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Rechtsmedizin 2008 · 19:11–16 DOI 10.1007/s00194-008-0549-0 Online publiziert: 25. Juni 2008 © Springer Medizin Verlag 2008 L. Hecht 1  · W. Saeger 2  · K. Püschel 3 1  Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum Bad Saarow 2  Institut für Pathologie, Marienkrankenhaus Hamburg 3  Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Plötzlicher Tod bei Erkrankungen der Schilddrüse und der Nebenschilddrüsen Leitthema Bei Erkrankungen der Schilddrüse und der Nebenschilddrüsen entste- hen akut lebensbedrohliche Zustän- de immer dann, wenn die Hormon- sekretion zumeist bei vorbestehen- der Dysfunktion der Drüsen inner- halb eines kurzen Zeitraums erheb- lich gesteigert oder supprimiert wird. Daraus resultierende plötzliche To- desfälle spielen in der rechtsmedizi- nischen Praxis nur eine untergeord- nete Rolle und können deshalb ver- kannt werden. Trotz eingeschränkter oder fehlender anamnestischer An- gaben ist es jedoch möglich, mithilfe makroskopischer und histologischer Begutachtung richtungweisende Be- funde zu erheben. Thyreotoxische Krise (Thyreotoxikose) Die thyreotoxische Krise im Sinne einer exzessiven Hyperthyreose ist eine seltene endokrinologische Notfallsituation. Nach Erhebungen aus dem Jahr 1992 soll es bei ca. 1% der Hyperthyreosepatienten zur thyreotoxischen Krise kommen; dies ent- spricht ca. 90 Erkrankungsfällen/Jahr [23]. Leitsymptome sind Tachykardie, Hyper- thermie und zentralnervöse Störungen. Über psychotische Zustände und konvul- sive Entäußerungen wurde berichtet. Häufig kommt es zur Rechtsherzinsuffizi- enz mit oberer Einflussstauung, peri- pheren Ödemen und Stauungsphäno- menen in inneren Organen [28, 30, 40]. Akute Myokardinfarkte bei Thyreotoxi- kose und gleichzeitig unauffälligem Koro- nararterienbefund sind mehrfach beschrie- ben worden [1, 10, 22]. Ursache sind offen- bar Vasospasmen [37]. Die Letalitätsrate ist auch unter Therapie mit bis zu 50% ausgesprochen hoch [8]. Die thyreotoxi- sche Krise kann Erstmanifestation bei zu- vor latenter Hyperthyreose sein. Auslösen- de Faktoren bei bestehender Hyperthyreo- se sind Jodexposition, Operationen, Trau- mata, fieberhafte Infekte oder das Weglas- sen einer thyreostatischen Therapie [28]. An eine akzidentelle oder eine absicht- liche Einnahme hoher Dosen von Schild- drüsenhormonen muss gedacht werden [5]. Von dem jodhaltigen Antiarrhythmi- kum Amiodaron ist bekannt, dass es bei Langzeitanwendung unerwünschte Effek- te auf die Schilddrüsenfunktion hat. Die Bandbreite reicht von einer Hypothyreose bis hin zur Thyreotoxikose [17, 24]. 11 Rechtsmedizin 1 · 2009 |  

Plötzlicher Tod bei Erkrankungen der Schilddrüse und der Nebenschilddrüsen

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Page 1: Plötzlicher Tod bei Erkrankungen der Schilddrüse und der Nebenschilddrüsen

Rechtsmedizin 2008 · 19:11–16DOI 10.1007/s00194-008-0549-0Online publiziert: 25. Juni 2008© Springer Medizin Verlag 2008

L. Hecht1 · W. Saeger2 · K. Püschel3

1 Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum Bad Saarow2 Institut für Pathologie, Marienkrankenhaus Hamburg3 Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Plötzlicher Tod bei Erkrankungen der Schilddrüse und der Nebenschilddrüsen

Leitthema

Bei Erkrankungen der Schilddrüse und der Nebenschilddrüsen entste-hen akut lebensbedrohliche Zustän-de immer dann, wenn die Hormon-sekretion zumeist bei vorbestehen-der Dysfunktion der Drüsen inner-halb eines kurzen Zeitraums erheb-lich gesteigert oder supprimiert wird. Daraus resultierende plötzliche To-desfälle spielen in der rechtsmedizi-nischen Praxis nur eine untergeord-nete Rolle und können deshalb ver-kannt werden. Trotz eingeschränkter oder fehlender anamnestischer An-gaben ist es jedoch möglich, mithilfe makroskopischer und histologischer Begutachtung richtungweisende Be-funde zu erheben.

Thyreotoxische Krise (Thyreotoxikose)

Die thyreotoxische Krise im Sinne einer exzessiven Hyperthyreose ist eine seltene endokrinologische Notfallsituation. Nach Erhebungen aus dem Jahr 1992 soll es bei ca. 1% der Hyperthyreosepatienten zur thyreotoxischen Krise kommen; dies ent-spricht ca. 90 Erkrankungsfällen/Jahr [23]. Leitsymptome sind Tachykardie, Hyper-thermie und zentralnervöse Störungen. Über psychotische Zustände und konvul-sive Entäußerungen wurde berichtet. Häufig kommt es zur Rechtsherzinsuffizi-enz mit oberer Einflussstauung, peri-pheren Ödemen und Stauungsphäno-menen in inneren Organen [28, 30, 40]. Akute Myokardinfarkte bei Thyreotoxi-kose und gleichzeitig unauffälligem Koro-

nararterienbefund sind mehrfach beschrie-ben worden [1, 10, 22]. Ursache sind offen-bar Vasospasmen [37]. Die Letalitätsrate ist auch unter Therapie mit bis zu 50% ausgesprochen hoch [8]. Die thyreotoxi-sche Krise kann Erstmanifestation bei zu-vor latenter Hyperthyreose sein. Auslösen-de Faktoren bei bestehender Hyperthyreo-se sind Jodexposition, Operationen, Trau-mata, fieberhafte Infekte oder das Weglas-

sen einer thyreostatischen Therapie [28]. An eine akzidentelle oder eine absicht-liche Einnahme hoher Dosen von Schild-drüsenhormonen muss gedacht werden [5]. Von dem jodhaltigen Antiarrhythmi-kum Amiodaron ist bekannt, dass es bei Langzeitanwendung unerwünschte Effek-te auf die Schilddrüsenfunktion hat. Die Bandbreite reicht von einer Hypothyreose bis hin zur Thyreotoxikose [17, 24].

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Tab. 1  Nebenschilddrüsenüberfunktionen

Form Ursache

Primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT) Hyperkalzämie infolge einer erhöhten Parathormon-sekretion (z. B. bei Nebenschilddrüsenadenom)

Sekundärer Hyperparathyreoidismus (sHPT)

Erhöhte Parathormonsekretion infolge einer Hypokal-zämie (z. B. bei Nierenversagen, intestinaler Malabsorption)

Tertiärer Hyperparathyreoidismus (tHPT) Funktionelle Autonomie nach lange bestehendem  sekundären Hyperparathyreoidismus

Myxödemkoma

Das Myxödemkoma als Maximalvarian-te einer Hypothyreose ist ebenfalls ein sehr seltenes Ereignis. In einer Studie über den Zeitraum von 1953–1996 wurden 200 Fälle erfasst, bei denen die hormonelle Entglei-sung zu einem komatösen Zustand führte [39]. Die aktuelle Prävalenz ist unbekannt; dies hängt nicht zuletzt mit der unterschied-lichen Auslegung der Krankheitsdefini-tion und den Schwierigkeiten einer post-mortalen Diagnose zusammen. Betroffen sind typischerweise ältere Frauen (>60 Jah-re) während der Wintermonate [3, 12]. Ne-ben typischen Zeichen der Hypothyreose, wie teigig geschwollenem Gesicht, Ptose, Makroglossie und kühler, trockener Haut, entwickeln die Patienten eine Bradykar-die, im späten Stadium eine Hypotonie bis hin zum Schock sowie psychische Auffäl-ligkeiten [36]. Störungen des Wärmehaus-halts können sich ebenfalls lebensbedroh-lich auswirken. Die Mortalität beträgt auch bei zügig eingeleiteter Therapie bis zu 20% [2]. Die auslösenden Faktoren sind ähnlich denen der Thyreotoxikose, darunter Infek-tionen, Traumata, Medikamente wie Ami-odaron oder Lithium und die chronische lymphatische Thyreoiditis [20].

Parathyreotoxische (hyperkalzämische) Krise

Man unterscheidet im Wesentlichen 3 Formen des Hyperparathyreoidismus (. Tab. 1). Der primäre und der parane-oplastische Hyperparathyreoidismus ge-hen mit einer Hyperkalzämie einher. Bei der paraneoplastischen Form wird von bestimmten Tumoren (v. a. Mamma- und Bronchialkarzinome) das parathormon-artige Peptid (PTHrP) sezerniert. Die subklinische Hyperkalzämie kann durch zusätzliche Faktoren wie Dehydratation, Immobilisation oder Medikamente (z. B. Theophyllin, Thiazide) in eine lebensbe-

drohliche hyperkalzämische Krise über-gehen [25].

Bei 30–40% der Patienten liegt ein pri-märer Hyperparathyreoidismus zugrun-de, bei 50% eine maligne Tumorerkran-kung [19]. Zu den Symptomen zählen Er-brechen, Niereninsuffizienz und Koma [14]. Neurologische Symptome können der akuten Exazerbation vorausgehen [26]. Über die Prävalenz der hyperkalzä-mischen Krise existieren keine genauen Angaben. Sie kann in jedem Lebensalter, insbesondere auch bei Kindern und Ju-gendlichen, vorkommen [11]. Der chro-nische Hyperparathyreoidismus kann zu Osteomalazie, Nephrokalzinose, Gefäß- und Weichteilverkalkung führen [31].

Hypoparathyreoidis-mus/Hypokalzämie

Das plötzliche Absinken des Serumkalzium-spiegels kann ebenfalls lebensbedrohliche Auswirkungen haben. Aus dem klinischen Bereich ist die allgemeine Tetanie bei verse-hentlicher totaler Parathyreoidektomie im Rahmen von Schilddrüsenoperationen be-kannt. Brown et al. [7] berichten von Fällen mit plötzlichem Herzversagen infolge einer Hypokalzämie, hervorgerufen durch eine Natrium-EDTA-Therapie bei Bleiintoxika-tion. Ein Hypoparathyreoidismus kann an-geboren sein oder sich auf dem Boden von Autoimmunprozessen unter Einbeziehung der Nebenschilddrüsen entwickeln (Litera-tur bei Schmid u. Böcker [31]). Plötzliche und unerwartete Todesfälle sind in diesem Zusammenhang nicht beschrieben und dürften eine absolute Rarität darstellen.

Pathologische Veränderungen

Schilddrüse

Wenn eine Schilddrüsenerkrankung nicht bereits zu Lebzeiten gesichert war, kann sie als mittelbare Todesursache unent-

deckt bleiben, zumal nicht jede Erkran-kung makroskopische Veränderungen am Organ nach sich zieht und histolo-gische Untersuchungen nicht routinemä-ßig durchgeführt werden [15]. Chronisch-entzündliche Prozesse der Schilddrü-se können langfristig zu einer Reduktion des hormonproduzierenden Parenchyms und somit zu einer Hypothyreose führen. Neoplasien können nach Regulationsver-lust durch übergeordnete endokrine Or-gane (funktionelle Autonomie) Ursache für eine Hyperthyreose sein.

Die überwiegend bei Frauen zwi-schen dem 40. und 60. Lebensjahr auftre-tende chronisch lymphatische Thyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis) beginnt schlei-chend mit der Ausbildung einer Stru-ma und einer Hyperthyreose. Ursächlich ist ein Autoimmunprozess mit Bildung von Antikörpern gegen Thyreoglobulin und Schilddrüsenperoxidase. Im Verlauf kommt es zur fortschreitenden Gewebs-zerstörung mit konsekutiver Hypothyre-ose. Histologisch dominiert ein lympho-plasmazelluläres Entzündungsinfiltrat mit keimzentrumshaltigen Lymphfollikeln (. Abb. 1a). Zuweilen ist die Infiltration so stark, dass ein Lymphom vorgetäuscht wird. Bedeutsam ist auch der Nachweis einer oxyphilen Epithelmetaplasie (kräf-tig eosinophile Follikelzellen). Gelegent-lich kommen Riesenzellen vor [32].

Häufigste Ursache der adulten Hypo- thyreose ist die atrophische Autoimmun-thyreoiditis. Die Schilddrüse ist stark verkleinert (bis 5 g Gewicht) und derb- fibrotisch. Histologisch dominiert Nar-bengewebe mit milder lymphoplasmazel-lulärer Infiltration neben einem stark re-duzierten ortsständigen Parenchym [32].

Differenzialdiagnostisch muss an die extrem seltene Riedel-Thyreoiditis ge-dacht werden. Diese geht ebenfalls mit ei-ner starken Fibrose (auch von Nachbar-strukturen) einher. Es ist aber in den al-lermeisten Fällen eine Euthyreose gege-ben. Ebenfalls nur geringe Auswirkungen auf die Hormonsekretion bestehen bei der granulomatösen Thyreoiditis (De-Quer-vain-Thyreoiditis). Hier ist eine granulo-matöse Entzündung mit mehrkernigen Riesenzellen, histiozytärer und lympho-plasmazellulärer Infiltration ausgebildet.

Wie oben bereits erwähnt, kann das Antiarrhythmikum Amiodaron schwere

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Leitthema

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Funktionsstörungen der Schilddrüse her-vorrufen. Dabei zeigen sich typische his-tologische Veränderungen im Sinne einer destruierenden chronischen Entzündung. Es kommt zur Invasion von Lymphozyten und Makrophagen (Schaumzellen) mit Zerstörung des Follikelepithels und an-schließender Fibrose [17].

Der diffusen hyperthyreoten Struma (Morbus Basedow, „Graves’ disease“) liegt ebenfalls eine Autoimmunopathie zugrun-de. Über stimulierend wirkende Antikör-per gegen den TSH-Rezeptor kommt es zur Vergrößerung der Schilddrüse. Auch diese Erkrankung kommt häufiger bei Frauen vor. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Die Schild-drüse ist makroskopisch von dunkelroter Farbe, grob lobuliert und besitzt eine wei-che Konsistenz. Mikromorphologische Merkmale sind eine Hyperplasie mit mi-kropapillären Zellknospen, die in das Fol-likellumen hineinragen. Das Epithel ist ku-bisch bis hochprismatisch mit Kerngrö-ßenschwankungen. Retraktionsvakuolen des Kolloids sind ausgebildet (. Abb. 1b). Dabei handelt es sich um ein Artefakt, das bei gesteigerter hormoneller Aktivität ge-sehen wird. Das Stroma ist herdförmig von Rundzellen durchsetzt.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass offenbar eine Assoziation zwischen Au-toimmunprozessen der Schilddrüse und dem Auftreten eines myxomatösen Mi-tralklappenprolapses besteht. Ursache ist die vermehrte Einlagerung von hydrophi-len Glykosaminglykanen in die Herzklap-pe, die zu einer Verdickung und nachfol-genden Insuffizienz führt [21]. Die abge-lagerten Substanzen können mit der Alci-an-blaufärbung dargestellt werden.

Unter den Schilddrüsenneoplasien ist das autonome („toxische“) Adenom zu nen-nen. Es ist bei einem Drittel der Hyperthy-reosen als ursächlich anzusehen. Histo-logisch findet man ein hoch aufgebautes eher helles Follikelepithel und wiederum Retraktionsvakuolen. Das Epithel kann ähnlich wie bei Morbus Basedow mikro-papilläre Auffaltungen aufweisen. Regres-sive Veränderungen (ödematöse Fibro-sen, Kalzifizierungen und Hämorrhagien) sind häufig. Wie bei allen Adenomen ist die zarte fibröse Kapsel ein wichtiges diagnos-tisches Merkmal. Das nichtadenomatöse Schilddrüsengewebe kann aufgrund der

Zusammenfassung · Abstract

Rechtsmedizin 2008 · 19:11–16   DOI 10.1007/s00194-008-0549-0© Springer Medizin Verlag 2008

L. Hecht · W. Saeger · K. Püschel

Plötzlicher Tod bei Erkrankungen der Schilddrüse und der Nebenschilddrüsen

ZusammenfassungPlötzliche Todesfälle infolge metabolischer Krisen bei Dysfunktion von Schilddrüse und Nebenschilddrüsen (thyreotoxische/parathy-reotoxische Krise, Myxödemkoma und akuter Hypoparathyreoidismus) gelangen selten zur rechtsmedizinischen Untersuchung. Wenn die Schilddrüsen-/Nebenschilddrüsenerkran-kung nicht schon zu Lebzeiten bekannt war und anamnestische Angaben fehlen, kann sich die Todesursachendiagnostik schwierig gestalten, und es besteht die Gefahr der Fehl-interpretation von Befunden. Der Dysfunkti-on liegt eine Reihe entzündlicher, hyperplas-tischer und neoplastischer Prozesse zugrun-

de, insofern kann die sorgfältige Aufarbei-tung der Organe wichtige Hinweise erbrin-gen. Die vorliegende Arbeit gibt einen Über-blick über die Makro- und die Histomorpho-logie der zugrunde liegenden Erkrankungen und über die Symptomatik schilddrüsen- und nebenschilddrüsenassoziierter metabo-lischer Krisen.

SchlüsselwörterPlötzlicher Tod · Thyreotoxische Krise · Myxö-demkoma · Hyperparathyreoidismus · Hypo-parathyreoidismus · Morphologische Befunde

Sudden death in disorders of the thyroid and parathyroid glands

AbstractSudden death in association with metabolic crises due to dysfunction of the thyroid and parathyroid glands (e.g. thyrotoxicosis, para-thyrotoxic crisis, myxedema and acute hy-poparathyroidism) is rarely seen in forensic practice. If disorders of these organs are un-known during lifetime and further informa-tion is unavailable, it can be difficult to eluci-date the cause of death. Dysfunction can be seen in inflammatory, hyperplastic and neo-plastic processes, therefore, careful examina-

tion of the organs can provide useful infor-mation. This article gives a summary of mac-roscopic and histological features and clinical symptoms of thyroid and parathyroid disor-ders associated with metabolic crises.

KeywordsSudden death · Thyrotoxicosis · Myxedema coma · Parathyrotoxic crisis · Hypoparathyroi-dism · Morphological findings

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überschießenden Hormonproduktion im Adenom stark atrophiert sein [9, 32].

Der toxische Knotenkropf (multinodö-se toxische Struma, „Plummer’s disease“) wird als eigene Krankheitsentität abge-grenzt, wenngleich die hier multipel aus-gebildeten Knoten den autonomen Ade-nomen morphologisch gleichen.

Zusätzlich ist in fast allen Fällen eine papilläre Hyperplasie vorhanden. Makro-

skopisch besteht eine multinodöse Struma mit den üblichen, regressiven Verände-rungen. Die multinodöse toxische Struma kann lange Zeit silent bleiben. Die Gefahr einer thyreotoxischen Exazerbation ist je-doch bei Aufnahme jodhaltiger Substan-zen (Kontrastmittel) gegeben [33].

Zuletzt soll noch ein besonderes mor-phologisches Phänomen genannt werden, das nicht im direkten Zusammenhang

mit plötzlichen Todesfällen aufgrund ei-ner hormonellen Entgleisung steht, aber gelegentlich bei Obduktionen gesehen wird. Die „schwarze Schilddrüse“ („black thyroid“) entwickelt sich bei chronischer Einnahme hoher Dosen von Minocyclin (z. B. Therapie der Acne vulgaris). Histo-morphologisches Korrelat sind pigmen-tierte Granula im Follikelepithel und teil-weise auch im Kolloid [4].

Abb. 1 9 a Hashimoto-Thyreoiditis mit großen Lymphfollikeln (Pfeil). (HE-Färbung). b Morbus Base-dow, mikropapilläre Zell-knospen (Pfeile) und Re-traktionvakuolen. (HE-Fär-bung)

Abb. 2 9 a Nebenschilddrüse am linken unteren Schild-drüsenpol (Pfeil), daneben ein Lymphknoten (Pfeil). b Normaler histologischer Befund der Nebenschilddrüse; Hauptzellen (Pfeil), oxyphile Zellen (Pfeil) und Fettgewebs-inseln. (HE-Färbung). c Nebenschilddrüsenhyperplasie mit bindegewebiger Septierung (Pfeil) und unregelmäßiger Kapsel (Pfeil). Daneben normales Nebenschilddrüsenge-webe (Pfeil). (HE-Färbung)

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Leitthema

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Der Nachweis der oben genannten Er-krankungen im Rahmen der Obduktion ist kein Beweis für einen plötzlichen Tod durch akute Schilddrüsendysfunktion. Die Diagnosestellung sollte in Abwägung mit konkurrierenden pathologischen Ver-änderungen erfolgen [27]. Zur Absiche-rung der Diagnose sollte im frühen post-mortalen Intervall eine Hormonbestim-mung versucht werden (Literatur bei De Letter et al. [13]; Edston et al. [16]; Risse et al. [29]). Dem Thema der postmortalen Hormonbestimmung ist im vorliegenden Heft ein gesonderter Artikel gewidmet.

Nebenschilddrüsen

Die Nebenschilddrüsen befinden sich überwiegend dorsal der Schilddrüse, ge-legentlich auch intrathyreoidal oder im oberen Mediastinum (unteres Neben-schilddrüsenpaar; . Abb. 2a; [35]). Üb-licherweise sind 4 Drüsen angelegt, de-ren Einzelgewicht nicht über 60 mg be-tragen sollte. Aufgrund von Fettgewebs-einlagerungen besitzen sie im Gegensatz zur rotbraunen Farbe bei Kindern im Al-ter eine eher gelblich-braune Farbe. Der Fettgewebsanteil beträgt im Alter durch-schnittlich 17% (Literatur bei Schmid u. Böcker [31]). Die Nebenschilddrüsen set-zen sich histologisch aus Hauptzellen (gly-kogenreiche Hauptzellen werden als was-serhelle Zellen bezeichnet) und oxyphi-len Zellen zusammen. Die Hauptzellen sind solide, in kleinen Inseln oder auch in Form von kolloidhaltigen Follikeln gela-gert (. Abb. 2b).

Eine mögliche Ursache des primären Hyperparathyreoidismus ist die Haupt-zellhyperplasie der Nebenschilddrüse (bis 15% der Fälle; [34]). Sie kann in einer, häu-figer aber in mehreren Drüsen auftreten. Bei der Hyperplasie sind die Hauptzellen dicht gelagert; Fettzellen fehlen weitestge-hend. Das Gewebe wird von zarten binde-gewebigen Septen durchzogen. Eine Bin-degewebskapsel ist nur inkomplett ausge-bildet (. Abb. 2c).

In über 80% der Fälle liegt die Ursa-che in einem Nebenschilddrüsenadenom; dieses tritt häufiger singulär auf. Die Ade-nomzellen besitzen etwas vergrößerte Zellkerne (Vergleich mit präexistentem Drüsengewebe). Fettzellen werden in Adenomen praktisch nicht angetroffen,

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und es besteht keine bindegewebige Sep-tierung. Die Bindegewebskapsel ist voll-ständig ausgebildet [18, 34].

In weniger als 3% der Fälle ist ein Ne-benschilddrüsenkarzinom für den Hyper-parathyreoidismus verantwortlich. Die Betroffenen sind überwiegend älter als 50 Jahre, allerdings sind auch Manifesta-tionen im Kindesalter bekannt geworden [34]. Der Serumkalziumspiegel ist im Ver-gleich zur Hyperplasie oder zum Adenom besonders hoch [38]. Deshalb führen die metabolischen Veränderungen häufiger zum letalen Ausgang als die Tumorpro-gression (Literatur bei Schmid u. Böcker [31]). Das Karzinom unterscheidet sich makroskopisch durch seine grau-weiße Farbe von den benignen Läsionen. His-tologische Charakteristika sind stärkere regressive Veränderungen, zelluläre Aty-pien und selbstverständlich das infiltrative Wachstum (Kapselinfiltration, Gefäßein-brüche etc.; [6]).

Auch hier gilt, dass autoptisch gesicher-te hyperplastische oder neoplastische Ver-änderungen der Nebenschilddrüsen nicht beweisend für eine Hyperkalzämie oder gar eine hyperkalzämische Krise zu Leb-zeiten (und einem daraus resultierenden plötzlichen Tod) sind. Benigne Verände-rungen können auch reaktiver Natur sein (sekundärer, tertiärer Hyperparathyreoi-dismus). Der Nachweis von Sekundärver-änderungen an Knochen, Blutgefäßen und Weichteilen macht eine chronische Hyper-kalzämie aber wahrscheinlich.

Fazit für die Praxis

Plötzliche Todesfälle im Zusammenhang mit Schilddrüsen- und Nebenschilddrü-senerkrankungen sind in der rechtsme-dizinischen Praxis selten. Entsprechende Befunde können leicht übersehen wer-den. Bei unklaren Todesfällen sollten Schilddrüse und Nebenschilddrüsen ei-ner eingehenden makroskopischen und histologischen Untersuchung unterzo-gen werden. Eventuell vorhandene pa-thomorphologische Veränderungen kön-nen auf eine bestimmte Todesursache hindeuten, besitzen jedoch keinen Be-weiswert. Es sollte deshalb immer auch nach Sekundärveränderungen gefahn-det und/oder eine postmortale Hormon-bestimmung angestrebt werden.

KorrespondenzadresseDr. L. HechtInstitut für Pathologie,  HELIOS Klinikum Bad SaarowPieskower Str. 33, 15526 Bad [email protected]

Interessenkonflikt.  Es besteht kein Interessenkon-flikt. Der korrespondierende Autor versichert, dass kei-ne Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Kon-kurrenzprodukt vertreibt, bestehen. Die Präsentation des Themas ist unabhängig und die Darstellung der In-halte produktneutral.

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16 |  Rechtsmedizin 1 · 2009

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