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34 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 340. 1965 Polarographisches Verhalten von Organoderivaten des Arsens und Phosphors. I Zur Polarographie der Carboxyalkylphosphine Von K. ISSLEIB und H. MATSCHINER Mit 9 Abbildungen Inhaltsiibersicht Es wurde die Katalyse der Wasserstoffabscheidung durch Carboxyalkylphosphine in gepufferten und ungepufferten Losungen untersucht. Die katalytischen Wellen der (C,H,),PCH,-COOH werden mit der Bildung und Entladung der Phosphoniunisalze (C6Hj)pP+- CH, - COO- und (C6Hj),P+- CH, -COOH erklart. I H I H Summary The catalysis of hydrogen evolution by carboxyalkylphosphines in buffered and un - buffered solutions was studied. The catalytic waves of (C,H,),P-CH,-COOH are explained as results of the formation and discharge of phophonium salts (C,H,),P+-CH,-COO- and ( C6H5),P+- CH,-COOH. 1 I H H Uber die durch Organo-Stickstoff-Verbindungen bedingte katalgtische Wasserstoffabscheidung an der Hg-Tr~pfelektrodel-~) und den hier zu- grundeliegenden, in1 wesentlichen aufgeklarten Elektrodenvorgang 5)6) wurde wiederholt berichtet. Obwohl ahnliche Effekte auch von Phosphor-organo- verbindungen auf Grund der Reaktionsweise bzw. Basizitat des dreibindigen Phosphors zu erwarten sind, wurden entsprechende Untersuchungen bisher R. BRDI~KA, 2. pbysik. Chem. (Sonderheft) 165 (1958). ,) M. B ~ ~ E Z I N A u. P. Zunra~, Die Polarographie in der Medizin, Biochemie und Phar- 3) M. V. STACKELBERG u. H. FASSBENDER, Z. Elektrochem., Ber. Bunsenges. physik. 4, M. v. STACKELBERG, W. HANS u. W. JENSCH, Z. Elektrochem., Ber. Bunsenges. 5) S. G. MAIRANOVSRII, J. electroanalyt. Chem. [Amsterdam] 6, 77 (1963). 6) H. W. NUENBERG, Advances in Polarography, Pergamon Press, London 1960, p. 694. mazie, Leipzig 1956. Chem. 62, 834 (1958). physik. Chem. 62, 839 (1958).

Polarographisches Verhalten von Organoderivaten des Arsens und Phosphors. I. Zur Polarographie der Carboxyalkylphosphine

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34 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 340. 1965

Polarographisches Verhalten von Organoderivaten des Arsens und Phosphors. I

Zur Polarographie der Carboxyalkylphosphine

Von K. ISSLEIB und H. MATSCHINER

Mit 9 Abbildungen

Inhaltsiibersicht Es wurde die Katalyse der Wasserstoffabscheidung durch Carboxyalkylphosphine in

gepufferten und ungepufferten Losungen untersucht. Die katalytischen Wellen der (C,H,),PCH,-COOH werden mit der Bildung und Entladung der Phosphoniunisalze (C6Hj)pP+- CH, - COO- und (C6Hj),P+- CH, -COOH erklart.

I H

I H

Summary The catalysis of hydrogen evolution by carboxyalkylphosphines in buffered and un -

buffered solutions was studied. The catalytic waves of (C,H,),P-CH,-COOH are explained as results of the formation and discharge of phophonium salts (C,H,),P+-CH,-COO- and ( C6H5),P+- CH,-COOH. 1 I H

H

Uber die durch Organo-Stickstoff-Verbindungen bedingte katalgtische Wasserstoffabscheidung an der Hg-Tr~pfelektrodel-~) und den hier zu- grundeliegenden, in1 wesentlichen aufgeklarten Elektrodenvorgang 5)6) wurde wiederholt berichtet. Obwohl ahnliche Effekte auch von Phosphor-organo- verbindungen auf Grund der Reaktionsweise bzw. Basizitat des dreibindigen Phosphors zu erwarten sind, wurden entsprechende Untersuchungen bisher

R. BRDI~KA, 2. pbysik. Chem. (Sonderheft) 165 (1958). ,) M. B ~ ~ E Z I N A u. P. Z u n r a ~ , Die Polarographie in der Medizin, Biochemie und Phar-

3) M. V. STACKELBERG u. H. FASSBENDER, Z. Elektrochem., Ber. Bunsenges. physik.

4, M. v. STACKELBERG, W. HANS u. W. JENSCH, Z. Elektrochem., Ber. Bunsenges.

5) S. G. MAIRANOVSRII, J. electroanalyt. Chem. [Amsterdam] 6, 77 (1963). 6 ) H. W. NUENBERG, Advances in Polarography, Pergamon Press, London 1960, p. 694.

mazie, Leipzig 1956.

Chem. 62, 834 (1958).

physik. Chem. 62, 839 (1958).

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nicht durchgefuhrt ’)”. Im folgenden sollen daher erste Ergebnisse dieser Art unter Verwendung der Carboxyalkylphosphine, die gegeniiber anderen Derivaten des dreibindigen Phosphors wasserloslich sind, mitgeteilt werden.

I n Abhangigkeit von der Konzentration des Natrium-carboxymethyl- diphenylphosphins (I) treten in Salzsaure bei Anwesenheit von KC1 als

Abb. 1. Konzentrationsabhangigkeit von (C,H,),P-CH,-COOKa (I). Zu 20 ml 0,002 m HCl in 1 m KCl werden 0, l ml, 0,2 ml, 0,3 ml, 0,4 ml und 0,7 ml einer 0,0036 m Losung von

I gegeben. Spannungsbcginn -0,7 V

Leitsalz je nach Protonen- und Depolarisatorkonzentration vor der ur- sprunglichen Wasserstoffstufe mehrere Wellen auf (siehe Abb. 1).

Schon nach Zugabe von 8 . 1 0 F m I beobachtet man eine Dampfung des Stroinungs- inaximums der Wasserstoffstufe und eine Vorwelle bei etwa -1300 mV (Potential bei maxi- malem Grenzstrom). Letztere wachst mit steigender Depo- larisatorkonzentration zunachst linear an und strebt bei hoheren Konzentrationen von I als 5 . 10-5 m einem Grenz- wert zu. Gleichzeitig treten bei -950 mV mit etwa -1100 mV zwei weitere Wellen auf, dic um 80 besser aus- gebildct sind, je tiefer die Tempcratur der MeBlosung ge- Hahlt wird. Auch sie vergroaern sich mit steigender Depo- larisatorkonzentration bis zum Grenzwert.

Die Abhangigkeit der Wellenhohe von der Protonenkonzentration ist aus Abb. 2 ersichtlich. Wahrend die bei -950 mV gelegene Stufe mit sinkender Behalterhohe wachst, sind die beiden anderen Wellen nahezu unabhangig von der Be- halterhohe. Die ursprungliche Wasserstoffstufe dagegen ist rein diffusionsbedingt.

Oberflachenaktive Stoffe, wie beispiclsweise Gelatine, beeinflussen entscheidend Hohe und Form der einzelnen Stufen. Unter den genannten Versuchsbedingungen ent- sprechend Abb. 1 verkleinern sich durch Anwesenheit von Gelatine die Stufen bei -950mV und -1100mV und werden schlieljlich vollig unterdriickt. Dagegen vergroBert

40 -

30 -

20 -

70 -

X‘

Abb. 2. EinfluB der Saure- kcnzentration auf diewellen - hohe von I. Konzentration

von I = 1 . m

7, V. V O ~ I R , Collect. czechoslov. chem. Commun. 26, 289 (1961), 8, K. ISSLEIB u. H. THOMAS, Chem. Ber. 98, 803 (1960).

3*

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sich die Stufe bei -1300 mV, was gleichfalls fur den Minimumstrom zw-ischen dieser Stufe und der ursprunglichen Wasserstoffwelle (vgl. Abb. 3) zutrifft.

Auch in Pufferlosungen zeigt I ein analoges polarographisches Verhalten.

Abb. 3. EinfluIJ von Gelatine auf die Wellen des I. 0.0023 m HCl in 1 m KC1,1,2 . lo-lrn I. Gelatinekonzentration: 1: 0; 2:0,00230/6; 3:0,0047'70; 4: 0.0094%

So ist zunachst im alkalischen Bereich - p H 7,5 - nur ein spitzes Maximum bei -1300 mV vorhanden, das mit steigendem pH-Wert in Form einer Dissoziationskurve ab-

fallt und schliefilich bei groUeren pH-Werten als 9 vollig i [ P A l verschnindet.

/% Die Abhangigkeit der Wellenhohe von der 4 Depolarisatorkonzentration bei konstanter Pufferkapazitat sowie konstantem pH-Wert zeigt den in Abb. 4 dargestellten Verlauf.

t i //

Y ! I < * Die Wellenhohe ist im pH-Bereich von 9 bis 7 nahezu ' 5x'0-''n unabhangig von der Behalterhohe, sie vergrooert sich aber Abb. 4. Abhangigkeit des kata- bei kleineren pH-Werten mit sinkender Behalterhohe wie lytischen Grenzstromes von aus Abb. 5 fur diese von 1. = 120,5 em, 2. = 107,8 em, der Depolarisatorkonzentra- 3. = 91,O ern und 4. = 73,5 ern zu erkennen ist. tion. Testalpuffer pH = 7, Gleichzeitig bildet sich vor dem Maximum bei

0 , l m KCI, 0.005% Gelatine -1300 mV, dessen Hiihe ab pH = 5,4 konstant bleibt, ein zweites bei etwa -1000 mV aus. Es wachst mit stei-

gender Protonenkonzentration stark an und erreicht ab pH = 4,O einen Grenzwert,. Die Verhaltnisse sind aus Abb. G ersichtlich.

ID

Abb. 5. Abhangigkeit der Stufen von I in 0,2 m Acetatpuffer (pH = 5,s) von der Behalter- hohe. 1:120,5 em; 2:107,8cm; 3:91 cm; 4:73,5 cni

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SchlielJlich sind die Wellenhohen von I temperaturabhangig (vgl. Abb. 7) .

A

30

20 - $5 50 t5 p n

Abb. 6. pH-Abhangig- keit der Stufen von I in

0,2 m Acetatpuffer

, , , * 20' 30' 40' c

Abb. 7. Temperatur- abhangigkeit der Wellen von I in 0,2 m

Scetatpuffer (pH = 5,4).

1. Stufe: -1300 mV -0-;

2. Stufe: -1100 mV - x -

Abb. 9. Elektrokapillar- kurve im Acetatpuffer p H = 4,Z; 0,6 m KC1

Zusatz von 1 . 10-3 m Abb. 8. Oszillopolarogramm von - x -x - .

1 . m I in Acetatpuffer (pH == 1,2) und 0,6 m KCI (C,H,),PCH2 - COOH

So verkleinert sich bei konstantem p H die Stufe bei -1100 mV mit steigender Tem- peratur, wahrend sich die ursprungliche bei -1300 mV im gleichen MaDe vergrol3ert. Einen Bhnlichen EinfluS iibt auch Gelatine aus und beim Potential der Maxima wird auf der Elektrode eine schwache Gasentwicklung beobachtet.

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Oszillopolarographisch BuBert sich I durch inehrere Einschnitte auf den dE - = f (E)-Kurven (vgl. Abb. 8). dt

Der bei etwa -1 ,O V gelegene breite Einschnitt - erhaltlich in verdunnten Sauren und sauren Pufferlosungen, eignet sich besonders fur quantitative oszillographische Bestimmun- gen der Carboxyalkylphosphine.

Unter den genannten Bedingungen ist eine besonders starke Depression der Elektrokapillarkurven zu beobachten, wie dies Abb. 9 nach Zusatz von 1 10-3 m I ausweist.

-4ndere Carboxyalkylphosphine wie

C6H5\ :P-CH,-COOH oder H,P-CH(CH,) -COOHg)

H /

zeigen ein I ahnliches polarographisches Verhalten und es sol1 demnachst daruber berichtet werden.

Diskussion der Ergebnisse

Die Abhangigkeiten der Wellenhohe von der Depolarisatorkonzentration, vom pH-Wert der Losung, der Pufferkapazitat und von der Behalterhohe sprechen fur kinetische Elektrodenvorgange, insbesondere fur eine kataly- tische Wasserstoffabscheidung. Wie die Untersuchungen in verdunnten Xauren zeigen, werden die Phosphoniumionen bei wesentlich positiveren Potentialen reduziert als die H,O+-Ionen.

Fur die katalytische Wasserstoffabscheidung ist a priori dreibindiger Phosphor und damit die Quartarsalzbildung gemaB

P + H + t [ Pi-H]

Voraussetzung, so daB Phosphoniumsalze [R,P]+X diese Effekte nicht zei- gen lo). Der Elektrodenvorgang in alkalischen Pufferlosungen ist somit wie folgt zu formulieren :

1. (C,H5),P-CH2-COO- -1 H+ (C6H5),P+ -CH,-COO I H

2. (C,H,),P+-CH,-COO- + e-- + (C,H,),P-CH,-COO I

H I

H

3. 2 (C,H,),P--CH,-COO- + H, + 2 (C,H,),P-CH,-COO--. I

H

g, K. ISSLEIB, R. KUMMEL u. H. ZIIMERNIANN, Angew. Chem. 75,172 (1965). lo) L. HORNER, F. ROTTGER u. H. FUCHS, Chem. Ber. 9F, 3141 (1963).

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Carboxyalkylphosphine liegen in Pufferlosungen (pH = 6), wie potentio- metrische Messungen zeigen 11), zum gro13en Teil protonisiert vor. Auf Grund der pK-Werte beispielsweise von (C,H,),-P -CH, -COOH (pK, > 2,6 und pK, = 5,97 in wagrigem Athanol) sollte sich zunachst eine Zwitterstruktur bilden. I m Gegensatz dazu fallt aber schon aus einer 5 . lop2 m Losung von I nach Ansauern (pH = 4) die freie Saure aus, die sich bei hoheren Tempera- turen und starkeren Ansauern wieder auflost.

Demzufolge ist in diesem pH-Bereich ein Gleichgewicht zwischen der Zwitterstruktur und der freien Saure anzunehmen.

(C,H,),P+-CH, -COO- (C,jH,),P-CH,-COOH. I

H

Die freie Saure wird offensichtlich an der Elektronenoberflache stark adsor- biert und es kommt zur Ausbildung von , ,Oberflachenstromen". Unter dieser Annahme konnten die Stufen bei -950 mV und -1100 mV gedeutet wer- den, denn infolge der Adsorption wird einerseits die Depolarisatorkonzentra- tion an der Elektrode erheblich vergrofiert und andererseits die Aktivie- sungsenergie der Durchtrittsreaktion herabgesetzt, das zu einer Positivie- rung des Abscheidungspotentials fiihren mu13 12).

Experimenteller Teil Zur Aufnahme der Stromspannungskurven dient ein Polarograph OH-101 der Firma

Radelkin, Ungarn. Fur die oszillographischen Untersuchungen wird das Polaroskop P 576 verwendet. Die Kapillare der Hg-Tropfelektrode besitzt bei 113 cm Behalterhohe folgende Eigenschaften :

Quecksilberausfluljgeschwindigkeit m = 2,42 mg/sec.

Tropfzeit t = 2,37 see bei OV in einer 0 , l m KC1-Losung.

Alle Messungen werden infolge der groI3en Luftempfindlichkeit der zu untersuchenden Substanzen in Argonatmosphare und nach der hierfiir iiblichen anaeroben Arbeitstechnik durchgefiihrt l l) . Als Meljzelle dient ein nach RUSINA modifiziertes KALOUSEK-Gefalj mit getrennter gesattigter Kalomelelektrode 13).

11) K. ISSLEIB u. G. THOMAS, Z. anorg. allg. Chem. 330, 295 (1964). 12) H. W. NURNBERG, Dissertation Bonn 1953. 13) A. RUSINA, Chem. Listy 67, 1070 (1963).

H a l l e (Saa le) , Institut fur Anorganische Chemie der Martin-Luther- Universita t .

Bei der Redaktion eingegangen am 20. Marz 1965.