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Eine Partei baut sich um Inszeniert Die Politik setzt immer stärker auf Youtube-Filme als Kommunikationskanal PRAXIS 46 Kalkuliert Vor der Wahl setzte Polens Opposition auf Ressentiments – ohne Erfolg INTERNATIONAL 38 www.politik-kommunikation.de Helios Media GmbH | ISSN 1610-5060 | Ausgabe 07/11 | November 2011 | 7,20 Euro

politik & kommunikation

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November 2011

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InszeniertDie Politik setzt immer stärker auf Youtube-Filme als Kommunikationskanal PRAXIS 46

KalkuliertVor der Wahl setzte Polens Opposition auf Ressentiments – ohne Erfolg INTERNATIONAL 38

www.politik-kommunikation.de Helios Media GmbH | ISSN 1610-5060 | Ausgabe 07/11 | November 2011 | 7,20 Euro

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DIE BESTEN DER BESTENAm 14. Oktober war Einsendeschluss beim Politikaward, dem von politik&kommunikation verliehenen Preis für besondere Leistungen auf dem Feld der politischen Kommunikation. Bei Redaktionsschluss stand die von der Jury per Abstimmung ge-bildete Shortlist noch nicht fest, doch war eines erkennbar: In diesem Jahr ist der Grad der Innovation im Bereich Kampagne besonders hoch, möglicherweise höher als im Jahr der Bundes-tagswahl 2009. Wer am Ende die Sieger sein werden, erfahren Sie am 28. November, wenn bei der Gala zum Politikaward die Preise verliehen werden. Tagsüber haben die Nominierten zum ersten Mal „live“ vor der Jury präsentiert. Wir sind gespannt!

GEFÄHRLICHE ZEITEN18. Oktober Wir waren in der Sitzungswoche zu Gast im Paul-Löbe-Haus, um mit SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles über die geplante Reform der SPD zu sprechen. Dabei zeigte Nahles sich betont zuversichtlich, was die Chancen ihrer Partei angeht,

bei der Bundestagswahl 2013 wieder in die Regie-rung zu kommen. Gefragt, ob der Regierungswech-sel 2013 denn womöglich schon ausgemachte Sache sei, sagte sie: „Ich will nicht überheblich wirken, aber die Gefahr ist größer geworden, dass wir schnell wieder an die Regierung kommen.“ Die derzeitigen Regierungsparteien dürfen sich derweil mit Hölder-lin trösten, der bekannt-lich sagte: „Wo aber Gefahr ist, da wächst das Rettende auch.“ Wer dann 2013 mög-

licherweise der vierte SPD-Bundeskanzler wird, hat uns Nahles leider nicht verraten. Vielleicht hätten wir uns dafür besser auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt treffen – oder den „Spiegel“ lesen sollen, dessen Leser bekanntlich mehr wissen. Das Inter-view mit Andrea Nahles lesen Sie übrigens auf Seite 20.

OFFENSIVER VERTEIDIGUNGSMINISTERAm 20. Oktober herrschte Feierstimmung im „Stern“-Haupt-stadtbüro. Der Grund: Magazin hatte zu seiner „Feierabend“-Büroparty geladen, und auch p&k war zu Gast. Wer sich durch die engen Gänge des Büros kämpfte, traf unter anderem auf Ar-beitsministerin Ursula von der Leyen, SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sowie Berlins weiterhin Regierenden Bürger-meister Klaus Wowereit. Später am Abend schaute auch Vertei-digungsminister Thomas de Maizière (Foto links) vorbei. Doch der 56-Jährige konnte sich nicht etwa entspannt mit einem Bier zurücklehnen und sich ein wenig unterhalten: Der Wehrbe-auftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus (Foto Mitte),

Redaktionstagebuch

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drängte den Minister dazu, mit ihm eine Runde Kicker zu spie-len. Königshaus’ an-fängliche Kicker-Eu-phorie wurde jedoch jäh gestoppt, denn eine Redakteurin von „Stern.de“ erwies sich für die Politiker als übermächtige Gegnerin. Die junge Journalistin drosch die Bälle mit einer solchen Wucht in Richtung Tor, dass de Maizière und Königshaus schnell zurücklagen. Ein Alternativplan musste her. Königshaus: „Herr Minister, wir müssen wechseln.“ Also ging der Verteidigungsminister in die Offensive und Königshaus ver-suchte sich als Torhüter. Das CDU/FDP-Duo konnte den Rück-stand verkürzen – an der Niederlage führte jedoch kein Weg vor-bei. De Maizière nahm es mit Humor. Zum Abschied sagte er zur von allen Seiten bewunderten Kickerspielerin: „Besonders aus-füllend kann Ihr Job aber nicht sein.“

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Kompakt

Vor 50 Jahren hat die damalige Bundes-regierung das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenar-beit gegründet. Zum Jubiläum hat Staats-sekretär Hans-Jürgen Beerfeltz (FDP) Ende Oktober in Berlin einen Image-film vorgestellt, Titel: „Mein Name ist Zukunft“. Produziert haben den Zwei-minuten-Clip, der aus animierten Bil-dern besteht, Studenten der Filmaka-demie Baden-Württemberg. Der Film soll das geänderte Selbstverständnis deut-scher Entwicklungspolitik verdeutlichen, so Beerfeltz: Weg vom „Bild des solidari-schen Gutmenschentums, das von einer überschaubaren Schar von Idealisten umgesetzt wird“, hin zu einem Verständ-nis gleichberechtigter Kooperation.www.bmz.de

Kompakt

BUNDESENTWICKLUNGSMINISTERIUM

Imagefilm zum Fünfzigsten

Schulbildung in Afrika: ein Anliegen des BMZ

Screenshot der Webseite (links) und deren Initiatoren: Guido Knopp und Hans-Ulrich Jörges (rechts)

Nichtwähler hätten bei 14 der 17 bisherigen Bundestagswahlen eine andere Partei in die Regierung brin-gen können – wären sie zur Wahl gegangen. Zu diesem Ergebnis kom-men Ulrich Kohler vom Wissen-schaftszentrum Berlin für Sozial-forschung und Richard Rose von der Universität Aberdeen. Sie haben den Kohler-Rose-Index entwickelt, der den Einfluss der Nichtwähler bei Wahlen ermittelt. So lag die SPD bei der Bundestagswahl 2009 mit 23 Prozent zwar abgeschlagen auf Platz zwei. Dem Index zufolge wäre die Partei jedoch als stärkste Kraft aus der Bundestagswahl hervorgegan-gen, wenn die Hälfte der Nichtwäh-ler für sie gestimmt hätte.

NICHTWÄHLER

Entscheidend

Anfang Oktober haben das ZDF und das Nachrichtenmagazin „Stern“ das Geschichtsportal „Gedächtnis der Nation“ gestartet. In Berlin erklärten Guido Knopp, Leiter der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte, und Hans-Ulrich Jörges, Mitglied der „Stern“-Chefredaktion, die Ziele des neuen Online-Portals. Mittels Zeitzeugen-Interviews soll das Projekt, bei dem Bundespräsident Christian Wulff Schirmherr ist, die deutsche Geschichte

des 20. und 21. Jahrhunderts nachzeich-nen. „Eine Nation, die ihr Gedächtnis ver-liert, ist verloren“, sagte Kulturstaatsmi-nister Bernd Neumann (CDU), der das Portal als Kuratoriumsvorsitzender unter-stützt. Im Zentrum des Archivs steht die Webseite „gedaechtnis-der-nation.de“, auf der sich Nutzer über die wichtigsten politischen und gesellschaftlichen Ereig-nisse seit 1910 informieren können. Zur-zeit umfasst das Geschichtsportal rund

100 Kurzfilme und etwa 1600 Zeitzeugen-Interviews. Auf einem Youtube-Kanal haben Nutzer die Möglichkeit, eigene Interviews hochzuladen. Das Projekt ist zunächst auf vier Jahre angelegt und ver-fügt über einen Etat von etwa zwei Millio-nen Euro. Neben den Initiatoren ZDF und „Stern“ unterstützen die Bertelsmann-Stif-tung, Daimler, Gruner+Jahr, Google und die Robert-Bosch-Stiftung das Projekt.www.gedaechtnis-der-nation.de

GESCHICHTE

Deutschland erinnert sich

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BMZ

Kompakt

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Schwere Folgen hatte ein Twitter-Eintrag für Daniel Mack, einen grünen Lokal-politiker in Hessen: nämlich einen Streit, der in Macks Rücktritt als stellvertreten-der Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Main-Kinzig-Kreis gipfelte. Als ein Grüner und ein SPD-Politiker im Sep-tember zu Beigeordneten im Kreistag gewählt wurden, beantragte die CDU, die Wahl wegen eines Formfehlers zu annu-lieren. Die Rechtsaufsicht stimmte zu. Als Mack twitterte, dass er keinen Grund für

eine Wiederholung der Wahl sehe, untersagten die Grü-nen ihm jedwede persönliche Äußerung zu dem Thema im Internet, die nicht mit der Partei abgestimmt ist. Mack trat darau�in von seinem Amt zurück. Seitdem scheint das Tuch zwischen Mack und dem grünen Kreisverband zerschnitten: Gegenüber p&k erklärte der Jungpolitiker, dass die Ursache des Kon-

flikt vor allem im unter-schiedlichen Verständnis politischer Kommunika-tion begründet liege. „Auf kommunaler Ebene wird das Netz von allen Par-teien unterschätzt.“ Trotz-dem ist Mack sich sicher, dass die Grünen auf Bun-desebene die Partei mit

der höchsten Netzkompetenz sind.www.danielmack.de

Das einstige Startup-Unternehmen Facebook ist endgültig in Deutsch-land angekommen: Der Milliarden-Konzern ist dem deutschen Bran-chenverband Bitkom beigetreten. Zudem professionalisiert Facebook derzeit seine Lobbyarbeit in Brüs-sel – die ehemalige SPD-Europaab-geordnete Erika Mann leitet dort ab sofort ein Lobby-Büro.

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PARTIZIPATION

Von den Piraten lernenFACEBOOK

Gefällt BitkomIn Hamburg punkten derzeit ausnahms-weise mal nicht die Piraten mit dem Thema politische Online-Partizipation, es tun sich derzeit vielmehr die Linken damit hervor: Die Vizepräsidentin der Bürgerschaft und Linken-Politikerin Kersten Artus hat jetzt die Bürger dazu aufgerufen, online an einer Großen An-frage mitzuarbeiten, die sie dann in den Hamburger Senat einbringen möchte.

Darin geht es um die Frage, ob der Senat eine Social-Media-Strategie verfolgt und wenn ja, welche. Unterstützt wird das Projekt vom Institut für Kommunika-tion in den sozialen Medien und dem Blog „Hamburger Wahlbeobachter“. Das Projekt soll thematisieren, wie eine Regierung „sich befähigt, interaktiv zu kommunizieren“, so Artus.http://wahlbeobachter.blogspot.com

Schmälert das neue Parteiprogramm der Linken die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung?

Schmidt macht sich für Steinbrück stark: Verbessert das dessen Chancen auf die Kanzler-Kandidatur?

Occupy-Bewegung auch in Deutschland: Werden die Proteste politische Entscheidungen beeinflussen?

Jetzt mal ehrlich: Blicken Sie bei der Euro-Rettung noch richtig durch?

Die SPD stellt sich neu auf: Kann die Parteireform den Mitgliederschwund stoppen?

EXPERTEN-

TIPP

TWITTER

Rücktrittsgrund in 140 Zeichen

Polit-Twitterer Daniel Mack

Wolfgang Ismayr(Uni Dresden)

Ulrich Sarcinelli(Uni Koblenz-

Landau)

Ulrich vonAlemann

(Uni Düsseldorf)

Karl-Rudolf Korte (Uni Duisburg-

Essen)

Wichard Woyke(Uni Münster)

Uwe Jun(Uni Trier)

Peter Lösche(Uni Göttingen)

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Kompakt

E-GOVERNMENT

Deutsche informieren sich seltenDeutsche Internet-Nutzer machen nur selten von E-Government-Angeboten Gebrauch – gerade einmal 40 Prozent greifen darauf zurück. Zum Vergleich: In Schweden und Österreich tun das bei-nahe 70 Prozent. Auch die Nutzung von Mitmachplattformen bleibt in Deutsch-land bislang hinter den Erwartungen zurück. Das geht aus dem E-Govern-ment-Monitor 2011 hervor. Für die Stu-die hatten die Initiatoren – darunter die Initiative D-21 und die Forschungskoo-peration Institute for Public Informa-tion Management (Ipima) – jeweils 1000 Internet-User in Deutschland, Groß-britannien, Schweden und Österreich befragt. Dabei zeigten sich die deutschen User mit den nationalen E-Government-Angeboten durchaus zufrieden. Dass sie diese trotzdem so selten nutzen, führten Vertreter von D-21 und Ipima auf dem Open Government Camp Ende Sep-tember in Berlin auf Marketingprobleme zurück. Die Macher der Studie nutz-ten die vom Government-2.0-Netz-werk organisierte Veranstaltung, um die Ergebnisse des E-Government-Monitors vorzustellen.www.initiatived21.deQuelle: Initiative D-21(Alle Angaben in Prozent)

Eine Rahmenvereinbarung zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) aus dem Jahr 2006 könnte dafür sorgen, dass der Deutsche Handball-bund (DHB) seine Trikots und Brie�öpfe neu bedrucken muss. Da in der Vereinbarung festgeschrieben ist, dass der Bundesadler als Hoheitszeichen der Bundesre-publik nur deutlich getrennt vom Verbandsemblem gezeigt werden darf, wird nun über das Logo des DHB diskutiert. Dieses besteht nämlich aus eben jenem Adler, umrandet von einem Doppelkreis und einem Schriftzug. Ein Spre-cher des Bundesinnenministe-

riums bestätigte gegenüber p&k, dass das Ministerium derzeit das Logo des DHB darau�in prüft, ob es gegen die Vereinba-rung verstößt und gegebenenfalls Sankti-onen nötig werden. Eine „rechtswirksame Androhung“ gebe es aber noch nicht.

SPORT-TRIKOTS

Bundesadler muss alleine bleiben

Handball-Weltmeister 2007: Damals noch mit Bundesadler

In Deutschland und Österreich haben Bürger wenig Chancen, Ein-sicht in Behörden-Akten zu neh-men, in Serbien, Indien und Aserbaid-schan dagegen sehr hohe. Zu diesem Schluss gelangen die spanische Men-schenrechtsorganisation Access Info Europe und das kanadische Cen-tre for Law and Democracy in einer gemeinsamen Studie. Die Organisatio-nen verglichen die Gesetze zur Akten-einsicht in 89 Ländern anhand von 61 Indikatoren, zum Beispiel der Reich-weite des Informationsanspruchs, berichtet „Heise Online“. Die mögli-che Höchstpunktzahl war dabei 150. Deutschland erreichte als fünftletzter Staat 54 Punkte, Österreich ist mit 39 Zählern Schlusslicht. Ähnlich schlecht wie Deutschland schnitten die skandi-navischen Staaten ab. Der Bundesbe-auftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, nahm die Studie zum Anlass, an die Politik zu appellieren: Sie solle „dem freien Informationszugang hohe Priori-tät einräumen“. Es gebe in Deutschland zu viele Ausnahmeregelungen, auf-grund derer Behörden die Herausgabe von Dokumenten verweigern könnten.www.rti-rating.org

INFORMATIONSFREIHEIT

Vorbild Serbien

Die Arbeitsgruppe „Demokratie“ der SPD-Bundestagsfraktion fordert ein Verbot von Nebenjobs für Parlamenta-rier. Außerdem will sie Parteispenden von Firmen und Verbänden untersa-gen sowie ein Lobbyregister einführen. Das geht aus einem internen Papier der Arbeitsgruppe mit dem Titel „Demo-kratie erneuern, Demokratie leben“ hervor. Mit den Forderungen wollen die Sozialdemokraten gegen Politikverdros-senheit in Deutschland vorgehen. Auch wollen die Mitglieder der Arbeitsgruppe in jeder Fragestunde des Bundestags fünf „Bürgerfragen“ zulassen. „Die Frage selbst wird vom antwortenden Regie-rungsmitglied verlesen und mündlich beantwortet“, schreibt die Gruppe um den Abgeordneten Hans-Peter Bartels in ihrem Papier.

SPD

Mehr Transparenz

E-Government-Nutzer in der Online-Bevölkerung

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werde das aber nicht mehr tun

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Nutzung von Online-Beteiligungsverfahren in Deutschland

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Kompakt

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Die Freien Wähler Bayern wollen zur Bundestagswahl 2013 antreten. Dafür sprachen sich rund 80 Pro-zent der Delegierten auf der Lan-desversammlung Ende September aus. Die Vernunft habe sich durch-gesetzt, kommentierte Parteichef Hubert Aiwanger das Ergebnis. „Wenn wir da nicht dabei sind, wer-den wir unter Umständen von den Piraten geentert“, sagte Aiwanger mit Blick auf die Bundestagswahl vor den Delegierten. Noch ist die Teilnahme aber nicht in trockenen Tüchern. Die bayerischen Freien sind noch kein Landesverband der Bundesvereinigung Freie Wäh-ler, die Fusion ist für Mitte Dezem-ber geplant. Dann muss die Bun-desvereinigung – deren Vorsitzen-der Aiwanger ebenfalls ist – über die Teilnahme an der Wahl entscheiden.www.fw-bayern.de.de

BUNDESTAGSWAHL

Freie nach Berlin

Angst und bange kann den frie-densgewöhnten West- und Mittel-europäern in die-sen Tagen werden. Als ob die Euro-Krise nicht schon genügend Nerven ausleiert, rufen jetzt allenthalben Finanz-Experten und sogar seriöse Menschen zu den Waffen. Überall, man weiß gar nicht mehr wer damit ange-fangen hat, wird also davon geredet, man solle mit der Bazooka gegen die Finanzkrise vorgehen. Ein recht schie-fes Bild, da man mit Panzerfäusten viel, aber nicht gerade stabilisierende Maßnahmen in Verbindung bringt. Dann hilft schon eher der vielbeschwo-rene „Schutzwall“, den fordern näm-lich wieder andere Politiker, wenn es um die Rettung Europas geht. Nimmt man nun noch zur Kenntnis, dass der allgegenwärtige „Rettungsschirm“

ursprünglich auch nichts ande-res bezeichnet als das Arbeits-gerät einfallen-der Fallschirmjä-ger, wähnt man sich als Euro-päer inmitten eines Kriegsge-biets. Frei nach Clausewitz, der ja bekanntlich for-

mulierte, dass Krisenpolitik die Fort-setzung des Kriegs mit denselben Mit-teln ist. Zusammengefasst: Wir wollen das alles nicht und schauen, was denn Peer „Er kann es“ Steinbrück zu der ganzen Sache zu sagen hat, schließlich wurde er ja gerade von Helmut Schmidt zum nächsten Kanzler ernannt. Und wir erinnern uns, dass Steinbrück erst kürzlich einen Angriffskrieg mittels Kavallerie gegen die Schweiz erwog. Pferde, immerhin. Mit denen kann man zur Not noch wegreiten, wenn es brenzlig wird.

Aufgedeckt: Eurokrise abknallen

Soldat bei Stabilisierungsmaßnahme

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Pol i t ik

VON CHRISTINE LAMBRECHT

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VON SIEGFRIED KAUDER

Volksvertreter sind weder Beamte, noch ihnen gleichgestellt. Staatsdiener sind in ihren Entscheidungen nicht frei – von

ihnen erwarten die Bürger ein unparteiisches Vorgehen. Hält ein Beamter die Hand auf, ist das Ansehen des Staats in Gefahr. Es ist deshalb gut, dass die UN alle Staaten aufgerufen hat, sich im Kampf gegen Korruption zusammenzuschließen.

Es hat etwas für sich, sicherzustellen, dass Abgeordnete sich ihr politisches Handeln nicht abkaufen lassen dürfen – die Kor-ruptionsvorschriften des Strafgesetzgebers passen allerdings

nicht zum politischen Handeln. Es fehlen Leitplanken, innerhalb derer Zuwendungen politisch adäquat

sind und außerhalb derer ein strafrechtlich re-levantes Verhalten vorliegt.

Seit Jahren versuchen Juristen vergeb-lich, diese Grenze zu finden. Abgeord-nete üben ein freies Mandat aus und sind nur ihrem Gewissen verantwortlich; ihre Entscheidungen sind politisch begrün-det, und Politik folgt eigenen Regeln. Kontakt zu Bürgern ist für Abgeordnete unabdingbar. Dazu gehören auch Einla-

dungen und gelegentliche Zuwendungen.Das freie Mandat verträgt keine Bindung

an Korruptionsvorschriften. Der Versuch, das Spannungsverhältnis zwischen UN-Vorschrift

und materiellem Recht zu lösen, ist in Österreich kläglich gescheitert. Die Abgeordneten wurden Beamten

gleichgestellt, aber durch die Hintertür von den sich daraus erge-benden Pflichten befreit. Trotz dieses Taschenspielertricks lau-fen österreichische Abgeordnete Gefahr, wegen Bestechlichkeit vor Gericht gezerrt zu werden. Würde man die deutschen Abge-ordneten den Korruptionsvorschriften unterwerfen, hieße das, das parlamentarische Gefüge massiv zu stören.

Ich bleibe dabei: Abgeordnete sind keine Beamten. Stim-menkauf ist bereits stra�ar. Um den Parlamentarismus vor un-gewünschten Angriffen zu schützen, ist mehr nicht nötig. Wer das freie Mandat einschränken will, muss die Lösung über die Verhaltensrichtlinien, die Abgeordnete sich selbst auferlegt haben, suchen. Alles andere wird scheitern.

Pro

Deutschland hat 1999 und 2003 völkerrechtliche Überein-kommen über globale Standards bei der Korruptionsstraf-

barkeit und der Abgeordnetenbestechung unterzeichnet. Wer „a“ sagt, muss auch „b“ sagen – will heißen: Wer sich so bin-det, der muss die Standards in nationales Recht umsetzen. Über 150 Länder haben das Antikorruptionsübereinkommen umgesetzt, Deutschland peinlicherweise nicht. Dabei ist die Umsetzung notwendig. Nach deutschem Recht ist bislang nur der Stimmenkauf und -verkauf bei Wahlen stra�ar. Die völ-kerrechtlichen Vorgaben gehen weiter: Unter Strafe ge-stellt werden müssen alle Handlungen im Rahmen der Mandatspflichten, die als Gegenleistung für einen ungerechtfertigten Vorteil vorge-nommen oder unterlassen werden. Auch der Bundesgerichtshof hat Regelungsbe-darf angemahnt. Er hat im Wuppertaler Korruptionsskandal und Kölner Mülls-kandal entschieden, dass kommu-nale Mandatsträger in der Regel keine Amtsträger und deshalb nicht wegen Bestechung und Bestechlichkeit im Amt zu belangen sind. Damit klafft eine Ge-setzeslücke auch bei der Korruptionsbe-kämpfung im kommunalen Bereich.

Es führt kein Weg daran vorbei, Beste-chung und Bestechlichkeit von Mandatsträgern unter Strafe zu stellen. Dabei gilt es, sie von Einflussnah-men abzugrenzen, die im Rahmen der Mandatsausübung po-litisch und sozial adäquat sind. Diese Grenze muss sich zwei-felsfrei aus der Norm selbst ergeben. Die SPD-Fraktion legt hierzu einen Vorschlag vor. In der 15. Wahlperiode hat die vor-gezogene Bundestagswahl die Beratung eines SPD-Vorschlags verhindert, in der vergangenen Wahlperiode verweigerte die Union jedwede Gespräche zum Thema. Durch sture Verweige-rung löst sich der Umsetzungsbedarf nicht in Luft auf. Die Re-gierungsfraktionen müssen jetzt handeln. Einsichtsfähigkeit signalisierte Bundestagspräsident Norbert Lammert in der Debatte am 8. April, als er darauf hinwies „dass es zu dem Pro-blem Klärungs- und vielleicht auch Handlungsbedarf gibt.“

Kontra

Siegfried Kauder (CDU)ist Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags. Der 60-Jährige ist seit 2002 Mitglied des Parlaments. Seit 1978 ist Kauder als Rechtsanwalt in Villingen-Schwenningen tätig.

Christine Lambrecht (SPD)ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. In dieser Funktion ist die 46-Jährige für Innen- und Rechtspolitik zuständig. Dem Deutschen Bundestag gehört die Juristin seit 1998 an.

Regeln gegen Bestechung verschärfen? Mehr als 150 Staaten haben die UN-Konvention gegen Korruption unterzeichnet – Deutschland nicht. Der Grund: Die Konvention sieht verschärfte Regeln zur ABGEORDNETENBESTECHUNG vor, und solche hält eine Mehrheit der Parlamentarier für unnötig. Nichtregierungsorganisationen

hingegen fordern seit langem ein schärferes Gesetz. Zu Recht?

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Pol i t ik

„Wir sind keine Franzosen“Die SPD steht vor ihrer größten Reform seit Jahrzehnten. Mit ihrem Wunsch, Nicht-Mitglieder an der Auswahl von Spitzenkandidaten zu beteiligen, konnte sich die Parteispitze nicht durchsetzen. Das sei jedoch nicht schlimm, sagt SPD-Generalsekretärin ANDREA NAHLES im p&k-Interview

INTERVIEW: SEBASTIAN LANGE UND FLORIAN RENNEBERG

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p&k: Frau Nahles, Sie touren gerade mit Sigmar Gabriel durch die Lan-des- und Bezirksverbände. Wie ist die Stimmung an der Basis?Andrea Nahles: Es ist eine konsoli-dierte Stimmung. Dass wir bei der Bun-destagswahl 2009 nur 23 Prozent bekom-men haben und die Grünen in den Um-fragen vorübergehend an uns vorbeigezo-gen sind, hat für Aufregung in der Partei gesorgt. Jetzt gibt es wieder einen klaren Blick auf die eigene Stellung. Wir wissen, wer wir sind und was wir können. Und die Basis ist dankbar, dass die Parteispitze ge-schlossen agiert. In der Geschichte der SPD war das nicht immer selbstverständ-lich. Über die Pläne zur Parteireform gab es zum Teil heftige Diskussionen.Die lebhafte Debatte war nötig. Die Par-tei hatte den Verdacht, dass wir sie mit einer organisationspolitischen Debatte beschäftigen wollen. Viele Mitglieder er-warteten aber, dass die Parteispitze eine bessere politische Linie vorgibt. Wir haben schließlich beides gemacht. Der programmatische Erneuerungsprozess war nötig, aber wir mussten auch un-sere Strukturen hinterfragen und heraus-finden, warum schon 2009 12,5 Prozent der jungen Männer die Piraten gewählt haben, oder warum so viele junge Frauen weggeblieben sind. Das kann nicht nur an Inhalten liegen, sondern auch an der Art, wie wir kommunizieren und wie offen wir sind. Von der Strukturdebatte war nicht jeder begeistert.Weil es unbequem ist. Wenn wir über Or-ganisationspolitik diskutieren, ist jede Ebene gemeint. Die Leute haben regel-recht persönlich reagiert.Weil sie sich kommunikativ nicht genug einbezogen fühlten?Das war am Anfang der Fall. Wir haben einen Beteiligungsprozess organisiert, der – mit Verlaub – in den letzten Jahrzehn-ten so kaum denkbar gewesen wäre. Wir

haben Werkstattgespräche geführt, an denen Ortsvereins- und Kreisvorsitzende teilgenommen haben, und alle Ortsver-eine befragt. Dann haben wir einen Vor-schlag gemacht. Da gab es an einer Stelle einen Knall: bei der Beteiligung von Nicht-Mitgliedern bei Personalentscheidungen. Darüber haben wir offen diskutiert und einen Kompromiss gefunden.Sind Sie darüber betrübt, wenn Sie sehen, dass sich in Frankreich über zwei Millionen Menschen an den Prä-sidentschaftsvorwahlen der Sozialis-ten beteiligt haben?Wir haben mehr Mitglieder als die fran-zösischen Sozialisten, und diese Mitglie-der sind sehr selbstbewusst. Das akzep-tiere ich. Es ist aber auch in Deutschland denkbar, dass ein Kreis- oder ein Landes-verband freiwillig Nicht-Mitglieder an Vorwahlen beteiligt. Wir werden da weiter Erfahrungen sammeln. Im Übrigen halte ich es für unwahrscheinlich, dass die SPD

mehrere Kandidaten für die Bundestags-wahl 2013 ins Rennen schickt, so dass der Vergleich mit den Franzosen schwierig ist. Mir imponiert aber deren Mobilisierungs-kraft enorm.Hat sie der Gegenwind aus den Lan-desverbänden und von Seiten der Jusos überrascht?Das Überraschende ist, wie viel wir ge-schafft haben. Die Leute spüren, dass es Veränderungsbedarf gibt. Die Proteste der jungen Leute, der Erfolg der Piraten, das alles schreit nach Offenheit und mehr direkter Beteiligung. Dazu ist die SPD be-reit – mit dem Abstrich, dass wir das Vor-wahl-System nicht einfach kopieren kön-nen. Das finde ich aber nicht dramatisch, da wir es freiwillig ermöglichen.

Nach den Reformplänen sind offene Vorwahlen, an denen sich Nicht-Mit-glieder beteiligen können, also auf Bundesebene theoretisch möglich?Ja. Bisher existieren dafür jedoch kaum konkrete Regelungen und Verfahren. Da wollen wir für mehr Klarheit sorgen.Halten Sie es für wahrscheinlich, dass es im Vorfeld der kommenden Bun-destagswahl zu einer offenen Vorwahl kommt?Mitgliederentscheide oder Vorwahlen machen nur Sinn, wenn es mindestens zwei Kandidaten gibt. Wir werden sehen. Für wahrscheinlich halte ich das nicht.Weil die politische Kultur eine andere ist als in Frankreich?Bei uns nimmt die Bevölkerung das mehr als Streit wahr. Die „Gallier“ haben ein an-deres Verhältnis zum Streit: Die machen Revolutionen, wir machen Reformen.Sind sie sicher, dass die Wähler das nicht als ein Angebot zur Beteiligung begrüßen würden? Ich bin mir weder sicher, noch kann ich das steuern. Ich gebe aber die Prognose ab, dass es dazu nicht kommen wird.Dann machen letztlich die Spitzen-leute unter sich aus, wer Kanzlerkan-didat wird?Was wäre daran neu?Nichts. Das ist es ja gerade …Wir sind eine der stärksten und mächtigs-ten Parteien Europas. Ich finde es nicht okay, die Fortschritte unserer Reform – es ist die größte seit Jahrzehnten – nur an einer Frage festzumachen. Auf Lan-desebene hatten wir – auf Mitglieder be-schränkte – Vorwahlen. Beispielsweise in Schleswig-Holstein und Baden-Württem-berg. Das war erfolgreich – deshalb müs-sen wir neue Strukturen schaffen. In Nie-dersachsen, wo die Mitglieder demnächst ihren Spitzenkandidaten wählen können, gibt es beispielsweise keine Möglichkeit zur Briefwahl. Mit der Parteireform schaf-fen wir die Möglichkeit, Mitgliederent-scheide künftig per Briefwahl durchzu-führen. Das macht es für Mitglieder einfa-cher, sich direkt zu beteiligen. Außerdem

„Politik ist keine Geheimwissenschaft für Wenige“

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senken wir die Quoren für erfolgreiche Mitgliederentscheide. Haben Sie Sorge, dass der Kurs der Partei bei all der Beteiligung unkla-rer wird?Nein. Klare Führung wird es weiterhin geben. Führung wird aber anders ausse-hen als in der Vergangenheit. Wir müssen immer auch Teil gesellschaftlicher Bewe-gungen sein, und meine Hauptsorge ist, dass wir das zu wenig sind.Warum hat die SPD noch keinen vir-tuellen Landesverband, in dem sich Mitglieder ortsungebunden online or-ganisieren und einbringen können?Wir werden ein Pilotprojekt zur Online-Beteiligung starten, aber das ist parteien-rechtlich schwierig. Wir geben mit den offenen und unkomplizierten Themen-foren eine Antwort auf den Wunsch, sich

jenseits klassischer Ortsvereinsstruk-turen zu organisieren. Dort haben Mit-glieder und Nichtmitglieder volle Betei-ligungsrechte und können ihre Anliegen in die SPD einbringen. Damit gehen wir weiter als alle anderen deutschen Par-teien.Sie haben kürzlich gesagt, der Erfolg der Piraten lege Defizite Ihrer Partei offen. Welche sind das?Ich würde sagen, sie legen Defizite bei allen Parteien offen. Wir vermitteln zu oft den Eindruck, Politik sei eine Geheimwis-senschaft für Wenige. Dabei erinnern uns die Piraten daran, dass das Wesen von de-mokratischer Politik darin besteht, dass sich jeder einbringen können muss. Bes-ser: einbringen soll. Die SPD betont gerne, dass sie eine traditionsreiche Volkspartei ist. Glau-

ben Sie, dass Sie bei Mitgliederzahlen und Wahlergebnissen noch einmal zu alter Stärke zurückfinden kann?Mein Traum wäre es, dass wir als Par-tei und Organisation erstarken. Ich gebe mich aber keinen Illusionen hin. Das ist ein hartes Stück Arbeit. Die IG Metall hat durch eine klare Konzentration auf Or-ganisationsfragen und Mitgliedergewin-nung eine Trendumkehr geschafft – aber nicht in einem Jahr, sondern in vier bis fünf Jahren. Aufgrund der Auflösung sozialdemo-kratischer Milieus müssen Sie stär-ker um Selbstständige und Freiberuf-ler werben. Da konkurrieren Sie nun auch mit FDP, Grünen und Piraten. Was ist in diesem Wettbewerb das All-einstellungsmerkmal der SPD?Gerechtigkeit – aber nicht in einem Links-partei-Opfer-Modus. Uns geht es darum, dass alle Menschen in unserem Land etwas aus ihrem Leben machen können. Viele Selbstständige erwarten von Poli-tik mehr, als FDP und CDU ihnen bie-ten können. Gerade kleinen Selbständi-gen wollen wir zum Beispiel den Zugang zu einer gerechten Krankenversicherung erleichtern. Wir haben aber auch sieben Millionen Industriearbeiter in Deutsch-land. Ich sehe überhaupt nicht ein, die mit spitzen Fingern anzufassen.Anfang Dezember findet der Partei-tag in Berlin statt. Sind Sie zuversicht-lich, dass die Parteireform die nötige Mehrheit findet?Ja. Wie immer vermutlich nicht ganz un-verändert – sonst wäre ich enttäuscht von meiner Partei.Gibt es einen Punkt in Ihrem Antrag, von dem Sie sagen: Wenn der schei-tert, bin ich auch gescheitert?Ich möchte, dass der Innovationsfonds kommt. Der ist wichtig. Entscheidend ist für mich aber, dass der Prozess nicht au�ört. Praxisänderungen sind entschei-dend, nicht Satzungsänderungen.

Andrea Nahlesist seit 2009 Generalsekretärin der SPD. Die 41-Jährige war von 1998 bis 2002 und ist erneut seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestags. Von 2007 bis 2009 war Nahles stellvertretende Vorsitzende der SPD, von 1995 bis 1999 Bundesvorsitzende der Jusos.

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pol it ik&kommunikat ion | November 201112

Pol i t ik

Noch lange nicht ausgedient

Im September veröffentlichten wir einen Artikel über das Selbstverständnis der deutschen

Ministerialbürokratie. Unser Autor machte darin die Tendenz aus, dass sich die Beamten zunehmend politisieren. Herbert Mandelartz sieht das ganz anders und hat eine REPLIK verfasst.

VON HERBERT MANDELARTZ

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Keine Frage: Alles ändert sich – auch die Ministerialverwal-tung. Die Aufgaben, die Arbeitsbedingungen, die Anfor-derungen an die Mitarbeiter, das Verhältnis der Vorge-

setzten zu ihren Mitarbeitern und schließlich auch die Art und Weise, wie ein Ministerium geführt wird. Aber schildert der Bei-trag „Ausgedient“ wirklich die heutige Situation? Wedelt tat-sächlich der Schwanz mit dem Hund, sprich: die Arbeitsebene mit der Leitung? Spielt bei Beförderungen die fachliche Quali-fikation nahezu keine Rolle mehr? Ist die Karriere tatsächlich mit 42 Jahren beendet, wenn der Minister sich nicht auf die po-litische Gesinnung verlassen kann? Werden die Ministerien in der Tat von Küchenkabinetten geführt? Und schließlich: Kann ein loyaler, parteipolitisch neutraler Beamter heute keine Kar-riere mehr machen? Die Fragen werden zum Teil schon im Bei-trag selbst verneint.

Ich will die Antworten im Folgenden um einige Aspekte ergänzen. Zunächst: Ein Minister und seine leitenden Mitarbei-ter wollen in der Regel, dass ihr Ministerium effektiv und effizient funktioniert. Dies können sie nur mit qualifizierten und moti-vierten Mitarbeitern erreichen. Dazu müssen sie den Beschäf-tigten im Rahmen der bürokratischen Organisation Freiheiten einräumen. Wie groß die Spielräume sein müssen und in wel-chem Umfang Kontrolle stattfinden muss, kann nicht allge-meingültig beantwortet werden. Das hängt von der Aufgabe und den Beschäftigten ab. Hier das richtige Verhältnis von Freiheit und Bindung zu finden, zeichnet einen guten Vorgesetzten aus. Die oben beschriebenen Verhaltensweisen würden jedenfalls selbst den willigsten Mitarbeiter demotivieren. Natürlich gibt es Minister, die meinen, ein Ministerium mit einem Küchenka-binett leiten zu können. In der Regel geht das nicht lange gut. Die Mitarbeiter werden nicht mehr von sich aus initiativ, das Klima verschlechtert sich, und bis zu den ersten negativen Pres-severöffentlichungen ist es nicht mehr weit. Natürlich gibt es parteipolitische Ämterpatronage. Aber sie ist bei weitem nicht so verbreitet wie mit zum Teil abenteuerlichen Begründungen behauptet. So schreibt etwa der Berliner Universitätsprofessor

Herbert Mandelartzwar unter anderem Referats-, Unterabteilungs- und Abteilungsleiter sowie Staatssekretär im saarländischen Innenministerium und Abteilungsleiter sowie stellvertretender Chef im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Zurzeit ist er Lehrbeauftragter an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt Universität.

Michael Kloepfer allen Ernstes, ohne die Möglichkeit einer par-teipolitischen Ämterpatronage „würden die politischen Parteien wahrscheinlich – jedenfalls langfristig – den größten Teil ihrer Mitglieder verlieren.“ Abgesehen davon gibt es noch Personal-räte und Verwaltungsgerichte. Deshalb kann man immer wieder von zum Teil spektakulären Gerichtsentscheidungen lesen, in denen Beförderungen aufgehoben werden, weil nicht entspre-chend der Qualifikation entschieden wurde. Natürlich gibt es auch Beamte, deren Karriere mit 42 beendet ist, weil sie man-gels Qualifikation nicht zum Ministerialrat befördert werden können. Aber unabhängig von der Parteizugehörigkeit hat jeder Mitarbeiter die Chance, zum Ministerialrat mit der Besoldungs-gruppe A-16 und eventuell auch B-3 im Alter von über 50 beför-dert zu werden. In einem gut geführten Ministerium wird die Karriereplanung im Übrigen so angelegt sein, dass ein Beamter das Endamt nicht zu früh erreicht.

Aufgrund ihrer hervorragenden Fachkenntnisse haben die Mitarbeiter natürlich Einfluss auf die Leitung des Hauses. Aber niemand wird nach einem Regierungswechsel Vorschläge machen, die dem erklärten politischen Willen der neuen Lei-tung widersprechen. Er würde seinen Vorgesetzten ja geradezu eine Steilvorlage für eine negative Beurteilung liefern. Er kann rechtliche Bedenken geltend machen. Aber die neue politische Linie wird er nicht ignorieren.

Schließlich: Dem öffentlichen Dienst der Bundesrepublik wird allgemein ein gutes Zeugnis ausgestellt. Er könnte noch besser werden. Aber dieser gute Ruf wäre längst verspielt, wenn Personalentscheidungen ohne Rücksicht auf Befähigung nur nach parteipolitischen Gesichtspunkten getroffen oder wenn die Ministerien nur von Küchenkabinetten ohne Rückkoppe-lung mit der Arbeitsebene geführt würden.

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ratzt.“ An der Loyalität der Beamten zwei-felt Knieps nicht: „Die haben in der Regel so viele Minister kommen und gehen sehen, dass sie professionell damit umge-hen.“ Die ganze Politisierung spiele sich ohnehin auf der Meta-Ebene ab, sagt er: „Bei der Finanzreform der Krankenver-sicherung ist es den Beamten egal, ob es links rum oder rechts rum geht. Am Ende kommt in der Regel eh das Gleiche raus.“ Für ihn liegt die Kontinuität in der Ar-beit der Ministerien weniger im Beam-ten-Ethos preußischer Prägung begrün-det, sondern vielmehr in den engen Ge-staltungsspielräumen. „Im Gesundheits-ministerium waren wir zuständig für Not und Elend“, sagt Knieps. Da bleibe nicht viel Raum für politische Ideologien.

Qualifikation war nachrangig

„Die Rolle und der Einfluss sogenann-ter Parteikampfgruppen in den Bundes-ministerien wird überschätzt“, sagt auch Matthias Machnig. Der SPD-Politiker ist seit 2009 Wirtschaftsminister in Thü-ringen. Zuvor war er jahrelang politi-scher Beamter, zunächst als Staatssekre-tär im Bundesverkehrs-, später im Bun-desumweltministerium. „Wenn man in ein neues Ressort kommt, ist man na-türlich erst einmal vorsichtig“, so Mach-nig, „bis das Gegenteil bewiesen ist, gehe ich jedoch von der Loyalität der Beamten aus.“ Bislang habe er damit – bis auf we-nige Ausnahmen – gute Erfahrungen ge-macht. Wichtig für das Klima im Minis-terium sei jedoch, die Beamten einzubin-den: „Die Beamten müssen ihre Meinung vortragen dürfen, auch wenn die nicht kompatibel mit der Meinung der politi-schen Führung ist.“

Welche Bedeutung das Parteibuch allerdings haben kann, wenn eine Par-tei lange Zeit ununterbrochen an der Re-gierung ist, hat Machnig in Thüringen erlebt. „Hier wurde 20 Jahre lang Perso-nalpolitik nach Gutsherrenart betrieben – Qualifikation war da nachrangig“, sagt der Minister. In Thüringen regiert seit 1990 die CDU – mal mit, meistens jedoch ohne Koalitionspartner.

Der Verwaltungswissenschaftler Falk Ebinger, Mitglied des Forschungspro-jekts Politisch-Administrative Elite, sieht in derart langen Regierungsperioden einer Partei einen idealen Nährboden für Ämterpatronage – und somit für eine po-litisierte Verwaltung. Dennoch ist er si-

fraktionen landet.“ Ein kleiner Kreis von Vertrauten und Getreuen habe Zugang zu Informationen, Arbeitsabläufen und zum Minister gehabt – die anderen blie-ben außen vor.

Schuld an der aus seiner Sicht zuneh-menden Politisierung der Ministerial-bürokratie seien allerdings nicht die Be-amten: „Die Loyalität wird vom Dienst-herren aufgekündigt.“ Beamte, die par-teipolitisch neutral sind, hätten kaum Aufstiegschancen, so Lingenthal. Seine Erfahrung: Der Führungskreis in den Mi-nisterien schotte sich ab und vertraue in der Regel auf ein sogenanntes Küchen-kabinett bekannter Parteigänger. Für die Beamten sei das entsprechende Par-teibuch somit der Schlüssel zur Karri-ere: „Wer mit Anfang 30 in den höheren Dienst eintritt, dessen Karriere ist mit 42 beendet, wenn der Minister sich nicht auf die politische Gesinnung verlassen kann, oder dessen Farbe wechselt.“ Bei Beförde-rungen spiele die fachliche Qualifikation nahezu keine Rolle, meint der heute wie-der als Anwalt tätige Lingenthal.

„Das ist doch aus der Luft gegrif-fen“, kontert der Personalabteilungsleiter eines Bundesministeriums diese These. Selbstverständlich gebe es Posten, die eine herausgehobene politische Bedeu-tung hätten oder ein besonderes Ver-trauensverhältnis zum Minister erfor-derten, die Grundsatz- oder Presseabtei-lung beispielsweise. Die meisten Fragen seien jedoch Verwaltungsaufgaben. Dass ein Minister nicht unbedingt Mitglieder oder Anhänger anderer Parteien fördere, räumt auch er ein. Das, was der Perso-nalchef „Leitungskompatibilität“ nennt, müsse zumindest bei hohen Beamten vorhanden sein, eine grundlegende Über-einstimmung ihres politischen Weltbilds mit dem des Ministers. Das „Zeitalter der ideologischen Auseinandersetzungen“ sei jedoch vorbei, sagt er. „Bei den stän-dig steigenden Anforderungen, müssen in erster Linie Leistung und Kompetenz der Beamten stimmen“, so der Personal-chef.

Kein Raum für Ideologien

Franz Knieps, bis zum vergangenen Jahr Abteilungsleiter im Bundesgesundheits-ministerium, drückt es direkter aus: „Sie können sich auf Schlüsselpositio-nen keine Pfeifen leisten. Wenn Ihnen die Lobby etwas vormacht, sind sie ver-��

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�ch schwöre Treue der Verfassung, die-weil ich fürchte die Entlassung. Und macht man eine neue, schwör´ ich aufs

neue Treue.“ Das überspitzte Bild des un-politischen Beamten, das dieser alte Knit-telvers zeichnet, traf lange Zeit den Kern des deutschen Beamtentums. In Zeiten, in denen nicht nur Regierungen, sondern ganze Staatsformen wechselten, gingen

����������Die Regierungen wechseln, aber die Ministerien bleiben bestehen – und die loyalen Beamten arbeiten auch unter der neuen Führung weiter, als ob nichts geschehen wäre. Dieses Selbstverständnis der deutschen Ministerialbürokratie galt jahrzehntelang. Doch gibt es Anzeichen, dass die ������� ihre Rolle heute anders interpretieren.

��������������������� viele Beamte kontinuierlich ihrer Ar-beit nach – unter dem einen Herren wie unter dem anderen. Loyalität war nicht geknüpft an politische Übereinstimmung mit dem Vorgesetzten, sondern selbstver-ständlich. Ob im Kaiserreich, der Repub-lik oder in der Diktatur, die Rolle der Be-amten blieb nahezu gleich – und ihre ab-solute Loyalität auch.

Mittlerweile hat sich dieses Selbst-verständnis überlebt. „Im Loyalitätsver-

gene Vorstellung von Gemeinwohl ver-folgen – auch wenn der Minister eine andere politische Linie vertritt“, so Ma-chura. Dass die Beamten ihre eigene Agenda durchaus auch umsetzen könn-ten, steht für den Wissenschaftler außer Frage: „Aufgrund ihres überlegenen tech-nischen Wissens haben die Beamten gro-ßen politischen Einfluss.“

Dass sie diesen Einfluss zunehmend zu nutzen wissen, zeigt die im Vorfeld der vergangenen Bundestagswahl von einer Forschungsgruppe der Ruhr-Universi-tät Bochum durchgeführte Studie „Poli-tisch-Administrative Elite 2009“. Den Er-gebnissen zufolge verschwimmen die Un-terschiede zwischen politischen Beamten und Lau�ahnbeamten zunehmend.

Politische Beamte – beamtete Staats-sekretäre und Abteilungsleiter – sind an der Nahtstelle von Politik und Verwal-tung tätig. Sie können ohne Angabe von Gründen jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Dass Ressort-chefs diese Positionen mit Leuten beset-zen, die ihr besonderes Vertrauen genie-ßen, ist legitim – darin sind sich Politiker, Beamte und Verwaltungswissenschaftler einig. Ein Problem hat der Minister aber dann, wenn auch die von Vorgängern ge-erbten Lau�ahnbeamten parteipolitisch denken.

Parteikampfgruppen

In der Eliten-Studie gab mehr als die Hälfte der befragten Beamten in den Bundesministerien an, es sei akzeptabel, nach einem Regierungswechsel die Poli-tik der alten Regierung weiterzuverfolgen – auch entgegen der Agenda der neuen Regierung. Zum Vergleich: Im Jahr 1987 empfanden gerade einmal 20 Prozent der Ministerialbeamten illoyales Verhalten als akzeptabel.

Rainer Lingenthal überrascht diese Entwicklung nicht. Lingenthal war Spre-cher des Bundesinnenministeriums unter Otto Schily und für Wolfgang Tiefen-see im Bundesverkehrsministerium. „In jedem Ministerium gibt es Parteikampf-gruppen“, sagt er. Was das für die Arbeit in einem Ministerium bedeuten kann, schildert Lingenthal aus eigener Erfah-rung: „Bei politisch wichtigen oder bri-santen Entscheidungen achtet jede Mi-nisteriumsspitze darauf, nicht zu viel aufschreiben zu lassen, da es sonst direkt bei der Presse oder in den Oppositions-

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ständnis der Ministerialbeamten hat es seit den 1960er Jahren eine ganze Reihe von Veränderungen gegeben“, sagt der Rechtssoziologe und Politikwissenschaft-ler Stefan Machura. Die Beamten fühlten sich heute deutlich weniger ihren Vorge-setzten verpflichtet, als dies früher der Fall war. Das bedingungslose Pflichtbe-wusstsein preußischer Prägung scheint ein Relikt der Vergangenheit zu sein. „Es kommt vor, dass leitende Beamte ihre ei-

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Parteiübergreifend geschätzte Fachleute: Jörg Asmussen und Jens Weidmann (r.)

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Der Bedarf an Mobilität wächst und damit der Ausstoß von CO2 – ins besondere in den städtischen Ballungsräumen. Jeden Tag pendeln 40 Millionen Deutsche zur Arbeit, zwei Drittel mit dem Auto. Die Antwort der Verkehrsplaner sind ganzheitliche Konzepte, die alle Verkehrsmittel intelligent vernetzen. Dabei wird das Auto auch künftig eine wichtige Rolle spielen. Nur wird es klimafreundlicher.

1 Million Elektroautos sollen nach den Plänen der Bundes-regierung bis 2020 auf unseren Straßen fahren. Und unsere Städte sauberer und lebenswerter machen. Die Vorausset-zungen dafür werden zurzeit an vielen Orten geschaffen.

Siemens arbeitet in Feldversuchen in Berlin, Erlangen und München an Ladesäulen, Bezahlsystemen und dem elek-trischen Antrieb für das Auto von morgen. Und an einem Stromnetz, das ermöglicht, die Batterien von Elektroautos als Speicher für erneuerbare Energien aus Wind und Sonne zu nutzen. So verbessern Elektroautos selbst dann das Klima, wenn sie in der Garage stehen.

Die Antworten für die Mobilität der Zukunft sind da. Und die Zeit für neue Wege ist jetzt. Denn die Welt von morgen braucht unsere Antworten schon heute.

Deutschland geht neue Wege. Mit Antworten für nachhaltige Mobilität.

Das Auto hat eine lange Geschichte.Und seine Zukunft hat gerade begonnen.

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pol it ik&kommunikat ion | November 201114

Praxis

VON JOHANNES ALTMEYER

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E ine Aufgabe, wie gemacht für Stef-fen Seibert. Als die Bundesregie-rung Mitte Oktober ihren eigenen

Kanal auf der Videoplattform Youtube startet, erklärt der Regierungssprecher, was hinter der neuen Internet-Offen-sive des Bundespresseamts steckt. „You-tube, Facebook, Twitter: Das alles hat un-seren Alltag verändert“, spricht Seibert in

die Kamera, und als Zuschauer fühlt man sich an die Zeit erinnert, als der 51-Jährige noch die „Heute“-Nachrichten im ZDF moderierte. Notwendigerweise veränder-ten die sozialen Netzwerke auch die Art, wie die Bundesregierung mit den Bür-gern kommuniziere, fährt Seibert fort. Der Youtube-Kanal sei der neueste Weg, mit der Bevölkerung in einen Dialog zu treten. Die deutsche Politik hat die Be-deutung der Internet-Clips also erkannt – nun geht es darum, diese wirkungsvoll einzusetzen. Was aber macht ein erfolg-reiches Politik-Video aus?

DIE LÄNGE„Ein Riesenthema“, sagt Oliver Röseler, der sich als Marketingchef des Konrad-Adenauer-Hauses auch darum kümmert, den Youtube-Kanal der CDU zu bespielen. „Wir wissen, dass kürzere Videos oft er-folgreicher sind. Trotzdem darf das nicht unser einziger Maßstab sein, schließlich sollen die Clips nicht inhaltsleer sein.“ Ein Blick auf den Youtube-Kanal der CDU zeigt: In den vergangenen sechs Mona-ten haben Röseler und seine Mitarbei-ter rund 60 Videos hochgeladen. Knapp die Hälfte davon ist nicht länger als fünf Minuten. „Wir versuchen, längere Reden und Pressekonferenzen zu stückeln oder

gleich redaktionell zu bearbeiten.“ Je prä-gnanter, desto besser, sagt Röseler. Eine aktuelle Studie der Universität Hohen-heim gibt ihm Recht: Dort haben Kom-munikationswissenschaftler untersucht, wie lang ein Youtube-Clip maximal sein darf, damit Nutzer ihn sich bis zum Ende anschauen. Das Ergebnis: nicht länger als anderthalb Minuten. Trotzdem stellt Rö-seler auch komplette Reden von CDU-Po-litikern und Mitschnitte von Diskussions-veranstaltungen auf Youtube online. „Die Basis will beides: kurze und lange Vi-deos. Danach richte ich mich“, sagt Röse-ler. In der Tat: Das im vergangenen Halb-jahr mit rund 6700 Aufrufen am häufigs-ten angeschaute Video des CDU-Kanals ist eine Rede von Angela Merkel auf einer Kreisvorsitzendenkonferenz Mitte Juni. Dauer: 44 Minuten.

DIE ZIELGRUPPEFür Röseler bringt das aufwendigste You-tube-Video nichts, wenn es an der Ziel-gruppe vorbeigeht: der Parteibasis. „Mit

der Machart unserer Videos orientieren wir uns nicht am herkömmlichen You-tube-Nutzer, sondern an unseren Anhän-gern. Die müssen wir erreichen.“ Was lo-gisch klingt, schränkt die Parteien bei der Produktion neuer Web-Videos jedoch

ein. Denn kurze Statements von General-sekretären mögen dafür geeignet sein, die eigenen Anhänger auf den Parteikanal zu locken, die breite Öffentlichkeit lässt sich davon nicht begeistern. „Bei einem Web-

Video kommt es vor allem auf die visuel-len Effekte an“, sagt Adrian Rosenthal von der PR-Agentur Ketchum-Pleon. Dort ist er auch dafür zuständig, Youtube-Videos von Unternehmen und Verbänden im In-ternet zu verbreiten. „Die Parteien agieren zu sachlich“, sagt Rosenthal. Er könne ver-stehen, dass sie die Videos in erster Linie als Informationskanal betrachteten. Klug findet er es nicht: „Mit ein wenig mehr Aufwand könnten die Parteien nicht nur die eigene, sondern auch neue Zielgrup-pen erreichen.“ Als Beispiel nennt Rosent-hal die Video-Reihe „Fricke & Solms“ der FDP. Zwischen 2007 und 2009 entstan-den rund ein Dutzend kurze, unterhalt-same Youtube-Spots mit den beiden Fi-nanzexperten der Liberalen, Otto Fricke und Hermann Otto Solms. 20.000 Auf-rufe konnten einige der Spots erreichen – und auch die Medien griffen die Videos auf. Ein Achtungserfolg für die FDP.

DIE EMOTIONENVideos können wie kein anderes Wahl-kampfinstrument Emotionen transpor-

Der Wow-EffektIn den USA gehören YOUTUBE-VIDEOS längst zum politischen

Alltag. Mittlerweile setzt auch die deutsche Politik immer stärker auf die kurzen Web-Filme – die neueste Internet-Offensive der

Regierung beweist es.

Online gestellt: 4. August 2009Views: 20.208Länge: 2:27 Minuten

Hermann Otto Solms (l.) und Otto Fricke auf der „Insel der Erkenntnis“

Online gestellt: 18. JuniViews: 6775Länge: 44:39 Minuten

Angela Merkels Rede auf einer Kreisvorsitz-endenkonferenz in der CDU-Zentrale in Berlin

Online gestellt: 19. OktoberViews: 9711 (Stand: 27. Oktober)Länge: 1:04 Minuten

Regierungssprecher Steffen Seibert stellt den Youtube-Kanal der Regierung vor

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pol it ik&kommunikat ion | November 2011 15

tieren – der republikanische Vorwahl-kampf beweist das. In den USA veröffent-lichen die einzelnen Kampagnen fast jede Woche neue Youtube-Clips, die sich in Pathos und Gefühl überbieten. Vor allem der texanische Gouverneur Rick Perry setzt zurzeit auf Videos, die in Optik und Dramaturgie mehr an Hollywood als an Washington erinnern. So zum Bei-spiel das rund anderthalb Minuten lange Video „Proven Leadership“, auf Deutsch: „Bewährte Führung“, das die Perry-Kam-pagne Mitte September veröffentlichte. Darin attackiert der Republikaner zu-nächst die Wirtschaftspolitik von US-Prä-sident Barack Obama und bezeichnet ihn als „President Zero“, als „Präsident Null“. Dann verschwinden die düsteren, bei-nahe apokalyptischen Bilder, die dramati-sche Musik hört auf – und der Zuschauer hört Perrys Stimme: „Es ist an der Zeit, Amerika zu reparieren.“ Zwar können US-Politiker traditionell mehr Geld in TV- und Web-Videos investieren als deutsche Parlamentarier, das wird deutsche Wäh-ler jedoch nicht davon abhalten, sich an die aufwendig inszenierten Videos zu ge-wöhnen. Davon ist auch CDU-Mann Rö-

seler überzeugt: „Der Anspruch an deut-sche Wahlkampf-Videos wird steigen. Vor allem, was den Einsatz im Endspurt der kommenden Bundestagswahl angeht.“

DIE AKTUALITÄTWie deutsche Parteien Youtube-Videos erfolgreich im Wahlkampf einsetzen kön-nen, haben die Grünen vor zwei Jahren bewiesen. Im Vorfeld der Europawahl ver-öffentlichten sie einen Spot, der heute mit über 130.000 Aufrufen eines der am häu-figsten angeschauten Politik-Videos in Deutschland ist. Im Mittelpunkt: die Fi-

nanz- und Wirtschaftskrise. Diese hatte 2009, wenige Monate nach der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers, ihren Höhepunkt erreicht. Die Grünen re-duzierten die Krise auf eine Reihe umfal-lender Dominosteine, die weltweit Häu-ser umstießen und Banken zum Einsturz brachten, kurz: das ganze Wirtschafts-system bedrohten. „Youtube-Videos sind nur dann erfolgreich, wenn sie ein aktu-elles Thema aufgreifen“, sagt Marko Bachl von der Universität Hohenheim. Bachl ar-beitet am dortigen Lehrstuhl für Kom-munikationswissenschaften und hat 2010 die Erfolgsfaktoren politischer Youtube-Videos untersucht. Dass sich der Grü-nen-Spot im Internet so stark verbreiten konnte, hat für ihn mehrere Gründe: „Das Video thematisierte eine aktuelle Krise, es hatte eine klare Handlung und es setzte auf Humor.“ All das seien gute Vorausset-zungen, damit Nutzer sich einen solchen Web-Film nicht nur anschauen, sondern Bekannte weiterleiten würden.

DIE VERBREITUNGEiner der Gründe, warum politische You-tube-Videos in den USA so einflussreich sind, ist die stark politisierte Öffentlich-keit – online und offline. „In der US-Blo-gosphäre werden die Videos diskutiert und weitergeleitet“, sagt Adrian Rosent-hal. Eine solche politische Blogosphäre fehle in Deutschland. Hierzulande spiele die politische Kommunikation nur bei we-nigen Blogs eine Rolle, so Rosenthal. Der öffentlich-mediale Resonanzboden fehle. Daher komme es für die Parteien darauf an, intern auf die Videos aufmerksam zu machen. Konkret heißt das: Die Parteien sollten ihre Videos nicht nur auf Youtube hochladen, sondern diese auch in ihren eigenen Online-Auftritt und in Newslet-

ter einbauen sowie auf anderen Websei-ten für sie werben. Die CDU hat hier die Nase vorn. Seit Oktober vergangenen Jah-res bieten die Christdemokraten ihr Mit-gliedermagazin „Union“ auch in digitaler Form an. Wesentlicher Bestandteil des „E-Magazins“: Videos mit CDU-Politikern. Zahl der Empfänger: rund 125.000.

Kurz, zielgruppengenau, emotional, ak-tuell und breit gestreut – fünf einfache Merkmale für politisch erfolgreiche You-tube-Videos. Auf den ersten Blick. „Denn einen Faktor können die Parteien nicht einplanen“, sagt Rosenthal: „den Wow-Ef-fekt“. Damit meint er eine nicht planbare Aktion, durch die sich ein Video im Inter-net in Windeseile verbreitet.

Auch Macon Phillips, der Kommu-nikationschef des Weißen Hauses, hat Erfahrungen mit dem „Wow-Effekt“ gemacht. Ende Juni sprach Phillips bei einer Diskussionsveranstaltung des Was-hingtoner Brookings-Institut über eine neue Youtube-Initiative des Weißen Hauses. Im Mittelpunkt: Mitarbeiter der Obama-Regierung, die die Zuschauer in

wenigen Minuten über die Finanz- und Wirtschaftspläne des Präsidenten auf-klären. Phillips sagte, dass es für ihn ein Erfolg sei, wenn sich über 100.000 Nutzer die Videos anschauten. Glücklich wirkte er nicht. Denn zur gleichen Zeit kursierte ein von einem Obama-Anhänger hoch-geladenes Video im Netz, das den Präsi-denten dabei zeigte, wie er bei einem Gar-tenfest ein schreiendes Baby auf den Arm nimmt – und dieses sofort verstummt. Damalige Klick-Zahl: 1,2 Millionen.

Philips lakonischer Kommentar: „Manchmal ist unsere Arbeit einfach frus-trierend.“

Online gestellt: 17. JuniViews: 1.401.982Länge: 30 Sekunden

Während eines Garten-fests im Weißen Haus beruhigt Barack Obama ein schreiendes Baby

Online gestellt: 8. Mai 2009Views: 133.524Länge: 1:31 Minuten

Zwei Monate vor der Europawahl 2009 machten die Grünen die Finanzkrise zum Thema ihres TV-Spots

Online gestellt: 20. SeptemberViews: 2.025.728Länge: 1:45 Minuten

TV-Spot der Perry-Kampagne. Thema: die Wirtschaftspolitik von US-Präsident Obama

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Lust auf das ganze

Magazin?

Was Politiker von Machiavelli & Co lernen können

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����������Die Sozialen Medien spielen bei der arabischen Revolution eine wichtige Rolle. ����������������

����������Wie Helmut Metzner von den Medien zum „Maulwurf“ gemacht wurde. ����������

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���������Die US-Kampagnentrends

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�����������Das Internetportal Greenleaks soll helfen, Umweltskandale aufzudecken. ���������

����������Die Bundeswehr wird zur Freiwilligenarmee – künftig muss sie um Soldaten werben. �����������

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Zwischen Fraktionszwang und Gewissen

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������������US-Botschafter Philip Murphy über den American Dream – und über Wikileaks ����������������

����������Die Bürger erwarten mehr Transparenz – doch die Parlamentarier tun sich schwer �����������������

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Die Lobby der Netzbürger formiert sich

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�����������In den Bundesministerien verliert das Ideal des preußischen Beamten an Bedeutung ����������

�������������Die FDP verharrt im Umfragetief – helfen soll die Neuorganisation der Parteizentrale ����������

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�����Welche Rolle das Design im modernen Wahlkampf spielt �����������

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Ihre Strategien, ihre Ziele

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����������Die Politik setzt immer stärker auf Youtube-Filme als Kommunikationskanal ���������

����������Vor der Wahl setzte Polens Opposition auf Ressentiments – ohne Erfolg ����������������

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