Die am 26. Februar 1999 in Neustadt/Saale Ver-storbene nahm bereits als Schülerin 1920 und 1921erstmals an Ausgrabungen des UrgeschichtlichenForschungsinstitutes Tübingen in Riedschachen undAichbühl bei Bad Schussenried im südwestdeutschenFederseemoor teil. Das breit angelegte Studium derSprachen, der Volkswirtschaft, der Psychologie, derPhilosophie, der Vorgeschichte, der Geologie, derGeographie und klassischen Archäologie führte die Nichte des Tübinger Professors R. R. Schmidtzunächst 1927 nach Lausanne, dann je weils einSemester nach Wien, München, Heidelberg und abdem Sommersemester 1930 nach Tübingen. InMünchen belegte sie neben dem Studium ein Prak-tikum im technischen Betrieb der BayerischenDruckerei und Verlagsanstalt. Im WS 1928/29hörte sie in Heidelberg bei E. Wahle Vor- undFrühgeschichte, Geographie bei J. Sölch und Geo-logie bei W. Salomon-Calvi, anschließend bei P. Gößler, H. Reinerth, R. R. Schmidt, C. Watzingerin Tübingen vom Sommersemester 1929 bis zumWintersemester 1932 Vor- und Frühgeschichte undUrgeschichte des Menschen. Die naturwissen-schaftliche Ausrichtung ihres Studiums im zweitenAbschnitt wurde durch die Geographie (C. Uhlig),Geologie (E. Hennig) und Kunstgeschichte (G. Weise) geprägt. Sie promovierte am 1. März1933 im Hauptfach Vorgeschichte mit dem Thema:„Der Vorgeschichtliche Wagen in Deutschland“,eine Arbeit, die 1965 von ihr erstmals in gebunde-ner Form an der mathematisch-naturwissenschaftli-chen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität zuTübingen vorgelegt wurde.

Als Mitarbeiterin des Tübinger Privatdozenten HansReinerth war sie bei den Ausgrabungen in Sipplin-gen am Bodensee (1929/30) mit der Assistenz undder wissenschaftlichen Aufarbeitung der Fundebetraut. In gleicher Funktion nahm sie an den Aus-grabungen im Steinzeitdorf Egolzwil in der Schweiz(1933/34) teil. Die Rekonstruktionszeichnungenfür die bronzezeitlichen Pfahlbauten von Unteruhl-dingen am Bodensee (1931), die Vorlagen für die

NachrufeEhrungen

Arbeiten der Modellwerkstatt des Reichsbundes fürDeutsche Vorgeschichte (1929 – 1945), die Redak-tion der Reinerth’schen Schriften und die Grabungs -organisation im Taubried (1937), in der „Wasser-burg Buchau“ (1937) lagen in Ihren Händen. Auf-grund der starken Beanspruchung Prof. Reinerthsin Berlin übernahm sie in seiner Vertretung zahl-reiche Leitungsaufgaben bei Ausgrabungen, derRedaktion der wissenschaftlichen und populärwis-senschaftlichen Schriften (Mannus, Germanenerbe,Mannus Bücherei, Führer zur Urgeschichte) oderim Bereich der organisatorischen Tätigkeiten beiAusstellungen. So war sie mit der Erarbeitung derständigen Ausstellungen im Deutschen MuseumMünchen über das „Vorgeschichtliche Verkehrs-wesen“ oder für die „Internationale Handwerksaus-stellung 1938 in Berlin“, für den Auf- und Ausbauder vorgeschichtlichen Freilichtmuseen Unteruhl-dingen, Lübeck und Oerlinghausen, sowie auch dieWanderausstellung „Lebendige Vorzeit“ einge-setzt. Als planmäßige Assistentin am Universität-sinstitut für Vor- und Frühgeschichte Berlin(01.4.1935 – 31.12.1938) erarbeitete sie unter an -derem eine umfangreiche Lichtbildreihe von allenPerioden der Vorgeschichte für den Verlag Ben -zinger in Stuttgart. Maßgeblich beteiligt war sie beiden Lehrgrabungen des Institutes während desKrieges in der sogenannten Magula bei Velestino/Thessalien 1942 und mit Werner Hülle bei derAufnahme von Megalithgräbern und Steinalleen imAuftrag des Amtes Rosenberg in der Bretagne(1940/42).

Als die anhaltenden Bombardierungen Berlins imHerbst 1943 zur Auslagerung des Institutes fürVorgeschichte aus Berlin zwangen, übernahm siedie Aufgabe der Verlagerung nach Schloß Salemam Bodensee. Ihr fiel die schwere Verantwortungzu, die Ausweichstelle des Berliner Institutes zwi-schen 1944 und 1946 zu leiten. Während der Inter-nierung Hans Reinerths in Überlingen organisiertesie zwischen 1945 und 1950 den Wiederaufbau derPfahlbauten von Unteruhldingen. Zu ihren Aufga-ben zählten die Betreuung des Besucherführerbe-triebes, die Verhandlungen mit den FranzösischenAlliierten, oder später die Redaktion der Zeitschrift„Vorzeit am Bodensee“. Kleinere wissenschaftliche

Der Pfahlbauverein ehrte in den Jahren

1997–1999 mit einer Goldenen Ehrennadel für 40

und mehr Jahre Mitgliedschaft:

Beier Hans Sereetz/Lübeck

Castell v. Rüdenhausen Radulf zu Rödelsee

Erdelen Dieter Morsbach/Sieg

Dr. Heinsius Elisabeth Mölln/Lauenburg

Herzig Franz Rottenburg-Weiler

Dr. Henssler Eberhard Daisendorf

Konstantinoff Dagmar Bötzingen a. K.

Dr. Löw Jürgen Karlsruhe

Michel Hedwig Darmstadt

Reinold Reiner Swisttal

Scherer Gerhard Rottweil

Scholtz Heinz-Günter Berlin

Schröppel Jörg Pfronten-Ried

Thrien Charlotte Meersburg

Voß Hans-Günter Kiel

Weber Gerhard Bodman-Lhfn.

Winner Wilhelmine Bodman-Lhfn.

Silberne Ehrennadel für 30 und mehr Jahre Mit-

gliedschaft erhielten:

Beneder Wilhelm Schwabach

Dr. Bonz Karl Böblingen

Denzler Karl-Heinz Thalmässing

Dammann Werner Hamburg

Firgau Detlef Wurmlingen

Förtsch Lotte Hameln

Hertlein Hans Konstanz

Heuschen Uwe Konstanz

Hornstein Lydia Überlingen

Jahreiss Günther Albstadt-Ebingen

Kamm Richard Ellwangen

Kleefisch Heinrich Kreuzau

Maier Helmut Konstanz

Mrutzek Gerhard Stuttgart

Nickel Jost St. Augustin

Scheurer Hans-Jürgen Reno Nevada

Schiele Erhard Wangen/Allgäu

Schröter-Schocher Helga Münster-Handorf

Speidel Alfons Lindau

Vetter Reinhard Lindau

Walter Hans-Dieter Schöllkrippen

Zurbuchen Max Seengen/Aargau

Eine Urkunde für 25 und mehr Jahre

Mitgliedschaft erhielten:

Beck Leonhard Neustadt/Aisch

Burk Gisela Pfullendorf

Ecker Dieter Überlingen

Etzel Johannes Würzburg

Gauckler Stefan Mössingen-Belsen

Hermann Elke Kaufbeuren

Hofmann Norbert Osterholz

Huber Alfred Lenzburg

Kalms Uwe Feldafing

Dr. Kleindienst Walter Augsburg

Lohmann Hans Überlingen

Museumsverein Lindau

Pierro Peter-Michael Stuttgart

Regenscheit Bernhard Sipplingen

Dr. Schamböck Peter Mutschellen/Aargau

Schips Oswald Achstetten

Dr. Schleifer Michael Bad Waldsee-Reute

Dr. Schröter Horst Rödental

Speck Werner Aulfingen

Stenske Olaf Christian Börnsen/Hamburg

Verleihung der goldenen Ehrennadel anFrau Dr. Heinsius.

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An denVerein für Pfahlbau- und Heimatkunde e.V.Strandpromenade 688690 Unteruhldingen

Um den Ausbau des Freilichtmuseums zu fördern und um die weitere Erforschung der Vorgeschichte imBodenseeraum, insbesondere der Pfahlbauarchäologie, zu unterstützen, trete ich hiermit dem Verein fürPfahlbau- und Heimatkunde e.V. als Mitglied bei.

Ich verpflichte mich zur Zahlung des von der Mitgliederversammlung bestimmten Jahresbeitrages(1997: DM 25,–)

sowie einer jährlichen Spende von DM: .........................

Als Mitglied habe ich während der Besuchszeiten freien Zutritt zum Freilichtmuseum.Ich erhalte bestimmte Veröffentlichungen des Vereins kostenlos. Mit der Abbuchung des Mitgliedsbeitrages von meinem Konto bin ich einverstanden.

Vorname .................................................................................... Name ................................................................

Beruf ......................................................................................................................................................................

Anschrift ................................................................................................................................................................Postleitzahl/Wohnort Straße und Hausnummer

Mein Konto, von dem der Jahresbeitrag bis auf Widerruf abgebucht werden kann:

................................................................................................................................................................................Unterschrift/Datum

Beitrittserklärung

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.......................................................Konto-Nr.

.......................................................Kreditinstitut

.......................................................Bankleitzahl

Arbeiten, wie Museumsführer in Englisch undFranzösisch, eine Abhandlung zum „Vorgeschicht-lichen Aulendorfer Wagenrad“ oder „Die Altstein-zeit am Säntis“ entstanden in dieser Zeit.

Nachdem Professor Reinerth die Leitung der Pfahl-bauten im Jahre 1953 wieder übernommen hatte,verließ sie 1956 den Bodensee und war bis 1972maßgeblich in Frankfurt an der Entstehung einesmehrsprachigen geologischen Wörterbuches amInstitut für angewandte Geodäsie beteiligt und dortals wissenschaftliche Bibliothekarin tätig. Trotzdes Weggangs verlor sie den Kontakt zu ehemali-gen Mitarbeitern und nach Unteruhldingen nicht.Besonders für die Beschäftigten in den ersten zehnNachkriegsjahren war sie, wie auch für die Tübin-ger und Berliner Schüler Reinerths, stets eine hochgeachtete Persönlichkeit. Als Vorgeschichtlerinhatte sie sich trotz einer sehr schwierigen Positionin schwieriger Zeit immer für die Interessen derWissenschaft eingesetzt. Wie vielen Archäologin-nen, die in den 20er bis 40er Jahren in Tübingenund Berlin ausgebildet wurden, gelang ihr abernach dem Kriege nicht – im Gegensatz zu den mei-sten männlichen Kollegen – der Gang zurück insFach. Dennoch stand sie immer engagiert bereit,wenn es darum ging, Fortschritte des Faches Vor-und Frühgeschichte aber auch seine Irrwege odergar Fehlentwicklungen zu diskutieren. Aufgrundihrer Verdienste hat sie der Pfahlbauverein auf sei-ner Tagung am 2. September 1995 zum Ehrenmit-glied ernannt. Für die Pfahlbauarchäologie amBodensee bleibt das Andenken an eine stets enga-giert und immer mit großem Einsatz für das Fachund die Pfahlbauten von Unteruhldingen arbeiten-de Wissenschaftlerin unseres Jahrhunderts.

Dr. G. Schöbel

Zum Tod von Josef Brunner(1913 – 1998)

Das Freilichtmuseum Unteruhldingen verliert mitJosef Brunner einen handwerklich sehr geschicktenMitarbeiter und Organisator, der vor allem in den60er und 70er Jahren an moorgeologischen Unter-suchungen im Allgäu, in Oberösterreich und inOberschwaben die Arbeit des Forschungsinstitutestatkräftig unterstützte. Sein unermüdlicher Einsatzbei der Behebung von Sturm- und Hochwasser-schäden zwischen 1964 und 1965 bleibt ebenso inErinnerung wie seine Mitarbeit bei der Wiederin-standsetzung des bronzezeitlichen Dorfes nachdem Brand im Jahr 1976.

Der Pfahlbauverein und das Pfahlbaumuseum wer-den ihm stets ein ehrendes Angedenken erhalten.

Dr. G. Schöbel

Zum Tod von Resi Knoblauch(1908 – 1998)

Die Verstorbene kannte die Pfahlbauten vonJugend an. So war es für sie eine gern getane Auf-gabe, Museum und Freilichtanlage als Reinigungs-kraft in Ordnung zu halten. Besonders wichtig warihre Arbeit nach dem großen Brand im Jahre 1976,als sie mithalf, die Schäden zu beseitigen und dieInneneinrichtung der Häuser im bronzezeitlichenDorf wieder neu zu gestalten.

Wir sind ihr für ihre langjährige Mitarbeit seit 1968bis zum Ende der 80er Jahre im Freilichtmuseumsehr dankbar und bewahren ihr einen festen Platzin unserem Gedenken.

Dr. G. Schöbel

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Page 92: Plattform VII VIII · land berichtet. Ein Thema, das inzwischen auch ver-stärkt bei den vorgeschichtlichen Ufer- und Moor-siedlungen diskutiert wird. Eine gründliche Rückbe-trachtung

Impressum

Zeitschrift des Vereins für Pfahlbau und Heimatkunde e.V.

Unteruhldingen

Herausgeber: Dr. G. Schöbel

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

Strandpromenade 6

88690 Unteruhldingen

Tel: 0 75 56/85 43 · Fax: 0 75 56/58 86

eMail: [email protected]

Internet: www.pfahlbauten.de

Redaktion: Dr. G. Schöbel, P. Walter M.A., M. Baumhauer M.A.

Titelbild: Foto: D. Diestel, Überlingen

Layout, DTP: Symax GmbH . S. Brockschläger, Überlingen

Druck: Veit & Effler OHG, Überlingen

gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

© Unteruhldingen 1999

Die Rechtschreibreform kam in dieser Ausgabe noch nicht zur Anwendung.

Für den Inhalt der Einzelartikel sind die Verfasser verantwortlich.

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An den Tel. 0 75 56 / 85 43Verein für Pfahlbau- und Heimatkunde e.V. Fax 0 75 56 / 58 86Strandpromenade 6 eMail: [email protected] Unteruhldingen http: www.pfahlbauten.de

Hiermit bestelle ich folgende Publikationen des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen:

Führer durch das Museum...............Exemplare in deutscher Sprache

...............Exemplare in englischer Sprache

...............Exemplare in französischer SpracheSchriftenreihe des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen Band 1ISSN-Nr. 0946-0519, DM 7,–

...............Exemplare Lernort PfahlbautenSchriftenreihe des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen Band 2ISSN-Nr. 0946-0519, DM 19,90

PlattformZeitschrift des Vereins für Pfahlbau- und Heimatkunde e.V.ISSN-Nr. 0942-685X

...............Exemplare Plattform 1/1992: DM 12,–

...............Exemplare Plattform 2/1993: DM 15,–

...............Exemplare Plattform 3/1994: DM 15,–

...............Exemplare Plattform 4/1995: DM 15,–

...............Exemplare Plattform 5/6.1996/97: DM 20,–

...............Exemplare Plattform 7/8.1998/99: DM 20,–

Vorname .................................................................................... Name .................................................................

Anschrift ................................................................................................................................................................

Den Betrag zuzüglich DM 3,50 Versandkosten � lege ich als Scheck bei.

� habe ich auf das Konto des Pfahlbaumuseums Nr. 2017507 bei der Sparkasse Salem-Heiligenberg (BLZ 690 517 25) überwiesen.

................................................................................................................................................................................Unterschrift/Datum

Abbildungen: S. 147-178

S. 147: Pfahlbaumuseum, G. Schöbel, Amt für Archäologie Thurgau,

M. Lier.

S. 149–150: Abb. 1–4: Pfahlbaumuseum, P. Walter – Abb. 5-6: Pfahlbaumuse-

um, G. Schöbel – Abb. 7–8: Pfahlbaumuseum, P. Walter –

Abb. 9: Pfahlbaumuseum, G. Schöbel – Abb. 10: H. Dürr –

Abb. 11: E. Scheide – Abb. 12: F. Schultz-Friese, Überlingen.

S. 151: Meyersieck, Überlingen.

S. 152: F. Schultz-Friese, Überlingen.

S. 153: Pfahlbaumuseum, P. Walter.

S. 154-155: Abb. 1: F. Schultz-Friese, Überlingen – Abb. 2–-6: Pfahlbau -

museum, G. Schöbel.

Abb. 7: D. Diestel, Überlingen – Abb. 8–11: Pfahlbaumuseum, G. Schöbel.

S. 157: Abb. 1: Pfahlbaumuseum, P. Walter – Abb. 2–4: Pfahlbaumuseum,

G. Schöbel.

S. 158–161: Abb. 1–6, 8, 9, 11–13, 19, 20, 22: Pfahlbaumuseum, G. Schöbel –

Abb. 7, 14, 16, 17: Pfahlbaumuseum, P. Walter – Abb. 10, 15:

Pfahlbaumuseum – Abb. 18: F. Schultz-Friese, Überlingen –

Abb. 21: Museum Singen.

S. 165: Abb. 1–4: Pfahlbaumuseum, P. Walter – Abb. 5–6: Pfahlbau -

museum, G. Schöbel.

S. 166–167: Abb. 1: Pfahlbaumuseum – Abb. 2, 9, 10: Pfahlbaumuseum,

P. Walter – Abb. 3-8, 11, 12: Pfahlbaumuseum, G. Schöbel.

S. 168–175: Abb. 1–14, 16-20: Pfahlbaumuseum, G. Schöbel – Abb. 15, 22:

F. Schultz-Friese, Überlingen – Abb. 21: Verein für Pfahlbau und

Heimatkunde e. V., F. Förster.

S. 176: Pfahlbaumuseum, P. Walter.

S. 177: Broicher.

S. 178: Foto Brunner: Pfahlbaumuseum – Foto Knoblauch: E. Knoblauch,

Unteruhldingen.