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Prävention im Spezialtiefbau Erfahrungen und Ausblick Dipl.-Ing. Walter Ensinger, BG BAU, München Leiter des Sachgebiets Tiefbau im Fachbereich Bauwesen Einleitung „Der Spezialtiefbau ist eine der innovativsten Sparten des Bauwesens“. Mit dieser Feststellung haben wir zur heutigen Fachtagung eingeladen. Der Rück- blick auf die seit Anfang der 1990er Jahren regelmäßig durchgeführten Branchen- veranstaltungen bestätigt diese Aussage nachdrücklich. Viele Weiter- und Neuent- wicklungen in der Bau- und Maschinentechnik, aber auch im Vertragswesen haben Auswirkungen auf Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz der im Spezialtiefbau tätigen Menschen. Mit meinem Referat will ich an Beispielen zeigen, wo aus unserer Sicht Fortschritte erzielt wurden, und ich werde Anregungen geben und Vorschläge machen für die zukünftige Präventionsarbeit; in vielen Fällen unter Hinweis auf Vor- träge der heutigen Veranstaltung, in denen hierauf ausführlicher eingegangen wird. Bild 1: Moderne Maschinentechnik (Foto BAUER Maschinen) Dieses Bild stammt von der Hausausstellung der Firma BAUER, die vor wenigen Wochen in Schrobenhausen stattgefunden hat. Ich stelle dieses Fotos an den An- fang meines Referates um deutlich zu machen, dass maschinentechnische Lösun- gen wesentlich zu Verbesserung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz bei- tragen können – Stichwort „Eingebaute Sicherheit“. Sichere und ergonomisch gestal- tete Maschinen entlasten von schwerer und gefährlicher Handarbeit und sie ermögli-

Prävention im Spezialtiefbau 110804 das Arbeitsplanum für die auszuführenden Arbeiten und die dabei zum Einsatz vorgesehenen Geräte ausreichend standsicher ist. Zum Thema Arbeitsplanum:

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Prävention im Spezialtiefbau Erfahrungen und Ausblick

Dipl.-Ing. Walter Ensinger, BG BAU, München

Leiter des Sachgebiets Tiefbau im Fachbereich Bauwesen

Einleitung

„Der Spezialtiefbau ist eine der innovativsten Sparten des Bauwesens“.

Mit dieser Feststellung haben wir zur heutigen Fachtagung eingeladen. Der Rück-blick auf die seit Anfang der 1990er Jahren regelmäßig durchgeführten Branchen-veranstaltungen bestätigt diese Aussage nachdrücklich. Viele Weiter- und Neuent-wicklungen in der Bau- und Maschinentechnik, aber auch im Vertragswesen haben Auswirkungen auf Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz der im Spezialtiefbau tätigen Menschen. Mit meinem Referat will ich an Beispielen zeigen, wo aus unserer Sicht Fortschritte erzielt wurden, und ich werde Anregungen geben und Vorschläge machen für die zukünftige Präventionsarbeit; in vielen Fällen unter Hinweis auf Vor-träge der heutigen Veranstaltung, in denen hierauf ausführlicher eingegangen wird.

Bild 1: Moderne Maschinentechnik (Foto BAUER Maschinen)

Dieses Bild stammt von der Hausausstellung der Firma BAUER, die vor wenigen Wochen in Schrobenhausen stattgefunden hat. Ich stelle dieses Fotos an den An-fang meines Referates um deutlich zu machen, dass maschinentechnische Lösun-gen wesentlich zu Verbesserung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz bei-tragen können – Stichwort „Eingebaute Sicherheit“. Sichere und ergonomisch gestal-tete Maschinen entlasten von schwerer und gefährlicher Handarbeit und sie ermögli-

chen es dem Maschinenführer, seine Aufgabe konzentriert und unter den Bedingun-gen eines zeitgemäßen Arbeitsschutzes zu erledigen.

Aber leider ist auch das „Spezialtiefbau-Realität“: Der Spezialtiefbau ist im Vergleich zu anderen Sparten des Bauwesens noch immer mit überdurchschnittlich vielen und schweren Unfällen belastet. Das Unfallgeschehen am Bau und auch im Spezialtief-bau zeigt eine insgesamt erfreuliche Tendenz – ein Ergebnis, das nur im Zusam-menwirken aller am Bau Beteiligten erreicht werden konnte. Einer der Themenblöcke unserer Tagung ist daher überschrieben mit „Kooperation – Voraussetzung für eine sichere Bauausführung“.

Einige Beispiele schwerer Unfälle, die uns aus dem Spezialtiefbau im ersten Halbjahr 2011 gemeldet wurden:

• Sondierbohrung: Hochdruckleitung angebohrt … 2 Verletzte Spartenerkundung/Planeinsicht usw. war vertraglich dem AN übertragen

• Horizonalrammung/“Rakete“: Elektrokabel getroffen … 3 Unfälle Leitungsverlauf nicht oder nicht ausreichend erkundet

• Ankerbohren: Von drehendem Gestänge erfasst … schwerste Verletzungen keine Schutzeinrichtung, kein Not-Aus, „rastendes“ Stellteil für Drehantrieb

• Berliner Verbau: Beim Einbau rutscht Boden nach … 1 Schwerstverletzter Ausführung durch NU des NU, unerfahrenes, nicht eingewiesenes Personal, Abstimmung NU Erdbau – NU Holzeinbau?

• Rammpfahl: Bewehrungskorb fällt beim Antransport auf MA … 1 Verletzter Die Aufzählung ist leider nicht abschließend, und jeder dieser Unfälle ist einer, aus denen man lernen kann – oder besser: lernen muss“.

„Werkzeuge“ für eine effiziente Präventionsarbeit

Nachfolgend möchte ich beispielhaft einige Möglichkeiten aufzeigen, wie in Koopera-tion der berührten Kreis Werkzeuge für eine effiziente Präventionsarbeit geschaffen und weiter entwickelt werden können.

• Berufsgenossenschaftliche Regelwerke Hier soll ausdrücklich nicht nur auf das BGliche Regelwerk hingewiesen wer-den, sondern auch auf Normen und technische Vertragsbedingungen.

Im Rahmen der seit einigen Jahren betriebenen „Deregulierung“ mussten zahlreiche Unfallverhütungsvorschriften außer Kraft gesetzt werden, und die Aktualisierung der verbleibenden UVVen konnte nicht im nötigen Umfang vor-genommen werden. Die BG BAU und der von ihr federführend organisierte Fachbereich Bauwesen1 setzt sich dafür ein, unverzichtbare Regelwerke zu erhalten, diese in Kooperation mit allen berührten Kreisen aktuell zu halten und damit branchengeeignete „Beschreibungen des Richtigen“ zur Verfügung zu stellen. So wird z.B. die 1997 erstmals veröffentlichte und zuletzt 2006 aktualisierte BG-Regel „Arbeiten im Spezialtiefbau“ (BGR 161) derzeit vom zuständigen Sachgebiet überarbeitet und aktualisiert. Im Vorgriff auf diese Überarbeitung hat der Fachbereich Bauwesen zur Frage, welches Trägergerät bei Zieharbeiten von Rammelementen eingesetzt werden darf, folgenden Beschluss gefasst:

1 Die Arbeitsgebiete/Themenfelder, die bisher dem Fachausschuss „Bau“ und dem Fachausschuss „Tiefbau“ zugeordnet waren, werden nunmehr vom neuen Fachbereich Bauwesen betreut.

„Fahrzeug- und Turmdrehkrane dürfen nicht als Trägergerät bei Ziehen von Rammelementen eingesetzt werden. Davon darf nur abgewichen werden, wenn - an der Einsatzstelle die schriftliche Erklärung des Kranherstellers vorliegt, in der dieser Einsatz ausdrücklich als bestimmungsgemäß erklärt und in der die dabei zu beachtenden Randbedingungen beschrieben werden und - diese Vorgaben beim Einsatz beachtet werden.“

Bild 2 und 3: Ziehen von Rammelementen –welches Trägergerät?

• Technische Regeln Zahlreiche Präventionsthemen werden inzwischen in (staatlichen) Techni-schen Regeln behandelt, die zur Konkretisierung von Verordnungen verfasst wurden und werden. Mitarbeiter der BG BAU wirken in den für Bauarbeiten re-levanten Ausschüssen mit - mit dem Ziel auch dort praxisgerechte Lösungen zu erarbeiten.

• Normen Beispielhaft sei hier auf die maschinentechnische Normung hingewiesen. Die seit 1995 als harmonierte Normen zur Verfügung stehenden Normen für Bohrgeräte und Rammausrüstungen werden derzeit überarbeitet und in die prEN 16228 „Geräte für Bohr- und Gründungsarbeiten – Sicherheit“ überführt. Auch hier ist es notwendig, dass nicht nur Vertreter der Maschinenhersteller, sondern auch die Betreiber, also Baufirmen, an der Erarbeitung der Norm mitwirken, um Vorgaben für diese Maschinen zu machen, die unter den Be-dingungen des Baustelleneinsatzes ein sicheres Arbeiten ermöglichen. Die prEN 16228 wird derzeit im Rahmen des CEN-Enquiry diskutiert und sie wird frühestens 2013 in Kraft treten.2

2 Siehe auch Vortrag Winkler „Normungen und Prüfungen im Spezialtiefbau“

Bild 4: Vorschlag für den Schutz im Bereich des drehenden Gestänges

Bild 5: Vorschlag für „Abstreifer“ bei Drehbohrgeräten (z.B. Endlosschnecke) Im Normentwurf ist vorgesehen, die Anforderungen an das Sichtfeld des Maschi-nenführers wie in der Erdbaumaschinennorm EN 474 entsprechend ISO 5006 zu regeln. Verschiedene Hersteller von Bohrgeräten und Rammen rüsten schon heu-te ihre Produkte mit Kamera-/Monitorsystemen aus. Damit ist der Betreiber nicht mehr gezwungen, bestehende Sichteinschränkungen dadurch auszugleichen, dass er beim Verfahren und bei der Arbeit ständig einen Einweiser einsetzt – ein „Lösung“, die erfahrungsgemäß nicht zuverlässig funktioniert und die außerdem extrem kostenintensiv ist3.

3 Siehe auch Vortrag Leisering „Sehen und gesehen werden“

Bild 6 und 7: Monitor, Kamera 3184

• Verdingungsordnung für Bauarbeiten (VOB) Klare und unmissverständliche Vorgaben in Ausschreibungen und Bauverträ-gen sind Grundlagen für planbare und dann weitestgehend störungsfrei abzu-wickelnde Bauprojekte. Dies gilt auch und besonders für präventionsrelevante Festlegungen in Bauverträgen. Bei der Aktualisierung der VOB C-Teile, die Spezialtiefbautechniken beschreiben, wurden zahlreiche für den Arbeitsschutz wichtige Bestimmungen ergänzt oder präzisiert. Beispiele aus dem Entwurf zur ATV DIN 18313 „Schlitzwandarbeiten mit stüt-zenden Flüssigkeiten“:

• Zuständigkeit des Auftraggebers für die Bereitstellung eines geeigneten Ar-beitsplanums, Hinweis: In Großbritannien hat der Verband der Spezialtiefbauunternehmer auf Grundlage eines Forschungsvorhabens durchsetzen können, dass vom Auftraggeber vor Beginn der Bohr- oder Rammarbeiten zu bestätigen ist, dass das Arbeitsplanum für die auszuführenden Arbeiten und die dabei zum Einsatz vorgesehenen Geräte ausreichend standsicher ist. Zum Thema Arbeitsplanum: Siehe auch Vortrag Prof. Grabe/Krollmann.

• Zuständigkeit des AG für Erkundungsmaßnahmen hinsichtlich Kampfmittel, • neue Vorgaben zur Beschreibung von Boden und Fels4, • Vorhalten eines Mindestvorrates an Stützflüssigkeit (Havarie), • Regelungen zu Nacharbeiten der freigelegten Betonoberflächen (Besondere

Leistung). Vergleichbare Regelungen wurden auch in andere Spezialtiefbau-relevante ATVen aufgenommen.

4 Siehe auch Vortrag Prof. Borchert „Neues System der Boden- und Felsklassen in den Normen der VOB C“

Stichwort „Kooperation“

Ein offener und intensiver Erfahrungsaustausch, auch über Firmen- und Ländergren-zen hinweg, ist für die Fortentwicklung von Präventionsmaßnahmen unerlässlich. Nachfolgend Beispiele für derartige Kooperationen:

• Qualifizierung vom Maschinenführern Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) und der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) haben in enger Zusammenarbeit mit der BG BAU ein System für die Qualifizierung von Maschinenführern – so auch für die Fahrer von Großbohrgeräten und Rammen – entwickelt. Den Unterneh-men und ihren Beschäftigten steht damit ein anerkanntes, qualitätsgesichertes Verfahren zur Verfügung, mit dem die Qualifikation nachgewiesen und doku-mentiert werden kann5. Der Fachbereich Bauwesen begrüßt und unterstützt diese Initiative von HDB und ZDB und empfiehlt die Teilnahme an den Prüfungen, die nur bei zugelas-senen Prüfungsstätten angeboten werden. Derzeit wird versucht, für diesen in Deutschland erworbenen Qualifikations-nachweis die internationale, europaweite Anerkennung zu erwirken, wobei die schon seit vielen Jahren bestehende Mitgliedschaft im Europäischen Verband der Spezialtiefbauunternehmen EFFC hilfreich ist.

Bild 8 und 9: Prüfung BAUER Aresing

• Zusammenarbeit mit Partnern in anderen europäischen Ländern6 Aus dem Erfahrungsaustausch mit den EFFC-Partnern konnten zahlreiche An-regungen für die Präventionsarbeit in Deutschland abgeleitet werden. So hat die Bundesfachabteilung Spezialtiefbau des HDB beispielsweise die EFFC

5 Siehe auch Vortrag Hanemann „Geprüfter Fahrer von Großdrehbohrgeräten und Rammen“ 6 Siehe auch Vortrag Grönemeyer „Arbeitsschutzerfahrungen im Spezialtiefbau in den skandinavischen Ländern aus deutscher Sicht“

Gesundheitsschutz- & Arbeitssicherheits-Charta7 angenommen. Die EFFC Health&Safety Working Group sammelt seit 1998 Unfallmeldungen, die von den Kooperationspartnern freiwillig zur Verfügung gestellt werden. Die inzwischen weit über 4.000 Meldungen wurden analysiert und die Ergebnisse mehrfach, so zuletzt in TIEFBAU 4/2009, veröffentlicht. Die Analyse gibt wert-volle Hinweise und Anregungen für Arbeitsschutzmaßnahmen im Betrieb. Derzeit wird das Erfassungs- und Auswertesystem aktualisiert, so dass die Eingabe demnächst elektronisch via Internet erfolgen kann, wobei dann nicht nur Unfälle, sondern, wie in anderen Ländern schon lange üblich, auch alle „dangerous occurrences“ erfasst werden sollen. Den Teilnehmern werden dann sofort Daten zur Verfügung stehen, die eigene Analysen ermöglichen werden. Ziel dieses Projekt ist es, zukünftig noch besser Gefährdungsschwer-punkte erkennen und daraus gezielte Präventionsarbeit ableiten zu können.

Fazit

Verbesserte Möglichkeiten zur Personalqualifizierung und Neu- und Weiterentwick-lungen in der Bau- und Maschinentechnik sowie im Vertragswesen haben bewirkt, dass der Spezialtiefbau sicherer wird. Nur wenn alle am Bau Beteiligten dieses Ziel weiterhin intensiv und kooperativ verfolgen, werden weitere Erfolge zu erzielen sein.

Ich schließe mit demselben Bild, das ich schon bei unserer letzten Fachtagung „Spe-zialtiefbau – aber sicher!“ 2008 in Fellbach bei Stuttgart gezeigt habe. Es wird von einer englischen Spezialtiefbaufirma verwendet als Symbol für alle firmeninternen Arbeitsschutzaktionen. Es soll deutlich machen: Alle Partner müssen bereit sein, „den Hebel umzulegen“, eingefahrene Wege zu verlassen und bereit, Neues zu ver-suchen – dann werden wir im Bemühen um optimale Prävention erfolgreich sein.

München, 4.8.2011

7 Siehe http://www.bauindustrie.de/themen/technikpolitik/spartenpolitik/bundesfachabteilungen/spezialtiefbau/EFFC/