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1 Teilhabebeeinträchtigung und Rehabilitation bei psychischen Störungen Prof. Dr. Michael Linden Abt. für psychische und psychosomatische Erkrankungen am Rehabilitationszentrum Seehof der DRV-Bund, Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité Universitätsmedizin Berlin Teltow/Berlin Weder die Zahl der psychischen Störungen noch des quantitativen oder qualitativen Überforderungserlebens am Arbeitsplatz nehmen im Verlauf der letzten Jahre zu 0 10 20 30 40 50 Männer Frauen Gesamt GHS_MHS 1998 DGS 2012 % Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, N=17.562

PowerPoint-Präsentation€¦ · 4 Psychische Störungen in der EU Jahresprävalenz (%) 14.0 7.0 6,9 5,4 5.0 4,9 3,4 3.0 2.0 1,3 1,2 1.0 0,9 0,7 0,4 1.0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 Angststörung

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1

Teilhabebeeinträchtigung

und Rehabilitation

bei psychischen Störungen

Prof. Dr. Michael Linden

Abt. für psychische und psychosomatische Erkrankungen

am Rehabilitationszentrum Seehof der DRV-Bund,

Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation

an der Charité Universitätsmedizin Berlin

Teltow/Berlin

Weder die Zahl der psychischen Störungen noch des

quantitativen oder qualitativen Überforderungserlebens

am Arbeitsplatz nehmen im Verlauf der letzten Jahre zu

0

10

20

30

40

50

Männer Frauen Gesamt

GHS_MHS 1998 DGS 2012

%

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, N=17.562

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2

0

50000

100000

150000

200000

250000

300000

1993 2011

Veränderung in absoluten Zahlen

sonstige Muskel psych

Weder die Arbeitsunfähigkeitsraten noch die EM-Renten

nehmen zu sondern nur der relative Anteil psychischer

Störungen

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

1995 2000 2005 2010

Teilhabestörungen bei psychischen

im Vergleich zu somatischen Erkrankungen (Bundesgesundheitssurvey)

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3

WHO PPGHC, Kühn, Linden et al 2001

Arbeitsausfalltage

1 Jahr nach Indexuntersuchung

„Functional Burden of Disease“

in Hausarztpraxen (Prävalenz x IMET-Score)

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4

Psychische Störungen in der EU

Jahresprävalenz (%)

14.0

7.0

6,9

5,4

5.0

4,9

3,4

3.0

2.0

1,3

1,2

1.0

0,9

0,7

0,4

1.0

0 2 4 6 8 10 12 14 16

Angststörung

Schlafstörung

Depression

Demenz

ADHD

Somatoforme Störung

Alkoholabhängigkeit

Anpassungsstörung

PTSD

Persönlichkeitsstörung

Schizophrenie

Cannabisabusus

Eßstörung

Zwangsstörung

Opiatabhängigkeit

Geistige Behinderung

Wittchen et al. 2011. Eur Neuropsychopharmacol 2011;21(9):655–679

Prävalenz für ADHD nur bezogen auf 1-18 Jahre

Prävalenz für Demenz bezogen nur auf 60+ Jahre

Fähigkeitsbeeinträchtigungen

bei psychischen Störungen

• Depression

– Flexibilität (Überlastungsreaktion bei jeglicher Aufgabe, z.B.

Neuaufnahme),

– Durchhaltefähigkeit (verzögerte E-Berichte),

– Kontaktfähigkeit (Weinen, wenn Pat. über Probleme berichten)

– Gruppenfähigkeit (ohne Stimmung, stumm in der

Therapiegruppe)

• Generalisierte Angststörung

– Flexibilität (Überlastungsreaktion, wenn gleichzeitig Schwestern

und Pat. auf sie zukommen),

– Entscheidungsfähigkeit (Blutzuckerbestimmung),

– Fachkompetenz (Dosierung von Medikamenten)

– Selbstbehauptung (Vorträge, Gruppentherapie)

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Fähigkeitsbeeinträchtigungen

bei psychischen Störungen

• Narzisstische Persönlichkeitssörung

– Kontaktfähigkeit (Besserwisserei gegenüber Kollegen)

– Kompetenz (Übernahme von Aufgaben, die nicht seine sind)

– Flexibilität (Beharren auf eigenen Ansichten)

• Somatoforme Störungen

– Durchhaltefähigkeit (Überlastung bei reduzierter Leistung),

– Planung und Strukturierung von Aufgaben (jeden Morgen die

Frage, ob der Mitarbeiter kommt)

– Kontaktfähigkeit (Mitarbeiter haben die Nase voll und ziehen sich

zurück)

Fähigkeitsbeeinträchtigungen

bei psychischen Störungen

• Suchterkrankung / Alkoholabhängigkeit

– Kontaktfähigkeit (kumpelhaftes, anmachendes Verhalten bei

Patienten und Mitarbeitern)

– Kompetenz (mangelnde Präzision in der Erledigung von

Aufgaben, „Lügen“)

– Selbstpflege (vernachlässigte Kleidung und Körperpflege)

• Kognitive/dementielle Störungen

– Planung und Strukturierung von Aufgaben

(Stellen von Medikamenten)

– Durchhaltefähigkeit (Überlastung bei reduzierter Leistung),

– Kontaktfähigkeit (aufbrausende Reaktion auf Patienten oder

Chef)

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Psychische Störungen im Betrieb

Menschen mit psychischen Störungen

• sind nicht gern gesehen

• sind häufig

• führen zwingend zur Leistungsminderung

• führen zwingend zu Mehrarbeit für Mitarbeiter

• führen zwingend zu Interaktionsproblemen

• benötigen viel Toleranz und Unterstützung

• benötigen spezielle Arbeitsplätze

• Erfordern speziellen Umgang seitens

– Vorgesetzter

– Arbeitgeber

– Mobbingberatungsstellen,

Datenschutzbeauftragte usw.

– Personalvertretern, Behindertenvertreter usw.

– Arbeitsrechtler

• leiden unter Behinderungen n. § 2 SGB IX

(> 6 Monate, Teilhabebeeinträchtigung)

• Haben ein Anrecht auf Integrationshilfen

nach der UN-Behindertenkonvention

ICF: Bio-psycho-soziales Modell: Man ist nicht behindert, man wird behindert

Gesundheitsproblem oder Krankheit

Geschädigte

Körperfunktion

und -struktur

Beeinträchtigte

Aktivitäten bzw.

Fähigkeiten

Eingeschränkte

Partizipation

Kontextfaktoren

Umwelt-

faktoren

Personbezogene

Faktoren

Krankheit Behinderung Leistungsminderung

ICIDH: Lineares Modell

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Transaktionales Stressmodell nach Lazarus bzw. in der VT: SORCK

Lebensereignis Stressor

Lebensbedrohung Kündigung

Beförderung Tod des Mannes

Erkrankung Behinderung

Autounfall Scheidung Hochzeit

Geburt eines Kindes

Wohnungsverlust Kränkung

Körperliche Gewalt Vortrag

Kein Vortrag […]

Primäre Bewertung

positiv vs.

gefährlich vs.

irrelevant

Herausforderung Bedrohung

Verlust

Sekundäre Bewertung

Ausreichende Ressourcen

zum Coping?

Symptomatik/ Nichtsymptomatik

PTSD Keine Symptome

PTED Kompetenzzuwachs Anpassungsstörung

Anpassung Protrahierte

Trauerreaktion Affektive Symptome

Angstbewältigung Lernen […]

Vulnerabilität – Resilienz Z.B. Ängstlichkeit, Weisheit,

Substanzabhängigkeit, Temperamentseigenschaften

Bewältigung Psychologische Verarbeitung

Auslösepsychologie

Aufrechterhaltende Mechanismen Z.B. Intrusionen, Vermeidungsverhalten

Hilfe, ich habe zu viel zu tun! Hilfe, ich habe zu wenig zu tun!

Psychischer Stress ist relativ:

Work-Environment-Fit

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Mini-ICF-APP Dimensionen

1. Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen

2. Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von

Aufgaben

3. Flexibilität und Umstellungsfähigkeit

4. Fähigkeit zur Anwendung fachlicher Kompetenzen

5. Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit

6. Durchhaltefähigkeit

7. Selbstbehauptungsfähigkeit

8. Kontaktfähigkeit zu Dritten

9. Gruppenfähigkeit

10. Fähigkeit zu familiären / intimen Beziehungen

11. Fähigkeit zu Spontan-Aktivitäten

12. Fähigkeit zur Selbstpflege

13. Verkehrsfähigkeit

Mini-ICF-APP Entscheidungsalgorithmus

1. welcher Lebensbereich ist als Standard- bzw. Referenzbereich

heranzuziehen?

- konkreter Arbeitsplatz = Arbeitsunfähigkeit

- Bezugsberuf (Standardtätigkeit) = Berufsunfähigkeit

- allgemeiner Arbeitsmarkt (z.B. Hotel) = Erwerbsunfähigkeit

- Teilhabe am sozialen Leben (z.B. Restaurantbesuch) = Pflegebedarf

- Ergotherapie = standardisierte Testsituation in

- prämorbider Status = individuelle Adjustierung

2. Welche Aktivitäten sind auszuführen?

3. Gibt es Fähigkeitseinschränkungen

Mini-ICF-APP 0 oder > 0?

4. Führen die Fähigkeitseinschränkungen zu Partizipationsstörungen?

- nein, Fähigkeitsniveau hinreichend

- ohne Konsequenzen, F. noch hinreichend (Mini-ICF-APP = 1)

- Negativreaktionen, F. unzureichend (Mini-ICF-APP = 2)

- Unterstützungsbedarf, F. schwer beeinträchtigt (Mini-ICF-APP = 3)

- Entpflichtungsnotwendigkeit, F. aufgehoben (Mini-ICF-APP = 4)

5. Falls ICF > 0: Stehen die Fähigkeitseinschränkungen in Bezug zu

krankheitsbedingten Funktionsstörungen?

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Der Übergang von der Hand- zur Kopfarbeit machte Patienten mit schizophrenen

Erkrankungen, der Übergang zur qualitätskontrollierten Arbeit Patienten mit

Angsterkrankungen, Depression oder Persönlichkeitsstörungen arbeitsunfähig.

Handarbeit Kopfarbeit

Kontrollierte, qualitätsgesicherte, getaktete Arbeit ohne Toleranzen

Schädliches Mitarbeiter

Ranking • UBS: forced ranking system:

10% Note 5

• Entlassungsturniere

(z.B. Infineon, GE)

• Forcierter Konkurrenzkampf

Beschäftigungsrate Schizophrener im

Vergleich zur Gesamtbevölkerung

Beschwerden / Symptome

Diagnostischer Algorithmus Mini-ICF-APP

ICD-10-Diagnose

chronische Krankheit

Medizinische Rehabilitation ICF Partizipationsstörungen

Soziale Unterstützung

(z.B. AU, EU)

ICF Fähigkeitsstörung

ICF Kontextfaktoren

ICF Funktionsstörung

ICD ICF

+

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– Differentialdiagnostik der Art der psychischen Störung

– Leistungsdiagnostik und Fähigkeitseinschränkungen

– Diagnostik der Arbeitsplatzproblematik

– Einzel- und Gruppenpsychotherapie zur Besserung

von Selbstwirksamkeit, Angstabbau,

Belastungsbewältigung

– Ergotherapeutisches Leistungstraining

(Konzentration, Ausdauer, Funktionstraining)

– Arbeitsplatzbezogene Therapiegruppen:

„Konfliktmanagement am Arbeitsplatz“,

„Zeitmanagement am Arbeitsplatz“, „Beruf und

Chance - Bewerbungstraining“

– Arbeitsplatzsuche im Internetsuche

– Bewerbung aus der Klinik

– berufliche Reha-Beratung

– arbeitsplatzbezogene Einzelberatung

– Kontakte mit Arbeitgebern

– Berufliche Belastungserprobung

– Gestufte Wiedereingliederung

– nachgehende sozialarbeiterische Betreuung

– Nachbetreuung in IRENA / Curriculum Hannover

Medizinisch Beruflich Orientierte Rehabilitation (MBOR)

Veränderungen im Ausmaß der Fähigkeitsbeeinträchtigungen

im Rahmen einer stationären psychosomatischen Rehabilitation

***

*****

**

***

***

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6 1,8 2

Grad der Beeinträchtigung

Globalw ert

12. Verkehrsfähigkeit

11. Fähigkeit zur Selbstversorgung

10. F. zu außerberuflichen Aktivitäten

9. F. zu familiären/intimen Beziehungen

8. Gruppenfähigkeit

7. Kontaktfähigkeit zu Dritten

6. Selbstbehauptungsfähigkeit

5. Durchhaltefähigkeit

4. Fachliche Kompetenz

3. Flexibilität u. Umstellungsfähigk.

2. F. zur Planung u. Struktur. v. Aufgaben

1. F. z. Anpassung an Regeln u. Routinen

Aufnahme

Entlassung

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UN-Behindertenkonvention (Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.06,

Bundesgesetzblatt (BGBL) 2008 II, S. 1419)

Artikel 27, Arbeit und Beschäftigung

Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche

Recht von Menschen mit Behinderungen auf

Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die

Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu

verdienen, die in einem offenen, integrativen und

für Menschen mit Behinderungen zugänglichen

Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder

angenommen wird.

Fehlzeiten nach Branchen (in %)

Fehlzeitenreport, WiDo:

„Integration/Inklusion“

%

0 1 2 3 4 5 6 7

Banken/Versicherungen

Handel

Dienstleistungen

Land- und

Forstwirtschaft

Bergbau

Verkehr

Produktion

Baugewerbe

öffentliche Verwaltung

AU-Rate und Freisetzungen in

einer Telefonversicherung:

„Hire and fire“

%

Integrative leidensgerechte Arbeitsplätze

Toleranzarbeitsplätze

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Umfrage Bundesanstalt für Arbeitsschutz und

Arbeitsmedizin (2001, N=4396):

2,7% aktuelles Mobbing, 5,5% Mobbing im

vergangenen Jahr, 11,3% Mobbingerfahrung

0

10

20

30

40

50

60

70

%

Gerüchte, Unwahrheiten

falsche Bewertung d.Arbeitsleistung

Sticheleien, Hänseleien

Vorenthalt von Informationen

Arbeit massiv ungerechtkritisiert

Ausgrenzung

als unfähig darstellen

beleidigen

Arbeitsbehinderung

Arbeitsentzug

Integrative leidensgerechte Arbeitsplätze

Psychosoziale Beratungsstellen und BEM in Betrieben

Betriebliche psychosoziale

Unterstützungsangebote

• Mobbingberatungsstellen

• Personalvertretung

• Betriebsärzte

• Teambesprechungen

• Fehlzeitengespräche

• Betr. Eingliederungsmanagement

• Mitarbeitergespräche

• Externe psychosoziale Dienstleister

>> Psychosoziale Anlauf-, Beratungs-

und Hilfsstelle (supported empoyment)

Disclosure und Mitwirkungspflicht

der Betroffenen

• Behinderte und Hilfsbedürftige haben

eine Mitwirkungspflicht, die auch die

Offenlegung der eigenen Funktions-

und Fähigkeitsstörungen einschließt.

Konflikte am Arbeitsplatz

Integrative leidensgerechte Arbeitsplätze

Eigenverantwortung

Studie von Fay, Muschalla, Seemann

Inst. f. Arbeitspsychologie, Univ. Potsdam

Im Folgenden stellen wir Ihnen eine Situation vor, die in ähnlicher Weise auch in

Ihrem Arbeitsbereich auftreten könnte. Wir möchten später von Ihnen wissen, wie

Sie mit dieser Situation wahrscheinlich umgehen würden.

Frau K ist eine 32-jährige Arbeitskollegin von Ihnen, die nach längerer Arbeitsunfähigkeit

wieder in Ihr Team zurückkehren soll. Sie haben erfahren, dass Frau K aufgrund einer

psychischen Erkrankung in Behandlung ist. Frau K war bisher bei der Arbeit äußerst

genau und gewissenhaft, hatte dabei jedoch Schwierigkeiten Aufgaben abzuschließen, da

sie mit ihrer Leistung nie zufrieden war. Mehrfach überprüfte sie ihre Arbeit und auch die

anderer auf Fehler. Dadurch kam es immer wieder zu Verzögerungen. Sie hatten sie

bereits wiederholt gebeten, Informationen termingerecht weiterzuleiten. Bei

Besprechungen hielt sie sich und andere mit unbedeutenden Details auf, wichtige

Entscheidungen aber blieben bis zur letzten Minute liegen. Dieses Verhalten ärgerte Sie

und Ihre Kollegen und störte die Arbeitsabläufe. Vor etwa drei Monaten war Frau K bei

der Arbeit so überlastet, dass sie schließlich krankgeschrieben wurde.

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13

Integrative leidensgerechte Arbeitsplätze

Eigenverantwortung

Fay, Muschalla, Seemann: Inst. f. Arbeitspsychologie, Univ. Potsdam

Unterstützungsintention von Kollegen

in Abhängigkeit von Selbst- und Kontextaktionen

Integrative leidensgerechte Arbeitsplätze Help the Helper,

d.h. Fürsorge für die Leistungs- und Fürsorgeerbringer

• Identifikation, Benennung und Veröffentlichung des Problems zur Schaffung von Verständnis

• Einbeziehung der Mitarbeiter in die Art der Problemlösung

• Festlegung von Maximalkontingenten von Behinderten zum Schutz der Leistungsträger vor Überforderung

• Personal- und Einstellungsrecht nicht nur mit Blick auf Behinderte sondern auch auf Leistungs- und Fürsorgeerbringer

• Belohnung der Leistungsträger (Mehrpersonal, Integrationsamt, menschliche Anerkennung)

• Prävention von Mobbing i.S. einer Selbstverteidigung hilfloser Leistungsträger

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14

Gezieltes Betriebliches

Gesundheitsmanagment

• Man kann nicht ändern, dass psychisch kranke Menschen

– sich durch die Arbeit überfordert fühlen

– keine Stetigkeit im Leistungsverhalten haben

– in Konflikte mit Kollegen kommen

– häufiger arbeitsunfähig sind

• Man kann ändern, dass

– das Selbstwirksamkeitserleben besser wird

– die Kompetenz im Umgang mit Belastungen verbessert

wird

– die sozialen Strukturen unterstützend sind und die

Unterstützer hilfsbereit sind

– Strategien für Problemsituationen erarbeitet werden

Inhalte der GREAT-Fokusgruppen:

Raum: Gibt es Änderungsbedarf oder Optimierungsmöglichkeiten bzgl. Raumsituation und

–ausstattung.

Arbeit: Sinn der eigenen Arbeit? Gibt es Änderungsbedarf oder

Optimierungsmöglichkeiten bezüglich Aufgaben, Arbeitsorganisation, Interaktion mit

übergeordneten Stellen, Schulungsbedarf, Verhältnis von Anspruch und Machbarkeit?

Kollegialität: Gibt es Änderungsbedarf oder Optimierungsmöglichkeiten bezüglich der

Interaktion zwischen Kollegen? Es findet eine Förderung von „guten Sitten“ und eines

kollegialen Umgangstons statt.

Unterstützungsbedarf und -möglichkeiten: Gibt es hinsichtlich des psychischen oder

körperlichen Zustands einzelner Mitarbeiter Aspekte, die in der Gruppe zu berücksichtigen

und ggf. auch zu kompensieren sind (häusliche Belastungen, körperliche

Beeinträchtigungen, besondere Notwendigkeit zur Förderung der Gesunderhaltung). Es gilt

das Prinzip, dass jeder einmal in die Situation kommen kann, Hilfe und Rücksichtnahme zu

benötigen. Wem dies bislang erspart blieb darf dankbar sein, dass er Hilfe geben kann.

Ressourcen: Was ist unsere Stärke, was ist unsere Besonderheit? Was läuft gut und ist zu

pflegen? Es findet die Förderung einer „Corporate Identity“ mit der Arbeitsgruppe wie auch

mit der Behörde statt. Im Sinne der Dankbarkeitspsychologie werden auch die Vorteile der

eigenen Arbeitssituation und Arbeitsgruppe herausgearbeitet. Wer verdient besondere

Anerkennung und Lob für seine Arbeit oder sein Verhalten in der zurückliegenden Periode?

Was sind die persönlichen Ziele Einzelner wie der Gruppe?

Inspektionsgedanke: Es geht nicht darum, Fehler und Probleme zu suchen, sondern einen

funktionierenden Betrieb zu überprüfen und zu optimieren. Es geht um eine

Risikoidentifizierung. Idealerweise sollten Probleme erst gar nicht entstehen und

Reparaturen nicht nötig werden.

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15

-1,5

-1

-0,5

0

0,5

1

Intervention Kontrolle 1 Kontrolle 2

Änderungen in der AU-Rate

im Vergleich des Jahres vor und nach BGM mit Fokusgruppen (Interventionsabteilung: 159 Mitarbeiter ; Kontrol le1: 216 Mitarbeiter; Kontrolle 2: 234 Mitarbeiter)

Linden M, Muschalla B, Hansmeier T, Sandner G: Reduction of sickness absence by an occupational health care

management program focusing on self-efficacy and self-management.. Work, 2014, 47, 485-489

• Leistungen zur medizinischen Rehabilitation

• Leistungen in Einrichtungen für psychisch kranke Menschen

• Nachsorge nach medizinischer Rehabilitation

• Stufenweise Wiedereingliederung am Arbeitsplatz

• Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wie z.B:

- Umschulungen

- Hilfen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes

- Eingliederungszuschüsse

- Inanspruchnahme von Integrationsfachdiensten

- Unterstützte Beschäftigung gemäß § 33 Abs. 3 Nr. 2a

SGB IX

- Gründungszuschuss

- Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen

Externe Leistungen zur Wiedereingliederung psychisch

erkrankter Menschen durch DRV, Integrationsämter,

Arbeitsagentur u.a.

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• Betriebe

• Beschäftigungsträger / Bildungsträger

• Integrationsbetriebe

• RPK-Einrichtungen / Hilfen nach der Empfehlungsvereinbarung zur

Rehabilitation psychisch Kranker (RPK)

• Tagesstätten durch Einbindung in die Hilfen zur Teilhabe an Arbeit und

Beschäftigung

• Agentur für Arbeit (ARGE)

• Integrationsfachdienst (IFD)

• Integrationsamt (IA)

• Berufliche Trainingszentren (BTZ)

• Berufsförderungswerke (BFW)

• Berufsbildungswerke (BBW)

• Ergotherapeutische Praxen

• Psychiatrische Kliniken / Ambulanzen

LTA, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Leistungserbringer in der beruflichen Eingliederung

Zusammenfassung

• Es gibt keine Zunahme von psychischen Störungen

• Es gibt keine Krankheit durch psychischen Stress am Arbeitsplatz

• Es gibt ein Problem mit dem „person-environment-fit“

• Ziel der Rehabilitation ist

– Besserung von Funktionsstörungen (Symptomatik)

– Training von Fähigkeiten (z.B. in Anlehnung an das Mini-ICF-APP)

– Schaffung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes

• Es gibt viele Hilfsmöglichkeiten

– Betriebliches Gesundheitsmanagement

– Betriebliche Psychosoziale Supportstellen

– Toleranzarbeitsplätze

– Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation

– Stufenweise Wiedereingliederung

– Betriebliches Eingliederungsmanagement

– BEschäftigungshilfen

– LTA Trainingsmaßnahmen

– Geschützte Arbeitsstellen

– u.a.

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17

„Allmählich hatte sich Hectors Arbeitsweise gewan-

delt. Zu Beginn hatte er vor allem gewollt, den Men-

schen zu helfen, Ihren Charakter zu ändern. Das tat

er natürlich immer noch.

Aber jetzt versuchte er Ihnen auch zu helfen, ein

neues Leben zu finden, das besser zu ihnen passte.

Denn – um einen schönen Vergleich anzustellen –

wenn Sie eine Kuh sind, werden Sie es niemals

schaffen sich in ein Pferd zu verwandeln, selbst mit

einem guten Psychiater nicht, und es wäre besser,

Sie fänden eine hübsche Weide an irgendeinem

Fleck, wo man Milch braucht, statt immerfort zu

versuchen, auf der Pferderennbahn herumzugalop-

pieren. Und vor allem sollten sie keine Stierkampf-

arena betreten, denn so etwas ist immer eine

Katastrophe.“

Kontextabhängige Behinderung,

leidensgerechter Arbeitsplatz und Integration

Francois Lelord

Hector und die Entdeckung der Zeit

Pieper, München 2006