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Pathologe 2012 · 33:217–227 DOI 10.1007/s00292-011-1556-6 Online publiziert: 1. Februar 2012 © Springer-Verlag 2012 T. Bajanowski 1  · K. Püschel 2  · R. Dettmeyer 3 1  Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Essen 2  Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 3  Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Gießen Plötzlicher Herztod Ausgewählte rechtsmedizinische Aspekte Plötzliche und unerwartete Todes- fälle stellen in der Rechtsmedizin die wichtigste und häufigste Differen- zialdiagnose zum Tod aus nichtnatür- licher Ursache dar. Deshalb machen diese Todesfälle einen nicht unerheb- lichen Teil des rechtsmedizinischen Sektionsgutes in der Bundesrepublik aus [1]. Jährlich sterben in Europa etwa 350.000 Menschen plötzlich und unerwartet. Damit sind diese To- desfälle ähnlich häufig wie Krebstote durch Mammakarzinome, Lungen- karzinome und kolorektale Karzino- me [2]. Die Mehrzahl der plötzlichen Todesfälle ist auf kardiale Alteratio- nen zurückzuführen und ist unter der Bezeichnung „plötzlicher Herztod“ bekannt. In der International Clas- sification of Diseases (ICD 10) kann der plötzliche Herztod mit der Code- Nummer I 46.1 verschlüsselt werden, während für andere plötzliche und unerwartete Todesfälle die Schlüssel- nummern R 96, R 98 und R 99 verwen- det werden. Definitionen Sowohl der Begriff des plötzlichen als auch der des unerwarteten Todes bedarf einer kritischen Betrachtung. Beide Be- griffe beinhalten eine zeitliche sowie eine pathogenetische Dimension. Unerwartet kann dahingehend inter- pretiert werden, dass der Tod aus schein- barer Gesundheit heraus oder nach nur banalen, kurzfristig aufgetretenen Krank- heitserscheinungen eintrat. Dabei spielt natürlich das Wissen um den Gesund- heitszustand der verstorbenen Person eine wesentliche Rolle. Häufig sind An- gehörige nicht oder nur eingeschränkt über vorbestehende Erkrankungen in- formiert. Auch Hausärzte verfügen nicht immer über umfassende Erkenntnisse zum Gesundheitszustand ihrer Patien- ten. So werden von Ärzten auch gegen- über Ermittlungsorganen immer wieder Aussagen getroffen wie „Der verstorbene 85-jährige Patient war kerngesund“, wobei häufig auch gravierende Durchblutungs- störungen auf der Basis einer hochgra- digen allgemeinen Arteriosklerose nicht gewürdigt werden. Unter Umständen liegt auch eine eindeutige ärztliche Fehl- diagnose vor, da relevante kardiale Symp- tome fehlinterpretiert werden [3]. Die Bewertung eines Todes als plötzlich weist nicht selten erhebliche subjektive Abb. 18 Hochgradig stenosierende fibromuskuläre Dysplasie der AV-Kno- tenarterie mit breiter bindegewebiger Verdickung der Gefäßwand und par- tieller Destruktion der Lamina elastica interna ohne inflammatorische Kom- ponente (EvG-Färbung, Vergr. 40:1) Abb. 28 Diffus im Myokard anzutreffende Kongorot-positive Amyloid- schollen mit umgebender gering lymphomonozytär durchsetzter Fibrose  (Kongorot-Färbung, Vergr. 200:1) Schwerpunktherausgeber J. Wohlschläger, Essen H. Baba, Essen 217 Der Pathologe 3 · 2012| Schwerpunkt: Herz-Kreislauf-Pathologie

Plötzlicher Herztod : Ausgewählte rechtsmedizinische Aspekte

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Page 1: Plötzlicher Herztod : Ausgewählte rechtsmedizinische Aspekte

Pathologe 2012 · 33:217–227DOI 10.1007/s00292-011-1556-6Online publiziert: 1. Februar 2012© Springer-Verlag 2012

T. Bajanowski1 · K. Püschel2 · R. Dettmeyer3

1 Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Essen2 Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf3 Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Gießen

Plötzlicher HerztodAusgewählte rechtsmedizinische Aspekte

Plötzliche und unerwartete Todes-fälle stellen in der Rechtsmedizin die wichtigste und häufigste Differen-zialdiagnose zum Tod aus nichtnatür-licher Ursache dar. Deshalb machen diese Todesfälle einen nicht unerheb-lichen Teil des rechtsmedizinischen Sektionsgutes in der Bundesrepublik aus [1]. Jährlich sterben in Europa etwa 350.000 Menschen plötzlich und unerwartet. Damit sind diese To-desfälle ähnlich häufig wie Krebstote durch Mammakarzinome, Lungen-karzinome und kolorektale Karzino-me [2]. Die Mehrzahl der plötzlichen Todesfälle ist auf kardiale Alteratio-nen zurückzuführen und ist unter der Bezeichnung „plötzlicher Herztod“ bekannt. In der International Clas-sification of Diseases (ICD 10) kann

der plötzliche Herztod mit der Code-Nummer I 46.1 verschlüsselt werden, während für andere plötzliche und unerwartete Todesfälle die Schlüssel-nummern R 96, R 98 und R 99 verwen-det werden.

Definitionen

Sowohl der Begriff des plötzlichen als auch der des unerwarteten Todes bedarf einer kritischen Betrachtung. Beide Be-griffe beinhalten eine zeitliche sowie eine pathogenetische Dimension.

Unerwartet kann dahingehend inter-pretiert werden, dass der Tod aus schein-barer Gesundheit heraus oder nach nur banalen, kurzfristig aufgetretenen Krank-heitserscheinungen eintrat. Dabei spielt natürlich das Wissen um den Gesund-

heitszustand der verstorbenen Person eine wesentliche Rolle. Häufig sind An-gehörige nicht oder nur eingeschränkt über vorbestehende Erkrankungen in-formiert. Auch Hausärzte verfügen nicht immer über umfassende Erkenntnisse zum Gesundheitszustand ihrer Patien-ten. So werden von Ärzten auch gegen-über Ermittlungsorganen immer wieder Aussagen getroffen wie „Der verstorbene 85-jährige Patient war kerngesund“, wobei häufig auch gravierende Durchblutungs-störungen auf der Basis einer hochgra-digen allgemeinen Arteriosklerose nicht gewürdigt werden. Unter Umständen liegt auch eine eindeutige ärztliche Fehl-diagnose vor, da relevante kardiale Symp-tome fehlinterpretiert werden [3].

Die Bewertung eines Todes als plötzlich weist nicht selten erhebliche subjektive

Abb. 1 8 Hochgradig stenosierende fibromuskuläre Dysplasie der AV-Kno-tenarterie mit breiter bindegewebiger Verdickung der Gefäßwand und par-tieller Destruktion der Lamina elastica interna ohne inflammatorische Kom-ponente (EvG-Färbung, Vergr. 40:1)

Abb. 2 8 Diffus im Myokard anzutreffende Kongorot-positive Amyloid-schollen mit umgebender gering lymphomonozytär durchsetzter Fibrose (Kongorot-Färbung, Vergr. 200:1)

SchwerpunktherausgeberJ. Wohlschläger, EssenH. Baba, Essen

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Schwerpunkt: Herz-Kreislauf-Pathologie

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Komponenten auf. Eine genaue zeitliche Abgrenzung für diesen Begriff existiert nicht. Die äußeren Umstände des Sterbe-prozesses, die Auffindesituation und wie-der der verfügbare Informationsstand be-einflussen eine solche Bewertung.

In Bezug auf den plötzlichen Herz-tod kann die Sterbedauer (wenn bekannt) als Kriterium herangezogen werden.

Berücksichtigt wird der Zeitraum vom Beginn der ersten kardialen Symptome bis hin zum klinisch festgestellten Todes-eintritt. Nach Hering [4] soll die Sterbe-dauer beim plötzlichen Herztod wenige Sekunden, nach einem älteren Vorschlag der WHO eine Stunde [5], nach einer De-finition von Doerr [6] bis zu 24 h betra-gen dürfen. Da sich viele der plötzlichen Herztodesfälle außerhalb von Kranken-häusern und unbeobachtet durch Zeugen ereignen, ist der Begriff des plötzlichen Todes durchaus problematisch in seiner Anwendung. Häufig sind weder zuverläs-sige Informationen über den Beginn einer

Symptomatik noch über den Todeszeit-punkt zu erhalten.

Ätiologie

Bezüglich der Ätiologie des plötzlichen Herztodes empfiehlt es sich, verschiede-ne Lebensaltersabschnitte differenziert zu betrachten. Im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter stellt der plötzliche Herz-tod ein sehr seltenes Ereignis dar, führt typischerweise aber innerhalb von eini-gen Minuten zum Tod [7]. Für die USA finden sich Häufigkeiten für den kindli-chen plötzlichen Herztod zwischen 0,6 bis

Tab. 2  Häufigkeit bestimmter Ursachen des plötzlichen Herztodes bei jüngeren  Erwachsenen. (Nach [54])

Ursachen des plötzlichen Herz-todes

Häufig-keit (%)

Koronare Herzkrankheit (KHK) 30

Myokarditis, Endokarditis 25

Kardiomyopathie 20

Herzklappenfehler 10

Vitien, kardiovaskuläre Anomalien 5

Erkrankungen des Reizleitungs-systems

5

Tumoren (v. a. Myxome, Rhabdo-myosarkome)

1

Aortenerkrankungen (-ruptur) 4

Tab. 3  Zeitlicher Verlauf histologischer Veränderungen in der Infarktzone innerhalb der ersten 24 Stunden. (Mod. nach [1])

Zeit Mikroskopische Befunde

Ab 15 min Zunehmender Abstand der Querstreifung in der Infarktzone

Bis 30 min Schwellung der Mitochondrien und Auflösung der Christae

30–60 min Ödem der Myozyten, Verlust an Glykogen, Kontraktionsbandnekrosen, verminderte Anfärbbarkeit von Myoglobin (IHC), erster Fibrinogennachweis

2–3 h Erste hyalinisierte Myozyten in der Peripherie der Infarktzone, Lie-Färbung: dunkelrote ischämische Myozyten, positive grüne Fluoreszenz des geschädigten Myokards bei Fluorochromierung mittels Akridin-Orange

3–4 h Erste agglutinierte Sarkolemmschläuche, diskrete fettige Degeneration der Myozyten, möglicher Beginn der hämorrhagischen Demarkation

4–5 h IHC: Nachweis von Fibronektin, C5b-9, Fibrinogen; Depletion von Desmin und Myoglobin

4–7 h Nekrose in der Infarktzone, erste periphere Leukozytenreaktion, Eosinophilie der Myo-zyten, Schrumpfen der Myozyten, Verlust der Kernfärbbarkeit

9 h Deutliche Nekrose der Infarktzone, starke Leukozytenreaktion – auch in der Infarkt-zone, Kernfärbung nicht mehr möglich

18–24 h Ausgedehnte Nekrosezone, erhebliche LeukozteninfiltrationICH Immunhistochemie.

Tab. 4  Zeitlicher Verlauf der Thrombusalterung. (Mod. nach [16])

Phase I – 2. Tag(1. bis 3. Tag)

Zwischen Gefäßendothel und Thrombus fehlt jede Reaktion. Leukozyten und Fibrinstreifen mit Thrombozyten unverändert. Erythrozyten meist zen-tral dicht gepackt, peripher lockerer

Phase II – 5. Tag(3. bis 8. Tag)

Erste Endothelsprossen. Freie Thrombusoberfläche kann Endothel aufwei-sen. Beginnende Hyalinisierung, meist zentral. Eingeschlossene Leukozyten pyknotisch. Monozytenkerne vergrößert und aufgehellt. Durch Schrump-fung des Thrombus können Spalten und „sinuöse“ Hohlräume entstehen, darin locker zusammengeballte Erythrozyten

Phase III – 10. Tag(4. bis 20. Tag)

Erste Kapillaren, Fibroblasten, Mesenchymzellen, hämosiderinspeichernde Histiozyten, Endothel unter Thrombus – hyalinisierter Thrombus in größere Schollen aufgeteilt. Vereinzelt Kerntrümmer von Leukozyten. Noch deut-liche Myozytenschwellung

Phase IV – 3. bis 4. Woche(8 Tage bis 2 Monate)

Beginn der Fibroplasie (argyrophile und kollagene Fasern). Zahlreiche Kapillaren. Schattenartige Kerntrümmer von Leukozyten im hyalinisierten Thrombus. Nach dem 8. bis 17. Tag keine Monozytenschwellung mehr

Phase V – 6. Monat(2. bis 8. Monat)

Neben wenigen Zellelementen vereinzelte Kapillaren, argyrophile und kol-lagene sowie elastische Fasern. Thrombus vollständig hyalinisiert, darin evtl. Cholesterinkristalle. Selten Gefäßeinsprossung aus Adventitia. Zentral evtl. von Blut durchflossene sinuöse Räume, evtl. noch Thrombusreste

Phase VI – >6 bis 12 Monate

Vollkommen rekanalisiert durch größere Gefäße, dazwischen straffes faser-reiches und zellarmes Bindegewebe. Thrombusreste fehlen

Tab. 1  Ursachen des plötzlichen Herz-todes in allen Altersgruppen

Koronare  Ursachen

Nichtkoronare  Ursachen

Arteriosklerose –  Koronare Herz-

krankheit (KHK) – Myokardinfarkt

Herzklappenerkran-kungen

Kardiomyopathien – hypertrophe – dilatative –  arrhythmogene 

rechtsventrikuläre – „noncompaction“ – alkoholische

Dissektion

Embolie

Fehlbildungen der Koronararterien

Muskelbrücken

Koronaraneurys-men

Karditiden – viral – bakteriell – Sonstige

Arteriitis

Fibromuskuläre Dysplasie (FMD)

  Hypertone Herzkrankheit

  Vitien

  Anomalien des Erre-gungsbildungs- und Reizleitungssystems

  Genetisch bedingte Herzrhythmusstörun-gen [34–37]

  Tumoren

  Sonstige seltene Ursa-chen, z. B. Myokardbetei-ligung bei Amyloidose

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Schwerpunkt: Herz-Kreislauf-Pathologie

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6,2 Fälle pro 100.000 Patienten [8]. Etwa 25% dieser Fälle ereignen sich während körperlicher Aktivitäten, z. B. während des Sports [9]. Häufigste Ursachen sind Fehlbildungen des Herzens und der gro-ßen Gefäße oder genetisch bedingte Herz-rhythmusstörungen.

Bei jüngeren und mittelalten Erwach-senen treten dagegen häufiger Myokardi-tiden, Kardiomyopathien und Herzrhyth-musstörungen (beispielsweise auch im Zusammenhang mit einem Mitralklap-penprolapssyndrom) als Todesursache auf [10]. Bei älteren Menschen überwie-gen Durchblutungsstörungen des Myo-kards bis hin zum akuten Myokardinfarkt.

Nach wie vor gilt der plötzliche Herz-tod als eine häufige und nicht selten auch die erste Manifestation der koronaren Herzkrankheit (KHK; [11]). Da ein plötzli-cher und unerwarteter Tod gerade jünge-rer Menschen häufig Anlass einer rechts-medizinischen Obduktion ist, finden sich im rechtsmedizinischen Obduktionsgut gelegentlich auch sehr seltene Erkran-kungen als Ursache des plötzlichen Herz-todes. Dazu zählen z. B. unerkannte Klap-penvitien, vor allem Aortenklappenste-nosen, die ein höheres Risiko für einen plötzlichen Herztod bedeuten, weiterhin Vaskulitiden unter Beteiligung der Ko-ronararterien oder eine hochgradig ste-nosierende fibromuskuläre Dysplasie der AV-Knotenarterie (. Abb. 1; [12]).

Extrem selten sind akute kardiale To-desfälle bei zuvor unbekannter Amyloi-dose vom kardiovaskulären Typ mit zahl-reichen Amyloidschollen im Myokard (. Abb. 2).

Altersunabhängig lassen sich somit zwei wesentliche Gruppen von Ursachen des plötzlichen Herztodes gegenüber-stellen: koronar bedingte Todesfälle und nichtkoronare Ursachen des plötzlichen Herztodes (. Tab. 1, 2).

Unter morphologischen Aspekten muss zwischen funktionell bedingten To-desfällen ohne augenscheinliches mor-phologisches Korrelat und solchen mit eindeutigem und dann oft auch typischem morphologischem Korrelat differenziert werden. Diagnostische Schwierigkeiten bestehen vor allem bei Fällen der ersten Gruppe und bei gering oder untypisch ausgeprägten morphologischen Verände-rungen für Fälle der zweiten Gruppe.

Koronare Ursachen

Die von Baroldi u. Fineschi [13] definier-ten Kriterien für die postmortale Diagno-se der KHK und des plötzlichen Koronar-todes erscheinen uns unter pragmatischen Aspekten besonders geeignet:1. Eine Koronarsklerose beliebiger In-

tensität (auch mit Stenosen) jedoch ohne Plaquekomplikationen und mit normalem Myokard erlaubt die Dia-gnose einer KHK oder eines plötzli-chen Herztodes nicht.

2. Einfache Plaques in Kombination mit ausgedehnter Myokardfibrose, je-doch ohne akute Myolysen und klini-sche Symptome rechtfertigen die Dia-gnose chronische, aber inaktive KHK. Eine Ursache des plötzlichen Todes ist diese Form nicht.

3. Der Nachweis von koronaren Plaques und Kontraktionsbandnekrosen unterschiedlichen Alters in mehr als 9±6 Herden und 102±143 nekroti-schen Myozyten pro 100 mm2 spre-chen für einen akuten Koronartod.

4. Komplizierte Plaques bei normalem Myokard oder in Kombination mit Myokardfibrose sind vereinbar mit einer KHK oder einem wahrscheinli-chen plötzlichen Herztod.

5. Intimablutungen allein oder in Kom-bination mit einem wandständigen und/oder obliterierenden Throm-bus in einer Arterie mit oder ohne Fibrose im abhängigen Myokard ma-chen einen frischen Myokardinfarkt (<1 Stunde) wahrscheinlich; in Kom-bination mit Kontraktionsbandnekro-sen können der akute Myokardinfarkt und der plötzliche Herztod als gesi-chert betrachtet werden.

6. Der Nachweis einer frischen demar-kierten Infarktzone mit oder ohne ausgeprägte Plaques rechtfertigt die Diagnose plötzlicher Tod bei Myo-kardinfarkt.

Der Begriff des komplizierten oder akti-ven Plaques wird dabei als Plaque mit In-timablutung oder Thrombose oder mit Plaqueruptur definiert.

Vorsicht ist in Bezug auf die Bewer-tung von Kontraktionsbanden geboten, wenn Reanimationsmaßnahmen erfolg-ten und Katecholamine gegeben wur-

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den [14]. Für den Fall, dass eine Koronar-thrombose vorliegen sollte, kann das Alter des Thrombus Aufschluss über den Zeit-raum der bestehenden Durchblutungsstö-rung geben.

Akuter Myokardinfarkt

Zum Tod durch akuten Myokardinfarkt (AMI) existiert eine umfangreiche Litera-tur, die hier nicht annähernd wiedergege-ben werden kann.

Pathophysiologische Basis des AMI ist in nahezu allen Fällen die Koronarsklero-se, die entweder direkt zur hochgradigen Koronarstenose oder auf der Basis eines exulzerierten Plaques mit sekundärer

Thrombose zum Koronarverschluss füh-ren kann. Fehlen ausreichende Kollatera-len, resultiert eine Minderperfusion mit Sauerstoffmangel, gefolgt von Hypokine-se des Myokards und schließlich Nekrose im abhängigen Stromgebiet.

In etwa 35–85% der Fälle von AMI können Koronarthrombosen nachge-wiesen werden, die überwiegend nach Plaqueruptur entstanden sind [15]. Häu-fige Komplikationen des AMI sind Rhyth-musstörungen, kardiogener Schock, fibrinöse Epi- und Perikarditis, Ventrikel-ruptur, Aneurysmabildung, Papillarmus-kelfunktionsstörungen, endokardiale Thrombenbildung und plötzlicher Tod.

Die Klinik kann, muss aber nicht unbe-dingt typisch sein [10].

Neben der kardialen Morphologie, die eine vergleichsweise typische zeitabhän-gige Metamorphose aufweist (. Tab. 3), kann auch die histologische Untersu-chung eventuell vorhandener Thromben zur Altersbestimmung des Infarkts bei-tragen.

Altersbestimmung von Thromben

Unabhängig von den Ursachen der Thrombusentstehung reagiert der Orga-nismus auf einen Thrombus mit Wund-heilungsvorgängen, die vermutlich durch Degradation der Protein- und Eiweiß-

Tab. 5  Ätiologie der Myokarditis

Ätiologie Auslösende Ursache

Infektion BakterienViren (v. a. kardiotrope Viren)PilzeProtozoen

Allergie (Auto-)ImmunreaktionenEosinophile MyokarditisRheumatische Myokarditis

Pharmako-toxisch

ArzneimittelDrogen

Systemische Erkrankungen

Zum Beispiel Lupus erythe-matodes

Physikalisch Zustand nach Strahlen-therapie

Seltene For-men

Zum Beispiel Riesenzellmyo-karditis, kardiale Sarkoidose, tuberkulöse Myokarditis, rheumatoide Myokarditis

Tab. 6  Empfohlene Untersuchungsmethoden zur Myokarditisdiagnostik. (Mod. nach [1])

Diagnostische Methode

Details

Fixierung Gepuffertes 4%iges Formalin (pH-Wert 7,0), maximal 24–48 Stunden

Histologie  – Routine: HE-Färbung repräsentativer Proben aller wichtiger Organe –  Herz: zunächst mindestens 8 Proben verschiedener Lokalisationen; Färbungen: 

HE, Mallory, LFB, EvG

Immunhisto-chemie

 –  Charakterisierung und Quantifizierung interstitieller Leukozyten (Granulozyten, T-Lymphozyten, Makrophagen): z. B. LCA, CD45R0, CD68, CD3; Ermittlung der Zellzahl pro Gesichtsfeld (Vergr. 400:1) oder mm2 in bis zu 20 Gesichtsfeldern und Bestimmung des Mittelwertes

 –  Nachweis proinflammatorischer Proteine und Moleküle (semiquantitativ): z. B. MHC-Klasse I und II, Selektin, Zytokine, Nekrosemarker wie Fibronektin, C5b-9, ICAM-1

Molekular-genetische Diagnostik

PCR und rt-PCR zum Nachweis von viraler DNA/RNA: Enteroviren, Coxsackie- Viren, Adenoviren, Epstein-Barr-Virus, Parvovirus B19, Herpes-simplex-Virus Typ 6, Zytomegalievirus;Gewebeproben mit zellulärer Infiltration sollten bevorzugt untersucht werden

Tab. 7  Zur Diagnosesicherheit der Todesursache bei plötzlichem Herztod. (Nach [27])

Sicher Sehr wahrscheinlich Zweifelhaft

Massive Lungenembolie Stabile Plaque mit  >75% Stenose ohne Infarktnarbe Kleinere Koronararterienanomalien

Hämoperikard bei Aorten- oder Ventrikel ruptur

Abgang der linken Koronararterie aus dem rechten Sinus Verlauf von Koronararterien unter Muskelbrücken

Abriss eines Papillarmuskels oder Seh-nenruptur mit Mitralklappeninsuffizienz und Lungenödem

Kardiomyopathie (hypertroph, dilatativ, ARVCM) Herdförmige Myokarditis, hypertone Herzkrank-heit, idiopathische linksventrikuläre Hypertrophie

Akuter Koronarverschluss durch Throm-bus, Dissektion oder Embolie

Myxoide Degeneration der Mitralklappe mit Prolaps, Vorhofdilatation und Ventrikelhypertrophie

Myxoide Mitralklappendegeneration mit Prolaps, aber ohne Vorhofdilatation

Abgang einer Koronararterie aus dem Truncus pulmonalis

EKG-dokumentierte Erregungsstörung (Wolff-Parkinson-White-Syndrom, Lown-Ganong-Levine-Syndrom)

Kalzifikation des membranösen Septums, Vorhof-septumlipom

Verschluss einer Klappe durch Thrombus oder Tumor

EKG-dokumentierter SA- oder AV-Block AV-Knoten-Tumor ohne EKG-Veränderungen, Anomalie des Reizleitungssystems ohne EKG-Ver-änderungen

Thrombotischer Block oder Aus-/Abriss einer Klappenprothese mit Insuffizienz

Angeborenes Vitium cordis (Zustand nach Operation) Vitien – nicht operiert, mit und ohne Eisenmen-ger-Syndrom

Massive akute Myokarditis    ARVCM arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie.

220 |  Der Pathologe 3 · 2012

Schwerpunkt: Herz-Kreislauf-Pathologie

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strukturen der im Gerinnsel enthaltenen zellulären und fibrinhaltigen Komponen-ten (Koagulationsnekrose) ausgelöst wer-den.

Bereits am ersten Tag beginnt die En-dothelialisierung der Thrombusoberflä-che, nach 3 Tagen sind Fibrin und Ery-throzyten vollständig homogenisiert (. Tab. 4). Die eigentliche Organisation beginnt mit der Einsprossung von Kapil-laren und der Bildung von Granulations-gewebe mit Myofibroblasten und Histio-zyten. Die einsprossenden Kapillaren ge-winnen Anschluss an das Gefäßsystem und unterstützen die Rekanalisation des thrombotisch verschlossenen Gefäßes. Thrombusanteile, die nicht rekanalisiert werden können, werden bindegewebig oder myxoid umgewandelt. Das Resultat ist eine Intimasklerose des Gefäßes oder ein subtotaler bzw. totaler narbiger Gefäß-verschluss.

Die perifokale Entzündungsreaktion – mit oder ohne bakterielle Besiedlung – führt zu einer sekundären Auflockerung des Thrombus. Insbesondere eingewan-derte Granulozyten setzen Proteasen frei, die die Lysereaktion einleiten.

Janssen [17] empfiehlt für die histolo-gische Altersbestimmung von Thromben mindestens 3 bis 6 Gefäßquerschnitte einschließlich Gefäßwand jeweils mittels verschiedener Färbungen (HE, van Gie-son, Eisen) zu untersuchen. Bei Embo-lien sollte mittels Längsschnitt auch der rote Schwanzthrombus getroffen werden. Für die Frage nach dem Mindest- oder Höchstalter einer Thrombose können nur 3 Stadien (1. bis 7. Tag, 5. Tag bis 8. Woche, älter als 2 Monate) mit der in foro erfor-derlichen Sicherheit differenziert werden.

In jüngerer Zeit wurde versucht, mit-tels Immunhistochemie zur Throm-busaltersbestimmung beizutragen. Dabei erwiesen sich die Antikörper „ matrix metalloproteinase-2“ (MMP-2), „ matrix metalloproteinase-9“ (MMP-9), „ urokinase-type plasminogen activator“ (uPA), „tissue-type plasminogen activa-tor“ (tPA) und „plasminogen-activator inhibitor type-1“ (PAI-1) als vielverspre-chend [18].

Myokarditis

Während die Myokarditisdiagnostik beim lebenden Patienten biopsiegestützt erfolgt und auf den Dallas-Kriterien [19] basiert, steht beim plötzlichen Herztod das gesam-te Herz zur Diagnostik zur Verfügung. So-mit können großzügig alle wesentlichen Regionen des linken und rechten Ventri-kels, des Septum interventriculare und der Herzvorhöfe in die histologische Untersu-chung einbezogen werden.Das Ziel der Diagnostik ist es, neben dem Nachweis des entzündlichen Infiltrats und dem von Myozytolysen auch Aus-sagen zur Ätiologie der Myokarditis tref-fen zu können. Deshalb sind bakteriolo-gische und virologische Untersuchun-gen ebenso erforderlich wie der Nachweis eventuell vorhandener Immunkomplexe (. Tab. 5).

Während virale Myokarditiden als Todesursache dominieren und bakterielle Myokarditiden gerade auch im Rahmen einer Sepsis vorkommen, sind pilz be-dingte Myokarditiden selten anzutreffen (. Abb. 3). Gelegentlich wird von einer kardialen Sarkoidose (. Abb. 4) berich-tet [20], eine tuberkulöse und eine rheu-matoide Myokarditis finden sich als To-desursache extrem selten. Als Erreger einer viralen Myokarditis kommen, auch im Kindesalter, zahlreiche Viren in Be-tracht. Insbesondere Enteroviren, speziell Coxsackie-Viren der Gruppe B, gelten als besonders kardiotrop [21]. Eine Empfeh-lung bezüglich des diagnostischen Vorge-hens bei Verdacht auf akute Myokarditis findet sich in . Tab. 6.

Bezüglich der Qualifizierung und Quantifizierung der Entzündungszel-len gelten als Mittelwerte > 2,0 T-Lym-phozyten (CD3, CD45R0) pro Gesichts-feld (Vergr. 400:1) oder >7,0 Zellen pro mm2 als pathologisch, ebenso >14 T-Lymphozyten und Makrophagen (CD68) pro Gesichtsfeld – jeweils nach Auszäh-lung von 20 Gesichtsfeldern und Mittel-wertbildung. Hinzu kommt der Nach-weis pro inflammatorischer Marker wie MHC-Klasse-I- oder -II-Moleküle und von Adhäsionsmolekülen (CD18, CD 54, VLA-4) auf Zellen sowie dem vaskulä-ren Endothel [22]. Wenn die genannten Zellzahlen überschritten werden, gilt die

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Diagnose „Myokarditis“ zumindest als höchst wahrscheinlich.

Wenn mikroskopisch lediglich verein-zelt herdförmige entzündliche Infiltrate ohne Myozytolysen vorkommen, ist bei der Diagnose einer Myokarditis Zurück-haltung geboten. In diesen Fällen ist eine deutliche Erhöhung der Zahl der Proben und Schnitte zu empfehlen. Sollten dann immer wieder mikroskopisch kleine Myo-kardinfiltrate anzutreffen sein, kann dies die Diagnose einer Myokarditis rechtfer-tigen.

Selbst bei wenigen fokalen Entzün-dungsinfiltraten wird die Diagnose einer viralen Myokarditis gestellt, wenn zusätz-lich der molekularpathologische Nach-weis von (kardiotropen) Viren gelingt. Im Fall einer diffusen Myokarditis mit ausge-dehnten Myozytolysen kann der Tod auf der Basis einer akuten Herzinsuffizienz bei erheblichem interstitiellem Ödem oder einer Schädigung adrenerger Ner-ven mit nachfolgender ventrikulärer Fi-brillation eintreten [23].

Bei Ausschluss einer anderen Todes-ursache wird auch bei nur geringer zellulärer Infiltration des Myokards, je-doch nachgewiesenem viralem Genom, ein rhythmogener Todeseintritt über eine Affektion des kardialen Reizleitungssys-tems angenommen [24].

Muss die zelluläre Infiltration ohne oder mit nur ganz vereinzelten Myozyto-lysen (Eosinophilie, Kontraktionsbandne-krosen, Einzelzellnekrosen mit Verlust der Querstreifung und scholligem Zerfall des

Zyto plasmas, einzelne leere Sarkolemm-schläuche) als grenzwertig beurteilt wer-den, so wäre als Diagnose der etwas un-glückliche Terminus „Borderline-Myo-karditis“ möglich. Ein solcher Befund bedürfte bei einem Patienten der Verlaufs-kontrolle, was bei einer autoptischen Pro-benahme naturgemäß nicht möglich ist. Es kann sich dann sowohl um die Frühphase einer Myokarditis, aber auch um eine ab-klingende Myokarditis („healing myocar-ditis“) handeln.

Differenzialdiagnostisch wäre an eine inflammatorische Kardiomyopathie (DCMi) zu denken.

Genetische Ursachen

Wenn die Obduktion einschließlich nach-folgender Untersuchungen wie Histolo-gie, Toxikologie und postmortale Bioche-mie nicht zur Klärung der Todesursache führt, muss an eine genetische Ursache des plötzlichen Todes, insbesondere des plötzlichen Herztodes gedacht werden.

Madea et al. [25] schlussfolgern auf der Basis einer Literaturanalyse, dass bis zu 30% der Todesfälle von Kindern und jun-gen Erwachsenen kein morphologisches Korrelat für die Todesursache erkennen lassen und für einen großen Teil der Fäl-le genetische Ursachen den Tod bedingen.

In Bezug auf den plötzlichen Herztod sind hier insbesondere zu nennen:F  Kardiomyopathien:1 hypertrophe Kardiomyopathie

(HCM),

1 arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVCM),

F   Ionenkanalstörungen:1 Long-QT-Syndrom (LQTS),1 Brugada-Syndrom (BrS),1 katecholaminerge polymorphe ven-

trikuläre Tachykardie (CPVT),1 Short-QT-Syndrom (SQTS).

Ohne auf die Krankheitsbilder und den genetischen Hintergrund im Detail ein-gehen zu wollen, ist die Frage zu klären, welche funktionelle Störung mit einer nachgewiesenen Mutation verbunden ist und ob diese Störung grundsätzlich geeig-net ist, nachhaltige Auswirkungen bis hin zum Todeseintritt zu entwickeln, also als todesursächlich betrachtet werden darf. Um diese Frage zu beantworten, können im Einzelfall aufwendige elektrophysiolo-gische Untersuchungen auf zellulärer Ebe-ne notwendig werden. Selbst danach sollte eine Mutation nur als todesursächlich be-wertet werden, wenn alle anderen mögli-chen Todesursachen ausgeschlossen sind.

Schließlich empfiehlt es sich, die Um-stände des Todes zu berücksichtigen: Stirbt ein Mensch, für den eine Mutation im SCN5 A-Gen nachgewiesen wurde, die bekanntermaßen mit LQTS 3 assozi-iert ist, während körperlicher Aktivität, ist ein Einfluss der Mutation im Sinne eines prädisponierenden Faktors weniger wahr-scheinlich, da Todesfälle bei LQTS 3 vor allem während Phasen körperlicher Inak-tivität auftreten.

Abb. 3 8 Fokale Infiltration des Myokards mit Pilzfäden und  Pilzkonidien bei Pilzmyokarditis mit myokardialen Nekrosen und begleitender teils  lymphomonozytärer, teils auch granulozytärer Infiltration (Grocott-Färbung, Vergr. 200:1)

Abb. 4 8 Fokale und gut demarkierte granulomatöse Infiltration des Myo-kards mit mehrkernigen Riesenzellen, dichter Fibrose und begleitender lymphomonozytärer Infiltration ohne Nekrosezonen (HE-Färbung, Vergr. 100:1)

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Schwerpunkt: Herz-Kreislauf-Pathologie

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Bei Verdacht auf das Vorliegen einer entsprechenden Erkrankung kommt dem molekulargenetischen Nachweis der zu-grundeliegenden Mutation große Bedeu-tung zu. Dies gestaltete sich in der Ver-gangenheit jedoch häufig schwierig, da die Anzahl bekannter Mutationen stän-dig wächst und mittlerweile einige Hun-dert erreicht hat und die Untersuchungen aufwendig und teuer waren sowie viel Zeit und Geld erforderten. In jüngster Zeit hat jedoch die molekulare Pathologie auch in der Rechtsmedizin zunehmend Fuß ge-fasst, so dass optimierte und automati-sierte Untersuchungsmethoden zur Ver-fügung stehen [15, 26]. Letztlich ist es als durchaus probat zu betrachten, eine sol-che Diagnose zur Todesursache mit einer mehr oder weniger großen Wahrschein-lichkeit zu belegen (. Tab. 7; [27]).

Plötzlicher Herztod bei Sportlern

Obwohl positive Effekte einer regelmäßi-gen sportlichen Betätigung unbestritten sind, kommen immer wieder auch plötz-liche Todesfälle beim Sport vor. Die Inzi-denz des plötzlichen Todes bei Personen, die jünger als 35 Jahre sind, wird auf 1,5 bis 6,5 je 100.000 Personen und Jahr geschätzt [28]. Für den plötzlichen Herztod bei jun-gen Sportlern finden sich in verschiede-nen Populationen auch unterschiedliche Inzidenzen: US-High-School-Sportler im Alter zwischen 12 und 24 Jahren weisen eine Inzidenz des plötzlichen Herztods von 0,5/100.000 Personen auf [29], wäh-rend die Inzidenz für italienische Sport-ler (14 bis 35 Jahre) mit 3,6/100.000 ermit-telt wurde [30]. Damit ist die Inzidenz des plötzlichen Herztodes bei jungen Sport-lern größer als bei jungen Nicht-Sport-lern. Das relative Risiko für junge Sportler im Vergleich zu Nichtsportlern wurde mit einer OR (Odds Ratio) von 2,8 kalkuliert [31]. Die sportliche Betätigung selbst gilt dabei allerdings nicht als Risiko, wohl aber die Kombination aus einer intensi-ven körperlichen Belastung und einer vor-bestehenden (möglicherweise unbekann-ten) Herzerkrankung.

Werden verschiedene Sportarten dif-ferenziert betrachtet, ergibt sich für Bas-ketball und Fußball ein besonders hohes Risiko [32]. Auch existieren deutliche Ge-schlechtsunterschiede mit einem mehr

als doppelt so hohen Risiko für Männer (männlich: 2,62, weiblich: 1,07/100.000 Sportler; [27]).

Ein Einfluss des Dopings wird vor al-lem in Bezug auf jene Fälle von plötzli-chem Herztod vermutet, für die keine Ursache ermittelt werden kann. Die häu-figste Todesursache ist eine vorbestehen-de, meist angeborene Herzerkrankung, wie eine Kardiomyopathie, eine Koro-nararterienanomalie oder eine genetisch determinierte Herzrhythmusstörung [28]. Bei Sportlern, die älter als 35 Jahre sind, steht dagegen die KHK mit ihren Folgen im Vordergrund. Eine umfassende und aktuelle Übersicht zu plötzlichem Herz-tod bei Sportlern findet sich bei Borjes-son u. Pelliccia [28]. Gelegentlich kom-men Fälle von plötzlichem Herztod bei Sportlern nach langjähriger Einnahme von Anabolika mit autoptisch nachweis-barer erheblicher Myokardhypertrophie vor [33].

Äußere Gewalt

Stress

Stress gilt seit Langem als Risikofaktor für den akuten Myokardinfarkt und den plötzlichen Herztod [34]. Dabei werden sowohl psychische als auch physische Auslöser genannt. Zu den häufigeren psy-chischen Ursachen zählen Tod oder schwe-re Erkrankung naher Angehöriger, finan-zielle Verluste, Kriminaldelikte, Beteili-gung an Verkehrsunfällen (ohne nennens-werte Verletzungen), Arzt- (Zahnarzt-) Besuche. Physischer Stress besteht z. B. bei körperlicher Aktivität, beim Sport, ins-besondere beim Schwimmen, beim Ge-schlechtsverkehr, unter Alkohol- und Drogeneinwirkung und wird auch durch körperliche Schmerzen ausgelöst [35].

Stress soll auch eine spezielle Form der Kardiomyopathie auslösen können, die Takotsubo-Kardiomyopathie, [36]. Die Erkrankung äußert sich mit Sympto-men ähnlich einem akuten Myokardin-farkt, mit vorübergehender ventrikulä-rer Dysfunktion, EKG- Veränderungen, leichtem Anstieg der Herzenzyme, jedoch ohne dass eine nennenswerte KHK festgestellt werden kann. Spezifi-sche histologische Veränderungen sind mit der Takotsubo-Kardiomyopathie

Page 8: Plötzlicher Herztod : Ausgewählte rechtsmedizinische Aspekte

nicht verbunden. Histologisch wurden lymphomonozytäre Infiltrate, Makro-phagen und Kontraktionsbandnekro-sen ohne Myozytolysen beobachtet.

Ausgehend von der Feststellung, dass vor allem Frauen in der Menopau-se betroffen sind, und der Tatsache, dass Kontraktionsbandnekrosen als pathog-nomonisch für einen kardialen adre-nergen Stress gewertet werden, wird ein solcher Pathomechanismus als Ursache vermutet. Eine Übersicht zum Konzept des adrenergen Stresses findet sich bei Baroldi [37].

Thoraxtraumen

Thoraxtraumen aller Art sind in der rechtsmedizinischen Praxis relativ häu-fig zu beurteilen. Verletzungen der gro-ßen Gefäße und des Herzens bestimmen dabei die Prognose. Das Verletzungsbild reicht von der Commotio cordis über die Contusio bis hin zu Rupturen von Gefä-ßen und Ventrikeln bei stumpfem Trau-ma bzw. zu perforierenden Verletzungen bei scharfer Gewalt oder Schuss.

Stumpfe, nichtpenetrierende Thorax-traumen wirken über eine Kompression des Brustkorbs auf das Herz. Beim Sturz aus der Höhe oder bei bestimmten For-men von Verkehrsunfällen entstehen Ver-letzungen durch eine abrupte, plötzliche Verzögerung des Körpers bei gefüllten Ventrikeln mit sog. Dezelerationstrau-ma (Zugwirkung des Herzens auf die gro-ßen Gefäße mit Abriss). Schließlich be-steht die Möglichkeit, dass eine Brust-korbkompression auch zu einem plötzli-chen Druckanstieg im Ventrikel mit nach-folgender Ruptur führen kann.

Schwierig ist die Bewertung eines plötzlichen Herztodes vor allem, wenn kardiale Verletzungsfolgen nicht offen-sichtlich sind. Dann muss an eine Com-motio  cordis gedacht werden, die cha-rakteristischerweise mit nachfolgender Rhythmusstörung, meistens Kammer-flimmern, zum Tod führen kann. In etwa 60% der Fälle tritt der Tod unmittelbar ein, während für die verbleibenden 40% eine kurze Überlebenszeit beschrieben ist [37]. Typisch für den plötzlichen Herz-tod bei Commotio ist eine stumpfe Ge-walteinwirkung gegen die vordere untere Thorax region (präkordial), die das Herz in der vulnerablen Periode der Repolari-sation (direkt vor der T-Welle des EKG) treffen soll.

Obwohl definitionsgemäß morpholo-gische Veränderungen bei Commotio cor-dis nicht nachweisbar sein sollen, sind mikroskopisch Muskelzellschäden zu-mindest tierexperimentell beschrieben: Es handelt sich um verbreiterte I-Bänder und Hyperkontraktionen mit Kontrak-tionsbandnekrosen [38]. Ferner wurde eine erhöhte CK-MB-Konzentration be-schrieben [39].

Bei Gewalteinwirkungen gegen vor-geschädigte Gefäße sind Gefäßverletzun-gen denkbar, die z. B. traumabedingt zu exulzerierten Plaques mit nachfolgender Thrombenbildung und somit zu akuten Gefäßverschlüssen führen können. Schließlich kann ein stumpfes Thorax-trauma auch mit verschiedenen Formen der Perikarditis (serofibrinös, chronisch konstriktiv) assoziiert sein [40].

Zur unter Umständen tödlichen Be-drohung durch Elektrowaffen („Taser“) z. B. bei Herzkranken oder Herzschritt-

macherträgern ist die Literatur kontro-vers; über entsprechende Todesfälle wur-de aber wiederholt berichtet [41].

Herzkatheteruntersuchungen

Herzkatheteruntersuchungen werden vielfach aus unterschiedlicher Indika-tion durchgeführt. Die Komplikationsra-te ist dabei relativ gering. Bei Koronaran-giographien, Ballondilatation der Koro-narlichtungen und dem Einbringen von Stents kann es selten zu einer akuten Ko-ronarthrombose oder zu einer (zunächst gedeckten) Koronarwandruptur mit nachfolgender akuter letaler Perikardtam-ponade kommen. Für mehr als 9000 Pul-monalkatheteruntersuchungen berichten Procaccini u. Clementi [42] von verschie-denen Komplikationen (fehlerhafte Ge-fäßpunktion, Pneumothorax, Serien vent-rikulärer Extrasystolen, Vorhofflimmern) in insgesamt weniger als 3% (n=275) der Patienten. Darunter waren lediglich 7 Fäl-le mit Gefäßwand- oder Herzruptur. Bei der neuerdings häufiger praktizierten Elektroablation bei Herzrhythmusstörun-gen ist die Herzwandperforation auf Vor-hofebene ein zwar seltenes, aber typisches Risiko [43].

Reanimation

Komplikationen der kardiopulmona len Reanimation sind weithin bekannt und können auch das Herz betreffen. Aller-dings sind diese schweren Komplikationen wie Perikard- und Myokardverletzun-gen durch frakturierte Rippen, Ven trikel- oder Vorhofrupturen mit Entwicklung eines Hämoperikards sehr selten [44]. Selbstverständlich besteht die Aufgabe des Untersuchers in solchen Fällen darin, nicht nur die Komplikation der Reanima-tion nachzuweisen, sondern auch die zur Reanimation führende Erkrankung abzu-klären.

Einwirkung von Medikamenten und Drogen

Sekundäre Kardiomyopathien, Myokardi-tiden, die große Gruppe der Herzrhyth-musstörungen und auch ein plötzlicher Herztod können ihre Ursache in der Ein-

Abb. 5 9 Wie ausge-stanzt wirkende, gut demarkierte Nekrosen im Myokard mit dich-ten Ansammlungen von Lymphozyten und Monozyten, vereinzelt Plasmazellen und eosi-nophile Granulozyten bei Diclofenac-Myo-karditis (HE-Färbung, Vergr. 200:1)

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Schwerpunkt: Herz-Kreislauf-Pathologie

Page 9: Plötzlicher Herztod : Ausgewählte rechtsmedizinische Aspekte

nahme von Arzneimitteln und/oder Dro-gen haben.

Alkohol

Die alkoholische Kardiomyopathie ge-hört zu den dilatativen Formen der Erkrankung. Vermutet wird, dass sie durch eine toxische Wirkung des Alko-hols induziert wird.

Histologisch imponieren hypertro-phe Kardiomyozyten mit unterschiedli-cher Kerngröße. Eine interstitielle und auch endokardiale Fibrose kann ebenso vorkommen wie Faser rupturen und lee-re Sarkolemmschläuche. Daneben kön-nen Einzelzellnekrosen Ursache für eine Makrophageninfiltration sein. Die Dia-gnose kann nicht allein aus der Unter-suchung des Herzens abgeleitet werden. Differenzialdiagnostisch ist vor allem an eine chronische inflammatorische Kar-diomyopathie (DCMi) zu denken [45]. Die Anamnese gibt häufig Hinweise auf den chronischen Alkoholmissbrauch und damit auf die mögliche Erkrankung. Au-ßerdem ist auf sonstige alkoholassoziierte Veränderungen, insbesondere der Leber und des Pankreas zu achten [1].

Medikamente

Myokarditiden können allergische oder auch pharmakotoxische Ursachen haben (. Abb. 5; [1]). Charakterisiert sind diese Formen der Erkrankung häufig durch eo-sinophile Granulozyten, lymphomono-zytäre Inflitrate und Einzelzellnekrosen. Kardiomyozyten fallen gelegentlich durch ein homogen wirkendes, eosinophiles Zyto plasma auf. Allerdings ist die Histo-morphologie vielfältig. Auslöser können z. B. Antikonvulsiva, Neuroleptika und Diuretika sein. Besonders bekannt ist die Clozapin-Myokarditis [46].

Auf die Vielzahl der Medikamente, die Herzrhythmusstörungen als Neben-wirkungen oder als Folge der Einnah-me übertherapeutischer Dosen (Into-xikation) und/oder auch verminderter Exkretion verursachen, sei nur am Rande hingewiesen. Bekanntestes und vermut-lich auch häufigstes Beispiel beim älteren Menschen ist das Digitoxin/Digoxin, das wegen seiner geringen therapeutischen Breite und der renalen Exkretion gerade

beim älteren Menschen mit bestehender Niereninsuffizienz zu bradykarden Herz-rhythmusstören führen kann, deren Ursa-che trotz typischer Symptomatik gelegent-lich übersehen wird [47].

Drogen

Unter den illegalen Drogen mit kardia-len Effekten sind Kokain und Ampheta-mine (MDMA – Ecstasy, MDEA – Eve) besonders hervorzuheben. Kokain wirkt als starkes Sympatikomimetikum und kann Hypertonie und Arteriosklerose in-duzieren, Spasmen der Koronararterien, myokardiale Ischämien bis hin zur sog. Kokain-Kardiomyopathie, einen Myo-kardinfarkt sowie Herzrhythmusstörun-gen mit Kammerflimmern auslösen [48]. Die toxische Wirkung von MDMA und MDEA ist nicht dosisabhängig. Das Ri-siko eines plötzlichen Todes für Erstkon-sumenten wird mit 1:2000 bis 1:50.000 angegeben [49]. Im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems kann die Einnahme zu Hypertonie und Tachykardie führen. Auch eine Assoziation zum akuten Myo-kardinfarkt ist beschrieben [50]. Daneben sind Rhabdomyolysen und disseminierte intravaskuläre Gerinnungsstörungen häu-figere Befunde.

Entzündliche Erkrankungen des Myo-kards und/oder der Herzklappen resultie-ren insbesondere auch durch I nfektionen, die durch intravenösen Drogenkonsum und Verunreinigungen des Spritzenbe-stecks hervorgerufen werden. Sie sind ge-legentlich Ursache eines plötzlichen Todes von Drogenabhängigen.

Diagnostisches Vorgehen

Die Association for European Cardiova-scular Pathologists veröffentlichte im Jahr 2008 Richtlinien für die Untersuchung des plötzlichen Herztodes [51]. In diesem Dokument werden die Fragen, die durch die Obduktion zu klären sind, wie folgt definiert:1. Ist der Tod die Folge einer Herzer-

krankung oder liegt ein plötzlicher Tod aus extrakardialer Ursache vor?

2. Ist der plötzliche Herztod auf eine Rhythmusstörung oder eine mecha-nische Ursache zurückzuführen?

3. Ist die Erkrankung vererbt, erfordert sie eventuell ein molekulargenetisches Screening und eine Einbeziehung der Angehörigen?

4. Ist ein nichtnatürlicher Tod – auch durch Einnahme von Arzneimitteln oder Drogen – ausgeschlossen?

Zusammenfassung · Abstract

Pathologe 2012 · 33:217–227DOI 10.1007/s00292-011-1556-6© Springer-Verlag 2012

T. Bajanowski · K. Püschel · R. Dettmeyer

Plötzlicher Herztod. Ausgewählte rechtsmedizinische AspekteZusammenfassungDer plötzliche Herztod ist eine der  häufigsten Ursachen plötzlicher Todesfälle, vor  allem bei relativ jungen Menschen. Im forensischen Obduktionsgut kommen plötzliche  kardiale Todesfälle vergleichsweise oft vor. In einer Vielzahl dieser Fälle finden sich pathologi-sche Veränderungen am Herzen, die auch den akuten (plötzlichen) Todeseintritt erklä-ren. Dabei handelt es sich keineswegs nur um akute Myokardinfarkte, Koronarthrombosen oder Myokarditiden/Endokarditiden,  sondern auch um seltene angeborene  Erkrankungen wie Verlaufsanomalien der Koronarien,  rhythmogene Todesfälle, direkte oder indi-rekte  Läsionen des kardialen Reizleitungs-systems und primäre Herztumoren.

SchlüsselwörterPlötzlicher Herztod · Unklare Todesfälle ·  Forensik · Obduktion · Rechtsmedizin

Sudden cardiac death. Selected forensic aspects

AbstractSudden cardiac death is one of the most common causes of death and a significant number of sudden deaths occurs especially in young people. Sudden cardiac death is al-so frequently represented in forensic autopsy practice. In such cases pathological findings in the heart can often explain the reason for the acute death. These pathological  changes include not only myocardial infarction, coro-nary thrombosis and all forms of myocardi-tis/endocarditis but also rare diseases, such as hereditary structural or arrythmogenic anomalies, lesions of the cardiac conduction system or primary cardiac tumors.

KeywordsSudden cardiac death · Sudden death ·  Forensics · Autopsy · Forensic medicine

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Page 10: Plötzlicher Herztod : Ausgewählte rechtsmedizinische Aspekte

Das Vorgehen bei der Untersuchung ist komplex und beginnt mit der Anamne-seerhebung. Dabei sollen alle relevan-ten Informationen zur Krankheitsvor-geschichte, zur Familienanamnese, zur aktuellen Medikation, zu den Umstän-den des Todes einschließlich eventuel-ler Reanimation oder der Auffindesitu-ation zusammengetragen werden. Die Frage nach plötzlichen Todesfällen in der Familie und eine neuerliche Aus-wertung eventuell früher abgeleiteter EKGs können hilfreich sein.

Die eigentliche Obduktion beginnt mit der üblichen äußeren Untersuchung. Dabei sollte insbesondere auf körperli-che Merkmale geachtet werden, die häu-figer mit Herzerkrankungen einhergehen (z. B. Uhrglasnägel, Trommelschlegelfin-ger usw.).

Nach implantierten Herzschritt-machern und Defibrillatoren sollte ge-sucht werden. Diese Geräte sollten unbe-dingt vor Obduktionsbeginn durch einen kardiologisch versierten Sachverstän-digen ausgelesen werden, da hierdurch Hinweise/Belege für den zum Tode füh-renden Pathomechanismus (Rhythmus-störungen) festgehalten werden, die sich dem morphologischen Nachweis entzie-hen [52]. Ist ein Defibrillator vorhanden, ist es empfehlenswert, diesen vor Beginn der inneren Besichtigung abzuschalten und zu explantieren [53].

Die innere Besichtigung dient dem Ausschluss extrakardialer Todesursachen sowie der sorgfältigen makromorpholo-gischen Untersuchung des Herzens. Dazu gehören auch das Wiegen des Herzens und das Messen der Klappenumfänge und der Ventrikeldicken. Bieten Perikard und Epikard keine Besonderheiten, kann der Abgang der Gefäße geprüft werden, ebenso sind die Anatomie des Klappen-apparates und die Vorhof- und Ventrikel-septen (einschließlich Foramen ovale) zu prüfen. Schließlich sind die Koronararte-rien zu untersuchen [46] und die Gewe-beproben für nachfolgende histologische Untersuchungen auszuwählen. Auch hier-für finden sich detaillierte Empfehlungen bei Basso et al. [51].

Die Fixierung des Materials sollte in gepuffertem 4%- (bis 10%-)igem Forma-lin erfolgen. Der Zuschnitt kann nach 24-stündiger Fixierung durchgeführt wer-

den. Besteht der Verdacht, dass der Tod infolge seltener Kardiomyopathien einge-treten sein könnte, empfiehlt es sich, zu-sätzlich mehrere kleine Gewebeproben (1×1×1 mm) in 2,5%igem Glutaraldehyd für die Elektronenmikroskopie zu fixie-ren. Proben für toxikologische Untersu-chungen (mindestens Herzblut, Ober-schenkelvenenblut, Mageninhalt, Urin, Liquor) oder die „molekulare Patholo-gie“ sollten ebenfalls vor der Formalinfi-xierung entnommen und bei 4–8°C bis zur quantitativen Untersuchung gelagert werden.

Molekulargenetische Untersuchun-gen erstrecken sich auf den Nachweis der DNA/RNA von Erregern, die entzündli-che Erkrankungen verursachen, und die Mutationsanalyse bei Verdacht auf Vorlie-gen genetisch bedingter Herzerkrankun-gen. Für die Untersuchungen sind 10 ml EDTA-Blut und jeweils 5 g Herzgewebe und Milzgewebe ausreichend, die tiefge-froren bei −80°C oder in RNA later bei 4°C für bis zu zwei Wochen gelagert wer-den können [45]. Soll die Option einer molekularpathologischen Untersuchung von paraffineingebettetem Myokardge-webe erhalten bleiben, so ist die Verwen-dung von neutral gepuffertem Formalin (4%, pH 7,0) zu empfehlen. Die Fixations-dauer sollte möglichst nur 24 bis 48 Stun-den betragen.

Moderne Entwicklungen (Zukunfts-visionen) der postmortalen Diagnostik, speziell auch weitergehende Möglichkei-ten einer engen Kooperation in die Kli-nik, sind derzeit im Hinblick auf bildge-bende Verfahren festzustellen. Diese be-treffen z. B. die postmortale Endoskopie (minimal-invasive Autopsie), die post-mortale Computertomographie (PMCT), dies postmortale Magnetresonanztomo-graphie (PMRT), die postmortale An-giographie (PMCTA) und die postmor-tale multiphasische CT-Angiographie (MPMCTA). Hier ist bereits jetzt eine erweiterte/verbesserte Diagnostik be-züglich der koronaren Situation und der Myokardinfarktdiagnostik gegeben. Diese Entwicklungen/Verfahren bedürfen einer eigenen Literaturübersicht.

Fazit für die Praxis

F  Plötzliche Todesfälle aus natürlicher Ursache sind überwiegend auf kardia-le Ursachen zurückzuführen, bei älte-ren Menschen häufig auf Komplika-tionen der Koronarsklerose.

F  Insbesondere bei jüngeren Menschen und fehlender Koronarsklerose ist an funktionelle Ursachen des Todes zu denken, wie z. B. genetisch beding-te Herzrhythmusstörungen oder ent-zündliche Erkrankungen.

F  Ihre Abklärung erfordert einen hö-heren diagnostischen Aufwand mit Einbeziehung molekulargenetischer Untersuchungen zum Erreger- oder Mutationsnachweis.

F  Voraussetzung hierfür ist, dass bereits im Rahmen der Obduktion an eine solche Möglichkeit gedacht wird und geeignetes Untersuchungsmaterial asserviert und zweckmäßig gelagert wird.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. T. BajanowskiInstitut für Rechtsmedizin,  Universitätsklinikum EssenHufelandstr. 55, 45122 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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227Der Pathologe 3 · 2012  |