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Die Angewandte Makromolekulare Chemie 71 (I 975) I1 7-1 29 (Nr. 1073) ENKA AG, D-5600 Wuppertal 1 Polypivalolakton als textiler Rohstofir" J. M. Woestenenk (Eingegangen a m 20. Dezember 1977) ZUSAMMENFASSUNG: Seit der Erfindung der Polyamide-6,6 und -6 sowie des Polyathylenterephthalats hat man nach Polymeren geforscht, die eine noch bessere Kombination von Eigenschaften besitzen. Eines der eingehend untersuchten Polymeren ist das Polypivalolakton, ein alipha- tischer Polyester mit hohem Schmelzpunkt. Die Untersuchungen wurden durchgefiihrt, nachdem Shell ein Verfahren entwickelt hatte, wonach ein thermostabiles Polymeres in technischem MaDstab hergestellt werden konnte. In diesem Bericht werden sowohl die Her- stellung von Monomeren und Polymeren kurz beschrieben, als auch die chemisch-physika- lischen Eigenschaften von Polymeren und Fasern angegeben und diskutiert. Dazu wird eine systematische Beurteilung angewandt, die sogenannte Silhouetten-Me- thode, die auf der einen Seite die textilen Eigenschaften mit Polymer- und Faserdaten verbindet und auf der anderen Seite die Eigenschaften auch noch mit den Anspriichen der verschiedenen textilen Weiterverarbeitungsstufen korreliert. Das positive Ergebnis dieser zunlchst qualitativen Beurteilung hat zu eingehenden quantitativen Untersuchun- gen gefihrt. Daraus resultierte schlieBlich als Endergebnis die Entscheidung, das Projekt nicht fortzusetzen. SUMMARY: Since the invention of polyamide 6 and 6,6 and polyethylene terephthalate much effort has been put in finding polymers showing an even better combination of properties than the polymers mentioned above. One of the polymers which has been studied extensively is polypivalolactone, an aliphatic polyester with a high melting point. These studies have been undertaken as a follow-up of a project started at Shell Company, where a process had been developed, by which a thermostable polymer could be made on pilot-plant scale. In this paper the manufacture of monomer and polymer is shortly described, and physicochemical data of polymer and fibre are given. A systematic evalua- tion method is described, the so-called silhouette method. This method correlates textile properties with polymer and fibre data on the one hand and with textile end-use requirements on the other hand. The positive result of this more qualitative evaluation led to a more extensive quantitative study. The * Vortrag anl5Blich der 16. Internationalen Chemiefasertagung in Dornbirn/Osterreich vom 21. bis 23. 9. 1977. 117

Polypivalolakton als textiler Rohstoff

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Die Angewandte Makromolekulare Chemie 71 ( I 975) I 1 7-1 29 (Nr . 1073)

ENKA AG, D-5600 Wuppertal 1

Polypivalolakton als textiler Rohstofir"

J. M. Woestenenk

(Eingegangen am 20. Dezember 1977)

ZUSAMMENFASSUNG: Seit der Erfindung der Polyamide-6,6 und -6 sowie des Polyathylenterephthalats hat

man nach Polymeren geforscht, die eine noch bessere Kombination von Eigenschaften besitzen. Eines der eingehend untersuchten Polymeren ist das Polypivalolakton, ein alipha- tischer Polyester mit hohem Schmelzpunkt. Die Untersuchungen wurden durchgefiihrt, nachdem Shell ein Verfahren entwickelt hatte, wonach ein thermostabiles Polymeres in technischem MaDstab hergestellt werden konnte. In diesem Bericht werden sowohl die Her- stellung von Monomeren und Polymeren kurz beschrieben, als auch die chemisch-physika- lischen Eigenschaften von Polymeren und Fasern angegeben und diskutiert.

Dazu wird eine systematische Beurteilung angewandt, die sogenannte Silhouetten-Me- thode, die auf der einen Seite die textilen Eigenschaften mit Polymer- und Faserdaten verbindet und auf der anderen Seite die Eigenschaften auch noch mit den Anspriichen der verschiedenen textilen Weiterverarbeitungsstufen korreliert. Das positive Ergebnis dieser zunlchst qualitativen Beurteilung hat zu eingehenden quantitativen Untersuchun- gen gefihrt. Daraus resultierte schlieBlich als Endergebnis die Entscheidung, das Projekt nicht fortzusetzen.

SUMMARY: Since the invention of polyamide 6 and 6,6 and polyethylene terephthalate much

effort has been put in finding polymers showing an even better combination of properties than the polymers mentioned above. One of the polymers which has been studied extensively is polypivalolactone, an aliphatic polyester with a high melting point. These studies have been undertaken as a follow-up of a project started at Shell Company, where a process had been developed, by which a thermostable polymer could be made on pilot-plant scale. In this paper the manufacture of monomer and polymer is shortly described, and physicochemical data of polymer and fibre are given. A systematic evalua- tion method is described, the so-called silhouette method.

This method correlates textile properties with polymer and fibre data on the one hand and with textile end-use requirements on the other hand. The positive result of this more qualitative evaluation led to a more extensive quantitative study. The

* Vortrag anl5Blich der 16. Internationalen Chemiefasertagung in Dornbirn/Osterreich vom 21. bis 23. 9. 1977.

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final conclusion was that the project had to be discontinued on the basis of the technical data and economic considerations. The most important properties leading to this decision are discussed.

1. Einleitung

Seit der Ertindung der Polyamide-6,6 und -6, sowie des Polyathylentere- phthalats und des Polyacrylnitrils hat man nach Polymeren geforscht, die eine noch bessere Kombination von Eigenschaften besitzen. Die Umstande haben sich jedoch inzwischen im Vergleich zur Zeit der Einfuhrung der Polyamide wesentlich geandert. Damals brachten die Polyamide gegenuber den anderen marktgangigen Fasern neuartige Eigenschaften, die mit Nutzen in der Verarbei- tung und im Konsum einsetzbar waren. Heute sind die genannten Polymeren deshalb ein fester Marktbestandteil. Dies bedingt, daD die Einfuhrung eines neuen Faserrohstoffes vie1 schwieriger ist, es sei denn, er wiirde ebenfalls wieder fur die Verarbeitung bzw. den Konsum revolutionierende Eigenschaften mitbringen.

Es wird hier uber Untersuchungen berichtet, die bezweckten, Polypivalo- lakton oder Poly-(ap-dimethyl-P-propiolakton) als textilen Rohstoff einzuset- Zen, wobei nicht nur den Eigenschaften des Polymeren und der Fasern, sondern auch der Methode der textilen Beurteilung besondere Aufmerksamkeit gewid- met wird.

2. Monomer und Polymer

Polypivalolakton ist ein aliphatischer Polyester, der aus Hydroxypivalinsau- re oder aus Pivalolakton (otp-Dimethyl-p-propiolakton) hergestellt werden kann :

CH' HO-CHZ-C-COOH

I CH,

7H3 CH3-C-C=0

HZC-0 [ I

Hydroxypivalindure Pivalolakton Polypivalolakton

Hydroxypivalinsaure schmilzt bei 127 "C. Das Lakton ist eine farblose Flus- sigkeit, die schon bei ziemlich niedriger Temperatur (uber 70 "C) polymerisiert. Es wurde 1924 zum ersten Ma1 von Hagman' isoliert, wobei schon seine Polymerisationsfreudigkeit erkannt wurde.

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Polypivalolakton als textiler Rohstoff

Das Interesse der Industrie fiir Hydroxypivalinsaure und Pivalolakton sowie fur das daraus hergestellte Polymere stammt aus dem Anfang der funfziger Jahre. 1953 wurde ein Patent von Du Pont offengelegt, mit dem die Herstellung von Polyhydroxypivalinsure geschutzt wird. Dabei wird von der Saure als Monomerem ausgegangen2.

Es mu13 angenommen werden, daB es Du Pont nicht gelungen ist, auf dieser Basis ein befriedigendes Verfahren zu entwickeln, wahrscheinlich weil trotz sehr langer Polymerisationsdauer (12-70 h i. Vak. bei hoher Temp.) nur ungenugend hohe Molekulargewichte erreicht werden konnten.

Die Ursache hierfur liegt in der sehr tragen Veresterung der Saure, welche durch die sterische Hinderung durch die beiden Methylgruppen und die thermi- sche Instabilitat des nicht stabilisierten Polymeren gegeben ist.

1957 erschien eine britische Patentschrift von ICI, in der die Herstellung einer Polyesterfaser durch Polymerisation von Pivalolakton beschrieben wird3. Dieses Patent ist 1963 hinfallig geworden, so daB angenommen werden muB, daB es auch in diesem Falle nicht gelungen ist, die Entwicklung positiv abzuschlielien.

In derselben Zeit sind, wie aus der ausgedehnten Patentliteratur ersichtlich ist, auch verschiedene andere Firmen auf dem Gebiet der Monomer- und Polymerherstellung aktiv gewesen.

Fur die technische Laktonherstellung gibt es zwei Wege: Der eine geht von Dimethylketen und Formaldehyd aus (Goodrich, Eastman Kodak):

7H3

H3C/ I I H 3 C ~ = ~ = o + C H ~ O -+ CH,-C-c=O

H,C-0

Der andere (Shell) fuhrt uber Pivalinsaure (Trimethylessigsaure):

yH3 7H3

CH, CH3 CH2=F + CO + H 2 0 -+ CH3-C-COOH

I

NaOH/ y H 3 / o "aC, FH3

CH3-C-C< CH3-C-C=0 I ONa I I CH,CI H2C-0

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Die Chemie der Polymerisation von Pivalolakton und die Basiseigenschaften des Polymeren sind von Mayne4 und OosterhofS eingehend beschrieben wor- den.

Es ist den Shell-Mitarbeitern gelungen, durch Verwendung von Aminen oder Phosphinen als Initiatoren fur die Polymerisationsreaktion ein thermisch stabiles Polymeres herzustellen. Die Reaktion mit Tributylphosphin verlauft folgendermaDen4:

Initiation YH3 0 CH3 -- I Bu3P H,C-C-CH, - Bu3F-CH2-C-C-O"

I G-6, ' 0 CH,

Als Terminierung sind zwei Reaktionen moglich:

8 Y-C-OBU + BuzP- 51

-C-OQ + F- 4 I Bu3 -C-BU + B u ~ P ~ a

Durch diese Terminierungsreaktionen werden die endstiindigen Carboxyl- gruppen blockiert, womit eine Depolymerisationsreaktion, welche die thermi- sche Instabilitiit des Polymeren verursacht, verhindert wird:

Es hat sich gezeigt, daD auf dieser Grundlage Polymere von guter Qualitat industriell produziert werden konnen, so dal3 sich die Frage nach den textilen Eigenschaften der aus ihnen gesponnenen Fasern stellt.

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Polypivalolakton als textiler Rohstoff

3 . Chemisch-physikalische Eigenschaften von Polymeren und Fmern

Die wichtigsten bekannten Polymer- und Fasereigenschaften sind in Tab. 1 zusarnrnengefao t .

Tab. 1. Polymer- und Fasereigenschaften.

Schmelzpunkt Dichte Kristallinitat Glasubergangspunkt ReiDfestigkeit ReiBdehnung Riicksprungfihigkeit ( 5 % Dehnung) Hystereseverlust (5% Dehnung) VerschleiBfest igkeit

Texturierfahigkeit Wasseraufnahme (20"C, 65%) RF) Chemische Bestiindigkeit Hydro1 ysebestandigkeit Anfirbung

WeiRgrad Licht- und Hitzebestandigkeit Schmelzspinnbarkeit

240°C 1,18 x lo3 kg/m3 bis 7040% -10°C 23-45 cN/tex 30-100% 89- 95% 40- 10% zwischen Wolle und Baum- wolle gut

sehr gut sehr gut weniger gut als bei Polyiithy- lenterephthalat gut gut schmelzspinnbar

0.2 %

Die Kraft-Dehnungsdiagrarnme (KD) von Polypivalolakton, nach Verstrek- kung und Verstreckung rnit anschlienender Warmebehandlung, sind in Abb. 1 wiedergegeben. Zurn Vergleich enthdt die Abb. noch KD-Diagramrne von Polyamid-6- und Polyesterfasern.

4. Die textile Beurteiliing

Fur die Beurteilung von Polypivalolakton als Rohstoff fur Textilien wurde ein Verfahren verwendet, das als ,,Silhouetten-Methode" bezeichnet wird6.

Bekanntlich sind die von den unterschiedlichen textilen Einsatzgebieten gestellten Anforderungen verschieden. Von einem textilen Rohstoff kann aber angegeben werden, wie wichtig seine Eigenschaften fur bestimmte textile Ein- satzgebiete sind. Die textilen Eigenschaften werden dazu in drei Gruppen

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55

M

15

LO

35

30

25

20

15

10

5

0

Kraft

~ 2 0 3 0 1 0 5 0 6 0 7 0 8 0 9 0

Abb. 1. Kraft-Dehnungsdiagramme.

unterteilt : die Perzeptionseigenschaften, die Gebrauchseigenschaften und die Pflegeeigenschaften (Tab. 2).

Tab. 2. Ubersicht iiber die textilen Eigenschaften.

Perzeptionseigenschaften

Gebrauchseigenschaften

Pflegeeigenxhaften

I. WeiBgrad und Farbafinitlt 2. Glanz 3. Grin und Fall 4. Volumen 5. Deckkraft 6. Komfort 7. Elastizitat 8. Formstabilitat 9. Knitterbestandigkeit

10. Faltenbestandigkeit i 1. VerschleiBfestigkeit i 2. Pillingverhalten 13. Farbechtheit t 4. Elektrostatische Aufladung 15. Waschbarkeit 16. Trockenverhalten 17. Knitterverhalten nach Waschen IS. Schrurnpf 19. Biigeleigenschaften 20. Trockenreinigungsverhalten

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Polypivalolakton als textiler Rohstoff

Fur jedes textile Einsatzgebiet wird mit Noten von 1 bis 10 angegeben, ob diese Eigenschaften sehr wichtig oder unwichtig sind. So entsteht ein Anforderungsprofil fur ein einzelnes Einsatzgebiet. Zur Illustration enthalt Abb. 2 ein solches Anforderungsprofil fur Pullover. Selbstverstandlich kann diese Methode fur die verschiedensten Einsatzgebiete eingesetzt, und falls erforderlich, auch noch modifiziert werden.

Abb. 2. Anforderungsprofil fur das textile Einsatzgebiet Pullover.

Die Anforderungen an das jeweilige Einsatzgebiet werden durch interne und externe Befragungen ermittelt. Ergeben sich dabei groinere Streuungen in den Aussagen, so liegt dies meist daran, daB das textile Einsatzgebiet nicht klar genug definiert ist.

Nun gilt es, den Zusammenhang oder den vermutlichen Zusammenhang zwischen den in Tab. 2 genannten textilen Eigenschaften und den bestimmbaren Polymereigenschaften herzustellen (s. Tab. 1 und 3). Dabei wird zwischen den wirklichen Polymereigenschaften (,,Grundeigenschaften") und den ,,Mehr- werteigenschaften" unterschieden. Eine Ubersicht enthalt Tab. 3.

Einige Beispiele sollen die Zusammenhange aufzeigen: Die Waschbarkeit hangt mit der Glasiibergang~temperatur~ und dem Wasseraufnahmevermogen zusammen; die Knittereigenschaften werden vom Hystereseverlust mitbe- ~timrnt ' .~, wahrend die Stabilitat vom Kriechverhalten und das Pilling vom Biegescheuerwert abhangig ist.

Fur ein bestimmtes Material, Polymeres oder eine textile Konstruktion, IaBt sich jetzt aufgrund der bestimmten Eigenschaften ein Leistungsprofil erstellen, bei dem wieder die Noten 1 bis 10 vergeben werden. Dieses Leistungsprofil

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Tab. 3. Ubersicht iiber die bestimmbaren ,,Grund"- und ,,Mehrwert-Eigenschaften" der Fasern.

Physikalisch- chemische Eigenschaften

,,Grund- Eigenschaften"

Mechanisch- rheologische Eigenschaften

in Langs- richtung

in Quer- richtung

Chemische Struktur Physikalische Struktur U bergangstemperaturen Lichtbestlndigkeit Hitzebestiindigkeit Loslichkeit usw.

Kraft-Dehnungsdiagramm ~ Spannungsrelaxation

Kriechverhal ten Elastizitiitsmodul Wiederholungsvermogen usw.

Torsionsfestigkeit Biegefestigkeit Biegemodul Knotenfestigkeit Biegescheuerwert usw.

Morphologie

,,Mehrwert- eigenschaften"

Additive

Formgebung der Faser Mikrostruktur Garnkonstruktion Konstruktion des Flachengebildes usw.

Mattierungsmittel Stabilisatoren Modifikationsmittel Finish usw.

wird nun mit den Anforderungsprofilen verschiedener textiler Einsatzgebiete verglichen. Dabei ergibt sich, fur welche Anwendungsbereiche der Rohstoff geeignet ist und fur welche nicht. Dann konnen auch Berechnungen uber Produktionsmengen, angestellt und Folgerungen fur noch zu erarbeitende

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Polypivalolakton als textiler Rohstoff

Verbesserungen gezogen werden. Das Leistungsprofil fiir glattes Polypivalolak- ton ist in Abb. 3 zusarnrnen rnit dem Anforderungsprofil fur Pullover (Abb. 2) wiedergegeben.

m- - kistungsprcfil I'olypivalolokton ghttes Gorn Anforderungsprofil Pullover

....................

. . . . . . . . . . . . .... . .

. . . . . . . . j j : ;

i / j . . . . . . . . ....... . . . . . .

Abb. 3. Leistungsprofil fur Polypivalolakton-Garn irn Vergleich zum Anforderungsprofil fur Pullover.

Aufgrund der festgestellten Daten und iihnlicher Uberlegungen fur Spinnfa- sern und industrielle Garne sowie unter Berucksichtigung wirtschaftlicher Berechnungen wurde jetzt beschlossen, die Evaluation des Polypivalolaktons als Projekt fortzusetzen. Deshalb wurden gronere Mengen Filarnentgarne und Spinnfasern zu verschiedenen Textilien verarbeitet sowie Trageversuche und Verbraucherbefragungen durchgefuhrt.

Die Noten fur Polypivalolakton sind in Tab. 4 wiedergegeben, wobei zu bedenken ist, dal3 sie zunachst nur fur glatte Garne gelten. Fur. texturierte Garne und Spinnfasern rnul3te entsprechend vorgegangen werden. Zurn Ver- gleich enthalt Tab. 4 auch die Noten fur Polyathylenterephthalat und Polyarnid- 6. Dabei entsprechen die Noten den in den Leistungs- und Anforderungsprofi- len verwendeten, d. h. also 0 ist die schlechteste und 10 die beste Note.

Im Verlauf der irn groneren Urnfang durchgefiihrten Untersuchungen ergab sich, da13 Polypivalolakton-Fasern rnit den vorhandenen Polyathylenterephtha- lat-Fasern in direkte Konkurrenz treten wurden, zurnal doch eine ganze Reihe von Eigenschaften ahnlich sind. Deshalb wurden unrnittelbare Vergleiche angestellt. Dabei wurden fur das Polypivalolakton folgende Vorteile ermittelt:

sehr gutes Verhalten wahrend des Trocknens nach der Wasche, bessere Knitterbestandigkeit,

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Tab. 4. Noten fur die textilen Eigenschaften.

Textile Eigenschaft Polypivalo- Polyathylen- Polyarnid 6 lakton terephthalat

WeiBgrad, FarbaEnitat Glanz Griff und Fall Volurnen Deckkraft Komfort

Elastizitiit Formstabilitat Knitterbestiindigkeit Faltenbestiindigkeit VerschleiIjfestigkeit Pillingverhalten Farbechtheit Elektrostatische Aufladung

6 7 6 6 6 6 4 4 7 6 2 2

7 8 7 7

10 4 7 4

Waschbarkeit 7 8 7 Trockenverhalten 9 9 9 Knitterverhalten nach Waschen 8 7 7 Schrumpf 7 7 7 Biigeleigenschaften 7 6 7 Trockenreinigungsverhal ten 7 7 7

weniger Pilling, bessere Deckfihigkeit und in bestimmten textilen Endartikeln ein besserer Griff.

Gleichzeitig wurden aber auch folgende Nachteile festgestellt: die Farbstoffaufnahme war zu gering, die Lichtechtheit und die Waschechtheit waren weniger gut, es konnten nur schwierig permanente Falten erzeugt werden, die Lichtstabilitat der mattierten Fasern war gering, und die Fasern neigten zur Fibrillierung.

Dam kam noch die Erkenntnis, daB Polypivalolakton weniger vielseitig einsetzbar sein wiirde als das Polyathylenterephthalat, weil beim Schmelzspin- nen nur ein beschranktes Titersortiment hergestellt werden konnte. Die Kristal- lisationsgeschwindigkeit des Polypivalolaktons war namlich so groD, daB

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bei normaler Luftkuhlung, lediglich Fasern bis zu 5 bis 6 dtex ersponnen werden konnten, wodurch eine ganze Reihe von Einsatzgebieten von vornher- ein ausgeschlossen war.

Einige andere der genannten Nachteile hangen auch mit den kristallinen Eigenschaften des Polymeren’ zusammen. So fihrt z. B. die im Vergleich zu PET sehr hohe Kristallinitat zu einem geringen Farbstoffaufnahmeverogen, wozu noch kommt, daB die Zuganglichkeit des amorphen Anteils sehr gut ist, was wiederum bedingt, daf3 die Nabechtheit weniger gut ist.

Die Fibrillierneigung, welche sich im sogenannten ,,Frosting“ auDert, ist ebenfalls auf die sehr hohe Kristallinitat und die geringe Festigkeit der Fasern in Querrichtung zuruckzufiihren. Dies ergibt sich auch aus den Biegescheuer- werten (Tab. 5).

Tab. 5. Biegescheuerwerte.

Biegescheuerwert Polypivalo- Polyathylen- Polyathylen- Polyamid-6 (Touren) lakton terephthalat terephthalat

(pillarm)

500 1 200 5Ooo 30000

Die hohe Kristallisationsgeschwindigkeit des Polymeren fiihrt aunerdem dazu, daB bei normalem (luftgekuhltem) Schmelzspinnen schon bei sehr feinen Fasern Spharolite entstehen. Auch bei isotroper Kristallisation ist selbst bei langsamerer Abkuhlung der Unterschied zwischen den verschiedenen Fa- serpolymeren (Tab. 6 ) noch vorhanden.

Tab. 6. Kristallisationsbedingungen.

Polymeres Kristallisations- Kristalli- Unter- Anfang Ende sations kuhlung (“C) (“C) breite (“C)

(“C)

Polypivalolakton 171 165 6 69 Polyamid-6,6 239 227 12 26 pol yamid-6 197 179 18 30 Polyathylenterephthalat 19s 178 20 56

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Die Angaben in Tab. 6 sind das Ergebnis von differential-scanning-calorime- trischen Untersuchungen, bei denen das jeweilige Material urn 4"C/min auf 295 "C erhitzt, dann 2 min gehalten und anschlieBend um 8 "C/min abgekuhlt wurde. Es zeigt sich, daB die Kristallisationsgeschwindigkeit des Polypivalolak- tons rnit Abstand am grol3ten ist.

Eine weitere Besonderheit im Kristallisationsverhalten des Polypivalolak- tons ist, daB es in zwei Modifikationen vorkommt, der sogenannten a-Modifika- tion rnit spiralformigen Ketten und einer P-Modifikation rnit Zickzack-Ket- ten5.". Nach dem Spinnen und Verstrecken wird die P-Modifikation gefunden, die bei thermischer Nachbehandlung in die a-Modifikation ubergeht. Einerseits erhalten die Fasem dadurch sehr gute elastische Eigenschaften mit hoher Bruchdehnung, welche unter anderem fur das gute Knitterverhalten verant- wortlich sind, andererseits hat es zur Folge, daB eine Formfixierung bei der Stabilisierung auf einem Spannrahmen nicht gut moglich ist: Es findet spater immer wieder ein Einlaufen statt, was, obwohl es dem textilen Flachengebilde eine bestimmte Elastizitat gibt, auch dafur verantwortlich ist, dal3 die Oberfla- che des Flachengebildes unruhig wird.

5. SchluJfolgerting

Trotz eines guten Leistungsprofils des Polypivalolaktons, das auf einer beschrankten Anzahl von Labormessungen an Polymeren und Fasern beruht, haben die erweiterten textilen Prufungen doch erst die fur den textilen Einsatz notwendigen quantitativen Aussagen uber seine Vor- und Nachteile erbracht. Aufgrund dieser Ergebnisse und okonomischer Erwagungen wurde beschlos- sen, das Projekt einzustellen. Die Vorteile gegeniiber anderen Faserpolymeren waren gering und die Nachteile relativ grol3.

Im Verlauf der Untersuchungen hat sich aber ergeben, dal3 die beschriebene Methode zur Beurteilung von textilen Rohstoffen niitzlich ist, weil sie rnit einer beschrankten Anzahl Laboruntersuchungen wichtige Aussagen uber Vor- und Nachteile eines Rohstoffes erlaubt. Wenn die Unterschiede gegeniiber Vergleichsprodukten in negativem oder positivem Sinne gering sind, miissen jedoch erweiterte textile Priifungen eingeleitet werden. In diesen Tests konnen dann die fraglichen Eigenschaften mit besonderer Aufmerksamkeit untersucht werden.

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Polypivalolakron als textiler Rohstoff

Bei der Beurteilung von Fasern-Rohstoffen sind Kenntnisse uber den Zusam- menhang zwischen physikalisch-chemischen Polymereigenschaften und texti- lem Verhalten sowie eine systematische Anwendung dieser Kenntnisse von grofler Bedeutung.

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