8
This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. rOLYSULFONSÄURE-DERIVATE MIT ANTIVIRUS- WIRKUNG 191 die in 1.4-Stellung befindlichen Substituenten X festgelegt; um die Lage der Substituenten Y an den C-Atomen 1 und 4 angeben zu können, ist jeweils nadi ea hin er- gänzt worden. 1.1.2.4(X)2.5(Y) 1.1.2.4(X)2.5(Y) 1. ea.e.e a.e 2. ea.e.e a.a 3. ea.e.a a.e 4. ea.e.a a.a 5. ea.a.e e.e 6. ea.a.e e.a 7. ea.a.a e.e 8. ea.a.a e.a Die vorstehende Aufschreibung aller Sessel-Konfigu- rations-„Bezeichnungen" für das Stellungsisomere 1.1.2.4- (X)2.5(Y) wurde erhalten, indem zur Buchstabenkolonne III der Tafel eine Reihe ea für die CX^-Gruppe am C-Atom 1 zugesetzt und für den Substituenten Y am C-Atom 2 nach ea hin ergänzt wurde. a Sieht man sich in den oben aufgeführten Buchstaben- kolonnen die Reihen der untereinander stehenden Budi- staben an, so ist zu bemerken, daß in der letzten Reihe abwechselnd e und a untereinander stehen, in der vor- letzten Reihe zwei e und zwei a, in der vorvorletzten Reihe doppelt so viel usw. b (in Antipoden-Paar- oder in Antipoden-Schreibweise). Vgl. Mitt. XXX und XXI, 1. c. 3- 4 . c Vgl. auch Tafel 1. 11 Vgl. die Übersicht auf S. 391 der Mitt.XXVIII, I.e. 14 . Polysulfonsäure-Derivate mit Antivirus-Wirkung Von R. NEHER und F. KRADOLFER Aus den wissenschaftlichen Laboratorien der Ciba Aktiengesellschaft Basel (Z. Naturforschg. 10 b, 191—198 [1955]; eingegangen am 28. Dezember 1954) 1. Verschiedene aromatische Polysulfonsäure-Derivate (P.S.) zeigen sowohl an der Chorio- allantois als audi am Brutei eine Antivirus-Wirkung, die sich gegenüber Stämmen von Influenza- virus und New Castle Disease-Virus nachweisen läßt. 2. Versuche zur Analyse des Antiviruseffektes ergaben, daß die untersuchten Polvsulfon- säuren das Virus entweder vor dessen Eintritt in die Gewebszellen oder in frühen Stadien der Invasionsphase erreichen müssen, um eine volle Wirkung auszuüben. Auch die Möglich- keit einer Hemmung der Liberationsphase, wie sie bei anderen Antivirusstoffen bekannt ist, ist für die P.S. nicht ausgeschlossen. 3. Die meisten der untersuchten Polysulfonsäuren hemmen die Virushämagglutination in vitro. Mit RDE vorbehandelte Erythrozyten, die arm an Virusrezeptoren sind, werden durch dieselben Konzentrationen von P.S. agglutiniert wie normale Erythrozyten. Der Aspekt der Agglutination läßt sich unterscheiden von der Form der Virushämagglutination. Es ist deshalb anzunehmen, daß die P.S. nicht ausschließlich am Virusrezeptor der Erythrozyten angreifen. Ein Antagonismus zwischen P.S. und bekannten Virusrezeptor-Substanzen (Ovomucin, Mucoprotein) konnte nidit nachgewiesen werden. Auf Grund dieser Versuche wird vermutet, daß die P.S. die Bindung des Virus an das spezifische Substrat beeinflussen und daß dafür im wesentlichen physikalisch-chemische Reaktionen an Grenzflächen maßgebend sind. 4. Bei wiederholter Anwendung können die P.S. zu intrazellulären Veränderungen an Mesenchymzellen führen, doch ist nicht anzugeben, inwiefern diesem Effekt eine Bedeutung für die Antivirus-Wirkung zukommt. 5. Verschiedene P.S. mit Antiviruseffekt hemmen die Blutgerinnung und Immunhämolyse und lösen das Zellkern-Quellungsphänomen aus, während P.S. mit geringer oder fehlender Antivirus-Wirkung diese Eigenschaften nicht oder weniger deutlieh aufweisen. Solche Beziehun- gen zwischen Antivirusaktivität und diesen „Nebenwirkungen" gelten offenbar nicht für alle Derivate vom Charakter der Polysulfonsäuren. V or einigen Jahren haben wir eine neue, gegen- über Influenza-Virus wirksame Stoffgruppe auf- gefunden, die inzwischen chemisdi und biologisch weiterbearbeitet worden ist ( K r a d o l f e r 1 ). Auch von anderen Autoren ist über den Effekt von sulfon- säure-haltigen Verbindungen gegenüber Virusinfek- tionen berichtet worden ( H u r s t 2 , Takemoto 3 , 1 F. K r a d o l f e r , Schweiz. Z. Path. u. Bakt. 17. 520 [1954], 2 E. W. H u r s t , Brit. f. Pharmacol. Chemotherapv 7, 455 [1952], Ackermann 4 ). Die vorliegende Mitteilung gibt einen Uberblick über die von uns durchgeführten Untersuchungen. Chemische Eigenschaften Es handelt sich um aromatische Sulfonsäuren, die durch Harnstoff-, Triazin- oder ähnliche polvfunktio- 3 K. K. T a k e m o t o , J. Immunology 72, 139 [1954], 4 W. W. A c k e r m a n n u. H. F. M a s s a b , J. exp. Medicine 99, 121, 105 [1954],

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

r O L Y S U L F O N S Ä U R E - D E R I V A T E M I T A N T I V I R U S - W I R K U N G 191

die in 1.4-Stellung befindlichen Substituenten X festgelegt; um die Lage der Substituenten Y an den C-Atomen 1 und 4 angeben zu können, ist jeweils nadi ea hin er-gänzt worden.

1.1.2.4(X)2.5(Y) 1.1.2.4(X)2.5(Y) 1. ea.e.e a.e 2. ea.e.e a.a 3. ea.e.a a.e 4. ea.e.a a.a

5. ea.a.e e.e 6. ea.a.e e.a 7. ea.a.a e.e 8. ea.a.a e.a

Die vorstehende Aufschreibung aller Sessel-Konfigu-rations-„Bezeichnungen" für das Stellungsisomere 1.1.2.4-(X)2.5(Y) wurde erhalten, indem zur Buchstabenkolonne

III der Tafel eine Reihe ea für die CX^-Gruppe am C-Atom 1 zugesetzt und für den Substituenten Y am C-Atom 2 nach ea hin ergänzt wurde.

a Sieht man sich in den oben aufgeführten Buchstaben-kolonnen die Reihen der untereinander stehenden Budi-staben an, so ist zu bemerken, daß in der letzten Reihe abwechselnd e und a untereinander stehen, in der vor-letzten Reihe zwei e und zwei a, in der vorvorletzten Reihe doppelt so viel usw.

b (in Antipoden-Paar- oder in Antipoden-Schreibweise). Vgl. Mitt. XXX und XXI, 1. c. 3- 4.

c Vgl. auch Tafel 1. 11 Vgl. die Übersicht auf S. 391 der Mitt.XXVIII, I.e. 14.

Polysulfonsäure-Derivate mit Antivirus-Wirkung V o n R . N E H E R u n d F . K R A D O L F E R

Aus den wissenschaftlichen Laboratorien der Ciba Aktiengesellschaft Basel (Z. Naturforschg. 10 b, 191—198 [1955]; eingegangen am 28. Dezember 1954)

1. Verschiedene aromatische Polysulfonsäure-Derivate (P.S.) zeigen sowohl an der Chorio-allantois als audi am Brutei eine Antivirus-Wirkung, die sich gegenüber Stämmen von Influenza-virus und New Castle Disease-Virus nachweisen läßt.

2. Versuche zur Analyse des Antiviruseffektes ergaben, daß die untersuchten Polvsulfon-säuren das Virus entweder vor dessen Eintritt in die Gewebszellen oder in frühen Stadien der Invasionsphase erreichen müssen, um eine volle Wirkung auszuüben. Auch die Möglich-keit einer Hemmung der Liberationsphase, wie sie bei anderen Antivirusstoffen bekannt ist, ist für die P.S. nicht ausgeschlossen.

3. Die meisten der untersuchten Polysulfonsäuren hemmen die Virushämagglutination in vitro. Mit RDE vorbehandelte Erythrozyten, die arm an Virusrezeptoren sind, werden durch dieselben Konzentrationen von P.S. agglutiniert wie normale Erythrozyten. Der Aspekt der Agglutination läßt sich unterscheiden von der Form der Virushämagglutination. Es ist deshalb anzunehmen, daß die P.S. nicht ausschließlich am Virusrezeptor der Erythrozyten angreifen.

Ein Antagonismus zwischen P.S. und bekannten Virusrezeptor-Substanzen (Ovomucin, Mucoprotein) konnte nidit nachgewiesen werden. Auf Grund dieser Versuche wird vermutet, daß die P.S. die Bindung des Virus an das spezifische Substrat beeinflussen und daß dafür im wesentlichen physikalisch-chemische Reaktionen an Grenzflächen maßgebend sind.

4. Bei wiederholter Anwendung können die P.S. zu intrazellulären Veränderungen an Mesenchymzellen führen, doch ist nicht anzugeben, inwiefern diesem Effekt eine Bedeutung für die Antivirus-Wirkung zukommt.

5. Verschiedene P.S. mit Antiviruseffekt hemmen die Blutgerinnung und Immunhämolyse und lösen das Zellkern-Quellungsphänomen aus, während P.S. mit geringer oder fehlender Antivirus-Wirkung diese Eigenschaften nicht oder weniger deutlieh aufweisen. Solche Beziehun-gen zwischen Antivirusaktivität und diesen „Nebenwirkungen" gelten offenbar nicht für alle Derivate vom Charakter der Polysulfonsäuren.

Vor einigen Jahren haben wir eine neue, gegen-über Influenza-Virus wirksame Stoffgruppe auf-

gefunden, die inzwischen chemisdi und biologisch weiterbearbeitet worden ist ( K r a d o l f e r 1 ) . Auch von anderen Autoren ist über den Effekt von sulfon-säure-haltigen Verbindungen gegenüber Virusinfek-tionen berichtet worden ( H u r s t 2 , T a k e m o t o 3 ,

1 F. K r a d o l f e r , Schweiz. Z. Path. u. Bakt. 17. 520 [1954],

2 E. W. H u r s t , Brit. f. Pharmacol. Chemotherapv 7, 455 [1952],

A c k e r m a n n 4 ) . Die vorliegende Mitteilung gibt einen Uberblick über die von uns durchgeführten Untersuchungen.

Chemische Eigenschaften

Es handelt sich um aromatische Sulfonsäuren, die durch Harnstoff-, Triazin- oder ähnliche polvfunktio-

3 K. K. T a k e m o t o , J. Immunology 72, 139 [1954], 4 W. W. A c k e r m a n n u. H. F. M a s s a b , J. exp.

Medicine 99, 121, 105 [1954],

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192 R . N E H E R U N D F. K R A D O L F E R

nelle Gruppen zu größeren Molekülen verknüpft sind. Als amino-sulfonsäure-haltige Komponenten kommen besonders 4.4'-Diaminostilben-2.2'-disulfon-säure, Benzidin-2.2'- oder 3.3'-disulfonsäure, Tolidin-m-disulfonsäure, p-Phenylendiamin-sulfonsäure, 4.4'-Diaminotolan-2.2'-disulfonsäure, 4.4'-Diaminodiben-zyl-2.2'-disulfonsäure sowie 4.4'-Diaminodiphenvl-amin-sulfonsäuren,4.4'-Diaminodiphenylsulfid-sulfon-siiuren und Homologe oder Analoge in Betracht. Diese Stoffe werden, vorteilhaft in neutralem oder saurem wäßr. Milieu, mit Phosgen, Thiophosgen oder Cyanur-chlorid kondensiert. Hierbei besteht die Möglichkeit zur Bildung relativ großer ketten- oder ringförmiger Moleküle, was normalerweise zu Gemischen führt, deren Zusammensetzung durch die Kondensations-bedingungen wie Konzentration, pn, Temperatur und apparative Einflüsse bestimmt wird.

Die Anteile mit hoher Antivirus-Aktivität sind nicht oder nur sehr schwer dialysierbar, dagegen kann ein beträchtlidier Teil inaktiven Materials leicht auf diese Art abgetrennt werden. Bei der Chromatographie an basischen Ionenaustauschern wie Amberlite IRA 400 werden die aktiven Anteile kaum zurückgehalten, was ebenfalls für ein relativ großes Molekulargewicht der letzteren spricht. Auch das Verhalten bei cier Ultrazentrifugation, wobei der Hauptteil der Aktivität sehr rasch sedimentiert, weist in die gleiche Richtung. Die mittleren Mole-kulargewichte der Anteile mit optimaler Antivirus-Wirkung scheinen somit je nach Verbindungstyp zwischen 10:5 und 105 zu liegen. Die Substanzen sind schon als freie Säuren, besser aber als Ammonium-salz wasser-löslich und neigen zu Gelbildung.

Konstitution und Wirkung

Über die Zusammenhänge zwischen Konstitution und Wirksamkeit orientiert Tab. 1, in der eine Aus-wahl von Polysulfonsäure-Derivaten (P.S.) und ihre Wirkung gegenüber Influenzavirus im Hühnerembryo zusammengestellt sind. Am deutlichsten läßt sich hier-bei der günstige Einfluß der freien oder veresterten aromatisdien Sulfogruppe feststellen. Treten an ihre Stelle Carboxylgruppen (Nr. 8, 15) oder andere hydrophile Gruppen (Nr. 9 und 16; vgl. auch das Derivat mit aliphatischer Sulfogruppe 17), so wird die Wirksamkeit stark abgeschwächt oder ganz auf-gehoben. Die weitere diemische Natur der aromati-schen Sulfonsäure scheint dagegen nur von sekun-därer Bedeutung zu sein, wenn auch mit p,p'-Di-amino-Verbindungen eindeutig bessere Effekte zu erzielen sind als mit ihren Stellungsisomeren. Als

Bindeglied zwischen den Arvlsulfonsäureresten haben sich uns bisher die Harnstoff-, Thioharnstoff- und Triaminotriazin-Brücken am besten bewährt.

Für die weitere Entwicklung dieser Substanzen sowie auch für den Vergleich mit andern Antivirus-stoffen ist die Charakterisierung des Antiviruseffek-tes von Bedeutung.

Charakterisierung des Antiviruseifektes

1. W i r k u n g i m B r u t e i u n d a n d e r i s o -l i e r t e n C h o r i o a l l a n t o i s

Die Beurteilung der Aktivität basiert auf Resul-taten von Versuchen an Bruteiern, die mit Influenza-virus infiziert sind. Die bestwirksamen Präparate (Nr. 3 und 18 der Tab. 1) weisen eine virus-hem-mende Schwellendosis von 0,05 mg/Brutei auf. Die höchste, praktisch applizierbare Dosis von 40 mg /Brutei, d. h. das 800-fache dieser Schwellendosis, wirkt noch nicht störend auf die Weiterentwicklung des Hühnerembryos.

In einer anderen Versuchsanordnung, bei der der Embryo entfernt und nur die Chorioallantois-Mem-bran in situ belassen wird (Technik nach B e r n k o p f 5 ) , und bei der die Allantoisflüssigkeit durch Krebs-Ringer-Lösung ersetzt wird, hemmt P.S. Nr. 3 die Virusentwicklung noch in einer Schwellenkonzentra-tion von 10-5'1. Dieser Wert stimmt größenordnungs-mäßig überein mit derjenigen Konzentration, die sich bei Applikation von 0,05 mg in die Allantoisflüssig-keit (etwa 10 ccm) des Bruteies ergibt. Eine derartige Übereinstimmung der Schwellenkonzentrationen im infizierten Brutei und an der isolierten Chorioallan-tois ist aber nicht bei allen geprüften Präparaten festzustellen. In der Regel ist die Wirkung im Chorioallantois-Test besser als im intakten Ei, in dem die Wirkungsbedingungen für diese Antivirusstoffe offenbar ungünstiger sind. Soweit getestet, erstreckt sich der Effekt auch auf andere Virusarten der sog. Influenzagruppe, wie Flu A PR8 (mehrere Stämme) und Flu B (Lee) und New Castle Disease-Virus, die ich in der entodermalen Zellschicht der Chorio-

allantois vermehren.

2. B e e i n f l u s s u n g e i n z e l n e r P h a s e n d e s V i r u s - I n f e k t i o n s - Z y k l u s

Zur weiteren Charakterisierung der Wirkungsbe-dingungen sind Beobaditungen geeignet, die Aus-kunft über den Angriffspunkt im Vermehrungszyklus

3 H. B e r n k o p f , Proc. Soc. exp. Biol. Med. 72. 680 [1949],

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r O L Y S U L F O N S Ä U R E - D E R I V A T E M I T A N T I V I R U S - W I R K U N G 1 9 3

Aktivität im Nr. Formel* Hühnerembryo

mg/Ei

1 N H i ~ \ Z y — C H = C H ~ \ Z / ~ N Hi>

\ / S O 3 H S 0 3 H

unwirksam mit 5

2 N H , — ^ > - C H = C H — N H C O N H — C H = C H — N H , unwirksam mit 5

\ / \ SO.)H S0 3H SOäH SOaH

3 —NH— C H = C H — N H C O —

\ / S O : I H S 0 3 H

0,05

4 — N H — C H = C H — NHCS—

\ / S O : J H S 0 3 H

0,2

5 —NH—< >—CH=CH—< }—NH—C/ X C —

\ /> 1 11 \ / M M S O 3 H S O 3 H \ C /

0,2

6 — N H — C H s — C H o — / NHCO—

\ / S O 3 H S O 3 H

0,5

7 — N H — C = C — N H C O —

\ / S O 3 H S O 3 H

0,5

8 — N H — C H = C H — N H C O —

/ \ COOH COOH

unwirksam mit 5

9 — N — C H = C H — N — C O —

( O C , H 4 ) x O H ( O C , H 4 ) X O H

unwirksam mit 5

10 — N H — ^ — N H C O —

i r S O 3 H S O 3 H

0,5

11 - N H \ ^ > - N H C O -

/ \ S O 3 H S O 3 H

CH;i CH, \ /

2,0

12 \ /

N H - < ^ > A—NHCO—

i r S 0 3 H S O : I H

0,3

* Für die durch Kondensation der Aminosulfonsäuren mit Phosgen, Thiophosgen oder Cyanurchlorid gewonnenen Stoffe wird nur das Grund-radikal formelmäßig angegeben, aus dem sich das mehr oder weniger hochmolekulare Kondensationsprodukt ketten- bzw. ringförmig aufbaut.

Tab. 1. Antivirus-Wirkung von Polysulfonsäure-Derivaten (P.S.) in influenza-infizierten Bruteiern.

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R. N K H K K I1 N I) K. K R A D O L F K R

Nr. Formel* Aktivität im

Hühnerembryo mg/Ei

13 —NH— N H — C ^ N N n C — 0,2

SO:tH SO:,H N \ c / N

i

14

1

— N H — ^ NHCO— 0,5

SO:jCH3 S03CH3

15 — N H — < ^ > — N H C O — unwirksam mit 5

/ \ COOH COOH

16 unwirksam mit 5

(OC,H4)xOH (OC2H4)VOH

S03Na | HC—(CHOH)4—CH,OH

17 — N - / N—CO— 2,0

HC—(CHOH)i—CH2OH

SO^Na

18 — N H — N H C O — 0,05

SO,H

19 — N H — ^ NHCO— 2,0

\ SO .H

20 — N H — \ NHCO— 2,0

H O . s / ^ S O / ^ S O . H

Tab. 1 (Fortsetzung).

des Virus geben können. Bei der Verwendung mini-maler effektiver Dosen im Schutzversuch an flu-infi-zierten Hühnerembryonen fällt auf, daß der Effekt je nach Zeitpunkt der Applikation des P.S. verschie-den ist. Die Wirkung erscheint bei verspäteter oder verfrühter Applikation vermindert. In Tab. 2 ist der Einfluß des Zeitpunktes der Applikation des Präpa-rates auf den hemmenden Effekt minimal wirksamer Dosen verschiedener Derivate dargestellt. In den meisten Fällen führt die simultan mit der Infektion erfolgte Applikation zu einer optimalen Wirkung. Mit anderen Derivaten ist bei Applikation nach 4 Stdn. ein Behandlungsoptimum erreichbar. Das

Vorhandensein einer gewissen Schwellenkonzentra-tion des Wirkstoffes gerade zu bestimmten Zeiten des Entwicklungszyklus des Virus ist somit von Be-deutung. 4 Stdn. nach der Infektion beginnt nor-malerweise die Freisetzung des inzwischen intrazel-lulär entwickelten Virus, womit erneut sehr ähnliche Verhältnisse wie in der frühesten Entwicklungsphase gegeben sind. Unsere Befunde erlauben den Schluß, daß der Wirkstoff seine Aktivität in frühen Stadien der „Invasionsphase" des Virus entfaltet. A c k e r -m a n n und M a s s a b 4 verlegen auf Grund von Versuchen mit zeitlich gestaffelter Applikation den Effekt des von ihnen geprüften Antivirusstoffes (D-

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r O L Y S U L F O N S Ä U R E - D E R I V A T E M I T A N T I V I R U S - W I R K U N G 195

A p p 11 k a t i o n

Prä-parate

Dosis mg/

Brutei

2h

vor simultan*

mit I n f e

2h

nach k t i o r

5h

nach 9"

nach

Nachweis der Virusvermehrung**

P. S.13 0,25 + + C + P.S. 6 0,12 + ö + c C

P.S. 12 0,12 0,50

+ O o

+ + O

+ + + + +

P.S. 13 0,12 + + + + + + + P.S. 19 0,50 + + o +

* Simultan bedeutet, daß gleich im Anschluß an die Präparat-applikation (0,2 ccm) in gleicher Weise das Inokulum von 0,2 ccm der Virusverdünnung durch das gleiche Bohrloch in die Allantois-Höhle gegeben wurde.

** Nachweis der Virusvermehrung: + + = Hämagglutinierendes Virus schon nach 24 h Bebrütung nach-

weisbar. + = Hämagglutinierendes Virus erst nach 48 h Bebrütung nach-

weisbar. = Kein hämagglutinierendes Virus nach 48 h Bebrütung nach-

weisbar.

Tab. 2. Abhängigkeit der Virushemmung vom Zeitpunkt der Applikation der Antivirus-Stoffe am infizierten Brutei.

Amino-p-methoxyphenyl-methansulfonsäure) eben-falls in eine frühe Phase der Virusentwicklung. Wei-terhin nahmen sie auf Grund einer, übrigens auch in unseren Versuchen festgestellten Diskrepanz, zwi-schen negativem Virusnachweis in der Flüssigkeit der Gewebekultur und positivem Befund im Gewebe eine Hemmung der Liberation des Virus unter dem Einfluß des Wirkstoffes an. Sie diskutierten die Mög-lichkeit, daß die Schädigung durch den Wirkstoff einen Mechanismus trifft, der sowohl für die In-vasion als auch für die Liberation des Virus von Bedeutung ist. Unsere Ergebnisse, besonders der Be-fund eines zweiten Wirkungs-Optimums des P.S. bei Applikation 4 Stdn. post inf., widersprechen einer solchen Annahme nicht.

3. N a c h w e i s e i n e r d i r e k t e n v i r u z i d e n W i r k u n g s k o m p o n e n t e g e g e n ü b e r „ f r e i e m i n f e k t i ö s e m V i r u s ' '

Die bisher geschilderten Versuche geben keine Auskunft darüber, ob die untersuchten Substanzen direkt am Virus oder an der Rezeptorzelle angreifen. Allerdings sprechen gewisse Versuchsresultate für eine direkte „viruzide" Wirkungskomponente.

Die Tab. 3 gibt das Resultat eines Versuches wie-der, bei dem auf Grund der Inkubationszeit die In-fektiosität von in vitro mit P.S. 10 vorbehandelten

Kontaktgemisch Kontaktdauer vor Verimpfung

Inkubationszeit bis zum ersten Nachweis

von Virus-Häm-agglutination

[h]

Virus allein ca. 3 Min. lh

12 15

Virus + P.S. 10 10 7

ca. 3 Min. lh

12 21

Virus + P.S. 10 10 6

ca. 3 Min. lh

24 33

Tab. 3. Antivirus-Wirkung in vitro. Einfluß der Kontakt-dauer und der P.S.-Konzentration auf die Infektiosität

ursprünglich gleicher Virusdosen. Je 20 ccm Krebs-Ringer-Glucose-Lösung wurden mit

Flu PR8-Virus auf 0,1 HD ( = Hämagglutinations-Dosen) Virusgehalt eingestellt und von der Zugabe des Wirk-stoffes in der angegebenen Endkonzentration an gerech-net nach 3 Min. und 1 Stde. in je 2 embryolose, gespülte Bruteier gegeben. Im Verlaufe der Bebrütung bei 37° auf rotierender Trommel (6 U/Stde.) wurden 3-stündlich Proben entnommen zur Bestimmung der Virushämagglu-tinations-Titer. Als Inkubationszeit gilt die Zeitspanne zwischen Beschickung des Bruteies und dem ersten Nach-weis von mindestens 8 HD Virus.

Virusproben nach Übertragung auf Chorioallantois beurteilt wurde. Bestimmt wurde die Zeit zwischen Inokulation und dem Nachweis minimal hämagglu-tinierender Virusmengen in der Kulturflüssigkeit. Da-bei wurde eine Verminderung der Infektiosität noch bei Konzentrationen von 10~7 gefunden, Verdünnun-gen, die in der Gewebekultur keine direkte virus-hemmende Wirkung mehr erkennen lassen. Anderer-seits ermittelten wir in derselben Versuchsanordnung, daß erst das 100-fache einer in der Chorioallantois-Kultur minimal „virustatisch" wirksamen Konzentra-tion die Infektiosität eines Inokulums von 106 In-fektions-Dosen nach einem in vitro-Kontakt von 24 Stdn. aufzuheben vermochte. Es kann somit der virus-hemmende Effekt niedriger Wirkstoffkon-zentrationen an der Chorioallantois nicht allein auf Grund einer im Kontaktgemisch in vitro nachweis-baren „viruziden" Wirkung des Präparates erklärt werden. Immerhin könnte der oben erwähnte Anti-viruseffekt des kurz vor der Virus-Liberationsphase (4 Stdn. p. i.) applizierten Wirkstoffes wenigstens teilweise darauf zurückzuführen sein, daß bei Zu-gabe von Wirkstoff gerade im Augenblick des Aus-trittes eine direkte Schädigung am Virus erfolgt und dadurch der Eintritt des 2. Zyklus verzögert wird. Beim „viruziden" Effekt des Wirkstoffes in Bouillon oder synthetischer Lösung ist zu beachten, daß die

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R . N E H E R U N D F. K R A D O L F E R

Tab. 4. Übersicht über Korrelationen zwischen Antivirus-Wirkung verschiedener P.S.-Derivate und deren Wirkung in gewissen anderen Reaktionssystemen.

Wirk-stoffe P.S.

Nr.

Virus-hemmende Schwellenwerte

Schwellenkonzentration bei Hemmung: Hemmung:

Provokation Wirk-stoffe P.S.

Nr.

Dosis pro infiziertes

Brutei mg/Ei

Konzentra-tion im

embryolosen Brutei

der Virus-häm-

aggluti-nation

der Immun-

hämolyse

der Blut-gerinnung (Heparin

= 1)

der Zell-kern-

quellung

von intra-zellulären Schollen

12 0,3 1 0 - 5 . 4 10 5'4 10 6-° 0,10 + + + 6 0,5 10 4'8 1 0 - 5 , 9 1 0 - 5 , 0 0,04 + + + + 13 0,2 1 0 - 5 , 1 10 5 10" 5 0,1 — + + 3 0,05 1 0 - 5 , 1 10 3 K.W. 10 5 0,04 + + + 4 0,2 1 0 - 3 , 3 10 3 K.W. 10~3K.W. 0 0 + 15 5,0 K.W.* 1 0 - 3 , 6 10 3 K.W. 10 3 K.W. 0 0 0

* K.W. = Keine Wirkung.

Wirkungsbedingungen am infizierten Gewebe an-dere sein können, da native Inhibitoren die viruzide Wirkungskomponente zu beeinträchtigen vermögen. So zeigen die Versuche mit „verspäteter" Applika-tion minimaler bzw. suboptimaler Wirkstoffmengen, daß die Antivirus-Wirkung im Brutei mit der Zeit eine Abschwächung erfährt. Die Empfindlichkeit die-ser Stoffe gegen inaktivierende Einflüsse ist Gegen-stand noch nicht abgeschlossener Versuche, über deren Ergebnisse später berichtet wird.

4. B e e i n f l u s s u n g v o n R e a k t i o n e n a n Z e l l o b e r f l ä c h e n

P.S. hemmen, wie aus Tab. 4 ersichtlich, mit eini-gen Ausnahmen, die Virushämagglutination in vitro. (Negative Virusbefunde in behandelten Bruteiern waren deshalb bei fehlender Hämagglutinations-Re-aktion durch Überimpfung auf frische Hühner-Embryonen sicherzustellen.) Eine Gegenüberstellung der Hemmwerte bei der Virushämagglutination und der minimal virus-hemmenden Konzentrationen in der Chorioallantois ergibt — mit einigen Ausnahmen deren Bedeutung hier nicht diskutiert werden soll •— eine gute quantitative Übereinstimmung. Daraus kann auf einen gemeinsamen Angriffspunkt in den beiden Reaktionssystemen Virus-Chorioallantois und Virus-Ervthrozyten geschlossen werden. Die Zugabe wasserlöslicher Virus-Rezeptorsubstanzen (z. B. Ovo-

ö Th. P u c k u. Mitarbb., Internat. Symp. „Dyna-mics of Virus and Rickettsial Infections" New York, p. 16 [1954],

mucin) zu dem durch P.S. gehemmten Virus-Erythro-zytensystem ergibt keine Anhaltspunkte dafür, daß sich der zugefügte Virusrezeptor und die Poly-sulfonsäure gegenseitig aufheben. Die Kurve der Abb. 1 spricht für eine „funktionelle" Gleichwertig-keit der beiden Virushämagglutinations-Inhibitoren, da diese in einem bestimmten Konzentrationsbereich vikariierende Eigenschaften aufweisen. Ähnliche Resultate liefern auch Versuche mit einem gereinig-ten Mucoprotein aus Rinder-Speicheldrüsen, das uns in verdankenswerter Weise von Herrn Prof. A. G o t t -s c h a l k überlassen worden ist. Da diese in-vitro-Versuche mit inaktiviertem, enzymatisch nicht wirk-samen (Indikator-) Virus durchgeführt wurden, kann die Wirkung der P.S. nicht auf einer Enzymhem-mung beruhen, sondern höchstens auf einer Störung der Enzym-Substratbindung, eine Reaktion, die be-kanntlidi bei Indikator-Viren ungestört abläuft. Aus Untersuchungen, besonders von P u c k und Mitarbb.6, geht hervor, daß die Bindung von Viren an die Zelle — audi im Falle von Influenzavirus an Hüh-nererythrozvten — von elektrostatischen Kräften ab-hängt, und wie B u r n e t und Mitarb.7 zeigten, an die Anwesenheit bestimmter Kationen gebunden ist. Obschon unsere Befunde noch keinen direkten Be-weis dafür lieferten, ist es doch möglich, daß die P.S., die Makroanionen im Sinne S p e n s l e y s 8

7 F. M. B u r n e t u. M, E d n e v , Austral. J. exp. Biol. med. Sei. 30, 105 [1952],

8 P. C. S p e n s l e y u. H. J. R o g e r s , Nature [Lon-don] 173, 1190 [1954],

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darstellen, besonders aktiv bei der Störung elektro-statischer Bindungsvorgänge sind. Wir finden eine gewisse Bestätigung dieser Auffassung darin, daß auch andersartige Reaktionen an Zelloberflächen, ohne Beteiligung spezifischer Virusrezeptoren, durch P.S.-Substanzen hemmbar sind. So läßt sich z. B. die Immunhämagglutination durch verschiedene P.S.-Derivate hemmen (Tab. 5).

Weiterhin läßt sich zeigen, daß mit R D E (recep-tor destroying enzyme) vorbehandelte Hühner-erythrozyten, die dadurch ihre Virusrezeptoren ver-

Komponenten der Virusrezeptoren unabhängig. Diese Befunde weisen auf Affinitäten der untersuchten P.S. hin, die weder die bekannten „Enzym-Sub-strate" des Influenzavirus noch das „Virusenzym" selbst betreffen, sondern offenbar durch Reaktionen an anderen, möglicherweise funktionell verwandten Substanzen der Zelloberfläche bedingt sind. Gemäß den quantitativen Studien von S a g i k , P u c k und L e v i n e 9 nehmen bei Hühnererythrozyten die von Rezeptoren für Influenzavirus besetzten Stellen nur etwa 2 % der gesamten Zelloberfläche ein. Daneben

2.9

3.2\ CD 7 3.5

I 3 8

1 UM

\ \

8M 8.1 7.8 7.5 7.2 6.9 PS -log

Abb. 1. Einfluß von löslichen Virus-Rezeptor-Substanzen (Ovomucin) auf die Hemmung der Virushämagglutination

(VH) durch P.S.

Die Kurve entspricht den Konzentrationv'erhältnissen in denjenigen Gemisdien der beiden VH-Inhibitoren, welche die Virushämagglutination gerade noch hemmen.

Zu Verdünnungsreihen von Ovomucin (IO-2 bis 10"5) wurden abgestufte Mengen von P.S. 12 beigefügt, so daß identische Ovomucinreihen abgestufte P.S.-Konzentratio-nen enthielten. Nach 1 Stde. Stehenlassen bei Zimmer-temperatur wurden sämtliche Proben mit 4 HD-Flu PR8-Virus (inaktiviert) und mit Hühnererythrozyten (0,8%) versetzt. Die einzelnen Komponenten wurden zu 0,25 ccm zusammengegeben; die angegebenen Konzentrationen sind die jeweiligen Endkonzentrationen. Ablesung der Hämagglutination nach 1 Stde., Zimmertemperatur.

loren haben, noch durch dieselben minimalen Kon-zentrationen der P.S. agglutiniert werden wie nor-male Erythrozyten. Die durch die P.S. verursachten Veränderungen der Erythrozyten sind daher, soweit sie sich in einer aspektmäßig von der typischen Virushämagglutination unterschiedlichen Spontan-agglutination der Blutkörperchen manifestieren, vom Vorhandensein der gegenüber R D E empfindlichen

9 A. S a g i k , T. P u c k u. S. L e v i n e , J. exp. Me-dicine 99, 251 [1954].

10 C . H o w e , J. Immunology 66. 9 [1951].

P. S .10-Konzentration im Serumerythrozyten-

Gemisch

Minimale Immunserum-konzentration, die die

Hämagglutination gerade noch vollständig auslöst

0 (Kontrolle) 1 :1024 1 0 - 5 1 :1024 10" 4 1 :512 10~3 1 :256

Tab. 5. Hemmung der Immunhämagglutination (Isoagglu-tinin) durch P.S. 10.

Identische Verdünnungsreihen von inaktiviertem (30 Min. 56° C), menschlichem Anti-A-Serum wurden mit abge-stuften Mengen von P.S. versetzt und regelmäßig mit 1-proz. A - Erythrozytensuspension beschickt. (0,5 ccm Serumverdünnungen + 0,25 ccm Erythrozytensuspension, alles in physiol. NaCl-Lösung.) Ablesung der Agglutina-tion nach 4 Stdn., Zimmertemperatur.

sind die ebenfalls oberflächlich lokalisierten spezifi-schen Blutgruppen-Antigene zu berücksichtigen, deren nahe Beziehungen zu den Virusrezeptor-Substanzen, besonders im Falle der menschlichen Erythrozyten mehrfach festgestellt und untersucht worden sind ( H o w e 1 0 ) .

5. N a c h w e i s i n t r a z e l l u l ä r e r V e r ä n d e -r u n g e n

Auf der Suche nach Befunden, die für einen intra-zellulären Angriffsmechanismus sprechen, wurde der Einfluß der P.S. auf verschiedene Zellfunktionen untersucht. Die Atmungs- und Glykolysewerte von Chorioallantoisgewebe bleiben bis zur Endkonzen-tration von 10~3 unbeeinflußt*.

Nach 6-maliger, täglicher, intraperitonealer Appli-kation von 20 mg/kg P.S. findet sich bei Meer-schweinchen und Mäusen ein zelluläres Exsudat, in dessen Zellelementen (monozytenartige und Zellen des mesenchymalen Synzytium des Omentum) auf-

* Versuche am Warburg-Apparat verdanken wir Herrn Prof. S c h u 1 e r.

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lallend viel schollig-granuläres Material nachweisbar ist. Spezialfärbungen ** ergeben positive Polysac-charid - Reaktionen (PAS = Periodic Acid-Schiffs Reagens) der Schollen und mit Toluidinblau eine Metachromasie eines Teiles der Granula. Diese Be-funde machen es wahrscheinlich, daß in diesen Zellen gewisse Polysaccharide verändert sind. Wie aus der letzten Tabelle (Tab. 4) ersichtlich, ist diese Schol-lenbildung besonders bei den antivirus-wirksamen P.S. ausgesprochen, hingegen bei den unwirksamen Vertretern dieser Substanzgruppe nur angedeutet oder nicht vorhanden. Da wir in den Zellen von Chorioallantois, die mit den gleichen P.S. behandelt wurden, keine ähnlichen „PAS-positive" Elemente finden konnten, ist nicht zu entscheiden, ob der an Mesenchymzellen von Meerschweinchen oder Mäu-sen erhobene Befund mit dem Wirkungsmechanis-mus der Virushemmung im Hühnerembryo etwas zu tun hat.

6. E i n f l u ß a u f v e r s c h i e d e n e F e r m e n t -s y s t e m e

Weitere Parallelen zwischen der Intensität der Antivirus-Wirkung und anderen Wirkungen verschie-dener P.S. können in mehreren Richtungen festge-stellt werden (Tab. 4). So zeigen die Substanzen mit gutem Antiviruseffekt eine deutliche Hemmung der Blutgerinnung oder Immun-Hämolvse und sind stär-ker wirksam bei der Auslösung des Zellkern-Quel-lungsphänomens als P.S. ohne oder mit nur geringer Viruswirkung. Diese Ubereinstimmung gilt aber nur innerhalb dieser relativ einheitlichen Stoffgruppe; denn andere, ebenfalls als Polysulfonsäuren zu charak-terisierende Stoffe, wie z. B. Germanin oder Heparin, sind zwar sehr aktive Stoffe bezüglich der erwähn-ten „Nebenwirkungen", entbehren aber des virus-hemmenden Effektes. So wurde schon in einer frühe-ren Mitteilung von K r a d o l f e r 1 darauf hingewie-sen, daß sich Heparin und Germanin in verschiede-ner Hinsicht qualitativ weitgehend ähnlich wie die P.S. verhalten, z. B. bei der Komplementhemmung (Affinität zu den Komplementfaktoren im Immun-hämolyse-Versuch) der Hemmung des Proteoklasten-Phänomens, der Hemmung von Carbohvdrasen

** Histochemische Untersuchungen wurden von Dr. L o u s t a l o t durchgeführt.

ii A. G o t t s c h a l k u. P. A. L i n d , Brit. J. exp. Path. 30, 85 [1949].

(Lvsozym, Hyaluronidase) und der Beeinflussung von Nucleasen. Diese zur Charakterisierung der Ge-samtwirkung derartiger Stoffe dienenden Unter-suchungen ergeben somit nur bedingt Anhaltspunkte für den Wirkungsmechanismus beim Antiviruseffekt. Eine Reihe der genannten Befunde läßt sich mit dem Effekt von „Makroanionen" deuten, deren chemisdie Konstitution im vorliegenden Fall eine Reaktionsbereitschaft bedingen würde, die einerseits auf einen Virusrezeptor-Mechanismus abgestimmt ist und andererseits andere physikalisch-chemische und biologische Reaktionssysteme zu beeinflussen ver-mag. Es wird die Aufgabe weiterer chemischer und biologischer Arbeiten sein, eine Verschiebung der Spezifität in Richtung eines gesteigerten Antivirus-effektes unter Beibehaltung oder Abschwächung der anderen Wirkungsqualitäten zu erzielen.

Material

Zu den Virusversudien wurde jeweils Allantoisflüssig-keit von 11-tägigen Bruteiern verwendet, die mit In-fiuenzavirus (Flu A, PRg) infiziert wurden. Der Infek-tionstiter der Allantoisflüssigkeit lag bei 10"s bis 10" und der Hämagglutinationstiter zwisdien 10~3 bis 10~3>5.

Ovomucin als Influenza - Virus - Hämagglutinations-Hemmsubstanz wurde in Anlehnung an die Präparations-methode von G o t t s c h a l k und L i n d u aus frischem Eiereiweiß hergestellt und bei 4° aufbewahrt. Der Anteil an Hämagglutinin-Inhibitor in solchen Ovomucinpräpara-ten ist gemäß F a z e k a s de St. G r o t h 1 2 und G o t t s c h a l k i 3 auf etwa 10% zu veransdilagen.

Für die nach der Technik von B e r n k o p f 5 durch-geführten Versuche im embryolosen Brutei verwendeten wir als Kulturflüssigkeit Krebs-Ringer-Lösung mit 0,1% Glucosegehalt und 10 E/ccm Penicillin und 40 7/ccm Streptomycin.

Methoden

Chemotherapeutische Versuche an 11-tägigen Hühner-embryonen wurden in der Regel so durchgeführt, daß durch eine seitwärts angebrachte Bohrung im Ei zuerst das zu prüfende Präparat ä 0,2 ccm in wäßriger Lösung und im Anschluß daran 0,2 ccm einer Virusverdünnung entsprechend 5000 Infektionsdosen appliziert wurden. Nach 24 Stdn. Bebrütung bei 38° wurde durch sterile Punktion des Eies etwa 0,2 ccm Allantoisflüssigkeit ent-nommen und auf Virushämagglutination titriert. Eine 2 Bestimmung des Virushämagglutinations-Titers der Allantoisflüssigkeit erfolgte nach 48 Stdn. Bebrütung.

12 F a z e k a s d e S t . G r o t h , J. Immunologv 65, 571 [1950],

13 A. G o t t s c h a l k , Brit. J. exp. Path. 32, 21 [1951],