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JUGEND UND PARLAMENT JUNI 2011 UNABHÄNGIGES MAGAZIN ZU »JUGEND UND PARLAMENT 2011« HERAUSGEGEBEN VON DER JUGENDPRESSE DEUTSCHLAND

politikorange "Jugend und Parlament"

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politikorange-Ausgabe zu "Jugend und Parlament" im Deutschen Bundestag. Das Planspiel fand vom 04.-07. Juli 2011 statt. Es vermittelt Jugendlichen parlamentarische Abläufe und das Gesetzgebungsverfahren in einer mehrtägigen Simultation mit über 300 Beteiligten.

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Jugend und parlament

Juni 2011 Unabhängiges magazin zU »JUgend Und Parlament 2011«heraUsgegeben von der JUgendPresse deUtsChland

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Foto: Johannes Herbel

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Liebe Leserinnen und Leser, vier Tage lang wurde argumentiert, diskutiert und beraten, abgestimmt und beschlossen.Wie auch schon in den letzten Jahren öffnete der Bundestag wieder seine Türen für insgesamt 312 Jung-Parlamentarier und politikorange war mitten drin. Während die Teilnehmer über Energiewende, Schü-ler-BAföG, Pressefreiheit und Wahlalter diskutierten, ging es in der Redaktion heiß her. Trotzdem und trotz Sommerhitze fielen wir in kein Sommerloch und be-wahrten einen kühlen Kopf.

Viel Spaß beim Lesen! Kristin UllrichChefredakteurin

editorial

inhalt

»Quereinsteiger« Über Umwege zum arbeitsplatz im deutschen bundestag. Seite 10

»ergebnisse« alle ergebnisse vom Planspiel in einer zusammenfassung. Seite 18

»ich bin nervös« Wie es ist, eine rede vor dem deutschen bundestag zu halten. Seite 07

»im Verborgenen« Was man als besucher im bundestag nicht zu sehen bekommt, zeigen wir euch hier! Seite 11

»Schusswechsel im ausschuss«bericht aus dem inneren einer ausschuss-sitzung Seite 06

»interview« ein doppelinterview mit einem abgeordneten und seinem spiel-Pendant. Seite 16

Nach dem Spiel iSt vor dem Spiel Die Planung eines PlansPiels – JugenD unD parlameNt voN a biS Z. Von Kristin UllricH.

312 Abgeordnete, 12 Ausschüsse, fünf Fraktionen, vier Gesetzesentwürfe,

vier Tage in Berlin. Es könnte nach einer fast normalen Sitzungswoche im Bundestag klingen. Doch sind es 312 Jugendliche, die Ende letzter Woche nach Berlin anreisten. 312 Jugendliche, 624 Namen. Ihr selbstgewählter Spielname wird sie die kommenden Tage begleiten. Ihre Mis- sion: Jugend und Parlament. Sie schlüpfen in die Rolle fiktiver Abgeordneter, organisieren sich in Fraktionen, beraten über Gesetzesvorhaben und verabschieden nach der Plenardebatte ihr eige-nes Gesetz. Bundestag im Kleinformat sozusa-gen. „Aber so realistisch wie möglich“, sagt Kay Wahlen, der das Projekt für den Besucherdienst des Deutschen Bundestags verantwortet.

CVP (Christliche Volkspartei), APD (Ar-beiterpartei Deutschlands), LRP (Liberale Reformpartei), PSG (Partei der sozialen Gerech-tigkeit) und ÖSP (Ökologisch-soziale Partei) sind die im jungen Parlament vertretenen Frak-tionen. Ihren großen realen Vorbildern nachei-fernd beziehen die Jugendlichen entsprechende politische Positionen. Die Sitzverteilung im Plenum entspricht ebenso den aktuellen Ver-hältnissen im Bundestag. Trotz Simulation ist der Realitätsbezug somit immens, „manchmal sogar erschreckend hoch“, so Heidi Ness von der Agentur x3, die im Auftrag des Bundestages für die inhaltliche Vorbereitung und Anleitung des Planspiels verantwortlich ist. „Manche Dinge lassen sich wie unter einer Lupe beobach-ten“, ergänzt ihr Kollege Frank Burgdörfer, „im Prinzip ist es wie der reale Bundestag in einer Petrischale.“ Oftmals kommen die Jugendlichen dem realen Bundestagsalltag sogar näher als sie sich dessen bewusst sind. „Wenn wir zugleich auch Karikierungen des politischen Treibens und politischer Personen beobachten“, erzählt Frank Burgdörfer aus seiner langjährigen Erfah-rung mit der Veranstaltung.

In Form einer Simulation durchgeführt wird Jugend und Parlament seit 2004. Damals entwickelten Frank Burgdörfer und Heidi Ness das Planspiel als Pionierprojekt, das sich auf den Erfahrungen mit einer Simulation des par-lamentarischen Arbeitens in weitaus kleinerem Rahmen gründete. Bei der zirca vierstündigen Simulation „Parlamentarische Demokratie spie-lerisch erfahren“ verabschieden 18-40 Teilneh-mer ein fiktives Gesetz. Jährlich nehmen hieran im Bundestag rund 120 Gruppen teil. Jugend und Parlament erweitert diesen Ansatz des parlamentarischen Planspiels um eine Dimen-sion. Es geht nicht nur darum, den Weg eines Gesetzesbeschlusses zu verstehen, sondern par-lamentarisches Arbeiten so, wie es hinter den Kulissen stattfindet, zu erleben und zu begrei-fen. Hierzu gehört weitaus mehr. Es gilt interne Personaldebatten in den Fraktionen zu führen, Positionen zu finden, Mehrheiten für sich zu gewinnen und so mit Strategie aber auch Spaß am Spiel zum Ergebnis zu kommen. Der „Ori-ginalschauplatz“ des Reichstagsgebäudes wird

somit für vier Tage zur Spielwiese für die Jung-abgeordneten.

Auch wenn ein Großteil der Teilnehmer selbst politisch aktiv ist – sei es in den Jugend-organisationen der FDP, der SPD, der Linken, bei der Jungen Union oder den Jungen Grünen – und sich politisch positioniert, geht es nicht da-rum, dass die Jugendlichen ihre eigene politische Meinung vertreten. Vielmehr geht es darum, dass die 16- bis 20-Jährigen nicht nur die Bio-graphie eines fiktiven Abgeordneten und damit eine andere Identität, sondern auch die ihnen zugeteilte politische Meinung annehmen und glaubwürdig vertreten. „So kommt es durchaus einmal vor, dass ein JU-Mitglied als Mitglied der APD bei Jugend und Parlament die Internationa-le anstimmt“, erinnert sich Heidi Ness. Die Ju-gendlichen entwickeln so auch ein Verständnis für ganz andere Perspektiven und Standpunkte. Sie lernen den vermeintlichen „Gegner“ zu ver-stehen und etablieren neue Koalitionen, um in ihrem Streben voranzukommen. „In einem de-mokratischen Parlament geht es um Konkurrenz, nicht um Gegnerschaft“, fasst Frank Burgdörfer ein wesentliches Ziel zusammen.

In diesem Jahr stehen ein Gesetzesent-wurf zur Einführung eines Schüler-BAföGs sowie die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre zur Debatte im Plenarsaal. Für heiße Diskussionen wird sicher auch das brandaktu-elle Thema des Atomausstiegs sorgen. Darüber hinaus wird über eine Empfehlung zur Stär-kung der internationalen Pressefreiheit beraten. Mit jener werden die Abgeordneten dieses Jahr zudem in Form der „Spielpresse“ auf eine wei-tere Art konfrontiert. So werden sie von Jour-nalisten in ihrem Alter begleitet, welche über Live-Ticker und tägliche Printausgaben über die neuesten Vorkommnisse berichten.

Im ersten Jahr war die Vorbereitung vor allem von Improvisation und Ausprobieren ge-prägt, wie Kay Wahlen rückblickend feststellt. Über die Jahre wurde die Vorbereitungsarbeit, in welche neben dem Besucherdienst eine Rei-he weiterer Referate der Bundestagsverwaltung involviert sind, immer komplexer. Das Anliegen aller, die hierzu lange im Vorfeld in einem großen Team zusammenwirken, ist es, das politische Ge-schehen in den Mauern des Reichstages während der vier Tage für die Jugendlichen erlebbar zu machen. „Das Format ist aus unserer Sicht eher Öffentlichkeitsarbeit für Parlamentarismus und den Deutschen Bundestag als Bildungsarbeit im klassischen Sinne. Es geht in erster Linie darum, dass die parlamentarische Arbeit als solche für Teilnehmer und Beobachter klar, transparent und nachvollziehbar wird“, so Kay Wahlen. „Die Jugendlichen sollen die Möglichkeit haben, auf spielerische Art und Weise in das parlamenta-rische Arbeiten einzutauchen. Wenn sie von Ju-gend und Parlament mit neuen Bekanntschaften, Erfahrungen und der Erkenntnis zurückkehren, dass es nicht nur eine Wahrheit gibt, dann hat die Veranstaltung ihr Ziel erreicht.“

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„Wir Sind nah am Wähler“

„Der Name Hector stammt aus der griechischen Mythologie, er klingt schön und stark. Beverburg ist der Name meiner Großeltern. Ich möchte ihm Ehre brin-gen“, so der 19-jährige Jesaja Brinkmann über seine eigene Namensgebung für das Planspiel. Als Hector Beverburg schlüpft er in die Rolle eines 51-jährigen APD-Abge-ordneten aus Kiel. Er will die Rechte von Arbeitern stärken und Familien schützen. Stolz erklärt er: „Im Gegensatz zu den an-deren Parteien sind wir nicht abgehoben, sondern nah am Wähler“.

Im wahren Leben stammt der Abi-turient aus Münster. Er ist parteilos, kann sich aber durchaus vorstellen, später in die Politik zu gehen. Doch das hat noch Zeit. „Ich möchte erst mal etwas vom Leben sehen. Vielen Politikern, die eine Bilderbuchkarriere hingelegt haben, mangelt es an eigener Erfahrung. Auch um authentisch zu wirken, ist es immer besser, wenn man selbst tätig war und ein bisschen Lebenserfahrung sammeln konnte.“

Deshalb ist der ehemalige Schul-sprecher bei JuP. Er möchte Leute tref-fen, die parlamentarische Arbeit kennen lernen und „ein Bundestags-Feeling“ be-kommen. Doch Jesaja betont: „Wenn ich ein besonderes Anliegen habe, wenn ich etwas bemerke, das ich verändern möchte, dann engagiere ich mich. Aber ich will nicht Politiker sein, um einfach nur Politiker zu sein. Ich sehe immer noch ein Ideal, das dahinter steckt.“

„ich beziehe ÖkoStrom, natürlich“

Dass beim Planspiel sein Lieblingsthema Energiewende zur Diskussion steht, ist für Nicolas Winkler aus Karlsruhe ein echter Glückstreffer. Jetzt kann er vier Tage lang als Philip Famos für die Fraktion der PSG (Partei der sozialen Gerechtigkeit) sein Wissen und Können beweisen.

Nicolas ist froh in einer der klei-neren Fraktionen gelandet zu sein. Er nimmt es ganz locker, dass diese nicht seiner eigentlichen politischen Gesinnung entspricht: „Das sind ja alles demokra-tische Parteien“.

Vor wenigen Tagen noch war der 20-jährige mit der dicken Hornbrille und den dunklen Locken Zivi in einem Krankenhaus, jetzt sitzt er bei „Jugend und Parlament“. In seiner Freizeit pen-delt Nicolas zwischen der eigenen Band im Kellerraum und dem Cockpit seines Segelflugzeugs.

Sonst ist er aber ganz auf dem Bo-den geblieben und bringt auch schon politische Erfahrung mit. Seit zwei Jahren ist er bei der Grünen Jugend aktiv, in seiner Heimat ist er Beisitzer im Vorstand. Da weiß man eben schon, dass es in der Politik auf Zusammenarbeit ankommt:

„Sonst hat man keine Chance“. Deshalb hofft er auf eine konstruk-

tive Zusammenarbeit der PSG mit den anderen Oppositionsparteien. „Ich wün-sche mir, dass nicht alle das Spiel zu ernst nehmen, um die innerfraktionären Schlammschlachten im Hintergrund zu halten“.

dafür Stehe ich mit meiNem NameN! die parteieN, ihre profile uNd ihre GeSichter im KurZportrait.

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Die Bahn macht mobil.

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die FraktionSVorSitzenden (Von linkS nach rechtS): Frank reiCh alias PatriC WaesCh (Psg), miChael meyer alias Felix sChUster Und devrim dösen alias dUygU söyler (ösP), otto marx alias eriC FriedriCh(aPd), kUrt lUxembUrg alias nikola marinkoviC (CvP) Und alexander Frei alias leslie PUmm (lrP)

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fruchtfleiSch drei dinge, die du mitgebracht haSt…

Quynh anh tran thi

17 Jahre, dreSden

„kUChen zUr gebUrtstagsFeier. ein

daUergrinsen. meine FaCharbeit.“

„kuchen“

Sophia thimian

17 Jahre, berlin

„mUt, Coolness –

Und FUndiertes Wissen.“

„SoFtSkillS“

Firat-Volkan akdogan

17 Jahre, ludWigShaFen

„anzUg, notizbloCk Und

WUnsCh naCh aUFklärUng in

saChen grosser reFormer.“

„anzug“

„mein Vorbild iSt eine miSchung auS Schmidt, adenauer und kohl“

„Es gibt keine falsche Partei“, sagt Jan Hermann. Trotzdem entschied er sich für die Junge Union und zeigt Engagement im Bezirksvorstand der JU in Frankfurt am Main. Im Planspiel gehört er der Landesgruppe Bayern der CVP an und nennt sich dort „Jakob Mierscheid“. Dieser Name, so sagt er, habe Bedeutung: „Er basiert auf einer kuriosen Geschichte.“ Zwei SPD Mitglieder erfanden eine fiktive Person, Jakob Mierscheid. Unter diesem Namen konn-ten sie anonym Schriften veröffentlichen und Kritik üben. „Die Politik hat sich seitdem stark gewandelt“, so der 19–Jährige, der von sich selbst behauptet, kein politisches Vorbild mehr zu haben. Er meint: „Die charismatischen Politiker sind längst ausgestorben. Man müsste eine Mischung aus Schmidt, Adenauer und Kohl finden  – das waren Menschen mit Vorbildcharakter“.

Auch an der aktuellen Politik übt er Kritik. Vor Allem die Subventionierung von Agrargütern durch die Europäische Union, sei, laut Jan, ungerecht: „Dadurch, dass der Preis von Agrargütern aus der EU künstlich niedrig gehalten wird, ruinieren wir Bauern auf ande-ren Kontinenten.“ Im Widerspruch zu seiner eigenen Vorstellung von Agrarpolitik, steht diese seines fiktiven Kandidaten. Als Mitglied der CVP Landesgruppe Bayern möchte er als

„Jakob Mierscheid“ die Landwirtschaft Bayerns stärken. Das junge Unionsmitglied identifiziert sich allerdings trotz Meinungsdifferenzen gut mit seinem fiktiven Ich: „Wir Beide, wir sind ein Team“.

„Die LRP – PaRtei DeR RefoRmen und der Freiheit“

„Mit der Energiepolitik werde ich meine Par-tei an die Spitze bringen“, verkündet der 16-jährige Ludwig Schnur aus Landshut. Im Planspiel schlüpft er in die Haut des liberalen Abgeordneten Josef Altinger aus Thüringen. Er räumt ein: „In den vergangen Jahren sind viele Fehler vor allem zur Unzufriedenheit der Bür-ger gemacht worden“. Gerade nach Fukushima sei es an der Zeit, Positionen zu überdenken.

„Meinungen kann man revidieren“, meint der Abgeordnete der LRP (Liberale Reform Partei). Die jetzige konservativ-liberale Koalition sei die ideale, um liberale Werte durchzusetzen:

„Diese Werte haben ihre Wurzel bereits in der französischen Revolution“.

Der 16-Jährige sieht Politik als Mittel zur Mitgestaltung und Mitbestimmung des Lebens. „Demokratie gibt hierzu jedem die Möglichkeit“, so der Jungabgeordnete, der sonst die zehnte Klasse des Gymnasiums be-sucht. Im wahren Leben ist er selbst politisch aktiv. Als Mitglied der CSU und des Kreis-vorstands der JU Landshut zeigt er Engage-ment. Der Abgeordnete seines Wahlkreises Dr. Wolfgang Götzer schlug ihn so für Jugend und Parlament vor. Der Hobby-Sportschütze möchte im Planspiel das interne Bundestags-geschehen kennenlernen und mit neuge-wonnen Informationen nach Hause kehren. Erleichtert fügt er hinzu: „ Klar, bin ich froh, hier als „Liberaler“ Positionen zu vertreten, die eher meinen wirklichen entsprechen, als eine ganz andere Meinung annehmen zu müssen.“

„medien erFüllen nur ihren Sinn, Wenn Sie unVerFälScht präSentiert Werden.“

Katja Seydewitz ist 18 und strebt eine Ausbil-dung zur Erzieherin an. Einen Büro-Job kann sie sich partout nicht vorstellen. Im Planspiel ist Katja in der Bundesfraktion der ÖSP (Öko-logisch-Soziale Partei) und arbeitet in der Arbeitsgruppe, die sich mit Journalistenverfol-gung beschäftigt. Dabei geht es nicht um einen Gesetzesentwurf, sondern um eine Empfehlung.

Im Rollenspiel ist sie 51, geschieden und hat eine 22 Jahre alte Tochter, mit der sie in Cochem, Rheinland-Pfalz lebt. Wie sie zum obersten Gebot des Planspiels steht, nicht nach der eigenen politischen Ansicht zu handeln?

„Für mich ist es sehr interessant, innerlich links zu sein, aber hier für grün zu kämpfen, weil auch in meinem Landkreis Saale-Holzland die Grünen und die Linken eine Fraktion bilden.“

Ihr politisches Vorbild ist Bodo Rammelow. „An ihm lässt sich zeigen, dass man auch als Christ in der Linken akzeptiert werden kann.“ Persönlich ist sie sehr medienaffin: „Ich ver-folge die Medien täglich, soweit Schule und Freizeit, Hobbys es zulassen.“ Warum? „Die 1. bis 3. Gewalt funktioniert nicht ohne die Vierte.“ Außerdem war sie bereits in Amerika und hat daher ein allgemeines Interesse an der Weltpo-litik. „Ich lebe in einem kleinen Dorf, daher ist es interessant zu sehen, was weltweit so los ist.“

Ob sie später allerdings politisch aktiv werde, weiß sie noch nicht. „Ich war bisher in Thüringen im Jugendparlament. Ralph Lenkert, der Abgeordnete meines Wahlkreises, hat mich daher direkt angesprochen und zur Simulation des Bundestages eingeladen.“

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B ewaffnet mit Argumenten und Fakten, die Aktenmappe mit der letzten Shell-Studie

unter dem Arm marschieren sie ins Innere des Saals des Innenausschusses. Am Morgen wurde die Gesetzesvorlage ohne Debatte in die Ausschüsse überwiesen. Nun nehmen sie Abgeordnete aller Fraktionen auseinander. Ge-wappnet für scharfe Diskussionen nehmen die Jungpolitiker Platz, knöpfen den Sakko-Knopf auf und nehmen einen Schluck Wasser, ehe sie sich ins Wortgefecht stürzen.

„one man, one Vote“

Ist die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 bzw. ein Wahlrecht von Geburt an, das bis zum 16. Lebensjahr treuhänderisch von den Eltern ausgeübt wird, ein Plus für die deutsche Demokratie? Ein klares „Nein“ kommt von der konservativen CVP. „One man, one vote“. Von einer Stärkung der Demokratie könne nicht die Rede sein, eher von der Stärkung extremis-tischer Parteien. Die Opposition kontert: „Die Gewalt geht vom Volke aus und zwar nicht vom volljährigen Volke.“ Wie könne man gut 20% der Bevölkerung einfach ignorieren?

rhetoriSche ScharFSchützen

Die Liberalen werfen der PSG verblendete Mei-nungen vor. Der Ausschussvorsitzende ruft zur Ordnung. „Der Regierung wäre es am liebsten, dass nur alle Bayern zwischen 70 und 80 Jahren wahlberechtigt wären“, schießt Johannes Art-mann von der Linken zurück. Im realen Leben ist der Gymnasiast, dessen eigentlicher Name Jan Wiefhoff ist, JU-Mitglied, wie das Logo auf seinem Notizblock schon verrät. Im Planspiel wird er zum Vollblut-Sozialisten. „Dass für Sie von der LRP die Wahlmündigkeit mit der Ge-schäftsfähigkeit zusammenhängt, ist ja klar. Für Sie ist der Mensch ja erst mit seiner Geschäfts-fähigkeit vollwertig.“ Nach einer weiteren Rüge kehrt man zu sachlichen Argumenten zurück. Der Begriff Jugendlicher wird definiert, wenn auch polemisch. „Wenn jemand mit zwölf Jahren ein Kind bekommen kann, dann kann er auch die Verantwortung zu wählen über-nehmen“, so die Linke. „Vielen Dank für die biologische Aufklärung“, reagiert die ÖSP und zieht als Vergleich den verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol heran, der auch bereits mit 16 erlaubt sei. Statistiken werden zitiert, Er-fahrungen auf Kommunalebene herangezogen. Sollte das Wahlalter an die Geschäftsfähigkeit oder an die Strafmündigkeit gekoppelt sein? Oder hat doch jeder von Geburt an ein Recht auf politische Partizipation und politisches Gehör?

Dass letzteres und insbesondere die treuhän-derische Ausübung des Wahlrechts durch die Eltern, das heißt eine Art Familienwahlrecht, nicht verfassungskonform sei, konstatiert der Rechtsausschuss mit eindeutiger Mehr-heit. Schließlich würde die Unmittelbarkeit der Wahl gefährdet. Neben dem Familien- ausschuss ist der Rechtsausschuss in der Frage um die Wahlberechtigung beratend tätig. In der Sitzungspause treffen die CVP-Abgeordneten strategische Absprachen. Klare Linie oder Wille zum Kompromiss zeigen? Fronten in den Fraktionen wie auch über deren Grenzen hinweg werden geklärt. „Das haben jetzt auch die von der anderen Fraktion gecheckt.“ In der heißen Diskussionsphase spekuliert Scott Haraldstad von der CVP auf einen Teilerfolg des Gesetzesvorschlages.

k.o. oder o.k. Für den geSetzeSentWurF

Dass das Familienwahlrecht keine Chance habe sei klar, wie der Streit über eine Altersgrenze ausgeht, stehe aber weiterhin offen. Haraldstads

„alter Ego“ ist Werner Kujat, der Leipziger Stu-dent zählt sich eigentlich nicht zum konserva-tiven Lager. Er ist froh im Rechtsausschuss zu sein: „Die Diskussion ist hier wesentlich sach-licher und weniger emotional geprägt.“

Anders sieht es im federführenden Innenausschuss aus. Hier redet sich ein Mit-glied der LRP in Rage, dass sich seine Stimme regelrecht überschlägt. Das Mikro der Linken gibt bei der lautstarken Gegenrede gar ein Fiepen von sich. Um kein Argument aus-zulassen, schieben sich die Abgeordneten Zettel hin und her. Die Fraktionen sind ein eingespieltes Team. Geschlossen kämpfen sie für ihr Ziel, formieren sich. Die Front der Regierung ist nicht zu durchbrechen. „Wir haben bereits vorher versucht uns in unsere

„politischen Gegner“ hineinzuversetzen und haben zu ihren wahrscheinlichen Argu-menten direkt Gegenargumente formuliert“, berichtet intern der 16jährige Felix Schuster, im Planspiel aka Michael Meyer. Doch jedes Argument prallt ab. Letztlich ist es ein Spiel auf Zeit. Den Regierungsfraktionen gelingt es, die erste Debatte vorzeitig zu beenden. Doch eine Pause bringt den entscheidenden Mo-ment. Nach den Empfehlungen der beiden beratenden Ausschüsse kommt es somit zur finalen Abstimmung der Beschlussempfeh- lung. Teile der CVP wechseln auf die andere Seite. Es gibt eine Mehrheit für ein Wahlrecht ab 16. Doch noch ist dies weder ein K.O. noch ein O.K. für den Gesetzesentwurf. Es geht in die nächste Runde – diesmal im Plenum.

„SchuSSwechSel“ im auSSchuSS wähleN SchoN mit 16 – ein grunDrecht oDer eher ein Waffenschein? Von Kristin UllricH.

der ring, in dem die stärkeren argUmente siegen.

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E iner dieser Redner ist Sebastian Stachorra. Der siebzehnjährige aus Nordrhein-West-

falen engagiert sich privat bei den Jusos. Im Spiel heißt er Johannes Kempt und sitzt für die ÖSP im Bundestag. Bis zum vereinbarten Interviewtermin feilt und übt er bereits an sei-ner Rede. Er vermittelt den Eindruck, als hätte er den ganzen Morgen nichts anderes gemacht. Er erzählt, dass er sich darauf freut, vor so vie-len Leuten in dieser einzigartigen Atmosphäre sprechen zu können. Am Anfang hatte er noch Zweifel, ob er diese Aufgabe bewältigen könne, doch nun sei die Freude größer. Nervös sei er noch nicht, aber er geht davon aus, dass sich das bestimmt ändert, wenn er ans Rednerpult tritt.

alleS nur ein Spiel

In seinem Vortrag bekämpft er den Numerus Clausus beim BAföG für Schüler, den die Re-gierung mit einführen will. Sein wichtigstes Argument ist, das ein NC von 2,7 neue Chan-cenungleichheit schafft, die man eigentlich mit diesem Gesetz abgeschafft sehen will. „Noten seien nicht aussagekräftig, da sie im Endeffekt durch Sympathien vergeben werden.“

Zu Beginn seiner Ausführung merkt man ihm seine Nervosität an der schnellen Aus-sprache an. Nach einer Minute wird es aber

besser. Nachdem er sich gefangen hat, trägt er die letzten 2 Minuten sehr klar und struk-turiert vor.

Leider scheinen dies nicht allzu viele mit-bekommen zu haben. Selbst aus der eigenen Fraktion gibt es nur müden Beifall. Aber wie soll er auch Interesse wecken, wenn er jegliche Körpersprache vermissen lässt? Seine Gestik beläuft sich ganz allein auf das heben und senken der linken Hand. Es entsteht der Ein-druck, dass er selbst nicht glaubt, was er sagt. Alles nur ein Spiel eben.

eine mÖglichkeit, die man Sich nicht entgehen laSSen darF

Während Sebastian Stachorra noch spricht, bereitet sich ein anderer auf seinen großen Auftritt vor. Florian Wagner rutscht immer wieder mit seinem Stuhl in den Reihen der CVP-Fraktion zurück, immer wieder geht er seine Aufzeichnungen durch.

Im echten Leben heißt der zwanzigjährige Franke Johannes Petersen. Politisch engagiert er sich ebenfalls bei den Jusos. Einen Tag zu-vor, als seine Rede da noch nicht fertig war, wusste er schon, dass er sich diese Möglich-keit nicht entgehen lassen darf.

Sein Beitrag ist direkt der erste in einer langen Reihe heißer Diskussionen zum Thema

Wahlrecht. Seine Rede ist ein einziger Angriff auf die Oppositionsparteien. Die APD hätte ihre grunddemokratische Linie verloren, die PSG betreibe linke Demagogie und die Grünen seien eine reine Dagegen-Partei.

angriFF auF die oppoSition

Wie will er die Oppositionsparteien überzeu-gen und mit ins Boot holen, wenn er sie so diffamiert? Gar nicht. Er richtet sich an die eigene Partei. Denn über die Frage des Wahlrechts herrschte in der CVP keine Einigkeit. Unge-fähr 20 Abgeordnete kündigten im Vorfeld an, entgegen der Parteilinie für das Wahlrecht ab 16 zu votieren. Diesen gilt die Aufmerksamkeit des Redners. Neben den Verunglimpfungen erwähnt er jedoch nur, dass die Wahlrechts-reform eine Katastrophe sei, und dass es das Wahlrecht ab Volljährigkeit schon immer gege-ben habe. Argumentativ wenig überzeugend.

überzeugende kÖrperSprache

Anders seine Körpersprache. Hier konnte er überzeugen. Sie war vielseitig und intensiv. Das Ergebnis: Reaktionen aus dem Plenum en masse. Die Oppositionsparteien kehrten ihm den Rücken zu und verharrten in dieser Stel-lung. Dies geschah so schnell, dass er, sicht-lich überrascht, seine Orgie an Lästerungen abbrechen musste. Einen letzten finalen Schlag ließ er sich aber nicht nehmen: „Wer mit den Kommunisten ins Bett geht, braucht sich nicht wundern, wenn es keine demokra-tischen Kinder gibt.“

Über den Erfolg seiner Rede kann man streiten. Zwar stimmten bei den Abstim-mungen einige Mitglieder der CVP für das Wahlrecht ab 16, allerdings reichte dies nicht für eine Grundgesetzänderung. Ob das nun Petersen zuzuordnen ist, bleibt offen. Seine Rede jedenfalls bleibt im Gedächtnis.

elias langer kiel, 17 Jahre

Elias kann auch abseits vom Bundestag gut zuhören, zum Beispiel den Boxentürmen eines Techno-Festivals.

SchweiGeN iSt Silber, redeN iSt Gold der 4. taG war eiNer Der höhePunkte von JugenD unD Parlament. 30 Junge abGeordNete hatteN mit ihrer rede ihreN GroSSeN auf-tritt im pleNarSaal. Von EliAs lAngEr.

reden im plenum: siCh Um koPF Und kragen reden oder mit Worten glänzen.

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umGehört. NachGefraGt. Die JugenDlichen bei JuP sinD engagiert. alle haben ihre eigene meinung uNd vertreteN Sie auch. wir habeN NachGefraGt, wie Sie Zu aKtuelleN politiScheN diSKuSSioNSfraGeN SteheN. Von AnnA EllmAnn

Wie Wird die nächSte koalition auSSehen?

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N ach Hiroshima ist Japan wieder einer atomaren Bedrohung ausgesetzt. Wie ein

grauer Schleier wird der Reaktorunfall von Fukushima noch Jahre lang als Gefühl der Unsicherheit und Angst über der Bevölkerung schweben. Die partielle Kernschmelze hat Menschen weltweit wieder an die Gefahren der Atomkraftwerke erinnert und das Umwelt- und Sicherheitsbewusstsein erneut gestärkt. Zurzeit diskutiert die deutsche Politik über einen Ausstieg bis 2022. Unsere Regierung initiierte ein Moratorium, erkannte, dass erneuerbare Energien gefördert und dass Trassenwege in ganz Deutschland ausgebaut werden müssen. Auch die fiktiven Abgeordneten verabschie-deten ein Gesetz zur Energiedebatte.

poSitionen und Standpunkte

Alexander von und zu Pfalz (CVP) plä-dierte dafür „einen sicheren Ausstieg bis 2025“ zu gewährleisten. Bis dahin sollten alle Atomkraftwerke vom Netz ge-nommen werden. In der Zwischenzeit

setzt die CVP auf Brückentechnologien. Anders die LRP, die vor allem auf eine Selbstregulierung der Wirtschaft zählt. Arnold Wittenberg hierzu: „Es bedarf einer Liberalisierung des Marktes." Außerdem darf man „den Blick auf die Haushaltskonsoli-dierung nicht verlieren“, so Karl von Moor. An zukunftsträchtige Energielieferanten glaubt die APD. Frank Schäfer sagt: „Wir brauchen Nachhaltigkeit im ökologischen, ökono-mischen und sozialen Sinne.“ Sie wollen „die Energiewende für alle“ und einen „umwelt-schonenden Ausstieg“, so Karl Maria Hage. Die ÖSP forderte: „Wir brauchen die Off-shoreenergie und die Netzwerkerweite-rung“, und „einen Mix aus Sonne, Wind und Wasser“, sagte Jakob von Walthersberg. Die „fiktiven Grünen“ bestanden auf einen Atomausstieg zum baldmöglichsten Termin und, laut Constantin Neumann, darauf, schnell „in die Erneuerbaren“ zu investieren. Philipp von Winterburg stellt fest: „Den erneuer- baren Energien werden absichtlich Steine in den Weg gelegt“. Die PSG beharrte auf einen

Ausstieg aus der Nuklearenergie bis 2014. Die Ansichten der CVP wiesen sie als Unsinn zu-rück. Frank Reich meinte dazu: „Die CVP ist keine Volkspartei mehr, wenn sie den Atomaus-stieg erst 2025 anstrebt. Die Zukunft beginnt jetzt“.

Letztendlich einigten sich CVP und LRP. Sie stimmten mit ihrer Mehrheit für einen Atom- ausstieg bis 2025. Es bleibt abzuwarten, wie nah Realität und Fiktion diesmal beieinander lagen.

anna ellmann,chamerau, 18 Jahre

Anna hat sich in der Redaktion in ihren eigenen kleinen baye-rischen Freistaat eingerichtet.

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A uf ihrer Facebook-Seite stehen Interessen wie „Gentechnikfreies Europa“ und

„Afghanistankrieg beenden“. Vollkommen aus der Reihe fällt dabei der „Nürnberger Klavierwettbewerb e.V.“ Die Rede ist von Agnes Krumwiede, Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Obfrau im Ausschuss für Kultur und Medien sowie Bundestags-schriftführerin. Verwunderlich erscheint je-doch: Sie ist auch Pianistin mit Konzertdiplom und „staatlich geprüfte Musiklehrerin“.

„ich hab immer beideS gemacht“

Musik und Politik prägen Krumwiedes Lebenslauf. Sie studierte Klavier an der Hoch-schule für Musik in Würzburg. Seit 2001 ist sie Mitglied des Bündnis 90/Die Grünen. Sie arbeitete als Musik- bzw. Kultur-Journalistin in Print- sowie Funkmedien, volontierte beim Bayrischen Rundfunk und arbeitet dort heute noch als freie Mitarbeiterin. In Ingolstadt, wo sie die „Grüne Jugend“ initiierte, eröffnete sie 2008 ihre Musikschule.

„kultur iSt Für mich der nähr-boden unSerer demokratie“

Die 34-Jährige ist Mitglied im Deutschen Tonkünstlerverband und wurde 2010 zur Kla-vierspielerin des Jahres gekürt. Der Preis wird vom Bundesverband Klavier e.V. an Pianisten vergeben, die an besonders herausragenden Stellen der Gesellschaft stehen und so in der Öffentlichkeit eine Vorbildfunktion einneh-men.  Das Preisgeld gab sie weiter an den Verein „Künstler an die Schulen e.V.“ ihres Wahlkreises. Denn ihr zentrales politisches Anliegen ist kulturelle Bildung: „Kultur ist die Brücke für ein neues Denken“. Sie fordert einen Mindestlohn für die Kreativbranche und ist davon überzeugt, dass „die staatliche För-derung von Kultur auch in Zeiten der Krise unbedingt notwendig ist.“

Dass die von der BILD als Miss Bundestag gekürte junge Frau mehr als attraktiv und eloquent ist, zeigt sie unter anderem auf der Plattform abgeordnetenwatch.de. Die Ham-burger Internetseite will Politik transparenter machen. Man erfährt per Mausklick, dass Krumwiede gegen eine Anpassung und Ver-änderung von Hartz IV und für die sofortige Abschaltung von Alt-AKW ist. Ferner nimmt sie sich Zeit, auf dieser Website individuelle Fragen von Usern zu beantworten.

Einen untypischen Weg in die Politik fand auch Ralph Lenkert (Die Linke). Seine Ausbildung als Werkzeugmacher absolvierte

er bei Carl Zeiss Jena. Heute ist er Obmann der Fraktion und im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

die deutSche VerSion deS „american dream“?

Mitglied des Bundestags ist er seit rund zwei Jahren. Ob er damit die deutsche Version des

„American Dream“ lebt? „Der Weg war nicht geplant und nach zwei Jahren im Bundestag lautet mein Fazit: Ich habe in allen Berufen, als Werkzeugmacher, Qualitätsleiter und als Technologe hart gearbeitet. Viele Aufgaben und lange Arbeitszeiten waren normal, aber ich hatte nie so wenig Zeit für mich und die Familie wie jetzt.“ Neben dem Beruf absolvierte er ein Fernstudium. Lenkert ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Sein persönliches Startsignal für politisches Engagement war ein Beschluss der Thüringer Landesregierung 2004. Die Grundschulhorte sollten abgeschafft werden und Lenkert wurde bei den Gegenpro-testen aktiv, da sein Sohn davon unmittelbar betroffen war. Lenkert wurde Mitinitiator des neuen Kindertagesstättengesetzes, später dann Vorsitzender des Volksbegehrens „Für eine bes-sere Familienpolitik“ in Thüringen. Nicht nur die Angst um die Zukunftsperspektiven seines Sohnes war entscheidend: „Egal was Ihr Eltern hier veranstaltet, wir machen das, was wir für richtig halten.“ Die Arroganz dieser Aussage aus dem Mund eines Beamten des Kultusminis-teriums macht ihm klar: „Gegen diese Überheb-lichkeit muss ich kämpfen.“ „Manchmal kann ich als Abgeordneter etwas verbessern“, sagt er. Das gebe ihm Kraft und neuen Elan.

Doch nicht nur Krumwiede und Lenkert sind auf Umwegen in der Politik gelandet: Andreas Lämmel (CDU) ist seit Oktober 2009 Obmann der Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie. Auch wenn er sich bereits in seiner Jugendzeit mit Politik beschäftigte, sagt er:

„Dass ich einmal Mitglied des Bundestags wer-den würde, hätte ich in meiner Jugend nie gedacht.“ Nach seiner Ausbildung zum Kon-ditor und dem anschließenden Studium der Ingenieurswissenschaften engagierte er sich in der späten DDR in der Bürgerrechtsbewe-gung. Wirklich aktiv wurde er erstmals 1989, um für einen demokratischen Wandel in der DDR zu kämpfen. „Nach 1990 gehörte ich dann zur großen Gruppe von Quereinsteigern in Ostdeutschland.“

Diese Beispiele zeigen: Nicht jeder Abgeordnete hat BWL oder Jura studiert. Land-wirte, Polizisten, Hauptschullehrer, Maurer, Redakteure… – sie alle sind heute Mitglieder des Bundestags. Andreas Lämmels Fazit über ungewöhnliche Wege in die Politik: „Die große Zahl politischer Quereinsteiger hat der deut-schen Politik insgesamt gut getan.“

kevin tarun, berlin, 20 Jahre

Kevin knackte den Code des Bundestags: bei Telefonaten aus dem Bundestag immer die Null vorwählen.

QuereiNSteiGer uNd durchStarter am buNdeStaG wieSo eNdet die mailadreSSe eiNer piaNiStiN auf @bunDestag.De? Weshalb ist ein Werkzeugmacher mitglieD Des bunDestags? unD Was hat eigentlich ein konDitor mit Politik zu tun? über Wege unD umWege Zum arbeitSplatZ am buNdeStaG. Von KEVin tArUn

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es ist niCht immer Unbedingt der direkte Weg der in den bUndestag FÜhrt.

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A uch wenn sie es sein sollte, Pressefreiheit ist keine Selbstverständlichkeit. Jährlich

zeichnet die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ auf, wie viele Journalisten aufgrund ihrer Arbeit getötet oder festgenommen wer-den. Bis zum jetzigen Zeitpunkt zählt das Jahr 2011: 24 Tote, 149 Inhaftierte. Eritrea und Nordkorea bilden die Spitze der gefährlichsten und repressivsten Staaten weltweit. Ihre Re-gierungschefs blicken sich in Sicherheit wäh-nend in Richtung Zukunft. Kritik brauchen sie so nicht zu fürchten. Frei nach dem Motto Kim Jong Ils und seiner „Gleichgesinnten“:

„Es lebe die Zensur“. Wegen solcher Entwick-lungen artet die Arbeit der Journalisten zu einem Spießrutenlauf über politische Hinder-nisse aus.

Im Angesicht der olympischen Spiele in China 2008 riet Heribert Faßbender: „(…) In-terpretiert und praktiziert die Menschenrechte und die Pressefreiheit so, wie wir das in Eu-ropa tun". Zwar liegt die Volksrepublik mit ih-rem Platz 171 etliche chinesische Meilen hin-ter dem Platz 17 von Deutschland, allerdings leiden auch europäische Journalisten unter

Restriktionen, die den freien Journalismus behindern. In Ungarn beispielsweise stehen seit Dezember 2010 Radio, Fernsehen, Druck-blatt und Internet unter staatlicher Kontrolle. Victor Orbán, der amtierende Regierungschef Ungarns, war bei der Einführung des Medien-gesetzes gleichzeitig der Ratspräsident der Europäischen Union. Dass Pressefreiheit zu den Grundwerten der freiheitlich demokra-tischen Europäischen Union gehört, hinderte ihn nicht, diesen Schritt in Richtung Zen-sur öffentlich zu vertreten. Währenddessen wurden auch in Italien weitere Skandälchen enthüllt. Der Staatschef Berlusconi investierte mit seinem zweifelsohne ehrlich verdienten Geld in Fernseh- und Printmedien. Wir sehen: Einen demokratischen Staat Ungarn, der mit den Gesetzesbeschlüssen gegen die Freiheit glänzt und den Staatschef Berlusconi in Ita-lien, der dank eigener Fernsehstationen sein eigenes Image aufpoliert. Uns bleibt wohl letztendlich die einzige Erkenntnis, dass Pressefreiheit auch hierzulande oft nur ein abstrakter Begriff ist, der nicht konkret um-gesetzt wird. Also: ein Hoch auf die Zensur!

voGelfreier Journalismus iN uNSereN demoKratieN KöNNeN wir relativ frei arbeiteN, aber aNderNortS werdeN wir verfolGt uNd verhaftet. KommEntAr Von AnnA EllmAnn.

Z ur Zeit ist es schwer in Mode, alles zu digitalisieren und mit dem Attribut „2.0“ zu

versehen. Jetzt hat es „Jugend und Parlament“ erwischt: Ob in der Facebook-Gruppe oder per Live-Ticker auf dem Smartphone – überall und jederzeit könnten sich die Teilnehmer das neuste Update holen.

Sprach man sie allerdings in den ersten Tagen darauf an, tauchen große Fragezei-chen in ihren Gesichtern auf: „Live-Ticker? Davon hab ich noch nichts gehört“. Die Spiel-presse fängt die Jung-Parlamentarier ab und quetscht sie aus, um so Meldungen für den Live-Ticker zu erstellen. Sollte das Ergebnis sein, dass keiner sie liest? Oder brauchte der mediale Trend vielleicht einfach seine Zeit, um sich durchzusetzen?

Das Planspiel gibt es seit 2004 und auch das Internet ist nicht erst gestern aus dem Ei geschlüpft. Erst seit diesem Jahr jedoch gibt

es eine interaktive Zusammenarbeit zwischen Geschehen im Plenarsaal und den Online- portalen des Bundestages.

Für Regierungsdirektor Kay Wahlen, den Verantwortlichen des Planspiels, war die Spielpresse mit nur einer Ausgabe am Morgen

„nicht dynamisch genug“. Zusammen mit „mitmischen.de“ dem Jugendportal des Bundes-tags, gibt es jetzt einen Online-Blog zweier Teilnehmer und natürlich den Live-Ticker mit den neuesten Ergebnissen und Statements.

kommunikationSprobleme mit den teilnehmern

„Ich find' das total geil“, freut sich Frank Reich, PSG-Fraktionsvorsitzender. Realitätsnah und hilfreich beschreiben auch andere Teilnehmer das Angebot. So habe man immer „Ahnung, was die anderen Parteien machen“. Nicht zu-

letzt für eigene Statements und Pressemittei-lungen steht die Onlineplattform den Frakti-onen zur Verfügung.

Anfangs schien das Planspiel in „ge-wohnten Bahnen“ zu laufen. Doch schon nach kurzer Zeit wurden die neuen Informationska-näle und vor allem auch ihre Schnelligkeit und Unmittelbarkeit nicht nur erkannt, sondern auch aktiv von den Teilnehmern genutzt. In den Räumen der Live-Ticker-Redaktion liefen die Leitungen heiß, Jungabgeordnete schrieben Pressemitteilungen, forderten Klarstellungen. Wie im wahren Leben entstand binnen Kürze ein Wechselspiel zwischen Presse und Politik.

Der Trend 2.0 hat sich auch im Plan-spiel durchgesetzt. Jugend und Parlament kommt somit einem seiner größten Ziele näher: Realitätsbezug. Denn dass 2.0 überall in unserem Alltag steckt, kann wohl keiner mehr leugnen.

alles neu macht 2.0? seit 2010 sinD tablet-Pcs im Plenarsaal erlaubt unD nun Geht auch daS plaNSpiel oNliNe. waS erreicheN Neue meDien im Politischen alltag? KommEntAr Von VEroniKA VöllingEr.

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Hinter den Kameras – Hinter den Kulissen des JoUrnalismUs

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I n wenigen Minuten erreichen wir Berlin Hauptbahnhof“. Der ICE hält. Die Men-

schenmassen am Gleis, auf der Rolltreppe, in der Eingangshalle geben Gewissheit: Man ist angekommen, in Berlin, der Hauptstadt. Ein-mal auf den Platz vor dem imposanten Glas-gebäude des Hauptbahnhofs getreten weht einem bereits der politische Wind um die Nase. Der Blick fällt auf die gläserne Kuppel des Bundestags. Die Bundesflagge weht. Eine Brücke passiert die Spree. Zur Rechten das Kanzleramt, zur Linken das Paul-Löbe-Haus, in welchem die Ausschüsse tagen und ihrer Arbeit nachgehen. Unweit des Reichstags- gebäudes wandelt man auf historischen Spuren, passiert das Brandenburger Tor, das einst das politisch gespaltene Berlin teilte. Heute finden sich hier, wo sich eine Vielzahl von Botschaften niedergelassen hat, Schwärme von Touristen aus allen Ländern der Welt. Die Hauptstadt empfängt ihre Besucher direkt in ihrem poli-tischen Herzen.

WaS Wäre berlin ohne die politik?

In erster Linie sind es die geraden Linien der modernen Architektur des Regierungsviertels, die der zentralen Rolle der Berliner Politik eine Bühne bieten. Taxi- wie Rikschafahrer kurven um die Bauten, die für sie wie für eine Viel-zahl der Touristen das politische Statement Berlins darstellen. Was wäre Berlin ohne die Politik? Die großen, monumentalen Gebäude, die meist mehr als Sehenswürdigkeit, als als Orte parlamentarischen Arbeitens gesehen und besichtigt werden, blieben  – vielleicht historische Denkmäler? „Viel würde sich nicht ändern. Es ist die Kultur, die Vielfalt, die Dynamik der Stadt, die Berlin zur Hauptstadt machen“, so sehen es eine Vielzahl von jungen Menschen. Aber auch ein Polizist am Bundes-tag, der noch das Bonner Parlament kannte,

konstatiert: „Es ist nicht die Politik, die Berlin zur Hauptstadt macht. Es ist vor allem die Kul-tur.“ Es sind der Facettenreichtum Berlins, seine Diversität, die ihm ein solch internationales Flair verleihen, das junge Menschen aus ganz Europa wie der ganzen Welt in die Hauptstadt der Bundesrepublik ziehen.

„reich und Sexy“

Bunt und verrückt. „Reich und sexy“, widerlegt ein Berliner Student seinen Oberbürgermeister. Auch mit einem kleinen Geldbeutel könne man hier gut leben und ein großes Kultur- angebot wahrnehmen. Einerseits hat Berlin in den letzten Jahren viel aus sich gemacht – vom ehemaligen „Mauerblümchen“ zu der Metropole Europas –, andererseits sind die Mieten erschwinglich geblieben. Dies scheint wohl eines der Geheimrezepte für den Boom an der Spree zu sein. Dort, wo internationales Flair auf kleinbürgerliches Kiezbewusstsein trifft. Die Identifikation mit dem eigenen Kiez macht den Berliner zum Berliner. Er liebt seine Stadt und lebt für sie.

der nabel europaS

Der ehemalige Flughafen Tempelhof? Keine rein verkehrspolitische Frage, vielmehr ein Herzstück Berliner Identität. Und da kommt sie durch, die Berliner Schnauze und protes-tiert. Es wird klar, dass die Mauern des Bun-destags doch nicht Grenzen der Politik in Berlin sind. Zu Recht ist Berlin wohl politischer als viele andere Orte der Republik. Nah am aktuellen Geschehen bezieht man in einer Stadt, die wohl so viele Meinungen wie Ein-wohner hat, schneller und stärker Stellung. Jede Meinung findet hier ihren Platz und ihre Form gehört zu werden. „Die Stadt ist der Platz für verrückte Ideen“, so Stefan Richter, der Geschäftsführer der Grünen Liga. Diese Woche

fand seine Idee des Umweltfestivals Platz am Brandenburger Tor. Hier trifft Musik, Kunst und Berliner Lebensgefühl auf politische Message. Es ist dieser Nukleus an Ideenreichtum, der Berlin auszeichnet. Von wegen „arm, aber sexy“. Hierin steckt wohl auch das politische Potential, das hier pulsiert. West wie Ost des Brandenburger Tores  – dem Symbol Berlins wie es die Touristen sehen oder ihrem Wohn-zimmer wie es die Berliner liebevoll nennen – treffen Gegensätze aufeinander und Ideen auf fruchtbaren Boden. Dieser melting pot ist es, der Berlin erst zum Botschafter Deutschlands und dann zum Nabel Europas werden ließ.

politik und ihre umWelt

Vor allem die Offenheit Berlins macht die Stadt für viele attraktiv. Ein Charakterzug dieser vielfältigen Stadt, der wohl auch Sir Norman Foster inspirierte. Der Architekt öffnete das Parlament 1999 durch die mittlerweile zum Wahrzeichen gewordene Glaskuppel. Zu aller-erst ist die Kuppel jedoch ein Zeichen für die Transparenz der demokratischen Arbeit. So verschmilzt auch in der Architektur die Politik mit ihrer Umwelt – der Stadt Berlin.

kristin ullrich, münchen, 20 Jahre

…hat nun verstanden, warum es im Bundestag noch so viele Festnetztelefone gibt – dank vergessenem Handy.

weGe um uNd iN deN buNdeStaG eiN politiScher SpaZierGaNG durch die hauptStadt. Ein strEiFZUg Von Kristin UllricH.

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F rech und verheißungsvoll prangen die weißen Lettern auf dem roten Pfeil und

fragen: „Durstig?“ Wer vorbeihetzt, hadert mit seinem Gewissen: Folge ich dem Wegweiser und verlasse meine ursprüngliche Route? Oder bleibe ich standhaft und lasse mich nicht so leicht verführen vom Pfeil in Signalfarbe? Wer den Umweg wagt, gelangt ins Trockenlager. Hinter einer Gittertür lagern hier Stühle und allerhand anderes. Davor jedoch erlöst ein Ge-tränkeautomat den Durstigen. In Gesellschaft eines Zigaretten- und eines Schokoriegel-automaten fristet er sein Dasein auf wenigen Quadratmetern muffigen Kelleraumes und wartet auf Kundschaft.

ein blick hinter die kuliSSen

Cola im Keller, wer hätte das gedacht. Über-haupt ist der Bundestag mehr als nur Sitz des Parlaments. Wer an den Bundestag denkt, dem kommt zuerst das Reichstagsgebäude mit der Kuppel in den Sinn. Dabei finden sich in nächster Nähe noch weitere Gebäude. Die sind auch notwendig, wenn man bedenkt, dass 620 Abgeordnete und rund 2600 Verwaltungs-mitarbeiter Platz finden sollen. Das Berliner Regierungsviertel ist ein perfekt funktionie-rendes, eigenes System. Fast schon eine kleine Stadt für sich. Hier findet man alles, was man sich nur vorstellen kann und vieles, was man sich zunächst gar nicht vorstellt.

Will man vom Plenarbereich „rüber-machen“ ins Jakob-Kaiser-Haus, führt der Weg vorbei an Ausstellungsstücken aus vergangen Zeiten. Sogar alte Parlamentssitze aus Bonn finden sich hier: Damals saß man noch auf Holz, während heute blaues Polster den Plenarsaal schmückt. Bunt leuchtende Konto-automaten stehen vor der Tür zum Durchgangs-flur. Wem also das nötige Kleingeld fehlt, der wird hier fündig. Und wer schnell den nächsten Flieger ohne Gepäck erwischen muss, der kann ganz praktisch und bequem den Quick-Check-In- Automaten daneben benutzen.

kunSt SoWeit daS auge reicht

Ist man endlich drüben, darf man getrost ei-nen Blick gen Himmel werfen. Der lohnt sich deshalb, weil dort hoch oben unter der Decke des Jakob-Kaiser-Hauses vier längliche bunte Balken hängen.

Ihre Form erinnert an Kanus, tatsächlich sind es Rennachter, also Ruderbote. Die Kuns-tinstallation stammt von Christiane Möbus

und soll das Gleichgewicht, aber auch den Wettbewerb demokratischer Mächte symbo-lisieren: Je nach Auf- und Abwärtsbewegung der Boote ist immer ein anderes oben oder unten. Der Bundestag mutet bisweilen einem Museum oder einer Kunstausstellung an: In jedem Gebäude des Regierungsviertels finden sich Gemälde, Skulpturen oder Installationen. Es finden sich Namen wie Gerhard Richter oder Joseph Beuys.

Auf der anderen Seite der Spree steht in kühler Betonmanier das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Hier befindet sich die Bibliothek. Mit über 1,4 Millionen Bänden ist sie eine der größten Parlamentsbibliotheken der Welt. In erster Linie dient sie aber dazu, wissbegierige Mitarbeiter und Abgeordnete mit Input zu füllen. An der Ausleihe trifft man Sarah

Zimmermann. Der 23-Jährigen verhalf eine Ausbildung zur Fachangestellten für Medien und Informationsdienste zum Sprung in den Bundestag. Dafür hilft sie jetzt freundlich den Abgeordneten, falls diese mal ein Buch nicht finden.

input Für abgeordnete

Auch im Bundestag hat jeder Abgeordnete sein eigenes Bücherkonto. „Die Leute überziehen auch fröhlich“, erzählt Sarah Zimmermann. Eine öffentliche Bibliothek könnte in dem Fall Mahngebühren verhängen, hier darf man nur drohen und „unfreundliche Briefe verschicken“, zwinkert Sarah. Und noch eine skurrile Ge-schichte hat sie auf Lager: Die Bundestagsbi-bliothek kümmert sich für die Abgeordneten auch Fernleihen, also Bücher aus anderen Bi-bliotheken. Einmal kam ein Anruf aus einem Abgeordnetenbüro; es wurde gebeten, doch bitte die Twilight-Saga zu organisieren. Den Wunsch durften die Bibliotheksmitarbeiter aber nicht erfüllen, da ein „dienstlicher Zweck nicht mehr erkennbar“ war.

Die Reise könnte noch stundenlang weitergehen, denn wer einmal anfängt, wird schnell fündig: Ob Reisebüro, Poststelle, Wickelraum, Turnhalle oder Gebetsraum – es gibt eigentlich nichts, was es nicht gibt im Bundestag. All das durften die Jung-Parla-mentarier vier Tage lang ihr Reich nennen. Sie saßen in den „echten“ Sitzungssälen, aßen in der Kantine und genossen die Kuppel- aussicht.

Die Liegenschaften beherbergen einen Verwaltungsapparat, der oftmals so gut funk-tioniert, bis auf das letzte Detail abgestimmt ist und jegliche Bedürfnisse deckt, dass man ihn zumeist nicht einmal wahrnimmt. Wer je-doch beim nächsten Besuch im Zentrum der Demokratie die Augen und Ohren offen hält, der kann viel Spannendes und Kurioses hinter den Fassaden entdecken. Oder sich mal selbst auf die Suche nach dem verführerischen roten Pfeil begeben.

ZwiScheN KoNtoauSZuG uNd cola-automat der deutSche buNdeStaG öffNet tür uNd tor für beSucher uNd rühmt Sich alS GläSerNeS parlameNt. doch vieleS,waS Sich hiNter deN mauerN deS reichtaGS verStecKt, bleibt der öffeNtlichKeit verborGeN. Ein strEiFZUg Von VEroniKA VöllingEr.

die bibliothek deS bundeStagS: das herzstÜCk des marie-elisabeth-lÜders-haUs.

Veronika Völlinger dillenburg, 19 Jahre

Sammelt weiterhin schlechte Wortwitze, bis es im Herbst in Berlin mit dem Studium losgeht.

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E s gibt wirklich eigenartige Tiere. So ein Na-senbär sieht erstmal gewöhnungsbedürftig

aus. Aber vielmehr ist es das Verhalten von Tie-ren, das so sonderbar ist, weil es dem Menschen stark ähnelt. Nehmen wir die Vögel: Wussten Sie, dass selbst der Hahn lügen kann? Hinter-listig lockt er mit einem Futterruf Weibchen an, obwohl weit und breit kein Korn zu finden ist – nur um seine Fortpflanzung zu sichern. Mensch und Tier sind sich verdächtig ähnlich.

Streithähne unter Sich

Bei Jugend und Parlament erlebt man im Ple-num Spitzenpolitiker oder eher Spatzenpoliti-ker in ihrem natürlichen Lebensraum. Es gibt dort rote, gelbe, schwarze und sogar grüne Vögel, die ihre eigene Hackordnung bilden.

Unruhig beobachten sie ihre Artgenossen und Rivalen. Gefällt ihnen deren Gekrächze nicht, plustern sie sich gehörig auf, schimpfen wie die Rohrspatzen oder sie hacken erbost aufein-ander ein.

Doch woher diese erstaunliche Ähnlichkeit mit dem lügenden Hahn? Nun, es ist vorgese-hen, dass sie nicht die Partei vertreten, der sie im realen Leben angehören. Das bedeutet, dass sich kaum einer der Sprösslinge auf dem Nähr-boden seiner wahren Überzeugung wiederfindet. Dennoch muss in den Reden das Leitbild der zu-geteilten Partei durchschimmern. Somit heißt es für den Großteil: Lügen, was das Zeug hält!

Nein, das ist nicht ethisch bedenklich. Es geht im Planspiel schließlich darum, Poli-tik realitätsnah und gefühlsecht mitzuerleben. Und deshalb wird dort etwas ganz Spezielles

trainiert, nämlich die Königsdisziplin erfolg-reicher Politiker: Der Umgang mit dem scharf geschmiedeten Schwert menschlicher Rhe-torik  – der Lüge. Dass die Lüge kein außer-parlamentarisches Phänomen ist, wusste man bereits vor dem Skandal um „Lügenbaron“ Karl Theodor. Schon 2006 sagte der unga-rische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany, er habe das Volk während des Wahlkampfs „mor-gens, mittags und abends“ belogen, was ein Diktiergerät an die Öffentlichkeit brachte.

Und um der Korrektheit willen: Es gibt natürlich Dinge, in denen sich ein Politiker gänzlich vom Hahn unterscheidet. Politiker tragen Anzüge, kein Federkleid. Zumindest im Dienst. Und das Schmücken mit fremden Federn ist wohl eher die Ausnahme als art-typisches Verhalten.

StreithähNe uNd paradieSvöGelNietZSche SaGte eiNmal, der meNSch Sei „daS Nicht feSt- GeStellte tier“. wer dieSeS tier feStStelleN will, der muSS Nur eiNS tuN: am plaNSpiel im buNdeStaG teilNehmeN. Von KEVin tArUn.

D ie größte gesellschaftliche Schicht ist die Mittelschicht. Zu ihr zählen immerhin

noch 54% der deutschen Bevölkerung. Frü-her hieß die Mitte Bürgertum  – doch durch einen beachtlichen Werteverlust hat sie sich selbst „entbürgerlicht“: Die Tugenden, die sie ausmachten, waren Disziplin, Fleiß und Streb-samkeit. Der Konsumwahn verdrängte diese Werte jedoch mehr und mehr, sie gerieten in Vergessenheit. Es stellt sich die Frage: Was be-deutet das für unsere Demokratie?

Unsere Politik befindet sich in einer Glaubwürdigkeitskrise. Sie resultiert aus leeren Wahlversprechen, Lobbyismus und vor allem der Annahme, Politiker seien ausschließlich auf ihre Wiederwahl aus. Denn schließlich sei jeder auf den eigenen Vorteil bedacht – warum sollten gerade Politiker die Ausnahme bilden? Die Ellenbogengesellschaft hat sich nicht nur durch Kapitalismus und Egoismus etabliert,

auch die Werbeindustrie trägt Mitschuld am Werteverlust: Egal ob erfolgreiche Manager, Aktienspekulanten oder Paris Hilton über die Bildschirme von PC und Fernseher flackern, sie alle stehen dafür, dass man keinen Finger krümmen muss, um erfolgreich zu sein.

lange beine Statt heinrich heine

Insbesondere die Jugend ist vom Virus der Politikignoranz befallen. Sie weist ein beun-ruhigend geringes Politikinteresse und -ver-ständnis auf, doch kennt sich mit Glamour und Fame bestens aus. Der Ursprung dafür ist das Image von Bildung. Junge Frauen setzen ihre Weiblichkeit gezielt ein, verfallen in Rollenkli-schees und bringen den Sexismus zurück: Auf Facebook präsentieren sie entweder ihre klei-

nen Täschchen französischer Luxusmarken oder sich selbst in noch knapperen Outfits und geben an, dass sie Bücher hassen. Doch auch Männer sind verschiedenen Einflüssen ausge-setzt, z.B. dem Hip Hop, welcher Perspektivlo-sigkeit thematisiert und zu einem regelrechten Ghetto-Kult avancierte. Dass es hierzulande legale Aufstiegschancen, soziale Sicherungs-systeme und zahlreiche Bildungs- sowie Kultur- einrichtungen gibt, scheint aus dem Gedächtnis junger Hörer verschwunden zu sein.

Dem Volk wird vermittelt, dass man we-der kulturelle noch politische Bildung braucht, um voranzukommen. Kurzum  – der Verlust gesellschaftlicher Werte, eine gewisse Äußer-lichkeitsherrschaft und Vorbilder à la Verona Pooth unterspülen das Fundament unserer Demokratie. Sie alle fördern die fälschliche Annahme: „Politik und Bildung gehen mich nichts an. Es geht auch ohne.“

kommentar

gloSSe

bilduNG hat eiN imaGeproblemdaS politiSche iNtereSSe der teilNehmer am plaNSpiel Sei „wohl etwaS beSSer auSGepräGt alS beim reSt der deutScheN bevölKeruNG“. So formulierte eS buNdeStaGSpräSideNt dr. Norbert lammert iN SeiNer abschliessenDen reDe von JugenD unD Parlament. aber Woher kommt DeutschlanDs Politisches Desinteresse? Von KEVin tArUn.

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E inmal im Jahr übernehmen die Jung-Parlamentarier den Plenarsaal. Gewählt

werden sie nicht vom Volk, sondern vom Ab-geordneten ihres Wahlkreises. Die fünf Bun-destagsfraktionen beauftragen damit jeweils die Hälfte ihrer Abgeordneten. Das Organisa-tionsteam um Regierungsdirketor Kay Wahlen wünscht sich natürlich, dass die Abgeordneten

sich hierbei untereinander abwechseln. Häu-fig begäben sich aber doch wieder dieselben auf die Suche nach den Kandidaten.

Viele Wege Führen nach berlin

Abgeordnete können Schulen zu Bewer-bungsvorschlägen aufrufen oder sich in den Reihen der eigenen Jugendorganisation umsehen. Auch ein Bewerbungsaufruf per Zeitungsannonce ist möglich. Letztlich ist die Auswahl jedem Abgeordneten selbst überlassen. „Natürlich sollten so viele wie möglich die Chance bekommen“, meint Kay Wahlen.

Malte Erdmann aus Köln ist vermutlich der einzige Teilnehmer, der per Wahl nach Berlin kam. Allerdings nicht durchs Volk, sondern durch seine Mitschüler an der Waldorfschule. Der Wahlkreisabgeordnete hatte seinen Lehrer beauftragt, einen Schüler auszuwählen. Die Kandidaten mussten Wahlkampf führen, um im Voting der Mitschüler die Mehrheit zu

erhalten. Gegen neun Mitbewerber hat sich der 16-jährige Malte schließlich durchgesetzt. Sicher auch, weil er schon mit politischem Engagement bei Greenpeace glänzen konnte.

Pascal Kettmann kommt aus der Nähe von Hamburg. Unter den Planspielern erkennt man den 18-jährigen Abiturienten sofort. Seine langen Dread-Locks fallen auf. Bei einem Weinfest war es jedoch sein Diskussions- talent. Jenes bescherte ihm sein Ticket zu Jugend und Parlament. Bei einem Schoppen Wein stieg er in eine politische Diskussion zwi-schen seinem Vater und dem Abgeordneten des Wahlkreises Quickborn ein. Dieser zeigt sich so begeistert, dass er Pascal zum Planspiel einlud.

Nichts ahnend saß Felix Banner im Unterricht, als er plötzlich aus dem Klassenzimmer gerufen wurde. „Was hab ich jetzt schon wieder ange-stellt?“, fragte sich der 16-jährige Stuttgarter und erlebte dann die große Überraschung: Wenige Monate zuvor hatte er sich für das Parlamentarische Patenschaftsprogramm be-worben. Sein Wahlkreisabgeordneter erinnerte sich an ihn und setzte alle Hebel in Bewegung, um ihn nach Berlin zu holen.

die abgeordneten Wollen nachWuchS FÖrdern

Schön, wenn sich Abgeordnete so um Jugend-liche in ihrem Wahlkreis bemühen. Aber es zeichnet sich auch ein Muster ab: Die Abgeord-neten wählen natürlich zu Recht Teilnehmer, die ihnen geeignet scheinen  – meist also er-folgt die Wahl nach dem (partei)politischen Engagement der Jugendlichen. Nachteil dabei ist, dass junge Menschen, die möglicherweise gerne die Chance zur Teilnahme hätten, nicht von dem Angebot erfahren.

So sucht Heike Brehmer (CDU) ihren Kandidaten in der Jungen Union ihres Wahl-kreises. Ihr Ziel: „Leute, die sich für die CDU engagieren, fördern“. Im letzten Jahr benannte sie sogar drei Teilnehmer, da zwei Landes-gruppenmitglieder ihr die Plätze überließen.

Für Thomas Nord (Die Linke) ist das Planspiel eher „eine Methode zur Willens-bildung“. Den Kontakt zu seiner diesjährigen Teilnehmerin stellte zwar die Linksjugend her, die Jung-Parlamentarierin selbst aber ist parteilos. „Hier sind schon zu viele dabei, die wissen, dass sie eine politsche Laufbahn einschlagen wollen“, so Thomas Nord. Ein offenes Bewerbungsverfahren käme für ihn aber nicht infrage: Zu groß sei die Zahl derer, die man trotz ihrer Anstrengungen um einen Platz enttäuschen müsste.

Ähnlich sieht es Karen Marks (SPD): „Eine Absage demotiviert“. Deshalb sieht auch sie sich in ihrem Wahlkreis selbst nach aktiven Jugendlichen um, macht eine Teilnahme aber nicht von Parteizugehörigkeiten abhängig.

„Ich finde Jugend und Parlament so klasse, dass ich gern jedes Jahr mitmachen würde.“

Die Planspieler haben bei Jugend und Parlament die Chance, ihre Kompetenz unter Beweis zu stellen. Oft bringen sie diese aus ihrem parteipolitischen Engagement mit. Ein offeneres Bewerbungsverfahren könnte jedoch der viel diskutierten Politikverdrossen-heit entgegenwirken. Gelingt das, kann man getrost sagen, dass der Bedarf für eine kom-mende Politikergeneration gedeckt sein wird.

bewerbeN oDer anWerben? Die Junge generation ist ein kostbarer rohstoff auf Dem Polit-markt. zu JugenD unD Parlament fanDen gleich 312 poteNZielle NachwuchSpolitiKer iN deN buNdeStaG. doch wie kommen sie überhauPt Dahin? Von VEroniKA VöllingEr.

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versChiedenste Wege FÜhrten die JUgendliChen aUF das PoltisChe Parkett.

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herr mierSch, WaS Sind ihre erFahrungen mit Jugend und parlament?

Miersch: Fast jedes Jahr habe ich es geschafft, einen Jugendlichen zu entsenden. Stets mit positivem Feedback. Die Jugendlichen sehen hier, dass Politik und Demokratie nicht immer einfach sind, sondern Kompromissbereitschaft erfordert. Und Dinge, die in der Öffentlichkeit nicht immer klar oder vielleicht negativ dar-gestellt werden, werden durch eigene Erfah-rungen verständlich.

deckt Sich deine motiVation zur teilnahme mit dieSer VorStellung, dominik?

Dominik: Auf jeden Fall! Seit drei Jahren en-gagiere ich mich, bin in meiner Freizeit selbst politisch aktiv und kandidiere für den Stadtrat.Miersch: So wurde ich auch auf Dominik auf-merksam. Ich gucke mir immer motivierte Leute aus meinem Wahlkreis an für meinen Vorschlag. Dass sie hier die „ganz große Poli-tik“ erleben, ist Motivationsschub und Bestä-tigung zugleich. Denn Engagement, auch vor Ort, ist heute nicht mehr selbstverständlich.

dominik, Wie haSt du in die politik geFunden? gab eS ein SchlüSSelerlebniS? Dominik: Ganz zufällig, ich gewann die Klassensprecherwahl und war dann hier und da involviert. Ich bin in so immer mehr „rein-gerutscht“ und habe natürlich immer mehr Lust bekommen, selber mehr in diesem Bereich zu machen.

und bei ihnen, herr mierSch?

Miersch: Über die Jugendarbeit. Es ging um Zuschusskürzungen für Ferienfreizeiten. Der Stadtrat entschied darüber und da stand für mich fest, für diesen zu kandidieren. Damals war ich 22.

Welche überraSchung gab eS Für Sie, alS Sie an den bundeStag kamen?

Dominik: Mich beeindruckten natürlich die langen Wege.Miersch: Das Mallorca-Syndrom im Bundestag. So „reservierten“ vor der Debatte Abgeordnete die ersten vier Reihen im Plenum mit ihren

Mappen, da nur diese fernsehtauglich waren. Bei so etwas ganz banalem merkt man, dass es auch hier „menschelt“.

eine lektion, die Sie alS politiker gelernt haben und ihrem „Schützling“ mitgeben Würden?

Miersch: Dass Politik vor allem Geduld und Durchhaltevermögen kostet, aber auch nicht alles ist. Man sollte nicht unbedingt gleich als Berufspolitiker durchstarten, sondern auch erst mal berufliche und sonstige Erfahrung sammeln. Man sollte sich ein Leben neben der Politik bewahren, beruflich wie privat.

Wie Sehen deine zukunFtS- pläne auS, dominik?

Dominik: Nach meinem Zivildienst an einer Schule für Körperbehinderte möchte ich viel-leicht Pädagogik studieren. Aber zuerst geht es wieder nach Berlin, diesmal für ein Prakti-kum – natürlich bei Matthias Miersch.

Das Interview führte Kristin Ullrich.

„So reSerVierten Vor der debatte abgeordnete die erSten Vier

reihen im plenum mit ihren mappen.“

auF den Spuren SeineS abgeordneten

„kollegen“ im gesPräch – beim gemeinsamen abenDessen bot sich Dem 20-Jährigen Dominik luther Die gelegenheit, Den abgeorDneten SeiNeS wahlKreiSeS dr. matthiaS mierSch (mdb, Spd) Zu treffeN.

dr. matthiaS mierSch

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17 // dr. matthiaS mierSch Fand Über die JUgendarbeit in die Politik.

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fruchtfleiSch drei dinge, die du mit nach hauSe nimmSt…

teSFai merke

18 Jahre, ulm

„dialekt, ein sChleChtes

Und ein gUtes geWissen.“

„dialekt“

ludWig Schnur

16, landShut

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Umgang mit PolitisChen gegnern

Und viele imPressionen.“

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Und die Fähigkeit, in eine andere

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§ energieSicherheit

Der Gesetzesentwurf zur Absicherung der Energieversorgung wurde von der CVP und der LRP eingebracht. Beide Fraktionen for-derten einen Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahr 2025. Im Plenum argumentierten die Regierungsparteien, dass für den schwie-rigen Wandlungsprozess hin zu regenerativen Energien eine angemessene Zeit nötig sei, da auch eine ökonomisch sichere Energieversor-gung gewährleistet werden müsse. Die Oppo-sitionsparteien konterten, die Regierung stelle sich gegen den Willen des Volkes und handle unverantwortlich, der Atomausstieg müsse so schnell wie möglich erfolgen. Letztendlich wurde der Gesetzesentwurf von CVP und LRP jedoch angenommen, das Zieldatum für den Ausstieg liegt nun bei 2025.

§ preSSeFreiheit

Die Fraktionen der CVP und der LRP brach-ten den Antrag ein, die Bundesregierung zum weltweiten Eintreten für Pressefreiheit und gegen Journalistenverfolgung zu mobilisieren. Schnell war klar: „Es geht nicht um Frak-tionen, alle müssen jetzt zusammen stehen!“ Uneinigkeit herrschte jedoch bei der Frage, wer die Kontrollposition in der EU einnehmen solle und wie diese auszuüben ist. Außerdem for-derte die Opposition, konkrete Ländernamen in dem Antrag zu nennen und wirtschaftliche Interessen nicht über Menschenrechte zu stel-

len. Schließlich wurde die Beschlussempfeh- lung doch in ihrer ursprünglichen Form ange-nommen. Es herrschte Konsens: „Die Presse muss die Freiheit haben, alles zu sagen, damit gewisse Leute nicht die Freiheit haben, alles zu tun!“

§ Schüler-baFÖg

Nach Gesetzesentwurf der Bundesregierung sollte das bereits bestehende Schüler-BAföG durch eine Umverteilung von Kindergeld erweitert werden. Die Regierungsparteien un-terstützten diesen Vorschlag, da sie darin eine

Vereinfachung des sozialen Aufstiegs sahen. Sie hofften, so den Fachkräftemangel beseitigen zu können. Die Oppositionsparteien stimmten grundsätzlich zu, konnten sich aber mit der Minderung des Kindergeldes nicht anfreun-den. Ebenso lehnten sie es ab, dass der No-tendurchschnitt das entscheidende Kriterium sein solle. Mit einer Mehrheit der Regierungs-parteien wurde der Gesetzentwurf trotzdem angenommen.

§ Wahlrecht

Mitglieder aller Parteien wollten das Grund-gesetz ändern, um eine Wahlbeteiligung ab 16 Jahren zu ermöglichen sowie ein aktives Wahlrecht von Geburt an, das von den Eltern stellvertretend ausgeübt wird. Das Familien-wahlrecht stieß von Anfang an auf viel Kritik, da Zweifel daran bestanden, ob die Wahlen durch die Eltern als unmittelbar und gleich bezeichnet werden können. Auch das Wahl-alter wurde in den Fraktionen ausführlich dis-kutiert. Die CVP forderte ein Wahlrecht ab 18 Jahren. LRP, APD und ÖSP hielten Jugendliche ab 16 Jahren für wahlfähig. Die PSG forderte so-gar, Jugendliche schon ab 14 Jahren zur Wahl zuzulassen. Ein Großteil der Abgeordneten stimmte schließlich für den Gesetzentwurf, der 16 Jahre als Altersgrenze vorsah. Durchge-setzt werden konnte er jedoch nicht, da keine 2/3-Mehrheit erreicht wurde, die für eine Än-derung des Grundgesetzes nötig ist.

am enDe Die WenDe?biS Zum SchluSS blieb eS SpaNNeNd. uNKlar war, wie die abGeordNeteN iN der fiNaleN pleNarSitZuNG abStimmeN würdeN. hier die erGebNiSSe. Von stEpHAniE rotH

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naCh vier tagen halten die JUngabgeord-neten die ergebnisse sChWarz aUF Weiss in der hand.

Page 19: politikorange "Jugend und Parlament"

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A ls Veranstaltungszeitung, Ma-gazin, Online- oder Radiopro-gramm erreicht politikorange seine jungen Hörer und Leser. Krieg, Fortschritt, Kongresse, Partei- und Jugendmedientage  – politikorange berichtet jung und frech zu Schwerpunkten und Veranstaltungen. Junge Autoren zeigen die große und die kleine Politik aus einer frischen, fruch-tigen, anderen Perspektive.

daS multimedium

politikorange wurde 2002 als Veranstaltungszeitung ins Leben gerufen. Seit damals gehören Kongresse, Festivals und Jugend-medienevents zum Programm. 2004 erschienen die ersten The-menmagazine: staeffi* und ort-schritt*. Während der Jugend-medientage 2005 in Hamburg wurden erstmals Infos rund um die Veranstaltung live im Radio ausgestrahlt und eine 60-minü-tige Sendung produziert.

Wie komm’ ich da ran?Gedruckte Ausgaben werden direkt auf Veranstaltungen, über die Landesverbände der Jugend-presse Deutschland e.V. und als Beilagen in Tageszeitungen ver-teilt. In unserem Online-Archiv stehen bereits über 50 politikoran-ge-Ausgaben und unsere Radio- sendungen sowie Videobeiträge zum Download bereit. Dort kön-nen Ausgaben auch nachbestellt werden.

Warum eigentlich politikorange?

In einer Gesellschaft, in der oft über das fehlende Engagement von Jugendlichen diskutiert wird, begeistern wir für eigen-ständiges Denken und Handeln. politikorange informiert über das Engagement anderer und motiviert zur Eigeninitiative. Und politikorange selbst ist Beteiligung  – denn politikoran-ge ist frisch, jung und selbstge-macht.

Wer macht mit?Junge Journalisten  – sie recher-chieren, berichten und kommen-tieren. Wer neugierig und enga-giert in Richtung Journalismus gehen will, dem stehen hier alle Türen offen. Genauso willkom-men sind begeisterte Knipser und kreative Köpfe fürs Layout. Den Rahmen für Organisation und Vertrieb stellt die Jugendpresse Deutschland. Ständig wechseln-de Redaktionsteams sorgen dafür, dass politikorange immer frisch und fruchtig bleibt. Viele erfah-rene Jungjournalisten der Jugend-presse stehen mit Rat und Tat zur Seite.

Wer heiß aufs Schreiben, Fotografieren, Mitschneiden ist, findet Infos zum Mitmachen und zu aktuellen Veranstaltungen im Internet oder schreibt einfach eine eMail. Die frischesten Mit-machmöglichkeiten landen dann direkt in Deinem Postfach.

[email protected]

diese ausgabe von politikorange

entstand während des planspiels

»Jugend und parlament«, das vom

04.–07. juni 2011 in Berlin stattfand.

herausgeber und redaktion:

politikorange

c/o Jugendpresse deutschland e.v.,

Wöhlertstraße 18, 10115 berlin,

www.politikorange.de

chefredaktion (V.i.S.d.P.):

kristin Ullrich ([email protected])

redaktion: veronika völlinger,

anna ellmann, kevin taurun,

stephanie roth, elias langer

bildredaktion: Johannes herbel

([email protected])

layout: Jakob bahr

projektleitung: Florian hirsch

([email protected])

druck: laserline

digitales druckzentrum bucec & Co.

berlin kg

auflage: 1.200 exemplare

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FriSch, Jung, SelbStgemcht impreSum

Page 20: politikorange "Jugend und Parlament"

KaNNSt du die mehrheit für Dich geWinnen? ZuG um ZuG voN der GeSetZeSiNitiative biS Zum fertiGeN GeSetZ. du willSt eiNe GeSetZeSiNitiative StarteN. SchaffSt du eS, daS GeSetZ durchZubriNGeN uNd vor deiNeN konkurrenten Das ziel zu erreichen? alles, Was Du brauchst, sinD SpielfiGureN uNd eiN würfel. Ein spiElplAn ZUm plAnspiEl Von stEpHAniE rotH

deiner gesetzesvor-lage enthält einen Formfehler. Jetzt

verzögert sich alles. gehe zurück auf

start

deine gesetzes-vorlage wurde an den bundesrat

weitergeleitet, doch dieser ist gar nicht begeistert. setze eine runde aus.

die regierung hat deinen vorschlag zur kenntnis genommen,

rät aber davon ab. setze eine runde

aus.

bei der schluss-abstimmung in der dritten lesung hat dein vorschlag die

mehrheit im bundestag verfehlt.

nun kann das gesetz nicht mehr zustande kommen.

du musst zurück auf start.

der bundesrat hat deinen gesetzesvor-

schlag akzeptiert! Jetzt hast du es so gut wie geschafft. du darfst nochmal

würfeln.

keine mehrheit im bundesrat! der ver-mittlungsausschuss muss eingeschaltet

werden. es gilt, einen kompromiss

zwischen bundestag und bundesrat

zu finden. Bis zur einigung dauert es.

du musst einmal aussetzen.

zieldu hast es geschafft! bundesregierung und bundespräsident zeichnen gegen, dein gesetz wird im bundesgesetzblatt

veröffentlicht. ein neues gesetz ist geboren!

du hast die mehrheit im bundestag über-zeugt! das gesetz

wurde angenommen und an den bundes-

rat weitergeleitet.

in der zweiten lesung wird

deine vorlage heiß diskutiert. es geht vorwärts. du darfst nochmal würfeln.

bei der diskussion in den ausschüssen

erntet deine geset-zesvorlage viel kritik.

setze eine runde aus.

die erste lesung im Plenum ist überstan-den, dein vorschlag

wurde vorgestellt und ist jetzt auf dem Weg, ein gesetz zu werden! du darfst nochmal würfeln.

das gesetz liegt dem bundespräsi-denten vor. er hat aber bedenken ob das gesetz verfas-sungskonform ist

und verweigert die Unterzeichnung. du musst eine runde

aussetzen.

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