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| Der Internist 7·99 Übersicht 772 W. Petro 1 · M. Schmitz 2 1 Klinik Bad Reichenhall,Fachklinik für Erkrankungen der Atmungsorgane, Allergien und für Orthopädie der LVA Niederbayern-Oberpfalz,Bad Reichenhall 2 Hochgebirgsklinik Davos Wolfgang Pneumologische Rehabilitation Ein integrales Therapiekonzept zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität de Entwicklungen in Gang gesetzt: Ein- mal eine beispielgebende Struktur mit hervorragender Diagnostik und nen- nenswerter Prozeßqualität aller thera- peutischen Bemühungen. Andererseits wurde die Rehabilitation als „Pflichtlei- stung“ eines Versicherungssystems an- gesehen mit einer daraus resultieren- den Anspruchshaltung. Das Gleichge- wicht zwischen Anspruch, auch ver- meintlichem Anspruch und echter Indikation für eine Rehabilitations- maßnahme ist jedoch an einen ge- samtgesellschaftlichen Konsens ge- bunden, der neben dem funktionieren- den Generationenvertrag den behut- samen, eigenverantwortlichen Umgang mit dem Rehabilitationsangebot ein- schließt. Dieser ist in den letzten Jahren verloren gegangen und erzeugte dis- proportionale, teilweise aus dem Ru- der laufende Entwicklungen, die pole- misch zu charakterisieren sind mit den Schlagworten „Ausnutzermenta- lität“, „morgens Fango, abends Tango“, „Bettenschlösser in landschaftlich schö- ner Umgebung“. In einer Fachdisziplin, die bis 1996 charakterisiert war durch eine 30%ige Bettenzunahme in 5 Jahren einerseits und durch eine nachfolgende Ressour- Eine solche Übersicht wäre ignorant, würde sie nicht im wesentlichen auf das spezielle System der deutschen Rehabi- litationsmedizin eingehen, die sich in einem besonderen Spannungsfeld zwi- schen Akutmedizin und lebensbeglei- tender Dauertherapie befindet. Die deutsche Rehabilitation ent- springt einer sozialen Gesetzgebung, die Aufgaben und Umfang der Rehabili- tation festschreiben. Danach erbringen Rentenversicherungen medizinische, be- rufsfördernde und ergänzende Leistun- gen zur Rehabilitation, um den Auswir- kungen einer Krankheit oder einer Be- hinderung auf die Erwerbsfähigkeit entgegenzuwirken oder sie zu überwin- den. Ziel der Rehabilitation ist es, die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit Erkrankter oder Gefährdeter oder das vorzeitige Ausscheiden aus dem Be- rufsleben zu verhindern oder diese Per- sonen möglichst dauerhaft in das Er- werbsleben einzugliedern. Leistungen der Rehabilitation haben Vorrang vor Rentenleistungen. Diese gesetzgeberische Festschrei- bung hat in Deutschland 2 polarisieren- Übersicht Internist 1999 · 40:772–778 © Springer-Verlag 1999 Zum Thema Asthma bronchiale, Lungenemphysem, ent- zündliche Erkrankungen des gesamten Respirationstrakts und alle Krankheiten, die zu chronischer Ateminsuffizienz führen, stellen die Hauptindikationen für die pneu- mologische Rehabilitation dar. Dazu zählen auch die in der letzten Zeit in das Zentrum besonderen Interesses gerückten Schlaf- atemstörungen. Die pneumologische Rehabilitation, die hier- zulande historisch institutionell mit allen Maßnahmen der Tuberkulosebehandlung eng verbunden war und heute diagnostisch wie therapeutisch hervorragend ausgewiesen ist,hat eine lange und segensreiche Tradition zur ganzheitlichen Behandlung von Lungen- erkrankungen unterschiedlichster Genese. Auch wenn unbestritten ist, daß in manchen Bereichen der Rehabilitation in den letzten Jahrzehnten das Anspruchsdenken von Pati- enten zu- und die Bereitschaft zu Mitarbeit und Eigenverantwortung eher abgenom- men haben, dürfte dies für Lungenkranke vermutlich am letzten zutreffen. Die vorlie- gende Arbeit ist zugleich ein Appell, bei not- wendigen sozialpolitischen Korrekturen Augenmaß zu bewahren. Gerade bei Lun- generkrankungen muß man einen „langen Atem“ haben, um neben allen anderen the- rapeutischen Maßnahmen so schwierige Ziele wie Raucherentwöhnung oder den richtigen Umgang mit Sauerstoffinhalations- techniken zu erreichen und zur Gewohnheit zu verfestigen. Über Rehabilitationsindika- tionen, -ziele, -maßnahmen und -erfolge wird an dieser Stelle berichtet. Prof. Dr. W. Petro Klinik Bad Reichenhall, Fachklinik für Erkrankungen der Atmungsorgane, Allergien und für Orthopädie der LVA Niederbayern-Oberpfalz, Salzburger Straße 8–11, D-83435 Bad Reichenhall& / f n - b l o c k : & b d y : Schlüsselwörter Rehabilitation, pneumologische · Pneumologie, Rehabilitation · Lungenerkrankungen, Rehabilitation

Pneumologische Rehabilitation

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Page 1: Pneumologische Rehabilitation

| Der Internist 7·99

Übersicht

772

W. Petro1 · M. Schmitz2

1 Klinik Bad Reichenhall, Fachklinik für Erkrankungen der Atmungsorgane,

Allergien und für Orthopädie der LVA Niederbayern-Oberpfalz, Bad Reichenhall2 Hochgebirgsklinik Davos Wolfgang

Pneumologische RehabilitationEin integrales Therapiekonzept zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität

de Entwicklungen in Gang gesetzt: Ein-mal eine beispielgebende Struktur mithervorragender Diagnostik und nen-nenswerter Prozeßqualität aller thera-peutischen Bemühungen. Andererseitswurde die Rehabilitation als „Pflichtlei-stung“ eines Versicherungssystems an-gesehen mit einer daraus resultieren-den Anspruchshaltung. Das Gleichge-wicht zwischen Anspruch, auch ver-meintlichem Anspruch und echterIndikation für eine Rehabilitations-maßnahme ist jedoch an einen ge-samtgesellschaftlichen Konsens ge-bunden, der neben dem funktionieren-den Generationenvertrag den behut-samen, eigenverantwortlichen Umgangmit dem Rehabilitationsangebot ein-schließt. Dieser ist in den letzten Jahrenverloren gegangen und erzeugte dis-proportionale, teilweise aus dem Ru-der laufende Entwicklungen, die pole-misch zu charakterisieren sind mitden Schlagworten „Ausnutzermenta-lität“, „morgens Fango, abends Tango“,„Bettenschlösser in landschaftlich schö-ner Umgebung“.

In einer Fachdisziplin, die bis 1996charakterisiert war durch eine 30%igeBettenzunahme in 5 Jahren einerseitsund durch eine nachfolgende Ressour-

Eine solche Übersicht wäre ignorant,würde sie nicht im wesentlichen auf dasspezielle System der deutschen Rehabi-litationsmedizin eingehen, die sich ineinem besonderen Spannungsfeld zwi-schen Akutmedizin und lebensbeglei-tender Dauertherapie befindet.

Die deutsche Rehabilitation ent-springt einer sozialen Gesetzgebung,die Aufgaben und Umfang der Rehabili-tation festschreiben. Danach erbringenRentenversicherungen medizinische, be-rufsfördernde und ergänzende Leistun-gen zur Rehabilitation, um den Auswir-kungen einer Krankheit oder einer Be-hinderung auf die Erwerbsfähigkeitentgegenzuwirken oder sie zu überwin-den. Ziel der Rehabilitation ist es, dieBeeinträchtigung der ErwerbsfähigkeitErkrankter oder Gefährdeter oder dasvorzeitige Ausscheiden aus dem Be-rufsleben zu verhindern oder diese Per-sonen möglichst dauerhaft in das Er-werbsleben einzugliedern. Leistungender Rehabilitation haben Vorrang vorRentenleistungen.

Diese gesetzgeberische Festschrei-bung hat in Deutschland 2 polarisieren-

ÜbersichtInternist1999 · 40:772–778 © Springer-Verlag 1999

Zum Thema

Asthma bronchiale, Lungenemphysem, ent-

zündliche Erkrankungen des gesamten

Respirationstrakts und alle Krankheiten, die

zu chronischer Ateminsuffizienz führen,

stellen die Hauptindikationen für die pneu-

mologische Rehabilitation dar. Dazu zählen

auch die in der letzten Zeit in das Zentrum

besonderen Interesses gerückten Schlaf-

atemstörungen.

Die pneumologische Rehabilitation,die hier-

zulande historisch institutionell mit allen

Maßnahmen der Tuberkulosebehandlung

eng verbunden war und heute diagnostisch

wie therapeutisch hervorragend ausgewiesen

ist, hat eine lange und segensreiche Tradition

zur ganzheitlichen Behandlung von Lungen-

erkrankungen unterschiedlichster Genese.

Auch wenn unbestritten ist, daß in manchen

Bereichen der Rehabilitation in den letzten

Jahrzehnten das Anspruchsdenken von Pati-

enten zu- und die Bereitschaft zu Mitarbeit

und Eigenverantwortung eher abgenom-

men haben, dürfte dies für Lungenkranke

vermutlich am letzten zutreffen. Die vorlie-

gende Arbeit ist zugleich ein Appell, bei not-

wendigen sozialpolitischen Korrekturen

Augenmaß zu bewahren. Gerade bei Lun-

generkrankungen muß man einen „langen

Atem“ haben, um neben allen anderen the-

rapeutischen Maßnahmen so schwierige

Ziele wie Raucherentwöhnung oder den

richtigen Umgang mit Sauerstoffinhalations-

techniken zu erreichen und zur Gewohnheit

zu verfestigen. Über Rehabilitationsindika-

tionen, -ziele, -maßnahmen und -erfolge

wird an dieser Stelle berichtet.

Prof. Dr.W. PetroKlinik Bad Reichenhall, Fachklinik

für Erkrankungen der Atmungsorgane,

Allergien und für Orthopädie der LVA

Niederbayern-Oberpfalz, Salzburger Straße 8–11,

D-83435 Bad Reichenhall&/fn-block:&bdy:

Schlüsselwörter

Rehabilitation, pneumologische ·

Pneumologie, Rehabilitation ·

Lungenerkrankungen, Rehabilitation

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cenkürzung um ca. 200 Kliniken ande-rerseits sollte es darum gehen, das, wasvorhanden ist, zu definieren, das, waspositiv ist, herauszustellen unter stän-diger Reflektion der Negativentwick-lungen, die immer noch anhalten. Ins-besondere sollte die folgende Darstel-lung dem Leser ein objektives Abbildverschaffen darüber, daß gerade Reha-bilitation in der Pneumologie, einemFach also, daß sich mit Krankheitenbeschäftigt, deren Prävalenz und Inzi-dienz zunimmt und insbesondere de-ren Mortalität bei bösartigen Erkran-kungen dramatisch steigt, mit der Inte-gration von rationaler und rationellermedikamentöser Therapie, nichtmedi-kamentöser physikalischer Therapieund Verhaltenstherapie einen ganzheitli-chen Ansatz bietet, wie er in der Akut-medizin aus Kosten- und Zeitgründennicht erbracht werden kann und wie erzur Zeit unter den Bedingungen nichtausreichender Verzahnung auch imhausärztlichen Bereich in der prakti-schen Umsetzung auf Schwierigkeitenstößt.

Definition der pneumo-logischen Rehabilitation

Konzept, Definition und Zielstellungder pneumologischen Rehabilitationhaben im Verlauf der vergangenenJahrzehnte einen tiefgreifenden Wan-del erfahren. Das American College ofChest Physicians definierte 1974 diepneumologische Rehabilitation als me-dizinische Kunst, in der ein individuellzugeschnittenes, multidisziplinäres Pro-gramm zur praktischen Anwendungkommt, das durch eine genaue Dia-gnose, Therapie, emotionale Unterstüt-zung und Schulung sowohl die physio-als auch die psychopathologischen Fol-gen pneumologischer Erkrankungenstabilisieren oder verbessern hilft undversucht, den Patienten zur bestmög-lichen Funktionsfähigkeit zurückzu-führen.

1992 wurden die Ziele der pneumo-logischen Rehabilitation von der Euro-päischen Gesellschaft für Pneumologiedefiniert als Evaluierung und Monito-ring von Beeinträchtigungen als Folgeeiner Erkrankung der Atmungsorgane,Linderung der leistungsschwächendenphysischen und psychischen Sympto-me, Wiederherstellung der bestmögli-chen funktionellen Leistungsfähigkeit

ambulante und/oder teilstationäre Re-habilitation für Atemwegs- und Lun-generkrankungen jedoch sind erst imAnsatz vorhanden.

Ziele, Inhalte der und Indikationfür die pneumologische Rehabilitation

Das generelle Ziel der pneumologi-schen Rehabilitation ist das Verhindernoder das Vermindern jeder Einschrän-kung oder jeden Verlustes der Fähigkei-ten und Aktivitäten, die für einen Men-schen als normal angesehen werden(Fähigkeitsstörung). Diese Zielorientie-rung der pneumologischen Rehabili-tation entspringt den Beurteilungs-grundlagen der WHO (ICIDH-Interna-tional Classification of Impairments,Disabilities and Handicaps).

Danach verursacht eine pneumolo-gische Erkrankung eine Schädigung amOrgansystem Lunge mit definiertenFolgen für das persönliche, familiäreund soziale Umfeld. Die daraus resul-tierende Fähigkeitsstörung, die bei ei-nem Teil der Rehabilitanden als chro-nisch anzusehen ist oder chronisch zuwerden droht, kann eine gesamtgesell-schaftliche Benachteiligung bewirken,die mit einer eingeschränkten Lebens-qualität einhergeht.

Das Ziel der Rehabilitation ist aus-gerichtet auf diese Fähigkeitsstörung,die es zu verhindern (Prävention) oderzu vermindern bzw. zu beseitigen gilt(Rehabilitation).

Eine wesentliche Voraussetzunghierzu sind die realistischen Möglich-keiten des Rehabilitanden in Bezug aufseine körperliche Verfassung und geisti-gen Fähigkeiten. Rehabilitationsbegrün-dend ist also nicht die Krankheit, son-dern die Konsequenz aus der Krankheit.

und Förderung der sozialen Reintegra-tion.

Die Deutsche Gesellschaft für Pneu-mologie definierte in einem Statementder Sektion Prävention und Rehabi-litation pneumologische Rehabilita-tion als die Gesamtheit wissenschaft-lich begründeter Diagnostik und The-rapie bei Personen mit respiratori-scher Gefährdung oder Erkrankung.Sie muß mit dem erforderlichen zeitli-chen Aufwand, der in Abhängigkeitvom Schweregrad der Erkrankung fle-xibel gehandhabt werden kann, erfol-gen. Der Kostenrahmen wird durch diegesellschaftlich verfügbaren Mittel li-mitiert und kann variieren. Pneumo-logische Rehabilitation hat in direkterAbstimmung zwischen dem Rehabili-tanden, zuweisenden Arzt, Kosten-träger und Rehabilitationsklinik unterbestmöglicher Mitwirkung des Er-krankten so zu erfolgen, daß Morbidi-tät und Mortalität gesenkt und die be-rufliche und soziale Lebensqualität ge-steigert werden.

Das System der stationären pne-umologischen Rehabilitation konntesich in Deutschland durch die histori-sche Verantwortlichkeit der Rentenver-sicherungsträger für die Tuberkulose-therapie hervorragend entwickeln.Vieledieser hochspezialisierten Lungenklini-ken haben sich in den 60er und 70erJahren der pneumologischen Rehabili-tation, insbesondere bei Patienten mitchronisch obstruktiven Atemwegser-krankungen, zugewandt.

Eine wohnortnahe, ambulante Re-habilitation ist jedoch im größerenUmfang in Deutschland erst im Aufbau.Sie wird insbesondere bei kardialenErkrankungen erfolgreich eingesetzt,teilweise auch bei orthopädischen Er-krankungen. Erprobungsmodelle für

Tabelle 1

Entscheidungskriterien zur Reha

● Liegte eine Schädigung vor?● Folgt daraus eine Fähigkeitsstörung?● Ist diese chronisch oder droht sie chronisch zu werden?● Droht ein Verlust an psychosozialer oder beruflicher Kompetenz?● Kann Reha diese vermeiden, beseitigen, mindern?● Erreichen des Reha-Zieles wirtschaftlich möglich?● Welche Form der Reha erreicht das Ziel?

– ambulant, teilstationär, stationär?● Reha-Dauer, Reha-Einrichtung?

Page 3: Pneumologische Rehabilitation

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Übersicht

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Die Entscheidungskriterien zurpneumologischen Rehabilitation solltevon der Beantwortung einer Reihe vonFragen abhängen (Tabelle 1).

Zunächst einmal ist eine Organ-schädigung zu diagnostizieren und ei-ne daraus möglicherweise folgende Fä-higkeitsstörung zu definieren. Die Fra-ge nach der Chronizität bzw. nach derdrohenden Chronizität mit Verlust anpsychosozialer und beruflicher Kompe-tenz ist dabei wesentliche Aufgabe einergeplanten Rehabilitation. Es muß diebegründete Aussicht bestehen, diesenVerlust positiv beeinflussen zu können,und dies sollte sich in einem vertret-baren Aufwands/Effizienzrahmen be-wegen. Vor einer Rehabilitationsmaß-nahme muß festgelegt werden, ob dasRehaziel ambulant, teilstationär oderstationär zu erreichen ist, es muß dieRehabilitationsdauer und die Rehabili-tationseinrichtung festgelegt werden.

Die beschriebenen allgemeinenRehaziele sind durch individuell abge-stimmte Einzelmaßnahmen zu errei-chen, die sich für die Pneumologie, wiein der Tabelle 2 angegeben, zusammen-fassen lassen.

Diagnostik

Für ein krankheits- und patientenori-entiertes Rehabilitationskonzept stehtam Anfang eine umfangreiche medizi-nische, psychophysiologische und psy-chosoziale Diagnostik mit besondererBetonung von Berufs-, Arbeitsplatz-und Sozialanamnese, Prüfen der Ein-weisungsdiagnose durch individuellesDiagnostikkonzept und Feststellungvon Begleiterkrankungen, Komplika-tionen und Nebenerkrankungen, reha-bilitationsspezifische Diagnostik mitobjektiver Ermittlung der funktionel-len Beeinträchtigung und Behinde-rung, Ermittlung der psychophysi-schen Belastbarkeit sowie das Erfassenpsychosozialer Faktoren.

Die pneumologische Diagnostikumfaßt sämtliche Verfahren der kardio-pulmonalen Funktionsdiagnostik, eineumfassende allergologische und um-weltmedizinische Diagnostik, die en-doskopische Diagnostik, bildgebendeDiagnostik, kardiologische Diagnostik,Diagnostik schlafbezogener Atemregu-lationsstörungen, ein breites klinisch-chemisches Labor, die psychosozialeDiagnostik und ggf. im Rahmen der in-

pierefraktären chronischen Asthmas,die chronopharmakologische, zirkadia-ne Einstellung mit langwirksamen Bron-chialerweiterern, die Evaluation undWirkungstitration von Beta-2-Adrener-gika, die spezifische Immuntherapie imRahmen der Hyposensibilisierung, auchdie adaptive Desaktivierung mit Aze-tylsalizylsäure.

Die breite Anwendung der medika-mentösen Therapie ist zu unterstützenmit den klassischen Maßnahmen derphysikalischen Therapie, der Balneo-und Hydrotherapie, der Sport- undBewegungstherapie und der Inhalati-onstherapie. Einzelheiten sind auszugs-weise in Tabelle 3 dargestellt.

Patientenschulung und -verhaltenstraining

Patienten mit pneumologischen Er-krankungen und psychischen Proble-men, unabhängig von der Einweisungs-erkrankung oder im Zusammenhangmit der pneumologischen Erkrankung,bedürfen besonderer Maßnahmen imRahmen der psychosozialen Rehabilita-tion und Rehabilitationspsychologie.Hierzu dienen die Bereiche der Psy-chotherapie und der psychologischenBeratung, der Entspannungstherapieund des Verhaltenstrainings. BesondereSchwerpunkte bilden das Erreichenvon Krankheitseinsicht und Krankheit-verarbeitung sowie die Raucherent-wöhnung, Gewichtsreduktion, Abbauvon Streßfaktoren und Alkoholent-wöhnung.

Patientenschulung oder Patienten-verhaltenstraining ist neben der medi-kamentösen und physikalischen Thera-

terdisziplinären Betreuung eine Konsi-liardiagnostik aus den FachbereichenNeurologie, Orthopädie, HNO, Derma-tologie, Gynäkologie.

Die objektiven Funktionsbefundezu Beginn, im Verlauf und am Ende derpneumologischen Rehabilitation sinddie Grundlage für eine ausführliche so-zialmedizinische Leistungsbeurteilungmit Beurteilung des bestehenden Lei-stungsvermögens und zur Stellungnah-me für das weitere Erwerbsleben unddie soziale und berufliche Integrationdes Rehabilitanden.

Therapie

Die therapeutischen Maßnahmen inder pneumologischen Rehabilitationumfassen gezielte Behandlungen vonFunktionseinschränkungen und Fähig-keitsstörungen. Sie dienen der Motiva-tion zur aktiven und eigenverantwortli-chen Krankheitsbewältigung und gren-zen sich dabei zweifelsfrei von dertraditionellen Kur ab, bei der die An-wendung ortsgebundener Heilmittel,die Stärkung der Gesundheit und desWohlbefindens durch unspezifische Rei-ze im Vordergrund stehen.

Das therapeutische Konzept imRahmen der pneumologischen Rehabili-tation besteht vorrangig in der sym-ptom- und funktionsadaptierten The-rapieadjustierung der Vorbehandlung.

Hier geht es insbesondere um diekontrollierte Optimierung der Thera-pie mit systemischen und topischenKortikosteroiden, kortisonsparende Zu-satzmedikation mit nichtsteroidalenEntzündungshemmern, die spezielleTherapie des steroid- und/oder thera-

Tabelle 2

Ziele der pneumologische Rehabilitation [nach 6]

● Reha-orientierte Diagnostik als Voraussetzung für individuelle Therapie● Optimierung der Pharmakotherapie● Verhaltenstraining● Krankengymnastische Atemtherapie● Bewegungs-, Sport-,Trainingstherapie● Atemmuskulaturtraining, Atemmuskulaturerholung● O2-Langzeittherapie● Diagnostik,Therapie und Schulung bei schlafbezogenen Atemstörungen● Allergologische und umweltmedizinische Diagnostik, Beratung, Karenz● Psychosoziale Diagnostik,Therapie und Beratung● Ernährungsberatung, Sozialberatung● Prognoseeinschätzung, Leistungsbeurteilung

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pie die dritte therapeutische Säule einesRehabilitationsprogramms. Sie soll eineaktive Teilnahme des Patienten an derBewältigung seiner chronischen Krank-heit durch Überwachen der Sympto-matik und adäquate Selbstanpassungder Therapie an den jeweiligen Schwe-regrad der Erkrankung ermöglichen.Patiententraining soll über eine Ver-haltensänderung zu einem günstigerenKrankheitsverlauf und erhöhter Lei-stungsfähigkeit führen. Langfristig sol-len Morbidität und Mortalität gesenktund die Lebensqualität verbessertwerden.

Patientenverhaltenstraining beichronischen Erkrankungen der At-mungsorgane umfaßt eine informativeEbene (Krankheitslehre), eine medizi-nisch-medikamentöse Ebene (Thera-pieverständnis, Selbsttherapie), eineEbene der physikalischen Atemtherapie(Selbsthilfetechniken) und eine verhal-tenspsychologische Ebene (Angstab-bau, Krankheitsverständnis, Therapie-verständnis). Die Inhalte von Patienten-schulung und Verhaltenstraining bezie-hen sich auf das Erlernen der Therapie,insbesondere der Eigentherapie mit

tendem Versorgungsrecht, in Einzelfäl-len auch nach Berufskrankheitenrecht,Rentenrecht und nimmt Stellung zuFragen der Erwerbsunfähigkeit auf Zeitoder auf Dauer.

Krankheitsbezogene Indikationenzur pneumologischen Rehabilitationumfassen das gesamte Gebiet der chro-nischen Atemwegs- und Lungenerkran-kungen wie in Tabelle 4 dargestellt.

Die ambulante pneumologischeRehabilitation ordnet sich organischein in das verzahnte System von haus-ärztlicher-, fachärztlicher Betreuung,akuter Krankenhausbehandlung undPrävention/Rehabilitation (Tabelle 5).

Effizienz der pneumologischenRehabilitation

Die Rehabilitationsmedizin unterliegthäufig emotionaler Kritik. Dies liegtmöglicherweise an mangelndem ärztli-chen Selbstverständnis, das die Akut-medizin als zwingendes Erfordernis,Rehabilitation dagegen als häufig„schmückendes Beiwerk“ betrachtet. Inder Akutmedizin wird nie oder nur sel-ten nach einem Effizienznachweis ge-fragt, da hier in den meisten Fällen eintherapeutischer Erfolg erwartet werdenkann. Pneumologische Rehabilitation,die sich vorwiegend mit chronischenund oft progredienten Krankheitspro-

Medikamenten- und Applikationskun-de, Selbstmedikation in stabiler Krank-heitsphase und Exazerbation, der The-rapiekontrolle mittels Peakflow-Meter,der Infektbekämpfung und Infektexa-zerbation, der Therapie mit Korti-sonpräparaten, Selbsthilfetechniken imRahmen der physikalischen Therapieund die Notfalltherapie.

Sozialmedizinische Beurteilung

Eine Rehabilitationsmaßnahme schreibteine sozialmedizinische Beurteilungam Ende des Rehabilitationsverfahrensvor. Die sozialmedizinische Leistungs-einschätzung muß verbunden werdenmit einem sozialen Support, da aus die-ser Einschätzung häufig gravierendesoziale Veränderungen für den Rehabi-litanden resultieren. PneumologischeRehabilitation umfaßt daher eine ge-zielte Berufsberatung zu Fragen vonArbeitsplatzwechsel, Arbeitsumgestal-tung und gibt konkrete Hinweise für ei-ne Umschulung. Die Sozialberatung be-rührt Bereiche wie Wohnungs- undPflegeberatung und die Rentenbera-tung erfolgt individualisiert nach gel-

Tabelle 3

Unterstützende Therapiemaßnahmen [nach 6]

Sport- und Bewegungstherapie

● Individuelle Erarbeitung und Gestaltung von Belastungsprogrammen● Dokumentation des realisierten Trainingsprogramms (Trainingstagebuch) zur Reha-Nachsorge● Hilfestellung zur Fortführung der Trainingsprogramme am Heimatort● allgemeines Programm: Stretching,Trocken- und Wassergymnastik● spezielles Programm: Osteoporosegymnastik, Schwimmen● Belastungsuntersuchung: Eingangsdiagnostik, begleitende Trainingsüberwachung durch

Peak-flow- und Herzfrequenzkontrolle zur Verlaufs- und Abschlußdiagnostik● Trainingssteuerung: Herzfrequenzmessungen, Gehstreckentest (elektronisch oder manuell)● Muskelaufbauprogramm: allgemeine Kräftigung, Osteoporoseprophylaxe● Ausdauerprogramm: Ergometertraining, Schwimmtraining, Lauf-Geh-(ggf. Skilanglauf-)training

Physiotherapie

● Allgemeine und spezielle Krankengymnastik● Atemtherapie Einzelbehandlung: Kombinierte Ein- und Ausatemtechniken, Lippenbremse

in Körperruhe und bei körperlicher Belastung, atemerleichternde Stellungen● Techniken zur Vermeidung hoher intrathorakaler Drucke: Hustentechnik (produktiv, unproduktiv)● Sekretmobilisierung: Flutter, autogene Drainage, PEP-Maske,Vibrax, Lagerungsdrainage,

Packungen,Wickel, heiße Rolle● Atemwahrnehmung: spezielle Zwerchfellatmung, Angstminderung bei Atemnot, respiratorisches

Bio-Feedback● Übungstherapie: Osteoporosebehandlung, orthopädische Krankengymnastik● Manuelle Therapie● Elektrotherapie mit Nieder-/Mittelfrequenzstrom, Mikrowellenbestrahlung● Ultraschall- und Lasertherapie● Gruppentherapie: Atemschule, Rückenschule und Wirbelsäulengymnastik● Inspirationsmuskeltraining

Tabelle 4

Indikationen zur Aufnahme von Patienten in die stationäre pneumologische Rehabilitation[nach 6]

● Asthma● Chronische Bronchitis● Lungenemphysem● Bronchiektasie● Mukoviszidose● Rhinitis und Sinusitis● Chronische Ateminsuffizienz jeglicher

Genese● Neuromuskuläre und Thoraxwand-

erkrankungen● Lungenfibrosen, Pneumokoniosen,

Sarkoidose und andere interstitielleLungenkrankheite

● Zustand nach Pneumonien jeder Genese● Prä- und postoperative Zustände nach

Thoraxoperationen● Schlafatemstörungen● Umweltbedingte pneumologische

Erkrankungen

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Übersicht

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zessen befaßt, kann nicht in diesem Ma-ße erfolgreich sein, zumal der Behand-lungserfolg häufig an die Verhaltensän-derung des Erkrankten geknüpft ist. Inder Akutmedizin wird eine möglicheErfolglosigkeit als „schicksalhaft“ ak-zeptiert, jedoch in der Rehabilitations-medizin als „Geldverschwendung“ an-gesehen mit den bekannten fatalen Fol-gen einer restriktiven Gesetzgebung.

Möglichkeiten, die die Effektivitäteiner rehabilitativen Behandlungsmaß-nahme überprüfbar machen, sind inTabelle 6 dargestellt. Hierbei geht es umdie Bewertung einer Einzelmaßnahmeim Vergleich vor und nach der Anwen-dung, um die Beurteilung einer Ge-samtmaßnahme, bestehend aus Einzel-maßnahmen. Ein Beispiel wäre hier derNachweis des Erfolges einer vierwöchi-gen Rehabilitation im Vor-/Nachver-gleich und schließlich die Bewertungder Langzeitergebnisse durch Nachun-tersuchungen in entsprechenden Ab-ständen sowie die Prüfung ihres Ein-flusses auf den sozialmedizinischenStatus, die Morbidität, Mortalität undLebensqualität [1, 2, 3].

Die Wirkung der physikalischenTherapie wurde insbesondere in derTherapie obstruktiver Atemwegserkran-kungen in einer Vielzahl von Studienbelegt. So ist beispielsweise die Lage-rungsdrainage und die Vibrationsmas-sage zur Besserung der mukoziliärenClearance eine nachweislich gesicherteeffektive Technik. Besondere Erfolgewurden bei Mukoviszidose erzielt, an-

ten, das Inspirationsmuskeltraining. Esverbessert Ausdauerleistung und Bela-stungstoleranz der Atemmuskulaturund führt zu einem geringeren Dys-pnoegrad.

Naturgemäß besitzt die Verhaltens-therapie in der pneummologischen Re-habilitation eine vorrangige Stellung[5]. Gemeint sind hier die Patienten-schulung mit dem Ziel gesteigerter Ei-genverantwortlichkeit und effektivenSelbstmanagements chronischer Atem-wegserkrankungen und die vielseitigenProgramme der Entwöhnungstherapie(z.B. Raucherentwöhnung).

Patiententraining ist heute ein fe-ster Begriff sowohl der ambulanten wieder stationären Behandlung von Pati-enten mit obstruktiven Atemwegser-krankungen geworden. Bereits in den80er Jahren konnten amerikanischeund westeuropäische Studien den Er-folg, vorwiegend bei Patienten mitAsthma brochiale, belegen.

Im deutschen Sprachraum sind dieUntersuchungen vor Jahren erfolgreichabgeschlossen worden. Danach führtein strukturiertes Patiententraining zurAbnahme von Krankenhausaufenthal-ten, zu verminderter Anzahl von Kran-kenhaustagen, geringerer Anzahl vonArbeitsunfähigkeitszeiten und zu einernennenswerten Kosteneinsparung.

Untersuchungen zum Effekt derRehabilitation anhand umfangreicherFunktionsparameter zeigten den ge-samthaften Erfolg der pneumologi-schen Rehabilitation an einer Verbesse-rung kardio-pulmonaler Meßgrößen.

dere Untersuchungen fanden eine ver-besserte Lungenfunktion mit erhöhtemSauerstoffpartialdruck.

Diese Form der Clearancesteige-rung ist um so effektiver, je stärker dieMukostase vor Anwendung war. Dem-entsprechend sind die Effekte schlech-ter bei geringen Schleimansammlun-gen und bei vorwiegender Hyperreak-tivität.

Ähnlich effektiv sind besondereFormen der krankengymnastischenAtemtherapie. So verbessern Packegriffund Kutschersitz, Lippenbremse undDehnungslagen die Thoraxbeweglich-keit und Atemtechnik und verbessernden O2- und CO2-Partialdruck.

Im Rahmen der häufig emotionellgeführten Diskussion um die Wirkungortsgebundener Kurmittel ist es inter-essant, die Wirkung der Inhalation mitSole aufzuführen. Die Inhalation vonz.B. Bad Reichenhaller Sole führt so-wohl in vivo als auch in vitro zu einerVerbesserung der mukoziliären Clear-ance durch eine Erhöhung der Ziliar-frequenz.

Eine wichtige erfolgreiche Wir-kung besitzt die Trainingstherapie. Einallgemeines Bewegungstraining, insbe-sondere bei obstruktiven Atemwegser-krankungen, führt zu einer Steigerungder Belastungstoleranz, Verbesserungder maximalen Leistungsfähigkeit undder Ausdauerleistungsfähigkeit sowieeiner Verbesserung der Lebensqualität.In der letzten Zeit ist eine spezielle Trai-ningsform in den Vordergrund getre-

Tabelle 5

Pneumologische ambulante Rehabilitation [nach 7]

Ziele:● Physiotherapeutische Begleittherapie: Einleitung vor oder Stabilisierung nach einer stationären

Rehabilitation● Patiententraining unabhängig von einer stationären Rehabilitation● Nachschulung nach einer stationären Patientenschulung● Gezielter Einbezug von Lebenspartnern (Erwachsenen) sowie Familie (bei Kindern und Jugend-

lichen) in ein Patiententraining● Gezielte, individuelle Rehabilitation in der Schule/am Arbeitsplatz unter Einbezug zuständiger

Behörden, Lehrer, Arbeitgeber● Präventive Rehabilitation durch das Ermöglichen einer geeigneten Berufswahl Jugendlicher● Stufenweise Reintegration am Arbeitsplatz bei gleichzeitig begleitender Rehabilitation● Rehabilitation für Patienten, die trotz Bedarf nicht einer stationären Rehabilitation zugeführt

werden können oder wollen● Rehabilitation für bereits berentete Patienten● Rehabilitation für sog. Randgruppen (Sprachprobleme, soziale Randgruppen usw.), sofern nicht zur

stationären Rehabilitation vermittelbar● Etablierung bzw. Erhaltung des Rehabilitationserfolges im Lebensraum des betroffenen Patienten

Tabelle 6

Mögliche Meßinstrumente zur Erfolgskontrolle [nach 1]

Medizinische Befunde

Erfassung des Funktionsstatus (Lebensqualität)● physische Leistungsfähigkeit● psychisches Wohlbefinden● soziale Integriertheit

Erfassung kostenrelevanter und sozial-medizinischer Daten● Arbeitsunfähigkeitszeiten● ambulante Behandlungskosten● stationäre Behandlung● Reha-Verlaufsstatistiken (Rentenzugang)

Überlebenskurven

Page 6: Pneumologische Rehabilitation

Der Internist 7·99 | 777

Pneumologische Rehabilitation führtzu einer Änderung und Erweiterungder Therapie. Ähnlich groß ist die Än-derung für den Vergleich von Einwei-sungs- und Entlassungsdiagnose. In30% aller Patienten kommt es zu einerDiagnoseerweiterung und in 23% zu ei-ner Diagnoseänderung. Der sozialme-dizinische Status der Patienten war bes-serbar. Am Ende der Rehabilitation wardie Arbeitsfähigkeit um 6% und dieeingeschränkte Arbeitsfähigkeit um 18%gestiegen.

Untersuchungen zum Langzeitver-lauf und zur Wirkung auf die Mortalitätliegen an ambulanten Rehabilitandenim angloamerikanischen Schrifttum vor.Sie belegen eine höhere Überlebensratebei Patienten, die ein Rehabilitations-verfahren durchliefen. Der Vergleichfunktionell gleich stark eingeschränk-ter Patientengruppen mit COLD zeigtenach Ablauf von 10 Jahren im Rahmeneines ambulanten Rehabilitationspro-gramms signifikante Unterschiede zwi-schen einer Gruppe mit und einerGruppe ohne Rehabilitationsmaßnah-men (Abb. 1) [4, 6].

Erste Ergebnisse über den Effektder deutschen pneumologischen Reha-bilitation im klassischen 4-Wochen-Verfahren wurden unlängst vorgelegt[1]. Danach zeigen Patienten mit ob-struktiven Atemwegserkrankungen ei-nen signifikant geringeren, jährlichen

qualität führt, ist jedoch durch ver-schiedene Untersucher profund belegt.

Zukunft der pneumologischenRehabilitation

Die Zukunft der pneumologischen Re-habilitation kann nicht gewürdigt wer-den ohne Hinweis auf eine wenig koor-dinierte und fast nicht kontrolliertezahlenmäßige Ausdehnung von Reha-bilitationsanbietern. Gleichzeitig wur-den die Ressourcen per Gesetzgebungverknappt.

Das daraus entstandene Problemeiner „rasenmäherartig“ einsetzendenZerstörung gewachsener Strukturen istadministrativ weder aufzuhalten nochsinnreich zu reparieren. Zweifelsohnehat die exorbitante Bettenerweiterungund die unglückselige Verwischungernsthafter Rehabilitationsziele und -inhalte mit „Kurlaub“ und „Wellness“selbst bei den Entscheidungsträgern ei-ne nebulöse Vorstellung davon entste-hen lassen, was sinnvoll einzusparenund behutsam weiter zu entwickeln ist.

Die pneumologische Rehabilitati-on wird sich daran messen, wie es ihrgelingt mit nachgewiesener Strukturund Prozeßqualität einer objektivenOutcomemessung zugängliche Erfolgezu erzielen. Richtungsweisende Arbei-ten sind getan und wurden zitiert, eineVielzahl von Forschungsaufgaben, ins-besondere in der Rehabilitationsakzep-

FEV1-Abfall im Vergleich zu unbehan-delten Patienten der gleichen Erkran-kungsgruppe. Gesamthaft ist durchpneumologische Rehabilitationen derFEV1 deutlich anhebbar (Abb. 2).

Wir wissen heute anhand einerVielzahl von Untersuchungen, daß Bes-serungen von Funktionsparameternnicht gleichzeitig gebesserte Alltags-tauglichkeit bedeutet. Daß Rehabilitati-on zu einer Verbesserung der Lebens-

0 10 40 7020 30 50 60 80

Abfall FEV1 in ml/a

EGKS /EGKS /

eigene /eigene /eigene /

BurrowsBurrowsFletcher

PostmaEmirgil

CannerKannerHughes

(1969)(1987)(1977)(1979)(1971)(1984)(1979)(1982)

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Abb. 1 m Überlebensrate in Prozent über einen Verlaufszeitraum von 10 Jahren. Gruppe A 46 Patienten mit ambulantem Rehabilitationsprogramm. Gruppe B 56 Patienten ohne Rehabilita-tionsprogramm. Die Überlebensraten der rehabilitierten Gruppe A sind signifikant besser [4]

Abb. 2 m Jährlicher mittlerer FEV1-Abfall getrennt in Gesamtgruppe, Männer und Frauen bei Gesunden und bei Patienten mit chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen ohne Rehabili-

tation verschiedener Untersucher. Darstellung des mittleren FEV1 (Mitte) der eigenen rehabilitierten 999 Patienten [4]

Page 7: Pneumologische Rehabilitation

schen und therapeutischen Standard ärzt-licher Betreuung und psychologischersowie psychosozialer Beratung ebensovoraus wie die Einsicht und Mitarbeit derPatienten. Patientenschulung und Verhal-tenstraining, Raucherentwöhnung, Alko-holentwöhnung, Gewichtsreduktion undAbbau von Streßfaktoren haben dabeigroße Bedeutung.

Die medikamentösen, apparativen,sport-, bewegungs- und psychotherapeu-tischen Maßnahmen müssen begleitetwerden von der sozialmedizinischenLeistungsbeurteilung unter besondererBerücksichtigung der Fragen, ob und inwie weit die betreffenden Rehabilitandenleistungs-, berufs- und erwerbsfähig sindoder bleiben können.

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tation – Was bringt sie wirklich?Präv-Rehab 7 [Suppl 1]: 40–45

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Übersicht

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tanz und der Interventionsforschungmit Kostennutzenanalysen sind zu tun.

Wesentliche Aufgabe der Vertreterder pneumologischen Rehabilitationmuß es jedoch sein, das Image und dieIdentität dieser wesentlichen Behand-lungsform in die Breite zu tragen. Reha-bilitation genießt in breiten Ärztekrei-sen wenig Reputation. Dies ist sicher-lich eine Folge mangelnder Detailinfor-mation, denn Rehabilitation ist keinLehrfach für Medizinstudenten und inder pneumologischen und internisti-schen Weiterbildung von jungen Ärztenunterrepräsentiert.

Weiter entscheidend für die Zu-kunft der pneumologischen Rehabili-tation ist das Implementieren einesverzahnten Systems, das den Patientenin allen Altersphasen und Schweregra-den seiner chronischen Krankheit be-gleitet. Hierzu zählen insbesondere dieHausärzte, die Pneumologen als Fach-ärzte, die Versorgungskrankenhäuser,die Fachkliniken und Abteilungen, dieUniversitätskliniken und die Rehabili-tationskliniken.

Zusammenfassung

Pneumologische Rehabilitation bedeu-tet die zielgerechte Evaluation und dasMonitoring von Beeinträchtigungen alsFolge einer Erkrankung der Atmungs-organe mit dem Ziel, die Leistungs-schwächen in den physischen und psy-chischen Symptome zu lindern, diebestmögliche funktionelle Leistungsfä-higkeit wiederherzustellen und die so-ziale Reintegration zu fördern.

Für die pneumologische Rehabi-litation steht die Gesamtheit wissen-schaftlich begründeter Diagnostik undTherapie für Personen mit respiratori-scher Gefährdung oder Erkrankung zurVerfügung. Sie muß mit dem erforderli-chen zeitlichen Aufwand, deren Abhän-gigkeit vom Schweregrad der Erkran-kung flexibel zu gestalten ist, erfolgen.Entscheidend für den Erfolg ist die di-rekte Abstimmung zwischen Rehabili-tanden, zuweisendem Arzt, Kostenträ-ger und Rehabilitationsklinik.

Es existieren in Deutschland her-vorragende Strukturen der stationärenpneumologischen Rehabilitation mitbemerkenswerter Struktur und Prozeß-qualität. Eine wohnortnahe, ambulanteRehabilitation befindet sich erst imAufbau.

Pneumologische Rehabilitationschließt eine psychophysiologische undpsychosoziale Diagnostik ein neben derklassischen pneumologischen Diagno-stik, beinhaltet ein integrales Konzepttherapeutischer Maßnahmen mit medi-kamentöser, physikalischer und Verhal-tenstherapie. Sie schließt mit einer de-zidierten sozialmedizinischen Leistungs-beurteilung ab. Wichtige Elemente derpneumologischen Rehabilitation sinddie physikalische Therapie mit balneo-,Hydro-, Sport-, Bewegungs- und Inha-lationstherapie, des weiteren die psy-chosoziale Rehabilitation,Patientenschu-lung, Patientenverhaltenstraining undSozialberatung.

Die Effizienz der pneumologi-schen Rehabilitation ist in einer Viel-zahl von Studien des internationalenund nationalen Schrifttums belegt.Danach führen Einzelmaßnahmen derpneumologischen Rehabilitation zueiner Verbesserung der Leistungsfä-higkeit, der Lebensqualität und dessozialmedizinischen Status. Einzelun-tersuchungen belegen eine Lebensver-längerung.

Weitere Studien müssen diesen Be-fund speziell für die deutsche Rehabili-tation untermauern. Die pneumologi-sche Rehabilitation befindet sich der-zeit in einer strukturellen Krise, die nurüberwunden werden kann, wenn dieIdeen dieser integralen Maßnahme indie Handlungsweise der niedergelasse-nen und in der Akutversorgung tätigenÄrzte implementiert werden kann. Diesist vorrangige Aufgabe der Vertreter derpneumologischen Rehabilitation sowieder Berufsverbände und medizinischenGesellschaften.

Fazit für die Praxis

Das allgemeine Ziel der pneumologischenRehabilitation ist die Verhinderungund/oder Verminderung jeder Einschrän-kung oder jeden Verlustes der Fähigkeitenund Aktivitäten, die für einen Menschenaltersmäßig als normal angesehenwerden. Dies setzt einen hohen diagnosti-