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PRIMZERLEGUNG IN IMAGIN ¨ AR-QUADRATISCHEN ZAHLRINGEN UND SUMMEN VON ZWEI QUADRATEN Klaus POMMERENING, Mainz Inhaltsverzeichnis 1 Imagin¨ ar-quadratische Zahlringe 2 2 Teilbarkeit 4 2.1 Integrit¨ atsringe .......................... 5 2.2 Euklidische Ringe ......................... 6 2.3 Gr¨ oßte gemeinsame Teiler .................... 7 2.4 Irreduzible Elemente und Primelemente ............. 9 2.5 Primzerlegung in euklidischen Ringen .............. 10 3 Primzerlegung in imagin¨ ar-quadratischen Zahlringen 12 3.1 Normeuklidische Ringe ...................... 12 3.2 Einheiten und Primzahlen in imagin¨ ar-quadratischen Zahlringen 14 3.3 Euklidische imagin¨ ar-quadratische Ringe ............ 15 3.4 Gaußsche Primzahlen ....................... 16 3.5 Summen von zwei Quadraten .................. 18

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PRIMZERLEGUNG IN

IMAGINAR-QUADRATISCHEN

ZAHLRINGEN UND SUMMEN

VON ZWEI QUADRATEN

Klaus POMMERENING, Mainz

Inhaltsverzeichnis

1 Imaginar-quadratische Zahlringe 2

2 Teilbarkeit 4

2.1 Integritatsringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2.2 Euklidische Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.3 Großte gemeinsame Teiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2.4 Irreduzible Elemente und Primelemente . . . . . . . . . . . . . 9

2.5 Primzerlegung in euklidischen Ringen . . . . . . . . . . . . . . 10

3 Primzerlegung in imaginar-quadratischen Zahlringen 12

3.1 Normeuklidische Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

3.2 Einheiten und Primzahlen in imaginar-quadratischen Zahlringen 14

3.3 Euklidische imaginar-quadratische Ringe . . . . . . . . . . . . 15

3.4 Gaußsche Primzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

3.5 Summen von zwei Quadraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

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Zusammenfassung

Die zahlentheoretische Frage, welche ganzen Zahlen man als Sum-

me von zwei Quadraten darstellen kann, laßt sich am elegantesten

durch einen Ausflug in die komplexen Zahlen beantworten. Man ver-

wendet dazu die ganzen Gaußschen Zahlen, eine ”komplexe“ Verallge-

meinerung der gewohnlichen ganzen Zahlen. Der theoretische Hinter-

grund handelt von imaginar-quadratischen Zahlringen, ihren Einhei-

ten und Primelementen. Als Nebenprodukt fallt eine Charakterisie-

rung derjenigen imaginar-quadratischen Ringe ab, in denen stets eine

Primfaktorzerlegung moglich ist.

Einleitung

Von den naturlichen Zahlen lassen sich einige als Summe von zwei Qua-

draten ganzer Zahlen schreiben:

1 = 12 + 02, 2 = 12 + 12, 4 = 22 + 02, 5 = 22 + 12, 8 = 22 + 22, . . . ,

andere dagegen nicht: 3, 6, 7, . . .. In vielen Fallen sieht man das mit einer

ganz elementaren Beobachtung:

Hilfssatz 1 Sei n ∈ N Summe von zwei Quadraten. Dann ist n ≡ 0, 1 oder

2 (mod 4).

Beweis. Jedes Quadrat ist ≡ 0 oder 1 (mod 4). ♦

Korollar 1 Ist n ∈ N, n ≡ 3 (mod 4), so ist n nicht Summe von zwei

Quadraten.

Eine allgemeine Charakterisierung der Zahlen mit einer Darstellung als

Summe zweier Quadrate ist mit etwas Geduld zu finden, aber nicht leicht zu

beweisen.

1

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Ein sehr eleganter Zugang zu diesem Problem geht uber eine Erweiterung

der Zahlentheorie auf komplexe Zahlen. Gegenstand dieser Erweiterung sind

die Ringe

Z[√

d ] = {a + b√

d | a, b ∈ Z} mit d ∈ Z;

dabei kann man o.B.d.A. annehmen, daß d kein Quadrat ist, weil sonst der tri-

viale Fall Z[√

d ] = Z eintritt. Viele Zahlentheorie- oder Algebra-Lehrbucher

enthalten einen Beweis, daß Z[i] (das ist der Fall d = −1) euklidisch, also

erst recht faktoriell ist. Außerdem erscheinen oft Z[√−5 ] oder Z[

√10 ] als

Beispiele fur Ringe ohne Primzerlegung.

Die Ringe Z[√

d ] mit d < 0, also die imaginar-quadratischen Zahlrin-

ge unter ihnen, sollen im folgenden so weit systematisch behandelt werden,

wie das mit ganz elementaren Methoden moglich ist. Dabei ergibt sich eine

vollstandige Bestimmung, welche dieser Ringe euklidisch oder faktoriell sind.

Wir wollen uns hier nicht darum kummern, warum Algebraiker oder Zahlen-

theoretiker einwenden, daß Z[√

d ] oft gar nicht der”richtige“ quadratische

Zahlring ist, den man untersuchen sollte. (Die”richtigen“ Ringe in diesem

Sinne sind die ganzen Abschlusse in ihrem Quotientenkorper.) Von besonde-

rer Bedeutung, auch fur die angewandte Mathematik, ist der Ring Z[i] der

”ganzen Gaußschen Zahlen“.

Elementare Kenntnisse uber Kongruenzen werden vorausgesetzt. Im An-

hang wird angegeben, was von den folgenden Ausfuhrungen fur die Quadrat-

summen-Zerlegung wirklich gebraucht wird.

1 Imaginar-quadratische Zahlringe

Sei d ∈ Z, d < 0. Die Wurzel√

d sei stets als√

d = i ·√|d|, gewahlt, also

mit positivem Imaginarteil. Die Menge

Q(√

d ) = {a + b√

d | a, b ∈ Q}

2

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ist ein Korper, und zwar ein Teilkorper des Korpers C der komplexen Zahlen;

das rechnet jeder ohne Probleme nach, wenn er daran denkt, daß

1

a + b√

d=

a− b√

d

a2 − db2,

falls a + b√

d 6= 0. Die Darstellung a + b√

d der Elemente von Q(√

d ) ist

eindeutig (anders ausgedruckt: 1 und√

d sind uber Q linear unabhangig):

Ist a′ + b′√

d = a′′ + b′′√

d, so a + b√

d = 0 mit a = a′ − a′′, b = b′ − b′′, also

a2 = db2. Da d < 0, geht das nur, wenn a = b = 0, also a′ = a′′ und b′ = b′′.

Die Formeln fur die Addition und Multiplikation in Q(√

d ) (sie stecken

in der eben erwahnten Rechnung”ohne Probleme“) zeigen, daß Z[

√d ] ein

Unterring von Q(√

d ) ist. Außerdem ist Z[√

d ] ein Rechtecksgitter in der

komplexen Ebene, siehe Abbildung 1.

0 0 0

ii√2

i√3

d = -1 d = -2 d = -3

Abbildung 1: Imaginar-quadratische Zahlringe als Gitter

Ein wichtiges Hilfsmittel sind die folgenden beiden Funktionen:

a) Die Konjugationsabbildung Q(√

d ) −→ Q(√

d ), z 7→ z; fur z = a+b√

d

mit a, b ∈ Q ist z = a− b√

d.

b) Die Norm N : Q(√

d ) −→ Q, N(a + b√

d) = a2 − db2, wenn a, b ∈ Q.

Bemerkung. Da d < 0, ist z 7→ z die gewohnliche komplexe Konjugation,

und N(z) = |z|2 mit dem gewohnlichen Betrag auf C. Fur z, w ∈ Q(√

d ) gilt

3

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insbesondere: zw = zw, N(z) = zz, N(zw) = N(z)N(w) (”Multiplikativitat

der Norm“), N(z) = 0 ⇐⇒ z = 0.

Die Frage, ob eine naturliche Zahl n als Summe von zwei Quadraten

ganzer Zahlen darstellbar ist, kann man mit Hilfe des Falls d = −1, also des

Ringes Z[i] der ganzen Gaußschen Zahlen, nun so ausdrucken:

Satz 1 Eine naturliche Zahl ist genau dann Summe von zwei Quadraten,

wenn sie als Norm einer ganzen Gaußschen Zahl auftritt.

Eine analoge Bemerkung gilt naturlich allgemeiner fur die Darstellung

n = x2 − dy2 mit d < 0 und den Ring Z[√

d ]. Da die Norm multiplikativ ist,

folgt sofort:

Korollar 2 Sind m und n ∈ N jeweils als Summe zweier Quadrate darstell-

bar, so auch ihr Produkt m · n.

Das kann man auch schnell, aber weniger einleuchtend, direkt sehen; die

explizite Formel ist namlich

(a2 + b2)(c2 + d2) = (ac + bd)2 + (ad− bc)2.

2 Teilbarkeit

Die weitere Untersuchung, welche naturlichen Zahlen sich als Summen

von zwei Quadraten schreiben lassen, hangt mit der Teilbarkeitslehre im

Ring der ganzen Gaußschen Zahlen zusammen. In diesem Abschnitt wird

Teilbarkeit im allgemeinen Rahmen der Ringtheorie behandelt, und es werden

euklidische und faktorielle Ringe eingefuhrt.

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2.1 Integritatsringe

Ein Integritatsring ist ein kommutativer Ring R mit 1 ohne Nullteiler;

dabei ist 1 6= 0 verlangt. Genauer: Auf der Menge R sind zwei zweistellige

Verknupfungen

+, · : R×R −→ R

gegeben mit den Eigenschaften:

a) Assoziativitat: a + (b + c) = (a + b) + c und a · (b · c) = (a · b) · c fur alle

a, b, c ∈ R.

b) Kommutativitat: a + b = b + a und a · b = b · a fur alle a, b,∈ R.

c) Distributivitat: a · (b + c) = a · b + a · c fur alle a, b, c ∈ R.

d) Nullelement: Es gibt 0 ∈ R mit a + 0 = a fur alle a ∈ R.

e) additives Inverses: Zu jedem a ∈ R gibt es ein b ∈ R mit a + b = 0.

f) Einselement: Es gibt 1 ∈ R \ {0} mit a · 1 = a fur alle a ∈ R \ {0}.

g) Nullteilerfreiheit: Ist a · b = 0 fur a, b ∈ R, so a = 0 oder b = 0.

Elementare Folgerungen aus dieser Definition werde ich ohne viel Aufhe-

bens benutzen; hier einige Beispiele:

1.) Das additive Inverse zu a ∈ R ist eindeutig bestimmt und wird mit

−a bezeichnet; a− b wird als a + (−b) definiert.

2.) Null- und Einselement sind eindeutig bestimmt; es gilt 0 · a = 0 fur

alle a ∈ R.

3.) Kurzungsregel: Ist a · c = b · c fur a, b ∈ R und c ∈ R \ {0}, so a = b.

Der Punkt fur die Multiplikation wird oft weggelassen, also ab := a · b.

Die Definition fur Teiler liegt nahe:

b|a :⇐⇒ es gibt ein c ∈ R mit a = bc.

Teiler von 1 heißen Einheiten; dies sind genau die Elemente von R, die

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ein multiplikatives Inverses besitzen. Die Menge der Einheiten wird mit R×

bezeichnet und bildet eine Gruppe.

Ein Korper K ist ein Integritatsring mit K× = K \ {0}, mit anderen

Worten ein Integritatsring, in dem jedes Element 6= 0 ein multiplikatives

Inverses besitzt. (Dieses ist dann wieder eindeutig bestimmt.)

2.2 Euklidische Ringe

Definition. (i) Eine euklidische Norm auf einem Integritatsring R ist eine

Funktion

ϕ : R −→ N0 ∪ {−∞}

mit den Eigenschaften: Fur beliebige a ∈ R, b ∈ R \ {0}

(EN 1) gilt ϕ(ab) ≥ ϕ(a) (”schwache Multiplikativitat“),

(EN 2) gibt es ein q ∈ R mit ϕ(a− qb) < ϕ(b) (”Division mit Rest“).

(ii) Ein euklidischer Ring ist ein Integritatsring, der mindestens eine

euklidische Norm besitzt.

Beispiele.

1. R = Z, ϕ(a) = |a|.

2. R = K[X], der Polynomring uber dem Korper K, mit ϕ(f) = Grad f

(wobei Grad 0 = −∞ vereinbart wird).

3. Der triviale euklidische Ring: R = K ein Korper, ϕ(0) = −∞, ϕ(a) = 0

fur a ∈ K×.

Die Divisionsmoglichkeit in den ersten beiden Ringen wurde durch (EN

2) abstrakt gefaßt: Zu allen a, b ∈ R, b 6= 0, finden sich ein”Quotient“ q und

ein”Rest“ r mit a = qb + r, so daß der Rest r eine echt kleinere Norm hat:

ϕ(r) < ϕ(b).

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Weitere wichtige Beispiele fur euklidische Ringe werden wir bald kennen-

lernen. In der Regel gibt es auf einem Integritatsring keine euklidische Norm;

wir werden noch sehen, wie man dies (oft) beweisen kann, und auch viele

Beispiele dafur finden.

Hier noch ein paar einfache Aussagen uber die euklidische Norm:

Hilfssatz 2 Sei ϕ : R −→ N0 ∪ {−∞} eine euklidische Norm. Dann gilt:

(i) Fur b ∈ R, b 6= 0, ist ϕ(b) > ϕ(0); d. h., 0 ist eindeutige Minimalstelle.

(ii) Ist b ∈ R und ϕ(b) > ϕ(0) minimal, so ist b ∈ R× (d. h. Einheit).

(iii) Ist a|b, b/|a, b 6= 0 (d. h., a echter Teiler von b), so ϕ(a) < ϕ(b).

Beweis. (i) Sei o.B.d.A. b ∈ R\{0}mit minimalem ϕ(b) gewahlt. Die Division

von 0 durch b gibt 0 = qb + r mit ϕ(r) < ϕ(b). Da ϕ(b) minimal war, bleibt

nur r = 0 ubrig, also ϕ(0) < ϕ(b).

(ii) Die Division 1 = qb+r ergibt ϕ(r) < ϕ(b), also r = 0, 1 = qb, b ∈ R×.

(iii) Sei a = qb + r mit ϕ(r) < ϕ(b). Da b/|a, ist r 6= 0. Da b = ac mit

c ∈ R, c 6= 0, c /∈ R×, folgt r = a − qb = a(1 − qc) mit 1 − qc 6= 0, also

ϕ(r) ≥ ϕ(a) und erst recht ϕ(b) > ϕ(a). ♦

Beispiele. Der Leser sollte sich die Aussagen des Hilfssatzes an den Beispie-

len R = Z und R = K[X] verdeutlichen.

2.3 Großte gemeinsame Teiler

In einem euklidischen Ring funktioniert die Teilbarkeitslehre in vielen

wesentlichen Punkten genauso, wie man es vom Ring Z der ganzen Zah-

len gewohnt ist. Bei der Definition des großten gemeinsamen Teilers ist es

allerdings sinnvoll, auf die Eindeutigkeit zu verzichten:

Definition. Sei R ein Integritatsring, a, b ∈ R. Dann heißt d ∈ R ein

großter gemeinsamer Teiler von a und b, wenn

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(G 1) d|a, d|b,

(G 2) ist c ∈ R ein Teiler von a und b, so c|d.

Wie vieldeutig ist diese Definition? Sind d und d′ große gemeinsame Teiler

von a und b, so d|d′ und d′|d, also d′ = cd und d = c′d′ mit c, c′ ∈ R. Es folgt

d = c′d′ = c′cd. Wir mussen zwei Falle unterscheiden:

1.) d = 0. Dann folgt a = b = 0, d′ = d, und d ist eindeutig bestimmt.

2.) d 6= 0. Dann ergibt die Kurzungsregel c′c = 1, c Einheit.

Hilfssatz 3 Zwei großte gemeinsame Teiler gehen stets durch Multiplikation

mit einer Einheit auseinander hervor.

Der Begriff des Integritatsrings ist so allgemein gefaßt, daß es langst nicht

immer großte gemeinsame Teiler gibt. Jedoch:

Satz 2 Sei R ein euklidischer Ring. Dann gibt es zu je zwei Elementen

a, b ∈ R stets einen großten gemeinsamen Teiler. Jeder solche ist Linear-

kombination von a und b.

Beweis. Sei M = Ra + Rb = {xa + yb | x, y ∈ R} die Menge aller Linearkom-

binationen von a und b. Sei d ∈ M mit minimalem ϕ(d) > ϕ(0) gewahlt. Fur

u ∈ M wird dividiert: u = qd + r mit ϕ(r) < ϕ(d). Es ist r = u − qd ∈ M ,

und wegen der Minimalitat folgt r = 0. Also u ∈ Rd, und M = Rd. Insbeson-

dere sind a und b ∈ Rd, also Vielfache von d. Also ist d gemeinsamer Teiler,

und d = xa + yb mit x, y ∈ R. Wegen dieser Linearkombination muß jeder

gemeinsame Teiler von a und b auch d teilen. Also ist d großter gemeinsamer

Teiler. Ist d′ ein anderer, so d′ = cd = cxa + cyb mit c ∈ R×. ♦

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2.4 Irreduzible Elemente und Primelemente

Das nachste Thema ist die Primzerlegung, analog zur Zerlegung von gan-

zen Zahlen in Produkte von Primzahlen. Primzahlen haben verschiedene Ei-

genschaften, aus denen man im allgemeinen Rahmen abstrakte Definitionen

machen kann:

Definition. Sei R ein Integritatsring und p ∈ R. Dann heißt p

(i) irreduzibel, wenn aus p = ab mit a, b ∈ R stets folgt, daß a oder b

Einheit ist,

(ii) prim oder Primelement, wenn aus p|ab mit a, b ∈ R stets folgt, daß

p|a oder p|b,

und wenn p 6= 0 und keine Einheit ist.

Beispiel. Ist R = Z, so sind die irreduziblen Elemente und die Primelemente

genau die Zahlen ±p mit einer Primzahl p.

Das Gegenteil von irreduzibel ist reduzibel.

Hilfssatz 4 Sei R ein Integritatsring.

(i) Sei p ∈ R prim. Dann ist p irreduzibel.

(ii) Seien p1, . . . , pm ∈ R prim, a = p1 · · · pm. Sei außerdem a = q1 · · · qn

mit irreduziblen q1, . . . , qn ∈ R. Dann ist n = m und bei geeigneter Numerie-

rung qi = cipi mit ci ∈ R×. (”Primzerlegungen sind eindeutig.“)

Beweis. (i) Sei p = ab. Dann ist p|ab, also etwa p|a, a = pc, p = pcb, cb = 1,

b Einheit.

(ii) Induktion uber m: Es gilt p1|q1 · · · qn. Die Definition von”prim“

(durch Induktion erweitert) ergibt, daß p1 einen Faktor teilen muß, also etwa

(bei geeigneter Numerierung) p1|q1, q1 = c1p1. Da q1 irreduzibel ist, muß c1

Einheit sein. Abdividieren eines Faktors ergibt p2 · · · pm = c1q2 · · · qn. Falls

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m = 1, folgt c1q2 · · · qn = 1, also notwendig n = 1. Sonst wird auf das restliche

Produkt die Induktionsannahme angewendet. ♦

Beispiele fur den Unterschied zwischen”prim“ und

”irreduzibel“ werden

wir noch kennenlernen. Im Moment wird jedoch bewiesen:

Satz 3 Sei R ein euklidischer Ring und p ∈ R. Genau dann ist p prim, wenn

es irreduzibel ist.

Beweis.”prim =⇒ irreduzibel“ gilt nach Hilfssatz 4 allgemein. Fur die Um-

kehrung sei nun p ∈ R irreduzibel, und sei p|ab mit a, b ∈ R. Sei o.B.d.A. p/|a

(sonst sind wir fertig); zu zeigen ist p|b. Daß p irreduzibel ist, bedeutet, daß

alle Teiler die Gestalt c ∈ R× oder cp mit c ∈ R× haben. Fur einen großten

gemeinsamen Teiler von p und a bleiben da nur die Einheiten ubrig. Nach

Satz 2 gibt es also x, y ∈ R mit 1 = ax + py. Daraus folgt b = abx + pby; da

p|ab, folgt p|(abx + pby) = b. ♦

Dieser Satz ist im Fall R = Z ein Spezialfall des bekannten”Lemmas von

Euklid“.

2.5 Primzerlegung in euklidischen Ringen

Satz 4 Sei R ein euklidischer Ring und a ∈ R; a sei nicht 0 und keine

Einheit. Dann gibt es Primelemente p1, . . . , pm ∈ R mit

a = p1 · · · pm.

Bemerkung. Die Eindeutigkeit der Zerlegung folgt aus Hilfssatz 4.

Beweis. Wegen Satz 3 ist nur zu zeigen, daß a sich in irreduzible Elemente

zerlegen laßt. Der Beweis wird indirekt gefuhrt. Falls es Elemente a gibt, die

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eine solche Zerlegung nicht haben, gibt es auch eines, das unter diesen einen

minimalen Wert ϕ(a) hat. Irreduzibel kann dieses a nicht sein, sonst hatten

wir eine Zerlegung mit m = 1. Also ist a = b · c mit echten Teilern b und c,

also ϕ(b), ϕ(c) < ϕ(a). Wegen der Minimalitat von ϕ(a) gibt es Zerlegungen

b = p1 · · · pk und c = q1 · · · ql mit irreduziblen pi, qj, und a hat doch die

Zerlegung a = p1 · · · pkq1 · · · ql in irreduzible Elemente. ♦

Beispiele.

1. Fur R = Z haben wir die gewohliche Primzahl-Zerlegung, wobei ein

eventuelles negatives Vorzeichen einer der Primzahlen zugeschlagen

wird.

2. Fur R = K[X] haben wir also auch eine Zerlegung in Primelemente.

Wie sehen diese aus? Die Antwort hangt davon ab, welcher Korper K

ist. In jedem Fall sind lineare Polynome aX +b mit a ∈ K× irreduzibel,

also prim. Ist K = C, so sind alle irreduziblen Polynome linear. Das

folgt aus dem Fundamentalsatz der Algebra. Jedes Polynom ist also in

ein Produkt von Linearfaktoren aufspaltbar. Ist K = Q, so ist keine

vollstandige Aufzahlung aller irreduziblen Polynome bekannt. Beispiele

sind X2 − 2, X2 + 1 (Beweis leicht), Xp−1 + · · · + X + 1 mit p prim

(Beweis nicht ganz einfach).

Definition. Ein faktorieller Ring (oder ZPE-Ring – fur”Zerlegung in Prim-

elemente“) ist ein Integritatsring, in dem sich jedes Element a ∈ R\(R×∪{0})

als Produkt von Primelementen schreiben laßt.

Insbesondere ist in einem faktoriellen Ring jedes irreduzible Element

prim. Satz 4 laßt sich nun auch so formulieren:

Korollar 3 Jeder euklidische Ring ist faktoriell.

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3 Primzerlegung in imaginar-quadratischen

Zahlringen

Wie lassen sich diese allgemeinen Konzepte auf imaginar-quadratische

Zahlringe anwenden?

3.1 Normeuklidische Ringe

Wir wollen zunachst ganz direkt untersuchen, ob die Norm N auf dem

imaginar-quadratischen Zahlring Z[√

d ] eine euklidische Norm ist.

Satz 5 Sei d ∈ Z, d < 0. Dann sind aquivalent:

(i) N ist eine euklidische Norm auf Z[√

d ].

(ii) Fur jedes z ∈ Q(√

d ) gibt es ein q ∈ Z[√

d ] mit N(z − q) < 1.

Beweis.”(ii) =⇒ (i)“: Seien z, w ∈ Z[

√d ], w 6= 0. Dann ist N(w) 6= 0, also

N(zw) = N(z)N(w) ≥ N(z), also (EN 1) erfullt.

Sei nun q ∈ Z[√

d ] mit N( zw− q) < 1 gewahlt. Dann ist

N(z − qw) = N(w) ·N(z

w− q) < N(w).

”(i) =⇒ (ii)“: Sei z = x

ymit x, y ∈ Z[

√d ], y 6= 0; man kann fur z =

a + b√

d mit a, b ∈ Q etwa einen Hauptnenner y ∈ N mit ya, yb ∈ Z wahlen.

Wahlt man nun nach (EN 2) ein q ∈ Z[√

d ] mit N(x − qy) < N(y), so ist

N(y) ·N(z − q) = N(x− qy) < N(y), also N(z − q) < 1. ♦

Dieses Kriterium laßt sich sehr einfach geometrisch deuten: Da N(z − q)

der Betrag der komplexen Zahl z − q zum Quadrat ist, ist bei festem q die

Menge der z mit N(z − q) < 1 der offene Kreis um q mit Radius 1. Die Be-

dingung (ii) in Satz 5 besagt also: Legt man um jedes q ∈ Z[√

d ] den offenen

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Kreis vom Radius 1, so uberdecken diese Kreise die ganze Ebene. Da die Fi-

gur sich sowohl waagerecht als auch senkrecht periodisch wiederholt, reicht es

statt dessen zu sagen: Die offenen Kreise um 0, 1,√

d und 1+√

d vom Radius

1 uberdecken das ganze (in Abbildung 1 getonte)”Fundamentalrechteck“

{ξ + iη | 0 ≤ ξ ≤ 1, 0 ≤ η ≤√

d}.

Korollar 4 Genau dann ist N eine euklidische Norm auf Z[√

d ], wenn die

offenen Kreise vom Radius 1 um die komplexen Zahlen 0, 1,√

d und 1 +√

d

das Fundamentalrechteck uberdecken.

Man sieht sofort, daß dies fur d = −1,−2 erfullt ist, fur d = −3 dagegen

nicht, und erst recht nicht fur d < −3, siehe Abbildung 2.

0

i

1 0 1 0 1

i√2

i√3

1 + i√3 2

Abbildung 2: Das geometrische Kriterium fur Norm-Euklidizitat

Der Fall d = −3 ist optisch nicht leicht zu erkennen. Rechnet man aber

die Entfernung des Mittelpunkts des Fundamentalrechtecks, 12

+ i2

√3, von 0

aus, erhalt man 1; wegen der Symmetrie ist die Entfernung zu den anderen

Ecken auch 1. Der Mittelpunkt wird also von der Uberdeckung ausgelassen.

Allgemein ist die Bedingung in Korollar 4 aquivalent zu∣∣∣∣∣1 + i√

d

2

∣∣∣∣∣ < 1.

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Definition. Der imaginar-quadratische Zahlring Z[√

d ] (d < 0) heißt Norm-

euklidisch, wenn seine Norm N eine euklidische Norm ist.

Korollar 5 Der imaginar-quadratische Zahlring Z[√

d ] (d < 0) ist genau

dann Norm-euklidisch, wenn d = −1 oder −2.

3.2 Einheiten und Primzahlen in imaginar-quadrati-

schen Zahlringen

Hilfssatz 5 Sei d ∈ Z, d < 0. Dann gilt:

(i) Ein Element z ∈ Z[√

d ] ist genau dann Einheit, wenn N(z) = 1.

(ii) Ist N(q) = p fur q ∈ Z[√

d ] mit einer Primzahl p ∈ Z, so ist q in

Z[√

d ] irreduzibel.

(iii) Sei p ∈ Z eine Primzahl. Dann ist p in Z[√

d ] genau dann reduzibel,

wenn es ein z ∈ Z[√

d ] gibt mit N(z) = p.

Beweis. (i) Ist zw = 1, so N(z)N(w) = 1, also N(z) = N(w) = 1. Ist

umgekehrt N(z) = 1, so zz = 1, also z Einheit.

(ii) Zunachst ist q weder 0 noch eine Einheit. Sei nun q = wz mit w, z ∈

Z[√

d ]. Dann ist p = N(q) = N(w)N(z), also N(w) = 1 oder N(z) = 1, also

w oder z Einheit.

(iii) Sei p reduzibel, p = zw mit z, w ∈ Z[√

d ], beide 6= 0 und keine

Einheiten. Dann ist p2 = N(p) = N(z)N(w); da N(z), N(w) 6= 1, bleibt nur

die Moglichkeit N(z) = N(w) = p.

Sei umgekehrt z ∈ Z[√

d ] mit N(z) = p gegeben. Dann ist zz = p, und

z, z sind weder 0 noch Einheiten. Also ist p reduzibel. ♦

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Beispiel. Die Einheiten in Z[i] sind die Elemente z = x+ iy mit x2 +y2 = 1.

Diese Gleichung ist nur mit x = ±1, y = 0 oder x = 0, y = ±1 erfullbar.

Also ist Z[i]× = {±1,±i}.

Hilfssatz 6 Sei d ∈ Z, d < 0. Dann ist 2 in Z[√

d ] nicht prim.

Beweis. Es gilt2|d =√

d ·√

d, wenn d gerade,

2|d− 1 = (1 +√

d)(−1 +√

d), wenn d ungerade,

aber 2 teilt keinen der Faktoren. Denn 2|a + b√

d ⇐⇒ 2|a, b in Z. ♦

Satz 6 Sei d ∈ Z, d < 0. Es gelte eine der folgenden Bedingungen:

(i) Die Gleichung a2 − db2 = 2 hat keine Losung a, b ∈ Z.

(ii) 2 ist in Z[√

d ] irreduzibel.

Dann ist Z[√

d ] nicht faktoriell.

Beweis.”(i) =⇒ (ii)“ folgt aus Hilfssatz 5(iii).

”(ii) =⇒ Behauptung“ folgt aus Hilfssatz 6, da 2 dann irreduzibel, aber

nicht prim ist. ♦

Korollar 6 Fur d ≤ −3 ist Z[√

d ] nicht faktoriell.

Beweis. a2 − db2 = 2 ist unmoglich: Fur |b| ≥ 1 ist a2 − db2 ≥ −d ≥ 3; fur

b = 0 ist a2 − db2 = a2 6= 2. ♦

3.3 Euklidische imaginar-quadratische Ringe

Fur d ≤ −3 ist Z[√

d ] also nicht Norm-euklidisch, siehe Korollar 5, nicht

einmal faktoriell, siehe Korollar 6. Ein solcher Ring kann also auch nicht auf

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andere Weise euklidisch sein. Die Ergebnisse uber Euklidizitat und Primzer-

legung in imaginar-quadratischen Zahlringen sagen also zusammengefaßt:

Hauptsatz 1 Sei d ∈ Z, d < 0. Dann sind folgende Aussagen aquivalent:

(i) Der Ring Z[√

d ] ist Norm-euklidisch.

(ii) Der Ring Z[√

d ] ist euklidisch.

(iii) Der Ring Z[√

d ] ist faktoriell.

(iv) d = −1 oder −2.

3.4 Gaußsche Primzahlen

Im Ring Z[i] der ganzen Gaußschen Zahlen ist 2 nicht prim nach Hilfs-

satz 6; wir kennen sogar die Zerlegung 2 = (1+i)(1−i). Da N(1±i) = 2, sind

1 ± i in Z[i] nach Hilfssatz 5 (iii) irreduzibel. Trivialerweise ist 2 = 1 + 1 =

N(1 + i) auch Summe von zwei Quadraten.

Satz 7 Ist p ≡ 3 (mod 4) eine Primzahl in Z, so ist p in Z[i] irreduzibel,

also prim.

Beweis. Das folgt aus dem Korollar 1 zusammen mit Hilfssatz 5 (iii). ♦

Etwas schwieriger ist der ubrige Fall p ≡ 1 (mod 4) zu behandeln.

Zunachst einige Vorbereitungen.

Hilfssatz 7 [Wilson/Lagrange] Fur jede Primzahl p ∈ Z gilt (p− 1)! ≡

−1 (mod p).

Beweis. Sei o.B.d.A. p ≥ 5. Zu jedem x ∈ {1, . . . , p − 1} gibt es ein x′ ∈

{1, . . . , p− 1} mit xx′ ≡ 1 (mod p). Dabei ist x = x′ ⇐⇒ x2 ≡ 1 ⇐⇒ x = 1

oder p − 1. Die Zahlen 2, . . . , p − 2 zerfallen also in p−32

solche Paare x, x′.

Daher ist 2 · 3 · · · (p− 2) ≡ 1, und (p− 1)! ≡ 1 · (p− 1) ≡ −1. ♦

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Hilfssatz 8 Ist p ∈ N prim, p ≥ 3. Dann sind aquivalent:

(i) p ≡ 1 (mod 4)

(ii) Es gibt ein x ∈ Z mit x2 ≡ −1 (mod p).

Beweis.”(i) =⇒ (ii)“: Sei p = 2m + 1, m gerade. Dann ist p − 1 ≡ −1,

p− 2 ≡ −2, . . ., m + 1 ≡ −m (mod p). Daraus folgt mit Hilfssatz 7

−1 ≡ (p− 1)! ≡ 1 · 2 · · ·m · (−m) · · · · (−2) · (−1) ≡ [1 · 2 · · ·m]2.

Also ist x = m! die Losung.

”(ii) =⇒ (i)“: Ist −1 ≡ x2, so nach dem Satz von Fermat

(−1)p−1/2 ≡ xp−1 ≡ 1 (mod p).

Also ist p−12

gerade. ♦

Satz 8 Sei p ∈ N eine Primzahl mit p ≡ 1 (mod 4). Dann ist p in Z[i] nicht

prim, sondern das Produkt p = qq zweier Primelemente q, q ∈ Z[i], die sich

nicht nur um eine Einheit unterscheiden.

Beweis. Nach Hilfssatz 8 ist −1 ein Quadrat mod p, also gibt es ein x ∈ Z

mit 1 ≤ x ≤ p− 1 und

p|x2 + 1 = (x + i)(x− i).

Da x in Z nicht durch p teilbar ist, ist x ± i in Z[i] nicht durch p teilbar.

Also ist p in Z[i] nicht prim. Nach Hilfssatz 5 (iii) ist p = N(q) = qq fur ein

q ∈ Z[i]; nach Hilfssatz 5 (ii) sind q und q prim.

Ferner unterscheiden sich q und q nicht nur um eine Einheit; alle Einheiten

sind ja ±1 und ±i. Setzt man namlich q = x+ iy mit x, y ∈ Z und q = cq mit

einer Einheit c an, so gelangt man jeweils zu einer der Bedingungen x = 0,

y = 0 oder x = y; diese konnen aber alle nicht erfullt sein, sonst ware p = y2

oder p = x2 oder p = 2x2. ♦

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Korollar 7 [Girard/Fermat/Euler] Jede Primzahl p ∈ N mit p ≡ 1

(mod 4) ist als Summe von zwei Quadraten darstellbar.

Gibt es noch andere Primelemente in Z[i]? Sei q ein solches, und N(q) =

p1 · · · pr die Primzerlegung in Z. Dann hat N(q) = qq auch in Z[i] mindestens

r Primfaktoren. Also ist r ≤ 2. Ist r = 1, so ist p = N(q) prim in Z, aber

nicht in Z[i], also p = 2 oder p ≡ 1 (mod 4). Ist r = 2, so ist qq = p1p2, und

p1, p2 sind auch in Z[i] prim. Also ist q = cpν mit einer Einheit c und ν = 1

oder 2.

Es gibt also keine weiteren Primelemente in Z[i]:

Hauptsatz 2 Die Primelemente von Z[i] sind genau die folgenden:

(i) 1 + i.

(ii) Die Primzahlen p ≡ 3 (mod 4).

(iii) Zu jeder Primzahl p ≡ 1 (mod 4) ein Paar q, q mit p = qq.

Dazu kommen alle Zahlen, die daraus durch Multiplikation mit −1, i oder

−i entstehen.

Eine bildliche Vorstellung von der Menge der”Gaußschen Primzahlen“

gibt Abbildung 3, die in erweiterter Form als Titelbild dieser Tagung ver-

wendet wurde.

3.5 Summen von zwei Quadraten

Die Ergebnisse uber die Darstellung von naturlichen Zahlen als Summe

von zwei Quadraten werden wie folgt zusammengefaßt:

Hauptsatz 3 Sei n ∈ N, n = r2 · s mit quadratfreiem s. Genau dann hat n

eine Darstellung als Summe von zwei Quadraten, wenn s keinen Primfaktor

p ≡ 3 (mod 4) enthalt.

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Abbildung 3: Die Gaußschen Primzahlen

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Beweis. Daß jede solche Zahl Summe von zwei Quadraten ist, ist einfach:

s ist es, weil alle seine Primfaktoren es sind, und ist s = x2 + y2, so n =

(rx)2 + (ry)2.

Sei umgekehrt n = x2 + y2 Summe zweier Quadrate. Sei o.B.d.A. s > 1.

Sei p ein ungerader Primteiler von s. Sei d der großte gemeinsame Teiler von x

und y, und x = du, y = dv mit teilerfremden u, v. Es folgt d2 ·(u2+v2) = r2 ·s,

also, weil s quadratfrei ist, d2|r2, und p|s|u2+v2. Da u und v teilerfremd sind,

konnen sie nicht beide Vielfache von p sein. Sei also etwa p/|u. Sei ut ≡ 1

(mod p). Aus u2 + v2 ≡ 0 folgt dann 1 + (tv)2 ≡ 0. Also ist −1 ein Quadrat

modp und somit p ≡ 1 (mod 4) nach Hilfssatz 8, was zu zeigen war. ♦

Der Beweis war nicht konstruktiv; der Beweis von Korollar 7 gibt namlich

keinen Algorithmus zur Quadratsummen-Darstellung oder, aquivalent, zur

Gaußschen Primzerlegung von p ≡ 1 (mod 4). Ein einfacher, wenn auch

nicht besonders effizienter Algorithmus ist: Probiere x von b√pc abwarts bis

1, so lange bis p − x2 ein Quadrat ist. Mit diesem Algorithmus wurde auch

Abbildung 3 erzeugt.

Anhang:

Der schnelle Weg zur Quadratsummen-Zerle-

gung

Vieles von den vorhergehenden Ausfuhrungen braucht man nicht, wenn

man nur an dem Satz uber die Quadratsummen-Zerlegung (Hauptsatz 3)

interessiert ist. Daher wird hier der vorgestellte Beweis auf sein Minimum

reduziert.

Zunachst wird das elementare Rechnen mit Kongruenzen benotigt; dazu

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der Satz von Fermat:

p prim, p/|x =⇒ xp−1 ≡ 1 (mod p).

Insbesondere gibt es dann ein y mit xy ≡ 1 (mod p). Ferner braucht man

die Aquivalenz:

x2 ≡ 1 (mod p) ⇐⇒ x ≡ ±1 (mod p).

Dazu kommen noch die Hilfssatze 7 und 8.

Die elementaren Aussagen von Hilfssatz 1 und Korollar 1 aus der Einlei-

tung werden naturlich benotigt.

Dann braucht man den Ring der ganzen Gaußschen Zahlen

Z[i] = {a + bi | a, b ∈ Z}

als Unterring von C und als Quadratgitter in der Ebene. Statt der Norm N

reicht es, den komplexen Betrag | • | zu verwenden. Damit formuliert man

Satz 1 und Korollar 2, wobei man statt”Norm“ einfach

”Betragsquadrat“

sagt.

Von den allgemeinen Begriffen im Zusammenhang mit der Teilbarkeit

braucht man (speziell fur die ganzen Gaußschen Zahlen)”Teiler“,

”großter

gemeinsamer Teiler“,”irreduzibel“ und

”prim“.

Aus Satz 5 und seinem Beweis extrahiert man die Aussage: Zu a, b ∈ Z[i],

b 6= 0, gibt es ein q ∈ Z[i] mit |a − qb| < |b|. Zum Beweis kann man mit

Hilfe des ersten Bildes in der Abbildung 2 argumentieren, daß es q gibt mit

|ab− q| < 1.

Dann braucht man Hilfssatz 3 und Satz 2 speziell fur Z[i], wobei im Beweis

| • | statt ϕ verwendet wird. Damit kann man dann eine abgespeckte Version

von Satz 3 beweisen: Ist p ∈ Z[i] irreduzibel, so auch prim.

Aus Hilfssatz 5 benotigt man nur die Aussage: Ist eine Primzahl p ∈ Z als

Element von Z[i] reduzibel, so gibt es ein z ∈ Z[i] mit p = |z|2. Damit kann

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man dann die”Minimalform“ von Satz 8 beweisen: Sei p ∈ Z eine Primzahl

mit p ≡ 1 (mod 4). Dann gibt es ein q ∈ Z[i] mit p = |q|2. Korollar 7 folgt

daraus unmittelbar, und der Beweis von Hauptsatz 3 ist dann auch gesichert.

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Literatur

Allgemeine Einfuhrung in die komplexen Zahlen:

H.-D. Ebbinghaus, H. Hermes, F. Hirzebruch, M. Koecher, K.

Mainzer, A. Prestel, R. Remmert: Zahlen. Springer-Verlag.

Einfuhrungen in die Zahlentheorie mit elementarer Behandlung des

Quadratsummen-Problems:

D. M. Burton: Elementary Number Theory. Allyn and Bacon Inc., Bo-

ston 1976.

H. Luneburg: Kleine Fibel der Arithmetik. BI-Wissenschaftsverlag,

Mannheim 1987.

Quadratische Zahlringe (einschließlich der Anwendung auf die Quadrat-

summen-Zerlegung) werden auf einem hoheren Niveau behandelt in:

H. Luneburg: Vorlesungen uber Zahlentheorie. Birkhauser-Verlag, Basel

1978.

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