5
60 ZfCM | Controlling & Management Sonderheft 2 | 2009 FELDER DES VERTRIEBSCONTROLLINGS Karl-Heinz Sebastian/Andrea Maessen/Bert Sebastian Strasmann 1. Einordnung und Abgrenzung des Preiscontrollings Unter Vertriebscontrolling versteht man die zielgerichtete Kontrolle und Steuerung der Vertriebsleistung eines Unterneh- mens. Die Vertriebsleistung wird durch Kennzahlen wie z. B. Umsatz pro Monat/ Quartal/Jahr und Mitarbeiter, Verhältnis Neukunden und Bestandskunden, durch- schnittliche Auftragshöhe oder Verkaufs- gespräche pro Tag erhoben. Das Vertriebs- controlling ist eine Schnittstelle zwischen Vertrieb und Controlling. Das Preiscon- trolling als Bestandteil des Vertriebscon- trollings konzentriert sich auf die Kontrolle und Steuerung des Umsatzes, der Absatz- menge und der Marge unter besonderer Berücksichtigung des Preises. Das Verständnis von Preiscontrolling wird unterschiedlich weit gefasst. In der weitestgehenden Betrachtung wird die vollständige Übernahme der Planungs- und Kontrolltätigkeit beansprucht. Die engere Sicht beschränkt das Preiscontrol- ling auf die Kontrolle der realisierten Ergebnisse. Der folgende Beitrag konzent- riert sich auf den letztgenannten Aspekt ( vgl. Abbildung 1 ). Wir weisen aber aus- drücklich darauf hin, dass dem Preiscon- trolling in allen Phasen des Preismana- gements (inklusive der Festlegung der Preisstrategie und Preissetzung sowie der Preisimplementierung) eine Rolle zukommt (vgl. hierzu Simon/Fassnacht 2009). Effektives Preiscontrolling setzt voraus, dass Pläne und Preisziele quantitativ und messbar formuliert sind. Die Fragen, de- nen das Preiscontrolling nachgeht, unter- scheiden sich je nach Blickwinkel von Management, Marketing und Vertrieb. Sie adressieren den Grad der Zielerreichung (z. B. 90 %), die Qualität der Zielerrei- chung (z. B. Preiserhöhung bei allen Kun- den unterhalb der Preisuntergrenze) und die Träger der Zielerreichung (z. B. Pro- dukte, Kunden, Projekte oder einzelne Verkäuferleistungen). Sie lauten z. B.: Werden die geplanten Preise und Ab- satzmengen realisiert? Wie gut gelingt die Durchsetzung von Preiserhöhungen? Wie stark streuen Preisrealisierungen um die Zielpreise? Wie groß ist die Preislücke zum Ziel- preis? Wie stringent werden Konditionenver- einbarungen und Nachlasssysteme ein- gehalten? Wie entwickelt sich die eigene Preisposi- tion (Preispremium oder Preismalus) im Wettbewerbsvergleich? Zu welchem Grad werden Freiräume in der Preisumsetzung ausgenutzt, wo wer- den Preiskompetenzen überschritten? Die folgenden Ausführungen zum Preis- controlling basieren auf Erfahrungen und Einsichten aus dem B2B-Bereich. 2. Herausforderungen des Preiscontrollings Die Ausgestaltung des Preiscontrollings hängt stark vom spezifischen Geschäfts- modell ab. Diese wird im Commodity- Geschäft z. B. durch die hohe Preis- und Kostendynamik getrieben. Im Key Ac- Preiscontrolling als Element des Vertriebscontrollings Die Fragen, denen das Preiscontrolling nachgeht, adressieren den Grad, die Qua- lität und die Träger der Zielerreichung im Preismanagement. Entscheidend für ein erfolgreiches Preis- controlling ist die zeitnahe Verfügbarkeit, die Zuverlässigkeit („saubere Datenbasis“) und der Gehalt (jenseits von Durch- schnittswerten) von relevanten Informa- tionen. Kennzahlen im Preiscontrolling dienen sowohl der Kontrolle als auch der Pla- nung und Steuerung von Preisen und können sich grundsätzlich auf die Abwei- chung zu Planungsgrößen (Soll-Ist-Ver- gleich) oder den Vergleich von Preisreali- sierungen (Deltas) beziehen. Zu den empirisch bewährten Kenn- zahlen gehören die Preis- und Margen- veränderung, die Preis-Gaps, die Preis- korridorabdeckung, der Preiswasserfall und die Preisspreizung und Preisvertei- lung. Sie kommen in Kombination zur An- wendung. Der Preiscontroller steuert ein umfas- sendes Preisinformationssystem, das die beschriebenen Kennzahlen enthält, Schnittstellen zu internen Funktionen (vor allem Einkauf) umfasst und immer häufiger auch Informationen zum Markt und zu Wettbewerbern beinhaltet. Autoren Dr. Karl-Heinz Sebastian Senior Partner von Simon-Kucher & Partners, E-Mail: karl-heinz.sebastian@ simon-kucher.com Dr. Andrea Maessen Partner von Simon- Kucher & Partners, E-Mail: andrea. [email protected] Bert Sebastian Strasmann Dipl.-Kfm., Direktor bei Simon-Kucher & Partners, E-Mail: sebastian.strasmann@ simon-kucher.com Simon-Kucher & Partners Büro Köln Gustav-Heinemann-Ufer 56 50968 Köln Tel.: 02 21 - 3 67 94 - 400

Preiscontrolling als Element des Vertriebscontrollings

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Preiscontrolling als Element des Vertriebscontrollings

60 ZfCM | Controlling & Management Sonderheft 2 | 2009

FELDER DES VERTRIEBSCONTROLLINGS

Karl-Heinz Sebastian/Andrea Maessen/Bert Sebastian Strasmann

1. EinordnungundAbgrenzungdesPreiscontrollings

Unter Vertriebscontrolling versteht man die zielgerichtete Kontrolle und Steuerung der Vertriebsleistung eines Unterneh-mens. Die Vertriebsleistung wird durch Kennzahlen wie z. B. Umsatz pro Monat/Quartal/Jahr und Mitarbeiter, Verhältnis Neukunden und Bestandskunden, durch-schnittliche Auftragshöhe oder Verkaufs-gespräche pro Tag erhoben. Das Vertriebs-controlling ist eine Schnittstelle zwischen

Vertrieb und Controlling. Das Preiscon-trolling als Bestandteil des Vertriebscon-trollings konzentriert sich auf die Kontrolle und Steuerung des Umsatzes, der Absatz-menge und der Marge unter besonderer Berücksichtigung des Preises.

Das Verständnis von Preiscontrolling wird unterschiedlich weit gefasst. In der weitestgehenden Betrachtung wird die vollständige Übernahme der Planungs- und Kontrolltätigkeit beansprucht. Die engere Sicht beschränkt das Preiscontrol-ling auf die Kontrolle der realisierten Ergebnisse. Der folgende Beitrag konzent-riert sich auf den letztgenannten Aspekt (vgl. Abbildung 1). Wir weisen aber aus-drücklich darauf hin, dass dem Preiscon-trolling in allen Phasen des Preismana-gements (inklusive der Festlegung der Preisstrategie und Preissetzung sowie der Preisimplementierung) eine Rolle zukommt (vgl. hierzu Simon/Fassnacht 2009).

Effektives Preiscontrolling setzt voraus, dass Pläne und Preisziele quantitativ und messbar formuliert sind. Die Fragen, de-nen das Preiscontrolling nachgeht, unter-scheiden sich je nach Blickwinkel von Management, Marketing und Vertrieb. Sie adressieren den Grad der Zielerreichung (z. B. 90 %), die Qualität der Zielerrei-chung (z. B. Preiserhöhung bei allen Kun-den unterhalb der Preisuntergrenze) und die Träger der Zielerreichung (z. B. Pro-dukte, Kunden, Projekte oder einzelne Verkäuferleistungen). Sie lauten z. B.:

Werden die geplanten Preise und Ab-satzmengen realisiert? Wie gut gelingt die Durchsetzung von Preiserhöhungen? Wie stark streuen Preisrealisierungen um die Zielpreise? Wie groß ist die Preislücke zum Ziel-preis? Wie stringent werden Konditionenver-einbarungen und Nachlasssysteme ein-gehalten? Wie entwickelt sich die eigene Preisposi-tion (Preispremium oder Preismalus) im Wettbewerbsvergleich?

Zu welchem Grad werden Freiräume in der Preisumsetzung ausgenutzt, wo wer-den Preiskompetenzen überschritten?

Die folgenden Ausführungen zum Preis-controlling basieren auf Erfahrungen und Einsichten aus dem B2B-Bereich.

2.HerausforderungendesPreiscontrollings

Die Ausgestaltung des Preiscontrollings hängt stark vom spezifischen Geschäfts-modell ab. Diese wird im Commodity-Geschäft z. B. durch die hohe Preis- und Kostendynamik getrieben. Im Key Ac-

Preiscontrolling als Element des Vertriebscontrollings

Die Fragen, denen das Preiscontrolling nachgeht, adressieren den Grad, die Qua­lität und die Träger der Zielerreichung im Preismanagement.

Entscheidend für ein erfolgreiches Preis­controlling ist die zeitnahe Verfügbarkeit, die Zuverlässigkeit („saubere Datenbasis“) und der Gehalt ( jenseits von Durch­schnittswerten) von relevanten Informa­tionen.

Kennzahlen im Preiscontrolling dienen sowohl der Kontrolle als auch der Pla­nung und Steuerung von Preisen und können sich grundsätzlich auf die Abwei­chung zu Planungsgrößen (Soll­Ist­Ver­gleich) oder den Vergleich von Preisreali­sierungen (Deltas) beziehen.

Zu den empirisch bewährten Kenn­zahlen gehören die Preis­ und Margen­veränderung, die Preis­Gaps, die Preis­korridorabdeckung, der Preiswasserfall und die Preisspreizung und Preisvertei­lung. Sie kommen in Kombination zur An­wendung.

Der Preiscontroller steuert ein umfas­sendes Preisinformationssystem, das die beschriebenen Kennzahlen enthält, Schnittstellen zu internen Funktionen (vor allem Einkauf) umfasst und immer häufiger auch Informationen zum Markt und zu Wettbewerbern beinhaltet.

Autoren

Dr.Karl-HeinzSebastian

Senior Partner von Simon­Kucher & Partners,

E­Mail: karl­heinz.sebastian@simon­kucher.com

Dr.AndreaMaessen

Partner von Simon­Kucher & Partners,E­Mail: andrea.

maessen@simon­kucher.com

BertSebastianStrasmann

Dipl.­Kfm., Direktor bei Simon­Kucher & Partners,

E­Mail: sebastian.strasmann@ simon­kucher.com

Simon­Kucher & PartnersBüro KölnGustav­Heinemann­Ufer 5650968 KölnTel.: 02 21 ­ 3 67 94 ­ 400

Page 2: Preiscontrolling als Element des Vertriebscontrollings

FELDER DES VERTRIEBSCONTROLLINGS

ZfCM | Controlling & Management Sonderheft 2 | 2009 61

count-Geschäft geht es für das Preiscon-trolling um die Unterstützung von Preis-verhandlungen mit allen relevanten Preis-, Mengen- und Margeninformationen. Im auftragsspezifischen Geschäft wird die Ausgestaltung des Controllings durch die Komplexität bestimmt, im Geschäft mit Absatzmittlern durch die Kontrolle der Rabatte und Boni und in transaktions-intensiven Geschäften durch die Messung von Zielabweichungen. In Fällen hoher Kunden- und Produktkomplexität sind die daraus resultierenden informations-technischen Anforderungen entspre-chend hoch.

Typische Herausforderungen im Preis-controlling sind:

fehlende Abbildung von Preisrichtlinien und -strukturen, wie z. B. Preislisten, Preisuntergrenzen oder -korridoren, in den ERP-Systemen, mangelnde Kenntnis der realisierten (Netto-)Preise einzelner Transaktionen aufgrund kundenindividueller, nachge-lagerter und systemisch nicht erfasster Konditionenelemente, wie z. B. Rabatte, Boni, Gutschriften, Zuschläge, Zah-lungsziele, untaugliche Kennzahlen aufgrund man-gelnder Berücksichtigung von Produkt- und/oder Kundenmix-Effekten.

Häufig ist ein hoher manueller Aufwand mit der Bereitstellung von Informationen verbunden, da geeignete Systeme oder Be-richtsstrukturen fehlen. Entscheidend für ein erfolgreiches Preiscontrolling ist die zeitnahe Verfügbarkeit, die Zuverlässig-keit („saubere Datenbasis“) und der Ge-halt (jenseits von Durchschnittswerten) von relevanten Informationen. Für die zeitnahe Verfügbarkeit und Qualität von Daten sorgt heute spezielle Pricing-Soft-ware, die direkt mit den ERP-Systemen verknüpft ist und die insbesondere von Unternehmen mit hoher Produkt- und Kundenkomplexität eingesetzt wird. Die Bereitstellung von gehaltvollen Kenn-zahlen im Preiscontrolling ist in der Regel das Ergebnis eines mehrmonatigen Erpro-bungsprozesses.

Es geht zunächst um die sinnvolle Fest-legung von technischen Parametern wie Bezugsdatum, Berichtszeiträumen und -frequenz und Vergleichsgrößen. Ist als Bezugsdatum das Datum der Auftrags-erfassung oder der Rechnungserstellung relevant? Die Antwort auf diese Frage kann insbesondere bei hoher Preisvola-tilität gravierende Auswirkungen haben, da sich der Preis zwischen Auftragserfas-

sung und Rechnungsstellung geändert ha-ben kann. Wie ist die Berichtsfrequenz zu wählen und welcher Zeitraum wird ver-glichen? Bei Monatsbetrachtungen kann es vorkommen, dass einzelne große Trans-aktionen aus taktischen Gründen in den nächsten Monat geschoben werden oder Gut- und Lastschriften über Monatsgren-zen verschoben sind und damit das Ergeb-nis verzerren. Bei Quartalsbetrachtungen besteht die Gefahr, dass zu spät reagiert wird. Welche Vergleichsgrößen sind zu wählen? Es existiert eine Vielzahl von Op-tionen: Profit Center, Produkte, Produkt-familien, Anwendungsgebiete, Verkaufs-büros, Bezirksteams, Kundensegmente oder Schlüsselkunden. Alle Vergleiche sind interessant. Zu viele Möglichkeiten jedoch enden in einer unüberschaubaren Datenflut, die den Blick auf das Wesent-liche verstellt. Nach der Wahl der Ver-gleichsgrößen sind die Kennzahlen selbst, wie z. B. Preisveränderungen, Preis-Gaps, Preiskorridore, zu spezifizieren. Vor dem Hintergrund von Produkt- und Kunden-mix-Effekten ist die richtige Balance zwi-schen notwendiger Aggregation und hin-reichender Genauigkeit zu finden.

3.KennzahlendesPreiscontrollings

Kennzahlen im Preiscontrolling dienen sowohl der Kontrolle als auch der Infor-mation für die weitere Planung und Steu-erung von Preisen im Preisprozess. Sie können sich grundsätzlich auf die Abwei-chung zu Planungsgrößen (Soll-Ist-Ver-gleich) oder den Vergleich von Preisreali-sierungen (Deltas) beziehen. Der Vergleich

zu Planungsgrößen setzt die Existenz ei-ner Preisstrategie mit quantitativen und messbaren Preiszielen für Produkte, Kun-den und/oder Regionen voraus. Über den Vergleich von Preisrealisierungen kann die Preisdifferenz zwischen verschiedenen Kunden, Produkten, Regionen oder Ge-schäftsbereichen und die Entwicklung von Preisen im Zeitablauf verfolgt werden. Eine Reihe von Analyseinstrumenten un-terstützt das Preiscontrolling in der Durch-führung dieser Vergleiche.

Im Folgenden wird eine Auswahl von empirisch bewährten Kennzahlen darge-stellt, die in Kombination zur Anwendung kommen:

Die Preis- und Margenveränderung: Die Verfolgung realisierter Preise und Margen im Zeitablauf ist die grundlegendste aller Betrachtungen im Preiscontrolling. Sie dient z. B. der Beantwortung der Frage, wie gut – in Anbetracht gestiegener Kosten – die Durchsetzung von Preiserhöhungen gelungen ist. Vor allem in Situationen ho-her Abhängigkeit von Rohstoffkosten ist die Kontrolle des Margenniveaus wichtiger und entscheidender als die Kontrolle des Preisniveaus. Der Grund dafür ist, dass fehlende, verzögerte oder unterproportio-nale Überführungen von Rohstoffkosten-steigerungen in Preise einen starken un-mittelbaren Einfluss auf die Marge aus-üben und daher genauestens zu beobachten sind. Die Analyse der Entwicklung des durchschnittlichen Nettoerlöses bzw. der durchschnittlichen Marge lässt nur unzu-reichende preispolitische Schlussfolge-rungen zu. Preiserhöhungen und Preissen-kungen kompensieren sich gegenseitig. Zudem bleiben Änderungen in den Erlös-strukturen durch neue Produkte oder neue

Abb. 1 |Preisprozess

Quelle: vgl. Simon/Sebastian/Maessen 2003

Preis-strategie

Preis-setzung

Preis-implemen-tierung

Preis- kontrolle

RÜCKKOPPLUNG Welcher Preise undResultate wurden

erzielt und wie haben sie sich entwickelt?

Page 3: Preiscontrolling als Element des Vertriebscontrollings

62 ZfCM | Controlling & Management Sonderheft 2 | 2009

FELDER DES VERTRIEBSCONTROLLINGS

Kunden unberücksichtigt. Der Effekt von Produktsubstitutionen bei bestehenden Kunden auf den Nettoerlös wird ebenfalls nicht erfasst. Diese Produkt- und Kunden-mix-Effekte beinträchtigen die Aussa-gekraft von Durchschnittserlösen damit beträchtlich. Um „mixbereinigte“ Preisef-fekte zu ermitteln, wurden beispielsweise in einem Unternehmen der Bauchemie mit über 600 Produkten und 1200 Kunden und häufiger Produktsubstitution bei den Kun-den systematisch die Produkt- und Kun-denmix-Effekte herausgefiltert, indem die-jenigen Transaktionen von der Analyse ausgeschlossen wurden, die auf neuen Pro-dukt-Kundenkombinationen basierten (vgl. Abbildung 2). In einem darauf auf-bauenden Kennzahlensystem wurden dann nicht nur Preiseffekte ausgewiesen, sondern auch der Anteil des Umsatzes, bei dem Preise erhöht bzw. Preise gesenkt wurde. Dies erlaubte es, die Preiseffekte auch weitergehend zu qualifizieren. In

einem kurzen Preisreport wurde das Ma-nagement monatlich über diese Effekte informiert (vgl. Abbildung 3). Darüber hinaus wurden bei ausgewählten Schlüs-selkunden und Produktfamilien die kor-respondierenden Mengenentwicklungen gesondert erfasst und berichtet.

Das Preis-Gap: Bei der Betrachtung von Preis-Gaps („Preislücken“) werden Ab-weichungen von Transaktionspreisen zu Ziel- oder Limitpreisen analysiert. Im Fokus des Preiscontrollings stehen die ne-gativen Abweichungen, d. h. diejenigen Fälle, in denen die Transaktionspreise unter dem Ziel- oder Limitpreis liegen (vgl. Abbildung 4). Die Ziel- oder Limit-preise können dabei entweder auf Pro-dukt- oder Produkt-Kunden-Ebene fest-gelegt sein. Die Festlegung findet im Rah-men eines „Price build-up“ im Marketing oder Vertrieb statt (vgl. Maessen 2008). Die Preis-Gap-Analyse gibt Auskunft über die Qualität von Preisrealisierungen.

Unternehmen setzen daher vermehrt Preis-Gaps als Bestandteil der Zielverein-barung mit den Vertriebsmitarbeitern ein, um einen Anreiz zur Verbesserung der Preisqualität zu geben. Aufgrund der im Idealfall produkt-kundenspezifischen For-mulierung der Ziel- bzw. Limitpreise ist eine Aggregation der Preis-Gaps ohne Pro-dukt- und Kundenmix-Effekte möglich.

Die einfachste Form einer Preis-Gap-Analyse liefern Streudiagramme, die Preisrealisierungen der Kundengröße ge-messen in Absatzmengen oder Umsätzen gegenüberstellen. Sie sind bestenfalls als Einstieg in das Preiscontrolling zu nutzen, weil weitere Differenzierungsfaktoren wie z. B. Kundenverhalten, Serviceintensität oder die Wettbewerbssituation unberück-sichtigt bleiben. Das geeignete Instrument zur Abbildung der Preisdifferenzierung über verschiedene Differenzierungsdi-mensionen und der Identifikation und Messung von Preis-Gaps ist der „Price build-up“.

Die Preiskorridorabdeckung: Hat ein Unternehmen einen Preiskorridor mit Li-mit- und Zielpreis als Preisrichtlinie for-muliert, ist es Aufgabe des Preiscontrol-lings, zu prüfen, inwieweit der Korridor in der Preisrealität tatsächlich eingehalten wird. Dazu ist regelmäßig zu verfolgen, wie hoch die Mengen- oder Umsatzanteile unterhalb des Limitpreises, zwischen Limit- und Zielpreis und oberhalb des Zielpreises sind (vgl. Abbildung 5). Fall A in Abbildung 5 zeigt eine sinnvolle Vertei-lung der Transaktionspreise im Korridor. Anders Fall B: Der Großteil der Transak-tionspreise tendiert zum Limitpreis oder ist unterhalb des Limitpreises. Ist der Um-satzanteil unterhalb des Limitpreises oder derjenige oberhalb der Zielpreise dauer-haft zu hoch, ist zu prüfen, ob die Preise des Korridors noch marktgerecht sind oder einer Anpassung bedürfen.

Der Preiswasserfall: Der Preiswasserfall gibt Informationen darüber, wie die Preis-realisierung zustande kommt. Verfolgt man den „Leidensweg des Preises“ vom Listenpreis zum Transaktionspreis syste-matisch, so ergibt sich in der Regel ein Bild, das einem „Wasserfall“ ähnelt. Da-her hat sich für das Konzept der Nachlass- und Konditionenanalyse der Begriff „Preiswasserfall“-Analyse eingebürgert. Die Preiswasserfall-Analyse ermittelt, wel-che Nachlässe in welcher Höhe die Erlöse schmälern und erlaubt ein kontinuierli-ches Verfolgen von Veränderungen. Dies ist insbesondere deshalb unverzichtbar, da

Abb. 2 |Preisveränderung

– Pro Produkt – – Pro Produkt-Kunden-Kombination –

NeueProdukte

Produkt-Preisveränderung

Inter-companybusiness

Relevanter Umsatz für das Preiscontrolling

Relevanter Umsatzfür die

Analyse der Preisver-

änderung

Neue Produkt-Kunden-Kombinationen

Preisverände-rungen bei gleichen Produkt-Kunden-Kombinationen

Inter-companybusiness

Relevanter Umsatzfür das Preiscontrolling

UmsatzproPeriode

Abb. 3 |PreisreportfürdasManagement

Umsatz Abdeckung Preisveränderung

Preiseffekt(ohne Produktmixeffekte) 9,6 Mio. € 94 % 0,9 %

Preiseffekt bei gleichen Produkt- Kunden-KombinationenPreiserhöhungPreissenkungPreisstabilität

8,5 Mio. €4,3 Mio. €1,9 Mio. €2,3 Mio. €

83 % 0,6 % 5,0 %– 7,0 %

GesamtumsatzUmsatz im PreismodellAnalysezeitraum

16,3 Mio. € 10,2 Mio. €Jan. – Sept. 2008

63 %

Page 4: Preiscontrolling als Element des Vertriebscontrollings

FELDER DES VERTRIEBSCONTROLLINGS

ZfCM | Controlling & Management Sonderheft 2 | 2009 63

Nachlässe erfahrungsgemäß über die Zeit ausufern und in Anzahl und Höhe wach-sen. Diese Transparenz über die Nachlass-elemente, die in vielen Unternehmen nicht existiert, zeigt auf, wo Erlösschmälerun-gen reduziert werden müssen (vgl. Sebas-tian/Maessen 2003). Nicht selten bewegen sich Konditionenbudgets im zweistelligen Millionenbereich. Im Fall eines Unterneh-mens der Gebäude- und Installationstech-nik mit 170 Mio. € Nettoumsatz wurden knapp 50 Mio. € an Nachlässen gegeben (ohne Grundrabatt). Abbildung 6 zeigt die Konditionenstruktur. Eine konsequente Anwendung des „Leistung gegen Gegen-leistung“-Prinzips bei den Rabatten und Boni, d. h. kein Preisnachlass ohne ent-sprechende Gegenleistung des Handels in Form von mehr Umsatz, mehr Lagerhal-tung oder Bestellung kompletter Paletten, sowie eine Bereinigung der Sonderboni führten zu einer kurzfristigen Rückfüh-rung der Nachlässe von 2 %.

Neben der Preiswasserfall-Analyse führen separate Preisnachlass-Analysen zu zusätzlichen Erkenntnissen über das Nachlassvergabeverhalten. Erfahrungen zeigen, dass Nachlässe häufig bei runden Zahlen liegen, z. B. 10 %, 15 % oder 25 %. Eine Änderung von Nachlassgrenzen führt in diesem Fall zu zusätzlichen Mar-gen.

Die Preisspreizung und die Preisver-teilung: Die Betrachtung von Preissprei-zungen, gemessen als Preisdifferenz zwischen minimalen und maximalen Preisausprägungen bei einem Produkt, gewinnt insbesondere vor dem Hinter-grund von Gefahren der Preisdiskrimi-nierung und Preiskonflikten im interna-tionalen Preismanagement an Bedeutung. Die Preisverteilung zeigt, welche Preise bei Kunden und von Verkäufern im bes-ten und im schlechtesten Fall gemacht werden (siehe Abbildung 7). Durch den Gruppenvergleich mit den Besten, das so-genannte „Peer Pricing“, und eine Über-tragung von „Best practices“ wird eine Verbesserung der Preisqualität herbei-geführt. Das Preiscontrolling liefert die internen Benchmarks und kontrolliert die Fortschritte.

Wenn die Preisspreizung nicht bereits durch eine Preisdifferenzierung zwischen Kunden und Regionen/Ländern im Rah-men einer systematischen Zielpreisbildung in den Preis-Gaps oder im Preiswasserfall erfasst wird, empfiehlt es sich, diese Kennzahl regelmäßig gesondert zu über-prüfen.

Abb. 4 |Preis-GapimRahmendes„Pricebuild-up“

Basis-preisdes

Haupt-produktes

Produkt-wert

Regio-nale

Differen-zierung

Pro-dukt-preis

Kunden-größe

Kunden-ver-

halten

Sercvice-inten-sität

Preis-Gap

Ziel-preis

Reali-sierterPreis

Abb. 5 |Preiskorridorabdeckung

Fall A Fall B

Zielpreis

Limitpreis

> 100

> 75

> 50

> 25

> 0

> 100

> 75

> 50

> 25

> 0

3 %

10 %

14 %

30 %

18 %

25 %

3 %

3 %

0 %

12 %

32 %

50 %

% Umsatz % Umsatz

Zielpreis

Limitpreis

Abb. 6 |Preiswasserfall

42 %Rabatt

12 – 23 %Bonus

2 %S&D

Brut

to­

liste

npre

is

Gru

ndra

batt

Pale

tten

­ra

batt

Lage

rhal

ter­

raba

tt

Prod

uktli

nien

­ra

batt

Brut

toum

satz

Part

nerb

onus

Um

satz

­bo

nus

Stei

gung

s­bo

nus

Sond

erbo

nus

Net

toum

satz

Skon

to

Del

kred

ere

Net

to­N

etto

­U

msa

tz

Page 5: Preiscontrolling als Element des Vertriebscontrollings

64 ZfCM | Controlling & Management Sonderheft 2 | 2009

FELDER DES VERTRIEBSCONTROLLINGS

Ein Sonder- und besonders schwieriger Bereich des Preiscontrollings befasst sich mit dem Monitoring (nicht Controlling) von Wettbewerbspreisen und dem Preis-premium bzw. -malus. Ein Unternehmen der Baustoffindustrie hat dazu z. B. eigens einen Datenbeschaffungsprozess instal-liert, der jenseits von „anekdotischer Evi-denz“ kontinuierlich und lückenlos Wett-bewerbspreise bei großen Projekten und Schlüsselkunden erfasst und in einem Wettbewerbspreisspiegel zusammenführt. Prozessmanager ist der Preiscontroller. Die Steuerung und Kontrolle eines Preis-premiums bzw. -malus hingegen sind stra-tegischer Natur. Dabei sind Zielabwä-gungen zwischen dem Preisdelta zum Wettbewerb und dem Marktanteil von Marketing und Vertrieb vorzunehmen, nicht vom Controlling.

4.OrganisatorischeVerankerungdesPreiscontrollingsundFunktiondesPreiscontrollers

Das Preiscontrolling gewinnt im Unter-nehmensalltag stark an Bedeutung. Ur-sächlich dafür ist, dass der Preis als wich-tigster Gewinntreiber zunehmend bedroht ist, z. B. durch eine erhöhte Wettbewerbsin-tensität und Preissensitivität in rückläu-figen Märkten oder durch eine erhöhte Einkaufsmacht in sich konsolidierenden Märkten, gleichzeitig aber auch die größ-ten Potenziale birgt. Dabei findet das Preis-controlling umso mehr Beachtung, je stär-

ker die Mitarbeiter im Vertrieb variable Vergütungsbestandteile erhalten, die sich auf Preise, Nachlässe oder Margen bezie-hen. Die Messergebnisse des Preiscontrol-lings haben für sie unmittelbare Auswir-kungen auf ihre Zielvereinbarungen und die Vergütungshöhe.

Organisatorisch ist das Preiscontrol-ling direkt in den Geschäftseinheiten an-gesiedelt, entweder im Controlling, im Marketing, äußerst selten im Vertrieb oder als separate Stabsfunktion, die dem Management der Geschäftseinheit be-richtet. Für den Preiscontroller haben sich in Unternehmen auch Begriffe wie „Price Marshall“ oder „Price Analyst“ eingebür-gert. Die Abgrenzungen zum „Price Ma-nager“ sind fließend. Der „Price Mana-ger“ lenkt und führt den Preisprozess. Seine Funktion ist umfassender als die des Preiscontrollers und zielt auf die Un-terstützung von strategischen und tak-tischen Entscheidungen ab. In Unter-nehmen, in denen bereits „Price Mana-ger“ installiert wurden, übernimmt dieser häufig gleichzeitig die Funktion des Preis-controllers. Die Hauptaufgabe des Preis-controllers ist es, das Preismanagement via Kontrolle und Rückkopplung mit-zusteuern. Im Einzelnen umfasst das fol-gende Aktivitäten:

das Bereitstellen von regelmäßigen Kenn-zahlenberichten (gleichsam dem monat-lichen Berichtswesen), das Unterstützen von Preisverhandlun-gen durch Information (z. B. bei Key Ac-counts),

das Durchführen von Ad-hoc Analysen, z. B. zur Kontrolle von Gutschriften, Einhaltung von Zahlungszielen, Ver-rechnung von Zuschlägen, das Sicherstellen der Datenqualität (un-ter Einsatz von Pricing Tools oder Pri-cing Software), das Beschaffen von internen Informa-tionen aus Logistik bzw. Supply Chain oder Einkauf, die das zeitnahe Ermitteln von Kosten- und Preisdaten ermög-lichen.

Der Preiscontroller steuert ein umfas-sendes Preisinformationssystem, das die beschriebenen Kennzahlen enthält, Schnitt-stellen zu internen Funktionen (in Zeiten hoch volatiler Rohstoffkosten insbesonde-re zum Einkauf) umfasst und immer häu-figer auch Informationen zum Markt und zu Wettbewerbern beinhaltet. Er arbeitet eng mit dem Vertrieb, dem Produkt-management bzw. Marketing und der Geschäftsführung zusammen. Sein Qua-lifikationsprofil umfasst hohe analytische Fähigkeiten, die es ihm ermöglichen, ei-genständig Datenanalysen in Excel und Access durchführen und eine Affinität zur IT, um regelmäßige Datendownloads vor-nehmen zu können. Darüber hinaus ver-fügt er über ein gutes Verständnis der Ge-schäftsprozesse, welches ihm ermöglicht, mit den Beteiligten unmittelbar zu kom-munizieren, sowie die Fähigkeit, die In-formationen – jenseits von Tabellen und Datenfriedhöfen – so aufzubreiten, dass Preisentscheidungen aktiviert, unterstützt und besser durchgeführt werden können.

LiteraturMaessen, A. (2008): Pricing for Profit: How stron-

ger guidance and discipline add to the bottom line, Whitepaper 2008.

Sebastian, K.-H./Maessen, A. (2003): Konditio-nensysteme – Besonderheiten und wie man zu ih-rer Optimierung vorgeht, Whitepaper 2003.

Simon, H./Fassnacht, M. (2009): Preismanage-ment, Wiesbaden 2009.

Simon, H./Sebastian, K.-H./Maessen, A. (2003): Balanceakt Pricing – Zurück zur Marge, in: Absatz-wirtschaft, 2003, Heft 7, S. 22 ff.

1.

2.

3.

4.

Abb. 7 |PreisspreizungundPreisverteilung

Preisehoch

Best practice

Worst practice

Benchmark

Durchschnitts-preis

Untere Grenze

niedrig % Umsatz

DO

I: 10

.136

5/s1

2176

-012

-024

3-7