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Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

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3Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Inhaltverzeichnis

I. Executive Summary ........................................................................................................................................ 4

II. Gesetzgebung, Regulierung und Normung in der EU und den USA: Ein Vergleich ................................... 7

III. Regulierungsphilosophien der EU und der USA: Vorsorgend versus nachsorgend? .............................. 18

IV. Transatlantische Regulierungskooperation ................................................................................................ 19

V. Chancen für eine bessere regulatorische Zusammenarbeit ...................................................................... 33

VI. TTIP: Einfallstor für Deregulierung? ........................................................................................................... 58

VII. Empfehlungen: Grundsätze für die regulatorische Zusammenarbeit ................................................... 70

Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................................................................ 75

Weiterführende Quellen ........................................................................................................................................79

Impressum ........................................................................................................................................................... 82

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4 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Täglich handeln die EU und die USA Waren und Dienst-leistungen im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro miteinander. Die EU und USA sind damit füreinander die wichtigsten Handelspartner. Allerdings stellen nicht nur Zölle, sondern vor allem auch viele nicht-tarifäre Handelshemmnisse (NTBs) nach wie vor unnötige Bar-rieren im transatlantischen Handel dar.

Zu den nicht-tarifären Handelshemmnissen gehören beispielsweise unterschiedliche technische Produkt- und Produktionsanforderungen. Oftmals garantieren sie zwar ein vergleichbares Niveau an Produktsicher-heit und -qualität sowie an Verbraucher- und Umwelt-schutz. Die genauen Anforderungen an das Design von Produkten sowie an Test-, Prüf- und Zertifizierungsver-fahren können sich jedoch gravierend unterscheiden. So entstehen aufwendige und redundante Prozesse, die den Zugang zum US-Markt für deutsche und europäi-sche Unternehmen erschweren, die Produktion ver-teuern und die Preise für die Konsumenten erhöhen. Dasselbe gilt für US-Produkte und den Zugang zum europäischen Markt.

Insbesondere der industrielle Mittelstand würde profi-tieren, wenn solche nicht-tarifären Handelshemmnisse und damit bürokratischer Aufwand abgebaut würden. Denn er wird durch doppelte Prozesse und Verfahren sowie die dadurch entstehenden administrativen Kos-ten in besonderer Form belastet. Nicht selten stellen diese Kosten Marktzutrittsbarrieren für kleine Unter-nehmen dar.

Die Transatlantische Handels- und Investitionspartner-schaft (TTIP) kann diese Kosten senken und Unterneh-men neue Marktchancen eröffnen. Je nach Sektor oder Produkt könnten die EU und die USA dazu einzelne Regulierungen auf allen staatlichen Ebenen vereinheitli-chen, gleichwertige Regeln gegenseitig anerkennen oder zukünftig Regeln gemeinsam entwickeln. Beispielsweise könnten doppelte Prüf- und Zertifizierungsverfahren abgeschafft werden, wenn diese auf äquivalenten Stan-dards und Regeln der Konformitätsbewertung beruhen und einen vergleichbaren Marktzugang gewährleisten. Dies würde neben den Unternehmen auch die Regu-lierungsbehörden und die Verbraucher entlasten. In TTIP geht es somit nicht darum, Standards abzusen-ken. Die EU und die USA werden auch in Zukunft Umwelt-, Sicherheits- und Gesundheitsfragen so regeln können, wie sie es zum Schutz des Gemeinwohls für angebracht halten. Vielmehr geht es darum, die Verein-barkeit der unterschiedlichen Systeme zu verbessern.

Zudem bietet TTIP eine einmalige Chance, ein hohes Niveau an Umwelt- und Verbraucherschutz – auch mit Blick auf den Handel mit Drittländern – zu stärken.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass gerade der Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse zu mehr Wirt-schaftswachstum und Arbeitsplätzen führen kann – und zwar deutlich stärker als der Abbau von Zöllen. Eine bessere regulatorische Zusammenarbeit hat daher eine hohe Priorität für die deutsche Industrie.

TTIP ist nicht der erste Versuch der transatlantischen Partner, enger bei regulatorischen Fragen zusammenzu-arbeiten. Es gab bereits zahlreiche Initiativen mit dem Ziel, nicht-tarifäre Handelsbarrieren abzubauen: unter anderem die Neue Transatlantische Agenda von 1995, die Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft aus dem Jahr 1998, die 2005 ins Leben gerufene EU-US-Wirt-schaftsinitiative und nicht zuletzt die auf dem EU-US Gipfel von 2007 getroffene neue Rahmenvereinbarung zur Vertiefung der Wirtschaftsintegration. Die gegensei-tige Anerkennung von Regeln erfordert jedoch kom-plexe Prüfungen und Vereinbarungen auf beiden Seiten des Atlantiks, die ohne ein umfassendes Handelsabkom-men bisher nicht umgesetzt werden konnten. Darüber hinaus fehlte in vielen Fällen das notwendige Engage-ment auf höchster politischer Ebene. Auch die Ergeb-nisse des 2007 gegründeten Transatlantischen Wirt-schaftsrats (Transatlantic Economic Council, TEC) sind bisher überschaubar.

TTIP bietet nun nicht nur die Chance, in einzelnen Bran-chen eine gegenseitige Anerkennung von Konformi-tätsbewertungsstellen, Konformitätsbewertungen und Produktstandards zu verhandeln, wenn sie ein vergleich-bares Schutzniveau gewährleisten, miteinander kompa-tibel sind und eine Marktöffnung in beide Richtungen sicherstellen. Zudem könnte unter TTIP Regulierungs-kooperation transparenter, strukturierter und inklusi-ver gestaltet werden als dies in der Vergangenheit der Fall war, indem klare Regeln geschaffen und neue Gre-mien gegründet werden. Dabei sollten auch alle relevan-ten regelsetzenden Institutionen unterhalb der födera-len beziehungsweise der EU-Ebene einbezogen werden.

I. Executive Summary

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5Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Welche Erwartung knüpft die deutsche Industrie an ein Regulierungskapitel unter TTIP?

1. Sektorspezifischen Unterschieden muss Rechnung getragen werden

Durch die gegenseitige Anerkennung oder die Annähe-rung vergleichbarer Regeln können erhebliche Kosten im transatlantischen Handel eingespart werden. Dabei müssen die Verhandlungen jedoch sektorspezifischen Unterschieden Rechnung tragen. In manchen Bran-chen sind sowohl die Regulierungen als auch die Regu-lierungsstrukturen in den USA und der EU so unter-schiedlich, dass eine gegenseitige Anerkennung nicht möglich ist und zu Nachteilen für die europäische Seite führen könnte. Dass im Rahmen von TTIP Verhand-lungen über Sektorabkommen wie für die Automobil-industrie, die Chemieindustrie, den Maschinenbau, die Elektrotechnik oder auch für Arzneimittel und Medi-zinprodukte stattfinden, ist daher der richtige Ansatz

2. Erarbeitung technischer Normen auf Basis der aner-kannten internationalen Normen

Die gemeinsame Erarbeitung technischer Normen ist eine wichtige Voraussetzung für den Abbau von Han-delshemmnissen. Diese muss auf Basis der anerkann-ten internationalen Normen unter anderem der Inter-nationalen Organisation für Normung (International Organization for Standardization, ISO) und der Elek-trotechnischen Kommission (International Electro-technical Commission, IEC) geschehen. Auch Konfor-mitätsbewertungs- und Zulassungsverfahren sollten auf Grundlage dieser Normen erfolgen.

3. EU und USA müssen den Prinzipien der guten Regu-lierungspraxis, good regulatory practice, folgen

Die EU und die USA müssen bei der Regulierungs-tätigkeit die Grundsätze der guten Regulierungspraxis (good regulatory practice) anwenden, also Transparenz, Rechenschaft und Partizipation im gesamten Prozess gewährleisten.

4. EU-US Regulierungskooperation darf nicht zu Rechtsunsicherheit führen

Eine gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbe-wertungen wie Test-, Zertifizierungs- und Zulassungs-verfahren darf nicht zu Rechtsunsicherheit, zusätzlichen Haftungsrisiken oder zur Auflösung von EU-weit gel-tenden Prinzipien, wie sie zum Beispiel im sogenann-ten New Legislative Framework verankert sind, führen.

5. EU-US Regulierungskooperation darf Schutzstan-dards nicht senken

In TTIP muss sichergestellt werden, dass das Abkommen nicht zu einer Senkung von Sicherheits-, Gesundheits-, Umwelt-, Verbraucher- oder auch Datenschutzstan-dards führt. Ein vergleichbares Schutzniveau ist neben der Beachtung der nationalen und europäischen gesetz-lichen Vorgaben die Voraussetzung für die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen wie Zerti-fizierungs- und Zulassungsverfahren. Ist dies allerdings gegeben, sind erhebliche Erleichterungen im transatlan-tischen Handel möglich, etwa, wenn die Konformität eines Produkts mit den Anforderungen des US-Marktes bereits in der EU von einer akkreditieren Stelle überprüft werden könnte. TTIP muss entsprechend die Kriterien und Methoden für die regulatorische Zusammenarbeit, etwa zur Feststellung zur Äquivalenz von Regulierungen und Standards, festlegen und diese transparent machen.

6. TTIP muss Mechanismen für zukünftige Regulie-rungskooperation schaffen

Eine engere regulatorische Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA – etwa der Austausch von Infor-mationen über Regulierungsvorhaben oder auch Fol-gekostenabschätzungen von Regulierungen – kann verhindern, dass zukünftig neue nicht-tarifäre Handels-hemmnisse im transatlantischen Markt entstehen. TTIP muss daher neue Kooperationsmechanismen etablieren. Dies ist gerade in den Branchen wichtig, in denen Regu-lierungen und Normen heute noch so weit auseinander liegen, dass eine gegenseitige Anerkennung nicht mög-lich ist. Aber auch in den Sektoren, in denen eine gegen-seitige Anerkennung schon jetzt angestrebt wird, ist die zukünftige regulatorische Zusammenarbeit von großer Bedeutung, da sich nationale und europäische Regulie-rungen immer weiter entwickeln. TTIP muss die Ver-pflichtung zur Zusammenarbeit der Regulierungsbehör-den verbindlich festlegen. Diese Verpflichtung beinhaltet nicht automatisch eine Verpflichtung auf ein bestimm-tes Ergebnis. Sie setzt vielmehr auf Vertrauen und den politischen Willen zur Zusammenarbeit. In bestimmten Sektoren müssen dabei die einzelstaatliche beziehungs-weise lokale Verwaltungs- und Gesetzgebungsebene mit einbezogen werden, da Marktzugangsbeschränkungen teilweise erst auf diesen Ebenen geschaffen werden. Die Guidelines on Regulatory Cooperation and Transpa-rency, auf die sich EU und USA bereits 2002 geeinigt hatten, die bisher aber nicht hinreichend umgesetzt wur-den, könnten dafür eine gute Grundlage sein.

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7. Aufwertung des Transatlantic Economic Council (TEC)

Ein aufgewerteter und in das Regelwerk von TTIP integrierter TEC kann eine zentrale Stellung in der transatlantischen Regulierungskooperation einneh-men. Er sollte die Umsetzung der in TTIP getroffe-nen Vereinbarungen überwachen und die regulato-rische Zusammenarbeit koordinieren, jedoch keine Entscheidungsbefugnis erhalten.

8. TTIP darf die regulatorische Autonomie nicht unterminieren

Die regulatorische Autonomie der EU und der USA muss trotz regulatorischer Zusammenarbeit immer gewahrt sein: Eine Regulierungskooperation kann weder die USA noch die EU und ihre Mitgliedstaa-ten zu bestimmten Ergebnissen verpflichten (obliga-tion to cooperate, no obligation to results). Die Prin-zipien der regulatorischen Arbeit, die Autonomie der Regulierer und deren demokratische Kontrolle dürfen durch ein Handelsabkommen nicht in Frage gestellt oder umgangen werden. Ein living agree-ment ist daher nicht die Fortsetzung von Verhand-lungen außerhalb der demokratischen oder öffent-lichen Kontrolle, sondern die Institutionalisierung einer engen Zusammenarbeit zur Umsetzung der im Abkommen beschlossenen Vereinbarungen.

9. Diskriminierung von Drittländern vermeiden

Gerade für die deutsche Industrie, die wie keine andere weltweit in globale Wertschöpfungsketten eingebunden ist, darf TTIP keine neuen Handelsbar-rieren gegenüber Drittländern aufbauen. Vielmehr sollte Regulierungskooperation so ausgestaltet sein, dass auch Drittländer davon profitieren. Viele Pro-duzenten aus Entwicklungsländern müssen sich aus Kostengründen zurzeit aufgrund der unterschiedli-chen Standards und Normen in den USA und der EU für einen Absatzmarkt entscheiden. Kommt es unter TTIP zu einer Harmonisierung von Standards oder werden international anerkannte Normen stär-ker von der EU und den USA angewandt, profitie-ren davon auch Produzenten aus Drittländern. Die Verhandlungspartner sollten zudem prüfen, wo eine Kooperation mit Drittländern sinnvoll und möglich ist. Dazu gehört, das Verhältnis von TTIP zu bereits bestehenden regulatorischen Übereinkommen mit Drittländern zu prüfen. Klar ist letztlich jedoch, dass

Regulierungskooperation nur dann auf Drittländer ausgeweitet werden kann, wenn diese bestimmte Kriterien erfüllen und Gleichwertigkeit von Kon-formitätsbewertungsstellen, Prüfverfahren oder Pro-duktstandards festgestellt werden kann.

10. Verbreitung hoher Standards weltweit

Die Entwicklung gemeinsamer Regeln und tech-nischer Normen im transatlantischen Markt sollte dazu genutzt werden, auch im multilateralen Rah-men und gegenüber Drittländern dieses Regelwerk zu stärken und weltweit ein hohes Niveau unter anderem an Produktsicherheit, Verbraucherschutz, Arbeitsschutz und Umweltschutz zu etablieren.

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II. Gesetzgebung, Regulierung und Normung in der EU und den USA – ein Vergleich

Um Vorschläge und Ansatzpunkte für eine bessere regulatorische Zusam-menarbeit zwischen der EU und den USA zu entwickeln, ist es zunächst hilfreich, die rechtlichen und politischen Voraussetzungen für die Gesetz-gebung, Regulierung und Normung auf beiden Seiten zu vergleichen.

Erklärung zentraler Begriffe

RegulierungEine verpflichtende staatliche Maßnahme, mit der privatwirtschaftliche Akteure wie Unternehmen an die Einhaltung bestimmter gesellschaftlicher Inter-essen gebunden werden, zum Beispiel mit Blick auf den Verbraucher- oder Umweltschutz. Eine Regulie-rung kann vom Gesetzgeber (Legislative) oder von der Exekutive erlassen werden. Beispiele sind Gesetze und Verordnungen.

RegulierungsbehördeEine staatliche, auf der Grundlage eines Gesetzes ein-gesetzte Einrichtung, deren Aufgabe es ist, die Ein-haltung von Gesetzen zu überprüfen und Regeln für Marktteilnehmer zum Beispiel zum Schutz von Ver-brauchern und der Umwelt zu erlassen. Regulierungs-behörden können in einem Ministerium eingegliedert oder einem Ministerium unterstellt sein. Beispiele für Regulierungsbehörden sind die Bundesnetzagentur (Deutschland), die European Medicines Agency (EU) oder auch die Food and Drug Administration (USA). In der EU kann auch die EU-Kommission Regulie-rungen erlassen (delegierte Rechtsakte).

NormZiel einer Norm ist es, einheitliche Regeln für die Wirtschaft zu schaffen, den Austausch zwischen ver-schiedenen Märkten zu vereinfachen und dabei den Schutz der Allgemeinheit sicherzustellen. Eine Norm ist ein freiwillig anwendbares Dokument, das mit Kon-sens erstellt und von einer anerkannten Institution angenommen wurde. Es legt für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung Regeln, Leitlinien oder Merkmale für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse fest. Ziel ist, für einen gegebenen Zusammenhang einen optimalen Ordnungsgrad herzustellen.1

1 DIN EN 45020: Normung und damit zusammenhängende Tätigkeiten – Allgemeine Begriffe.

Folgenabschätzung (impact assessment)Analyse, in der alle positiven und negativen Auswir-kungen und Kosten eines Gesetzes- oder Regulie-rungsentwurfs untersucht und die voraussichtlichen Folgen für die Bereiche Wirtschaft, Umwelt und Sozia-les abgewogen werden. Eine Folgenabschätzung wird für alle gesetzgeberischen Initiativen durchgeführt, bei denen mit wesentlichen wirtschaftlichen, sozia-len oder ökologischen Auswirkungen zu rechnen ist. Für welche Initiativen tatsächlich eine Folgenabschät-zung durchgeführt wird, entscheidet zum Beispiel in der EU jährlich das Impact Assessment Board der EU-Kommission.

KonformitätsbewertungBewertung, ob ein Produkt, eine Dienstleistung, ein Prozess, ein System, eine Person oder eine Stelle Anforderungen erfüllt, die gesetzlich, vertraglich oder anderweitig festgelegt sind. Die Erklärung der Konformität erfolgt in der EU in vielen Fällen durch den Hersteller. Bei bestimmten Produkten muss eine Drittprüfung durch eine Benannte Stelle/ Konformi-tätsbewertungsstelle durchgeführt werden. Dies kön-nen staatliche Behörden sein (z.B. Eichbehörden), aber auch private Institutionen, die als Konformitäts-bewertungsstellen akkreditiert sind (z.B. TÜV oder DEKRA). Konformitätsbewertungsstellen müssen von Akkreditierungsstellen akkreditiert werden. Laut Norm DIN EN ISO/IEC 17011 ist eine Akkreditie-rung eine „Bestätigung durch eine dritte Seite, die for-mal darlegt, dass eine Konformitätsbewertungsstelle die Kompetenz besitzt, bestimmte Konformitätsbe-wertungsaufgaben durchzuführen.“

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2.1 Gesetzgebungsprozesse

Auf beiden Seiten des Atlantiks können Regulierungen nur auf der Grundlage von Gesetzen erlassen werden.2

Europäische UnionIn der europäischen Gesetzgebung gibt es verschiedene Rechtsakte, die sich in erster Linie nach ihren Rechtswirkun-gen und nach ihren Adressaten unterscheiden. Eine Verord-nung ist ein verbindlicher Rechtsakt der EU. Sie ist in allen Mitgliedstaaten in vollem Umfang direkt gültig und muss nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Eine Richtlinie

2 Richard Parker und Alberto Alemanno, Towards Effective Regulatory Cooperation under TTIP: A Comparative Overview of the EU and US Legislative and Regulatory Systems, Center for European Policy Studies Special Report, Mai 2014; Kommerskollegium National Board of Trade, Regulatory Cooperation and Technical Barriers to Trade within Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), 2014.

ist ein Rechtsakt, in dem ein Ziel festgelegt wird, das alle EU-Länder verwirklichen müssen. Die genaue Ausgestaltung und die Wahl der Mittel (z.B. Gesetz oder nationale Verord-nung) zur Erreichung des Zieles sind den Mitgliedstaaten jedoch freigestellt. Ein Beschluss ist für dessen Adressaten-kreis verbindlich und unmittelbar anwendbar. Beschlüsse können sich beispielsweise an einzelne EU-Staaten oder auch an einzelne Unternehmen richten. Außerdem kann die Europäische Kommission unverbindliche Empfehlungen und Stellungnahmen aussprechen. Durch sie ergeben sich für den Adressaten allerdings keine Rechte und Pflichten.

Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse werden von der Europäischen Kommission initiiert, da bei ihr das allei-nige Initiativrecht liegt. Empfehlungen und Stellungnah-men können aufgrund ihres unverbindlichen Charakters von allen EU-Institutionen abgegeben werden. Am Anfang eines jeden bindenden Legislativvorschlags steht folglich die

Delegierter RechtsaktEin delegierter Rechtsakt beruht darauf, dass der EU-Gesetzgeber der EU-Kommission die Befugnis überträgt, Rechtsakte ohne Gesetzescharakter und mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Ände-rung „nicht wesentlicher Vorschriften“ eines Gesetz-gebungsakts (z.B. Richtlinie oder Verordnung) zu erlassen. Delegierte Rechtsakte bilden die Grundlage für viele regulatorische Maßnahmen, weil durch sie technische Einzelheiten festgelegt werden können. Der delegierte Rechtsakt kann erst in Kraft treten, wenn das Europäische Parlament oder der Rat inner-halb der im Gesetzgebungsakt festgelegten Frist keine Einwände erhoben haben (vgl. Art. 290 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV).

DurchführungsrechtsaktIn der EU sind die Mitgliedstaaten für die Umset-zung verbindlicher Rechtsakte verantwortlich. Sofern es einer einheitlichen Anwendung von Gemein-schaftsrecht in den Mitgliedstaaten bedarf, kann der Kommission die Befugnis zur Durchführung dieser Rechtsakte übertragen werden (vgl. Art. 291 AEUV). Die Mitgliedstaaten kontrollieren die Kommission bei der Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse. Dies geschieht in Ausschüssen mit Vertretern aus den Mitgliedstaaten. Dabei diskutieren diese unter Vor-sitz der Kommission. Sie stellen vor der Annahme

von Durchführungsmaßnahmen den Dialog zwischen Kommission und Mitgliedstaaten sicher.

New Legislative Framework „Neuer Rechtsrahmen“ der EU aus dem Jahr 2008 über einheitliche Grundlagen für die Produktvermark-tung und die Produktüberwachung in der EU (Verord-nung (EG) Nr. 765/2008, Beschluss 768/2008/EG, Verordnung (EG) Nr. 764/2008). Das New Legisla-tive Framework bildet einen allgemeinen umspan-nenden Rahmen für Rechtsvorschriften zur Harmo-nisierung des Binnenmarktes und enthält zudem verschiedene klare Definitionen für bestimmte grund-legende Begriffe, darunter gemeinsame Grundsätze und Musterbestimmungen für die Anwendung in allen sektoralen Rechtsakten (z.B. der Maschinenrichtli-nie, Medizinprodukterichtlinie). Weiterhin werden in dem Beschluss allgemeine Verpflichtungen für die Wirtschaftsakteure wie Hersteller, Importeure und Händler beschrieben sowie die Vorschriften für die CE-Kennzeichnung festgelegt. Mit der CE-Kenn-zeichnung (conformité européenne) bescheinigt der Hersteller, dass sein Produkt mit allen europäischen Rechtsvorschriften übereinstimmt, die für dieses Pro-dukt gelten und die eine CE-Kennzeichnung hier-für vorschreiben. Sie ist die verpflichtende Voraus-setzung, um ein Produkt auf den Markt bringen zu können.

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Kommission. Da ihre Arbeitsweise auf dem Kollegialitäts-prinzip beruht, ist jedes Mitglied der Kommission gleich-berechtigt an der Beschlussfassung beteiligt. Bei der Ent-wicklung eines Regulierungsvorhabens gehört dabei die ressortübergreifende Koordinierung aller Vorhaben zu den Grundprinzipien.

Bei der Ausarbeitung eines Legislativvorschlags übernimmt zunächst eine Generaldirektion unter der Verantwortung des jeweiligen Kommissars die Federführung. Je nach Themen-bereich können bereits an diesem Punkt weitere General-direktionen an der Formulierung eines Vorhabens beteiligt werden. In dieser Phase der Entwicklung erfolgen zahlrei-che öffentliche Konsultationen mit Stakeholdern sowie die Erarbeitung einer Folgenabschätzung (impact assessment) der potenziellen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen der Initiative. Diese Folgeabschätzung wird daraufhin dem Impact Assessment Board vorgelegt, ein direkt dem Kommissionspräsidenten unterstelltes Gremium. Nur wenn dieses eine positive Stellungnahme abgibt, kann das Vorhaben der gesamten Kommission zur Annahme vor-gelegt zu werden. Im weiteren Erstellungsverlauf des Ent-wurfs holt die federführende Generaldirektion im Rahmen dienststellenübergreifender Konsultationen (interservice consultations) die Meinungen aller Generaldirektionen ein, die ein berechtigtes Interesse am Themenbereich haben könnten. Die Konsultation mit dem juristischen Dienst der Kommission ist dabei obligatorisch.

Am Ende dieser Konsultationsperiode muss die federfüh-rende Generaldirektion den Initiativtext überarbeiten, wobei sie mögliche Änderungsvorschläge berücksichtigen muss. Sollte dies nicht möglich sein oder ein Vorschlag abgelehnt werden, muss eine schriftliche Begründung an jene Stelle abgegeben werden, die den Vorschlag gemacht hatte. Sollte der Text wesentlich vom Ursprungstext abweichen, muss eine neue Konsultation erfolgen. Liegt schließlich eine endgültige Fassung des Legislativvorschlags vor, gelten unterschiedliche Annahmeprozedere je nachdem, wie weitreichend die Ini-tiative und wie umstritten sie ist. Vorhaben mit wesentlichen Auswirkungen werden den Kommissaren zur mündlichen Diskussion und Abstimmung vorgelegt, während unstrittige Initiativen auch schriftlich, ohne Diskussion, verabschiedet werden können. Die jeweilige Entscheidung über das Ver-fahren trifft der federführende Kommissar.3

3 Europäische Kommission, How the Commission Decides, <http://www.gie.eu/training/download/03%20Commission%20View_AC.pdf> (eingesehen am 09.02.2015).

Nach der Fertigstellung eines Richtlinienentwurfs wird die-ser an das Europäische Parlament und den Rat der Euro-päischen Union übermittelt. Während der Beratungsphase in Rat und Parlament versuchen alle Akteure, sich auf eine Beschlussfassung zu einigen, die sowohl den Interessen der Mitgliedstaaten als auch den Interessen des Parlaments gerecht wird. Hierfür sind formal eine Erste und Zweite Lesung sowie gegebenenfalls ein Vermittlungsausschuss vor-gesehen. Für die Zweite Lesung und das Vermittlungsver-fahren gelten strenge Fristen und Abläufe. In der Praxis hat sich in vielen Fällen eine sogenannte Erste-Lesungs-Eini-gung eingebürgert, also eine Kompromissfindung zwischen Kommission, Parlament und Rat im sogenannten informel-len Trilog, um das Rechtsetzungsverfahren abzukürzen. In der Beratungsphase gibt es keine gesetzlich vorgeschriebe-nen öffentlichen Konsultationen, jedoch sind die beratenden Ausschusssitzungen des Parlaments überwiegend öffentlich. Berichterstatter und Ausschüsse organisieren häufig Work-shops und Anhörungen. Ebenso führen die Mitgliedstaaten in dieser Phase oftmals informelle Beratungen mit nationa-len Interessengruppen durch.

USAIn den USA liegt das Initiativrecht für die Gesetzgebung auf Bundesebene beim Kongress selbst. Gesetzesentwürfe (bills) können von einzelnen Abgeordneten oder Senato-ren eingebracht werden, ohne dass eine vorherige Abstim-mung mit der US-Regierung, Konsultationsverfahren oder Folgenabschätzungen stattfinden. Die Entwicklungsphase von Gesetzen ist daher in den USA im Vergleich zur EU weniger transparent. Nur ein sehr geringer Teil der Gesetze-sentwürfe wird über die zuständigen Ausschüsse überhaupt in einer der beiden Kammern zur Abstimmung gebracht. Die Ausschussberatungen und Plenardebatten sind öffentlich und werden in der Regel im Fernsehen und Internet über-tragen. Allerdings können dort nur geladene Experten Ein-schätzungen und Kommentierungen abgeben. Konsultati-onsverfahren finden im Gesetzgebungsprozess nicht statt. Abgeordnete können das Weiße Haus oder den Congressio-nal Research Service um eine Folgenabschätzung des Geset-zesentwurfes bitten.

Wenn ein Gesetzesentwurf durch den zuständigen Aus-schuss freigegeben ist, folgt eine Debatte im Plenum der jeweiligen Kammer. Im Repräsentantenhaus sind die Rede-zeiten für die Abgeordneten begrenzt. Dies ist im Senat nicht der Fall. So haben die Senatoren die Möglichkeit, Gesetze durch Dauerreden aufzuhalten (filibuster). Mit einer Mehr-heit von mindestens 60 Stimmen können die Senatoren Dauerreden jedoch beenden und die Abstimmung herbei-führen. In der Abstimmung über den Gesetzesentwurf haben

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die Senatoren beziehungsweise die Abgeordneten folgende Möglichkeiten: Sie können für die Gesetzesvorlage stimmen, dagegen stimmen, sie ruhen lassen oder den Gesetzesent-wurf zurück in den Ausschuss schicken. Wenn eine Kammer einem Gesetzesentwurf zugestimmt hat, wird er zur Bear-beitung in die zweite Kammer geschickt. Die zweite Kam-mer hat die Möglichkeit, den Gesetzesentwurf zu ändern. Lehnt die erste Kammer diese Änderungen wiederum ab, so wird ein Vermittlungsausschuss eingesetzt, welcher aus Mitgliedern beider Kammern besteht. Hat sich der Vermitt-lungsausschuss auf einen Kompromiss geeinigt, dann müssen noch einmal beide Kammern über die neue Fassung abstim-men. Falls die Abstimmung negativ ausfällt, kann ein neuer Vermittlungsausschuss einberufen werden. Bei keiner Eini-gung verfällt der Gesetzesentwurf.

Ein von beiden Kammern verabschiedeter Entwurf wird dem Präsidenten vorgelegt. Dieser kann das Gesetz entwe-der unterzeichnen oder sein Veto einlegen. Ein vom Präsi-denten abgelehntes Gesetz kann trotzdem in Kraft treten, wenn es von einer Zweidrittelmehrheit beider Kammern unterstützt wird.

2.2 Regulierung

Europäische UnionIn der EU muss zwischen delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten unterschieden werden (vgl. Art. 290 f., Vertrag über die Arbeitsweise der Europäi-schen Union, AEUV).4 Bei delegierten Rechtsakten (Art. 290 AEUV) überträgt der Gesetzgeber der Kommission die Befugnis, Rechtsakte zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften eines Gesetzes zu erlassen. Die Kommission kann damit im Rahmen der Umsetzung und Durchführung von Gesetzen Regulierun-gen von allgemeiner Geltung erlassen.

Durchführungsrechtsakte (Art. 291 AEUV) ermächtigen die Kommission, Durchführungsbefugnisse zu erlassen, die eine einheitliche Anwendung von EU-Rechtsakten in den Mit-gliedstaaten sicherstellen. Dies können Gesetzgebungsakte, Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse sein.5

4 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, <https://dejure.org/gesetze/AEUV/288.html> (eingesehen am 27.6.2014).

5 Carl Otto Lenz und Klaus-Dieter Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, Kommentar, 6. Auflage 2012, S. 2837.

Beispiel delegierter RechtsaktIn der EU-Richtlinie 2010/30/EU zur Kennzeich-nung des Energieverbrauchs an energieverbrauchs-relevanten Produkten heißt es in Artikel 10: „Die Kommission legt Einzelheiten in Bezug auf das Eti-kett und das Datenblatt in delegierten Rechtsakten (…) fest. Bestimmungen in delegierten Rechtsak-ten (…) haben es dem Endverbraucher zu ermög-lichen, Kaufentscheidungen besser informiert zu treffen, und haben den Marktaufsichtsbehörden die Prüfung zu ermöglichen, ob Produkte den Angaben entsprechen.“ Damit ermächtigen das Europäische Parlament und der Rat die Kommission, Einzelhei-ten der Richtlinie in einem delegierten Rechtsakt festzulegen und definieren zugleich das Ziel der Kommissionsentscheidungen.

(Richtlinie 2010/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010, <http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32010L0030&from=EN> (eingesehen am 2.7.2014).

Beispiel DurchführungsverordnungDie EU-Verordnung (EU) Nr. 528/2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten legt fest, dass zum Schutz von Gesundheit und Umwelt innerhalb der EU nur Biozid-produkte verwendet werden dürfen, deren Wirkstoffe offiziell EU-weit zugelassen wurden. Artikel 89(1) Abs. 3 der Verordnung bestimmt, dass die Kommission per Durchführungsverordnung entscheiden kann, ob und unter welchen Bedingungen ein bereits bekann-ter Wirkstoff verwendet werden darf. Auf Grundlage dessen sind derzeit 121 Stoffe durch unterschiedliche Durchführungsverordnungen von der EU-Kommis-sion genehmigt, beispielweise die Wirkstoffe Tebuco-nazol, Benzoesäure, Bromessigsäure und Nonansäure.

(Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012, <http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:02012R0528-20140425&qid=1408617371282&from=DE> (eingesehen am 21.8.2014), Durchführungsverordnungen (EU) Nr. 1032/2013, Nr. 1035/2013, Nr. 1038/2013 und Nr. 1039/2013).

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Parlament und Rat können Vorschläge für delegierte Rechtsakte innerhalb einer bestimmten Frist ablehnen. Im Parlament bedarf es hierzu einer absoluten Mehrheit, im Rat einer qualifizierten Mehrheit (vgl. Art. 290 AEUV). Bei Durchführungsrechtsakten werden die Mitgliedstaaten dahingehend einbezogen, dass sie in Ausschüssen unter Vorsitz der EU-Kommission Stellungnahmen zum Kom-missionsentwurf abgeben. So soll die Kommission bei der Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse kontrolliert werden. Der Ausschuss kann den Entwurf des Durchfüh-rungsrechtsakts ablehnen. Dies ist aber nur in bestimmten Fällen bindend für die Kommission. Parlament und Rat kön-nen während des Verfahrens jederzeit darauf hinweisen, dass die Kommission die ihr im ursprünglichen Rechtsakt übertra-genen Befugnisse überschreitet. Die Kommission prüft dies und entscheidet, ob sie den Entwurf beibehalten, ändern oder zurückziehen will.

Die Kommission muss für gesetzgeberische Initiativen, durch welche „mit erheblichen wirtschaftlichen, sozialen oder öko-logischen Auswirkungen zu rechnen ist“, Folgenabschätzun-gen durchführen.6 Für welche Initiativen tatsächlich eine Folgenabschätzung durchgeführt wird, entscheidet jährlich das Impact Assessment Board.7 Ob im Falle eines delegier-ten Rechtsakts oder Durchführungsakts eine Folgenabschät-zung vorgenommen wird, hängt somit vom Einzelfall ab.

USAGrundlage für die Erarbeitung, Verabschiedung und Umset-zung von Regulierungen ist in den USA der Administra-tive Procedure Act von 1946.8 Demnach liegt in den USA die Regulierungshoheit bei den föderalen und bundesstaat-lichen Regulierungsbehörden. Der Kongress schafft durch die Gesetzgebung den rechtlichen Rahmen für Regulierun-gen, kann diese aber selbst nicht verändern oder blockieren. Ihm steht es lediglich offen, durch ein neues Gesetz einen neuen Rechtsrahmen zu schaffen. Um Veränderungen bei Regulierungen zu erwirken, rufen Vertreter aus Unterneh-men und der Zivilgesellschaft sowie einzelne Bürger daher regelmäßig Gerichte an, um die Rechtmäßigkeit von Regu-lierungen zu überprüfen.

In der Phase, in der Regulierungen entwickelt werden, können die Regulierungsbehörden Anhörungen und

6 Europäische Kommission, Impact Assessment, <http://ec.europa.eu/smart-regulation/impact/index_de.htm> (eingesehen am 27.6.2014).

7 Europäische Kommission, Impact Assessment Guidelines, 15.1.2009, S. 6, <http://ec.europa.eu/smart-regulation/impact/commission_guidelines/docs/iag_2009_en.pdf>.

8 Department of Justice, Administrative Procedure Act, <http://www.justice.gov/jmd/ls/legislative_histories/pl79-404/proceedings-05-1946.pdf> (eingesehen am 27.6.2014).

Konsultationen durchführen oder ein Beratungsgremium einsetzen, müssen dies aber nicht tun.

1993 wurde der Administrative Procedure Act durch Exe-cutive Order 12866 ergänzt: Demnach muss ein Regulie-rungsentwurf vor Veröffentlichung dem im Weißen Haus angesiedelten Office of Information and Regulatory Affairs (OIRA) zugestellt werden. OIRA prüft dann, ob die Regulie-rung dem Allgemeinwohl dient und wägt dabei den ökono-mischen Nutzen sowie Auswirkungen für Umwelt, Gesund-heit und Sicherheit gegeneinander ab.9 Darüber hinaus muss OIRA die Koordinierung mit anderen betroffenen Bundes-behörden sicherstellen. Aufgrund dieser Bewertung kann OIRA Änderungen vorschlagen.

Nach der Veröffentlichung eines Regulierungsentwurfs wer-den im Rahmen des stark formalisierten Prozesses „Veröf-fentlichung und Kommentierung“ (notice-and-comment pro-cess) Anhörungen und Konsultationen durchgeführt, bei denen Vertreter aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft Gele-genheit zur Kommentierung haben. Der notice-and-com-ment-Prozess ist in §553 des Administrative Procedure Act festgelegt10 und wird in Executive Order 12866 aufgegriffen: „Behörden sollen der Öffentlichkeit die Möglichkeit einräu-men, jede vorgeschlagene Regulierung zu kommentieren, was in den meisten Fällen einen Kommentierungszeitraum von nicht weniger als 60 Tagen einschließt“.11 Nach Ablauf der Kommentierungsfrist müssen die Regulierungsbehörden darlegen, welche Empfehlungen sie umgesetzt haben und begründen, warum sie andere Empfehlungen nicht berück-sichtigen. Nach Abschluss der notice-and-comment-Periode sind keine Kommentierungen mehr möglich.

In den USA gibt es zudem eine Folgenabschätzung bei allen wesentlichen Regulierungen. Dabei müssen die Notwendig-keit der Regulierung und das mit ihr verbundene Allgemein-wohlziel dargelegt sowie eine Kosten-Nutzen-Analyse der Regulierung und ihrer Alternativen auf der Basis wissen-schaftlicher Daten durchgeführt werden.12

Im Mai 2012 erließ Präsident Barack Obama die Execu-tive Order 13609 (Promoting International Regulatory

9 The White House, Executive Order #12866, Regulatory Planning and Review, <http://govinfo.library.unt.edu/npr/library/direct/orders/2646.html> (eingesehen am 27.6.2014).

10 Congressional Research Service, A Brief Overview of Rulemaking and Judicial Review, 2011, S. 1, <http://www.wise-intern.org/orientation/documents/CRSrulemakingCB.pdf> (eingesehen am 22.7.2014).

11 Übersetzung durch die Autoren.12 The White House, Regulatory Impact Analysis: A Primer, <http://www.

whitehouse.gov/sites/default/files/omb/inforeg/regpol/circular-a-4_regulatory-impact-analysis-a-primer.pdf> (eingesehen am 2.7.2014).

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12 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Cooperation), die alle US-amerikanischen Regulierungsbe-hörden auf Bundesebene dazu auffordert, unnötige Diver-genzen mit Regulierungen anderer Staaten möglichst zu ver-meiden. Dies kann durch bilaterale, regionale oder auch multilaterale Konsultationen und gegenseitigen Informati-onsaustausch geschehen. Die Executive Order sieht dazu auch die Arbeit von Regulierungsräten (Regulatory Coope-ration Councils) vor. Sofern eine US-Regulierung interna-tionale Auswirkungen – etwa mit Blick auf die Handels-beziehungen – haben könnte, sollen die Behörden die Regulierungsansätze jener Staaten berücksichtigen, mit denen die USA einen sogenannten Arbeitsplan über Regu-lierungskooperation, Regulatory Cooperation Council Work Plan, vereinbart haben.13

2.3 Konsultationen und Transparenz bei Gesetzgebung und Regulierungen in EU und USA

Sowohl die EU als auch die USA haben sich im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) verpflichtet, ihre Han-delspartner über technische Regulierungsvorhaben zu infor-mieren, sofern sie Auswirkungen auf den Handel haben könnten. Grundlage hierfür ist das WTO-Abkommen über technische Handelsbarrieren (WTO Agreement on Techni-cal Barriers to Trade, TBT-Abkommen). Diese Informatio-nen müssen im Entwurfsstadium erfolgen, wenn Kommen-tierungen und Änderungen noch möglich sind. Auch das WTO-Abkommen zu gesundheitspolizeilichen und pflan-zenschutzrechtlichen Fragen (WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures, SPS-Abkommen) sieht vor, dass Regierungen ihre Handelspartner über Veränderun-gen in ihren SPS-Anforderungen informieren und für wei-tere Informationen zur Verfügung stehen müssen, sofern die Handelsbeziehungen betroffen sind.14 Dies gilt beispiels-weise für die Lebensmittelsicherheit und den Tierschutz.

Während des Gesetzgebungsprozesses kommt die EU-Kommission ihren Informationspflichten gegenüber den Handelspartnern der EU nach, wenn das Kollegium der EU-Kommissare einen Gesetzesentwurf gebilligt hat oder wenn ein Rechtsakt verabschiedet worden ist. Der Kon-gress hingegen informiert Handelspartner nicht über Geset-zesentwürfe, möglicherweise, weil nur ein sehr geringer Teil von ihnen überhaupt zur Abstimmung gebracht wird.

13 The White House, Executive Order # 13906, Promoting International Regulatory Cooperation, <http://www.whitehouse.gov/the-press-office/2012/05/01/executive-order-promoting-international-regulatory-cooperation> (eingesehen am 10.7.2014).

14 World Trade Organization, Understanding the WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures, <http://www.wto.org/english/tratop_e/sps_e/spsund_e.htm> (eingesehen am 25.6.2014).

Bei der Entwicklung von Regulierungsvorhaben gibt es in der EU weitgehend informelle Konsultationsprozesse und Expertenanhörungen. US-Stakeholder können in der Regel erst Kommentierungen zu Regulierungsvorhaben abgeben, wenn die Kommission einen Entwurf gebilligt hat. US-Re-gulierungsbehörden informieren ihre Handelspartner hin-gegen zeitgleich mit der inländischen Öffentlichkeit im Rah-men der notice-and-comment-Periode.

Die EU und die USA kommen ihrer Informationspflicht somit in unterschiedlichen Phasen und in unterschiedlicher Form im Regulierungsprozess nach. Da der Kongress ver-gleichsweise wenige Konsultationsmöglichkeiten zulässt, haben die EU und ihre Mitgliedstaaten nur informell die Chance, Gesetzesentwürfe in den USA zu kommentieren. Bei Regulierungsvorhaben ermöglicht der notice-and-com-ment-Prozess in den USA hingegen deutlich mehr Transpa-renz und Partizipation, als dies in der EU der Fall ist. TTIP könnte dazu führen, den Regulierungsprozess in der EU transparenter zu gestalten und so eine bessere Rechtsset-zung zu ermöglichen. Davon könnte auch die Öffentlich-keit in der EU profitieren.

Im Mai 2015 legte die EU-Kommission mit dem Papier Bet-ter Regulation for Better Results – An EU Agenda15 einen Vorschlag vor, der bereits in diese Richtung geht: Nach Vor-stellung der Kommission sollen Vertreter aller gesellschaft-licher Gruppen künftig umfassendere Konsultations- und Kommentierungsmöglichkeiten bei EU-Gesetzgebung und -Regulierung erhalten. So soll bei der Erarbeitung von Gesetz-gebungsentwürfen eine zwölfwöchige öffentliche Konsulta-tion durchgeführt werden. Nach Annahme eines Entwurfs durch die Kommission soll die Öffentlichkeit weitere acht Wochen Zeit zur Kommentierung erhalten. Darüber hinaus fordert die Kommission das Europäische Parlament und den Rat unter anderem dazu auf, Folgenabschätzungen durchzu-führen, wenn sich die von ihnen im Laufe eines Gesetzge-bungsverfahren eingebrachten Änderungen signifikant vom ursprünglichen Entwurf der Kommission unterscheiden.

15 Europäische Kommission, Better Regulation for Better Results – An EU Agenda, <http://ec.europa.eu/smart-regulation/better_regulation/documents/com_2015_215_en.pdf> (eingesehen am 22.5.2015).

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13Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Agreement on Technical Barriers to Trade (TBT-Abkommen)Das im Rahmen der Uruguay-Runde des GATT aus-gehandelte und am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT-Abkommen) der WTO schafft einen Regelungs-rahmen für die Einführung technischer Vorschrif-ten, Normen und Konformitätsbewertungsverfah-ren durch staatliche und nichtstaatliche Stellen auf nationaler Ebene. Unter diesem Abkommen behalten die WTO-Mitglieder die Souveränität, Maßnahmen zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit oder der Umwelt zu ergreifen. Dabei dürfen sie jedoch nicht zwischen den WTO-Mitgliedern diskriminieren. Tech-nische Vorschriften und Konformitätsbewertungsver-fahren sollen nicht handelsbeschränkender als not-wendig sein. Die Prozesse sollen transparent gestaltet werden. Schließlich sind die Mitglieder angehalten, einschlägige internationale Normen als Grundlage für ihre technischen Vorschriften zu verwenden. Dies soll den Handel zwischen den WTO-Mitglie-dern erleichtern.

Agreement of the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures (SPS-Abkommen)Das „Abkommen über gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen“ (SPS-Abkom-men) trat ebenfalls mit der Gründung der WTO am 1. Januar 1995 in Kraft. Das SPS-Abkommen schafft einen Regelungsrahmen für nationale Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit sowie zu Tier- und Pflanzen-gesundheit. Es verpflichtet die Mitglieder der WTO, internationale Standards wie etwa den Codex Ali-mentarius anzuwenden.

Der Codex Alimentarius ist ein Normenkatalog zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher. Er wurde

1962 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisa-tion (FAO) der Vereinten Nationen geschaffen. Die Standards werden von der Codex-Alimentarius-Kom-mission (CAC) gesetzt. Die CAC hat heute 186 Mit-glieder, darunter auch die EU und die USA.

Jedes WTO-Mitglied behält unter dem SPS-Abkom-men die Souveränität, Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen zu ergreifen. Das Abkommen legt jedoch auch fest, dass die Maßnahmen wissenschaftlich begründet sein müssen und auf einer umfassenden und angemessenen Risikobewertung beruhen. Sie dürfen darüber hinaus nicht ungerechtfertigt zwi-schen verschiedenen WTO-Mitgliedern diskriminie-ren. Kann ein bestehendes Risiko nicht abschließend bewertet werden, erlaubt das Abkommen, vorläufige Maßnahmen unter dem Vorsorgegesichtspunkt zu ergreifen. Zudem sind WTO-Mitglieder zur Trans-parenz verpflichtet. SPS-Maßnahmen müssen vor ihrer Implementierung gemeldet werden, damit sich WTO-Mitglieder auf sie einstellen können.

Quellen:Codex Alimentarius, <http://www.codexalimentarius.org> (eingesehen am 4.3.2015).

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Hintergründe zum SPS-Abkommen der World Trade Organization (WTO), <http://www.bmel.de/DE/Ernaehrung/SichereLebensmittel/Codex-Alimentarius/_Texte/SPS-Abkommen-Hintergruende.html> (eingesehen am 6.2.2015).

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Welthandelsorganisation, <http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Handelspolitik/wto,did=615546.html> (eingesehen am 6.2.2015).

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14 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

2.4 Entwicklung technischer Normen

Durch Normung wird laut dem Deutschen Institut für Nor-mung e.V. (DIN) die „gemeinschaftlich durchgeführte Verein-heitlichung von materiellen und immateriellen Gegenstän-den zum Nutzen der Allgemeinheit erreicht“.16 Normung erstreckt sich auf Produkte, Verfahren, Prozesse und Dienst-leistungen. Die Normung soll den aktuellen Stand der Tech-nik widerspiegeln und einheitliche Regeln für die Wirtschaft bieten, die sie in Selbstverwaltung erstellt. Dies gilt insbeson-dere für Bereiche, in denen die Kompatibilität und Intero-perabilität mit anderen Produkten oder Systemen unerläss-lich sind. Zugleich berücksichtigt die Normung die Belange des Schutzes von Verbrauchern, Arbeitnehmern und der Umwelt.

Normen sind in der Regel freiwillig und nicht verpflichtend. In seltenen Fällen sind Normen durch die Bezugnahme des Gesetzgebers rechtlich verbindlich anzuwenden. In einigen Rechtsbereichen der Europäischen Union, die auf das New Legislative Framework zurückgreifen, spielen sogenannte harmonisierte Normen eine wichtige Rolle. Dabei handelt es sich um Normen, die aufgrund eines Mandats (Normungs-auftrag der Europäischen Kommission beziehungsweise der European Free Trade Association, EFTA) an eine der euro-päischen Normungsorganisationen (European Committee for Standardization, CEN, European Committee for Electro-technical Standardization, CENELEC, und European Tele-communications Standards Institute, ETSI) erstellt wurden und deren Fundstelle von der Europäischen Kommission im EU-Amtsblatt bekannt gegeben wurde.

Normungsmandate werden mit Bezug auf grundlegende Anforderungen eines bestimmten EU-Harmonisierungs-rechtsakts (Richtlinie, Verordnung) erteilt. Die harmonisierte Norm konkretisiert die gesetzlichen grundlegenden Anfor-derungen mit technischen Lösungen. Wendet ein Hersteller die harmonisierte Norm an, müssen Behörden vermuten, dass auch die durch sie abgedeckten gesetzlichen Anforde-rungen eingehalten sind („Vermutungswirkung“, Beweislast-umkehr zugunsten des Herstellers).

16 Deutsches Institut für Normung (DIN), Fragen und Antworten, <http://www.din.de/cmd?cmsrubid=47513&menurubricid=47513&level=tpl-rubrik&menuid=47391&languageid=de&cmsareaid=47391#Was ist Norm> (eingesehen am 26.6.2014)

Internationale NormensetzungAuf internationaler Ebene ist es Aufgabe der International Organization for Standardization (ISO), der International Electrotechnical Commission (IEC) oder auch der United Nations Economic Commission on Europe (UN ECE)17, Normen zu entwickeln.

ISO und IEC sind Nichtregierungsorganisationen, in denen nationale Normungsinstitutionen Mitglied sind (für Deutsch-land: DIN). Im DIN beteiligen sich etwa 33.000 Experten von Unternehmen, Verbänden, Behörden und Institutionen aus Wissenschaft, Handwerk und Handel an der Erarbei-tung nationaler, europäischer und internationaler Normen.18 Gemäß dem nationalen Delegationsprinzip vertreten nati-onale Experten und Delegierte die vorher in Spiegelaus-schüssen abgestimmte nationale Meinung in den techni-schen Ausschüssen von ISO und IEC. Normen werden mit einer Mehrheit von 75 Prozent der Mitglieder verab-schiedet, wobei jede nationale Mitgliedsorganisation über eine Stimme verfügt. In Deutschland entscheiden die ent-sprechenden Fachgremien, ob eine internationale Norm in das deutsche Normenwerk übernommen und im Gegenzug die deutsche Norm zurückgezogen wird. ISO- und IEC-Nor-men sind streng genommen Mustertexte zur Übernahme als nationale Norm, können aber auch direkt angewendet oder sogar von Gesetzen in Bezug genommen werden.

Normensetzung in der Europäischen UnionIn der Europäischen Union sind harmonisierte Normen ein zentrales Element des Binnenmarktes. Gemäß EU-Ver-ordnung 1025/2012 kann eine Europäische Norm (EN) nur von den drei von der EU anerkannten, privatrechtlich organisierten Normungsinstitutionen beschlossen werden: dem European Committee for Standardization (CEN), dem European Committee for Electrotechnical Standardization (CENELEC) und dem European Telecommunications Stan-dards Institute (ETSI). Mitglieder bei CEN und CENELEC sind die nationalen Normungsorganisationen (für Deutsch-land: DIN), bei ETSI gibt es kein nationales Delegations-prinzip. Unternehmen können dort direkt Mitglied sein. Die Mitgliedschaft ist zudem für Universitäten, Forschungsein-richtungen, Verbände, Behörden und Beratungsunterneh-men offen. Wenn eine dieser drei Institutionen eine Norm beschlossen hat, sind die nationalen Normungsinstitutio-nen der EU-Mitglieds,länder, der Staaten der European Free Trade Association (EFTA: Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz) sowie der Türkei und Mazedonien verpflichtet,

17 Siehe Kapitel zu Automobilhandel in dieser Studie. 18 Deutsches Institut für Normung (DIN), Fragen und Antworten (eingesehen

am 26.6.2014).

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diese europäische Norm in das eigene Normenwerk unter Zurückziehung möglicherweise entgegenstehender nationa-ler Normen zu übernehmen. CEN und CENELEC haben zudem zur Vermeidung von Doppelarbeit Abkommen zur technischen Zusammenarbeit mit der ISO beziehungsweise IEC abgeschlossen (Wiener bzw. Dresdener Abkommen). Demnach wird eine ISO- oder IEC-Norm als EN übernom-men, wenn sie die Erfordernisse des europäischen Marktes ausreichend erfüllt.19 Zudem besagen die Wiener und Dres-dener Abkommen, dass neue Normen möglichst nur auf einer der beiden Ebenen (vorzugsweise der internationalen) erarbeitet werden sollen. Über das Ergebnis wird dann aber parallel in den internationalen und europäischen Gremien abgestimmt, sodass es zu einer schnellen Harmonisierung auf allen Ebenen kommt. Derzeit sind 31 Prozent der CEN-Nor-men identisch mit ISO-Normen20, bei CENELEC-Normen sind 75 Prozent identisch mit oder basieren auf IEC-Nor-men.21 Die Übernahme internationaler Normen ist ein wich-tiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft.

Normensetzung in den USAIn den USA wird die Normensetzung dezentral und indus-triespezifisch durch eine Vielzahl von Institutionen vorge-nommen, darunter die sogenannten Standard Development Organizations (SDOs), Fach- und Berufsverbände und wis-senschaftliche Vereine. Insgesamt gibt es über 700 solcher Institutionen, die im US-Markt miteinander konkurrieren.22 Das American National Standards Institute (ANSI) ist die Akkreditierungsorganisation für SDOs. ANSI ist nationa-les Mitglied bei den internationalen Normungsorganisatio-nen ISO und IEC.23 ANSI soll die Transparenz von Nor-mungsaktivitäten verbessern, kann aber selbst keine Normen entwickeln. Durch dieses System gibt es in den USA kein prinzipiell widerspruchsfreies bundesweit harmonisiertes Normenwerk vergleichbar zu dem in der EU. Vielmehr entsteht in vielen Branchen ein hohes Maß an Fragmentie-rung, das für Unternehmen mit hohen Kosten verbunden

19 Cen/Cenelec, International Cooperation, <http://www.cencenelec.eu/intcoop/StandardizationOrg/Pages/default.aspx (eingesehen am 26.6.2014).

20 European Committee for Standardization (CEN), Annual Report 2013, <https://www.cen.eu/news/brochures/brochures/AR2013_CEN_EN_final.pdf> (eingesehen am 30.6.2015).

21 European Committee for Electrotechnical Standardization (CENELEC), Cooperation with IEC, <http://www.cenelec.eu/aboutcenelec/whoweare/globalpartners/iec.html> (eingesehen am 30.6.2015).

22 Tim Büthe und Jan Martin Witte, Product Standards in Transatlantic Trade and Investment, American Institute for Contemporary German Studies, AICGS Policy Report 13, 2004, S. 34 f.

23 American National Standards Institute (ANSI), Standards Activities Overview, <http://www.ansi.org/standards_activities/overview/overview.aspx?menuid=3> (eingesehen am 26.6.2014).

ist und den Markteintritt für EU-Unternehmen wegen der Komplexität schwierig macht.24

Die im Markt entwickelten Normen sind zunächst freiwil-lig, werden aber verpflichtend, wenn sie Gegenstand einer Regulierung werden (incorporation by reference) oder wenn ein verpflichtend einzuschaltender Zertifizierer seinerseits eine bestimmte Norm verlangt.

2.5 Konformitätsbewertungen

Durch Konformitätsbewertungen wird der Nachweis erbracht, ob ein Prozess oder Produkt bestimmte Anforde-rungen erfüllt, die sich durch Gesetze, Regulierungen oder Normen ergeben. Sie sind ein notwendiges Mittel der Qua-litätsprüfung und wichtig für das Vertrauen der Wirtschafts-teilnehmer. Die Sicherheit und die Qualität europäischer Produkte sind neben der Wirtschaftlichkeit ihrer Herstel-lung der Schlüssel für die Wettbewerbsfähigkeit europäi-scher Unternehmen.

Der Nachweis der Konformität kann in der EU auf unter-schiedliche Weise erbracht werden. Weit verbreitet ist die Herstellerselbsterklärung (supplier’s declaration). In einigen Fällen wird auch eine Drittprüfung vorgeschrieben. Grund-lage hierfür ist unter anderem die Verordnung 765/2008 und der Beschluss 768/2008. Der Hersteller kann zur Prüfung, ob die geltenden Anforderungen eingehalten werden, harmo-nisierte Normen heranziehen. Die Herstellererklärung wird durch die CE-Kennzeichnung (conformité européenne) des Produkts nach außen sichtbar und ist die verpflichtende Vor-aussetzung, um ein Produkt rechtskonform auf den Markt bringen zu können.25

In den USA müssen Hersteller zum Nachweis, dass ein Pro-dukt die Vorgaben einer Norm erfüllt, oftmals Prüfzeichen eines unabhängigen Testlabors (Nationally Recognized Tes-ting Laboratories, NRTLs) erwerben, die wiederum von der Occupational Health and Safety Organization (OSHA) aner-kannt werden müssen. Die OSHA ist eine US-Bundesbe-hörde, die dem US-Arbeitsministerium unterstellt ist. Ihre Aufgabe ist es, die Sicherheit und Gesundheit am Arbeits-platz zu garantieren. Die NRTLs prüfen und zertifizieren ausschließlich nach nationalen US-amerikanischen Normen, wie beispielsweise dem National Electrical Code (NEC). Es

24 Büthe und Witte (2004), S. 34, 41.25 Europäische Kommission, CE-Kennzeichnung, <http://ec.europa.

eu/enterprise/policies/single-market-goods/cemarking/index_de.htm (eingesehen am 22.5.2014).

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gibt derzeit 15 NRTLs.26 Eine Verpflichtung der NRTLs, ihre Prüfergebnisse gegenseitig anzuerkennen, gibt es bis dato nicht. Dies führt für die Hersteller von Komponenten für zertifizierungspflichtige Endprodukte zu überflüssigen Mehr-fachprüfungen oder zu dem Zwang, einen ganz bestimm-ten Zertifizierer wählen zu müssen. Dadurch hat sich im Bereich der Elektrotechnik bei den NRTLs ein Quasi-Mo-nopol eines einzelnen Testlabors, des Underwriters Labora-tories (UL), herausgebildet.

Unterschiedliche Verfahren zur Konformitätsbewertung füh-ren dazu, dass weder die Herstellerselbsterklärung europä-ischer Hersteller noch die für bestimmte Produktgruppen erforderlichen Konformitätsbewertungen durch Dritte (bei-spielsweise Zertifizierungsorganisationen) in den USA aner-kannt werden.Eine Folge des strengen US-amerikanischen Haftungsrechts ist, dass selbst ohne eine gesetzliche Ver-pflichtung viele Produkte de facto eine solche Zertifizierung benötigen, um vermarktet werden zu können. Die Zertifizie-rung durch ein NRTL ist daher für fast jeden europäischen Anbieter im US-Markt de facto verpflichtend. Er muss somit zwei Prüfungen vornehmen.

Auf internationaler Ebene kooperieren nationale Akkredi-tierungsorganisationen innerhalb des International Accre-ditation Forums (IAF) und der International Laboratory Accreditation Cooperation (ILAC). Das IAF ist das globale Netzwerk von Akkreditierungsstellen, die Zertifizierungs-stellen für Produkte, Managementsysteme und Personen akkreditieren. Im Gegensatz dazu umfasst ILAC weltweit Akkreditierungsstellen im Bereich Laboratorien und Inspek-tionsstellen. Durch ein System internationaler Vereinbarun-gen erhalten fachlich kompetente, akkreditierte Laborato-rien so eine Form der internationalen Anerkennung, durch die ihre Daten leichter auf ausländischen Märkten akzep-tiert werden können. Mit ILAC und IAF gibt es somit In -stitutionen, die ein einheitliches Akkreditierungsregime und damit eine Grundlage für die Anerkennung von Prüfergeb-nissen gewährleisten sollen. Gleichwohl ist die Akkreditie-rung noch nicht in allen Regulierungen verankert und nicht alle von einem ILAC-Mitglied akkreditieren Laboratorien sind im jeweils anderen Markt anerkannt.

2.6 Zwischenfazit: Herausforderungen für den transat-lantischen Handel

26 United States Department of Labor, Nationally Recognized Testing Laboratory Program, <https://www.osha.gov/dts/otpca/nrtl/> (eingesehen am 2.9.2014).

Normung soll einheitliche Regeln für die Wirtschaft schaf-fen, um die Kompatibilität und Interoperabilität mit ande-ren Produkten oder Systemen, etwa im transatlantischen Markt, zu ermöglichen. Wenn Normen voneinander abwei-chen, erschwert dies folglich den Austausch von Waren und Dienstleistungen.

Konkret ergeben sich folgenden Herausforderungen für den transatlantischen Handel:

Verschiedene NormungssystemeIn der EU gibt es drei zentrale Normungsinstitutionen (CEN, CENELEC und ETSI). Von ihnen veröffentlichte Europäi-sche Normen haben im gesamten Binnenmarkt Gültigkeit. In diesen Institutionen ist, mit Ausnahme des ETSI, pro Mitgliedsland eine nationale Institution vertreten. Zentrale Prinzipien des europäischen Normungssystems sind Ein-heitlichkeit und Widerspruchsfreiheit. Öffentliche Hand, Wirtschaft und Wissenschaft sind in die Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse kontinuierlich eingebunden. In den USA findet Normung hingegen dezentral statt. ANSI kann Empfehlungen für national gültige Normen aussprechen, was de facto jedoch nicht verhindert, dass sich eine Vielzahl regionaler und industriespezifischer Normen herausgebil-det hat. In den USA können unterschiedliche Normen für ein und dasselbe Produkt gelten beziehungsweise genutzt werden. Im Gegensatz zu Europa wird dies nicht als Sys-temfehler, sondern als Entdeckungsverfahren angesehen, da man annimmt, dass sich die bessere Norm am Markt durch-setzt. Dies erschwert Unternehmen aus Europa jedoch, ihre Produkte auf dem US-Markt anzubieten. Darüber hinaus bestätigt die Herstellerselbsterklärung in Europa die Ein-haltung allgemeiner Schutzziele von europäischen Gesetzen und Regulierungen. Die Konformität nach einer US-Norm besagt hingegen lediglich, dass das Produkt eine bestimmte Norm einhält. Das Prinzip der CE-Kennzeichnung verfolgt daher einen unter Umständen umfassenderen Präventions-ansatz und ist vor allem flexibler als die US-Zertifizierung, weil auch die Abweichung von der Norm eigenverantwort-lich möglich ist.

Unterschiedliches Verständnis von einer internationalen NormDie EU-Verordnung 1025/2012 definiert ISO und IEC als anerkannte internationale Normungsinstitutionen. Das Wie-ner und das Dresdner Abkommen stellen sicher, dass keine neue Europäische Norm entwickelt wird, wenn eine ISO- oder IEC-Norm die Erfordernisse des europäischen Mark-tes hinreichend erfüllt und somit als EN übernommen und

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angewendet wird.27 In den USA gibt es keinen entsprechen-den Mechanismus. Wie bereits beschrieben, wirken US-ame-rikanische SDOs über ANSI zwar bei der Erarbeitung von ISO- und IEC-Normen mit, und ANSI will diese grundsätz-lich auch als American national standard übernehmen.28 Die USA sehen jedoch auch die Normen jeder nationalen Nor-menorganisation, wie der American Society for Testing and Materials (ASTM), des Institute of Electrical and Electro-nics Engineers (IEEE) und anderer Institutionen als inter-national an, sofern diese anhand internationaler Leitlinien wie dem TBT-Abkommen der WTO entwickelt werden und sie in verschiedenen Bundesstaaten Anwendung finden.29 Umgekehrt gibt es keinen Automatismus zur Übernahme von ISO/IEC-Normen in den USA. Somit gibt es in den USA keine einheitliche und ausschließliche Festlegung von ISO- und IEC-Normen als internationale Normen.

Beteiligung von UnternehmenUS-Unternehmen mit Sitz in Europa können über die nationalen Normungsinstitutionen wie dem DIN an der europäischen Normung mitwirken. In den USA können EU-Unternehmen auch ohne Sitz in den USA in einigen Normungsorganisationen mitarbeiten und Kommentierun-gen abgeben. Die starke Fragmentierung des Systems macht dies jedoch insbesondere für den industriellen Mittelstand schwierig.

27 Cen/Cenelec, International Cooperation, <http://www.cencenelec.eu/intcoop/StandardizationOrg/Pages/default.aspx> (eingesehen am 26.6.2014).

28 American National Standards Institute, ANSI Procedures for the National Adoption of ISO and IEC Standards as American National Standards, 2007, <http://publicaa.ansi.org/sites/apdl/Documents/Standards%20Activities/American%20National%20Standards/Procedures,%20Guides,%20and%20Forms/National_Adoption_Procedures_Jan3107.pdf> (eingesehen am 2.9.2014).

29 World Trade Organization, WTO Agreement on Technical Barriers to Trade, <http://www.wto.org/english/res_e/booksp_e/analytic_index_e/tbt_01_e.htm> (eingesehen am 27.6.2014).

Transparenz bei der Bezugnahme auf Normen durch die GesetzgebungIn Europa vergibt die Europäische Kommission Aufträge an die anerkannten europäischen Normungsorganisationen, um Normen zur Konkretisierung und Untersetzung von Richtlinien und Verordnungen zu erarbeiten. Dies ermög-licht Transparenz. In den USA entscheidet der Gesetzge-ber, welche der bereits am Markt befindlichen Normen im Gesetz referenziert werden.

KonformitätsbewertungenIn einigen Bereichen werden Drittprüfungsstellen zur Fest-stellung der Konformität sowohl in der EU als auch in den USA verlangt. Allerdings werden diese Prüfungen derzeit nicht gegenseitig anerkannt, teilweise fehlt diese Anerken-nung sogar unter den Drittstellen innerhalb des US-Mark-tes. Dadurch ist es nicht möglich, die Konformität eines Pro-dukts mit den Anforderungen des Zielmarktes bereits im Ursprungsland von einer dort ansässigen Stelle umfassend überprüfen zu lassen.

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Grundlage von Regulierungen in der EU ist das Vorsorge-prinzip gemäß Art. 191 AEUV. Es erlaubt der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten präventive Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz der Umwelt sowie der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen sicherzustellen. Dem Vor-sorgeprinzip nach darf die Regierung auch dann regulierend im Voraus eingreifen, um potenzielle Schäden zu vermeiden oder weitestgehend zu verringern, wenn eine unsichere Daten-lage die genaue Bestimmung von Risiken nicht erlaubt. Das heißt jedoch nicht, dass die Risikoanalyse in der EU nicht wis-senschaftlich ist: Präventive Maßnahmen können nur dann ergriffen werden, wenn mögliche negative Folgen ermittelt, die verfügbaren wissenschaftlichen Daten ausgewertet und der Grad der wissenschaftlichen Unsicherheit beschrieben worden sind. Die EU-Kommission weist daher zu Recht dar-auf hin, dass es sich nie um willkürliche Entscheidungen han-delt. Zudem müssen die getroffenen Maßnahmen dem Grund-satz der Verhältnismäßigkeit folgen, das heißt, die mit ihnen verbundenen Kosten müssen im Verhältnis zum angestreb-ten Schutzniveau stehen. Weiterhin dürfen die Maßnahmen nicht diskriminierend angewendet werden. Schließlich müs-sen sie im Licht der wissenschaftlichen Entwicklung regelmä-ßig überprüft werden. Bei einer Maßnahme, die sich auf das Vorsorgeprinzip stützt, kann vom Erzeuger, Hersteller oder Importeur der Nachweis verlangt werden, dass keine Gefahr für die Verbraucher besteht. Dies gilt allerdings von Fall zu Fall und nicht für alle Zulassungsprozedere in der EU.30 Bei Arz-neimitteln, Schädlingsbekämpfungsmitteln oder auch Lebens-mittelzusätzen ist die Zulassung in der EU besonders streng.

Die USA verfolgen in vielen Bereichen einen anderen Ansatz: Die Regulierungsbehörde muss aufgrund wissenschaftlicher Daten und Erkenntnisse den Nachweis dafür erbringen, dass ein Produkt unverhältnismäßige Risiken mit sich bringt. Risi-ken müssen also nachgewiesen werden. Die USA bezeichnen diesen Ansatz als science-based approach.31

Aus diesen unterschiedlichen Ansätzen kann jedoch nicht geschlossen werden, dass in der EU grundsätzlich ein höhe-res Schutzniveau als in den USA herrscht. Eine Vielzahl an wissenschaftlichen Studien ist der Frage nachgegangen, ob die EU tatsächlich vorsorgender reguliert als die USA, wie in der Öffentlichkeit oftmals suggeriert wird. Der US-amerikanische Wissenschaftler David Vogel und sein Team argumentieren beispielsweise, dass sich Regulierungsverhalten über die Zeit verändert. US-Amerikaner hätten von 1960 bis 1990 in den Bereichen Gesundheit, Verbrauchersicherheit und Umwelt

30 Europäische Kommission, Zusammenfassung der EU-Gesetzgebung, <http://europa.eu/legislation_summaries/consumers/consumer_safety/l32042_de.htm> (eingesehen am 2.7.2014).

31 Kommerskollegium National Board of Trade (2014), S. 63 f.

deutlich vorsorgender reguliert als Europäer. Erst in den frü-hen 1990er Jahren habe sich das Blatt gewendet. Seitdem regu-lierte die EU vorsorgender.32 Vogel basiert diese Aussage auf eine Untersuchung von zahlreichen Einzelfällen im Umwelt- und Gesundheitsbereich. Dazu gehören beispielsweise der Umgang mit krebserregenden Substanzen, mit Wachstumshor-monen behandeltem Rind fleisch, gen technisch verändertem Getreide und Antibiotika in Tiernahrung, die Regulierung von Chemikalien und Gefahrstoffen sowie die Regulierung von Fahrzeugabgasen. Jonathan Wiener et al. halten aber auch diese Charakterisierung des Regulierungsverhaltens der EU und USA noch für zu holzschnittartig. In einer umfassenden Studie, die sowohl auf qualitativen Fallstudien als auch auf einer quantitativen Analyse des Umgangs mit 100 ausgewähl-ten Risiken basiert, finden sie viele Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten im Regulierungsverhalten der EU und der USA. Evidenz dafür, dass entweder die EU oder die USA grundsätzlich vorsorgender regulieren, fanden sie hingegen nicht.33 Sie identifizierten zahlreiche Fälle, in denen die USA vorsorgender regulieren als die EU, und solche, in denen die EU präventiver agiert. Ein Beispiel für die Anwendung des Vorsorgeprinzips in den USA ist die Reaktion auf BSE: Die US-Regierung verbot deutlich früher den Import von Rind-fleisch aus Großbritannien als die EU und hielt dieses Verbot auch länger aufrecht. In den USA gilt zudem eine Reihe von Produkten als risikobehafteter als in der EU und ist somit ver-boten. Beispiele hierfür lassen sich im Kosmetikbereich (für Sonnencremes, Schminke)34 finden, aber auch bei der Zulas-sung von Arzneimitteln, Tabak und Alkohol. Auch bei Frucht-säften gelten in den USA niedrigere Grenzwerte für Schad-stoffe und Pestizide als in der EU.35

Die Wissenschaft beantwortet die Frage, wer von den transat-lantischen Partnern vorsorgender reguliert, somit zwar nicht ganz eindeutig. Konsens ist jedoch, dass sich Regulierungs-verhalten über die Zeit ändern und von Politikfeld zu Poli-tikfeld, Sektor zu Sektor sowie Produkt zu Produkt variieren kann, unter anderem abhängig davon, welche Erfahrungen in der Vergangenheit gemacht wurden und welche Instituti-onen mit der Regulierung betraut sind.36

32 David Vogel, The Politics of Precaution: Regulating Health, Safety, and Environmental Risks in Europe and the United States, New Jersey: Princeton University Press, 2012.

33 Jonathan B. Wiener (Hg.), The Reality of Precaution. Comparing Risk Regulation in the United States and Europe, Washington, DC/London: Resources for the Future (RFF) Press, 2011.

34 Der SPIEGEL, Im Säurebad, 26.5.2014, <http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-127194895.html> (eingesehen am 2.7.2014).

35 Wiener (2011).36 Stormy-Annika Mildner/Sabine Mair/Wiebke Wodni, Risikofreudiges

Amerika, risikoaverses Europa? Aus amerikanischen und europäischen Publikationen 2001-2012, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Mai 2012 (SWP-Zeitschriftenschau 02/2012).

III. Regulierungsphilosophien der EU und USA: Vorsorgend versus nachsorgend?

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19Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Transatlantische Regulierungskooperation ist nicht neu. In der Vergangenheit gab es bereits zahlreiche Initiativen, um die transatlantische Kooperation zu stärken – allerdings mit gemischtem Erfolg.

IV. Transatlantische Regulierungskooperation

Formen der regulatorischen Kooperation

InformationsaustauschDurch den Informationsaustausch zwischen Regu-lierungsbehörden können Unterschiede bei Regulie-rungsansätzen und technischen Fragen früh erkannt und erörtert werden. Der Informationsaustausch führt zu keinen bindenden Ergebnissen, kann aber das gegenseitige Verständnis fördern.

DatenaustauschWenn Regulierungsbehörden Daten, etwa bei der In -spektion von Laboren, austauschen, kann vermieden werden, dass Daten doppelt erhoben werden müs-sen. Dabei muss das Einverständnis der betroffenen Unternehmen vorliegen und die Vertraulichkeit sen-sibler Informationen gewährleistet sein.

Gegenseitige Anerkennung von Konformitätsprü-fungsstellen (Mutual Recognition Agreement)Mit einem MRA werden die jeweiligen Rechtsvor-schriften selbst nicht gegenseitig anerkannt und die Zulassungsvoraussetzungen für Produkte somit nicht verändert. Allerdings können nun die Konformitäts-bewertungsstellen der Partnerländer den Nachweis führen, ob ein Produkt oder ein Prozess die Voraus-setzungen im jeweils anderen Land erfüllt.

Gegenseitige Anerkennung von KonformitätsprüfungenDurch Konformitätsbewertungen wird der Nachweis erbracht, ob ein Prozess oder Produkt bestimmte Anforderungen, die sich durch Gesetze, Regulierun-gen oder Normen ergeben, erfüllt. Voraussetzung für die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsprü-fergebnissen ist, dass nach gleichwertigen Kriterien geprüft wird.

Gegenseitige Anerkennung von ProduktstandardsErkennen Länder Produktstandards gegenseitig an, darf ein Produkt, das in einem Land rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden ist, im jeweils anderen Land auf den Markt gebracht werden. Voraussetzung ist, dass die geltenden Vorschriften ein vergleichbares Schutzniveau gewährleisten. Das Bestimmungsland kann die Vermarktung eines Produkts verweigern, wenn dies zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit oder der Umwelt notwendig ist.

HarmonisierungDie Harmonisierung von Produktanforderungen mit-tels gleicher Rechtsvorschriften und gemeinsamer Normen ist die weitreichendste Form der Kompati-bilität. In der EU ist die Harmonisierung einer der Grundpfeiler des freien Warenverkehrs. In der inter-nationalen Regulierungskooperation wird sie nur in den seltensten Fällen erzielt.

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4.1 Rückblick: Geschichte der transatlantischen Regulierungskooperation

Die transatlantische Regulierungskooperation hat ihre Anfänge in der Transatlantischen Deklaration von 1990. Sie führte zu regelmäßigen Treffen zwischen dem US-Präsi-denten, dem EU-Ratspräsidenten und dem Präsidenten der EU-Kommission. Sie brachte allerdings kaum konkrete Fort-schritte, da sich die USA zunächst auf die Verhandlungen des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (North Ame-rican Free Trade Agreement, NAFTA) konzentrierten. Erst nach dessen Abschluss rückte die transatlantische Partner-schaft mit der Neuen Transatlantischen Agenda (NTA) von 1995 wieder mehr in den Vordergrund.37 Ziele der NTA waren die Förderung von Frieden, Demokratie und Entwick-lung in der Welt, die Ausweitung des Welthandels, die Stär-kung der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen und der Ausbau der politischen Partnerschaft. Um die transatlanti-schen Wirtschaftsbeziehungen auszubauen, sollten Regulie-rungsbehörden enger mit ihren transatlantischen Counter-parts zusammenarbeiten. Ziel war schon damals, technische und andere nicht-tarifäre Handelshemmnisse (NTBs), die auf unterschiedliche Regulierungen zurückgehen, abzubauen. Ebenfalls 1995 wurde der Transatlantic Business Dialogue (TABD) ins Leben gerufen. Durch ihn sollte die Expertise der Wirtschaft stärker in den Prozess einfließen. Auch wurde in der NTA das Ziel dargelegt, möglichst zügig Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Konformitätsbewertun-gen in verschiedenen Sektoren zu schließen.38 1997 einig-ten sich beide Seiten auf ein Mutual Recognition Agreement (MRA) für sechs Bereiche: Telekommunikationsausrüstung, elektromagnetische Kompatibilität, elektrische Sicherheit, Sportboote, gute Herstellungspraxis (good manufacturing practice) für pharmazeutische Produkte sowie Medizinpro-dukte.39 Das MRA trat formal 1998 in Kraft.

Darüber hinaus war in der NTA angekündigt worden, einen New Transatlantic Marketplace (NTM) zu schaffen, in dem tarifäre wie auch nicht-tarifäre Handelshemmnisse sowie Investitionsbarrieren abgebaut werden sollten. Diese Initia-tive führte jedoch zu keinen greifbaren Ergebnissen, da die Ziele weder durch konkrete Verpflichtungen noch einen

37 Handelsblatt Research Institute, Wohlfahrtseffekte einer transatlantischen Freihandelszone, 2013, S. 6, <http://research.handelsblatt.com/wp-content/uploads/2013/09/Beispiel-HRI-Dossier-Transatlantische-Freihandelszone-2.pdf>.

38 The New Transatlantic Agenda, 1995, S. 2, 5, <http://eeas.europa.eu/us/docs/new_transatlantic_agenda_en.pdf>.

39 Agreement on Mutual Recognition between the United States of America and the European Community, <http://www.mac.doc.gov/mra/mra.htm> (eingesehen am 27.6.2014).

Zeitplan flankiert worden waren.40 Auch das MRA war letzt-lich kein großer Erfolg: Von den sechs Sektorabkommen tra-ten zwei – für elektrische Sicherheit und für Medizinprodukte – nie in Kraft. Bei Arzneimitteln wurde das MRA faktisch nicht angewendet. Hier findet die regulatorische Koopera-tion außerhalb des MRA statt. Nur beim Thema Telekommu-nikationsausrüstung funktioniert das Abkommen aus Sicht der EU-Kommission zufriedenstellend.41

Nach dem Scheitern des New Transatlantic Marketplace einigten sich die EU und die USA beim gemeinsamen Gip-feltreffen 1998 auf die weit weniger ambitionierte Transatlan-tic Economic Partnership (TEP). Ein TEP Action Plan sah bilaterale Konsultationen zu regulativen Prozessen in den Bereichen Landwirtschaft, geistiges Eigentum, öffentliche Auftragsvergabe und Wettbewerbspolitik vor. Hintergrund waren mehrere handelspolitische Streitigkeiten zwischen der EU und den USA, beispielsweise um das Einfuhrver-bot von US-amerikanischem Rindfleisch in die EU, das mit Einsatz von Wachstumshormonen produziert worden war. Eine TEP Steering Group sollte die Implementierung des TEP Action Plan überwachen.42

1999 wurde im Rahmen der TEP ein Frühwarnsystem einge-führt. Damit wollten sich die EU und USA früher und besser über neue regulatorische Maßnahmen informieren, die den transatlantischen Handel erschweren könnten. Der Erfolg des TEP-Frühwarnsystems blieb allerdings überschaubar. Es half zwar, potenzielle Konflikte zu identifizieren, doch gelang es nicht, auch konkrete Lösungen für sie zu entwickeln.43 Die zahlreichen Handelsstreitigkeiten – beispielsweise über Subventionen in der Landwirtschaft und in der Flugzeug-produktion, über Zölle auf Stahl oder auch über Standards der Lebensmittelsicherheit – konnte es nicht verhindern.

Nach Gründung des TABD im Jahr 1995 wurden in den folgenden Jahren noch weitere Dialogformate geschaffen: der Transatlantic Consumer Dialogue (TACD), der Transat-lantic Labor Dialogue (TALD), der Transatlantic Environ-ment Dialogue (TAED) und der Transatlantic Legislators’

40 Claudia Decker, „The Tension between Political and Legal Interests in Trade Disputes: The Case of the TEP Steering Group“, in: Tietje, Kraft, Sethe (Hg.), Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, Heft 43, August 2005, S. 10, <http://www2.jura.uni-halle.de/INSTITUT/Heft43.pdf>.

41 Europäische Kommission, Trade Issues… Technical Barriers to Trade. Mutual Recognition Agreements and Agreements on Conformity Assessment and Acceptance of Industrial Products. MRA Newsletter No. 8, April 2014, S. 3, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/april/tradoc_152342.pdf>.

42 Decker (2005), S. 10.43 Decker (2005), S. 10; Europäische Kommission, The Transatlantic Economic

Partnership. Overview and Assessment, Oktober 2000, S. 17, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2003/october/tradoc_111712.pdf>.

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23Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Dialogue (TLD). Sie begleiten die transatlantische Koope-ration beratend. Diese Dialoge hatten jedoch unterschiedli-che Wirkungskraft. Zu den aktivsten gehört der TABD. Der Umweltdialog TAED dagegen wurde nach seiner Gründung 1999 bereits Ende 2000 wieder aufgelöst.

Um der transatlantischen Regulierungskooperation nach den diversen ungelösten Handelsstreitigkeiten einen neuen Impuls zu geben, wurde im Mai 2002 auf dem EU-US-Gip-feltreffen die Positive Economic Agenda (PEA) beschlossen. Diese sollte die bilaterale Kooperation in denjenigen Berei-chen vorantreiben und dort Konflikte reduzieren, wo beide Seiten Chancen auf Erfolg sahen. Dies waren die Finanz-marktregulierung, Leitlinien für regulatorische Kooperation und Transparenz, gesundheitspolizeiliche und pflanzen-schutzrechtliche Maßnahmen, der Versicherungssektor, bio-logische Landwirtschaft und Bioprodukte, elektronische Sys-teme für öffentliche Ausschreibungen sowie elektronische Zollverfahren.44 Grundlage waren die Guidelines on Regula-tory Cooperation and Transparency. In den Guidelines sind wesentliche Elemente der regulatorischen Zusammenarbeit angelegt. Dazu gehören unter anderem eine engere Zusam-menarbeit der Regulierungsbehörden bei der Entwicklung von Regulierungen, die Möglichkeit zur gegenseitigen Kon-sultation, der Austausch von Expertise sowie die Verpflich-tung, Erklärungen zu Ziel und Inhalt von Regulierungen zu veröffentlichen. Zugleich sollen die Guidelines sicher-stellen, dass die bilaterale Kooperation ein hohes Maß an Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutz gewährleistet und sowohl mit nationalem als auch internationalem Recht in Einklang steht (z.B. dem General Agreement on Tariffs and Trade, GATT, der WTO).45 Allerdings wurden die Gui-delines nie mit Leben erfüllt. Umso mehr könnten sie nun die Grundlage für die in TTIP zu vereinbarende regulatori-sche Zusammenarbeit bilden.

Auch die Positive Economic Agenda und die Guidelines on Regulatory Cooperation and Transparency konnten in den darauffolgenden Jahren nicht verhindern, dass es wei-ter zu Handelskonflikten kam und neue nicht-tarifäre Han-delshemmnisse im transatlantischen Handel entstanden.

2005 starteten EU und USA dann die Initiative to Enhance Transatlantic Economic Integration and Growth. Um die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen zu stärken,

44 Europäische Kommission, EU and US Agree To Launch Positive Economic Agenda at EU-US Summit, Pressemitteilung, 3.5.2002, <europa.eu/rapid/press-release_MEMO-02-85_en.pdf>.

45 Europäische Kommission, Guidelines on Regulatory Cooperation and Transparency, April 2002, S. 2 f., <http://ec.europa.eu/enterprise/policies/international/files/guidelines3_en.pdf>.

sollte erneut die Kooperation in einer Vielzahl von Berei-chen intensiviert werden. Auch dieser Initiative mangelte es jedoch an politischem Willen. Fortschritte wurden nur sehr langsam erzielt.

Beim EU-US-Gipfeltreffen im Jahr 2007 wurde schließlich der Transatlantic Economic Council (TEC) ins Leben gerufen. Auf der Basis einer Rahmenvereinbarung sollte die Koope-ration in den Bereichen geistiges Eigentum, Finanzmärkte, regulatorische Zusammenarbeit, Investiti onen, sicherer Han-del sowie Innovationen und Technologie intensiviert und erweitert werden. Aufgabe des TEC ist es, Ziele zur regula-torischen Zusammenarbeit zu definieren, Zeitpläne festzu-legen und halbjährlich über die Umsetzungsergebnisse zu berich ten. Mitglieder im TEC sind hochrangige politische Vertreter aus EU-Kommission und US-Regierung.46

Der TEC hat auf seinen Treffen in den Jahren 2009 bis 2011 einige wichtige Beschlüsse zur Umsetzung der transat-lantischen Rahmenvereinbarung gefasst. Für die Industrie wurden Fortschritte unter anderem in folgenden Bereichen erzielt:

- Einigung europäischer und US-amerikanischer Automo-bilhersteller, ein einheitliches Ladesystems für Elektro-Au-tos in der EU und in den USA zu fördern;

- Gegenseitige Anerkennung der EU- und US-Zollsicher-heitsprogramme (AEO/C-TPAT Mutual Recognition Decision);

- EU-US-Kooperationsvereinbarung im Bereich Chemie;

- Gegenseitige Anerkennung der Rechnungslegungsstan-dards (IFRS und US GAAP);

- Einrichtung eines Frühwarnsystems für geplante Gesetz-gebungsverfahren in der EU und den USA.

Im November 2011 setzte der TEC schließlich die High Level Working Group on Jobs and Growth (HLWG) ein, die im Februar 2013 die Empfehlung gab, eine umfassende Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zu verhandeln.47

46 Europäische Kommission, Framework for Advancing Transatlantic Economic Integration between the European Union and the United States of America, 30.4.2007, <http://ec.europa.eu/enterprise/policies/international/files/tec_framework_en.pdf>.

47 Europäische Kommission, Final Report. High Level Working Group on Jobs and Growth, 11.2.2013, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/february/tradoc_150519.pdf>.

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4.2 Erfolgsgeschichten in der transatlantischen Regulierungskooperation

Die Bilanz der transatlantischen Regulierungskoope-ration ist gemischt. Dennoch gibt es eine Reihe von Erfolgsgeschichten.

Formen der gegenseitigen Anerkennung

Gegenseitige Anerkennung kann in verschiedenen Formen beschlossen werden:

Mutual Recognition Agreements(MRAs) sind staatliche Abkommen über die gegen-seitige Anerkennung von Konformitätsbewertungs-stellen (Conformity Assessment Bodies, CAB). Diese CAB müssen in der Regel selbst staatlich oder staat-lich akkreditiert sein. In der EU wird die Akkredi-tierung durch die EG-Verordnung 765/2008 gere-gelt. In Deutschland ist der alleinige Dienstleister für Akkreditierung die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS). Die DAkkS kann Dienstleister wie etwa die technischen Überwachungsvereine (TÜV) oder den Deutschen Kraftfahrzeug-Überwachungs-Ver-ein (DEKRA) als Zertifizierungsstelle akkreditieren. Mit einem MRA werden die jeweiligen Rechtsvor-schriften selbst nicht gegenseitig anerkannt und die Zulassungsvoraussetzungen für Produkte somit nicht verändert. Allerdings können nun die Konformitäts-bewertungsstellen der Partnerländer den Nachweis führen, ob ein Produkt oder ein Prozess die Voraus-setzungen im jeweils anderen Land erfüllt. Mit einem MRA wäre somit die Möglichkeit gegeben, ein Pro-dukt, das in den US-amerikanischen Markt expor-tiert werden soll, in der EU prüfen zu lassen. MRAs sind im Anwendungsbereich sektoral begrenzt und bestehen aus einem Rahmenabkommen und mehre-ren sektoralen Anhängen. Die Rahmenvereinbarung legt die allgemeine Voraussetzung der gegenseitigen Anerkennung fest, während die sektoralen Anhänge sektorspezifisch für den bestimmten Produktbereich gelten. MRAs zu Konformitätsbewertungsstellen sind auch in Art. 6.3 des TBT-Abkommens der WTO ange-legt und dienen damit auch der Umsetzung der mul-tilateralen Handelsagenda.

Weitergehende Formen der gegenseitigen Aner-kennung sind die Anerkennung der Gleichwertigkeit

(Recognition of Equivalence, Äquivalenzabkommen) und die gegenseitige Anerkennung gewerblicher Pro-dukte (Mutual Acceptance of Industrial Products). In diesen Fällen erkennen die Partnerländer an, dass ihre Regulierungen die gleichen Ziele verfolgen und diese gleichermaßen erreichen, auch wenn die Regu-lierungen selbst voneinander abweichen. Durch die Anerkennung der Gleichwertigkeit und die gegensei-tige Anerkennung gewerblicher Produkte kann ein Produkt somit ohne weitere Prüfschritte im jeweils anderen Markt in Verkehr gebracht werden. Durch diese Formen der gegenseitigen Anerkennung kön-nen aufwendige Prozesse vermieden und Zeit und Kosten für Unternehmen und für die Regulierungs-behörden gespart werden. Dies gilt auch für Test- und Sicherheitskontrollen an Produktionsstandorten nach erfolgter Marktzulassung. Diese Maßnahmen dienen damit auch dem Bürokratieabbau.

Diese Abkommen setzen nicht zwingend eine vorhe-rige Harmonisierung oder Angleichung von Regulie-rungen voraus. Jeder Vertragspartei steht es weiterhin frei, ihre eigenen Regeln zu setzen. Allerdings muss ein hohes Maß an Kompatibilität bei den bestehen-den Zulassungsprozessen und Zertifizierungssyste-men gegeben sein, damit diese Abkommen von den Herstellern und den Regulierungsbehörden umgesetzt werden können. Aber auch wenn die relevanten Pro-zesse und Systeme bereits vollständig harmonisiert sind, hat eine gegenseitige Anerkennung Vorteile: Denn nur durch ein Abkommen wird sichergestellt, dass ein Produkt nicht doppelt, sondern nur einmal zugelassen werden muss.

MRAs und Äquivalenzabkommen werden auf EU-Seite von der Europäischen Kommission ver-handelt. Grundlage dazu ist der Beschluss des Rates vom 21. September 1992 (Ratsdokument 8300/92). Darin wird die Kommission vom Rat ermächtigt,

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Vereinbarungen zwischen der Europäischen Wirt-schaftsgemeinschaft und bestimmten Drittländern über die gegenseitige Anerkennung der Konformi-tätsbewertungen auszuhandeln. Diese Ermächtigung wird durch Verhandlungsdirektiven von 1994 und 1998 ergänzt. In Art. 207 und Art. 218 AEUV wer-den ferner die Verfahren für Übereinkünfte zwischen der Europäischen Union und Drittländern beschrie-ben. Demnach müssen Abkommen, die die Handel-spolitik der Europäischen Union betreffen, vom Rat (je nach Bereich mit qualifizierter Mehrheit oder ein-stimmig) sowie in der Regel vom Parlament ange-nommen werden.

Der Rat ermächtigt dann die Kommission, alle erfor-derlichen Maßnahmen für die Durchführung eines Abkommens zu ergreifen. MRAs müssen nicht von den nationalen Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten bestätigt werden. Es handelt sich somit bei MRAs nicht um gemischte Abkommen.

Da es sich um völkerrechtliche Verträge im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik der EU handelt, ist auch eine Zustimmung des Parlaments im Sinne der Art. 207 und 218 AEUV zumeist erforderlich. Min-destens aber muss das Europäische Parlament ange-hört werden.

Die Europäische Kommission betont, dass Regu-lierungen Gemeinwohlinteressen wie Sicherheit, Gesundheit, Umweltschutz, Verbraucherschutz und Produktqualität verfolgen, deren Einhaltung sicher-gestellt werden muss. Voraussetzung für die Aner-kennung der Gleichwertigkeit oder die gegenseitige Anerkennung gewerblicher Produkte ist daher, dass die Vorschriften und Prozesse im Partnerland ein ver-gleichbares Maß an Schutz gewährleisten.

Auf US-Seite verhandelt die US-Bundesregierung Abkommen über die beschriebenen Formen der gegenseitigen Anerkennung. Sie werden als execu-tive agreements eingeordnet. Diese Art von Abkom-men benötigt keine Zustimmung durch den Kon-gress – eine deutliche Abweichung zur Ratifizierung anderer internationaler Abkommen (treaties). Treaties bedürfen der Zustimmung einer zweidrittel Mehrheit im Senat. Die meisten Handelsabkommen sind soge-nannte congressional-executive agreements. Diese von der Exekutive ausgehandelten Abkommen müs-sen von beiden Kammern des Kongresses mit einfa-cher Mehrheit ratifiziert werden, um Gültigkeit zu erlangen.

Quellen: Dimitropoulos, Georgios, Zertifizierung und Akkreditierung im Internationalen Verwaltungsverbund, 2012, S. 130 ff.

Europäische Kommission, Commission Staff Working Paper, 28.9.2001, <http://ec.europa.eu/enterprise/policies/single-market-goods/files/mra/sec_2001_1570_en.pdf>.

Europäische Kommission, Mutual Recognition Agreements, <http://ec.europa.eu/growth/single-market/goods/international-aspects/mutual-recognition-agreements/index_en.htm> (eingesehen am 15.1.2015).

Europäische Kommission, Mutual Recognition Agreements, Background Documents, <http://ec.europa.eu/enterprise/policies/single-market-goods/international-aspects/mutual-recognition-agreement/background-documents/index_en.htm#h2-1> (eingesehen am 15.1.2015).

Europäische Kommission, Conformity Assessment and Designation of Conformity Assessment Bodies, <http://ec.europa.eu/enterprise/policies/single-market-goods/international-aspects/mutual-recognition-agreement/conformity-assessment/index_en.htm> (eingesehen am 15.1.2015).

Lenz, Carl Otto/ Klaus-Dieter Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, Kommentar, 6. Auflage 2012, S. 2474 ff.

Transatlantic Consumer Dialogue, TACD Briefing Paper on Mutual Recognition Agreements (MRA’S), März 2001, <http://test.tacd.org/wp-content/uploads/2013/09/TACD-TRADE-2001-Briefing-Paper-on-Mutual-Recognition-Agreements.pdf>.

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LuftverkehrAm Beispiel des Luftverkehrs zeigt sich, welches Poten-zial transatlantische Regulierungskooperation birgt. Sowohl im Bereich Flugsicherheit (safety) als auch Gefahrenabwehr (security) haben die EU und USA in den vergangenen Jahren weitreichende Abkommen abgeschlossen, die zu einem reibungsloseren Luftver-kehr führen.

Auf Seiten der Europäischen Union ist der Schutz der zivilen Luftfahrt in Verordnung Nr. 300/2008 des Euro-päischen Parlaments und des Rates über die gemeinsa-men Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt und den darauf basierenden Durchführungsverord-nungen geregelt. Die gemeinsamen Vorschriften die-ser Regelungen gelten sowohl für Flughäfen in EU-Mit-gliedstaaten als auch für Luftfahrtunternehmen, die Dienstleitungen an EU-Flughäfen erbringen. Ebenso sind Bereiche wie Flughafensicherheit, Sicherheit der Luftfahrtzeuge, Fracht sowie Fluggäste von dieser Ver-ordnung betroffen. Die EU-Mitgliedstaaten sind durch diese Regelung verpflichtet, eine nationale Behörde zu errichten, welche die Umsetzung und Einhaltung der Verordnung sicherstellt. Die Einhaltung der Grundstan-dards wird durch Inspektionen der EU-Kommission unter Beteiligung der Europäischen Agentur für Flugs-icherheit (European Aviation Safety Agency, EASA) geprüft.48 Auf US-amerikanischer Seite sind die Federal Aviation Administration (FAA) und die Transportation Security Administration (TSA) für die Regulierung des zivilen Luftverkehrs zuständig.

Die Verhandlungen zwischen der EU und den USA über ein Abkommen zur Flugsicherheit und Gefahren-abwehr dauerten fast zehn Jahre: 2003 verständigten sich die transatlantischen Partner erstmals, enger bei der Regelung der Sicherheit der Zivilluftfahrt zu koope-rieren. In den folgenden Jahren fanden mehrere tech-nische Beratungstreffen und neun Verhandlungsrun-den statt.49 Beide Regulationssysteme wurden überprüft und verglichen. Im Mai 2011 trat das Abkommen zwi-schen der EU und den USA über die Zusammenarbeit bei der Regelung der Sicherheit der Zivilluftfahrt in Kraft (Agreement on Cooperation in the Regulation of

48 Europäische Union, Zivilluftfahrt: gemeinsame Vorschriften, <http://europa.eu/legislation_summaries/transport/air_transport/tr0028_de.htm > (eingesehen am 8.7.2014).

49 European Aviation Safety Agency, Information Note: Agreement between the United States of America and the European Union on Cooperation in the Regulation of Civil Aviation Safety, 2011, <http://easa.europa.eu/system/files/dfu/Information%20note%20-%20Agreement%20EU-US.pdf>.

Civil Aviation Safety). Darin einigten sich die Parteien auf die Anerkennung von Zertifizierungsfeststellungen in der Konstruktion, bei der Herstellung und Instand-haltung von Luftfahrtprodukten. Das Abkommen ver-ringert den technischen und bürokratischen Aufwand erheblich. Zudem wurde der Austausch von verschiede-nen Informationen zur Luftfahrtsicherheit vereinbart. So sollen unter anderem plötzlich auftretende Sicher-heitsprobleme gemeinsam gelöst werden.50

Außerdem wurden mehrere Unterausschüsse einge-führt, um eine effektive Arbeitsweise zu gewährleis-ten. Ein Bilateral Oversight Board (BOB) evaluiert die Implementierung des Abkommens und entschei-det, ob Regelungen erweitert werden sollten. Im BOB werden die USA von der FAA, die EU von der Kom-mission und unterstützend von EASA und nationalen Flugsicherheitsbehörden vertreten. Das BOB trifft sich seit Inkrafttreten des Abkommens zwei Mal jährlich. Im Jahr 2012 vereinbarte das BOB, das Abkommen um neue Themen zu erweitern: die Zulassung der Flugbe-satzung, Flugsimulationsübungsgeräte und Ausbildungs-einrichtungen für Piloten.51

Im Jahr 2012 beschlossen die EU-Kommission und die TSA in einem weiteren Abkommen die Anerken-nung ihrer Air Cargo Security Regime, also der Sicher-heitsregeln zur Abwicklung von Frachtgut. Europäi-sche Luftfahrtunternehmen müssen nunmehr lediglich EU-Rechtsvorschriften bezüglich des Screenings von Frachtladungen einhalten. Da Fracht nicht mehr nach TSA-Standards erneut überprüft werden muss, wird bei der Frachtabwicklung Zeit und Geld gespart - ohne dass die Sicherheit gemindert wird. Umgekehrt akzeptiert die EU ebenfalls die in den USA geltenden Sicherheitsstandards.52

BioprodukteIm Jahr 2012 einigten sich die EU und die USA auf die gegenseitige Anerkennung ihrer Zertifizierungen für Bioprodukte (organic food). Das Übereinkommen gilt

50 Europäische Union, Bahnbrechendes Abkommen EU-USA über Sicherheit in der Zivilluftfahrt tritt in Kraft, Pressemitteilung, 1.5.2011, <http://europa.eu/rapid/press-release_IP-11-516_de.htm> (eingesehen am 24.2.2014).

51 Official Journal of the European Union, Report on the Annual Accounts of the European Aviation Safety Agency for the Financial Year 2012, 13.12.2013, <http://old.eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2013:365:0066:0066:EN:PDF>.

52 Europäische Kommission, EU-US Security Agreement Allows Cheaper and Faster Air Cargo Operations, Pressemitteilung, 1.12.2012, <http://europa.eu/rapid/press-release_IP-12-544_en.htm> (eingesehen am 20.3.2014).

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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

27Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

für alle landwirtschaftlichen Produkte mit Ausnahme von Fisch und Meeresfrüchten sowie von Produkten, die Antibiotika enthalten.53 Diese gegenseitige Aner-kennung erweitert den Markt für europäische wie für US-amerikanische Bioprodukte.

Auf europäischer Seite ist die EU-Verordnung (EG) Nr. 834/2007 die Rechtsgrundlage für Produktion, Vertrieb, Kontrolle und Kennzeichnung ökologischer/biologischer Erzeugnisse.54 Neben der Verordnung des Rates wurden zusätzliche Verordnungen der Kommis-sion angenommen: Insbesondere definiert Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 der Kommission Vorschriften zum Import von biologischen/ökologischen Erzeugnissen aus Drittländern.55 Zur Anerkennung von US-amerika-nischen Bioprodukten im europäischen Markt wurde die Durchführungsverordnung Nr. 834/2007 von der EU-Kommission ergänzt und die USA in die Liste aner-kannter Drittländer aufgenommen. In den USA hat das US-Landwirtschaftsministerium (U.S. Department of Agriculture, USDA) auf der Grundlage des Orga-nic Foods Production Act (OFPA) von 1990 die Aner-kennung von Bioprodukten aus der EU beschlossen.56

Das EU-Parlament und der Rat sind mit der Regulie-rung des ökologischen/biologischen Landbaus beauf-tragt. Die EU-Kommission entwickelt die EU-weiten Verordnungen in Zusammenarbeit mit dem Ständigen Ausschuss für den ökologischen Landbau und wird dar-über hinaus von der Beratungsgruppe „Ökologischer Landbau“ fachlich unterstützt. Der Ausschuss besteht aus Vertretern aller EU-Länder. So soll eine enge Zusam-menarbeit der verantwortlichen Behörden und eine ein-heitliche Anwendung der Verordnungen gewährleistet

53 Europäische Kommission, European Union and United States agree to Historic New Partnership on Organic Trade, Pressemitteilung, 15.2.2012, <http://europa.eu/rapid/press-release_IP-12-138_en.htm> (eingesehen am 22.4.2014); „EU, US Deal Seen Boosting Trade in Organic Goods“, in: Reuters, 15.2.2012, <http://www.reuters.com/article/2012/02/15/eu-us-organic-idUSL5E8DF22D20120215> (eingesehen am 22.4.2014).

54 Amtsblatt der Europäischen Union, Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen, <http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32007R0834&from=EN>.

55 Europäische Kommission, Ökologische Landwirtschaft – Rechtsrahmen, <http://ec.europa.eu/agriculture/organic/eu-policy/eu-rules-on-production/legal-frame/index_de.htm> (eingesehen am 9.7.2014).

56 Office of the United States Trade Representative, United States and European Union Agree on Historic New Partnership on Organic Trade, <http://www.ustr.gov/about-us/press-office/press-releases/2012/february/united-states-and-european-union-agree-historic-n> (eingesehen am 10.9.2014).

werden.57 In der Beratergruppe sind fachliche und unter-nehmerische Interessengruppen vertreten, zum Beispiel der Internationale Verband der Vereinigungen für öko-logischen Landbau (International Federation of Orga-nic Agriculture Movements, IFOAM) oder auch das Europäische Büro der Verbraucherverbände (Bureau Européen des Unions de Consommateurs, BEUC).58

Laut EU-Verordnung muss jeder EU-Mitgliedstaat eine Behörde mit der Zertifizierung von Bioprodukten beauf-tragen. Diese Kontrollbehörde inspiziert Landwirte, Ver-arbeitungsbetriebe und Händler, um festzustellen, ob diese entsprechend den EU-Verordnungen arbeiten.59 Nach dieser Kontrolle kann die Behörde ein Zertifi-kat ausstellen, das die Konformität mit EU-Richtlinien bestätigt und den Betrieben erlaubt, Produkte als bio-logisch zu kennzeichnen. Diese Betriebe müssen min-destens zwei Mal jährlich von der Behörde kontrol-liert werden.

In den USA sind vom US-Landwirtschaftsministerium akkreditierte Stellen (National Organic Program Accre-dited Certifying Agents) mit der Zertifizierung von Bio-produkten beauftragt. Diese sind vom USDA autorisiert zu prüfen, ob Produkte und Betriebe mit den Richtli-nien des Organic Foods Production Act of 1990 kon-form sind.60

Bevor das Abkommen geschlossen wurde, führten beide Verhandlungsparteien intensive örtliche Prüfun-gen durch, um die Kompatibilität der jeweiligen Regulie-rungen, Kontrollmaßnahmen, Kennzeichnungsverfah-ren und Zertifizierungsanforderungen zu gewährleisten. Zu den Zertifizierungsanforderungen für organic food

57 Europäische Kommission, Ökologische Landwirtschaft – Ständiger Ausschuss für den ökologischen Landbau, <http://ec.europa.eu/agriculture/organic/eu-policy/eu-legislation/regulatory-committee/index_de.htm>.

58 Europäische Kommission, Ökologische Landwirtschaft – Beratungsgruppe „Ökologischer Landbau“, <http://ec.europa.eu/agriculture/organic/eu-policy/eu-legislation/advisory-group-on-organic-farming/index_de.htm> (eingesehen am 9.7.2014).

59 Europäische Kommission, Ökologische Landwirtschaft – Control System, <http://ec.europa.eu/agriculture/organic/consumer-trust/certification-and-confidence/controls-and-inspections/control-system/index_en.htm> (eingesehen am 9.7.2014).

60 United States Department of Agriculture, National Organic Program – International Trade Policies: European Union, <http://www.ams.usda.gov/AMSv1.0/NOPTradeEuropeanUnion> (eingesehen am 9.7.2014); United States Department of Agriculture, National Organic Program - USDA Accredited Certifying Agents (ACAs),<http://www.ams.usda.gov/AMSv1.0/ams.fetchTemplateData.do?template=TemplateJ&na-vID=NationalOrganicProgram&leftNav=NationalOrganicProgram&pa-ge=NOPACAs&description=USDA%20Accredited%20Certifying%20Agents&acct=nopgeninfo> (eingesehen am 30.7.2014).

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28 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

in den USA gehört etwa die Verpflichtung zur Freiland-haltung von Tieren, der Verzicht auf gentechnisch verän-derte Organismen (GVO) und die Trennung von Nahrungs-mitteln aus ökologischem und nicht-ökologischem Anbau im Produktionsprozess.61 Aufbauend auf dieser Prüfung erklärten die transatlantischen Partner die jeweiligen Vor-aussetzungen, um Bioprodukte auf den Markt zu bringen, für äquivalent. Es handelt sich damit um eine gegenseitige Anerkennung auf der Basis eines vergleichbaren Nahrungs-mittel- und Verbraucherschutzniveaus.

Die einzige Ausnahme bildet hierbei das Verbot von Anti-biotika.62 Die Regulierungen des USDA erlauben den Gebrauch von Antibiotika nur bei bakteriellen Infektio-nen von Birnen und Äpfeln, während die EU den Gebrauch von Antibiotika nur bei erkrankten Tieren erlaubt. Daher müssen die Kontroll- und Zertifizierungsstellen auf US-ame-rikanischer und europäischer Seite bei allen Bioprodukten überprüfen und bestätigen, dass keine Antibiotika verwen-det wurden. Diese Bestätigung erfolgt über das Organic Export Certificate, das allen Waren beigefügt werden muss, die nach Europa beziehungsweise in die USA ein- oder aus-geführt werden sollen. Diese Zertifikate werden von den jeweiligen nationalen Behörden ausgestellt und beinhalten Informationen über die Zertifizierungsbehörde sowie den Nachweis, dass keine verbotenen Substanzen wie Antibio-tika verwendet wurden und das Produkt den vereinbarten Regulierungen entspricht.63

Das US-Landwirtschaftsministerium und die EU-Kom-mission haben zudem die Organics Working Group ein-gerichtet, die mindestens einmal jährlich zu gemeinsamen Gesprächen zusammenkommt. Die Gruppe überprüft die Einhaltung des Abkommens und lotet aus, wie die Koope-ration gestärkt werden kann. Beispielsweise soll im Rahmen dieser Gespräche darüber beraten werden, ob die Export-zertifikate durch elektronische Zertifikate ausgetauscht oder ganz aufgehoben werden können.64 Mitglieder der Gruppe sind unter anderem auf US-amerikanischer Seite

61 U.S. Department of Agriculture, Organic Agriculture, <http://www.usda.gov/wps/portal/usda/usdahome?contentidonly=true&contentid=organic-agriculture.html> (eingesehen am 22.5.2014).

62 Europäische Kommission, European Union and United States Agree to Historic New Partnership on Organic Trade, <http://europa.eu/rapid/press-release_IP-12-138_en.htm> (eingesehen am 9.7.2014).

63 United States Mission to the European Union, US-EU Organic Equivalency Agreement, <http://www.usda-eu.org/trade-with-the-eu/trade-agreements/us-eu-organic-arrangement/> (eingesehen am 9.7.2014).

64 USDA National Organic Program, U.S-European Union Organic Equivalence Arrangement Questions and Answers, <http://www.ams.usda.gov/AMSv1.0/getfile?dDocName=STELPRDC5097061> (eingesehen am 9.7.2014).

das Büro des Handelsbeauftragten (United States Trade Representative, USTR), das Landwirtschaftsministerium, das National Organic Program und der Foreign Agricul-tural Service. Auf EU-Seite ist unter anderem die General-direktion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Kommission vertreten.

EU-U.S. Veterinary Equivalency AgreementIm Jahr 1998 einigten sich die EU und USA auf das EU-U.S. Veterinary Equivalency Agreement, das den Handel mit lebenden Tieren und tierischen Produkten vereinfachen soll. Durch dieses Gleichstellungsabkommen im Veterinär-bereich entfallen zum Beispiel für US-Exporteure Kontrol-len an den sogenannten veterinary border inspection ports in der EU.65 Ziel des Abkommens ist die Feststellung der Äquivalenz von Rechtsvorschriften und Hygienemaßnah-men zum Schutz von Mensch und Tier. Das Gesundheits-schutzniveau muss also nicht durch identische, sondern durch gleichwertige Hygienemaßnahmen gewährleistet werden. Überprüft werden die Produkthygiene und ob ein effizientes Überwachungssystems besteht. Des Weite-ren regelt das Abkommen die Anwendung des Grundsatzes der Regionalisierung sowie die Verbesserung des Informati-onsaustausches und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Hygienemaßnahmen. Ortskontrollen ermöglichen es den USA und der EU, die Einhaltung der Bestimmungen jederzeit zu überprüfen.

Die veterinärrechtlichen Systeme der USA und der EU wur-den im Vorfeld gründlich auf Gleichwertigkeit überprüft. Auf Seiten der EU war die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher (DG SANCO) für die Verhandlungen und Überprüfungen zuständig. Je nach Art des Produkts ist in den USA eine von neun verschiedenen Behörden für die Regulierung von im Inland produzierten und importierten tierischen Lebensmitteln verantwortlich. Die Verhandlun-gen über das Abkommen dauerten sechs Jahre.

65 Europäische Kommission, Health and Consumers – Veterinary Border Control, <http://ec.europa.eu/food/animal/bips/index_en.htm> (eingesehen am 15.7.2014); U.S. Department of Agriculture, Veterinary Equivalency Agreement, <http://www.usda-eu.org/trade-with-the-eu/trade-agreements/veterinary-equivalency-agreement/>; U.S. Department of Agriculture, Trade Policy Monitoring: The US-EU Veterinary Equivalence Agreement: Content and Comparison, 2005, <http://apps.fas.usda.gov/gainfiles/200512/146131719.pdf> (eingesehen am 9.7.2014); Bettina Rudloff, TTIP muss nicht zum Blankoscheck für die Einfuhr von Chlorhühnern & Co. werden, 5.6.2014, <http://www.swp-berlin.org/de/publikationen/kurz-gesagt/ttip-muss-nicht-zum-blankoscheck-fuer-die-einfuhr-von-chlorhuehnern-co-werden.html>.

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29Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Elektromobilität und intelligente NetzeEnde 2011 legten die EU und die USA mit einer gemeinsa-men Absichtserklärung zur Kooperation im Bereich Elek-tromobilität und intelligente Stromnetze (smart grids) den Grundstein für die gemeinsame Entwicklung von Techno-logien in beiden Bereichen.

In der EU ist die Rechtsgrundlage für intelligente Strom-netzte die Renewables Directive (Art. 16 2009/28/EC). Diese verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, Übertragungs-netze und Stromnetzinfrastrukturen zu entwickeln, um die Nutzung erneuerbarer Energien zu steigern.66 Elektromobi-lität hat das Potenzial, wirtschaftliches Wachstum zu stei-gern und Energie im Transportsektor einzusparen. Umso wichtiger ist es, Technologien zu standardisieren sowie die Kompatibilität von elektrischen Fahrzeugen und Stromnet-zen sicherzustellen. Nicht nur für die Automobilindustrie sind globale Standards von großer Bedeutung. Auch die Elektroindustrie und Netzwerkanbieter, die in intelligente Stromnetze investieren, drängen auf globale Standards.67

Darüber hinaus haben sich führende Automobilhersteller aus der EU und den USA (unter anderem Audi, BMW, Daimler, Ford, General Motors und Volkswagen) 2011 zum Ladestandard CCS (Combined Charging System) für Elek-troautos bekannt. CCS ist ein universelles Ladesystem, das nur eine einzige Schnittstelle am Fahrzeug benötigt, über die der Kunde mit allen verfügbaren Ladearten Strom ent-nehmen kann. Ziel der Nationalen Plattform Elektromo-bilität ist es, CCS gemeinsam mit den USA als globalen Ladestandard zu etablieren. So kann die Planungssicher-heit für Automobilhersteller und Verkehrsplaner vergrö-ßert und der Anreiz für Innovation und Investitionen im Bereich Elektromobilität erhöht werden.68

Um die Entwicklung von Technologien für Elektromobili-tät im transatlantischen Markt gemeinsam voranzutreiben, eröffneten die USA im Jahr 2013 das Electric Vehicle-Smart Grid Interoperability Center in Argonne im Bundesstaat Illi-nois. Zwei weitere Interoperability Center auf europäischer Seite gibt es in den Joint Research Centres der Europäischen

66 Europäische Kommission, Smart Grids: From Innovation to Deployment, <http://www.unece.org/fileadmin/DAM/energy/se/pp/clep/eg7/Item6_SmartGrids_Inov_Depl_EU.pdf> (eingesehen am 9.7.2014).

67 U.S. Energy Department, Energy Department Partners with EU on Electric Vehicle and Smart Grid Coordination, <http://energy.gov/articles/energy-department-partners-eu-electric-vehicle-and-smart-grid-coordination>.

68 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Fortschrittsbericht der Nationalen Plattform Elektromobilität (Dritter Bericht) 2012, S. 27, 34, <http://www.bmbf.de/pubRD/NPE_Fortschrittsbericht_2012_VorlageBarrierefreiheit_n_DNK84g.pdf> (eingesehen am 24.7.2014).

Kommission in Ispra, Italien, und in Petten in den Nieder-landen. Aufgabe dieser Forschungszentren ist es, die Kom-patibilität bestehender Technologien zu prüfen, Lade- und Verbindungstechnologien zu entwickeln und gemeinsam Bereiche zu identifizieren, bei denen es neuer Technolo-gien und Normen bedarf. 69

Gegenseitige Anerkennung von Zoll-Sicherheitspart-nerschaftenIm Mai 2012 unterzeichneten die EU-Kommission und die US-Regierung ein Abkommen zur gegenseitigen Aner-kennung ihrer Zollsicherheitsprogramme (Decision on the Mutual Recognition of Trade Partnership Programmes). Auf EU-Seite ist dies der Authorised Economic Operator (AEO), auf US-Seite die Customs-Trade Partnership Against Terrorism (C-TPAT).

Um den Status eines AEO zu erhalten, müssen Unterneh-men eine Reihe von Anforderungen erfüllen, die EU-weit gelten. Dazu gehören beispielsweise die Einhaltung der Zollbestimmungen, der Nachweis der Zahlungsfähigkeit, die ordnungsgemäße Buchführung sowie die Einführung und Beachtung ausreichender Sicherheitsstandards.70 Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sollen dem Unternehmen gewisse Erleichterungen in der Zollabfertigung zugestan-den werden.

Die C-TPAT ist ebenfalls eine auf freiwilliger Basis beru-hende Sicher heitspartnerschaft zwischen dem US-Zoll (U.S. Customs and Border Protection, CBP) und der Pri-vatwirtschaft. Im Rahmen von C-TPAT wird den zertifizier-ten Unternehmen eine beschleunigte Zollabfertigung beim Import gewährt. Voraussetzung ist, dass die Unternehmen nur mit sicheren Kunden und Lieferanten zusammenzuar-beiten. Zudem muss sich das Unternehmen verpflichten, seine Sicherheitsmaßnahmen gegenüber der Zollbehörde CBP offenzulegen sowie eventuelle Sicherheitslücken zu identifizieren und zu schließen.

Mit der gegenseitigen Anerkennung von AEO und C-TPAT soll der transatlantische Warenhandel vereinfacht werden, indem Exporteure keine doppelte Zertifizierung mehr benöti-gen. Dazu haben die EU und die USA in einer EU-US Mutual Recognition Decision vereinbart, die dafür wesentlichen

69 U.S. Energy Department, Energy Department Partners with EU on Electric Vehicle and Smart Grid Coordination, <http://energy.gov/articles/energy-department-partners-eu-electric-vehicle-and-smart-grid-coordination> (eingesehen am 20.3.2015).

70 European Commission, Authorised Economic Operator (AEO), <http://ec.europa.eu/taxation_customs/customs/policy_issues/customs_security/aeo/index_en.htm> (eingesehen am 23.7.2014).

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30 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Datensätze automatisch alle 24 Stunden zwischen den Behörden auszutauschen.71 Zu diesen Datensätzen gehö-ren Name, Adresse und Status des Wirtschaftsbeteilig-ten, außerdem das Datum der Anerkennung, Mitteilungen über Einschränkungen des Status oder Suspendierungen sowie die jeweilige Kennnummer. In den USA ist die Kenn-nummer die entsprechende C-TPAT Account Number. In der EU ist es die EORI-Nummer.

In der EU erfordern die Datenschutzbestimmungen eine gesonderte Autorisierung dieses transatlantischen Daten-austauschs durch den Wirtschaftsbeteiligten selbst. Die Antragsstellung und Entgegennahme der Zertifizierung autorisieren den Datenabgleich nur innerhalb der EU. Somit werden im transatlantischen Rahmen nur die Daten der Wirtschaftsbeteiligten ausgetauscht, die den Behörden eine entsprechende Autorisierung gegeben haben.

In der Praxis hat die gegenseitige Anerkennung der Zollsi-cherheitsprogramme bisher noch keine spürbaren Erleich-terungen im Handel gebracht. Dies liegt allerdings nicht an dem EU-US Abkommen, sondern vielmehr an Defizi-ten im AEO-Programm und bei C-TPAT selbst. So wurde das AEO-Programm noch nicht für alle Zollbereiche umgesetzt. In der EU fehlt es im Einfuhrverfahren etwa immer noch an einer wirklichen Gestellungsbefreiung – also an einer Befreiung von der Pflicht, die Importware zu einem festgelegten Zeitpunkt am oder außerhalb des Amtsplatzes dem Zoll vorzuführen oder bereitzuhalten, – und einer beschleu nigten Zollabfertigung. Zudem gibt es keine reduzierte Meldedatenpflicht bei der summarischen Ausgangsanmeldung – eine notwendige Voraussetzung für echte Erleichterungen im Handel. Auf der anderen Seite ist die Einhaltung der AEO-Kriterien kosten- und verwal-tungsintensiv. Dies ist insbesondere der Fall, wenn bauli-che Maßnahmen ergriffen werden müssen (beispielsweise zur Zugangsbeschränkung) oder zusätzliches Personal für Sicherheitskontrollen erforderlich ist (etwa für Besucher-screenings). Auch im Rahmen der neuen EU-Zollgesetzge-bung zeichnet sich ab, dass der Unionszollkodex dem AEO keine echten Erleichterungen bringen wird. Auf US-Seite wurde eine beschleunigte Zollabfertigung (fast lane) ver-sprochen, aber nicht umgesetzt. Die US-Behörden sind bisher reduzierte Inspektionsquoten schuldig geblieben.

Dennoch ist die gegenseitige Anerkennung der Zoll-Initia-tiven ein Schritt in die richtige Richtung, um ein modernes

71 European Commission, Frequently Asked Questions, EU – US Mutual Recognition, <http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/customs/policy_issues/customs_security/aeo_mra/faq.pdf> (eingesehen am 19.2. 2015).

Zollrisikomanagement voranzutreiben. Der jüngst von der Europäischen Kommission initiierte Aktionsplan zum ver-besserten Zollrisikomanagement sollte deshalb für Nach-besserungen genutzt werden. Erfreulicherweise sieht die Kommission dort selbst eine weitere Stärkung des AEO vor, um die Kooperation mit der Wirtschaft im Sinne eines umfassenden Zollrisikomanagements zu festigen. Auch für den C-TPAT sollten weitere Erleichterungen geschaf-fen werden.

Hohe Standards für SpielzeugwarenEin Beispiel dafür, wie sich die transatlantische Zusam-menarbeit auf Drittländer auswirkt, ist das gemeinsame Vorgehen der EU und der USA gegenüber China hin-sichtlich giftiger Schadstoffe in Kinderspielzeug. 2008, 2011 und 2014 reisten Vertreter aus der EU und den USA gemeinsam nach Hongkong und China, um Hersteller über die gemeinsamen, in einer EU-U.S. Working Group on Toy Safety and Other Children’s Products entwickelten Sicherheitsauflagen aufzuklären. Grundlage dafür war auf Seiten der Europäischen Union die EU Toy Safety Direc-tive 2009/48/EC.72 Auf US-Seite muss Kinderspielzeug entsprechend den Auflagen des Consumer Product Saf-ety Improvement Act von 2008 hergestellt und nach der Norm ASTM F963-11 (American Society for Testing and Materials) zertifiziert werden.73 In beiden Märkten ist es demnach verboten, bestimmte giftige oder gefährliche Che-mikalien oder Substanzen bei der Herstellung von Kin-derspielzeug zu verwenden. Das Verbot erstreckt sich auf die gesamte Lieferkette. Auf dieser Grundlage haben die U.S. Consumer Safety Commission und die Generaldirek-tion Unternehmen und Industrie bei der EU-Kommission ihre chinesischen Counterparts in der General Adminis-tration of Quality Supervision, Inspection and Quaran-tine (AQSIQ) beraten und ausgebildet. Ziel ist es, dass die chinesische Produktion die notwendigen Standards erfüllt, damit Kinderspielzeug auf dem US- und dem euro-päischen Markt in Verkehr gebracht werden kann. Auf diese Weise konnten die Handelsbeziehungen mit China auf der Grundlage eines deutlich verbesserten Verbrau-cherschutzniveaus gestärkt werden.74

72 European Commission, Toy Safety Directive, <http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/toys/documents/directives/index_en.htm> (eingesehen am 23.7.2014).

73 United States Consumer Product Safety Commission, FAQs: Safety Standards for Childrens’ Toys, <http://www.cpsc.gov/Business--Manufacturing/Business-Education/Toy-Safety/FAQs-Safety-Standard-for-Childrens-Toys/> (eingesehen am 23.7.2014).

74 Europäische Kommission, Toys: International Aspects, <http://ec.europa.eu/growth/sectors/toys/international-aspects/index_en.htm> (eingesehen am 2.7.2015).

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4.3 Erfolgsfaktoren für die transatlantische Regulierungskooperation

Angesichts der zahlreichen Initiativen seit den 1990er Jahren, die Regulierungskooperation zwischen der EU und den USA zu stärken, fällt ihre Bilanz trotz der genannten (Teil-) Erfolgsbeispiele bestenfalls gemischt aus.

Die OECD identifiziert eine Reihe von Faktoren für erfolgreiche internationale regulatorische Kooperati-on.75 An erster Stelle steht der (wirtschaftliche) Nut-zen.76 Regulierungskooperation ist beispielsweise umso attraktiver, je höher die Kosteneinsparungen im Handel sind oder auch umso mehr der Marktzugang verbessert wird. Dies wird am Beispiel der Elektromobilität deut-lich: Von der Entwicklung kompatibler Technologien für Fahrzeuge und Stromnetze profitieren die Automo-bilhersteller, die Elektroindustrie und Netzwerkanbie-ter auf beiden Seiten des Atlantiks. Auch die gegensei-tige Anerkennung der Zollsicherheitsprogramme bringt den Händlern handfeste Kosteneinsparungen. Das Bei-spiel der Elektromobilität zeigt ein weiteres Erfolgskri-terium auf: Je früher im Regulierungsprozess internati-onal kooperiert wird, desto besser stehen die Chancen, dass sich die Handelspartner auf gemeinsame Regeln und Normen einigen. Wenn sich Regulierungen dage-gen bereits sehr unterschiedlich entwickelt haben und seit Jahren, teilweise Jahrzehnten, etabliert sind, ist es schwierig, diese in Einklang zu bringen.77

Der wirtschaftliche Nutzen von Regulierungskoopera-tion allein erklärt jedoch nicht, warum manche Ini-tiativen gescheitert sind, während andere zum Erfolg gebracht werden konnten. Ein weiteres wichtiges Erfolgskriterium ist Vertrauen zwischen den Regulie-rern der Partnerländer. Voraussetzungen für gegensei-tiges Vertrauen sind wiederum eine funktionierende Rechtsgrundlage und effektive Regulierungsbehörden.78 Dies zeigt sich beispielsweise bei der gegenseitigen Aner-kennung von Bioprodukten. Die Zertifizierung von Bio-produkten beruht auf beiden Seiten des Atlantiks auf nationalen beziehungsweise europäischen Gesetzestex-ten und wird von Kontrollbehörden strikt überwacht. Die Äquivalenz und Kompatibilität der Regulierungen

75 OECD, International Regulatory Cooperation: Addressing Global Challenges, 2013, S. 109 ff.

76 OECD (2013), S. 102 f.77 OECD (2013), S. 104.78 OECD (2013), S. 110 f.

der EU und USA wurden zudem genau geprüft. Erst dadurch wurde eine gegenseitige Anerkennung möglich.

Am Beispiel der gegenseitigen Anerkennung von Bio-produkten zeigt sich ein weiteres wichtiges Erfolgskri-terium für Regulierungskooperation: die Verankerung internationaler Regulierungskooperation in Gesetzen und Regulierungsprozessen auf nationaler Ebene. So geben Durchführungsverordnungen der EU einen kla-ren Rahmen für den Import und die Anerkennung von Bioprodukten aus Drittländern vor. Die Erfolgs-aussichten sind zudem höher, wenn die Faktenlage klar ist sowie die Beurteilung auf ähnlichen Kriterien und Methoden beruht. Auch dies war bei Bioproduk-ten der Fall.

Jede noch so gut gemeinte Initiative ist jedoch zum Scheitern verurteilt, wenn keine klaren Ziele vorge-geben und keine Institutionen mit ihrer Umsetzung betraut werden. Im Falle des Abkommen zwischen der EU und den USA über die Zusammenarbeit bei der Regelung der Sicherheit der Zivilluftfahrt stellt das Bilateral Oversight Board die Implementierung des Abkommens sicher. Dieses wertet den Implementie-rungsprozess aus. Die Auswertung des Implementie-rungsprozesses stellt selbst einen weiteren Erfolgsfak-tor dar, denn so kann gegebenenfalls nachjustiert und die Zusammenarbeit verbessert werden. Hilfreich sind auch gemeinsame Arbeitsgruppen wie die EU-U.S. Wor-king Group on Toy Safety and Other Children’s Pro-ducts, auf die im konkreten Fall zurückgegriffen werden kann. Auch sie fördern den Austausch von Informatio-nen und bauen Vertrauen auf.

Grundsätzliche Voraussetzung für erfolgreiche Regu-lierungskooperation ist und bleibt jedoch der Wille auf höchster politischer Ebene, diese voranzutreiben. Rund 20 Jahre transatlantische Regulierungskooperation zei-gen dies sehr deutlich.

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4.4 Zwischenfazit

Seit den 1990er Jahren haben die EU und USA zahlrei-che Deklarationen über die transatlantische Zusammen-arbeit unterzeichnet, Dialoge ins Leben gerufen und Ins-titutionen gegründet, mit dem Ziel, Barrieren im Handel abzubauen und den transatlantischen Markt zu stär-ken. Während es zwar vereinzelte Erfolgsbeispiele gibt, führten oft der Mangel an politischem Willen sowie die Unverbindlichkeit der Verpflichtungen und Zeitpläne dazu, dass Initiativen ergebnislos blieben. Die transat-lantischen Dialogformate konnten weder verhindern, dass es wiederholt zu heftigen Handelsstreitigkeiten kam, noch dass neue Barrieren im transatlantischen Handel entstanden.

Diese Erkenntnis war der Grund dafür, dass die tran-satlantischen Partner Ende 2011 die High Level Wor-king Group on Jobs and Growth (HLWG) einsetzten und damit beauftragten, Empfehlungen für eine Stär-kung der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen zu erarbeiten. Die Arbeitsgruppe empfahl den transatlan-tischen Partnern, ein umfassendes und ambitioniertes Handels- und Investitionsabkommen zu verhandeln. Dazu zählt auch die Empfehlung, Mechanismen für die regulatorische Kooperation in einem Handelsab-kommen nachhaltig zu verankern.79 Seit Sommer 2013 laufen die Gespräche über TTIP; bis April 2015 fanden neun Verhandlungsrunden statt.

TTIP wird sich deutlich von vorangegangenen tran-satlantischen Initiativen unterscheiden: Bei TTIP han-delt es sich um ein internationales Abkommen, das von den Gesetzgebern auf beiden Seiten des Atlantiks rati-fiziert werden muss. Somit wären die Vereinbarungen im Gegensatz zu vielen früheren Versuchen der tran-satlantischen Kooperation bindend.

79 „The two sides should seek to negotiate a framework for identifying opportunities for and guiding future regulatory cooperation, including provisions that provide an institutional basis for future progress“, European Commission, Final Report High-Level Working Group on Jobs and Growth, 11.2.2013, S. 4, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/ february/tradoc_150519.pdf>.

Erfolgskriterien für Regulierungskooperation

- Engagement auf hoher politischer Ebene;

- Wirtschaflichter Nutzen;

- Ähnliche Problemwahrnehmung;

- Eine gemeinsame Sprache und Definition;

- Ausreichende Datenlage;

- Überwindung der Hürden für Informationsaus-tausch und Vorantreiben von Informationsaus-tausch;

- Verankerung internationaler Regulierungskoope-ration in Regulierungsprozessen auf nationaler Ebene;

- Einbindung flexibler Mechanismen, um Regu-lierungskooperation kontinuierlich an neue Marktstrukturen und andere Veränderungen anzupassen;

- Klare Ziele und Zeitpläne;

- Transparenz;

- Einbindung der Wirtschaft, Wissenschaft und anderer zivilgesellschaftlicher Gruppen.

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33Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

In den Verhandlungen über TTIP werden sowohl hori-zontale, also sektorübergreifende, Fragen der Regulie-rungskooperation besprochen als auch vertikale (sektor-spezifisch) Themen behandelt. Die Verhandlungspartner orientieren sich dabei an den Empfehlungen der HLWG.

In Bezug auf vertikale (sektorspezifische) Regulierungs-kooperation empfiehlt die HLWG, dass Vereinbarungen für einzelne Güter- und Dienstleistungssektoren getrof-fen werden. Der Abschlussbericht der HLWG selbst gibt keine Empfehlungen darüber, welche Sektoren dies sein sollen. Verhandelt wird zurzeit über Regulierungskoope-ration in den Branchen/Sektoren Chemie, Automobil, Kosmetika, Pharmazeutik, Textil und Bekleidung, Pesti-zide, Informations- und Telekommunikationstechnolo-gie, Maschinenbau und Elektrotechnik sowie Medizin-produkte.80 Laut Aussage der EU-Kommission ist kein Sektor grundsätzlich von den Verhandlungen ausge-nommen. Aber auch nicht für jeden Sektor ist ein eige-nes Verhandlungskapitel geplant.

Die EU-Kommission hat bisher Positionspapiere zur regulatorischen Zusammenarbeit in einzelnen Indust-riesektoren vorgelegt: Chemie, Automobil, Maschinen-bau und Elektrotechnik, Medizintechnik, Kosmetika, Pharmazeutik, sowie Textil und Bekleidung.81

Als horizontales Element sollen Vereinbarungen über Kohärenz und Transparenz geschlossen werden. Ziel ist es, dass sich die EU und die USA besser über die Entwicklung und Implementierung von Regulierun-gen informieren und diese somit kompatibler gestal-ten können. Ein weiteres horizontales Element ist die Vereinbarung eines Rahmens für zukünftige regulato-rische Zusammenarbeit. Die EU-Kommission schlägt dazu zum einen vor, die Transparenz bei der Erarbei-tung von Gesetzen und Regulierungen insgesamt zu erhöhen, um allen potenziell betroffenen Wirtschafts-teilnehmern (z.B. Verbrauchern, Unternehmen, Verbän-den, Handelspartnern) die frühzeitige Möglichkeit zu Konsultationen und Stellungnahmen zu geben. Dies soll nicht auf die transatlantischen Partner beschränkt sein. Zum anderen schlägt die EU-Kommission einen bilateralen Kooperationsmechanismus vor (Regulatory Cooperation Body), der den regelmäßigen Austausch

80 Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, TTIP-Verhandlungen werden auf Maschinenbau ausgeweitet, <http://www.vdma.org/article/-/articleview/3954755> (eingesehen am 7.7.2014).

81 Europäische Kommission, Now Online - EU Negotiating Texts in TTIP, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1230#regulatory-cooperation> (eingesehen am 22.6.2015).

der Regulierungsbehörden fördert, gemeinsame Regu-lierungsinitiativen entwickelt und die Umsetzung der in TTIP getroffenen Vereinbarungen überwacht. Die-ses Gremium soll laut EU-Kommission keine Entschei-dungsbefugnis haben und den Handlungsspielraum von Parlamenten und Regierungen auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten nicht einschränken.

Darüber hinaus soll die geplante Regulierungskompo-nente in TTIP wie auch in anderen Freihandelsabkom-men noch zwei weitere Bereiche umfassen: Zum einen soll ein Kapitel zu gesundheitspolizeilichen und pflan-zenschutzrechtlichen Maßnahmen in TTIP enthalten sein, das auf dem SPS-Abkommen der WTO basieren soll. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Handelsstrei-tigkeiten der EU und USA im Lebensmittelbereich soll dieses Kapitel den Dialog und die Kooperation in die-sem Bereich verbessern. Zum anderen wird ein Kapitel zu technischen Barrieren verhandelt, welches auf dem TBT-Abkommen der WTO aufbauen soll. Auch hier ist das Ziel, die Regulierungskooperation zu verbessern.82

Im Folgenden werden einige ausgewählte Sektoren genauer beleuchtet, um Chancen für eine intensivierte Regulierungskooperation zu identifizieren: die Auto-mobilindustrie, die chemische Industrie, der Maschi-nenbau, die Elektroindustrie, die medizintechnische Industrie, die Pharmaindustrie, die Textil- und Beklei-dungsindustrie und die Informations- und Kommuni-kationstechnik. Die Reihenfolge spiegelt dabei keine Prioritätensetzung der deutschen Wirtschaft wider. Die Liste ist nicht erschöpfend.

82 Europäische Kommission, Final Report. High Level Working Group on Jobs and Growth, 11.2.2013, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/february/tradoc_150519.pdf>.

V. Chancen für eine bessere regulatorische Zusammenarbeit

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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

34 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Quelle: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database> (eingesehen am 25.6.2015).

Abbildung 1: Außenhandel der EU. Ein- und Ausfuhren mit allen anderen Handelspartnern (Mrd. Euro)

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Quelle: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database> (eingesehen am 25.6.2015).

Abbildung 2: Außenhandel EU - USA. Insgesamt (Mrd. Euro)

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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

35Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Quelle: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database> (eingesehen am 25.6.2015).

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Anteil der US-Exporte an gesamten Warenexporten der EU (Prozent) Anteil der US-Importe an gesamten Warenimporten der EU (Prozent)

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Abbildung 3: Relative Bedeutung des US-Handels für die EU ist gesunken, zuletzt jedoch wieder gestiegen. Anteil EU-Handel mit den USA am gesamten Außenhandel der EU (Ex- und Importe in Prozent)

Quelle: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>. SITC 5 (Chemie), SITC 70-75 (Maschinen und Anlagen), SITC 76-77 (Elektronikprodukte), SITC 78 (Automobile), SITC 872 (Medizintechnik), SITC 84-85 (Bekleidung und Schuhe) (eingesehen am 25.6.2015).

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Automobile

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Abbildung 4: Einfuhren der EU aus den USA. Ausgewählte Produktgruppen (Mrd. Euro)

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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

36 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Automobilindustrie

Seit Ende der 1950er Jahren werden die technischen Vorschriften für Straßenfahrzeuge auf internationa-ler Ebene harmonisiert. Zuständig hierfür ist die Wirt-schaftskommission für Europa bei den Vereinten Natio-nen (United Nations Economic Commission for Europe, UN ECE). Sie erarbeitet Regelungen zur internationa-len Harmonisierung gesetzlicher Anforderungen und Regulierungen für Straßenfahrzeuge. Das Steuerungs-gremium für diese Zulassungsregelungen ist der Arbeits-kreis 29 (Working Party No. 29, UN WP.29), der dem Inland Transport Committee (ITC) der UN ECE zuge-ordnet ist. Die Mitglieder der UN WP.29 sind ausschließ-lich Regierungen.83 Dazu gehören nahezu alle Staaten weltweit, beispielsweise die EU und ihre Mitgliedstaa-ten sowie die USA, Japan und Russland.84

Grundlage für die Harmonisierungsbemühungen ist das am 20. März 1958 in der UN ECE beschlossene und mit Wirkung vom 16. Oktober 1995 geänderte Überein-kommen über die Annahme einheitlicher technischer Vorschriften für Radfahrzeuge, Ausrüstungsgegenstände

83 United Nations Economic Commission for Europe, Vehicle Regulations, <http://www.unece.org/trans/main/welcwp29.html> (eingesehen am 1.9.2014).

84 United Nations Economic Commission for Europe, Member States, <http://www.unece.org/oes/nutshell/member_states_representatives.html> (eingesehen am 1.9.2014).

Transatlantisches Handelsvolumen im Automobilsektor - Anteil des Sektors an den gesamten Warenimpor-ten der EU aus den USA: 3,8 % (2014), Gesamt-wert: 7,7 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Importe: 14,2 % (2013/2014)

- Anteil des Sektors an den gesamten Warenexpor-ten der EU in die USA: 12,6 % (2014), Gesamtwert: 39,2 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Exporte: 7,4% (2013/2014)

Kosten aller NTBs für den Sektor - NTBs in der EU: 25,5% Zolläquivalent

- NTBs in den USA: 26,8% Zolläquivalent

Quellen: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>, SITC 78 (Automobile) (eingesehen am 25.6.2015).

Koen G. Berden et al. (Ecorys), Non-Tariff Measures in EU-US Trade and Investment – An Economic Analysis, 2009, S. 23-24, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2009/december/tradoc_145613.pdf>.

Quelle: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>. SITC 5 (Chemie), SITC 70-75 (Maschinen und Anlagen), SITC 76-77 (Elektronikprodukte), SITC 78 (Automobile), SITC 872 (Medizintechnik), SITC 84-85 (Bekleidung und Schuhe) (eingesehen am 25.6.2015).

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Automobile

Bekleidung

Elektroprodukte

Medizintechnik

Maschinen und Anlagen

Chemische Produkte

Abbildung 5: Ausfuhren der EU in die USA. Ausgewählte Produktgruppen (Mrd. Euro)

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37Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

und Teile, die in Radfahrzeuge(n) eingebaut und/oder verwendet werden können, und die Bedingungen für die gegenseitige Anerkennung von Genehmigungen, die nach diesen Vorschriften erteilt wurden. In dem Abkom-men verpflichteten sich die Vertragsparteien, Typgeneh-migungen von Fahrzeugen gegenseitig anzuerkennen. Zu den Vertragsparteien gehören unter anderem die EU und zahlreiche ihrer Mitgliedstaaten. Das Abkom-men ist heute gewissermaßen Bestandteil der EU-Typ-genehmigung. Die USA haben das Abkommen hinge-gen nicht unterzeichnet.

1998 wurde ein zweites, sogenanntes Parallelüberein-kommen (auch Globalabkommen genannt) unterzeich-net. Es ermöglicht auch denjenigen Ländern, die sich nicht zu der im Übereinkommen von 1958 vorgesehe-nen gegenseitigen Anerkennung von Genehmigungen verpflichtet haben, an der globalen Harmonisierung teilzunehmen. In dem Parallelabkommen verpflich-ten sich die Vertragsparteien, gemeinsam entwickelte Globale Technische Regelungen (GTR) in den natio-nalen beziehungsweise regionalen Gesetzgebungspro-zess einzubringen.85 Sowohl die EU als auch die USA haben dieses Abkommen unterzeichnet.86 Dennoch hat das Abkommen noch nicht zu konkreten Harmonisie-rungen im transatlantischen Markt geführt.87 Denn die Unterzeichner des Abkommens von 1998 müssen zwar den Umsetzungsprozess ins nationale Recht anstoßen, der Abschluss dieses Prozesses oder dessen Umsetzung wird jedoch nicht geregelt.

In der EU regeln die EU-Richtlinie EC/2007/4688 sowie die Regulierungen der UN ECE die Zulassungsfähig-keit von Straßenfahrzeugen mit Blick auf die Sicher-heit im Straßenverkehr sowie den Umwelt- und Klima-schutz. Zuständig in der EU ist die Generaldirektion Mobilität und Verkehr.

85 VDA, Handelspolitische Prioritäten der deutschen Automobilindustrie, Berlin 2011. via <https://www.vda.de/de/services/Publikationen/Publikation.~977~.html$> (eingesehen am 2.7.2015).

86 „Global Technical Regulations for Wheeled Vehicles, Equipment and Parts which Can Be Fitted and/or Be Used on Wheeled Vehicles“, 1998, UN Treaty Collection, <https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=XI-B-32&chapter=11&lang=en> (eingesehen am 2.2.2015).

87 Europäische Kommission, Die globale technische Harmonisierung von Fahrzeugen, <http://europa.eu/legislation_summaries/internal_market/single_market_for_goods/motor_vehicles/motor_vehicles_technical_harmonisation/l24471_de.htm> (eingesehen am 10.7.2014).

88 Rahmenrichtlinie zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, <http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32007L0046&from=EN> (eingesehen am 2.9.2014).

Im US-Markt hingegen gelten trotz der Mitarbeit in der UN ECE neben den Umweltvorschriften der EPA (Environmetal Protection Agency) die Federal Motor Vehicle Safety Standards (FMVSS). Sie werden von der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA), einer Behörde des US-Verkehrsministeriums, erstellt und herausgegeben. Die NHTSA ist auch für die Implementierung und Durchsetzung der FMVSS

zuständig.89 Aus diesen Vorschriften ergeben sich im Vergleich zu den ECE-Regelungen abweichende Regeln für Fahrzeuge und Komponenten. Dazu gehören bei-spielsweise Anforderungen an hintere Blinkleuchten, Crashtest-Vorschriften, Insassenschutz, indirekte Sicht (u.a. Seitenspiegel), Anforderungen an Sicherheitsgurte und Gurtverankerungen oder auch Lenksysteme.

Die Automobilhersteller auf beiden Seiten des Atlan-tiks sind der Überzeugung, dass die Regeln trotz zahl-reicher Unterschiede zu einem vergleichbaren Sicher-heitsniveau führen. Daher sollte es möglich sein, diese Regeln als gleichwertig anzuerkennen.90 Um nachzu-weisen, dass Regulierungen in der Automobilindustrie äquivalent in ihrer Wirkung sind, haben die Branchen-verbände European Automobile Manufacturers’ Asso-ciation (ACEA) und der American Automotive Policy Council (AAPC) eine Studie bei einem US-amerika-nischen und einem europäischen Institut in Auftrag

89 National Highway Traffic Safety Administration, Federal Motor Vehicle Safety Standards and Regulations, <http://www.nhtsa.gov/cars/rules/import/FMVSS/> (eingesehen am 28.7.2014).

90 Europäische Kommission, AAPC and ACEA Joint Submission in Support of an Automotive Regulatory Harmonization in a European Union – United States Trade and Investment Agreement, 7. 12.2012, <http://ec.europa.eu/enterprise/policies/international/cooperating-governments/usa/jobs-growth/files/consultation/regulation/aapc-acea-joint-submission-07-12-12_en.pdf> (eingesehen am 22.5.2014).

EU

Generaldirektion Mobilität und Verkehr

USA

National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA)

Verantwortliche Institutionen und Behörden für die Regulierung der Fahrzeugsicherheit des Automobilsektors

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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

38 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

gegeben: Derzeit prüfen das Michigan Transportation Research Institute (UMTRI) und das Chalmers Univer-sity’s SAFER Vehicle & Traffic Safety Centre in Schwe-den, ob eine solche Äquivalenz belegt werden kann. Dazu wird zunächst untersucht, ob die Datenbasis aus-reichend ist, um eine verlässliche Bewertung vorzuneh-men. Dies betrifft zum Beispiel Daten über zugelassene Autos oder auch Unfallstatistiken. Im nächsten Schritt werden die größten Unfallrisiken ermittelt. Schließlich sollen die Daten mit Blick auf die Frage ausgewertet werden, ob europäische und US-amerikanische Sicher-heitsstandards im Ergebnis das gleiche Maß an Sicher-heit gewährleisten (essentially equivalent real-world performance).91

Aus Sicht von Wolfgang Bernhard, Mitglied des Vor-stands der Daimler AG, könnte TTIP zu erheblichen Entlastungen führen: „Im Ergebnis sind die Abweichun-gen bei der Sicherheitsausstattung unserer Autos win-zig. Aber auf dem Weg dorthin verursachen sie riesi-gen Aufwand. Wir müssen doppelt forschen, doppelt entwickeln, doppelt beschaffen, ausrüsten und zertifi-zieren. Diese zusätzlichen Kosten sind schon für einen Konzern wie unseren eine Belastung. Für kleine und mittelständische Unternehmen werden sie leicht zur Überlastung.“92

91 Chalmers University’s SAFER Vehicle & Traffic Safety Centre, MRMD – Mutual Recognition Methodology Development, <http://www.chalmers.se/safer/EN/projects/traffic-safety-analysis/projects/mrmd-mutual-recognition> (eingesehen am 23.7.2014).

92 Wolfgang Bernhard, „Überfälliges Abkommen“, in: Handelsblatt, 13.6.2014.

Chemische Industrie

Die EU und die USA regeln den sicheren Umgang mit Chemikalien sehr unterschiedlich.93 In der EU ist REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) die rechtliche Grundlage, in den USA der Toxic Substances Control Act (TSCA). Unter REACH müs-sen Erzeuger, Hersteller und Importeure von chemischen Stoffen gemäß des Vorsorgeprinzips sicherstellen, dass sie keinen Schaden für die Gesundheit oder Umwelt verursa-chen. Hierzu müssen die Unternehmen für jeden Stoff ein Registrierungsdossier mit umfangreichen Informationen einreichen. Ohne eine vorherige Registrierung sind Her-stellung oder auch Import verboten (no data – no mar-ket). Unter dem TSCA ist es die US-Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency, EPA), die den Test von Substanzen auf ihre Gesundheits- oder Umweltwirkung

93 Verband der Chemischen Industrie, TTIP: Questions & Answers from the Chemical Industry, 1. 4.2014, S. 14, <https://www.vci.de/Downloads/PDF/Questions%20and%20Answers%20from%20the%20chemical%20industry%20regarding%20an%20EU-US%20free%20trade%20agreement.pdf>.

Transatlantisches Handelsvolumen im Chemiesektor - Anteil des Sektors an den gesamten Warenimpor-ten der EU aus den USA: 22,4% (2014), Gesamt-wert: 45,9 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Importe: 5,4% (2013/2014)

- Anteil des Sektors an den gesamten Warenexpor-ten der EU in die USA: 21,6% (2014), Gesamtwert: 67,3 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Exporte: 8,5% (2013/2014)

Kosten aller NTBs für den Sektor - NTBs in der EU: 23,9% Zolläquivalent

- NTBs in den USA: 21,0% Zolläquivalent

Quellen: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>, SITC 5 (Chemie) (eingesehen am 25.6.2015).

Koen G. Berden et al. (Ecorys), Non-Tariff Measures in EU-US Trade and Investment – An Economic Analysis, 2009, S. 23-24, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2009/december/tradoc_145613.pdf>.

Empfehlungen der Automobilindustrie - Gegenseitige Anerkennung von UNECE- und FMVSS-Regulierungen sowie weiterer Regulierun-gen wie Umweltstandards als äquivalent, soweit Gleichwertigkeit nachgewiesen wurde;

- Kontinuierliche Zusammenarbeit bei der Entwick-lung und Regulierung neuer Technologien;

- Intensivierung der gemeinsamen Forschungs- und Regulierungsaktivitäten im Bereich Elektromobilität.

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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

39Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

veranlassen muss, um eine Substanz zu verbieten.94 Die beiden Regelwerke sind somit nicht vergleichbar.

Im Chemiebereich ist eine gegenseitige Anerkennung der Registrierungs- und Zulassungsvorschriften von Chemikalien wegen der Unterschiedlichkeit der Regu-lierungen in den USA und der EU daher nicht mach-bar. Dennoch sollten Möglichkeiten geprüft werden, wie die transatlantischen Partner kooperieren können, um Doppelarbeit zu reduzieren und langfristig eine grö-ßere Vergleichbarkeit der Chemikalienregulierungen zu erreichen. TTIP darf dabei aber nicht dazu führen, die hohen chemikalienrechtlichen Standards in der EU abzusenken.

Dazu sind folgende Schritte denkbar:

Die Einstufung in Gefahrenklassen und die entspre-chende Kennzeichnung von Chemikalien könnten zwischen der EU und den USA angeglichen und ähn-lich gehandhabt werden. Grundlage dafür sollte das GHS-Klassifizierungs- und Kennzeichnungssystem der

94 Kommerskollegium National Board of Trade (2014), S. 61 ff.

Vereinten Nationen sein (GHS: Globally Harmonized System). Durch das GHS-System werden physikalische Gefahren, Gesundheitsgefahren und Umweltgefahren, die von einem Produkt ausgehen, kenntlich gemacht. Die USA und die EU haben das GHS-System aner-kannt, setzen es bislang jedoch noch unterschiedlich um, etwa mit Blick auf Gefährdungen für die Umwelt. Dies führt zu bürokratischem Mehraufwand für Herstel-ler und verringert die Transparenz für die Verbraucher.

Die Behörden könnten ferner hinsichtlich der Priorisie-rung der zu bewertenden Chemikalien eine enge Zusam-menarbeit beschließen, um so gemeinsam diesen von beiden Seiten durchzuführenden Bewertungsprozess bewältigen zu können.

Gerade mit Blick auf Regulierungen für neue Tech-nologien ist es sinnvoll, dass die transatlantischen Part-ner enger zusammenarbeiten. Nur so kann verhindert werden, dass in beiden Märkten unterschiedliche Regu-lierungen und Normen entstehen, obwohl vergleichbare Ziele verfolgt werden. Ein Beispiel sind Nanomateri-alien: Hier könnten die Europäische Chemieagentur ECHA und die U.S. Environmental Protection Agency (EPA) zunächst eine einheitliche Definition dazu ent-wickeln, was Nanomaterialien sind. Die FDA ist die behördliche Lebensmittelüberwachungs- und Arznei-mittelzulassungsbehörde in den USA und als solche dem Gesundheitsministerium (U.S. Department of Health and Human Services, HHS) unterstellt. Darüber hin-aus könnten sich die Behörden darüber verständigen, wie bestehende Gesetze und Regulierungen auf Nano-materialien angewendet werden sollten, um zu mög-lichst einheitlichen Regeln zu kommen.

EUGeneraldirektion Unternehmen und Industrie

European Chemicals Agency (ECHA)

USAEnvironmental Protection Agency (EPA)

Consumer Product Safety Commission (CPSC)

Food and Drug Administration (FDA)

Department of Homeland Security (DHS)

Occupational Safety and Health Administration (OSHA)

Empfehlungen der Chemieindustrie - Harmonisierung bei der Einstufung und Kennzeich-nung von Chemikalien (z.B. für Warnhinweise und -symbole), um zu vermeiden, dass umverpackt oder umetikettiert werden muss;

- Intensivierung der Zusammenarbeit bei der Regulie-rung neuer Technologien, z.B. der Nanotechnologie.

Verantwortliche Institutionen und Behörden für die Regulierung des Chemiesektors

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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

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42 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Maschinenbau

Die EU-Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) stellt im Bereich der mechanischen Sicherheit die rechtliche Grundlage für das Inverkehrbringen von Maschinen im europäischen Binnenmarkt dar.95 Nach dieser muss ein Hersteller ein Konformitätsbewertungsverfahren durchführen, dessen Bestandteil unter anderem die Risikobeurteilung ist. Hier kann der Hersteller auf die Regelungen der EN ISO 12100 Sicherheit von Maschi-nen zurückgreifen. Nach erfolgreichem Abschluss des Verfahrens erstellt der Hersteller die EG-Konformi-tätserklärung. Durch diese erklärt er, mit welcher(n) Rechtsvorschrift(en) die Übereinstimmung des Pro-dukts besteht. Der Hersteller ist nicht verpflichtet, hier-für die Maschine einer Konformitätsbewertung durch eine unabhängige Drittstelle zu unterziehen. Vielmehr können die Ausstellung der EG-Konformitätserklärung und die Anbringung der CE-Kennzeichnung in der Regel durch eine sogenannte Herstellerselbsterklärung auf der Grundlage der herstellereigenen Prüfungen erfolgen. Im Anschluss an diese Selbsterklärung des Herstellers muss die CE-Kennzeichnung (conformité européenne) des Produkts nach außen hin sichtbar erfolgen. Sie

95 Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V., VDMA on Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), August 2013, <https://euro.vdma.org/documents/106103/960660/VDMA_PP_%20on%20TTIP_09_2013/294b845b-6faa-4653-813a-5c13abe212bf> (eingesehen am 22.5.2014).

bestätigt die vollständige Einhaltung der grundlegen-den (Sicherheits-) Anforderungen, die in den EU-Richt-linien konkret festgelegt sind. Die CE-Kennzeichnung ist die verpflichtende Voraussetzung, um ein Produkt auf dem europäischen Markt in Verkehr zu bringen.96

Für die elektrische Sicherheit sind darüber hinaus die Niederspannungsrichtlinie (2014/35/EU) sowie die EMV-Richtlinie (2014/30/EU) zur elektromagnetischen Verträglichkeit relevant. Auch hier gilt in der EU im Grundsatz das Prinzip der Herstellerselbsterklärung mit anschließender CE-Kennzeichnung des Produkts.97

In den USA existieren keine, an den Hersteller gerich-tete verbindliche Regelungen zur Maschinensicherheit. Technische Sicherheitsanforderungen werden vielmehr durch entsprechende Arbeitsschutzvorschriften defi-niert. Die von der Occupational Safety and Health Administration (OSHA) erlassenen verbindlichen Regeln werden dann teilweise mit Abweichungen bezie-hungsweise Ergänzungen auf bundesstaatlicher Ebene umgesetzt. Im Unterschied zu Europa richten sich die OSHA-Regeln direkt an die Betreiber der Maschinen. Dabei beziehen sich die Regelungen der OSHA häu-fig auf US-amerikanische Normen. Somit werden diese Normen, die oft nicht mit internationalen ISO- oder IEC-Normen harmonisiert sind, rechtlich verbindlich.98

Der Nachweis, dass ein Produkt die Vorgaben zur elekt-rischen Sicherheit erfüllt, kann durch eine Zertifizierung relevanter elektrischer Komponenten durch privatwirt-schaftliche, staatlich anerkannte Testlabore (NRTLs) erfolgen. Das anschließend vergebene Prüfzeichen wird von den jeweils lokal zuständigen Behörden (authority having jurisdiction, AHJ) als Nachweis für die Einhal-tung der nationalen Sicherheitsnormen anerkannt. Die CE-Kennzeichnung wird von ihnen nicht akzeptiert.

Eine gegenseitige Anerkennung von Zertifikaten, Produkt-tests und -prüfungen würde die Produktion für den jeweils

96 Europäische Kommission, CE-Kennzeichnung, <http://ec.europa.eu/enterprise/policies/single-market-goods/cemarking/index_de.htm> (eingesehen am 22. Mai 2014).

97 VDMA, VDMA Comments on Sector Annex Engineering Industry of Transatlantic Trade and Investment Partnership, 9.7.2014, <http://www.vdma.org/documents/106103/4318571/VDMA%20comments%20on%20sector%20annex%20TTIP/270b558a-6206-41bf-838b-ad487801e2c1> (eingesehen am 25.7.2014).

98 Glenn Demby, What’s the Difference Between an OSHA Rule and an ANSI Standard?, <http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:9RZinsstcjEJ:https://www.asse.org/publications/standards/docs/Dembystandardsarticle3-21-2006.doc+&cd=1&hl=de&ct=clnk&gl=de> (eingesehen am 26.6.2014).

Transatlantisches Handelsvolumen im Maschinenbausektor - Anteil des Sektors an den gesamten Warenimpor-ten der EU aus den USA: 20,1 % (2014), Gesamt-wert: 41,2 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Importe: 4,4% (2013/2014)

- Anteil des Sektors an den gesamten Warenexpor-ten der EU in die USA: 19,9 % (2014), Gesamtwert: 61,7 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Exporte: 11,5% (2013/2014)

Kosten aller NTBs für den Sektor - N/A

Quelle: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>, SITC 70-75 (Maschinen und Anlagen) (eingesehen am 25.6.2015).

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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

43Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

anderen Markt und damit den transatlantischen Handel erheblich vereinfachen. TTIP könnte getreu dem Motto one standard, one test, accepted everywhere zu einer Angleichung der Regulierungen und Normen beitragen.

Ein Wärme- und Heiztechnikanbieter berichtet bei-spielsweise, dass viele Standardkomponenten wie Gasarmaturen, Gasrohre, Kabelbäume, Sicherheitsven-tile oder auch Wärmeüberträger, die in Deutschland hergestellt werden, in den USA nicht verwendet wer-den können. Sie müssen daher durch Sonderbauteile mit identischer Funktion und gleichem Sicherheitsni-veau ersetzt werden. Das verteuert die Herstellungskos-ten und damit den Preis für den Endverbraucher. Dies lässt sich am Beispiel der Alfred H. Schütte GmbH ver-deutlichen, einem führenden Anbieter für industrielle Schleifmaschinen: Ihr Geschäftsführer erklärt, dass in Deutschland die Notabschaltknöpfe an seinen Maschi-nen in 1,10 bis 1,30 Metern Höhe montiert sein müssen, in den USA dagegen in 0,90 bis 1,10 Metern Höhe.99 Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) schätzt, dass einem Maschinenbauer heute

99 „Auf Augenhöhe mit dem Chlorhühnchen“, in: Wirtschaftswoche, 26.5.2014, S. 20-26.

Mehrkosten von bis 20 Prozent entstehen, um ein Pro-dukt an die Vorschriften des US-amerikanischen Mark-tes anzupassen.100

Ein weiteres Beispiel ist der Maschinenbauer Schubert und Salzer, der weltweit Ventiltypen etwa für druckbe-lastete Bauteile sowie für sterile und lebensmittelbe-rührende Produkte liefert. Ein Viertel des Unterneh-mensumsatzes wird in den USA generiert. Um den US-Markt bedienen zu können, muss sich das Unter-nehmen einer Vielzahl von zusätzlichen, teuren Audi-tierungen unterziehen – obwohl in Deutschland und Europa bereits umfangreiche Prüfverfahren auf höchs-tem Niveau durchgeführt wurden. Um der Vielzahl der verschiedenen technischen Normen zu genügen, müssen zehntausende von technischen Zeichnungen geändert wer-den. Das verteuert die Produkte und schwächt die Wettbe-werbsfähigkeit gegenüber US-amerikanischen Anbietern. Als industrieller Mittelstand leidet das Unternehmen über-proportional unter den administrativen Belastungen, weil die Erfüllung der Anforderungen viele Mitarbeiter bindet. Das Unternehmen erwägt in der Folge, einen zweiten Pro-duktionsstandort in den USA aufzubauen.101 Die Vorsit-zende der Geschäftsführung der Trumpf GmbH, Nicola Leibinger-Kammüller, unterstreicht daher die Chancen von TTIP: „Kosten für doppelte Zulassungsverfahren haben klei-nere Unternehmen bisweilen davon abgehalten, in einen Markt einzutreten. (…) Wir weltweit agierende deutsche Mittelständler wünschen uns TTIP, wir brauchen TTIP, wir wollen TTIP.“102

Voraussetzung für eine gegenseitige Anerkennung von Zer-tifikaten, Produkttests und -prüfungen zwischen der EU und den USA ist allerdings, dass die einschlägigen Sicher-heitsanforderungen einander angeglichen und die einschlä-gigen Normen auf Basis internationaler ISO/IEC-Normen harmonisiert werden.

Um eine gleichwertige Kompetenz der Labore und Prü-feinrichtungen zu gewährleisten, sollte auf das internati-onal etablierte Akkreditierungssystem zurückgegriffen werden. In der Konsequenz würden sich alle Organisatio-nen, die Akkreditierungen aussprechen, im Rahmen eines Mutual Recognition Agreements bei der Internationalen

100 „Freihandel auch mit Maschinen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Mai 2014, S. 22.

101 VDMA, Erfolg für VDMA: Maschinenbau wird in TTIP aufgenommen, <http://www.vdma.org/article/-/articleview/3859967> (eingesehen am 22.5.2014).

102 Nicola Leibinger-Kammüller, „Der Freihandel hilft uns“, in: Handelsblatt, 23.6.2014, S. 48.

EUGeneraldirektion Unternehmen und Industrie

Generaldirektion Umwelt

Generaldirektion Energie

USAOccupational Safety and Health Administration (OSHA)

Environmental Protection Agency (EPA)

National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA)

U.S. Coast Guard (USCG)

Federal Communications Commission (FCC)

Verantwortliche Institutionen und Behörden für die Regulierung des Maschinenbaus

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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

44 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Vereinigung für die Akkreditierung von Test- und Prüflabo-ren (International Laboratory Accreditation Cooperation, ILAC) und der Internationalen Vereinigung der Akkredi-tierer und Konformitätsbewertungsstellen (International Accreditation Forum, IAF) zur Einhaltung bestimmter Anforderungen verpflichten. Insbesondere wäre es wün-schenswert, dass die OSHA ebenso wie das American Nati-onal Standards Institute (ANSI) als Akkreditierer auftritt und das ILAC Mutual Recognition Agreement unterzeich-net. Denn damit müssten auch die von der OSHA aner-kannten unabhängigen Testlabore (NRTLs) nicht nur ihre Prüfergebnisse und Zertifikate untereinander, sondern auch die Ergebnisse und Nachweise anderer nach ILAC akkre-ditierter Prüflabore anerkennen. Dies wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einem international einheitli-chen Akkreditierungsregime.

Elektroindustrie

In der Elektroindustrie sind in erster Linie drei Richtli-nien Grundlage für das Inverkehrbringen von Produk-ten im europäischen Markt: die Richtlinie 2011/65/EU zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefähr-licher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, die Richtlinie 2004/108/EG zur Angleichung der Rechts-vorschriften der Mitgliedstaaten über die elektromag-netische Verträglichkeit sowie die Niederspannungs-richtlinie 2006/95/EG.103 Die Hersteller müssen anhand eines Konformitätsbewertungsverfahrens, der eigenver-antwortlichen Herstellererklärung (Konformitätserklä-rung) und der CE-Kennzeichnung die Konformität der Produkte mit diesen Vorgaben nachweisen und erklä-ren. Die technischen Normen (harmonized EN), auf die in den Richtlinien Bezug genommen wird, sind weitest-gehend mit IEC-Normen identisch. Die verpflichtende Einbeziehung einer Drittprüfstelle (z.B. Zertifizierung) ist bei diesen Richtlinien nicht vorgesehen.

103 Europäische Kommission, New Legislative Framework, <http://ec.europa.eu/enterprise/policies/single-market-goods/documents/internal-market-for-products/new-legislative-framework/index_en.htm> (eingesehen am 23.7.2014).

Transatlantisches Handelsvolumen im Elektroindustriesektor - Anteil des Sektors an den gesamten Warenimpor-ten der EU aus den USA: 7,5% (2014), Gesamtwert: 15,3 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Importe: 5,7% (2013/2014)

- Anteil des Sektors an den gesamten Warenexpor-ten der EU in die USA: 6,7% (2014), Gesamtwert: 20,8 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Exporte: 5,7% (2013/2014)

Kosten aller NTBs für den Sektor - NTBs in der EU: 6,5% Zolläquivalent

- NTBs in den USA: 6,5% Zolläquivalent

Quellen: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>, SITC 76-77 (Elektronikprodukte) (eingesehen am 25.6.2015).

Koen G. Berden et al. (Ecorys), Non-Tariff Measures in EU-US Trade and Investment – An Economic Analysis, 2009, S. 23-24, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2009/december/tradoc_145613.pdf>.

Empfehlungen des Maschinenbaus - Engere Zusammenarbeit bei der Entwicklung neuer Regularien zur Produktsicherheit und bei deren Überarbeitung;

- Engere Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Normen unter dem Dach von ISO und IEC; Über-nahme bestehender ISO/IEC-Normen in das jewei-lige nationale Regelwerk;

- Harmonisierung technischer Sicherheitsanforde-rungen auf der Basis internationaler ISO/IEC-Nor-men;

- Gegenseitige Anerkennung von Prüfverfahren und Zertifikaten bei identischen Anforderungen;

- Nutzung der Herstellerselbsterklärung im US-ame-rikanischen Regelwerk;

- Konsequente Nutzung des internationalen Akkre-ditierungssystems;

- Verbesserung der Transparenz und der Informati-onslage über Regulierungen in den USA auf Ebene des Bundes, der Einzelstaaten und der Kommunen.

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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

45Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

In den USA unterliegen gewerblich genutzte Elektroprodukte, einschließlich Produkte für die Elektroinstallation, – ähnlich wie beim Maschinenbau – der Zertifizierungspflicht durch pri-vatwirtschaftliche, staatlich anerkannte Testlabore (NRTLs). Diese müssen sich wiederum an die Arbeitsschutzvorschriften der OSHA halten. Die technischen Normen, die in den Prüf-vorschriften als Grundlage herangezogen werden, wurden zum größten Teil außerhalb von ISO- und IEC entwickelt und wei-chen daher in weiten Teilen von den Europäischen Normen, die in der Regel identisch mit ISO und IEC-Normen sind, ab. Die Zulassung eines Produkts für den US-Markt wird daher in vielen anderen Ländern nicht anerkannt. Darüber hinaus sind, wie auch im Maschinenbau, in den USA Zusatzanfor-derungen durch einzelstaatliche und lokale Regulierungsbe-hörden (authority having jurisdiction, AHJ) möglich. Ferner sind weitreichende normative Anforderungen in einzelstaat-lichen gesetzlichen Bestimmungen verankert. Eine wichtige Basis für elektrotechnische Anforderungen bildet der National Electrical Code (NEC). Er geht auf eine Norm zurück und bil-det einen Mustertext für einzelstaatliche Gesetze. Er ist damit trotz USA-weiter Bedeutung kein Bundesgesetz. Ein Abkom-men kann deshalb hier nur wirksam sein, wenn auch die Ein-zelstaaten und AHJ einbezogen werden.

Aufgrund der unterschiedlichen Systeme kann derzeit auch hier keine gegenseitige Anerkennung der Prüfungen (Konformi-tätsbewertungen) und der Prüfergebnisse (Zertifikate) erfolgen. Zunächst sollten die im jeweiligen Markt geltenden Normen einander angeglichen werden. Auf beiden Seiten werden diese Normen von unabhängigen, dem Gesetzgeber nicht unterge-ordneten Standardisierungsorganisationen gesetzt und kön-nen daher nicht ohne weiteres in die regulatorische Zusam-menarbeit einbezogen werden. Die Angleichung technischer Normen sollte durch die Vertragspartner auf Basis internatio-nal anerkannter ISO- oder IEC-Normen gefördert werden. Wo Regulierung auf technische Normen Bezug nimmt, sollte dies vorzugsweise mit solcherart vereinheitlichten Normen gesche-hen. Darüber hinaus ist ohne Einbeziehung der einzelstaatli-chen und lokalen Regulierungsebenen ein effektiv vergleich-barer Marktzugang nicht zu erreichen.

Gelänge dies, wären auch in diesem Bereich erhebliche Kos-teneinsparungen zu erwarten. ebm-papst, ein mittelständi-sches Unternehmen, das Ventilatoren für Kühlschränke und LED-Scheinwerfer herstellt, beschäftigt allein 15 Mitarbeiter für die Zertifizierung für den US-Markt. „Wir können viel Geld besser in die Entwicklung neuer Produkte stecken, damit hier Jobs sichern und unsere Wettbewerbsposition auf dem ame-rikanischen Markt stärken“, so der Geschäftsführer Rainer Hundsdörfer.104

104 „Auf Augenhöhe mit dem Chlorhühnchen“, in: Wirtschaftswoche, 26.5.2014, S. 20-26.

Verantwortliche Institutionen und Behörden für die Regulierung der Elektronikindustrie

EUGeneraldirektion Energie

Generaldirektion Unternehmen und Industrie

USAOccupational Safety and Health Administration (OSHA)

Environmental Protection Agency (EPA)

National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA)

U.S. Coast Guard (USCG)

Federal Communications Commission (FCC)

Diverse einzelstaatliche oder locale Behörden (“AHJ“)

Empfehlungen der Elektroindustrie - Angleichung und gemeinsame Erarbeitung der tech-nischen Anforderungen auf Basis internationaler ISO/IEC-Normen;

- Gegenseitige Anerkennung von Prüfergebnissen als gleichwertig, sofern identische technische Normvor-gaben vorliegen;

- Strukturelle Angleichung der Regulierungssysteme, sodass zusammen mit der Harmonisierung technischer Normen die Anerkennung von Konformitätsbewertun-gen aus dem jeweils anderen Marktgebiet möglich wird;

- Einbeziehung der Einzelstaaten und lokalen Behörden in den USA in die regulatorische Zusammenarbeit.

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46 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Medizintechnische Industrie

Das Spektrum der Medizinprodukte umfasst Geräte der bildgebenden Diagnostik wie Ultraschall- oder Rönt-gengeräte, aktive und nichtaktive Implantate, Verband-stoffe, Labordiagnostika, chirurgische Instrumente wie Katheter und Skalpelle sowie Hilfsmittel wie beispiels-weise Prothesen oder Rollstühle.

Für die medizintechnische Industrie sind nicht-tarifäre Handelshemmnisse die größte Barriere im transatlanti-schen Handel. Vor allem für kleine und mittlere Unter-nehmen, aus denen die medizintechnische Industrie in Deutschland mehrheitlich besteht, stellen sie eine erheb-liche Belastung dar. Die Exportquote der Branche liegt bei 68 Prozent. Das Hauptzielland für Exporte der Medi-zintechnikbranche sind die USA – dorthin werden 18 Prozent der deutschen Exporte geliefert.105

In der EU regeln folgende Richtlinien das Inverkehr-bringen von Medizinprodukten, die in Deutschland über das Medizinproduktegesetz (MPG) national umgesetzt wurden: 93/42/EWG über Medizinprodukte, 90/385/EWG über aktive implantierbare medizinische Geräte und 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika (IVD). Die

105 SPECTARIS, TTIP: SPECTARIS fordert gegenseitige Anerkennung der Zulassungsverfahren bei Medizinprodukten, Pressemitteilung, 31.7.2014, <http://www.spectaris.de/verband/presse/artikel/seite/ttip-spectaris-fordert-gegenseitige-anerkennung-der-zulassungsverfahren-bei-medizinprodukten/verband.html> (eingesehen am 8.8.2014).

drei genannten Richtlinien wurden bis heute mehrfach durch Änderungsrichtlinien und Verordnungen ange-passt und ergänzt.

Am 26. September 2012 legte die Europäische Kommis-sion Verordnungsvorschläge zu Medizinprodukten106 und In-vitro-Diagnostika107 vor. Die Verordnungen sol-len zum einen die EU-Richtlinien für Medizinprodukte sowie für aktive implantierbare medizinische Geräte und zum anderen die EU-Richtlinie für In-vitro-Diag-nostika ersetzen. Während EU-Richtlinien in nationale Gesetze umzusetzen sind, wurde mit der Verordnung ein Rechtsakt gewählt, der in den EU-Mitgliedstaa-ten unmittelbar Geltung erlangt. Beide Verordnungs-vorschläge durchlaufen derzeit noch das europäische Rechtsetzungsverfahren.

Bevor ein Produkt im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in den Verkehr gebracht wird, prüft der Her-steller anhand der Zweckbestimmung und Wirkungs-weise seines Produkts, ob es ein Medizinprodukt ist und somit dem Anwendungsbereich des Medizinpro-duktegesetzes (MPG) unterfällt.

Medizinprodukte dürfen im EWR nur mit einer CE-Kennzeichnung und einer gesetzlich vorgeschrie-benen EG-Konformitätserklärung des Herstellers nach den Bestimmungen des EU-Medizinprodukterechts auf den Markt gebracht werden. Für alle Medizinpro-dukte bringt der Hersteller die CE-Kennzeichnung an, nach Durchführung eines gesetzlich vorgeschriebenen Konformitätsbewertungsverfahrens. Dies geschieht in der Regel unter Beteiligung einer Benannten Stelle (Konformitätsprü fungsstelle) und nach Abgabe einer gesetzlich vorge schriebenen detaillierten EG-Konfor-mitätserklärung. Mit der Konformitätserklärung erklärt der Hersteller die Übereinstimmung des Produkts mit den einschlägigen „Grundlegenden Anforderungen“. Diese dienen dem Nachweis der Sicherheit sowie der technischen und medizinischen Leistungsfähig-keit eines Medizinprodukts108. Der Hersteller muss eine

106 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinprodukte und zur Änderung der Richtlinien 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 – COM(2012) 542 final – 2012/0266 (COD), <http://ec.europa.eu/health/medical-devices/files/revision_docs/proposal_2012_542_de.pdf>.

107 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über In-vitro-Diagnostika – COM(2012) 541 final – 2012/0267 (COD), <http://ec.europa.eu/health/medical-devices/files/revision_docs/proposal_2012_541_de.pdf>.

108 Die Eignung eines jeden Medizinprodukts für den vorhergesehenen Zweck ist durch eine klinische Bewertung zu belegen (§ 19 MPG).

Transatlantisches Handelsvolumen im Sektor medizintechnische Industrie - Anteil des Sektors an den gesamten Warenimpor-ten der EU aus den USA: 2,8% (2014), Gesamtwert: 5,8 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Importe: 1,7% (2013/2014)

- Anteil des Sektors an den gesamten Warenexpor-ten der EU in die USA: 1,4% (2014), Gesamtwert: 4,5 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Exporte: 12,3% (2013/2014)

Kosten aller NTBs für den Sektor - N/A

Quelle: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>, SITC 872 (Medizintechnik) (eingesehen am 25.6.2015).

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47Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

technische Dokumentation anfertigen und bereithalten, in der er darlegt, wie er die Grundlegenden Anforderun-gen erfüllt hat.

Für alle Medizinprodukte ist eine Risikoanalyse im Rah-men des Risikomanagementsystems (in der Regel nach EN ISO 14971:2012) und eine klinische Bewertung durchzuführen.

Der Konformitätsnachweis wird im Rahmen von Kon-formitätsbewertungsverfahren erbracht. Bei den meisten Medizinprodukten (außer Produkten der Klasse I) erfolgt dieser Nachweis im Rahmen eines vollständigen Quali-tätssicherungssystems (EN ISO 13485:2009), das (nur) bei Produkten der Klasse III zwingend die Prüfung der Produktauslegung mit umfasst. Wahlweise kann die Kon-formität auch im Rahmen einer EG-Baumusterprüfung erbracht werden. Bei dieser erfolgt der Nachbau repräsen-tativer Exemplare (Prototypen) meist im Rahmen eines QM-Systems oder seltener per EG-(Einzel)-Prüfung.

Abhängig vom Risikopotenzial der Produkte sind Kon-formitätsbewertungsverfahren entweder in alleiniger Zuständigkeit des Herstellers oder mit steigendem Risiko auch unter Kontrolle einer Benannten Stelle vor-gesehen. Zusammenfassend gilt: Je höher das Risiko-potenzial des jeweiligen Medizinprodukts, desto höher ist der Umfang der externen Fremdkontrolle. Medizin-produkte gemäß Richtlinie 93/42/EWG werden in vier Klassen (Klassen I, IIa, IIb und III) eingeteilt und IVD nach Richtlinie 98/79/EG in vier Gruppen: Liste A nach Anhang II, Liste B nach Anhang II, Produkte zur Eigenanwendung, Allgemeine In-vitro-Diagnostika. Aktive Implantate nach Richtlinie 90/385/EWG ent-sprechen vom Gefährdungspotenzial her Medizinpro-dukten der Klasse III und unterliegen entsprechend ähnlichen Anforderungen.

Verantwortliche Person für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten ist der Hersteller oder sein Bevollmäch-tigter. Werden Medizinprodukte nicht unter der Verant-wortung des Bevollmächtigten eingeführt, ist der Einfüh-rer Verantwortlicher (§ 5 MPG).

Bei einer Benannten Stelle handelt es sich um eine staat-lich autorisierte und überwachte, unabhängige Prüf- und Zertifizierungsstelle, die im Auftrag des Herstellers die von ihm durchgeführte Konformitätsbewertung überprüft und deren Korrektheit nach einheitlichen Bewertungs-maßstäben bestätigt. Sie prüft die genannten Medizin-produkte, den Herstellungsprozess der Produkte und/

oder die Produktdokumentation auf Übereinstimmung mit den Anforderungen der entsprechenden EU-Richtli-nien. Zudem führen Benannte Stellen regelmäßig Über-wachungsaudits bei den Medizinproduktherstellern und ihren wichtigen Lieferanten durch. Darüber hinaus sind von Benannten Stellen auch unangekündigte Audits durchzuführen,

Mit der CE-Kennzeichnung ist das Produkt im europäi-schen Binnenmarkt grundsätzlich verkehrsfähig. Weiter-hin bedarf es auf Basis der nationalen Bestimmungen der Kennzeichnung des Produkts (Gebrauchsanweisung) in der Amtssprache des jeweiligen EU-Bestimmungslands. Überdies muss das erstmalige Inverkehrbringen bei der national zuständigen Überwachungsbehörde, die die behördliche Marktüberwachung auslöst, angezeigt/regis-

triert werden.

In den USA ist landesweit das Center for Devices and Radiological Health (CDRH) innerhalb der FDA für die Marktzulassung von medizintechnischen Produkten zuständig. Grundlage für die Arbeit ist der Medical Devices Regulation Act aus dem Jahr 1976. Dieses Gesetzt definiert drei Risikokategorien für Arzneiprodukte: Klasse I – gerin-ges Risiko; Klasse II – moderates Risiko; Klasse III: hohes Risiko. Auf dieser Grundlage gibt es zwei unterschiedliche Verfahren für die Zulassung. Bei einigen medizintechni-schen Produkten mit einem geringen bis mittleren Risiko für den Patienten muss die Äquivalenz mit einem bereits

Verantwortliche Institutionen und Behörden für die Regulierung der medizintechnischen Industrie

EUGeneraldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU (DG GROW)

Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (DG SANTE)

USADepartment of Health and Human Services(HHS)

Food and Drug Administration (FDA) / Center for Devices and Radiological Health (CDRH)

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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

48 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

auf dem US-amerikanischen Markt befindlichen Gerät oder Produkt nachgewiesen werden. Dieses Verfahren wird als Premarket Notification (510k = Section 510(k) of Federal Food, Drug, and Cosmetic Act) bezeichnet. Dieses Verfahren ist keine Produktzulassung, sondern eine Pro-duktfreigabe. Viele Produkte der Klasse I und einige der Klasse II sind vom 510k-Verfahren ausgenommen; hier reicht eine Registrierung bei der FDA.109 Geräte, die ein potenziell hohes Risiko für den Patienten mit sich brin-gen (Klasse III), unterliegen in der Regel dem premarket approval (PMA), also einer behördlichen Zulassung. In diesem Verfahren müssen die (grundsätzlich für alle Pro-duktklassen nachzuweisende) Sicherheit und Wirksam-keit wissenschaftlich durch klinische Studien nachgewie-sen werden.110 Ein premarket approval erfolgt jedoch nur bei rund einem Prozent aller Produkte.111

Regulatorische Zusammenarbeit und Konvergenz Die regulatorische Zusammenarbeit zwischen dem euro-päischen und dem US-amerikanischen System sollte in der Medizintechnik unter Beibehaltung des europäi-schen Systems im Besonderen in drei Bereichen priori-siert werden: 1) bei Konformitätsnachweisen, die für den Marktzugang erforderlich sind, 2) beim Qualitätsmanage-mentsystem (QMS) sowie 3) beim Unique Device Identi-fication-System. Eine bessere Zusammenarbeit in diesen Bereichen würde dazu beitragen, Produkte der Medizin-technik schneller auf den Markt zu bringen und für Patien-ten den Zugang zu innovativen und sicheren Technologien zu verbessern. Darüber hinaus würden Doppelprüfungen identischer Unterlagen vermieden und es könnten Kosten, die derzeit durch zwei unterschiedliche Marktzugangssys-teme entstehen, gesenkt werden.

1. KonformitätsnachweiseEin gemeinsamer Standard für Konformitätsnach-weise, die für den Markzugang erforderlich sind, würde den administrativen Aufwand für Hersteller erheblich reduzieren. Sinnvoll wären nicht nur ein harmonisiertes Format und übereinstimmende Inhalte.

109 Oliver v. Ruepprecht, Zulassung von Medizinprodukten via 510(k) – ein Überblick, Medizinproduktejournal, Heft 3, 21. Jahrgang, S. 211 -216.

110 Boston Consulting Group, Regulation and Access to Innovative Medical Technologies, Juni 2012, S. 2, <http://www.eucomed.org/uploads/ModuleXtender/Newsroom/97/2012_bcg_report_regulation_and_access_to_innovative_medical_technologies.pdf>; U.S. Food and Drug Administration, How to Market Your Device, <http://www.fda.gov/MedicalDevices/DeviceRegulationandGuidance/HowtoMarketYourDevice/default.htm> (eingesehen am 27.8.2014).

111 A. van Drongelen, J. Hessels und R. Geertsma, Comparison of Market Authorization Systems of Medical Devices in USA and Europe, National Institute for Public Health and the Environment, RIVM Letter report 2015-0001, 2015.

Zudem könnte eine gemeinsame elektronische Platt-form geschaffen werden, über die Unterlagen einge-reicht werden können (regulatory product submissi-ons, RPS). Diese könnte auch von anderen Ländern genutzt werden. Allerdings gilt sicherzustellen, dass das neue System auch tatsächlich dazu führt, dass der Verwaltungsaufwand für Regulierungsbehörden und Unternehmen sinkt.

Das International Medical Device Regulators Forum (IMDRF), in dem die EU und die USA vertreten sind, arbeitet bereits an einer internationalen Lösung für den elektronischen Austausch solcher Informationen, da diese nicht gegenseitig anerkannt werden.112

2. QualitätsmanagementDa das transatlantische Abkommen über gegenseitige Anerkennung (Mutual Recognition Agreement, MRA) im Bereich der medizintechnischen Produkte bisher nicht zufriedenstellend umgesetzt wurde, müssen bis heute Herstellungsstätten sowohl von FDA als auch von Benannten Stellen auditiert werden.

Das Qualitätsmanagement erfolgt in den USA auf Basis der von der FDA entwickelten Regulierung 21 CFR 820 (Code of Federal Regulations Titel 21, Section 820), welche die Good Manufacturing Practice-Vorga-ben an die Medizinproduktehersteller spezifiziert. Die meisten Inspektionen von Produktionsstätten führt die FDA selbst durch. Die FDA erlaubt jedoch auch bestimmten akkreditierten Stellen, ausgewählte Arten von Inspektionen durchzuführen. Die Benannten Stel-len in der EU und die FDA erkennen die Berichte über Herstellerinspektionen nicht gegenseitig an. Auch die Zertifizierungen gemäß der Norm ISO 13485 bezie-hungsweise dem 21 CRF 820 werden nicht gegensei-tig akzeptiert, da diese ähnlich, aber nicht identisch sind.113

Ziel der Verhandlungen sollte es sein, eine gegensei-tige Anerkennung von Berichten über Herstellerins-pektionen zu erreichen, die konform mit den regula-torischen Anforderungen beider Systeme sind. Dies entspricht dem single audit-Konzept, das auf internati-onaler Ebene vom IMDRF entwickelt und im Rahmen

112 AdvaMed, COCIR, EDMA, Eucomed, MITA, Joint EU-US Industry Contribution to EU and US Call for Input on Opportunities to Promote Greater Regulatory Compatibility in the Medical Technology Sector, 10.4.2013, <http://www.edma-ivd.be/uploads/PositionPapers/EDMA_2013-04-12_US-EU-Trade-Joint-PP-PUB.pdf>.

113 AdvaMed, COCIR, EDMA, Eucomed (2013).

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des medical device single audit program (MDSAP) getestet wird. Eine gegenseitige Anerkennung wäre nicht sofort möglich, jedoch könnten die Vorgaben schrittweise angeglichen werden. In der Folge würden Belastung und Kosten sowohl für Regulierungsbehör-den als auch Produzenten, die in den jeweils anderen Markt exportieren, deutlich sinken.

Wünschenswert wären zudem einheitliche Vorlagen für Inspektionsberichte, eine Vereinheitlichung der Ins-pektionskriterien sowie eine einheitliche oder gemein-same Ausbildung der Inspekteure. Darüber hinaus sollte die EU dem MDSAP als Vollmitglied beitreten.

3. Unique Device IdentificationBereits in Arbeit ist die Unique Device Identification (UDI). In Zukunft sollen Medizinprodukte eine welt-weit eindeutige Produktnummer tragen, die maschinell lesbar – beispielsweise per Strichcode – auf dem Pro-dukt oder der Verpackung hinterlegt wird. Mit Hilfe dieser Markierung soll man dann in einer UDI-Da-tenbank Informationen über das Produkt einsehen können. Dazu gehören beispielsweise Informatio-nen darüber, wie das Produkt kontrolliert wird oder auch Lagerungs- und/oder Handhabungshinweise und wichtige Warnhinweise sowie Kontraindikationen.

Die FDA erhielt bereits im Jahr 2007 den Auftrag, ein UDI-System zu entwickeln. Das Unique Device Identi-fication System wurde 2013 verabschiedet.114 Für Pro-dukte der Risikoklasse III gelten die UDI-Vorschriften seit dem 24. September 2014. Das IMRDF veröffent-lichte im Dezember 2013 eine UDI Guidance, um eine möglichst einheitliche UDI-Entwicklung welt-weit voranzutreiben.

Die EU-Gesetzgebung zu UDI ist hingegen noch nicht so weit fortgeschritten.115 Die EU überarbeitet zur-zeit ihre Rechtsvorschriften über Medizinprodukte. Die UDI sollen mit Inkrafttreten der neuen europäi-schen Gesetzgebung für Medizinprodukte eingeführt werden.116 Wann dies geschehen wird, ist noch unge-wiss. Bei der Umsetzung in der EU könnte bereits das Ziel verfolgt werden, eine harmonisierte

114 Federal Register, Unique Device Identification System, <https://www.federalregister.gov/articles/2013/09/24/2013-23059/unique-device-identification-system#h-8> (eingesehen am 3.9.2014).

115 BVMed, UDI - Unique Device Identification System. Was ist es? Wann kommt es? Was kann ich tun?, <http://www.bvmed.de/download/bvmed-info-udi-papier> (eingesehen am 3.9.2014).

116 BVMed, Unique Device Identification System (UDI), <http://www.bvmed.de/de/versorgung/e-commerce/udi> (eingesehen am 3.9.2014).

US-EU-Datenbank zu entwickeln. Auch kann die EU aus den Erfahrungen der FDA mit der Umset-zung von UDI lernen. Für Hersteller von Medizin-produkten wäre es beispielsweise hilfreich, wenn es einen gemeinsamen Standard für das Format und die geforderten Informationen gäbe, die sie im Rahmen der UDI angeben müssen.117

TTIP könnte diesen Prozessen wichtige Impulse geben.118

117 AdvaMed, COCIR, EDMA, Eucomed, MITA (2013).118 Die EU-Kommission hat am 15.4.2015 ein Positionspapier vorgelegt, das

viele der hier genannten Punkte aufgreift. Europäische Kommission, The Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP). Towards an EU-US Trade Deal. EU Position Paper on Medical Devices, 15.4.2015, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/april/tradoc_153349.4.5%20Med%20devices.pdf>.

Empfehlungen der medizintechnischen Industrie - Festhalten am derzeitigen europäischen Verfah-ren zum Inverkehrbringen von Medizinprodukten;

- Anwendung und Umsetzung des gegenseitigen Anerkennungsabkommens zwischen der EU und den USA aus dem Jahr 1998 durch die USA;

- Harmonisierung und Standardisierung der Anforde-rungen an den Marktzugang für Medizinprodukte;

- Harmonisierter elektronischer Austausch der Kon-formitätsnachweise, die für den Marktzugang erfor-derlich sind, sowie eine gemeinsame elektronische Plattform zur Einreichung der Nachweise;

- Einheitliche Qualitätsmanagementsysteme (QMS) durch einheitliche Vorlagen für Inspektionsberichte, Vereinheitlichung der Inspektionskriterien, einheitli-che oder gemeinsame Ausbildung der Inspekteure;

- Einheitliche Umsetzung der Systeme zur Unique Device Identification (UDI)

- Nach Anpassung der technischen und klinischen Voraussetzungen - gegenseitige Anerkennung der Marktzugangsberechtigungen (Produktzulassungen).

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50 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Pharmaindustrie

Eine gegenseitige Anerkennung der finalen Produkt-zulassung wird in TTIP nicht angestrebt. Dennoch gibt es im komplexen Zulassungsverfahren und auch in der Kontrolle der Qualität von pharmazeutischen Produk-ten nach der Marktzulassung viele Verfahren, die bereits jetzt sehr vergleichbar geregelt sind. Es gilt, genau diese Bereiche zu identifizieren und Möglichkeiten zu disku-tieren den Verwaltungsaufwand zu reduzieren.

Um ein Medikament in den Markt zu bringen, ist eine Zulassung erforderlich. Grundlage ist eine umfangreiche Dokumentation der Eigenschaften des Medikaments sowie der Resultate der präklinischen Tests und klini-schen Studien, die von den dafür zuständigen Behörden vorgenommen wird. Inhalte und Struktur von Zulas-sungsunterlagen sowie die Regeln für die Tests und Stu-dien wurden von der International Conference on Har-monisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use (ICH) in zahlrei-chen wissenschaftlichen und technischen Leitlinien fest-gelegt. Die ICH wurde 1990 von der FDA, der EU-Kom-mission, dem japanischen Gesundheitsministerium und den Pharmaverbänden in Europa, den USA und Japan ins Leben gerufen. Sie schafft einen internationalen Rah-men für die Durchführung von klinischen Studien und für die Zulassung von Medikamenten. Zu den ICH-Leit-linien zählen beispielsweise die Richtlinie zur Good Cli-nical Practice (GCP) zur Durchführung von klinischen Studien sowie die Leitlinie zur Guten Herstellungspra-xis (GMP) zur Qualitätssicherung bei Produktionsab-läufen. Die Leitlinien der ICH wurden in den jeweiligen Märkten in nationales beziehungsweise europäisches Recht überführt. So wurde die ICH-GCP-Leitlinie in der EU durch EU-Richtlinie 2001/20/EG übernommen, die ICH-GMP-Leitlinie durch EU-Richtlinie 2003/94/EG.

In Deutschland ist das Arzneimittelgesetz (AMG) für die Zulassung von Medikamenten maßgeblich.

In der EU ist das Committee for Human Medicinal Pro-ducts (CHMP) der European Medicines Agency (EMA) für die Erstellung von wissenschaftlichen Empfehlun-gen (opinions) zuständig, auf denen die Produktzu-lassung durch die EU-Kommission beruht. Jeder Mit-gliedstaat hat einen Sitz im CHMP. Die eigentliche Bewertungsarbeit wird in der Regel von Zulassungs-stellen in den Mitgliedstaaten geleistet. In Deutschland sind dies das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medi-zinprodukte (BfArM) und für biologische Arzneimit-tel das Paul-Ehrlich-Institut (PEI); beide gehören zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesund-heit (BMG). Für den Großteil der Arzneimittel ist eine europäische Zulassung Voraussetzung. Lediglich für ein eingeschränktes Produktportfolio wird die Zulassung national erteilt

In den USA ist die FDA die relevante Zulassungsbe-hörde. Ziel beider Behörden ist es, die Wirksamkeit, die Sicherheit (z.B. das Nebenwirkungsprofil) und die phar-mazeutische Qualität eines neuen Medikaments zu prü-fen. Beide Behörden prüfen die Zulassungsdokumente nach eigenen Regeln und Richtlinien, die zwar auf den ICH-Leitlinien beruhen, aber in Einzelheiten voneinan-der abweichen können. Generell wird anerkannt, dass die Standards für die Prüfung in beiden Behörden bei-der Regionen sehr hoch sind.

Schon heute arbeiten die EU und die USA eng zusam-men, um die Medikamentenprüfungen weiter zu verein-heitlichen und die Zahl von benötigten Tests und Stu-dien zu reduzieren. Denn zum einen sollte insbesondere die Durchführung klinischer Studien mit gesunden Pro-banden oder an Patienten allein aus ethischen Grün-den auf ein Minimum beschränkt werden. Zum ande-ren ist die Durchführung der Studien sehr teuer und führt zu höheren Transaktionskosten im transatlanti-schen Handel. So schätzt der Verband Forschender Arz-neimittelhersteller (vfa), dass der Mehraufwand durch unterschiedliche Anforderungen und für die Erstellung unterschiedlicher Dossiers für den europäischen bezie-hungsweise den US-amerikanischen Markt etwa zehn Prozent der Gesamtkosten ausmacht. Dieser Mehrauf-wand hat keine positiven Effekte auf die Patientensi-cherheit – es handelt sich lediglich um unterschiedliche Wege zum selben Ziel. Neben dem zusätzlichen finan-ziellen Aufwand für die Durchführung eigentlich nicht notwendiger klinischer Tests und Studien verzögert sich

Verantwortliche Institutionen und Behörden für die Regulierung der Pharmaindustrie

EUEuropean Medicines Agency (EMA)

USAFood and Drug Administration (FDA)

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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

51Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

zudem oftmals die Marktzulassung. Dadurch gelangt das Medikament später auf den Markt als eigentlich notwendig.

TTIP würde die Möglichkeit eröffnen, die Vereinheit-lichung der Anforderungen an die Zulassungsdossiers weiter voranzutreiben. Beispielsweise gibt es bei den Prüfkonzepten für notwendige klinische Studien an Kin-dern unterschiedliche Zeitvorgaben zu deren Einrei-chung. Dies führt teilweise dazu, dass Studien doppelt durchgeführt werden, um die Zeitvorgaben für die Stu-dienergebnisse im jeweils anderen Markt zu erfüllen. Durch eine Vereinheitlichung der Prüfkonzepte könnte dies vermieden werden. Auch könnten EMA und FDA ihre Methodik bei der Durchführung von Nutzen-Ri-siko-Bewertungen bei der Prüfung von Arzneimitteln und deren Zulassungsverfahren harmonisieren. Dabei würde ihre Autorität, in den Zulassungsverfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen zu kommen, nicht in Frage gestellt werden.

Voraussetzung ist, dass bei der weiteren Harmonisie-rung der Zulassungsanforderungen für neue Medika-mente die Zulassungsstandards nicht gesenkt werden. Insbesondere muss das Patientenwohl weiterhin oberste Priorität haben. Zulassungsentscheidungen von EMA und FDA selbst sollten nicht vereinheitlicht werden. EMA und FDA sollten auch in Zukunft ihre Zulas-sungsentscheidungen eigenständig fällen.

Neben einer engeren Kooperation bei Zulassungsdos-siers wäre es zudem sinnvoll, bei der Inspektion von Fer-tigungsbedingungen und -abläufen sowie Qualitäts- und Risikomanagementsystemen in den Produktionsstätten von Medikamenten stärker zusammenzuarbeiten. Wenn ein Hersteller Wirkstoffe oder Medikamente für den europäischen und den US-Markt produziert, werden seine Labore und Herstellungsstätten derzeit sowohl von der europäischen Behörde EMA beziehungsweise der nationalen Überwachungsbehörde als auch von der FDA inspiziert, um sicherzustellen, dass die jeweiligen Produktionsanforderungen erfüllt sind. In der EU wer-den den Inspektionen die Regeln der Guten Herstel-lungspraxis (Good Manufacturing Practice) zugrunde gelegt, die in der EU-Richtlinie 2003/94 definiert sind. In den USA findet die Current Good Manufacturing Practice der FDA Anwendung. Diese Standards sind vergleichbar, da sie von der eingangs erläuterten ICH entwickelt wurden. Die Inspektionen sind für das inspi-zierte Unternehmen sehr aufwendig und stellen auf-grund ihrer Häufigkeit eine erhebliche Belastung dar.

Nach Schätzungen des vfa sind bei manchen Produk-tionsanlagen Inspektoren bis zu 40 bis 50 Prozent der Betriebszeiten in den Anlagen anwesend.

Da die GMP-Standards vergleichbar sind, könnten EMA und FDA ihre jeweiligen Prüfungen gegensei-tig als gleichwertig anerkennen. Dies würde die Hälfte der Inspektionen unnötig machen, ohne dass Einbußen bei der Prüfungsqualität zu befürchten wären. Dadurch würden nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Regulierungsbehörden entlastet. Die Mitarbeiter von Zulassungs- beziehungsweise Überwachungsbehörden könnten wegen der geringeren Zahl von zu inspizieren-den Unternehmen die Inspektionen gründlicher und sorgfältiger durchführen beziehungsweise sich intensi-ver um Herstellungsstätten in anderen Ländern küm-mern, aus denen vermehrt Wirkstoffe und Arzneimittel sowohl in die USA als auch in die EU exportiert werden.

Empfehlungen der Pharmaindustrie - Vereinheitlichung von Prüfkonzepten für klinische Studien mit Kindern;

- Einheitliche Regeln bei der Inspektion von Ferti-gungsbedingungen und -abläufen, Qualitäts- und Risikomanagementsystemen in den Produktions-stätten von Medikamenten auf Grundlage der Good Manufacturing Practice;

- Gegenseitige Anerkennung von GMP- und GCP-In-spektionen durch EMA und FDA;

- Harmonisierung der Methodik zur Nutzen-Risi-ko-Bewertung bei der Prüfung von Arzneimitteln und deren Zulassungsverfahren;

- Intensivierter Austausch von Datenfeldern aus Ergebnissen von klinischen Prüfungen sowie Har-monisierung der Veröffentlichungsregeln dieser Datenfelder.

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52 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Textil- und Bekleidungsindustrie

Die Textil- und Bekleidungsindustrie stellt vielfältige Vorerzeugnisse und Endprodukte für höchst unter-schiedliche Anwendungsbereiche her. Diese erstrecken sich von klassischen Konsumgütern wie Bekleidung oder auch Heim- und Haustextilien, über Funktions- und Berufsbekleidung bis hin zu innovativen techni-schen Textilien, die in industriellen Abnehmerbranchen (unter anderem dem Flugzeug- und Automobilbau, dem Bauwesen oder auch der Medizintechnik) Einsatz fin-den. Die Vielfalt an regulatorischen Vorgaben im Tex-til- und Bekleidungssektor ist entsprechend groß. Im Folgenden werden nur einige Beispiele exemplarisch genannt.

In der EU schreibt die Verordnung (EU) Nr. 1007/2011 gesetzliche Etikettierungs- und Kennzeichnungspflich-ten vor, um den Verbraucher über die Faserzusammen-setzung von Textilerzeugnissen wie Bekleidung, Boden-belege und Möbel zu informieren. Zudem regelt die Verordnung Pflichtangaben über nicht-textile Teile tie-rischen Ursprungs, die in Textilerzeugnissen enthalten sind.

Für viele Textilien, die mit Haut in Kontakt kommen, allen voran Bekleidung, gelten zudem gesetzliche Ver-bote und Beschränkungen zum Schutz des Verbrau-chers. Hiervon sind vor allem chemische Substanzen betroffen. Neben nationalen Regelungen, darunter die Chemikalienverbotsverordnung und das Produktsicher-heitsgesetz, bildet auf EU-Ebene die Chemikalienver-ordnung REACH die regulative Grundlage, die von allen Herstellern und Importeuren eingehalten wer-den muss.119

In den USA setzt in erster Linie der Consumer Product Safety Improvement Act (CPSIA) vielfältige Standards für Bekleidung, bestimmte Heimtextilien und andere Verbraucherprodukte (z.B. hinsichtlich der Entflamm-barkeit von Textilien). Zudem enthält er Test-, Zertifizie-rungs- und Kennzeichnungspflichten.120 Der Importeur muss unter anderem durch ein Allgemeines Konformi-tätszertifikat (General Certificate of Conformity, GCC)

119 EU-Chemikalienverordnung REACH. Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals, <http://www.reach-info.de/verordnungstext.htm> (eingesehen am 5.2.2015).

120 Consumer Protection Safety Commission, Consumer Product Safety Improvement Act (CPSIA), <http://www.cpsc.gov/en/Regulations-Laws--Standards/Statutes/The-Consumer-Product-Safety-Improvement-Act/> (eingesehen am 5.2.2015).

Verantwortliche Institutionen und Behörden für die Textil- und Bekleidungsindustrie

EUGeneraldirektion Unternehmen und Industrie

Nationale Behörden der EU-Mitgliedsstaaten

USAConsumer Product Safety Commission (CPSC)

National Institute of Standards and Technology (NIST)

Federal Trade Commission (FTC)

American Society for Testing and Materials (ASTM)

Transatlantisches Handelsvolumen im Textil- und Bekleidungssektor - Anteil des Sektors an den gesamten Warenimpor-ten der EU aus den USA: 0,3% (2014), Gesamtwert: 0,6 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Importe: -1,1% (2013/2014)

- Anteil des Sektors an den gesamten Warenexpor-ten der EU in die USA: 1,4 % (2014), Gesamtwert: 4,3 Milliarden Euro, Wachstumsrate der Exporte: 13,0% (2013/2014)

Kosten aller NTBs für den Sektor - NTBs in der EU: 19,2% Zolläquivalent

- NTBs in den USA: 16,7% Zolläquivalent

Quellen: EuroStat über <http://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database>, SITC 84-85 (Bekleidung und Schuhe) (eingesehen am 25.6.2015).

Koen G. Berden et al. (Ecorys), Non-Tariff Measures in EU-US Trade and Investment – An Economic Analysis, 2009, S. 23-24, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2009/december/tradoc_145613.pdf>.

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53Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

die Einhaltung der Standards nachweisen. Auch der Einsatz chemischer Subtanzen in Textilien, Bekleidung und Schuhen ist durch den CPSIA beziehungsweise andere Gesetze wie den Federal Hazardous Substan-ces Act (FHSA) auf US-Bundesebene streng geregelt. Die US-amerikanischen Verbrauchstandards im Textil- und Bekleidungssektor sind dabei in vielen Fällen trans-parenter gestaltet als die der EU. Auch das gesetzlich geregelte Schutzniveau für den Verbraucher ist in den USA nicht nur mit dem in der EU vergleichbar, son-dern teilweise deutlich höher.

Gerade bei der Pflegekennzeichnung von Bekleidung gibt es viele unterschiedliche Anforderungen für den US- und EU-Markt. In den USA richten sich diese nach dem Standard ASTM D5489-14, der von der American Society for Testing and Materials (ASTM) festgelegt wird,121 während in der EU der ISO Standard 3758:2012 der International Association for Textile Care Labelling (GINETEX) zum Tragen kommt.122 Im Rahmen von TTIP hat die US-Industrie bereits ihre Bereitschaft zu einer möglichen Übernahme des ISO-Standards signa-lisiert. Eine weltweit einmalige Besonderheit stellt in den USA die Pflicht gemäß dem Textile Fiber Products Identification Act dar, Etiketten im Nackenbereich von Bekleidungsgütern anzubringen. Aus Sicht deut-scher Bekleidungshersteller erfordert diese Bestimmung zwangsläufig eine aufwendige und separate Produktion.

Bezüglich textiler Bodenbeläge sind die Sicherheits-standards und Testmethoden in der EU und den USA nahezu identisch. Trotzdem werden Testberichte häu-fig nicht gegenseitig anerkannt. Grund hierfür ist, dass nicht alle seitens der International Laboratory Accredit-ation Cooperation (ILAC)123 akkreditierten Laborato-rien der USA von der bei der EU-Kommission geführten Datenbank der europäischen New Approach Notified and Designated Organisations (NANDO) erfasst und demnach anerkannt sind.124 Eine EU-seitige Anerken-nung der ILAC-Liste wäre wünschenswert und könnte eine regulatorische Handelshürde beseitigen.

121 American Society for Testing and Materials (ASTM), Standard Guide for Care Symbols for Care Instructions on Textile Products, <http://www.astm.org/Standards/D5489.htm> (eingesehen am 5.2.2015).

122 International Organization for Standardization, ISO 3758:2012, Textiles - Care Labelling Code Using Symbols, <http://www.iso.org/iso/catalogue_detail?csnumber=42918> (eingesehen am 5.2.2015).

123 International Laboratory Accreditation Cooperation, <www.ilac.org> (eingesehen am 5.2.2015).

124 New Approach Notified and Designated Organisations, <http://ec.europa.eu/enterprise/newapproach/nando/> (eingesehen am 5.2.2015).

In der Textil- und Modeindustrie sind die Produktions-standards und -verfahren in der EU und in den USA vergleichbar. Entsprechend könnten durch eine Har-monisierung oder – falls dies nicht möglich ist – eine gegenseitige Anerkennung von Produktionsvorschriften und -verfahren sowie durch die gegenseitige Anerken-nung von akkreditierten Prüflaboren Handelshemm-nisse abgebaut werden. Am bestehenden Informa-tions- und Schutzniveau für den Verbraucher würde dies nichts ändern. Davon würden sowohl Hersteller als auch Verbraucher profitieren.

Empfehlungen der Textil- und Modeindustrie - Harmonisierung beziehungsweise gegenseitige Anerkennung von Verbraucherschutzstandards;

- Gegenseitige Anerkennung von Test- und Zertifi-zierungsverfahren;

- Gegenseitige Anerkennung von akkreditierten Prüflaboren;

- US-seitige Übernahme der Pflegekennzeichnung nach ISO-Standard.

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54 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

IKT-Wirtschaft

Die IKT-Wirtschaft (IKT: Informations- und Kommunika-tionstechnologie) hat in den vergangenen fünfzehn Jahren einen radikalen Wandel durchlebt. Derzeit dominierende Unternehmen wie Google, Facebook oder Amazon waren vor wenigen Jahren noch Startups oder noch gar nicht gegründet. Das Internet hat aber nicht nur eine eigene, neue Branche geschaffen. In der gerade beginnenden Ära des internet of things wird das Internet fast alle Bereiche der Wirtschaft beeinflussen und teilweise massiv verändern.

Die ITK-Branche ist wie keine zweite Branche durch das globale Internet geprägt. Gemeinsame Regeln sind deshalb für die ITK-Branche von besonderer Bedeutung. Gleichzei-tig ist festzustellen, dass sich kurz- und mittelfristig nicht in allen zentralen Bereichen gemeinsame Standards finden lassen. Exemplarisch sei nur der Umgang mit personen-bezogenen Daten genannt – hier unterscheiden sich das europäische und das US-amerikanische Recht in vielerlei, mitunter fundamentaler Hinsicht. Dies soll aber nicht den Blick dafür verstellen, dass in anderen Bereichen eine bes-sere Zusammenarbeit, Anerkennung und Angleichung mög-lich sind. Am aussichtsreichsten erscheinen dabei die fol-genden drei Bereiche:

1. Gegenseitige Anerkennung von UnbedenklichkeitsbescheinigungenDie IKT-Industrie arbeitet sowohl in der EU als auch in den USA seit Langem eng mit Regierungsstellen und internationalen Normungsgremien zusammen. Zu den Normungsgremien im IKT-Bereich gehören in Deutsch-land die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elek-tronik Informationstechnik (DKE), auf europäischer Ebene ETSI, CEN und CENELEC und auf internati-onal Ebene die Internationale Fernmeldeunion (Inter-national Telecommunications Union, ITU), die IEC sowie die ISO. Ziel ist es, in Bereichen wie Produkt-sicherheit oder auch störungsfreiem elektromagneti-schen Betrieb anerkannte Standards für eine Vielzahl von Geräten (z.B. Computer, Monitore, Speicherme-dien, Telekommunikationskomponenten (TK-Kompo-nenten)) zu entwickeln, die die Unbedenklichkeit der Produkte sicherstellen. Diese Standards werden welt-weit von einer Vielzahl von nationalen Regulierungs-stellen akzeptiert, was den globalen Handel mit diesen Produkten deutlich erleichtert hat.

Inzwischen sind jedoch in zahlreichen Ländern unter-schiedliche Anforderungen im Hinblick auf Zertifi-kate und Zertifizierungen, mit denen die Einhaltung der Standards dokumentiert wird, in Kraft. Dadurch

werden die Vorteile der globalen Standardisierung teil-weise wieder aufgehoben. Insbesondere werden in vie-len Ländern jeweils eigene Zertifikate und Zertifizierun-gen gefordert, die die Produkte in vergleichbarer Weise schon in anderen Ländern vorweisen. Diese wieder-holenden Anforderungen verteuern letztlich die Pro-dukte, verringern die Produktauswahl und verzögern den Markteintritt. Dies ist insbesondere angesichts der Dynamik der IKT-Produktzyklen bedenklich. Deshalb sollte im Rahmen von TTIP Wert darauf gelegt wer-den, eine größtmögliche Anerkennung von Hersteller-selbsterklärungen anzustreben. Dabei ist es unabding-bar, dass auf die weltweit einheitlichen beziehungsweise anerkannten Standards verwiesen wird.

2 Einführung beziehungsweise Anerkennung von E-LabelingKonformitätszeichen wie das CE-Kennzeichen in der EU oder auch das FCC-Kennzeichen in den USA haben eine wichtige Funktion: Sie erklären, dass Produkte die auf dem jeweiligen Markt geltenden Vorschriften erfüllen und damit sicher im Gebrauch sind. Das Ziel von E-Labeling besteht darin, Aufwand zu reduzieren. E-Labeling erlaubt es den Herstellern, Konformitätszei-chen und -erklärungen nicht mehr zwingend physisch auf dem Produkt anzubringen, sondern die Informati-onen etwa auf einem Display bei Bedarf anzuzeigen. Hersteller haben dadurch größere Freiheit beim Pro-duktdesign, geringere Produktionskosten und können Märkte schneller erschließen.

In den USA gibt es im Telekommunikationssektor bereits erste Schritte hin zu einem E-Labeling. Dies sollte zum Anlass genommen werden, um im Rahmen von TTIP gemeinsame Regelungen zugunsten eines grö-ßeren Einsatzes von E-Labeling zu beschließen. Dabei ist E-Labeling aber immer als freiwilliges alternatives Instrument zur Produktkennzeichnung zu betrachten. Es darf weder verpflichtend werden noch der Wieder-holung bereits anders angebrachter Produktkennzeich-nungen dienen.

3. Unbeschränkter Marktzugang für Produkte, die Ver-schlüsselungstechnologien nutzen: IKT-Produkte nutzen immer stärker kryptografische Elemente, um die über sie vermittelten Informationen sicher und vertraulich zu halten. Auf diese Vertraulich-keit sind eine Vielzahl von Branchen und Unterneh-mensprozessen (z.B. E-Mail- und Datenbanksicherheit, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse) angewiesen. Auch Verbraucher legen Wert auf einen Schutz ihrer Aktivitä-ten und persönlichen Informationen. Verschlüsselung

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ist eine der wirksamsten Methoden, mit denen sich staatliche Stellen, Unternehmen und Verbraucher vor unberechtigten Zugriffen schützen können. Sie dient auch dazu, verlorengegangenes Vertrauen in digitale Anwendungen und die digitale Wirtschaft wiederher-zustellen. Aus diesem Grund sollten sich die USA und die EU im Rahmen von TTIP zu einem Recht auf unbe-schränkten Import, Gebrauch und Verkauf von IKT- und sonstigen Industrieprodukten mit kryptografischen Elementen bekennen. Dadurch erhalten US-amerikani-sche und europäische Unternehmen und Verbraucher optimalen Zugang zu den besten Produkten und Tech-nologien in diesem Bereich.

4. Konvergenz der Märkte – Divergenz der Regeln: Die in den letzten Jahren zu beobachtende Konvergenz der Märkte stellt die IKT-Industrie vor zahlreiche neue Herausforderungen. Im Bereich der Telekommunika-tion führt die Internet-Protokoll-basierte (IP-basierte) Übertragung aller Daten (Bild, Ton, Video, Schrift) zu einer zunehmenden Aufhebung der traditionell getrennten Medien und ihrer Übertragungskanäle (ana-loge Telefonleitungen für Sprache; Satelliten-, Kabel- und Rundfunkanlagen für Ton und Video; Telefax für Schrift etc.). Das Internet ist zu einem Medium gewor-den, über das Kommunikations- und Inhaltedienste von klassischen Telekommunikationsunternehmen ebenso wie von neuen Dienste-Anbietern und Plattform-Be-treibern übertragen werden. Die neuen Anbieter unterliegen in der Regel allerdings  nicht densel-ben regulatorischen Vorschriften wie die traditionel-len Telekommunikationsunternehmen. Diese wenig regulierten sogenannten Over the top (OTT)-Anbieter

ermöglichen ihren Kunden beispielsweise die Übermitt-lung von Text-, Video- und Audioinhalten über Telekom-munikationsnetze. Die EU reagiert auf die Konvergenz der Märkte sowie die parallel verlaufende sektor-über-greifende Digitalisierung der Industrie mit einer neuen Strategie für den digitalen Binnenmarkt (DSM). Diese Initiative umfasst so zentrale Pfeiler wie den regula-torischen Rechtsrahmen für die Infrastrukturbetreiber und Dienste-Anbieter, Datenschutz, Cyber-Sicherheit sowie den Verbraucherschutz. Da die Vollendung des DSM in naher Zukunft absehbar ist, sollte es daher das Ziel der Transatlantischen Handels- und Investi-tionspartnerschaft sein, auf eine transatlantische Kon-vergenz der regulatorischen Rahmenbedingungen hin-zuwirken und erste Grundlagen dafür zu schaffen. Für alle Marktteilnehmer in der digitalen Wertschöpfungs-kette sollte im Sinne des fairen Wettbewerbs das Prin-zip der „Same Services, Same Rules“ gelten – dies glei-chermaßen für alle Anbieter aus der EU und den USA, unabhängig davon, ob sie ihren Sitz dies- oder jenseits des Atlantiks haben. Mit der Verankerung dieses Prin-zips kann die Grundlage für mehr Rechtssicherheit für Unternehmen und Verbraucher im EU-Binnen-markt geschaffen werden.

Marktwirtschaft und Innovationen leben von einem funkti-onierenden, offenen und fairen Wettbewerb. Dieser braucht transparente, verlässliche und für alle verbindliche Regeln. Die TTIP-Verhandlungen sollten als Chance genutzt wer-den, die Rahmenbedingungen für alle Anbieter der digitalen Wertschöpfungskette langfristig zu harmonisieren. Hierzu sollte TTIP ein einheitliches Kapitel für IKT-Dienste enthal-ten, um zu gewährleisten, dass der „gleiche Dienste, glei-che Regeln“-Ansatz für alle Anbieter der Wertschöpfungs-kette gestärkt wird.

Verantwortliche Institutionen und Behörden für der Textil- und Bekleidungsindustrie

EUEuropäische Kommission (Generaldirektion Connect)

Nationale Regulierungsbehörden der Mitgliedsstaaten

USAFederal Communications Commission (FCC)

Empfehlungen der IKT-Industrie - Eigenes IKT-Kapitel im TTIP: Rahmenbedingungen für alle Anbieter der digitalen Wertschöpfungskette langfristig harmonisieren;

- Gegenseitige Anerkennung von Unbedenklich-keitsbescheinigungen;

- Entwicklung gemeinsamer Regeln für E-Labeling;

- Unbeschränkter Marktzugang für Produkte, die Verschlüsselungstechnologien nutzen.

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57Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

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58 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

TTIP ist in der deutschen Bevölkerung umstritten. Eine Umfrage des Pew Research Center und der Bertelsmann Stiftung ergab, dass 36 Prozent der Deutschen, die Ende Februar 2015 befragt wurden, TTIP ablehnen.125 Viele befürchten, dass das Abkommen europäische Standards verwässern und die Prozesse der demokratischen Regel-setzung aushöhlen könnte. Gerade das geplante Regulie-rungskapitel weckt Ängste: Harmonisierung von Stan-dards und Normen, so die Kritiker, könnte zu einem race to the bottom – also sinkenden Schutzstandards – führen. Außerdem wird befürchtet, Übereinkünfte zur gegenseitigen Anerkennung von Produktstandards (Äquivalenzabkommen) könnten die Handelspartner daran hindern, in Zukunft zum Wohle der Allgemein-heit regulierend tätig zu werden (Stichwort regulatory chill/freeze). Auch steht die Behauptung im Raum, dass sich neue transatlantische Gremien, beispielweise ein Regulierungsforum (Regulatory Cooparation Forum), nach Abschluss von TTIP auf weitere Maßnahmen der Regulierungskooperation verständigen und dabei die demokratisch legitimierten Entscheidungsprozesse unterlaufen könnten. Dahinter steckt die Sorge, dass sich die Vertragsparteien bindend auf die gegenseitige Anerkennung von Produktstandards einigen könnten, auch wenn das entsprechende Produkt zunächst nicht unter TTIP behandelt worden war – und zwar ohne dass Rat und Parlament der EU darüber befinden müss-ten. Und Investitionsschutz in TTIP könnte ein Einfall-stor für Unternehmen sein, mit Klagen Regierungen zu zwingen, Standards zu senken. Sind diese Befürchtun-gen berechtigt?

Ein Blick auf die Verhandlungsvorschläge für TTIP, europäische Rechtsgrundlagen und auf Vertragstexte bestehender Freihandelsabkommen zeigt, dass die genannten Sorgen eines race to the bottom und regu-latory freeze ebenso unbegründet sind wie die Angst, dass TTIP der Demokratie schadet.

Eine ausführliche Diskussion des Investitionsschut-zes und Investor-Staat-Schiedsverfahren bietet die BDI-Publikation „Investitionsschutzabkommen und Investor-Staat-Schiedsverfahren: Mythen, Fakten,

125 Pew Research Center, Germany and the United States: Reliable Allies, 7.5.2015, <http://www.pewglobal.org/2015/05/07/germany-and-the-united-states-reliable-allies/> (eingesehen am 19.6.2015).

Argumente“.126 Die folgende Analyse wird sich daher auf die Regulierungskooperation konzentrieren.

Aushebelung demokratischer Entscheidungspro-zesse durch Regulierungskooperation?

Ratifizierung des Abkommens; Mitbestimmungsrecht des ParlamentsTTIP wird, wie alle EU-Handelsabkommen, gemäß Art. 206, 207 und 218 AEUV von der EU-Kommission ver-handelt, und zwar auf der Grundlage eines Verhand-lungsmandats des Rates der Europäischen Union. Die-ses Mandat hat der Rat der Kommission 2013 erteilt.127 Im Verhandlungsmandat sind die Leitlinien für die Ver-handlungen festgelegt, an welche sich die Kommission halten muss. Die Kommission informiert die Mitglied-staaten und den Handelsausschuss des Europäischen Parlaments vor und nach jeder Verhandlungsrunde. Dem Verhandlungsmandat zufolge darf TTIP weder zu sinkenden Standards noch zu einer Einschränkung der Regulierungsautonomie der Staaten führen.

126 Stormy-Annika Mildner und Christoph Sprich, Investitionsschutzabkommen und Investor-Staat-Schiedsverfahren: Mythen, Fakten, Argumente, BDI, Februar 2015, <http://www.bdi.eu/download_content/GlobalisierungMaerkteUndHandel/Investitionsschutzabkommen_und_ISDS.pdf>.

127 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Unkommentierte deutsche Fassung des TTIP-Verhandlungsmandats, 9.10.2014, <http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/S-T/ttip-mandat,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf>.

VI. TTIP: Einfallstor für Deregulierung?

Regulierungskooperation folgt demokratisch legitimierten Entscheidungsprozessen.

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59Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Wenn es gelingt, sich in TTIP auf eine gegenseitige Aner-kennung in bestimmten Sektoren zu einigen, müssen diese Bestimmungen als Teil des gesamten Abkommens vom Rat der Europäischen Union und dem EU-Parla-ment angenommen werden. Im Rat ist in der Regel eine qualifizierte Mehrheit erforderlich, also die Zustimmung von mindestens 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die min-destens 65 Prozent der Bevölkerung der EU ausma-chen. Für bestimmt Aspekte ist jedoch Einstimmigkeit erforderlich. So gibt Art. 207 Abs. 4 AEUV vor: „Über die Aushandlung und den Abschluss eines Abkommens über den Dienstleistungsverkehr, über Handelsaspekte des geistigen Eigentums oder über ausländische Direkt-investitionen beschließt der Rat einstimmig, wenn das betreffende Abkommen Bestimmungen enthält, bei denen für die Annahme interner Vorschriften Einstim-migkeit erforderlich ist. Der Rat beschließt ebenfalls ein-stimmig über die Aushandlung und den Abschluss von Abkommen in den folgenden Bereichen: a) Handel mit

kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen, wenn diese Abkommen die kulturelle und sprachliche Viel-falt in der Union beeinträchtigen könnten; b) Handel mit Dienstleistungen des Sozial-, des Bildungs- und des Gesundheitssektors, wenn diese Abkommen die einzel-staatliche Organisation dieser Dienstleistungen ernst-haft stören und die Verantwortlichkeit der Mitglied-staaten für ihre Erbringung beinträchtigen könnten.“ Das EU-Parlament muss TTIP mit einfacher Mehrheit annehmen.

Handelt es sich bei TTIP um ein gemischtes Abkommen (also ein Abkommen, das sowohl in die Zuständigkeit der EU als auch ihrer Mitgliedstaaten fällt), sind nach dem einstimmigen Beschluss des Rates der Europäi-schen Union zudem Ratifikationsprozesse in allen 28 EU-Mitgliedstaaten nach Maßgabe der jeweiligen verfas-sungsrechtlichen Vorschriften erforderlich. Ein im Auf-trag des Bundeswirtschaftsministeriums erstelltes Gut-achten zu CETA kommt beispielsweise zu dem Schluss, dass es sich bei CETA um ein „gemischtes Abkommen“ handelt, weil in den Bereichen Investitionsschutz, See-verkehrsdienstleistungen, Arbeitsschutz und Gesund-heitsschutz Materien geregelt werden, die nicht der aus-schließlichen Zuständigkeit der EU unterliegen. Damit müsste CETA auch von den Mitgliedstaaten der EU, wie der Bundesrepublik Deutschland, ratifiziert wer-den.128 In den USA muss ein Freihandelsabkommen vom Kongress (beiden Kammern) mit einfacher Mehr-heit angenommen werden.

Vorläufige Anwendung des Abkommens Würde eine vorläufige Anwendung eines Handelsab-kommens, das in die gemischte Zuständigkeit von EU und ihren Mitgliedstaaten fällt, die demokratischen Ent-scheidungsprozesse unterlaufen? Nein, das Prozedere ist gesetzlich geregelt und damit durch demokratisch gefasste Beschlüsse vorgegeben. In der politischen Pra-xis wird die vorläufige Anwendung durch einen vorge-zogenen Parlamentsentscheid noch weiter legitimiert.

Zum Verfahren: Nachdem ein Freihandelsabkommen ausgehandelt worden ist, findet eine Rechtsförmlich-keitsprüfung der Europäischen Kommission und der Partnerseite statt (eine Paraphierung des Vertragstextes durch die Verhandlungsführer kann, aber muss nicht stattfinden). Auf EU-Seite wird das Abkommen dann

128 Franz C. Meyer, Stellt das geplante Freihandelsabkommen der EU mit Kanada ein gemischtes Abkommen dar? Rechtsgutachten für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, August 2014.

Auszüge aus dem Verhandlungsmandat des Rates der Europäischen Kommission zu TTIP

„8. In dem Abkommen sollte anerkannt werden, dass die Vertragsparteien den Handel oder auslän-dische Direktinvestitionen nicht dadurch fördern werden, dass sie das Niveau der internen Rechts-vorschriften und Normen in den Bereichen Umwelt-schutz, Arbeitsrecht oder Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz senken oder die Ker-narbeitsnormen oder die Politik und die Rechts-vorschriften zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt lockern. […]

25. […] Die regulatorische Kompatibilität lässt das Recht, Vorschriften nach Maßgabe des von der jeweiligen Seite für angemessen erachteten Schutz-niveaus in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Verbraucher, Arbeit und Umwelt sowie kulturelle Vielfalt zu erlassen oder auf andere Weise legitime Regulierungsziele zu erreichen, unberührt und steht im Einklang mit den unter Nummer 8 dargelegten Zielsetzungen.“

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Unkommentierte deutsche Fassung des TTIP-Verhandlungsmandats, S. 4, 11, <http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/S-T/ttip-mandat,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf> (eingesehen am 19.1.2015).

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in alle Amtssprachen übersetzt. Anschließend übermit-telt die Kommission dem Ministerrat der Europäischen Union eine Entscheidungsvorlage zur Unterschrift des Abkommens und zum Abschluss des Abkommens. Zeit-gleich wird das Abkommen bereits dem Handelsaus-schuss im Europäischen Parlament übermittelt. Im Rat folgt eine eigene Rechtsförmlichkeitsprüfung. Bei einem Abkommen, das in die gemischte Zuständigkeit von EU und Mitgliedsstaaten fällt, werden bereits bilaterale Ver-einbarungen zur vorläufigen Anwendung berücksich-tigt. Diese sehen unter anderem vor, dass jede Seite ihre internen Verfahren für die vorläufige Anwendung zunächst abschließen und dies der anderen Seite for-mell mitteilen muss. Erst dann kann nach einer fest-gesetzten Frist die vorläufige Anwendung stattfinden.

Während auf der Partnerseite die volle Ratifizierung des Abkommens notwendig sein kann, sieht das Ver-fahren in der EU wie folgt aus: Nach Beratung des Handelspolitischen Ausschusses und des Ausschus-ses der Ständigen Vertreter autorisiert der Minister-rat die Unterschrift des Abkommens und entscheidet über die vorläufige Anwendung. In der Entscheidung des Rates zur vorläufigen Anwendung wird klargestellt, welche Teile des Abkommens nicht vorläufig angewen-det werden, da sie gemischte Zuständigkeiten betreffen (z.B. im Abkommen mit Südkorea: die strafrechtliche Durchsetzung bei geistigem Eigentum und die kultu-relle Zusammenarbeit). Diese Klarstellung wird später im Amtsblatt zusammen mit dem Freihandelsabkom-men veröffentlicht.129

Über die vorläufige Anwendung eines Abkommens ent-scheidet der Ministerrat der EU allein.130 In der Pra-xis hat das Europäische Parlament allerdings durch-gesetzt, dass es vor der vorläufigen Anwendung dem Abkommen zustimmt.131 Nach den Entscheidungen im Rat wird das Handelsabkommen von den Vertragspart-nern formell unterzeichnet. Vor der Unterzeichnungs-zeremonie unterschreiben bereits alle Mitgliedsstaa-ten der EU, sofern sie offizieller Vertragspartner sind (so der Fall z.B. bei den EU-Abkommen mit Korea, Kolumbien und Peru). Für die EU-Ebene unterzeichnen in der Regel der Handelskommissar und ein Vertreter

129 Official Journal of the EU, Volume 54, 14 May 2011, S. 1 ff. <http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=OJ:L:2011:127:TOC>.

130 Art. 218 (5) AEUV.131 BMWi, Häufig gestellte Fragen zum EU-Kanada-Wirtschafts- und

Handelsabkommen (CETA), S. 3, <http://m.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/F/faq-ceta,property=pdf,bereich=bmwimobile2012,sprache=de,rwb=true.pdf>.

der Ratspräsidentschaft. Anschließend sendet der Rat den vollständigen Vertragstext offiziell zur Annahme an das Europäische Parlament. Nach der Abstimmung im federführenden Ausschuss für internationalen Han-del wird das Freihandelsabkommen dem Plenum des Parlaments zur Zustimmung vorgelegt. Erst nach die-ser Zustimmung wird die Entscheidung zur vorläufigen Anwendung im Amtsblatt veröffentlicht.

Sobald alle Seiten ihre internen Verfahren abgeschlos-sen haben und eine gegenseitige Notifizierung statt-gefunden hat, kann das Abkommen nach der vorge-sehenen Frist angewendet werden. Nun findet die Ratifizierung des gesamten Freihandelsabkommens nach den jeweiligen nationalen Verfahren in den Mit-gliedsstaaten der EU statt. Wenn der Prozess erfolgreich abgeschlossen ist, nimmt der Ministerrat die Entschei-dung zur Annahme des Abkommens an. Das gesamte Abkommen wird im Amtsblatt veröffentlicht und tritt vollständig in Kraft.132

Gemeinsamer TTIP-Ausschuss (TTIP Joint Committee) und FachausschüsseKönnten ein gemeinsamer TTIP-Ausschuss und mög-liche Fachausschüsse die demokratischen Entschei-dungsprozesse in der EU unterlaufen und die Mitbestim-mungsrechte der Parlamente beschneiden? Könnten sich beispielsweise die Vertragsparteien auf die gegen-seitige Anerkennung einer Produktzulassung verstän-digen, die im Vertragstext bei Unterzeichnung nicht enthalten war – ohne dass die EU-Kommission das Par-lament einbeziehen muss?

Nach Ratifizierung von TTIP sind sowohl die USA als auch die EU an den völkerrechtlichen Vertrag gebun-den und dürften keine Vorschriften erlassen, die gegen ihn verstoßen. Dies gilt gleichwohl nur für Themen, die tatsächlich vom Vertrag abgedeckt und vor allem bin-dend und vor dem Streitschlichtungsmechanismus des Abkommens einklagbar sind.

In CETA ist ein CETA Joint Committee vorgesehen (Chapter X: Administrative and Institutional Provisi-ons Article X.01: The CETA Joint Committee)133. Die-ser Ausschuss, in dem unter anderem hochrangige

132 European Commission, Trade Negotiations Step by Step, September 2013, S. 7, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2012/june/tradoc_149616.pdf>.

133 Zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Studie (Juni 2015) lag der CETA-Vertragstext noch nicht in seiner endgültigen Fassung vor. Entsprechend sind die Artikel im Vertrag noch nicht abschließend durchnummeriert.

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handelspolitische Repräsentanten beider Seiten vertre-ten sein sollen, besitzt nach Art. X.01 Abs. 3 eine gene-relle Zuständigkeit für alle Fragen im Zusammenhang mit CETA und soll nach Abs. 4.b die Arbeit der Fach-schüsse (specialized committees) überwachen. Dazu gehören beispielsweise der Fachausschuss für Waren-handel (Committee on Trade in Goods), der Fachaus-schuss für Regulierungskooperation (Regulatory Coope-ration Forum), der Fachausschuss für Dienstleistungen und Investitionen (Committee on Services and Inves-tment) oder auch der Fachausschuss für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Committee). Geregelt sind die Aufgaben und die Ausgestaltung der

Fachausschüsse in Kapitel 30 und in den jeweiligen Kapiteln, die die Sachbereiche betreffen, die unter die Zuständigkeit des jeweiligen Ausschusses fallen. Die Fachausschüsse können dem CETA Joint Committee Entwürfe für Entscheidungen vorschlagen und Ent-scheidungen in den Fällen treffen, wo der Vertragstext dies vorsieht.

Zur Entscheidungskompetenz des Joint Committee hält der Vertragstext in Article X.03: Decision Making Fol-gendes fest: „Das CETA Joint Committee soll, um die Ziele des Abkommens zu erreichen, die Kompetenz haben, Entscheidungen in Bezug auf alle Themen, in den

Aufgaben des CETA Joint Committee (Chapter X: Administrative and Institutional Provisions Article X.01: The CETA Joint Committee)

Der CETA-Ausschuss soll: - die Umsetzung und Anwendung von CETA beob-achten und unterstützen sowie die allgemeinen Ziele befördern; die Arbeit aller Fachausschüsse und ande-rer unter CETA eingesetzter Gremien überwachen; ohne Entscheidungen der Kapitel „Streitbeilegung“, „Arbeit“, „Umwelt“, „Nachhaltige Entwicklung“ und „Investitionen“ vorwegzunehmen, nach angemesse-nen Möglichkeiten und Methoden suchen, Proble-men vorzubeugen, die in den von CETA abgedeckten Bereichen entstehen könnten, oder Streitigkei-ten beilegen, die in Bezug auf die Auslegung oder Anwendung von CETA entstehen können;

- sich eine eigene Geschäftsordnung geben;

- Entscheidungen nach Article X.03: Decision Making treffen;

- sich mit allen Belangen auseinandersetzen, die im Zusammenhang mit den unter CETA behandelten Themen entstehen;

Der CETA Ausschuss kann: - Fachausschüsse gründen und Aufgaben an diese delegieren;

- mit allen interessierten Parteien kommunizieren, einschließlich des Privatsektors und der Zivilgesell-schaft;

- Änderungen nach Maßgabe des Vertrags erwägen oder beschließen;

- die Entwicklung des Handels zwischen den Vertrags-parteien untersuchen und Möglichkeiten einer wei-teren Vertiefung der Handelsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien erwägen;

- Auslegungen der Bestimmungen von CETA anneh-men, die bindend für Streitbeilegungspanel sein sollen, die unter den Kapiteln „Streitbeilegung“ und „Investitionen“ eingerichtet werden (bzgl. der Investor-Staat-Streitbeilegung);

- Geeignete Empfehlungen geben, um die Ausweitung von Handel und Investitionen, wie im Abkommen vorgesehen, zu fördern;

- Weitere Maßnahmen im Rahmen seiner Aufga-ben ergreifen, auf die sich die Vertragsparteien verständigen;

- die an einen Fachausschuss zugewiesenen Auf-gaben ändern, übernehmen oder Fachausschüsse auflösen; andere Ausschüsse, Fachausschüsse und Dialoge einsetzen, um ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen.

Consolidated CETA Text, 26.9.2014, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf> (Übersetzung durch Autoren).

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vom Abkommen vorgesehenen Fällen, zu treffen“.134 Die Entscheidungen sind für die Vertragsparteien bindend. Die Vertragsparteien sollen für die Umsetzung geeig-nete Maßnahmen ergreifen; das CETA Joint Commit-tee kann Empfehlungen diesbezüglich geben.

Unter Final Provisions, Article X.02: Amendments heißt es zudem, dass die Vertragsparteien schriftlich übereinkommen können, das Abkommen abzuändern: „Eine Abänderung soll in Kraft treten, nachdem die Ver-tragsparteien schriftliche Notifizierungen ausgetauscht haben, in denen sie bestätigen, dass sie ihre jeweils gel-tenden internen Anforderungen und Verfahren abge-schlossen haben.“135

Von Kritikern werden folgende Kompetenzen des Joint Committee als besonders problematisch bemängelt: 1. Annahme der Auslegung von Bestimmungen, die für die Streitbelegung und Investor-Staat-Schiedsverfahren bindend sind; 2. Änderung oder Übernahme der an einen Fachausschuss übertragenen Aufgaben; 3. Tref-fen bindender Entscheidungen zu allen Themen, für die dies das Abkommen vorsieht. Ebenso kritisch wird die Möglichkeit der Vertragsparteien bewertet, die Annexe, Anlagen, Protokolle und Vermerke des Abkommens zu verändern.136

Lässt sich von den gennannte Bestimmungen ableiten, dass die Vertragsparteien in den neuen CETA-Gremien rechtwirksame Akte zur Regulierungskooperation erlas-sen können, die das Abkommen verändern, ohne dass die nationalen Entscheidungsgremien einbezogen wer-den müssen?

134 Consolidated CETA Text, 26.9.2014, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf> (Übersetzung durch Autoren).

135 Ebd.136 Vgl. beispielsweise: Andreas Fischer-Lescano und Johan Horst,

Europa- und verfassungsrechtliche Vorgaben für das Comprehensive Economic and Trade Agreement der EU und Kanada (CETA), Juristisches Kurzgutachten im Auftrag von attac/München, 2014, S. 15, < http://www.no-ttip.de/Material/CETA-Gutachten.pdf>; Thilo Bode, Die Freihandelslüge. Warum TTIP nur den Konzernen nützt – und uns allen schadet, München 2015; Christoph Scherrer und Stefan Beck, Einschätzung der Umweltrisiken des Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union, Gutachten im Auftrag des World Wide Fund For Nature Deutschland, <http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/CETA_Gutachten_lang__deutsch_.pdf>; Peter Stoll, Stellungnahme für die 12. Sitzung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zur öffentlichen Anhörung „Geplantes Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement - CETA), 2.6.2014, <http://www.bundestag.de/blob/281880/d4375b8f94cb408465653cb47aa5d696/a_drs--18-10-103-d-data.pdf> (eingesehen am 12.6.2015).

Im Kapitel Final Provisions, Article X.02 wird festge-halten, dass Abänderungen erst möglich sind, nachdem die jeweils geltenden internen Anforderungen und Ver-fahren abgeschlossen sind. Der Handelsausschuss kann daher grundsätzlich keine bindenden Beschlüsse zur Regulierungskooperation treffen, welche CETA ändern und somit potenziell die Kompetenzordnung der EU verfälschen würden.

Darüber hinaus muss zur Beantwortung der Frage ein Blick in das entsprechende Sachkapitel sowie die Regeln für den Fachausschuss für Regulierungskoope-ration geworfen werden.

Fachausschuss Regulierungskooperation (Regulatory Cooperation Forum/Body, RCF/RCB137)Völkerrechtliche Verträge dürfen die europäische Kom-petenzordnung nicht verfälschen. Dies wäre jedoch der Fall, wenn beispielsweise TTIP ein Unionsorgan wie das Parlament in den ihm nach Unionsrecht zukommenden Kompetenzen beschneiden würde.138 Jeder Handelsver-trag muss dem unionsrechtlichen Kompetenzrahmen und der darin enthaltenen Kompetenzzuweisung Rech-nung tragen. Ein mit Entscheidungskompetenz ausge-statteter Regulierungsrat in einem Handelsabkommen würde dem zuwiderlaufen, da für den Erlass von Regu-lierungen eine klare Aufgabenzuweisung an Parlament und Kommission vorliegt.

Das Gremium kann in TTIP daher keine Entscheidungs-kompetenz zugesprochen bekommen. Sollten sich die EU und die USA in einem Regulierungsgremium dar-auf verständigen, Standards zu harmonisieren oder gegenseitig anzuerkennen, gelten die beschriebenen nationalen Verfahren. Für Verhandlungen über Äqui-valenzabkommen, die nach den TTIP-Verhandlungen beginnen und über die es in TTIP selbst keine Eini-gung gab, bedürfte es eines neuen Mandats des Rates.

Die begrenzte Rolle des RCB drückt auch der Verhand-lungsvorschlag der EU-Kommission deutlich aus: „Der RCB wird nicht die Kompetenz haben, Rechtsakte anzu-nehmen (‚The RCB will not have the power to adopt legal acts‘).“139

137 In CETA wird der Fachausschuss zur Regulierungskooperation Regulatory Cooperation Forum (RCF) genannt, im Vorschlag der EU-Kommission zur regulatorischen Zusammenarbeit in TTIP ist von einem Regulatory Cooperation Body (RCB) die Rede.

138 Fischer-Lescano und Horst (2014), S. 15.139 Europäische Kommission, Initial Provisions for Chapter [ ] Regulatory

Cooperation, 10.2.2015, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/february/tradoc_153120.pdf>.

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Dem Ausschuss für Regulierungskooperation (Regulatory Cooperation Forum, RCF) im EU-Kanada Abkommen CETA sind ebenso enge Gren-zen gesetzt. Der entsprechende Artikel im Vertragstext „Rolle und Zusam-mensetzung des Forums für Regulierungskooperation” (Role and Com-position of the Regulatory Cooperation Forum) hält die Aufgaben des Forums fest. Legislative Kompetenzen hat dieses Gremium nicht zuge-sprochen bekommen.

Auszug aus „Detailed Explanation on the EU Proposal for a Chapter on Regulatory Cooperation”

„Die EU hat ein Gremium für Regulierungskooperation ‚Regulatory Cooperation Body‘ vorgeschlagen (…). Seine Kernfunktionen wären, die Arbeit in den Sektoren zu überwachen und neue Möglichkeiten für Kooperation zu identifizieren. Es wäre eine Plattform, wo die Par-teien Prioritäten für Regulierungskooperation diskutieren und erwä-gen können, wobei es Input von interessierten Gruppen berücksich-tigen kann, unter der vollständigen Beteiligung von Regulierern und den zuständigen Autoritäten auf beiden Seiten. Der Schwerpunkt der Arbeit wäre, Prioritäten für Regulierungskooperation zu identifizieren. Im Gegensatz dazu wäre der RCB nicht beauftragt, Regulierungsent-würfe zu prüfen, die von einer der beiden Seiten erwägt werden. (…)

Das Gremium hätte keine Regulierungs- und Regelsetzungskompe-tenz, wie auch in Artikel 14, Abs. 2, Unterabsatz c des EU-Vorschlags (Article 14 ‚Establishment of the Regulatory Cooperation Body‘) klar gestellt wird. Der RCB wäre kein gemeinsames Entscheidungsgremium, hätte aber eine beratende Rolle. Die Annahme von Regulierungen läge weiterhin in den Händen der heimischen Regulierungs- und Legislativ-gremien. Jegliche zukünftige Initiative, um die regulative Kompatibili-tät voranzubringen, würde den demokratischen Prozessen auf beiden Seiten folgen und auf der EU-Seite die Rolle der EU-Mitgliedstaaten, des Rates und Parlamentes vollständig respektieren. (…)

Der RCB wird sich nicht in interne Regulierungsentscheidungen auf beiden Seiten einmischen, da es nicht seine Rolle ist, Regulierungs-entwürfe zu überprüfen.”

Europäische Kommission, Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) Chapter on Regulatory Cooperation. Detailed Explanation on the EU Proposal for a Chapter on Regulatory Cooperation, 6.5.2015, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/may/tradoc_153431.1.1%20Detail%20explanation%20of%20the%20EU%20proposal%20for%20a%20Chapter%20of%20reg%20coop.pdf> (Übersetzung durch die Autoren).

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Als Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass in TTIP eine Übertragung von Entscheidungskompeten-zen an Gremien nicht möglich ist, wenn diese ein Uni-onsorgan wie das Parlament in den ihm nach Uni-onsrecht zukommenden Kompetenzen beschneiden würde. Entsprechend ist ein mit bindenden Entschei-dungsbefugnissen ausgestattetes Gremium für Regulie-rungskooperation nicht zu erwarten. Auch CETA und der EU-Textvorschlag für Regulierungskooperation in TTIP bieten keine Anhaltspunkte, dass die EU ein Gremium mit Entscheidungsbefugnis plant. Ganz im Gegenteil finden sich zahlreiche Textstellen im EU-Vor-schlag sowie in den begleitenden erklärenden Texten, in denen die EU eine solche Entscheidungskompetenz explizit ablehnt.

Race to the Bottom und Regulatory Freeze?

Rahmen der Regulierungskooperation in TTIPLaut dem Textvorschlag der EU-Kommission zum Regu-lierungskapitel in TTIP, Artikel 1 (Article 1 – Gene-ral Objectives and Principles) gehören zu den Zielen der Regulierungskooperation die Erleichterung von Handel und Investitionen sowie die Stimulierung von Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen. Gleichzei-tig soll ein hoher Schutz unter anderem von Tieren, Pflanzen und der Umwelt, von Konsumenten, Gesund-heit, Arbeitsbedingungen, sozialer und menschlicher Sicherheit, persönlicher Daten, Cybersicherheit, kul-tureller Vielfalt oder auch der Finanzstabilität sicher-gestellt werden.140

Artikel 3 zufolge würden folgende Regulierungen unter TTIP fallen: 1. Regulierungen, die konkrete Anforde-rungen an das Design von Produkten stellen, die in der EU und den USA vermarktet und genutzt wer-den; 2. Regulierungen, die konkrete Bedingungen an die Bereitstellung von Dienstleistungen stellen, ein-schließlich beispielsweise Lizenzen und Qualifikatio-nen von Dienstleistungsanbietern. Im Gegensatz dazu soll Regulierungskooperation typischerweise nicht

140 Ebd.

Aufgaben des Forums für Regulierungskoope-ration in CETA

- Erstens soll das Forum eine Plattform für die Diskus-sion von Regulierungen schaffen, die im gemeinsa-men Interesse der Vertragsparteien sind. Um diese Maßnahmen zu identifizieren, kann das Forum interessierte Parteien konsultieren, darunter Ver-treter der Wissenschaft, von Forschungsinstituten, Nicht-Regierungsorganisationen, Wirtschaft, Kon-sumenten und anderen Gruppen.

- Zweitens soll das Forum Regulierer unterstützen, passende Partner zu identifizieren, und Instrumente zur Verfügung stellen, wie beispielsweise Modellver-träge für Vertraulichkeitsabkommen.

- Drittens soll das RCF laufende oder antizipierte Regulierungsinitiativen überprüfen, für die eine der Parteien Kooperationspotenzial sieht. Diese Über-prüfungen (reviews), die unter Konsultation der Regulierungsbehörden vorgenommen werden, sol-len die Implementierung des Kapitels zur Regulie-rungskooperation unterstützen (rechtlich bindend sind diese Überprüfungen hingegen nicht).

- Viertens soll das RCF die Entwicklung bilatera-ler Kooperationsaktivitäten fördern, auf der Basis von Informationen, die es von Regulierungsbehör-den, und durch eine Überprüfung (review) des Fort-schritts, der Ergebnisse und der Best Practices von Regulierungskooperation in spezifischen Sektoren.

- Das RCF soll zudem: - nach dem Inkrafttreten des Abkommens, wäh-rend seiner ersten Sitzung, Regeln über seine Arbeitsweise und Prozesse sowie einen Arbeits-plan beschließen;

- innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Abkommens zusammenkommen und sich in Folge wenigsten einmal pro Jahr treffen – außer die Vertragsparteien entscheiden sich anders;

- über die Implementierung des Kapitels zur Regu-lierungskooperation Bericht erstatten.

Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), 26.9.2014, <http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Freihandelsabkommen/ceta.html> (Übersetzung und Zusammenfassung durch die Autoren).

Regulierungskooperation schränkt den Spielraum von Regierungen, im öffentlichen Interesse zu regulieren, nicht ein.

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Gesetzgebungen umfassen, die sektorübergreifende Rahmen oder Prinzipien schaffen (darunter beispiels-weise Konsumentens- oder Datenschutz).141

Sektion II, Artikel 5-7, des EU-Vorschlags betrifft die sogenannte Gute Regulierungstätigkeit (good regula-tory practices). Demnach würden die EU und die USA übereinkommen, Transparenz, Rechenschaft und Par-tizipation im gesamten Prozess zu gewährleisten. Unter anderem sollen die Vertragspartner so früh wie mög-lich über konkrete Regulierungsvorschläge informieren.

Sektion III, Artikel 8-13, des EU-Vorschlags schafft einen Rahmen für Regulierungsaustausch. Ziel ist unter anderem, dass sich Regulierer gegenseitig über Regulie-rungsinitiativen informieren. Zudem soll der Weg für Regulierer geebnet werden, gemeinsam angemessene Mittel zu eruieren, um die Kompatibilität von Regu-lierungen zu stärken. Dazu gehört beispielsweise die gegenseitige Anerkennung von Regulierungen oder auch ihre Harmonisierung.

Der Kommissionsvorschlag sieht in diesem Zusammen-hang eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit vor, nicht aber eine Verpflichtung, sich auf ein bestimmtes Ergeb-nis zu einigen: „Der Kooperationsmechanismus – wäh-rend er ergebnisorientiert ist – schreibt kein bestimm-tes Ergebnis vor. Es läge an den Regulierern während ihres Austauschens zu entscheiden, ob und zu welchem Maße ein bestimmtes gemeinsames Ergebnis erzielt wer-den kann oder nicht“.142 Der EU-Textvorschlag (general notes) stellt entsprechend auch ausdrücklich in Frage, ob es in diesem Bereich eine Streitbeilegung geben soll, da es sich hier nicht um inhaltliche, sondern um proze-durale Verpflichtungen handelt.

Der EU-Vorschlag bestätigt zudem das Recht beider Vertragsparteien, in einer Art und Weise zu regulieren, die dem von ihnen als notwendig erachteten Schutz-niveau entspricht (Art. 1 Abs. 3). Dieses Prinzip ist auch im Verhandlungsmandat der EU eindeutig ver-ankert. Das bedeutet, dass die EU und die USA auf Gebieten, wo sich die Systeme unterscheiden oder ein unterschiedliches Schutzniveau besteht, jede Seite ihre

141 Europäische Kommission, Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) Chapter on Regulatory Cooperation. Detailed Explanation on the EU Proposal for a Chapter on Regulatory Cooperation, 6.5.2015, S. 5, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/may/tradoc_153431.1.1%20Detail%20explanation%20of%20the%20EU%20proposal%20for%20a%20Chapter%20of%20reg%20coop.pdf>.

142 Ebd., S. 5.

Regulierungspraxis beibehalten würde. Dies wäre laut Kommission beispielsweise für Chemikalien der Fall. Aber auch bei solchen Themen, bei denen sich die EU und die USA entschließen, eine größere Kompatibi-lität ihrer Regulierungen herzustellen (beispielsweise gegenseitige Anerkennung von Sicherheitsstandards für Automobile oder gegenseitige Anerkennung von Pro-duktionsstandards, Good Manufacturing Practices, für Pharmaprodukte) kann jede Vertragspartei nach wie vor strengere Maßnahmen ergreifen. In diesem Fall gilt es, die andere Seite zu informieren und zu konsultieren – aber jede Seite würde ihre eigene Entscheidung treffen können, wie sie ihre Bürger schützen möchte. Zudem macht der Text explizit deutlich, dass die Vertragspar-teien auch in Zukunft in Übereinstimmung mit ihrem eigenen Regulierungsrahmen sowie ihren Regulierungs-prozessen und -philosophien regulieren können. Dies bedeutet, dass das Vorsorgeprinzip vom TTIP-Regulie-rungskapitel unberührt bleibt.143

Auch das Kapitel zur Regulierungskooperation in CETA zeigt die begrenzte Reichweite des Abkommens (Regu-latory Cooperation Article X.2: Principles). Unter CETA wird ein bilateraler Informations-, Gedanken- und Wis-sensaustausch über geplante und laufende Regulierungs-aktivitäten eingerichtet. Konkrete Regulierungsvor-schläge sollen rechtzeitig öffentlich gemacht werden. Gemeinsame Risikobewertungen und Folgenabschät-zungen werden angestrebt. Standards und Prüfungen sollen durch diese Zusammenarbeit harmonisiert und in einzelnen Fällen gegenseitig anerkannt werden. Gemeinsame Aktivitäten bei Forschung und Entwick-lung werden ermutigt und der Austausch über die Ent-wicklung von Normen gefördert. Gleichzeitig hält der CETA-Vertragstext explizit fest: „Die Vertragsparteien können auf freiwilliger Basis Maßnahmen zur Regu-lierungskooperation ergreifen. Zur Klarstellung: Keine Vertragspartei ist verpflichtet, in eine bestimmte regu-latorische Zusammenarbeit einzutreten, und jede Ver-tragspartei kann sich weigern, zu kooperieren oder aus der Zusammenarbeit zurückzuziehen. Wenn sich eine Partei der Regulierungskooperation verwehrt oder sich aus dieser Zusammenarbeit zurückzieht, sollte sie bereit sein, die Gründe für ihre Entscheidung der anderen Par-tei darzulegen.“ 144

143 Ebd., S. 9-10; 11.144 Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA),

26.9.2014, <http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Freihandelsabkommen/ceta.html> (Übersetzung durch die Autoren).

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Voraussetzungen für gegenseitige Anerkennung in TTIPBevor Konformitätsbewertungsstellen, Regeln und Pro-dukte gegenseitig anerkannt werden (wie durch MRAs, Abkommen über die Anerkennung der Gleichwertig-keit oder auch über die gegenseitige Anerkennung gewerblicher Produkte), wird eine umfassende Prüfung der Gleichwertigkeit vorgenommen. Nur wenn eine Gleichwertigkeit festgestellt werden kann, ist gegen-seitige Anerkennung möglich. Dies war sowohl beim Abkommen zwischen der EU und den USA über die Zusammenarbeit bei der Regelung der Sicherheit der Zivilluftfahrt als auch beim Abkommen über die Zerti-fizierung von Bioprodukten der Fall. Bevor das Abkom-men über Bioprodukte geschlossen wurde, führten beide Verhandlungsparteien intensive örtliche Prüfungen durch, um die Kompatibilität der jeweiligen Regulie-rungen, Kontrollmaßnahmen, Kennzeichnungsverfah-ren und Zertifizierungsanforderungen zu gewährleis-ten. Federführend waren die EU-Kommission und das US-Landwirtschaftsministerium.

Wer die Gleichwertigkeit von Konformitätsbewertungs-stellen prüft, wird im MRA selbst auch festgelegt. Da es hier nur um die gegenseitige Anerkennung der Kon-formitätsbewertungsstellen, nicht aber um die gegensei-tige Anerkennung der Konformitätsbewertungen oder der ihnen zugrunde liegenden Regeln geht, bedarf es für MRAs nicht der Zustimmung des Gesetzgebers. Im Fall von Äquivalenzabkommen (Recognition of Equiva-lence) ist dies einzelfallspezifisch festgelegt. In der Regel muss die jeweils zuständige Regulierungsbehörde die Äquivalenz feststellen und erklären. In der Automobil-industrie wären dies auf EU-Seite die Generaldirektion Mobilität und Verkehr und für die USA die US-ame-rikanische National Highway Traffic Safety Adminis-tration (NHTSA).

Bieten Regeln oder Standards nicht denselben Schutz für den Konsumenten, Arbeitnehmer oder die Umwelt, so ist eine gegenseitige Anerkennung nicht möglich. TTIP ist ein Freihandelsabkommen und kein Binnen-marktprojekt wie die EU. Eine pauschale gegenseitige Anerkennung aller Waren und Dienstleistungen wird nicht angestrebt. Auch in Zukunft können nur solche Produkte und Dienstleistungen aus den USA in die EU exportiert werden, die den europäischen Regeln und Normen entsprechen. Dies gilt andersherum genauso.

Das EU-Parlament hat in seiner Resolution von 2013 deutliche rote Linien gezogen: Einem TTIP, das Stan-dards senkt oder die Regulierungshoheit des Staates

einschränkt, werden die Parlamentarier nicht zustim-men. Dies gilt gleichermaßen für den US-Kongress. Auch die EU-Kommission145, die Bundesregierung146 und die US-Regierung147 schließen ausdrücklich aus, dass Standards im Rahmen der TTIP-Verhandlungen gesenkt werden.

Bezugnahme auf bestehende RechtsrahmenÜbereinkünfte zur gegenseitigen Anerkennung können bestehende Gesetze nicht aushebeln. Ganz im Gegen-teil schafft das bestehende EU- und US-amerikanische Recht erst den Rahmen für Regulierungskooperation. Im Fall des Abkommens über Bioprodukte wurde bei-spielsweise zur Anerkennung von US-amerikanischen Bioprodukten im europäischen Markt die Durchfüh-rungsverordnung Nr. 834/2007 von der EU-Kommis-sion ergänzt und die USA in die Liste anerkannter Dritt-länder aufgenommen.

Ist eine Anpassung eines delegierten Rechtsakts not-wendig, kann die Kommission diese nur im Rahmen des ihm zugrundliegenden Gesetzes für nicht wesentli-che Vorschriften vornehmen. Parlament und Rat kön-nen Vorschläge für delegierte Rechtsakte innerhalb einer bestimmten Frist ablehnen. Im Parlament bedarf es hierzu einer absoluten Mehrheit, im Rat einer qua-lifizierten Mehrheit.

Bei Durchführungsrechtsakten kontrollieren die Mit-gliedstaaten die Kommission in der Wahrnehmung ihrer Durchführungsbefugnisse, indem sie in Ausschüssen Stellungnahmen zum Kommissionsentwurf abgeben.

Gibt es keine rechtliche Grundlage, müsste diese zunächst geschaffen werden. Dafür gilt der übliche Gesetzgebungs-prozess in der EU: Die Kommission schlägt vor; das Europäische Parlament und der Ministerrat entscheiden. Dabei gelten die gängigen Pflichten von Konsultationen und Folgeabschätzungen.

145 Europäische Kommission, EU-US-Handelsabkommen: Hier sind die Fakten, 18.2.2014, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/december/tradoc_152030.pdf>.

146 Bundeskanzleramt, Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der U.S. Chamber of Commerce am 2. Mai 2014, <http://www.bundeskanzlerin.de/Content/DE/Rede/2014/05/2014-05-02-merkel-usa-handelskammer.html> (eingesehen am 22.5.2014).

147 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, U.S.-Handelsbeauftragter Michael Froman zum Dialog über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), 5. Mai 2014, <http://www.bmwi.de/DE/Presse/reden,did=637368.html> (eingesehen am 22.5.2014).

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Zudem muss das New Legislative Framework über einheitliche Grundlagen für die Produktvermarktung und die Produktüberwachung in der EU (Verordnung (EG) Nr. 765/2008, Beschluss 768/2008/EG, Verord-nung (EG) Nr. 764/2008) berücksichtigt werden. Die-ses bildet einen allgemeinen umspannenden Rahmen für Rechtsvorschriften zur Harmonisierung des Bin-nenmarkts. Es enthält überdies klare Definitionen für bestimmte grundlegende Begriffe, darunter gemeinsame Grundsätze und Musterbestimmungen für die Anwen-dung in allen sektoralen Rechtsakten (z.B. der Maschi-nenrichtlinie, Medizinprodukterichtlinie). Auch werden allgemeine Verpflichtungen für die Wirtschaftsakteure wie Hersteller, Importeure und Händler beschrieben sowie die Vorschriften für die CE-Kennzeichnung festge-legt. Jede Regulierungskooperation muss diesen Regeln Rechnung tragen.

Schließlich können Übereinkommen zu Regulierungs-kooperation nicht grundsätzliche Regulierungsprinzi-pien in der EU außer Kraft setzen. Das in Art. 191 AEUV festgeschriebene Vorsorgeprinzip kann als EU-Primär-recht nicht durch einen völkerrechtlichen Vertrag außer Kraft gesetzt werden und muss in jedem Fall eingehal-ten werden.

Auch in den USA kann Regulierungskooperation Gesetz-gebungsprozesse nicht aushebeln. Zudem müssen bei der regulatorischen Zusammenarbeit mit einem internationa-len Partner die im Administrative Procedure Act und in der Executive Order 12866 festgelegten Prozesse Anwen-dung finden.

Wahrung der Regulierungshoheit des StaatesDer Staat muss in der Lage sein, im öffentlichen Inte-resse, unter anderem zum Schutz der Umwelt und des Klimas, zum Schutz des Verbrauchers und der Gesund-heit oder auch zum Schutz der kulturellen Vielfalt sowie öffentlicher Sicherheit und Ordnung, gesetzgeberisch und regulierend tätig zu werden. Neuere Freihandels-abkommen der EU halten dies explizit fest, darunter beispielsweise das FTA mit Südkorea. In der Präambel des Abkommens heißt es bezüglich des folgenden Ver-tragstextes: „In Anerkennung des Rechts der Vertrags-parteien, Maßnahmen zur Erreichung legitimer öffent-licher Ziele auf dem ihnen notwendig erscheinenden Schutzniveau zu ergreifen, wobei derartige Maßnahmen im Sinne dieses Abkommens nicht der ungerechtfertig-ten Diskriminierung oder verdeckten Beschränkung des

internationalen Handels dienen dürfen.“148 Auch wenn die Präambel nicht rechtsverbindlich ist, schafft sie doch wichtige Leitlinien für das Abkommen.

Zudem erlauben die FTAs der EU (wie auch das All-gemeine Zoll- und Handelsabkommen, engl.: Agree-ment on Tariffs and Trade, GATT, der WTO) Ausnah-men zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter. Das Abkommen zwischen der EU und Südkorea bezieht sich beispielsweise in Abschnitt D, Besondere Aus-nahmen in Bezug auf Waren, Artikel 2.15, explizit auf GATT-Artikel XX. Demnach sind nationale Bestimmun-gen etwa zum Schutz der öffentlichen Moral, des Lebens und der Gesundheit von Tieren, Menschen und Pflan-zen, des Kulturguts oder natürlicher Ressourcen zuläs-sig, soweit sie nicht diskriminieren oder verschleierte

148 „Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits“, in: Amtsblatt der Europäischen Union, 54. Jahrgang, 14.5.2011, <http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L:2011:127:FULL&from=EN> (eingesehen am 5.2.2015).

Auszug aus der Präambel von CETA

„Die Parteien beschließen (…)

Anerkennend, dass die Bestimmungen dieses Abkommens ihr Recht auf Regulierung in ihrem Hoheitsgebiet bewahren, und beschließend ihre Fle-xibilität zu erhalten, um legitime politische Ziele wie öffentliche Gesundheit, Sicherheit, Umwelt, öffentliche Moral und die Förderung und den Schutz der kulturellen Vielfalt zu erreichen;

Bekräftigung ihrer Verpflichtungen als Vertrags-parteien des UNESCO Übereinkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen und in Anerkennung, dass Staa-ten das Recht haben, ihre Kulturpolitik zu erhalten, zu entwickeln und umzusetzen, und ihre Kultur-wirtschaft zu unterstützen, um die Vielfalt kulturel-ler Ausdrucksformen zu stärken, und ihre kulturel-len Identität zu erhalten, unter anderem durch den Einsatz von Regulierungsmaßnahmen und finanzi-elle Unterstützung.“

Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), 26.9.2014, <http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Freihandelsabkommen/ceta.html> (Übersetzung durch die Autoren).

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68 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Handelshemmnisse darstellen. Dabei ist auch die Aus-legung von Artikel XX von erheblicher Bedeutung. Hier zeigt sich beispielsweise, dass Umwelt- und Tierschutz unter dem multilateralen Handelsrecht eine deutliche Stärkung erfahren haben.

Auch Übereinkommen zur gegenseitigen Anerkennung schränken das Recht von Staaten nicht ein, regulierend tätig zu werden.

Durch MRAs über Konformitätsbewertungsstellen werden lediglich Bewertungsstellen des Partnerlandes anerkannt. Diese können somit den Nachweis für das Partnerland führen, ob ein Produkt oder ein Prozess die Voraussetzungen im jeweils anderen Land erfüllt. Die jeweiligen Rechtsvorschriften selbst, die der Prü-fung zugrunde liegen, werden hingegen nicht gegen-seitig anerkannt und können somit geändert werden, ohne in Konflikt mit dem Abkommen zu geraten. Sollte festgestellt werden, dass Konformitätsbewertungsstel-len nicht gleichwertige Arbeit leisten, kann das MRA ausgesetzt werden.

In Übereinkommen über die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit von Produktions- und Produktstan-dards (Äquivalenzabkommen) erkennen die Partnerlän-der an, dass ihre Regulierungen die gleichen Ziele ver-folgen und diese gleichermaßen erreichen, auch wenn die Regulierungen selbst voneinander abweichen. Durch die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Produkt-standards kann ein Produkt somit ohne weitere Prüf-schritte im jeweils anderen Markt zugelassen werden. Das Bestimmungsland kann jedoch die Vermarktung

eines Produkts in dessen derzeitiger Form verweigern, wenn es nachweisen kann, dass dies zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit oder der Umwelt notwendig ist. Es gilt zudem der regulatorische Vorbe-halt: Entschließt sich eine Regierung, ein Produkt stren-ger im öffentlichen Interesse zu regulieren – beispiels-weise aufgrund von Gesundheitsbedenken – so ist dies trotz Äquivalenzabkommen möglich. Das Übereinkom-men müsste für die betreffenden Regulierungen dann nachverhandelt oder ausgesetzt werden.

Der CETA-Vertragstext hält zudem ausdrücklich fest, dass die Vertragsparteien auch nach Abschluss des Han-delsabkommens voneinander abweichende Regulierun-gen ergreifen können. Der entsprechende Artikel zur Kompatibilität der Regulierungen (Regulatory Coope-ration Article X.5: Compatibility of Regulations) besagt diesbezüglich: „Im Hinblick auf die Verbesserung der Konvergenz und Kompatibilität zwischen Regulierungs-maßnahmen der Vertragsparteien solle jede Vertrags-partei, wenn angemessen, die Regulierungsmaßnah-men oder -initiativen der anderen Vertragspartei bei gleichen oder verwandten Themen berücksichtigen. Diese Berücksichtigung hindert keine der Vertragspar-teien daran, abweichende Maßnahmen anzunehmen oder unterschiedliche Ansätze zu verfolgen aus Grün-den wie verschiedener institutioneller und rechtlicher Ansätze oder Rahmenbedingungen, Umstände, Werte oder Prioritäten, die für die Vertragspartei von Bedeu-tung sind.“149

149 Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), 26.9.2014, <http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Freihandelsabkommen/ceta.html> (Übersetzung durch die Autoren).

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Um Unternehmen, Verbraucher und öffentliche Hand zu entlasten, soll-ten in TTIP nicht-tarifäre Handelsbarrieren abgebaut und eine bessere regulatorische Zusammenarbeit vereinbart werden. Zugleich muss sicher-gestellt sein, dass Regulierungen weiterhin am Gemeinwohlinteresse aus-gerichtet werden.

Dazu sollten die folgenden zehn Prinzipien und Mechanismen zentrale Bestandteile eines Abkommens sein:

1. Handelsbarrieren sollten durch den Austausch von Informationen und Daten sowie – sofern möglich – durch die Angleichung oder die gegen-seitige Anerkennung von Regulierungen, Standards, Konformitätsbe-wertungen und Prüfergebnissen abgebaut werden.

Eine stärkere regulatorische Zusammenarbeit lohnt sich in allen Indust-riebranchen. Sie sollte daher breit angelegt sein. Gleichwohl gibt es in der regulatorischen Zusammenarbeit keine one size fits all-Lösungen. Daher müssen die Verhandlungen sektorspezifischen Unterschieden Rechnung tragen: Während in der Automobilindustrie eine gegenseitige Anerken-nung von Produktstandards und Zulassungsverfahren denkbar ist, sind die Regulierungen und Normen im Maschinenbau, in der Chemieindus-trie und in der Elektronikindustrie derzeit noch zu unterschiedlich, um eine gegenseitige Anerkennung zu ermöglichen. Hier geht es zunächst darum, die Kompatibilität der unterschiedlichen Systeme zu verbessern. Daher sollte branchenspezifisch entschieden werden, welcher Ansatz sinnvoll ist und welche Akteure eingebunden werden müssen.

2. Technische Normen sollten auf der Basis internationaler Normen wie denen wie denen der ISO, IEC oder UN ECE gemeinsam erarbeitet und angeglichen werden.

Sowohl die EU-Mitgliedstaaten als auch die USA arbeiten in den Gremien der internationalen Normungsorganisationen ISO und IEC sowie in der UN ECE mit. Eine einheitliche Umsetzung der auf internationaler Ebene vereinbarten Normen durch die nationalen Normungsinstitutionen würde den transatlantischen und internationalen Handel erheblich erleichtern. Idealerweise sollten auch Konformitätsbewertungen auf der Basis inter-nationaler Normen erfolgen. Davon würden auch Drittländer profitieren.

VII. Empfehlungen: Roadmap für eine bessere regulatorische Zusammenarbeit

Es gibt nicht nur die ‚eine‘ richtige Art und Weise, wie man bei der Regulie-rung vorgehen sollte, und es gibt keine allgemeingül-tige Einheitslösung. Aber die Grundsätze der Trans-parenz, Partizipation und Rechenschaftspflicht sind schließlich nicht rein ame-rikanische Prinzipien. Sie bilden die Grundlage des Regulierungsprozesses in vielen europäischen Län-dern, sie sind bereits auf der regulatorischen Refor-magenda der EU, und sie genießen breiten öffentli-chen Zuspruch. 150

US-Handelsbeauftragter Michael Froman„

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3. EU und USA müssen bei der Regulierungstätigkeit die Grundsätze der Guten Regulierungstätigkeit (good regulatory practice) anwen-den, also Transparenz, Rechenschaft und Partizipation im gesam-ten Prozess gewährleisten. 150

Nur auf der Basis eines offenen und transparenten Regulierungsprozes-ses können andere Regierungen sowie Interessengruppen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft Regulierungsentwürfe sinnvoll kommentieren. Die EU-Kommission sollte daher prüfen, inwieweit sie bei der Erarbeitung delegierter Rechtsakte mehr Transparenz und Partizipation, etwa durch offizielle Anhörungen und Konsultationen, zulassen kann

4. In TTIP muss sichergestellt werden, dass das Abkommen nicht zu einer Senkung von Sicherheits-, Gesundheits-, Umwelt- Verbraucher- oder Datenschutzstandards führt.

Voraussetzung für eine Angleichung oder gegenseitige Anerkennung von Prozessen, Regeln oder auch Produkten ist ein vergleichbares Niveau an Produktsicherheit, Gesundheits-, Verbraucher- und Umweltschutz sowie Datenschutz und Datensicherheit. Dieses muss unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften der Vertragsparteien auf der Basis intensiver Prüfungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen werden. Der Erfolg der deutschen Industrie im In- und Ausland beruht auf qualita-tiv hochwertigen und sicheren Produkten made in Germany. Eine Absen-kung von Standards würde daher deutschen Unternehmen wie auch den Verbrauchern schaden. In TTIP sollten daher eine Methodologie entwi-ckelt werden, nach welchen Kriterien die Äquivalenz von Regulierungen und Standards als Grundlage für die regulatorische Zusammenarbeit fest-gestellt werden kann. Diese Kriterien müssen veröffentlicht und transpa-rent gemacht werden. Zudem sollten Verfahren klar beschrieben und die involvierten Akteure identifiziert werden.

5. Eine gegenseitige Anerkennung von Regulierungen, Normen oder auch Konformitätsbewertungen darf nicht zu Rechtsunsicherheit und zusätzlichen Haftungsrisiken für Unternehmen führen.

Wenn eine gegenseitige Anerkennung einer Regulierung aufgrund ihrer Gleichwertigkeit möglich ist, muss gewährleistet sein, dass sich daraus keine zusätzlichen Risiken mit Blick auf eine Produkt- oder Produzen-tenhaftung im US-amerikanischen Markt ergeben. Im Schadensfall müs-sen die europäischen Produkte und Dienstleistungen wie US-amerikani-sche Produkte und Dienstleistungen behandelt werden.

150 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), U.S.-Handelsbeauftragter Michael Froman zum Dialog über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), 5.5.2014, <http://www.bmwi.de/DE/Presse/reden,did=637368.html> (eingesehen am 1.8.2014).

Bei TTIP geht es für den BDI nicht darum, die hohen Umweltschutz-, Arbeits- und Sozialstan-dards in Europa zu sen-ken. Gegenseitige Aner-kennung von Standards ist nur da möglich, wo sie dasselbe Schutzniveau garantieren. Dann könn-ten allerdings erhebliche Kosten eingespart werden.

BDI-Präsident Ulrich Grillo

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6. Neben sektorspezifischen Vereinbarungen muss TTIP zudem Mecha-nismen für die zukünftige regulatorische Zusammenarbeit schaffen.

Eine engere regulatorische Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA – der Austausch von Informationen über Regulierungsvorhaben sowie Folgeabschätzungen von Regulierungen – kann verhindern, dass zukünftig neue nicht-tarifäre Handelshemmnisse im transatlantischen Markt entstehen. TTIP muss die Verpflichtung zur Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden verbindlich festlegen. Diese Verpflichtung bein-haltet allerdings nicht automatisch eine Verpflichtung auf ein bestimm-tes Ergebnis.

TTIP sollte entsprechend neue Kooperationsmechanismen etablieren. Dies ist gerade in den Branchen wichtig, in denen die regulatorischen Rahmenbedingungen heute noch so weit auseinander liegen, dass eine gegenseitige Anerkennung nicht möglich ist. Aber auch in den Sektoren, in denen gegenseitige Anerkennung schon jetzt möglich ist, ist die künf-tige regulatorische Zusammenarbeit wichtig, da sich nationale Regulierun-gen immer weiter entwickeln. Ziel muss ein effektiv vergleichbarer Markt-zugang sein. Dafür sollten alle hoheitlichen Ebenen einbezogen werden. Andernfalls würden durch die unabhängige Regelsetzung auf einzelstaat-licher und lokaler Ebene Markthindernisse faktisch bestehen bleiben.

Dazu gehört, dass der Dialog zwischen den Regulierungsbehörden inten-siviert wird (regulator-to-regulator dialogue). Da Regulierungen und Regu-lierungsprozesse je nach Branche voneinander abweichen, sollten die Dialoge branchenspezifisch geführt werden. Die Dialoge zwischen den Regulierungsbehörden sollten regelmäßig stattfinden. Dabei sollten die Regulierungsbehörden Vereinbarungen zum Austausch von Daten und vertraulichen Unternehmensinformationen treffen. Zudem sollten sie sich auf Arbeitsprogramme mit klaren Prioritäten und Fristen verständigen.

Bei der Entwicklung von neuen Regulierungen sollte eine Folgenabschät-zung mit Blick auf die Auswirkungen auf den transatlantischen Handel durchgeführt werden. Die Regulierungsbehörden sollten frühzeitig die Möglichkeit bekommen, Regulierungsentwürfe und Folgenabschätzun-gen der anderen Seite kommentieren zu können. Zudem sollten die tran-satlantischen Partner die Möglichkeit haben, Folgenabschätzungen selbst zu initiieren, wenn der transatlantische Handel von einer Regulierung der jeweils anderen Seite betroffen ist.

7. Ein aufgewerteter und in TTIP eingebetteter Transatlantic Econo-mic Council, der die Rolle eines Regulatory Forum/Body übernimmt, kann eine zentrale Stellung in der transatlantischen Regulierungs-kooperation einnehmen.

Der TEC könnte ein wichtiges Gremium sein, um die regulatorische Zusammenarbeit zu stärken. Voraussetzung für einen erfolgreichen TEC ist es, dass sich die Regulierungsbehörden auf beiden Seiten zu einer engen Zusammenarbeit verpflichten. Denn nur sie können etwa die

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Äquivalenz von Standards verbindlich feststellen. Der TEC sollte daher umstrukturiert werden und aus Vertretern der relevanten US-amerikani-schen und europäischen Regierungsinstitutionen bestehen (z.B. OIRA und Generalsekretariat der EU-Kommission).

Die bestehenden und neuen Dialogformate sollten in die Arbeit des TEC integriert werden. Der TEC kann zudem durch branchenspezifi-sche Arbeitsgruppen unterstützt werden. Darüber hinaus sollte er regel-mäßig Vertreter der Wirtschaft, von Verbraucherschutz- und Umweltver-bänden, Gewerkschaften sowie andere Vertreter der Zivilgesellschaft wie der Wissenschaft konsultieren. Zu diesem Zweck könnte ein Beirat ein-gerichtet werden.

Der TEC darf auch in Zukunft keine Entscheidungskompetenz haben, sondern sollte eine Koordinierungs- und Vermittlungsfunktion einneh-men. Die letztlichen Entscheidungen über Regulierungen müssen nach wie vor entsprechend europäischem, nationalem beziehungsweise US-amerikanischem Recht getroffen werden.

Welche Aufgaben sollte der TEC erfüllen? - Der TEC sollte regelmäßig überprüfen, ob die in TTIP vereinbarten Verpflichtungen eingehalten und umgesetzt werden.

- Er sollte gemeinsam mit den Regulierungsbehörden einen Fahrplan für die regulatorische Zusammenarbeit und branchenspezifische Arbeits-programme erstellen.

- Der TEC sollte zudem Informationen über Initiativen im Regulierungs-prozess zur Verfügung stellen.

- Er sollte Partnerinstitutionen für einen regulator-to-regulator-Dialog identifizieren und diesen Dialog moderieren.

- Der TEC sollte Standardisierungs- und Normungsorganisationen in die regulatorische Zusammenarbeit integrieren.

- Der TEC sollte die Möglichkeit haben, Folgenabschätzungen (impact assessments) in Auftrag zu geben, die die Auswirkungen von geplan-ten Regulierungen auf den transatlantischen Handel sowie die Folgen für Verbraucher- und Umweltschutz untersuchen.

- Der TEC sollte regelmäßig Stakeholder-Dialoge durchführen und fach-lichen Input von Experten aus Wirtschaft und Industrie, Verbraucher- und Umweltverbänden, Gewerkschaften und weiteren interessieren Organisationen berücksichtigen.

- Schließlich sollte er Beratung in rechtlichen und technischen Fragen leisten.

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8. TTIP darf die regulatorische Autonomie nicht unterminieren.

Entscheidend ist, dass die regulatorische Autonomie der EU und der USA gewahrt wird: Eine Regulierungskooperation kann weder die USA noch die EU und ihre Mitgliedstaaten zu bestimmten Ergebnissen verpflichten (obligation to cooperate, no obligation to results). Die Prinzipien der regu-latorischen Arbeit, die Autonomie der Regulierer und deren demokrati-sche Kontrolle dürfen durch ein Handelsabkommen nicht in Frage gestellt oder umgangen werden. Ein living agreement ist daher nicht die Fortset-zung von Verhandlungen außerhalb der demokratischen oder öffentli-chen Kontrolle, sondern die Institutionalisierung einer engen Zusammen-arbeit zur Umsetzung der im Abkommen beschlossenen Vereinbarungen.

9. Diskriminierung von Drittländern vermeiden.

Die USA sind ein wichtiger Handelspartner für Deutschland – der wich-tigste außerhalb der EU. Gerade für die deutsche Industrie, die wie keine andere weltweit in globale Wertschöpfungsketten eingebunden ist, darf TTIP jedoch keine neuen Handelsbarrieren gegenüber Drittländern auf-bauen. TTIP darf keine Festung werden.

Vielmehr sollte Regulierungskooperation so ausgestaltet sein, dass auch Drittländer davon profitieren. Viele Produzenten aus Entwicklungslän-dern müssen sich aus Kostengründen zurzeit aufgrund der unterschiedli-chen Standards und Normen in den USA und der EU für einen Absatz-markt entscheiden. Kommt es unter TTIP zu einer Harmonisierung von Standards oder werden international anerkannte Normen stärker von der EU und den USA angewandt, profitieren davon auch Produzenten aus Drittländern. Die Verhandlungspartner sollten zudem prüfen, wo eine Kooperation mit Drittländern sinnvoll und möglich ist. Dazu gehört, das Verhältnis von TTIP zu bereits bestehenden regulatorischen Übereinkom-men mit Drittländern zu prüfen. 151

Planen die EU oder die USA ein MRA mit einem Drittland, sollte zudem geprüft werden, ob das MRA auf den TTIP-Partner ausgedehnt werden kann.

Die Entwicklung gemeinsamer Regeln und Normen sollte dazu genutzt werden, auch im multilateralen Rahmen und gegenüber Drittländern für diese hohen Standards zu werben.

Ein Ziel der regulatorischen Zusammenarbeit ist es, zu gemeinsamen Ansätzen bei der Entwicklung internationaler technischer Normen und Regulierungen zu kommen. Diese Ansätze sollten dann die Grundlage für Gespräche im multilateralem Rahmen (etwa bei der WTO) oder in bilate-ralen Verhandlungen sein. Dies könnte einen Beitrag dazu leisten, auch weltweit ein hohes Niveau an Produktsicherheit, Verbraucherschutz und Umweltschutz zu etablieren.

151 BMWi, Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA. Fakten und Informationen, häufig gestellte Fragen und Antworten, Januar 2015, S. 22, <http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/transatlantische-handels-und-investitionspartnerschaft-ttip,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf>.

Die Debatten zur Liberali-sierung des Handels wer-den sich in Zukunft im Wesentlichen um Nor-men, Standards und Regu-lierungen drehen, nicht mehr um Zölle. Um die Handelsfragen der Zukunft mitzugestalten und europäische Interes-sen zu wahren, muss die EU aktiv an der Erarbei-tung globaler Standards mitwirken. Dafür bietet TTIP gute Chancen. 151

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

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75Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

AAPC American Automotive Policy Council

ACEA European Automobile Manufacturers’ Association

AEO Authorised Economic Operator

AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

AHJ authority having jurisdiction

AMG Arzneimittelgesetz

ANSI American National Standards Institute

APHIS Animal and Plant Health Inspection Service

AQSIQ General Administration of Quality Supervision, Inspection and Quarantine

ASTM American Society for Testing and Materials

BEREC Body of European Regulators of Electronic Communications

BEUC Bureau Européen des Unions de Consommateurs

BfArM Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

BMG Bundesministeriums für Gesundheit

BOB Bilateral Oversight Board

BVE Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie

CAB Conformity Assessment Bodies

CBP U.S. Customs and Border Protection

CCS Combined Charging System

CDRH Center for Devices and Radiological Health

CE-Kennzeichnung conformité européenne

CEN European Committee for Standardization

CENELEC European Committee for Electrotechnical Standardization

CETA Comprehensive Economic and Trade Agreement

ChemVerbotsV Chemikalienverbotsverordnung

CPSC Consumer Product Safety Commission

CPSIA Consumer Product Safety Improvement Act

CRS Congressional Research Service

C-TPAT Customs-Trade Partnership Against Terrorism

DAkkS Deutsche Akkreditierungsstelle

DEKRA Deutscher Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein

DG SANCO Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher

DHS Department of Homeland Security

DIN Deutsches Institut für Normung

EASA European Aviation Safety Agency

ECHA European Chemicals Agency

EFSA European Food Safety Authority

EFTA European Free Trade Association

Abkürzungsverzeichnis

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76 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

EMA European Medicines Agency

EMV elektromagnetische Verträglichkeit

EN Europäische Norm

EORI Economic Operators´ Registration and Identification number

EPA Environmental Protection Agency

ETSI European Telecommunications Standards Institute

EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

FAA Federal Aviation Administration

FCC Federal Communications Commission

FDA Food and Drug Administration

FHSA Federal Hazardous Substances Act

FMVSS Federal Motor Vehicle Safety Standards

FSIS Food Safety and Inspection Service

FSMA Food Safety Modernization Act

FSVP Foreign Supplier Verification Program

FTC Federal Trade Commission

GATT General Agreement on Tariffs and Trade

GCC General Certificate of Conformity

GCP Good Clinical Practice

GHS Globally Harmonized System

GINETEX International Association for Textile Care Labelling

GMP Good Manufacturing Practice

GRCT Guidelines on Regulatory Cooperation and Transparency

GTR Globale Technische Regelungen

GVO Gentechnisch veränderte Organismen

HHS Department of Health and Human Services

HLWG High Level Working Group on Jobs and Growth

IAF International Accreditation Forum

ICH International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for

Registration of Pharmaceuticals for Human Use

IEC International Electrotechnical Commission

IEEE Institute of Electrical and Electronics Engineers

IFOAM International Federation of Organic Agriculture Movements

IFRS International Financial Reporting Standards

IKT Informations- und Kommunikationstechnologie

ILAC International Laboratory Accreditation Cooperation

IMDRF International Medical Device Regulators Forum

ISDS Investor-State Dispute Settlement

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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

77Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

ISO International Organization for Standardization

ITC Inland Transport Committee

MRA Mutual Recognition Agreement

NAFTA North American Free Trade Agreement

NANDO New Approach Notified and Designated Organisations

NEC National Electrical Code

NHTSA National Highway Traffic Safety Administration

NIST National Institute of Standards and Technology

NRTL Nationally Recognized Testing Laboratories

NTA Neue Transatlantische Agenda

NTB Non-tariff barrier to trade

NTM New Transatlantic Marketplace

OECD Organisation for Economic Co-operation and Development

OFPA Organic Foods Production Act

OIE World Organisation for Animal Health

OIRA Office of Information and Regulatory Affairs

OSHA Occupational Safety and Health Administration

OTT Over the top

PEA Positive Economic Agenda

PMA Premarket approval

ProdSG Produktsicherheitsgesetz

QMS Qualitätsmanagementsystem

RCC Regulatory Cooperation Council

REACH Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals

RPS Regulatory Product Submission

SDO Standard Development Organization (PLURAL)

SDoC Self-Declaration of Conformity

SPS Agreement Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures

SPS Sanitary and Phytosanitary Measures

TABD Trans-Atlantic Business Dialogue

TACD Transatlantic Consumer Dialogue

TAED Transatlantic Environment Dialogue

TALD Transatlantic Labor Dialogue

TBT Agreement Agreement on Technical Barriers to Trade

TEC Transatlantic Economic Council

TEP Transatlantic Economic Partnership

TK Telekommunikation

TLD Transatlantic Legislators’ Dialogue

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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

78 Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

TSA Transportation Security Administration

TSCA Toxic Substances Control Act

TTIP Transatlantic Trade and Investment Partnership

TÜV Technischer Überwachungsverein

UDI Unique Device Identification

UL Underwriters Laboratories

UMTRI University of Michigan Transportation Research Institute

UN ECE United Nations Economic Commission for Europe

UN WP United Nations Working Party

UNCTAD United Nations Conference on Trade and Development

USDA U.S. Department of Agriculture

US GAAP U.S. Generally Accepted Accounting Principles

USFWS U.S. Fish and Wildlife Service

VCI Verband der Chemischen Industrie

VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau

vfa Verband Forschender Arzneimittelhersteller

WCO World Customs Organization

WTO World Trade Organization

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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

79Positionspapier Regulatorische Zusammenarbeit in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Fokus Industriegüterhandel

Weiterführende Quellen

Besuchen Sie uns auf:

Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), BDI Webpage, <http://www.bdi.eu/TTIP.htm>.

Facebook: Pro TTIP – Deutsche Industrie für transatlantischen Freihandel, <https://de-de.fa- cebook.com/industrieprottip>.

Twitter: Industrie pro TTIP,<https://twitter.com/bdi_ttip>.

Positionspapiere unserer Partner

American Chamber of Commerce, Regulatory Component in the TTIP – Key to Success, 2014, <http://www.amcham.de/fileadmin/user_upload/Policy/TTIP_Info_Desk/TTIP_News/Business_Alliance_-_Regulatory_Component_in_the_TTIP_-_September_30_2014.pdf>.

BUSINESSEUROPE, Advancing Regulatory Cooperation in the Transatlantic Trade and Investment Partnership, 2013, <http://www.businesseurope.eu/content/default.asp?PageID=568&DocID=32393>.

Standards in the EU-US Transatlantic Trade and Investment, 2014, <http://www.businesseurope.eu/content/default.asp?PageID=568&DocID=32851>.

Deutsches Institut für Normung (DIN), DIN Contribution on Cooperation Between the USA and Europe in Using Standardization to Support Negotiations on the Transatlantic Trade & Investment Partnership (TTIP), 2013, <http://www.din.de/sixcms_upload/media/2896/2013-08-07%20DIN%20contribution.pdf>.

Transatlantic Business Council, TABC Priorities in the Transatlantic Trade and Investment Partnership, 2014, <http://www.transatlanticbusiness.org/wp-content/uploads/2014/05/TABC-Priorities-for-TTIP-Septem-ber-16-2014.pdf>.

U.S. Chamber of Commerce, Regulatory Coherence & Cooperation in the Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), <https://www.uschamber.com/sites/default/files/regulatory_coherence_regulatory_cooperation_-chamber_ttip_paper-final_2.pdf>.

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HerausgeberBundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI)Breite Straße 2910178 BerlinT: +49 30 2028-0www.bdi.eu

RedaktionDr. Stormy-Annika Mildner, Abteilungsleiterin Abteilung Außenwirtschaftspolitik

Fabian Wendenburg, ReferentAbteilung Außenwirtschaftspolitik

Julia Howald, ReferentinAbteilung Außenwirtschaftspolitik

Konzeption & UmsetzungSarah PöhlmannAbteilung Marketing, Online und Veranstaltungen

DruckDas Druckteam Berlinwww.druckteam-berlin.de

BildnachweisCover: © 75187249 / kamonrat / Fotolia.comSeite 20: © 77323536 / industrieblick / Fotolia.comSeite 40: © 64343779 / kamonrat / Fotolia.comSeite 56: © 82796060 / donvictori0 / Fotolia.comSeite 69: © 69267109 / ARTENS / Fotolia.com

VerlagIndustrie-Förderung GmbH, Berlin

Layout Michel Arencibiawww.man-design.net

StandDezember 2015BDI-Publikations-Nr.: 0035

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