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27. MAI i928 KLINISCHE WOCHENSCH MaBe zu ersetzen ist. Zuniichst lieB sich bei Hunden der Fleischstickstoff durch ,,Sportkraft" weitgehend ersetzen, und zwar sowohl wenn die Tiere ursprfinglich nur mit Fleisch er- n~hrt worden waren, als auch, wenn ihnen auBer Fleisch bzw. Sportkraft w~ihrend der ganzen Versuchsperiode eine gleich- bleibende Menge yon Kartoffeln und Fett gereicht wurde. Im letzteren Falle wurde z. B. yon ursprtinglich 15o g Fleisch mit 5 g Stickstoff 125 g durch 35 Stfick (ca. 12o g) Sportkraft mit nur 2,1o g Stickstoff ersetzt, wobei die Bilanz stets positiv blieb. In einem anderen Versuehe wurde 4,52 g Fleischstick- stoff dureh 2o g Kakao und 21 Stfick Sportkraft mit im ganzen 2,o6 g Stiekstoff ersetzt, wobei die urspriinglich mit 1,35 g positive N-Bilanz am Ende noch einen 1)bersehuB yon o,24 g zeigte. Ffir diese Resultate muB nattirlich auch die gfinstige kalorisohe Einstellung durch die im Kakao usw. enthaltenen Kohlehydrate in Ansprueh genommen werden. Ein fiber 4 ~ Tage ausgedehnter Versuch am Hunde, der ursprtinglich nur Fleiseh erhalten hatte, dessen Nahrung nach und naeh durch Kakao und ,,Sportkraft" ersetzt wurde, ergab neben der gtinstigen Wirkung der Gew6hnung die Ersetzbarkeit des FleisoheiweiBes auch fiir lange Perioden. Bei dem reichlich eingestellten Tier yon 14 kg Gewicht konnten nacheinander yon den urspriinglich verftitterten 3oo g Fleisch 275 g durch RIFT. 7. JAHRGANG. Nr. 22 lO41 4 ~ g Kakao und 35 Stiick Sportkraft ersetzt werden. Die in diesen zugeffihrten 3,7 g N geniigten mit den iibriggeblie- benen 2,48 g Fleisctl-N zur Aufrechterhaltung einer posi- tiven Bilanz. S~imtliche Tiere waren wAhrend der Versuche durchaus munter und bliel3en im Gewicht tast konstant. Be- merkenswert bleiben diese gfinstigen Bilanzen trotz der bei Kakaogaben gesteigerten Stickstoffmengen im Not. Beim stoffwechselgesunden Menschen, der gemischte Nahrung erhielt, konnte der gesamte N yon IOO g Fleisch, 60 g Wurst, 2 Eiern mit erheblicher Reduzierung der N-Dar- reichung durch 1,2o g N aus Kakao und 1,8o g N aus Sport- kraft ersetzt werden. Auch durch Schokolade (tgl. 15 Tafeln = 16o g) mit insgesamt 1,86g N wurde eine erhebliche Menge Stickstoff der animalischen NXhrstoffe ersetzt. Es ergibt sich also die Vertretbarkeit yon FleischeiweiB durch Kakao, Schokolade und das Mischprodukt ,,Sportkraft" in hohem AusmaBe. Die beim Hund ben6tigten Stickstoff- mengen aus diesen Stoffen reichen an das unter gtinstigsten Verh~iltnissen beobachtete EiweiBminimum heran, t3ei vor- heriger einigermaBen reichlicher Einstellung mit FleischeiweiB wurde der Stickstoffbedarf deutlich herabgedrtickt. (Aus der biolog.-ehemischen Abteilung des Stg~dt. Krankenhauses am Urban zu Berlin [Direktor: L. Pincussen].) KASUISTISCHE EIN FALL VON KONGENITALER TUBERKULOSE. \ton Dr. RASOR. Aus dem Clementine-Kinderspital Frankfurt a. M. Zur Sammlung der immerhin seltenen Fi~lle yon kongenitaler Tuberkulose -- SCHEER konnte kiirzlich (Monatsschr. f. Kinderheilk. 36) die Zahl der bisher bekannten sicheren Beobachtungen yon 38 auf 42 erhbhen -- folgender Beitrag: :Erika H., geb. 12. IX. 1927. Zangengeburt. Geburtsgewicht 6 Pfund. Anfangs CephalhXmatom und Facialisparese rechts. Wird yon der Mutter gestillt, die sich angeblich 1923 bei der Pflege ihrer an Lungentuberkulose gestorbenen Mutter infiziert hat und seitdem mehrfach wegen Lungenspitzenkatarrh in Behandlung war (Tb.-Baeillen negativ). Klinikaufnahme am 27. X. 1927, da das bis dahin nicht kranke Kind vor 4 Tagen pl6tzlich nachts Kr~mpfe bekam. AufnahmebefUnd! 32oo g, blaB. Schwerer Daueropistho- tonus. Spei~ viel. 38~ Lumbalpunktat: Druckvermehrung; MITTEILUNG. klar; wenig Lymphocyten; Pandy +; t3ildung eines Spinnweb- gerinnsels. Pirquet: negativ. Temperatur bleibt in den nlichsten Tagen um 38~ Gewicht h~ilt sich. Am 2. XI. 1927: Kriimpfe, H~matemese, 4o,6 ~ Exitus. ObduktionsbeJund (Pathol. Institut der Universit~it Frankfurt a. M.): Meningitis tuberculosa. Miliare Aussaat in der Leber, den Lungen und den Nieren. Grobknotige Aussaat in der Milz. Tuber- kul6se Ulcera des Darms. Tuberknlose der Mesenterialdrfisen. Tuberkulose der Hiluslymphdriisen der Leber. Ausgedelmte pialo Blutung. GreBe Erweichung der r. GroBhirnhemisph~tre. Kleine KlappenhXmatome. Thrombose der Nabelarterie: Keine Tuber- kulose. Kongenitale Tuber~ulose: Prim~raffekt wahrscheinlich in der Placenta. Das Kind einer tuberkul6sen Mutter erkrankt am 4 2. Lebenstag plbtzlich unter den Zeichen einer Meningitis und stirbt nach weiteren Io Tagen. Die Obduktion ergibt unter anderem starke periportale tuberkulbse Ver~nderungen. Der Fall geniigt mithin den ftir die Annahme einer kongenitalen Tuberkulose ge- stellten Forderungen. PRAKTISCHE ERGEBNISSE. PRAXIS DER AMBULANTEN TUBERKULIN- THERAPIE. Won Privatdozent Dr. A. V. FRISCH und Dr. K. P. EISELSBERG. Aus der II. Medizinischen Universit~itskiinik in Wien (V0rstand: Hofrat Prof. Dr. N. ORTNER). Uber wenig therapeutischel Pr0bleme ist wohl eine so um- fassende wissenschaftliche T~tigkeit geleistet worden und ein solcher, heute kaum mehr fibersehbarer Berg von Literatur angewachsen, wie fiber das Tuberkulin. Und trotzdem mfissen wir zugeben, dab diese Therapie nach wie vor ziemlich weit davon entfernt ist, Gemeingut des praktischen Arztes zu sein. DaB dieser als Widerspruch dargestellte Sachverhalt in Wahrheit aber nicht als solcher anzusehen ist, finder ja, wie auch sonst h~tufig in der Medizin, seine ungezwungene Erkl~rung darin, dab wir egen in vielen und grundlegenden Fragen des Tuberkulinproblems trotz der immensen darauf verwendeten Arbeit noch wenig positive Kenntnisse haben. Die grol3e Zahl der verschiedenen Tuberkulintheorien und die sie begrtindenden und bek~mpfenden experimentellen Ar- beiten haben ffir die Praxis der Tuberkulintherapie wenig befruchtend gewirkt. Doch das w~re an und Itir sich kein Grund daffir, dab die Anwendung des Tuberkulins in der allgemeinen Praxis nicht durchdringt, im Gegenteil, je weniger die Technik und Methodik einer Therapie dutch kommende und gehende TheorielI beeinfluBt wird und so an Stabilit~it einbtiBt, um so mehr kann sie feste Wurzel fassen. Der Grund, warum das Tuberkulin noch nicht Allgemeingut des iirztlichen Praktikers geworden ist, scheint uns vielmehr darin seine Erkl~rung zu linden, dab es unm6glich ist, allgemein gfiltige Regeln hinsichtlich der Dosierung, wie sonst bei fast allen anderen in der Medizin gebr~iuchlichen therapeutischen Verfahren, aufzustellen. Eine Tuberkulintherapie, die selbstverst~nd- licherweise nicht nut nicht schaden; sondern in m6glichst kurzer Zeit optimal niitzen sell, erfordert unbedingt bei jedem einzelnen Fall ein ganz individuelles Vorgehen. Da- durch mag such, wie die Erfahrung zeigt, mancher abgeschreckt werden, mit einem scheinbar so schwierigen und wechsel- vollen therapeutischen Problem in der Praxis sich zu be- fassen. : Im folgenden wollen wir nun versuchen, die Wege auf- zuzeigen,, die es dem Allgemeinpraktiker erm6glichen, ,,in- dividuelle" Tuberkulintherapie zu betreiben, wobei eine Schilderung der an der Klinik, Ortner gebr~tuchlichen Methodik gebracht werden sell. Im Zusammenhang damit sollen einige

Praxis der Ambulanten Tuberkulintherapie

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MaBe zu ersetzen ist. Zuniichst lieB sich bei H u n d e n der Fleischst ickstoff durch , ,Spor tk ra f t " wei tgehend ersetzen, u n d zwar sowohl wenn die Tiere ursprfinglich nur mi t Fle isch e r - n~hr t worden waren, als auch, wenn ihnen auBer Fleisch bzw. Spor tk ra f t w~ihrend der ganzen Versuchsperiode eine gleich- bleibende Menge yon Kar tof fe ln und F e t t gereicht wurde. I m le tz teren Fal le wurde z. B. yon ursprt ingl ich 15o g Fle isch mi t 5 g St ickstoff 125 g durch 35 Stfick (ca. 12o g) Spo r tk ra f t mi t nur 2,1o g St ickstoff ersetzt , wobei die Bi lanz stets posi t iv blieb. In e inem anderen Versuehe wurde 4,52 g Fle ischst ick- stoff dureh 2o g Kakao und 21 Stfick Spor tk ra f t mi t im ganzen 2,o6 g St iekstoff ersetzt , wobei die urspr i ingl ich m i t 1,35 g posi t ive N-Bi lanz am E n d e noch einen 1)bersehuB yon o,24 g zeigte. Ffir diese Resu l t a t e muB natt i r l ich auch die gfinstige kalorisohe Eins te l lung durch die im Kakao usw. en tha l t enen Koh lehydra t e in Ansprueh genommen werden. E in fiber 4 ~ Tage ausgedehnter Versuch am Hunde , der ursprt ingl ich nur Fleiseh erhal ten hat te , dessen Nah rung nach und naeh durch Kakao und , ,Spor tk ra f t " erse tz t wurde, ergab neben der gtinstigen Wi rkung der Gew6hnung die Erse tzba rke i t des FleisoheiweiBes auch fiir lange Perioden. Bei d e m reichl ich eingestel l ten Tier yon 14 kg Gewicht konnten nache inander yon den urspri ingl ich ver f t i t t e r ten 3oo g Fleisch 275 g durch

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4 ~ g Kakao und 35 Sti ick Spor tk ra f t erse tz t werden. Die in diesen zugeff ihrten 3,7 g N geniigten m i t den i ibriggeblie- benen 2,48 g Fleisct l -N zur Auf rech te rha l tung einer posi- t iven Bilanz. S~imtliche Tiere waren wAhrend der Versuche durchaus m u n t e r und bliel3en im Gewicht tas t kons tan t . Be- merkenswer t bleiben diese gfinstigen Bi lanzen t ro tz der bei Kakaogaben geste iger ten S t icks tof fmengen i m Not .

Be im stoffwechselgesunden Menschen, der gemischte Nah rung erhielt , konnte der gesamte N yon IOO g Fleisch, 60 g Wurs t , 2 E ie rn m i t erhebl icher Reduz ie rung der N-Dar - re ichung durch 1,2o g N aus K a k a o und 1,8o g N aus Spor t - k raf t erse tz t werden. Auch durch Schokolade (tgl. 15 Ta fe ln = 16o g) m i t insgesamt 1 ,86g N wurde eine erhebl iche Menge St ickstoff der animal ischen NXhrstoffe ersetzt .

Es ergib t sich also die Ver t r e tba rke i t yon FleischeiweiB durch Kakao , Schokolade und das Mischprodukt , ,Spor tk ra f t " in hohem AusmaBe. Die be im H u n d ben6 t ig t en St ickstoff- mengen aus diesen Stoffen reichen an das u n t e r gt inst igsten Verh~iltnissen beobach te te E iwe iBmin imum heran, t3ei vor- her iger e inigermaBen reichl icher E ins te l lung mi t FleischeiweiB wurde der St icks toffbedarf deut l ich herabgedr t ickt . (Aus der biolog.-ehemischen Abteilung des Stg~dt. Krankenhauses am Urban zu Berlin [Direktor: L. Pincussen].)

K A S U I S T I S C H E

EIN FALL VON KONGENITALER TUBERKULOSE. \ton

Dr. RASOR. Aus dem Clementine-Kinderspital Frankfurt a. M.

Zur Sammlung der immerhin seltenen Fi~lle yon kongenitaler Tuberkulose -- SCHEER konnte kiirzlich (Monatsschr. f. Kinderheilk. 36) die Zahl der bisher bekannten sicheren Beobachtungen yon 38 auf 42 erhbhen -- folgender Beitrag:

:Erika H., geb. 12. IX. 1927. Zangengeburt. Geburtsgewicht 6 Pfund. Anfangs CephalhXmatom und Facialisparese rechts. Wird yon der Mutter gestillt, die sich angeblich 1923 bei der Pflege ihrer an Lungentuberkulose gestorbenen Mutter infiziert hat und seitdem mehrfach wegen Lungenspitzenkatarrh in Behandlung war (Tb.-Baeillen negativ). Klinikaufnahme am 27. X. 1927, da das bis dahin nicht kranke Kind vor 4 Tagen pl6tzlich nachts Kr~mpfe bekam. AufnahmebefUnd! 32oo g, blaB. Schwerer Daueropistho- tonus. Spei~ viel. 38~ Lumbalpunktat: Druckvermehrung;

M I T T E I L U N G .

klar; wenig Lymphocyten; Pandy + ; t3ildung eines Spinnweb- gerinnsels. Pirquet: negativ. Temperatur bleibt in den nlichsten Tagen um 38~ Gewicht h~ilt sich. Am 2. XI. 1927: Kriimpfe, H~matemese, 4o,6 ~ Exitus.

ObduktionsbeJund (Pathol. Insti tut der Universit~it Frankfurt a. M.): Meningitis tuberculosa. Miliare Aussaat in der Leber, den Lungen und den Nieren. Grobknotige Aussaat in der Milz. Tuber- kul6se Ulcera des Darms. Tuberknlose der Mesenterialdrfisen. Tuberkulose der Hiluslymphdriisen der Leber. Ausgedelmte pialo Blutung. GreBe Erweichung der r. GroBhirnhemisph~tre. Kleine KlappenhXmatome. Thrombose der Nabelarterie: Keine Tuber- kulose.

Kongenitale Tuber~ulose: Prim~raffekt wahrscheinlich in der Placenta. Das Kind einer tuberkul6sen Mutter erkrankt am 4 2. Lebenstag plbtzlich unter den Zeichen einer Meningitis und stirbt nach weiteren Io T a g e n . Die Obduktion ergibt unter anderem starke periportale tuberkulbse Ver~nderungen. Der Fall geniigt mithin den ftir die Annahme einer kongenitalen Tuberkulose ge- stellten Forderungen.

PRAKTISCHE ERGEBNISSE. PRAXIS DER AMBULANTEN TUBERKULIN-

THERAPIE. Won

P r i v a t d o z e n t Dr . A. V. FRISCH u n d Dr . K. P. EISELSBERG. Aus der II. Medizinischen Universit~itskiinik in Wien

(V0rstand: Hofrat Prof. Dr. N. ORTNER).

Uber wenig therapeutischel Pr0bleme ist wohl eine so um- fassende wissenschaft l iche T~t igkei t geleis tet worden und ein solcher, heute k a u m m e h r f ibersehbarer Berg von L i t e r a t u r angewachsen, wie fiber das Tuberkul in . U n d t r o t z d e m mfissen wir zugeben, dab diese Therapie nach wie vor ziemlich wei t d a v o n en t fe rn t ist , Gemeingut des prak t i schen Arztes zu sein. DaB dieser als Widerspruch dargeste l l te Sachve rha l t in W a h r h e i t aber n ich t a ls solcher anzusehen ist, f inder ja, wie auch sonst h~tufig in der Medizin, seine ungezwungene Erk l~rung darin, dab wir egen in vie len und grundlegenden Fragen des Tuberku l inprob lems t ro tz der immensen darauf ve rwende ten Arbe i t noch wenig posi t ive Kenntn isse haben. Die grol3e Zahl der verschiedenen Tuberku l in theor i en und die sie begr t indenden und bek~mpfenden exper imente l len Ar- be i ten haben ffir die Prax is der Tuberku l in the rap ie wenig bef ruch tend gewirkt . Doch das w~re an und Itir sich kein Grund

daffir, dab die A n w e n d u n g des Tuberkul ins in der a l lgemeinen Prax i s n ich t durchdr ingt , im Gegenteil , je weniger die Technik und Method ik einer Therap ie du tch kommende und gehende TheorielI beeinf luBt wird und so an Stabilit~it einbtiBt, u m so mehr kann sie feste Wurze l fassen. D e r Grund, w a r u m das Tuberku l in noch n ich t Al lgemeingu t des i irzt l ichen P rak t ike r s geworden ist, scheint uns v ie lmehr dar in seine Erk l~ rung zu l inden, dab es unm6gl ich ist, a l lgemein gfiltige Regeln hins icht l ich d e r Dosierung, wie sonst bei fas t al len anderen in d e r Medizin gebr~iuchlichen the rapeu t i schen Verfahren, aufzustel len. E ine Tuberku l in therap ie , die se lbs tvers t~nd- l icherweise n icht n u t n ich t schaden; sondern i n m6gl ichs t kurzer Zei t op t ima l n i i tzen sell, e r forder t unbed ing t bei j edem einzelnen Fal l ein ganz individuel les Vorgehen. Da- durch m a g such, wie die E r f a h r u n g zeigt, manche r abgeschreck t werden, mi t e inem scheinbar so schwierigen und wechsel- vol len the rapeu t i schen P rob lem in der P rax i s sich zu be- fassen. :

I m folgenden wollen wir nun versuchen, die Wege auf- zuzeigen,, die es dem Al lgemeinprak t ike r erm6glichen, , , in- d iv iduel le" Tuberku l in the rap ie zu betre iben, w o b e i eine Schi lderung der an der Klinik, Ortner gebr~tuchlichen Methodik gebracht werden sell. I m Zusammenhang dami t sollen einige

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Ergebnisse auf dem Gebiet der Tuberkulinforschung der Letztzeit ErwAhnung linden, soweit sie fiir das therapeutische Vorgehen yon Interesse sind, insbesondere auch Arbeiten, die der eine yon nns tells allein, teils im *Verein mit seinen Schfilern an weniger allgemein zugAnglicher Stelle (Beitr~ge zur Klinik der Tuberkulose) niedergelegt hat.

Die Frage nach der Begrfindung der Notwendigkeit eines individualisierenden Vorgehens bei der Tuberkulintherapie erfordert vorerst einmal die Stellungnahme zu der Frage: ;,Welche Wirkung k6nnen und welche wollen wir mit dem Tuberkulin erzielen?" Ohne uns hierbei auf den Boden der Theorie begeben zu wollen, unsa l so irgendeiner der ver- schiedenen Theorien anzuschlieBen, dfirfte sich folgendes wohl als allgemeingfiltig ansehen lassen. ]:)as Tuberkulin ruft im tuberkul6sen Herd eine Reaktion hervor, deren In- tensitAt sehr verschieden sein kann und die, bei entsprechen- der Dosierung, die in fast jedem tuberkul6sen Gewebe mehr weniger vorhandenen spontanen Heilungsvorg~inge f6rdert. Wo fiberhaupt die anatomische Natur des tuberkul6sen Prozesses keine natfirliehe Tendenz zur Spontanheilung -- zur fibr6sen Umwandlung exsudativer H e r d e - hat, wie etwa bei der galoppierenden Phthise, dort muB die Tuber- kulinverabfolgung yon vornherein zur Wirkungslosigkeit, ja zum Schaden verurteilt sein. Die Tuberkulinmenge, die bei der Tuberkulintherapie einen Reiz auf das tuberkul6se Ge- webe ausfiben soll, darf also einerseits nicht zu klein sein, soll sie nicht fiberhaupt wirkungslos bleiben (unterschwellig), andererseits darf sie nicht zu groB sein, soil sie nicht allzu heftige, sch~dliche Reaktionen ausl6sen. ])as praktische Problem, diese richtige optimale Dosis Ifir jeden Fall zu finden, stempelt nun die Tuberkulintherapie deswegen zu einer individualisierenden, well wir aus dem klinischen Befund allein niemals die entsprechende Dosis errechnen k6nnen. Wir mtissen sie vielmehr erst in jedem Falle auf biologischem Wege zu ermitteln trachten. Damit ist also im wesentlichen das Tuberkulinproblem in praxi als ein Dosierungsproblem gekennzeichnet.

An die Spitze unserer Ausffihrungen m6chten wir die Gesetze der Tuberkulinwirkung, die Pharmakologie des Tuber- kulins -- ein yon F. HAMBURGER gepr~gtes Wort -- stellen.

I. Das Tuberkulin {st im tuberkulosefreien Organismus unwirksam. 13el ihm kann dutch Tuberkulin allein Tuber- kulinempfindlichkeit nicht erzeugt werden.

2. Der mit Tuberkulose infizierte Organismus ist ffir Tuberkulin empfindlich. Auf diesen fundamentalen Regeln beruht in erster Linie die Lehre yon der SpezifitXt des Tuber- kulins, die unseres Erachtens auch durch die Ergebnisse neuerer experimenteller Forschungen, nach denen auch andere Stoffe im histologischen t3ilde tuberku lo ide Ver- ~tnderungen hervorrufen k6nnen (SELTER U. a.), nicht um- gestol3en werden kann.

3- Das Wesen der Tuberkulinreaktion liegt in der Herd- reaktion, und die Art der Einverleibung kann an der stets gleichen quali tat iven Wirkung nichts ~ndern, wohl aber kann die Intensit~it des Reizes durch verschiedene Appli- kationsweise ge~indert werden. Wie schon t~OBERT KOCH gezeigt hat, wirkt intraven6s verabfolgtes Tuberkulin zehn- real so stark wie die gleiche Menge des subcutan injizierten. Hingegen ist die Wirkung intracutan gegebenen Tuberkulins zehnfach schw~icher als die subcutane (FRISCH). Diese Zahten haben selbstverst~indlich nur approximativen Wert, das gilt ganz besonders auch yon der ]3eziehung percutan, ohne An- wendung resorptionsf6rdernder Mal3nahmen, gegebenen Tuber- kulins zur Subcutanmethode, die etwa IOOOOO:I anzu- schlagen w~ire (FRISCH und EISELSBERG).

Die prinzipielle Gleichartigkeit der Wirkung bei der ver- schiedenen Art der Einverleibung wird erhXrtet durch das Konstantbleiben der

4. Reaktionszeit bei dem gleichen Individuum. Dieses von FRISCH aufgestellte Gesetz besagt, dab die Zeitspanne vom Moment der Applikation des Tuberkulins bis zum Gipfelpunkt der etwa sich einstellenden reaktiven Tempe-

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raturerh6hung -- die Reaktionszeit -- bei demselben I n - dividuum unabh~ngig yon der Gr613e der Dosis stets die gleiche bleibt, allerdings nur solange die tuberkul6se Er- krankung nicht ihren grundlegenden Charakter ~ndert, wie dies etwa beispielsweise durch das Hinzutreten einer ex- sudativen Pleuritis zu einer Lungentuberkulose der Fall zu Sein p f leg t . Die Reaktionszeit schwankt im allgemeinen zwischen 8--36 Stunden, darfiber hinausgehende Werte geh6ren zu den gr6igten Seltenheiten. Ganz allgemein: k a n n gesagt werden, dab die Reaktionszeit um so l~nger ist, je gutar t iger der tuberkul6se ProzeB verl~uft. Sie pflegt bei den gutartigen Formen gew6hnlich 24 Stunden zu fiber- schreiten, w~hrend sie bei der fibr6s-k~sigen Phthise in der Regel ungef~thr io S t u n d e n betr~gt. Dazwischenliegende Werte kommen vieI seltener zur Beobachtung, wobei aller- dings zu beachten ist, dal3 in solchen Fiillen bei der fiblichen Zeit der Tuberkulinverabreichung etwa um die Vormittags- oder frfihe Nachmittagsstunde der Gipfelpnnkt der reaktiven Temperaturerh6hung gelegentlich in die Nachtzeit zu fallen kommt (Nachtreaktion) und sich daher begreiflicherweise einem exakten Nachweis entziehen kann. Eine genaue Beobachtung der Morgentemperatur am Tage nach der In- jektion kann oft einen Fingerzeig hierffir geben. Eine exakte Feststellung der Reaktionszeit ist wohl nur bei in Anstalts- behandlung belindlichen Pat ienten bzw. bettl~igerigen Patien- ten m6glich, wo der Ablauf der Tuberkulinreaktion durch keinerlei ~iuBere Faktoren gest6rt wird. Bei den ja be- kanntlich labilen TemperaturverhAltnissen Tuberkul6ser k6n- nen Schwankungen in der Temperaturkurve durch Faktoren hervorgerufen werden, die gar nichts mit der Tuberkulin- injektion zu tun haben, und dab diese LabilitAt der Tempera- tur im Verlaufe einer Tuberkulinreaktion gegenfiber sonst noch erh6ht ist und so geringfiigigste Ursachen sich in einer St6rung des normalen Verlaufes auswirken k6nnen, braucht wohl nicht erst bewiesen zu werden. Nicht unerw~ihnt soll bleiben, dab in FMlen mit langer Reaktionszeit in ausgezeich- neter Weise gezeigt werden kann, wie Proteink6rperinjek- tionen mit ihrer kurzen, stets 8--1o Stunden betragenden Reaktionszeit sich quali tat iv vom Tuberkulin unterscheiden, eine Beobachtung, die die Unrichtigkeit der yon R. SCHMIDT aufgestellten Behauptung yon der Ident i t i i t der Milch- (Proteink6rper-) und Tuberkulinwirkung bei Tuberkul6sen beweist und die als indirekter Beweis ffir die SpezifitAt des Tuberkulins herangezogen werden kann.

5. Den feinsten Gradmesser der Tuberkulinempfindlich- keit bildet die Lokalreaktion auf die intracutane Injektion, vorausgesetzt, dab nicht Atrophie oder Anomalien der Haut vorliegen. Jene sehwAchste Tuberkulinkonzentration in der Menge yon o,I ccm in t racu tan gegeben, die eben eine positive Lokal- (Stich-)Reaktion hervorruft (Dosis reactiva mini~na), 1M3t fast stets Allgemeinreaktionen vermissen. Es soll hiermit jedoch nicht gesagt sein, dab nicht auch geringere Mengen ats die Dosis reactiva minima bio!ogisch reaktiv sein k6nnen, sie also nu t scheinbar unterschwellig sind. Der Nachweis ihrer biologischen Wirksamkeit ist gelegentlich dadurch zu erbringen, dab bei Wiederholung derselben ,,unterschwelligen" Dosis eine Lokalreaktion auftritt , was wohl nur als Folge einer durch die erste I n j e k t i o n erfolgten Steigerung der Tuberkulinempfindlichkeit zu erkl~ren ist.

6. Eine qualitativ verschiedene Wirkung der einzelnen Tuberkuline ist bisher nicht einwandfrei erwiesen. Man kann annehmen, dab das in ihnen enthaltene spezifisch wirksame Prinzip lediglich quant i ta t iv different ist. Nur insofern ist ein Unterschied zu machen, ob die Tuberkelbacillen in ge- 16stem oder ungel6stem Zustand enthalten sind, demnach in letzterem Falle erst zur Wirkung gelangen, wenn sie dutch den Organismus aufgel6st werden. Wieweit die aus der Glycerinbouillon herrfihrenden lBestandteile im Alttuberkulin ein e tuberkulinl ihnl icheWirkung hervorrufen, ist nach keiner Richtung v611ig gekl~rt.

7- Das Alttuberklllin Koch beh~ilt in konzentrierter Form dutch Jahre seine Wirksamkeit, hingegen unterliegen seine Verdfinnungen um so rascher einer betr~ichtlichen Ab-

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schwAchung, je gr6Ber sie sind. Dieses seit langem bekannte Verhalten 1ABt es unbegreiflich erscheinen, dab ilnmer noch Tuberkulinverdfinnungen in Phiolen abgeffillt in den Handel kommen. Es ist klar, dab bei Gebrauch dieser Phiolen nur eine Scheindosierung durchgeffihrt wird, halten sich doch z .B . die Verdfinnungen i : i o o ooo nur ungefAhr 14 Tage.

Wie bei jeder Erkrankung, so bildet auch bei der Lungen- tuberkulose eine richtige Diagnose die Voraussetzung ftir eine richtig indizierte und damit erfolgversprechende Therapie. Was nun unser Gebiet anbelangt, so darf sich bei der groBen Mannigfaltigkeit des Formenkreises der Lungentuberkulose unsere Diagnose nicht e twa auf die omin6se ,,Apicitis" be- schr~inken, sondern es ist notwendig, dab wir uns fiber die Qualit~it der tuberkul6sen LungenverAnderungen eingehendere Vorstellung machen. Es liegt nun zweifelsohne bei diesem Postulat die Gefahr nahe, die Tuberkulintherapie yon vorn- herein den HAnden des prakfischen Arztes entgleiten zu lassen, wenn man verlangt, dab in jedem Fall eine spezielle Differentialdiagnose etwa im Sinne des Bard-Pi6rysehen Einteilungsschemas, das yon W. NEUMANN erweitert und in die deutsche Klinik eingeffihrt wurde, gestellt wird, ehe mit der, Tuberkulintherapie begonnen werden darf. An der Forderung aber mul3 festgehalten werden, dab eine Ein- reihung des Falles insofern erfolgen mul3, als man sich darfiber klar sein muB, ob es sich um eine echte Phthise (eine zur Destruktion ffihrende Lungentuberkulose) oder um einen benignen Fall yon Tuberkulose, wie sie etwa yon HSLLO als juvenile Tuberkulose benannt wird, handelt. Darfiber wird im wesentlichen die Sputumuntersuchung Aufschlul3 geben, die wohl in jedem Fall, der einer Tuberkulintherapie unter- zogen werden soll, ver!angt werden mul3. Freilich gibe es eine kleine Zaht yon FAllen, die sich weder in die eine noch in die andere Gruppe einreihen lassen -- wir erwlihnen etwa die gelegentlich offene Form der Tuberculosis fibrosa densa, die andererseits h~iufig geschlossene sekundAr fibr6se Phthisis fibrocaseosa, ohne auf die seltenen Formen wie Bronchitis superficialis tbc. oder die pneumonischen Formen u. a. n~iher einzugehen. Nachdem ja die Tuberkulinempfindlich- keit (Allergie) des betreffenden Falles die therapeutisehen Dosen diktiert und die verschiedenen Tuberkuloseformen keineswegs durch eine spezielle H6he der Aliergie charakte- risiert sind, dieselbe vielmehr den gr613ten Schwankungen unterliegt, bietet ffir die Eruierung der Anfangsdosis die spezielle Diagnose keinen Fingerzeig, wohl abet mul3 uns die Art des tuberkul6sen Prozesses bei der Durchffihrung einer Tuberkulintherapie in dem Sinne leiten, dab wir bei solchen Prozessen, die eine intensivere Herdreaktion dhne Gefahr einer VerkAsung und Progredienz vertragen, anders vorgehen k6nnen als bei phthisischen Prozessen, wo TuberkulinschAden ungleich leichter sich einstellen k6nnen. In dieser Hinsicht nun erlaubt die Einteilung in geschlossene und offene Formen eine fiir therapeutische Zwecke in der grol3en Mehrzahl der F~ille hinlAngliche Differenzierung, die es auch dem Praktiker erm6glicht, in der yon uns gefibten Weise ohne Gefahr yon TuberkulinschAden und ohne allzulanges Verzetteln der Zeit mit unterschwelligen Dosen Tuberkulintherapie zu be- treiben.

Das Tuberkulin wird bekanntlich neben seiner thera- peutischen Verwendung auch zu diagnostischen Zwecken an- gewandt. Es wird entweder die Allgemeinreaktion (Fieber- reaktion) auf subcutane -- probatorische -- Tuberkulin- injektionen oder die Lokalreaktion nach Tuberkulingaben hierzu verwendet. Die Lokalreaktion wird gew6hnlich auf Cutanem (PIRQUET) oder percutanem (MORO) Weg eruiert. Prinzipiell nichts anderes stellt die intracutane Auswertung mit abgestuften Tuberkulinkonzentrationen dar. Trotzdem diese Probe schon lange zu diagnostischen Zwecken Ver- wendung land, hat ihre Heranziehung zur Ermit t lung der jeweils optimalen Tuberkulinanfangsdosis erst durch die Deyke-Muchsche ,,mathematische ImmunitAtsanalyse" eilier- seits, durch ihre Heranziehung durch WOLFF.EISNER und SAHLI fO.r die subepidermale Tuberkulintherapie andererseits ausgedehntere praktischeVerwendung gefunden. DieVoraus- Setzung nun, dab wit sie auch als Indicator ffir jede andere

Art der Tuberkulintherapie verwendet wissen wotlen, liegt nun in dem Ergebnis der frfiher als Gesetz (5} mitgetei l ten Beobaehtung, dab die Dosis reactiva minima merkbare All- gemeinreaktionen vermissen 1Al3t.

Praktisch gestaltet sich die Tuberkulintherapie an unserer Klinik folgendermal3en: Von dem yon uns fast ausschliel31ich verwendeten Alttuberkulin Koch des Wiener Serotherapeu- tischen Ins t i tu tes werden mit 1/4% Carboll6sung Verdfin- nungen im Dekadensystem gemacht, die Verdfinnung I : IO (IO -1) mit I, die I : ioo (IO -2) mit I I usf. bis zur Verdfinnung I : IOOOOOO (lO -6) mit VI bezeichnet. Es sei nachd.rficklich darauf hingewiesen, dab die Alttuberkuline verschiedener Firmen bezfiglich ihrer Wirksamkeit Schwankungen auf- weisen. So ist z .B. das Alttuberkulin H6chst wesentlich starker als das Wiener. Hierauf mug begreiflicherweise stets Rticksicht genommen werden. Die einzelnen Verdtinnungen werden am besten in Fl~schchen mit Gummikappen, Ahnlich den gebrAuchlichen InsulinflAschchen, kfihl und vor Licht geschtitzt verwahrt und mfissen mindestens nach 14 Tagen erneuert werden (Gesetz 7). Ffir jede einzelne Verdfinnung oder h6chstens ffir zwei ist eine eigene Spritze notwendig. Die Beachtung dieser Vorschriff ist deshalb yon groBer Wichtigkeit, well das Tuberkulin durch die fiblichen Reini- gungsmethoden nicht vollst~ndig aus den Spritzen entfernt werdeu kann. Ffir die als Kontroll6sung dienende 1/,proz. Fhenoll6sung mug eine eigene, nie mit Tuberkulin ill Be- rfihrung gekommene Spritze verwendet werden.

Nach mindestens viertAgiger Temperaturkontrolle bei vier- maliger tAglicher Messung beginnen wir mit der Auswertung der Tuberkulinhautempfindlichkeit . Es werden an der Aul3enseite des linken Oberarmes proximal beginnend mit der L6sung K (Kontrolle, CarbolsAure) VI, V und IV intra- cutane Injektionen gemacht. Zur Bildung einer Quaddel ben6tigt man ungefAhr o,I ecm. Die Ablesung erfolgt nach 4 8 Stunden. Wenn alle Proben negafiv sind, wird sofort mit I I I und I I welter ausgewertet und wieder nach 4 8 Stunden abgelesen. Bei der Ablesung richten wir das Hauptaugen- merk auf eine schmerzhafte Infiltration, erst in zweiter Linie auf die R6tung der Haut . Will man vorsichtiger vorgehen, wie dies besonders bei phthisischen Prozessen empfehlens- wert ist, kann man zuerst K VI, V, falls nach 4 8 Stunden keine positive Reaktion auftritt , nun mit der Verdfinnung IV und I I I intracutan fortsetzen. Die Ablesung der Hautreak- tionen genfigt nach 48 Stunden, well positive Reaktionen, selbst wenn das Maximum der Infil tration wie bei phthisischen Prozessen in der Regel nach 2 4 Stunden erreicht wird, zu diesem Zeitpunkt deutlich und meist einwandfrei festzustellen sind, hingegen um diese Zeit die unspezifischen Reaktionen infolge ihrer gr6Beren Flfichtigkeit bereits abgeklungen sind.

Nicht immer ist die Grenze zwischen negativer und posi- t iver Intracutanreakt ion scharf zu ziehen; so kommt es manchmal vor, dab derartige =~-Reaktionen auch sparer als nach 4 8 Stunden sich zu einer deutlichen positiven Reak- tion entwickeln. In seltenen FAllen, wenn die le*zte h6chst- konzentrierte Intracutandosis einen nach 4 8 Stunden un- klaren Befund ergibt, wird man vorsichtigerweise n i c h t u m zwei, sondern nur um eine Konzentrat ion steigern.

Nach Ermit t lung der Dosis reactiva minima haben wir die M6glichkeit, nach verschiedenen Gesichtspunkten Tuberkulin therapeutisch zu verwenden.

Wollen wir nach SAHLI subepidermal verfahren, wobei unseres Erachtens nicht gerade nur das Beraneksche Tuber- kulin angewandt werden mug, sondern auch gew6hnliches Alttuberkulin benfitzt werden kann, wiederholen wit die Dosis reactiva minima Und geben sie in 4--TtAgigen Inter- vallen so lange, his keine Lokalreaktion dauernd, d. h. zwei- mal nacheinander, zu verzeichnen ist. Wir haben die Beob- achtung gemacht, dab es durchaus nicht notwendig ist, mit geringeren Dosen als der zehnfachen dann welter zu steigern; wir konnten n~mlich bei dieser Steigerung niemals All- gemein-(Fieber-)Reaktionen konstatieren, weshalb wit, ent- gegen d e n Vorschriften SAHLIS, wAhrend der ganzen Be- handlung stets so vorgehen. Auch die injizierte Menge kann

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immer mit o,1 ccm beibehalten werden. Stellt sich im Verlauf der Therapie eine merkliche Zunahme der Intensit~t der Lokalreaktion ein, wird auf die zehnfach schw~ichere Dosis zurfickgegangen. Diese Methode erlaubt wegen ihres Mangels an Allgemeinreaktionen eine Ausdehnung auch auf schwerere Formen echter Phthisen, natfirlich nur soweit dieselben im Sinne der anfangs erw~hnten Grunds~tze ftir eine Tuber- kulintherapie in Betracht kommen. Selbstversfiindlicll ist es wohl, dab andere Erkrankungen, die anch sonst als JKontraindikationen einer ,,Reiztherapie" gelten, ffir die Tuberkulinbehandlung ebenfalls eine Kontraindikation ab- geben, wie beispielsweise kardiale Insuffizienz, Nephritis usw. Wenn auch an und ffir sich die Durchftihrung dieser Methode eine sehr genaue Temperaturmessung nicht erfordert wie sonst im allgemeinen bei Tuberkulinbehandlungen, so werden wir doch an der Temperaturkontrolle wie bei jedem in Behandlung befindliehen Tuberkul6sen festhalten. Wer Gelegenheit hatte, in einem Ambulator ium einer GroBstadt unter den armen Schichten Tuberkulinbehandlung zu betreiben, wird sich wohl nicht des Eindruckes haben erwehren k6nnen, dab die vor- gewiesenen Temperaturmessungen gelegentlich, wie man hierzulande zu sagen pflegt, , ,Hausnummern" darstellen, die niemals yon einem Thermometer abgelesen wurden. Es w~re vielleicht konsequent, aber nicht ~rztlich gehandelt, solche Leute ohne weiteres fortzuweisen, vielfach erlaubt der aufregende Existenzkampf dem ohnehin durch seine Krank- heit benachteiligten Tnberkul6sen tatsXchlich nicht, die Temperaturmessung in gewtinscht exakter Weise vorzu- nehmen, vielfach ist es auch einfach Indolenz einer geistig nicht sehr hochstehenden Bev61kerungsschichte, die die Temperaturmessungen nnd Aufschreibungen als unzuverl~ssig erkennen lassen. In solchen FMlen werden wir mit der ,,Sub- epidermal"-Therapie um diese Schwierigkeit spielend hin- wegkommen. Ihre Anwendung er, scheint dann auch in solcllen F~llen indiziert, bei denen allerdings eine Methodik mit st~r- keren Dosen rascher zum Ziel ffihren wtirde, denn das Haupt- anwendungsgebiet der Intracutanmethode ist bei den echten Phthisen und bei allen jenen gutartigen F~illen, bei denen ein vorsichtiges Vorgehen indiziert ist, so vor allem bei mellr akuteren Erscheinungen.

Bei der Mehrzahl der gutartigen Falle aber werden wir mit dem Verbleiben bei ganz schwachen Tuberkulinreizen, wie dies die Dosis reactiva minima darstellt, therapeutiscll keine befriedigenden Ergebnisse erzielen. Bei F~llen, bei denen eine heftigere Herdreaktion infolge des Mangels an ex- sudativen Erscheinungen keine Gefahr Itir die Ausbreitung oder stXrkere Einschmelzung in tuberkul6sen Herden be- inhaltet, dort ist erfahrungsgem~B eine Tuberkulindosis er- folgreich, die nicht fiberhaupt gerade eine Reaktion macht, sondern die eine leichte Allgemeinreaktion hervorruft. Diese also im Hinblick auf Allgemeinreaktion als Indicator ebenfalls ats Dosis reactiva minima anzusprechende Dosis, ftir die die Bezeichnung Dosis optima vielfach gebraucht wird, l~Bt sich weder aus dem Ausfall der Intracutanauswertung noch aus dem klinischen Bild errechnen, sondern erfordert ihre Eru- ierung im Versuchswege ffir jeden einzelnen Tall. Es ist klar, dab wir beim Ermit te ln der Dosis optima durch subcutane Injektion yon immer h6her dosiertem Tuberkulin bei zu vor- sichtlgem Vorgehen zuviel Zeit versXumen, bei zu briisken unerwtinscht heftige Allgemeinreaktionen riskieren. In das Indikationsgebiet dieser Methodik fallen jene so h~iufigen F~ille, wo die physikalischen Ver~tnderungen und sonstigen klinischen Befunde nicht so eindeutig sind, dab sie uns er- lauben, die Diagnose auf Tuberkulose mit Sicherheit zu stellen, bzw. ob es sich um behandlungsbedtirftige oder nicht etwa um ausgeheilte F~lle handelt. Reagieren solche F~ille nicht bis auf 2o/II (io mg) subcutan mit einer Allgemeinreaktion, so betrachten wir sie als nicht behandlungsbedtirftig resp. aus- geheilt. Die nun angeffihrten Methoden wurden yon W. NLU- MANN an unserer Klinik eingeftihrt, sind aber zum Teil yon uns modifiziert worden.

Ehe wir auf die hier einzusehlagenden Wege nXher ein- gehen, mug kurz tiber die Art der Dosensteigerung bei der Tuberkulintherapie Iolgendes erw~hnt werden,

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Vielfach wird Tuberkulintherapie betrieben, wobei die Dosensteigerung nach arithmetischer Progression vorgenom- men wird. Aber nicht auf den Praktiker soll der Stein ge- worfen werden, sondern auf den Hersteller der Phiolen, die beispielsweise o,I, 0,2, 0,3 �9 �9 �9 I,O g einer best immten Tuber, kulinkonzentration enthalten. Es ist natiirlich vollkommen unrichtig so vorzugehen vielmehr muB die Dosensteigerung um die relativ gleiclle Menge Tuberkulin vorgenommen werden, mit anderen Worten nach geometrischer Progression. Da es sich beim Tuberkulin nm Abstufungen ill der Zehner- potenz handelt, k6nnen wir uns zur Berechnung der Dosen der yon FOULD angegebenen Reihen bedienen, die gerade eine Zehnerpotenz vom Interval l o , I - - i , o umspannen. Erfah- rungsgem~tB hat sich die Steigerung des Tuberkulins -- und eine solche Steigerung der Dosen ist notwendig, da sich in der tiberwiegenden Mehrzahl aller F~lle nach Tuberknlinappli- kation die Tuberkulinempfindlichkeit abstumpft -- um ca. 5 ~ % der vorhergehenden Dosis als zweckmiiBig erwiesen. Dies entspricht dem geometrischen Quotienten yon 1 . 5 ,

welcher Zahl nach FOULD ~'IO = 1,468 am n~ichsten kommt, welche Reihe bei einer Zahl yon 7 Oliedern folgendermaBen lautet : (o,!o) o,15, o,2i, 0,32, o,46, o,68, I,OO. Da auf 1/i00 ccm genau zu arbeiten keinen Sinn hat, da ja die Wertbest immung des Alttuberkulins nach der Dosis letalis des Meerschwein- chens eine sehr ungenaue Methode ist, weiter die Abschwi~- chung nicht genau erfaBbar ist, runden wir die Zahlen auf Zwanzigstelkubikzentimeter ab und gelangen daher zu folgen- den Dosen: (2), 3, 4, 6, 9, 14, 2o. In der Praxis schreiben wir diese Zahl mit arabischen Ziffern in den Nenner, die Tuberkulinverdtinnung mit r6mischen in den Z~ihler, z. B. 2o/I I I sind 1/20 ccm = I ccm der Tuberkulinverdfinnung i : iooo, also I mg Tuberkulin.

Eine Conditio sine qua non bei dieser Methode ist eine verl~iBliche Temperaturkontrolle. Wir fiberprfifen den Patien- ten, ob er sich richtig messen kann, wir iiberprfifen aber auch sein Thermometer, ob es richtig zeigt. Wir achten darauf, dab 4real im Tag gemessen wird, gewiihren abet beztiglich des Zeitpunktes der Messungen etwas Spielraum. Sie werden wohl am zweckm~Bigsten um 8, i2, 16 und 2o Uhr vorgenom- men. F~tlle, die fiber 37,5 ~ fiebern, sind ffir die ambulante Tuberkulinbehandlung nach dieser Methode nicht geeignet. In der Temperaturtabelle werden s~imtliche Medikamente, die genommen werden, vermerkt, ebenso auch die Menses verzeichnet. Dies alles, um die Temperaturkurve richtig deuten zu k6nnen. Auch das K6rpergewicht wird in i4tiigigen Intervallen kontrolliert und aufgescllrieben.

Um m6g'lichst rasch die Dosis optima zu linden, geben wir in zwei- (oder auch in vier-)tAgigem Intervall, je nach d e m Ausfall der intracutanen Auswertung bis zum Auftreten einer st~rkeren Allgemeinreaktion, folgende Dosen.

Ist bei einer Auswertung mit VI, V, IV die Reaktion auf VI bereits positiv und dabei keine Allgemeinreaktion aufgetreten, so wird 4/V, 9/V, 2o/V, 4/IV, 9/IV, 2o/IV, 4 / I I I usf. dosiert. Wurde nur mit VI und V ausgewertet und war u positiv, so wird 4/VI, I4/VI , 4/V, 9/V, 2o/V, 4/IV usf. gegeben. Ist bei der Auswertung mit VI, V, IV eine All- gemeinreaktion aufgetreten, so wird so vorgegangen, wie wenn sie auf 2/V (= 2o/VI) subcutan (Gesetz 3) aufgetreten w~tre (s. sp~tter), ist schon bei der Auswertung mit VI und V eine Allgemeinreaktion aufgetreten, wie wenn auf 2/VI sub- cutan dies der Fall gewesen w~ire. Ist die Dosis reactiva minima die Verdtinnung V, so wird 4/V, I4/V, 4/IV, 9/IV, 2o/IV, 4/III , 9/III , 2o/III , 4/II usw. dosiert. Ist die Intra- cutanreaktion auf IV als erss positiv, so geben wir 4~IV, I4/IV, 4/111, 9/111, 2o/111, 4/11, 9/I1, 2o/11. Ist die Intra- cutanprobe auf I I I als erste positiv, so wird 4/111, 9/111, 2o/111, 4/!V, 9/11, 2o/11 dosiert. Ist die Auswertung bis zur Verdtinnung I I negativ verlaufen, ertibrigt sictl eine Tuberkulinbellandlung.

Als eine st~irkere Allgemeinreaktion betrachten wir eine einwandfreie Temperaturerh6hung, stellen ihr gleich eine sehr lleftige Stichreaktion, eine deutlich nachweisbare Herd- reaktion, sellr heftige Schmerzen, wie sie z. t3. beim Rlleuma-

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tismus Poncet auftreten. Auch die depressorische Reaktion, vorfibergehendes Sinken der Temperatur unter das sonstige Niveau darf nicht iibersehen werden.

Die eben dargelegte Dosierung beruht auf unserer -- aller- dings keineswegs allgemein anerkannten -- Beobachtung, dab bei den Fgllen juveniler Tuberkulose durch subcutane Injektion yon h6chstens I ccm der Konzentration, die sich in t racutan gegeben a/s Dosis reactiva minima erwiesen hat, mit wenigen Ausnahmen hie eine st~rkerere Allgemein- reaktion erzeugt wird. Wenn wir trotz dieser Beobachtung fiir die Praxis keine gr6Bere, sondern eine solche Anfangs- dosis empfehlen, die voraussichtlieh keine st~rkere All- gemeinreaktion erzeugt, so geschieht dies haupts~chlich aus 2 Grfinden: Die Ablesung der Int racutanauswertung ist nicht immer leicht, beim l~bersehen einer positiven Reaktion k6nnte bei anderem Vorgehen Schaden gestiftet werden; durch eine st~rkere Reaktion, unmit te lbar bei Beginn einer Behandlung, werden die Pat ienten yon der Behandlung nicht selten abgeschreckt.

Wie gesagt, wird nach Auftreten einer st~rkeren All- gemeinreaktion die Dosierung ffir die ganze weitere Behand- lung geSmdert. ZunS.chst l~Bt man die Reaktion abklingen, was."gew6hnlich nach 4 Tagen der Fall ist, nur selten braucht es l~nger (Dauerreaktion). Dann wird die Dosis wiederholt oder, wenn die Temperaturerh6hung mehr als einen ha/ben Grad betragen hat, um so viele Dosen nach dem Schema 3, 4, 6, 9, I4, 2o zurfickgegangen, als die Temperaturerh6hung ha/be Grade betragen hat. Ein Beispiel: Ein Patient, dessert h6ehste Temperatur 37,2 ~ war, reagiert auf 9/IV mit einer Temperatursteigerung bis 37,6~ er bekommt als n/ichste Dosis 9~IV.; reagiert er mit 37,9 ~ ist die nXchste Dosis 6/IV. Die weiteren Tuberkulininjektionen werden im viert~gigen Intervall gegeben und, fails keine Reaktion aufgetreten ist, naeh dem Schema 3, 4, 6 usw. gesteigert. Tri t t neuerlich eine st~rkere Allgemeinreaktion auf, verh~.lt man sich gleich wie das erstemal. Die Behandlung ist abgeschlossen, wenn IOO rag Tuberkulin reaktionslos vertragen werden. Bemerkt sei, dab der Umschwung zur Besserung (Schwinden der sub- febrilen Temperaturen) hAufig nach einer stXrkeren Allgemein- reaktion -- ,,ictus immunisatorius" -- auftritt .

Als dritte Art der Tuberkulinbehandlung steht folgende lVIethode in Gebrauch. Nach Eruierung der Konzentration, die die Dosis minima reactiva darstellt, wird mit dieser in mindestens viert~gigen Intervallen subcutan nach dem Dosierungsschema 4, 6, 9 usf. injiziert. Bei Auftreten von Allgemeinreaktionen usw. erfolgt die weitere Dosierung nach den frfiher beschriebenen Regeln. Die Behandlung ist mit reaktionslosem Vertragen yon IOO mg abgeschlossen. Der Indikationsbereich liegt in der Mitre zwischen den frfiher

gesehilderten Methoden. Erw~hnt sei, dal3 zum Teil die oft l~stig empfundenen lokalen Reaktionserscheinungen an der Hau t dadurch vermieden werden k6nnen, dab die Injekt ionen ziemlich fief ins subcutane Gewebe gegeben werden und dab verhindert wird, dab in den Stichkana/ Tuberkulin gelangt. Dies kann man dadurch erzielen, dab vor der Injekt ion die Nadel abgewischt wird und beim Herausziehen der Nadel nach der Injekt ion an der Injektionsstelle mit einem Tupfer so ein Druck ausgefibt wird, dab aus dem subcutanen Depot nichts zurfickflieBt.

Kurz sei auf unseren Standpunkt hingewiesen, dab wir bei den Formen der gutartigen Tuberkulosen die Tuberkulin- therapie als die Therapie der Wahl betrachten, die in, der Mehrzahl tier F~lle allein ausreicht, um den erwiinschten Er- folg zu erzielen, w/~hrend wir bei den Phthisen, die der Heil- st~ttentherapie, in geeigneten F~llen unbedingt der Kollaps- therapie zugeffihrt werden sollen, sie nu t als unterstfitzende MM3nahme betrachten.

l~ber die PONNDORF-Methode, die mangels exakter Dosierbarkeit den fibrigen Tuberkulinbehandlungen wesent- lich unterlegen sein muB und daher yon uns l~ngst auf- gegeben ist, erfibrigt es sich NAheres auszuffihren.

Hingegen mfissen wir zu der heute so modernen per- cutanen Tuberkulintherapie Stellung nehmen. Wir sind der ~berzeugung, dab das wirksame Prinzip auch bei der Per- cutantherapie die Herdreaktion darstellt und ha/ten zu- mindest andere VorstelIungen ffir nichs genfigend begrfindet. Setzen wir nun die Wirkung percutan gegebenen Tuber- kulins dem subcutan gegebenen gleich, so haben unsere dies- beztiglichen Untersuchungen ergeben, dab es sehr geringe Mengen subcutan gegebenen Tuberkulins sind, die reaktions- ~quivalent percutan gegebenen entspreehen. So entspricht eine Originaltuberkulineinreibung ungef~thr der subcutanen Injekt ion der Verdfinnung V. Nun sind jene F~lle, bei denen die Percutantherapie, d ie ja eine etwas ungenaue Dosierung darstellt, indiziert ist, gewiB nicht jene ganz besonders hocha/lergischen FXlle, die eine ganz sorgsame Dosierung be- n6tigen, sondern jenes groBe Heer der gutartigen Tuber- kulosefAlle mit einer mitt leren Allergie, die etwa bis zur IV-oder V-Verdfinnung int raeutan positiv reagieren, weshalb wir mit den fibliehen PercutanprS.paraten zweifellos h~.ufig unterschwellig bleiben mfissen. Als weiterer MangeI kommt hinzu, dab die versehiedenen Tuberkulinsa/ben, wenn fiber- haupt, eine viel zu kleine Dosierungsbreite haben, so d a b sie bestenfalls die Einlei tung einer wirksamen Tuberkulintherapie machen k6nnen. Von den in Betracht kommenden PrX- paraten hat sich uns das Ektebin als wirksamstes und kon- stantestes erwiesen.

OFFENTLICHES GESUNDHEITSWESEN. DIE ANSTALTSBEHANDLUNG TUBERKULOSER.

Von

Dr. H. ULRICI, Arztlicher Dkektor des Waldhauses Charlottenburg in Sommerfeld (Osthavelland).

Seit ich vor 6 Jahren in dieser Wochenschrift die Frage der Krankenauswahl ffir die Ansta/tsbehandlung Tuberkul6ser behandelte, hat die Auffassung vom klinischen Beginn und vom Verlauf der Lungentuberkulose eine so wichtige Ande- rung erfahren, dab es angezeigt erscheint, den Aufgabenkreis der geschlossenen Ffirsorge ffir Tuberkul6se einer Nach- prfifung zu unterziehen.

Die Bek:kmpfung der Tuberkulose a/s Volksseuche ist bei uns in Deutschland auf dem Grundsatz der Heilung der Lun- gentuberkulose a/s der zahlenm~Big welt fiberwiegenden Form aufgebaut und verfolgte, an Kochsche Gedankeng~nge an- knfipfend, das Ziel der Verstopfung der hauptsAchlichen In- fektionsquellen. Die Aussichten ffir die Heilung muBten um so gfinstiger erscheinen, je frfiher der Kranke in Behandlung

kam, das hiel3 nach damaliger klinischer Erfahrung, je kleiner der physika/isch aufzufindende Krankheitsherd war. Diese kleinsten Herde, vor allem ausgeheilte Herde -- yon dem in

seiner 13edeutung erst spAter erkannten PrimXrherd 'abzu- sehen -- fand die pathologische Anatomie regelmABig in den Lungenspitzen; hat doch noch unl~ngst L0SCHKE feststellen k6nnen, dab sorgfNtiges Suchen bei den Leichen aus ander- weiter Ursache verstorbener Erwachsener fiber 8o % abge- heilte tuberkul6se Spitzenherde ergibt. Ihrer bewXhrten Lehr- meisterin folgend, suchte die Eilinik nach Methoden, diese an- genommenen aktiven Spitzenherdchen zu finden und baute eine raffinierte Technik wie wir heute sagen mfissen, fiber- feinerte Technik der physikalischen Lungenspitzenunter- suchung aus, fiber deren Anwendung altbew~thrte Krankheits- erfahrung allzusehr in den Hintergrund geriet. Wir tr ieben immer mehr in den Geist der Lungenspitzenspezialistik hinein und braehten es trotz vielfaeher Proteste erfahrener Kliniker dahin, unsere Heilanstalten bis zu 8o% mit vermeintlich initial Lungenkranken zu ffillen, die einen sicherlich oft ima- gin~ren Spitzenherd haben solltenl