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Jesus rastet aus! Predigt „Jesus rastet aus“ Johannes 2,13-22 gehalten am 8.6.2008 in der EKG Freiberg Einleitung: Mein Opa, den ich sehr lieb habe und sehr verehre, hat eine Schwäche, die es besonders Kindern sehr schwer macht mit ihm umzugehen. Er wird sehr schnell wütend. Da reicht es schon, wenn man sich zu wenig Butter auf sein Frühstücksbrot schmiert oder vergisst den Toilettendeckel runter zu machen, nachdem man auf der Toilette war. Das schwierige daran ist, dass seine Wutausbrüche unglaublich unberechenbar sind und sehr stark von seiner Tagesform abhängen. Auch ich habe ab und zu Phasen, in dem ich mich in ein wandelndes Pulverfass verwandle, das jeden Moment zu explodieren droht Dann genügt jede noch so kleine Abweichung von einem Plan oder eine winzige Ungerechtigkeit um mich auf die Palme bringen. Dann reicht es schon mich einmal schief anzuschauen und schon bin ich sauer oder wahlweise beleidigt. Doch das gehört sicher nicht zu einem typisch christlichen Lebensstil. Jesus, der ja unser Vorbild sein soll war nicht so. Jesus scheint immer gute Laune zu haben, er hat immer ein offenes Ohr für seine Mitmenschen und scheint nie wütend zu sein scheint, das zumindest lehren uns die meisten Kinderbibeln und ich denke, das ist auch das Bild, was die meisten Menschen vor Augen haben, wenn sie an Jesus denken. Das ist ein sehr schönes Bild und es ist auch nicht verkehrt, aber es ist, wie die Janine schon angedeutet hat unvollständig. Die Bibel berichtet von einem „anderen“ Jesus. Ich lese dazu aus Johannes, 2,13-22: Und das Passafest der Juden war nahe, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. Und er fand im Tempel die Händler, die Rinder, Schafe und Tauben verkauften, und die Wechsler, die da saßen. Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern und schüttete den Wechslern das Geld aus und stieß die Tische um und sprach zu denen, die die Tauben verkauften: Tragt das weg und macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus! Seine Jünger aber dachten daran, dass geschrieben steht (Psalm 69,10): »Der Eifer um dein Haus wird mich fressen.« Da fingen die Juden an und sprachen zu ihm: Was zeigst du uns für ein Zeichen, dass du dies tun darfst? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen will ich ihn aufrichten. Da sprachen die Juden: Dieser Tempel ist in sechsundvierzig Jahren erbaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten? Er aber redete von dem Tempel seines Leibes. Als er nun auferstanden war von den Toten, dachten seine Jünger daran, dass er dies gesagt hatte, und glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesagt hatte. Was ist passiert? Ist Jesus ausgerastet, war das eine unbedachte, unüberlegte Reaktion auf eine Gefühlswallung? Eignet sich dieser Jesus als Vorbild für uns? Was ist aus der Nächstenliebe geworden? Warum handelt Jesus so, wie wir es nicht von ihm erwarten? Jesus, der Sanfte, der Geduldige, der auch bei den provozierendsten Fragen der Pharisäer ruhig und gelassen bleibt und sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Passt das zusammen mit dem Jesus, den wir hier in dieser Geschichte kennen lernen? Ich möchte versuchen einige dieser Fragen in den folgenden vier Punkten zu beantworten: 1/6

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Jesus rastet aus!

Predigt „Jesus rastet aus“ Johannes 2,13-22 gehalten am 8.6.2008 in der EKG Freiberg

Einleitung:Mein Opa, den ich sehr lieb habe und sehr verehre, hat eine Schwäche, die es besonders Kindern sehr schwer macht mit ihm umzugehen. Er wird sehr schnell wütend. Da reicht es schon, wenn man sich zu wenig Butter auf sein Frühstücksbrot schmiert oder vergisst den Toilettendeckel runter zu machen, nachdem man auf der Toilette war. Das schwierige daran ist, dass seine Wutausbrüche unglaublich unberechenbar sind und sehr stark von seiner Tagesform abhängen.

Auch ich habe ab und zu Phasen, in dem ich mich in ein wandelndes Pulverfass verwandle, das jeden Moment zu explodieren droht Dann genügt jede noch so kleine Abweichung von einem Plan oder eine winzige Ungerechtigkeit um mich auf die Palme bringen. Dann reicht es schon mich einmal schief anzuschauen und schon bin ich sauer oder wahlweise beleidigt.

Doch das gehört sicher nicht zu einem typisch christlichen Lebensstil. Jesus, der ja unser Vorbild sein soll war nicht so. Jesus scheint immer gute Laune zu haben, er hat immer ein offenes Ohr für seine Mitmenschen und scheint nie wütend zu sein scheint, das zumindest lehren uns die meisten Kinderbibeln und ich denke, das ist auch das Bild, was die meisten Menschen vor Augen haben, wenn sie an Jesus denken. Das ist ein sehr schönes Bild und es ist auch nicht verkehrt, aber es ist, wie die Janine schon angedeutet hat unvollständig. Die Bibel berichtet von einem „anderen“ Jesus. Ich lese dazu aus Johannes, 2,13-22:

Und das Passafest der Juden war nahe, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. Und er fand im Tempel die Händler, die Rinder, Schafe und Tauben verkauften, und die Wechsler, die da saßen. Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern und schüttete den Wechslern das Geld aus und stieß die Tische um und sprach zu denen, die die Tauben verkauften: Tragt das weg und macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus! Seine Jünger aber dachten daran, dass geschrieben steht (Psalm 69,10): »Der Eifer um dein Haus wird mich fressen.« Da fingen die Juden an und sprachen zu ihm: Was zeigst du uns für ein Zeichen, dass du dies tun darfst? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen will ich ihn aufrichten. Da sprachen die Juden: Dieser Tempel ist in sechsundvierzig Jahren erbaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten? Er aber redete von dem Tempel seines Leibes. Als er nun auferstanden war von den Toten, dachten seine Jünger daran, dass er dies gesagt hatte, und glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesagt hatte.

Was ist passiert? Ist Jesus ausgerastet, war das eine unbedachte, unüberlegte Reaktion auf eine Gefühlswallung? Eignet sich dieser Jesus als Vorbild für uns? Was ist aus der Nächstenliebe geworden? Warum handelt Jesus so, wie wir es nicht von ihm erwarten? Jesus, der Sanfte, der Geduldige, der auch bei den provozierendsten Fragen der Pharisäer ruhig und gelassen bleibt und sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Passt das zusammen mit dem Jesus, den wir hier in dieser Geschichte kennen lernen? Ich möchte versuchen einige dieser Fragen in den folgenden vier Punkten zu beantworten:

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Jesus rastet aus!

1. Jesus rastet aus?Jesus kommt nach Jerusalem, direkt zu Beginn seines öffentlichen Wirkens. An dieser Stelle unterscheidet sich der Bericht von Johannes von denen der anderen drei Evangelisten, die die Begebenheit zwar ähnlich berichten, sie allerdings in einen vollkommen anderen Kontext einbetten, nämlich kurz vor den Tod Jesu. Doch das soll uns hier jetzt nicht weiter stören, ich denke Johannes setzt die Geschichte nicht grundlos an diese Stelle, sonder weil er seinen Lesern damit etwas verdeutlichen will.Wir bleiben also bei der Version der Geschichte, wie sie uns Johannes erzählt: Der einzige öffentliche Auftritt Jesu, der noch vor seiner Ankunft in Jerusalem stattfand war auf der Hochzeit zu Kanaa. Dort begegnet uns ein anderer Jesus. Er hat dort Wasser in Wein verwandelt. Er hat damit keine theologische Lehrstunde verbunden und erklärt, warum er das tut und wie sich die Menschen jetzt seiner Meinung nach verhalten sollen, er ist dort aufgetreten, als der gebende Gott, Gott der nichts lieber tut als seine Kinder zu beschenken, Gott, der Freude schenkt und schenken will. Der Gott der Wunder tut und Kranke heilt, der dem Messias den die Juden erwarten schon ziemlich nahe kommt.Aber das ist nur eine Seite des Lebens Jesus. Jesus ist die Offenbarung Gottes. Was heißt das ? Wenn wir Jesus ansehen, dann sehen wir Gott. Jesus Gefühle zeigen uns, was Gott fühlt. Und darum gibt es auch eine ernste und erschreckend bedrückende Seite am Leben Jesu. Gott offenbart seine Herrlichkeit in den Wundern und Heilungen, die wir so gut kennen, in der schöpfenden Kraft, die wir bei der Hochzeit zu Kanaa und auch der Speisung der Fünftausend erleben können genauso wie in der Wut und Trauer, die Jesus überkommt, wenn er sieht, was die Menschen aus dem Haus seines Vaters gemacht haben, ein „Kaufhaus“. Beides gehört zu Gott und darf nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Gott liebt die Welt voller Leidenschaft, doch er ist auch voll Zorn über die Übertretungen seiner Gesetze.Als Jesus zwölf Jahre alt war, so lesen wir im Lukasevangelium, war er das erste Mal in Jerusalem im Tempel. Wie oft er seit dem dort war, wissen wir nicht, doch jedes mal hat er dort gesehen, was dort los war und jedes mal hat es ihm wahrscheinlich einen Stich versetzt zu sehen was die Menschen mit dem Haus seines Vaters anstellen. Doch dieses Mal ist es anders, er ist nicht nur ein normaler Besucher des Passahfestes und kann sich alles einfach ansehen, die Zeit seines öffentlichen Wirkens hat begonnen, er ist der vorhergesagte Messias und der Sohn Gottes und muss handeln.Jetzt müssen wir uns die Frage stellen: Was ist eigentlich los da im Tempel? Was macht Jesus so wütend? Es wird berichtet von Ständen mit Tieren und Geldwechslern. Was ist an Tierhändlern so schlimm? Eigentlich ist das doch eine super Sache. Jeder fromme Jude hat dort zur Ehre Gottes geopfert, wie es das Gesetz verlangte und gerade für die, die von weit her nach Jerusalem kamen um das Passah zu feiern, war es ungeheuer praktisch nicht ihre Opfertiere den weiten Weg mit zuführen, sondern sie dann direkt vor Ort zu kaufen. Vor allem Tauben wurden dort verkauft, denn die waren das Opfer der einfachen Leute, die sich keine größeren Opfertiere leisten können, darum sicher werden sie explizit im Text angesprochen. Und auch Geldwechsler gab es im Tempel und auch das ist eigentlich eine sehr natürliche und vor allem praktische Sache, denn die Tempelsteuer durfte nur in jüdischen Geld bezahlt werden und so konnte die Gläubigen ihr Geld direkt im Tempel wechseln und bezahlen. Was also stört Jesus? Alle diese Dinge dienen dem Gottesdienst und Ehre Gottes und sollten es doch den frommen Juden einfacher machen ihren Gottesdienst zu feiern. Was stört ihn? Warum kann Jesus diese scheinbar notwendigen Dinge nicht einfach

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Jesus rastet aus!

akzeptieren, wie die vielen anderen frommen Juden auch, die das ganze Treiben ja erst einmal nicht zu stören scheint.

2. Warum rastet Jesus aus?Um zu verstehen, worum es Jesus hier geht, müssen wir uns ein wenig näher mit dem Tempel beschäftigen: Wir müssen wissen, das der Tempel nicht nur ein Haus ist, wie so viele andere, sondern der Ort an dem Gott wohnt. Die Beziehung der Israeliten zu ihrem Gott war eine eher unpersönliche, indirekte. Mit Gott konnte nur über Mittelsmänner, also Propheten kommuniziert werden, die für eine bestimmte Zeit mit dem Geist Gottes ausgestattet waren um dem Volk Gottes Sicht auf die Dinge zu übermitteln. Umso erstaunlicher finde ich die Tatsache, das Gott sich an dieses Haus, bindet, er hat zugesagt dort im Tempel unter seinem Volk zu leben. Die Gegenwart Gottes macht aus dem Tempel mehr als nur eine Kultstätte. Es geht nicht nur darum, dass Gott im Tempel irgendwie so auch da ist, weil er ja überall ist, sondern wirklich um seine Präsenz, die den Tempel so heilig macht, dass jeder der das Allerheiligste, also den Innenraum, wo die Bundeslade stand, betreten hat auf der Stelle sterben musste, wie wir an verschiedenen Stellen im alten Testament nachlesen können.Das ganze Theater und Marktreiben bringt nun die Welt mit ihrer ganzen Ich-Bezogenheit in den Tempel hinein, den Ort, an dem es eigentlich nur um Gott gehen sollte. Statt um Lobpreis, Dank und Bitte, geht es um Geld und um Gewinn. Jesus aber kann das nicht einfach ignorieren, denn lebt die eigentliche Bestimmung dieses im wahrsten Sinne des Wortes Gottes-Hauses. Er kann darüber nicht hinwegsehen und noch einmal ein Auge zudrücken, wenn er sieht, wie die Menschen Gottes Gegenwart nicht wahrnehmen und sich so sehr von dem ablenken lassen, der im Mittelpunkt ihres Gottesdienstes stehen sollte. Jesus sieht über die frommen Floskeln hinweg „Das ist ja alles zur Ehre Gottes“ und sieht, das so ein „Kaufhaus“ den Menschen nicht zum Gottesdienst hilft, sondern sie davon wegbringt und damit Gott nicht die Ehre geben.Wenn wir es jetzt verstehen können, hat Jesus nicht aber trotzdem ein wenig über reagiert, hätte er nicht lieber mit den Leuten, den Händlern und Verantwortlichen reden können und versuchen können, sie zu überzeugen, bevor er so heftig reagiert und am Ende noch jemanden verletzt mit seiner Peitsche aus Binsenstricken. Die Reaktion Jesu ist ein klares Zeichen und kein Diskussionsansatz. Worte hätten zu Diskussionen geführt und die wollte Jesus über diesen Punkt sicher nicht führen. Seine Tat jedoch zwingt jeden der Umstehenden und auch jeden von uns dazu sich zu positionieren, eine Entscheidung zu treffen, finde ich das gut, was der da macht oder nicht? Aber dazu müssen wir verstehen, warum er so handelt.Jesus handelt nicht aus einer Gefühlswallung heraus, die er später bereuen müsste, sondern aus Eifer für Gott, er verkörpert an dieser Stelle Gottes Eifersucht. Das klingt jetzt vielleicht ziemlich albern, aber Gott ist eifersüchtig, er ist eifersüchtig auf all das, was uns wichtiger ist als er und er tut das nicht leichtfertig, er weiß, dass er sich mit dieser Aktion keine Freunde macht. Und auch seine Jünger wissen es: In Vers 17 steht: Seine Jünger aber dachten daran, dass geschrieben steht (Psalm 69,10): »Der Eifer um dein Haus wird mich fressen.« Vielleicht haben die Jünger schon hier an dieser Stelle eine Ahnung bekommen von dem was später mit ihm geschehen wird, das deutet dieser Vers zumindest an.Wie geht es nun weiter, was schlägt Jesus vor, wie sollen die Gläubigen nun an die notwendigen Opfertiere kommen, denn wir hatten ja schon festgestellt, dass all diese Dinge nicht nur aus Spaß dort verkauft und gehandelt wurden, sondern weil sie nötig oder

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Jesus rastet aus!

zumindest sehr praktikabel waren. Und wenn Jesus hier sehr heftig die Vorgehensweise kritisiert, erwarten wir doch wenigstens einen Vorschlag, wie man es anders machen könnte. Doch davon lesen wir nichts, denn es ist an dieser Stelle vollkommen irrelevant, es geht nicht um die praktische Umsetzung der Opfergesetze, sondern es geht um das erste Gebot. „ich bin der Herr, dein Gott“ Gott hat die erste Priorität und nicht all die Dinge, die wir sonst noch so brauchen. In Matthäus 6,33 steht „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ Die Suche nach der perfekten Dekoration unseres Gottesdienstraumes darf nicht im Mittelpunkt des Gottesdienstes stehen, sondern Gott muss dort im Mittelpunkt stehen, sonst verliert der Gottesdienst seine Daseinsberechtigung und seinen Sinn. Durch das Marktreiben im Tempel wird von dem abgelenkt, was den Tempel eigentlich ausmacht, die Gegenwart Gottes. Für die frommen Juden ist das natürlich ein Affront, Jesus greift hier IHREN Gottesdienst an, ihren Tempel, ihre Identität als Volk Israel und natürlich fragen sie erst einmal nach seinem Personalausweis, wollen wissen, ob er überhaupt befugt ist sich hier so aufzuführen, sie fragen nach seiner Vollmacht, seinem Auftraggeber und fordern ein Zeichen für die Authentizität seiner Autorität. Sie wollen eine Bestätigung dafür, dass er seine Taten nicht aus eigener Willkür heraus getan hat, sondern im Auftrag Gottes. Das allein ist eigentlich keine schlechte Sache.Es fällt aber auf, dass sie keine sachliche Diskussion führen, nicht wissen wollen, warum Jesus so handelt. Vermutlich spüren sie, dass da nicht alles so ist, wie es sein sollte und wissen eigentlich, dass Jesus recht hat. Sie wollen ein Zeichen seiner Autorität und Jesus antwortet mit einer Art Rätsel oder einem Bild. Das bringt mich zu meinem dritten Punkt:

3. Ein unverständliche Antwort Jesus antwortet „Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen will ich ihn aufrichten“ und die Juden, die Schriftgelehrten, vielleicht die Tempelpolizei, die umstehenden, die sind verwirrt und geben sofort Kontra, es scheint fast so, als ob sie Jesus verhöhnen, wie kann er nur auf so eine absurde Idee kommen, den Tempel, an dem schon so lange gebaut wird in drei Tagen wieder aufzubauen. Doch wir als Leser müssen nicht verwirrt sein, denn Johannes deutet dieses Bild sofort, löst das Rätsel auf. Jesus spricht von sich selbst, denn er weiß schon, wohin es für ihn geht. Er weiß, dass es unvermeidlich ist, dass der „Tempel seines Leibes“ abgerissen wird und er weiß auch dass er in drei Tagen wieder aufgebaut wird. Aber warum sagt Jesus das jetzt hier. Er hebt nicht die Verheißung auf, die auf dem Tempel liegt. Jesus weiß was den Tempel ausmacht, ich habe das schon gesagt, es ist die Gegenwart Gottes. Gott hat sich an diesen Tempel gebunden, hat ihn in Auftrag gegeben und versprochen, dort immer inmitten seines Volkes zu leben, aber um es mal mit Johannes eigenen Worten zu sagen: Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns. In Jesus ist Gott auf die Erde gekommen um seinen Menschen noch viel näher sein zu können als im Tempel. Das heißt, dass Jesus der „neue“ Tempel ist. Durch eine Beziehung zu Jesus können wir jetzt Gemeinschaft zu Gott haben, das was vorher nur im Tempel möglich war. Und wir können noch viel weiter gehen und sagen, dass der Tempel dort ist, wo Gottes Gegenwart ist und das ist heute auch hier in der Gemeinde, überall da, wo Menschen zusammen kommen um nach Gott zu suchen und zu fragen, was all das mit ihnen selbst zu tun hat.

Den Abschluss der Geschichte bildet eine sehr sympathische Sache. Die Jünger haben es

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Jesus rastet aus!

auch nicht gleich verstanden. Ich mag die Jünger an diesen Stellen immer am liebsten. Das sind keine theologischen Überflieger, die jedes Zeichen deuten können und alles sofort verstehen und alles direkt in ihrem Leben umsetzen, sondern die brauchen immer noch eine Weile und hier an dieser Stelle haben sie all das erst verstanden, als Jesus auferstanden war und die Prophezeiung eingetroffen ist. Sie haben die Schrift und die Erzählungen und ihre eigenen Erlebnisse zusammengefügt und erst all das zusammen macht sie sicher und sie verstehen das Bild. Das macht mir Mut, auch wir müssen nicht immer alles sofort verstehen, sondern dürfen auf die kleinen und größeren Gedankenanstöße gespannt sein, die Gott für uns bereithält um uns zu helfen all das, was wir noch nicht verstehen ins rechte Licht zu rücken. Aber kommen wir zu unserem Text zurück und zu einer letzten Frage, die vom Anfang noch übrig ist. Was machen wir jetzt mit diesem Text? Können und sollen wir uns diesen Jesus hier zum Vorbild nehmen und auch ab und zu mal ausgerasten?

4. Wann rasten wir mal aus?Ich meine jetzt natürlich nicht die Art von grundloser und unverständlicher Gereiztheit und Wut, von der ich zu Beginn gesprochen habe, doch ich bin dir Meinung, dass wir ab und zu mal ausrasten sollten. Ich möchte jetzt hier kein Plädoyer halten, für eine wütende Verteidigung unserer Glaubensprinzipien oder einen „heiligen Krieg“ ausrufen. An zwei kurzen Punkten will ich die Frage beantworten, was der Text von uns möchte.

AIch denke, wir sollten mal einen genaueren Blick auf den Gottesdienst werfen. Was kritisiert Jesus am Gottesdienst im Tempel? Was ist es, was ihn so maßlos stört? Es sind doch nicht die Opfer. Sondern es ist die Oberflächlichkeit, das ganze Theater rund um die Organisation des Gottesdienstes nimmt viel mehr Raum ein als Gott. Worum geht es bei dem Gottesdienst? Es geht darum Gott die Ehre zu geben, sich auf ihn auszurichten und sein Wort zu hören. An einem Beispiel: Es ist eine gute Sache, wenn viele Leute sich an der Gestaltung des Gottesdienstes beteiligen und es ist sehr praktikabel, wenn die Leute sich in Teams organisieren und das gemeinsam machen, also ein Team für die Musik, ein Team für die Gestaltung des Raumes und eins für die Predigt, das ist alles gut und schön, aber wenn all das so kompliziert und umfangreich ist, dann ist es nicht gut für den Gottesdienst. Wir sollten also von Zeit zu Zeit mal unseren Gottesdienst überprüfen. Das war jetzt nur ein Beispiel, was meiner Meinung nach nicht hier auf unsere Gemeinde zutrifft, aber ich denke jeder von uns sollte von Zeit zu zeit seinen eigenen Gottesdienst überprüfen. Das was wir zu Hause so machen, das Bibellesen, die persönliche Stille Zeit, vielleicht gibt es da Dinge, die schon immer so waren, die Gewohnheit geworden sind und aber eigentlich von Gott ablenken. Ich will nicht sagen, dass Gewohnheiten immer schlecht sind und wir jeden Tag aufs neue alles, was wir tun in Frage stellen sollten, aber von Zeit zu Zeit sollten wir das, was wir tun prüfen, ob es noch den Nutzen hat, den wir uns am Anfang versprochen haben. Mir persönlich passiert es relativ schnell, dass ich z.B. versuche jeden Tag einen Abschnitt aus einem Andachtsbuch zu lesen, was prinzipiell sicherlich keine schlechte Sache ist, aber ich merke dann manchmal nach einiger Zeit, dass mir das nicht hilft und ich es nur aus Gewohnheit mache und es mich davon abhält über die Dinge nachzudenken, die Gott mir vielleicht gerade sagen will.Die Idee Händler im Tempel zu haben erscheint erst einmal auch sehr logisch und praktisch und unterstützt den Gottesdienst, aber wenn es so ist, dass sie den Gottesdienst

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Jesus rastet aus!

stören und von Gottes Gegenwart ablenken, dann ist es angebracht noch einmal darüber nachzudenken, wie eine andere Lösung aussehen kann.

Auf einen zweiten Punkt möchte ich noch eingehen.BIch denke wir müssen uns die Frage gefallen lassen: Warum sind wir sofort beleidigt und fühlen uns angegriffen, wenn an unserer Ehre und unserer persönlichen Freiheit gerüttelt wird und die Missachtung Gottes lässt uns scheinbar kalt. Wenn Menschen angegriffen werden (wir oder andere), dann schreien wir nach Gerechtigkeit, aber wenn es um Gott geht, dann ducken wir uns. Das soll keine Anklage sein, ich merke jetzt gerade auf Arbeit, wie schwer es ist gegenüber höher gestellten Kollegen klar zu bekennen, an was ich glaube und mich nicht wegzuducken. Jesus ist da ganz anders, viel klarer und auch irgendwie radikaler. Und auch da können wir uns den Vers aus dem Matthäus-Evangelium sagen lassen, den wir vorhin schon gehört haben „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen“ Wir müssen die Prioritäten neu setzen, wir können die Prioritäten neu setzten, Gott sagt uns zu, macht euch keine Sorgen um diese Kleinigkeiten, darum kann ich mich ohne Probleme kümmern, vertrau mir nur. Gott will nicht, dass wir uns Sorgen machen, darüber, was die anderen über uns denken, sondern er will unser Vertrauen und unseren Eifer für seine Sache, für sein Reich.

Fazit:Wir haben gesehen, Jesus ist ausgerastet und das war auch gut so und wir können und sollten unseren Gottesdienst immer mal genau unter die Lupe nehmen, ob das schmückende Beiwerk in den Mittelpunkt gerückt ist oder ob er noch zu Gottes Ehre dient.

Amen!

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