33
weiterbringen. Problembasiertes Lernen in der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Lehre Markus Wilhelm

Problembasiertes Lernen in der fachwissenschaftlichen … · Markus Wilhelm. weiterbringen. Programm vom 7. Januar 2015 (1) Problem Basiertes Lernen – ein Selbstversuch ... Weber,

Embed Size (px)

Citation preview

weiterbringen.

Problembasiertes Lernen in der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Lehre

Markus Wilhelm

weiterbringen.

Programm vom 7. Januar 2015

(1) Problem Basiertes Lernen – ein Selbstversuch PBL am Bsp. „Energiereiche Getränke“ 13:30-13:45

(2) Methodisch-didaktische Grundlagen Drei-Phasen-Ansatz des PBL 13:45-14:00

(3) Take-Home-Message Erfahrungen aus Modulen der Naturwissenschaften Anleitung zum Vorbereiten eines Seminars (Handout) 14:00-14:15

weiterbringen.

Problem Basiertes Lernen

ein Selbstversuch

weiterbringen.

FRAGE von Runner72 I 06.01.2015 – 19:43 Gestern hatte ich wieder so eine unnötige Diskussion mit meiner Frau und ihrer Kollegin Sarah. Ich war ja am Luzerner Stadtlauf. OK, mein Rang war nicht so toll, aber mein Freund Sinan war noch schlechter. Und nun behauptet meine Frau, dass ich nicht nur mies trainiert sei, sondern mein Energiehaushalt während des Rennens eine Katastrophe gewesen sei. Sie meint, ich hätte vor dem Start ein isotonisches Sportgetränk einnehmen müssen. Das sehen Sinan und ich anders. Sinan trank vor dem Rennen einen Energy-Drink; ich habe meine Büchse nach einigen Rennkilometern gekippt. Sarah musste sich natürlich auch noch einmischen. Sie würde Cola trinken und zwar Cola Zero, wegen der Figur. Wir Jungs könnten ja auch eine normale Cola trinken – Hauptsache Cola, denn „WO SPORT IST, IST COCA-COLA“. Ich möchte nicht nochmals den gleichen Fehler am Swiss City Marathon Lucerne machen. Und überhaupt: Die Energy-Drinks sind verdammt teuer.

weiterbringen.

PBL – ein Selbstversuch Das Vorgehen

1. Im Stil von Dr. House an die Problemstellung herangehen und unsere Vermutungen aufschreiben.

2. Was müssen wir wissen, um die Vermutungen zu klären? Arbeitsfragen aufschreiben.

3. Lesen der Unterlagen. Arbeiten mit dem Physiologie-Modell. Beantworten der Arbeitsfragen.

4. Austauschen der Antworten auf die Arbeitsfragen und Problem lösen.

5. Problemlösung im Plenum diskutieren und Lösungsmöglichkeiten individuell aufschreiben.

weiterbringen.

PBL – ein Selbstversuch So geht das mit den Pfeilen

weiterbringen.

weiterbringen. Energy-Drink Traubenzucker führt zu sofortiger Blutzuckerspitze; Insulin reduziert diese; Unterzuckerung schon bei mittleren Rennen, falls vor dem Rennen getrunken

Cola Classic Traubenzucker und Fruchtzucker bewirken breitere Blutzuckerspitze; Insulin reduziert diese; Unterzuckerung bei längerem Rennen

Cola Zero Keine Erhöhung des Blutzuckerspiegels; keine Blutzuckerspitze; Unterzuckerung bei längerem Rennen

Sportgetränk Stärke, Trauben- und Fruchtzucker erhöhen Blutzuckerspiegel schrittweise; Insulin reagiert kaum; keine Unterzuckerung bei längerem Rennen

PBL – ein Selbstversuch Eine mögliche Lösung

weiterbringen.

Kurzes Rennen (Luzerner Stadtlauf) Kurz vor dem Rennen evtl. Zuckerhaltiges Getränk sicher nicht Energy-Drink, weil zu teuer. Während des Rennes ist nichts nötig. Nach dem Rennen reicht Wasser.

Langes Rennen (Swiss City Marathon Lucerne) Sportgetränk während des Rennens: Erhöhung des Blutzuckerspiegels, breite Spitze, Insulin reagiert kaum, keine Unterzuckerung. Wasser und Banane während des Rennens: Gleicher Effekt, nur billiger. Sicher nicht Energy Drink oder Cola, ausser für Schlussspurt.

PBL – ein Selbstversuch Eine andere mögliche Lösung

weiterbringen.

Kompetenzerwartung war:

Die Kursteilnehmer/innen können ihre erarbeiteten naturwissenschaftlichen und kaufmännischen Kenntnisse über energiehaltige Getränke auf Situationen im Ausdauersport übertragen.

PBL – ein Selbstversuch Der Anspruch

weiterbringen. Problem Based Learning Methodisch-didaktische

Grundlagen

weiterbringen.

Problembasiertes Lernen (PBL) Ein Versuch der Abgrenzung

Lernen durch Bearbeitung von formulierten Problemen, die in Kleingruppen mit tutorieller Unterstützung gelöst werden.

traditionell eng definierte Probleme (well-defined) zur Vertiefung, Überprüfung und Anwendung von bereits erworbenem Wissen

problembasiert authentische Probleme

(ill-defined) zum Wissenserwerb im

Prozess der Problembearbeitung

weiterbringen.

• entwickelt an McMaster University, Kanada, ca.1965 • seit 1974 an der medizinischen Fakultät der Universität

Maastricht • schnelle Verbreitung v.a. in anglo-amerikanischen

Medical Schools und in den Niederlanden und Skandinavien

• Einsatz auch in Jus, Wirtschaft und Sozialer Arbeit • Medizinstudium in Bern, Zürich usw.

Problembasiertes Lernen (PBL) Historische Entwicklung

weiterbringen.

• Transdisziplinäres Erarbeiten von Themen • Entwicklung einer Fragehaltung der Sache gegenüber • Situiertes Lernen transferfähiges statt träges Wissen

• Wechsel zwischen Instruktion und Konstruktion • Innere Differenzierung • Förderung von Problemlösefähigkeit, Selbständigkeit,

Kommunikationsfähigkeit, Motivation

Problembasiertes Lernen (PBL) Grundgedanken und Ansprüche

weiterbringen.

1. Analysephase Problem identifizieren (darum geht es) Problem analysieren (mögliche Erklärungen suchen) Arbeitsfragen formulieren (das muss ich wissen) 2. Verstehensphase Neue Kenntnisse aneignen (Arbeitsfragen beantworten) Andere Sichtweisen verstehen (Kenntnisse austauschen) 3. Problemklärungsphase Erklärungsszenarien erstellen (2-3 realistische wählen) Szenarien begründet bewerten (Kenntnisse nutzen) Exemplarität des Problems verstehen (Transfer erstellen)

Problembasiertes Lernen (PBL) Der Drei-Phasen-Ansatz

weiterbringen.

Faktenwissen Berufliche Kompetenz Einstellungen

PBL gleich oder schlechter als traditionelle Methoden

PBL deutlich besser

PBL grössere Motivation und Zufriedenheit

Parameter Resultat

Albanese & Mitchell (1993), Kirschner et al. (2006), Hmelo-Silver et al. (2007), Schmidt et al. (2007)

Problembasiertes Lernen (PBL) Das sagt die Empirie

weiterbringen. PBL Take-Home-Message

weiterbringen.

Problembasiertes Lernen (PBL) Erfahrungen aus Seminaren

weiterbringen.

• Als Grundverständnis vom Lernen in verschiedenen Ausbildungsteilen

• PBL-Module zum Thema Kommunikation • Themen

- Optik und Auge in 2-3 Fällen - Akustik und Gehör in 2-3 Fällen

• Dozierende M. Wilhelm (Biologie) und D. Brovelli (Physik) • Umsetzung

- Gruppen von ca. 6 Lernenden (Zeitnehmer/in, Schriftführer/in, Gesprächsleiter/in) - Lern-Ressourcen i.d.R. angegeben - Unterrichtszusätze mit Experimenten, Vorträgen

Problembasiertes Lernen (PBL) Erfahrungen aus Seminaren

weiterbringen.

Die S. kennen den Aufbau und die Funktionsweise des menschlichen Auges und können erklären, wie ein Objekt gesehen werden kann. Die S. verstehen die Lichtbrechung im Auge als Voraussetzung für die Bildentstehung. Die S. kennen häufige Fehlsichtigkeiten und können erklären, wie diese behandelt werden. Die S. können die optischen Gesetzmässigkeiten bei der Abbildung mit Linsen auf das Auge anwenden.

Die S. erwerben transferfähiges statt träges Wissen durch selbstständiges Erarbeiten einer Problemstellung. Die S. erwerben während des Lernprozesses Fähigkeiten in Problemlösen und Kommunikation. Die S. lernen ein Problem zu analysieren und sich mit der Mehrperspespektivität eines Themas selbstständig auseinanderzusetzen. Die S. lernen das gezielte Formulieren von Hypothesen und Lernfragen, die ihren Lernprozess steuern. Die S. üben das forschend-explorative Erarbeiten sowie theoretische Recherchieren.

Problembasiertes Lernen (PBL) Beispiel: Fall Moni

weiterbringen.

Moni, eine Lehrerin an Ihrer Schule, ist seit Jahren kurzsichtig (mit leichtem Astigmatismus) und trägt daher meist Kontaktlinsen. Seit einigen Jahren kommt nun eine leichte Alterssichtigkeit dazu. Wie viele Menschen mit einer Sehschwäche träumt sie davon, wieder ohne Sehhilfe sehen zu können. Arno hat sich diesen Traum erfüllt: Vor ein paar Jahren hat er sich mit einer Lasik-Operation die Augen lasern lassen und ist begeistert vom Erfolg der Operation. Er versucht, Moni von einem solchen Eingriff zu überzeugen (siehe Video).

Problembasiertes Lernen (PBL) Erfahrungen aus Seminaren

weiterbringen.

Moni ist skeptisch: Zum einen hat sie Angst vor möglichen Risiken, zum anderen hat der Augenarzt ihr eher von dieser Möglichkeit abgeraten. Im Internet hat sie zudem gelesen, dass man Implantate von Kunstlinsen nicht nur bei grauem Star, sondern auch zur Korrektur von Fehlsichtigkeit verwenden kann. Da Sie mit Ihrer Klasse gerade die Optik behandeln, bieten Sie Moni an, das Problem einmal gründlich mit ihr zu diskutieren.

Problembasiertes Lernen (PBL) Erfahrungen aus Seminaren

weiterbringen.

Analyse-Phase in Gruppen

Verstehensphase (1. Teil) - Vortrag zur Linsenoptik mit

Experimenten - Arbeit mit Augenmodellen,

z.B. www.demoex.ch

Verstehensphase (2. Teil) in Gruppen Informationen austauschen

Synthesephase - Gruppenarbeit und Diskussion im Plenum - Diskussion von Monis Entscheidung

Problembasiertes Lernen (PBL) Verlauf während des Seminars

weiterbringen.

Formative Beurteilung - persönliche, schriftliche Arbeit zu jedem PBL-Fall

(Prozess) Summative Beurteilung

- Schriftliche Prüfung in Kommunikation A auf Wunsch der Studierenden (inhaltlicher Transfer)

- Erstellen eines PBL-Falles für die Zielstufe in Kommunikation B (methodischer Transfer)

Problembasiertes Lernen (PBL) Beurteilung und Bewertung

weiterbringen.

-15

-10

-5

0

5

10

15

-15 -10 -5 0 5 10 15

tief Lernerfolg hoch

tief

M

otiv

atio

n

h

och

Lernerfolg „Inhaltlich und/oder methodisch kann ich vieles auf der Zielstufe umsetzen.“

Motivation „Mich hat die Methode des PBLs in diesem Modul motiviert am Inhalt zu arbeiten.“

Problembasiertes Lernen (PBL) Rückmeldungen der Studierenden

weiterbringen.

Die Rolle von PBL in der Lehrpersonenbildung

weiterbringen.

Arbeit an Shulmans Kategorien von Lehrpersonenwissen

Fachinhaltliches Wissen - Aneignung von fachlicher Kompetenz - Fokus auf echte Lebenskontexte

Fachdidaktisches Wissen - Erleben des PBL als mögliche Unterrichtsmethode - Einblick in und Umgang mit Präkonzepten der Lernenden - Kennenlernen von unterrichtstauglichen Erklärungen,

Experimenten, Beispielen und Alltagsbezügen

Curriculares Wissen - Umsetzung von fächerübergreifenden Themen (vgl. LP21) - Unterrichtsmaterialien und deren Qualitätsbeurteilung

weiterbringen.

Savery (2006): «Problem-based learning must be the pedagogical base in the curriculum and not part of a didactic curriculum» Der Drei-Phasen-Ansatz nimmt die speziellen Bedürfnisse eines Lehramtsstudiums gezielt auf. Er lässt sich auf die Sekundarstufe I übertragen und ist so geeignet, die Umsetzung von Innovationen (Kompetenzorientierung, fächerübergreifende Ansätze) in der Schule zu beschleunigen.

PBL als Grundelement der Lehrpersonenbildung

weiterbringen.

Problembasiertes Lernen (PBL) Entwickeln eigener Fälle

Vgl. Handout

weiterbringen.

Herausforderungen bei der Entwicklung von PBL-Unterricht

Problemstellung: − Ausgehen von den Kompetenzen (Kompetenzaspekten) − Konstruieren eines authentischen Problems Lernumgebung: − Unterstützende Fachinputs − Erkenntnisfördernde Experimente, Modelle, Objekte − Erkenntnisleitende Literatur und Medien Lernablauf: − Formalisieren z. B. mit dem Drei-Phasen-Ansatz − Strukturierungshilfe für Studierende, z.B. mit Hinweisen zur

Ergebnissicherung über ein Logbuch. Beurteilung: − Erstellen inhaltlicher oder methodischer Transferaufgaben − Den Transferaufgaben analoger Leistungsnachweis

weiterbringen.

Fragen zum Abschluss

weiterbringen.

Zum Weiterlesen

Brovelli, Dorothee & Wilhelm Markus (2009) Problemorientiertes Lernen für den integrierten Naturwissenschaftsunterricht – Vorschläge für Unterricht zur Optik und Akustik. Physik und Didaktik in Schule und Hochschule, 2/8, S. 65-72. http://www.phydid.de/index.php/phydid/article/view/70/Artikel%2070 Wilhelm, Markus & Brovelli, Dorothee (2009) Problembasiertes Lernen (PBL) in der Lehrpersonenbildung: Der Drei-Phasen-Ansatz der Naturwissenschaften Beiträge zur Lehrerbildung, 27(2), 195-203. http://www.bzl-online.ch/archivdownload/artikel/BZL_2009_2_195-203.pdf

weiterbringen.

Literatur

Albanese, M. A & Mitchell, S. (1993). Problem-based learning: a review of literature on its outcomes and implementation issues. Academic Medicine 68, 52-81.

Brovelli, D. & Wilhelm M. (2009) Problemorientiertes Lernen für den integrierten Naturwissenschaftsunterricht – Vorschläge für Unterricht zur Optik und Akustik. Physik und Didaktik in Schule und Hochschule, 2/8, S. 65-72.

Brovelli, D., Wilhelm, M., Rehm, M. & Kauertz, A. (im Druck). Professionelle Kompetenz und Berufsidentität in integrierten und disziplinären Lehramtsstudiengängen der Naturwissenschaften. Kiel: Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften.

Grabe, M., & Grabe, C. (2000). Integrating the Internet for Meaningful Learning. Boston: Houghton Mifflin.

Hmelo-Silver, C., Duncan, R. & Chinn, C. (2007). Scaffolding and Achievement in Problem-Based and Inquiry Learning: A Response to Kirschner, Sweller, and Clark (2006). Educational Psychologist 42 (2), 99-107.

Kirschner, P. A., Sweller, J., & Clark, R. E. (2006). Why minimal guidance during instruction does not work: An analysis of the failure of constructivist, discovery, problem-based, experiential, and inquiry-based teaching. Educational Psychologist, 41, 75–86.

Schmidt, H., Loyens, S., Van Gog, T, & Paas, F. (2007). Problem-Based Learning is Compatible with Human Cognitive Architecture: Commentary on Kirschner, Sweller, and Clark (2006). Educational Psychologist 42 (2), 91-97.

Short, K.G., Schroeder, J., Laird, J., Kauffman, G., Ferguson, M.J., & Crawford, K.M. (1996). Learning together through inquiry: From Columbus to integrated curriculum. Portland, ME: Stenhouse.

Weber, A. (2004). Problem-Based Learning: ein Handbuch für die Ausbildung auf der Sekundarstufe II und auf der Tertiärstufe. Bern: hep Verlag.

Wellenreuther, M. (2008). Lehren und Lernen – aber wie? Empirisch experimentelle Forschungen zum Lehren und Lernen im Unterricht. Hohengehren: Schneider Verlag.

Wilhelm, M. & Brovelli, D. (2009) Problembasiertes Lernen (PBL) in der Lehrpersonenbildung: Der Drei-Phasen-Ansatz der Naturwissenschaften Beiträge zur Lehrerbildung, 27(2), 195-203.