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Prof. Dr. Gunter Thielen Vaduz, 11. Februar 2013
Europas Zukunft
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 2
Motive für eine stärkere Integration und Zusammenarbeit in Europa
Friedenssicherung und Friedenserhalt in Europa
Steigerung des wirtschaftlichen Wohlstands und der Beschäftigung
Steigerung des internationalen Einflusses bei der Lösung grenzüberschreitender
Herausforderungen (Außen- und Sicherheitspolitik, Finanzmarktregulierungen,
Umweltschutz, weltweite Migrationsbewegungen etc.)
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 3
Europas zukünftige Bedeutung in der Welt
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 4
Weltweite Bevölkerungsentwicklung bis 2050 (in Millionen)
Quelle: World Population Data Sheet 2012, Washington DC, S. 6-9.
Land 2012 2050Veränderung
in Prozent
Europa 740 732 - 1,1 %
Nordamerika 349 471 + 35,0 %
Lateinamerika 599 740 + 23,5 %
Südamerika 397 479 + 20,7 %
Asien 4.260 5.284 + 24,0 %
Ozeanien 37 57 + 54,1 %
Afrika 1.072 2.339 + 118,2 %
Welt 7.058 9624 + 36,4 %
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 5
Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts in konstanten Preisen bis 2050
Rang 2009
LandBIP in Mrd. USD
(Kurs 2009)Rang 2050
LandBIP in Mrd. USD
(Kurs 2009)
1 USA 14.256 1 China 51.180
2 Japan 5.068 2 USA 37.876
2 China 4.909 3 Indien 31.313
4 Deutschland 3.347 4 Brasilien 9.235
5 Frankreich 2.649 5 Japan 7.664
6 UK 2.175 6 Russland 6.112
7 Italien 1.572 7 Mexiko 5.800
8 Brasilien 1.572 8 Deutschland 5.707
9 Spanien 1.460 9 UK 5.628
10 Kanada 1.336 10 Indonesien 5.358
11 Indien 1.296 11 Frankreich 5.344
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 6
Warum ist ein Verlust der relativen ökonomischen Bedeutung problematisch?
Generell: Wirtschaftliche Stärke als Voraussetzung für politische Handlungsfähigkeit
( politische Machtlosigkeit vieler Entwicklungsländer)
Wirtschaftliche Stärke als Voraussetzung zur Teilnahme an internationalen Gremien
(z. B. die Gruppe der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen)
Wirtschaftliche Stärke als Basis für die Stimmgewichtung in internationalen Gremien
(z. B. Internationaler Währungsfonds: Stimmgewichtung entsprechend der relativen
Stärke des Landes in der Weltwirtschaft)
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 7
Thesen
Nur geeint kann Europa weltpolitisch Einfluss behalten.
Die europäischen Einzelstaaten verlieren auf der globalen Ebene sowohl demographisch als auch ökonomisch an Bedeutung.
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 8
Schritte hin zu einem gemeinsamen Europa
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 9
Erste Schritte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
1952
1957
1959
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (zollfreier Zugang zu Kohle und Stahl für die Mitgliedsländer)
Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
Beginn des Zollabbaus innerhalb der Gemeinschaft
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 10
Sechs Stufen der wirtschaftlichen Integration
1. Präferenzzone für den Handel (Zollermäßigungen zwischen Ländern)
2. Freihandelszone (Abschaffung der Binnenzölle)
3. Zollunion (Freihandelszone mit gemeinsamen Außenzöllen für Drittländer)
4. Gemeinsamer Markt (freier Waren-, Dienstleistungs-, Arbeitnehmer- und Kapitalverkehr)
5. Wirtschafts- und Währungsunion (Gemeinsamer Markt mit einer einheitlichen Währung)
6. Vollständige wirtschaftliche Integration (Stufe 1 bis 5 plus harmonisierte Steuer-, Fiskal- und Wirtschaftspolitik)
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 11
Pro und Contra einer gemeinsamen Währung
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 12
Vorteile einer gemeinsamen Währung
Kosten für Geldumtausch innerhalb der EU entfallen
Kosten für Absicherungen gegen Wechselkursschwankungen entfallen
(= mehr Ressourcen für Wirtschaftswachstum)
Höhere Preistransparenz führt zu Preisdruck in der EU
(positiv für internationale Wettbewerbsfähigkeit und Kaufkraft der Konsumenten)
Größere Widerstandsfähigkeit gegen äußere Einflüsse
(z. B. geringere Anfälligkeit gegen Wechselkursspekulationen)
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 13
Entwicklung der langfristigen Zinsen (Rendite 10-jähriger Staatsanleihen) in ausgewählten Euro-Staaten
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 14
Nachteil einer gemeinsamen Währung: Verzicht auf eigene Währung mit der Möglichkeit einer Abwertung
Ein fiktives Beispiel:
Produktivitätsfortschritte senken Kosten in Deutschland um 10 %
Produktivitätsfortschritte senken Kosten in Großbritannien um 4 %
Bei einer Abwertung des Britischen Pfunds um 6 % bleiben britischen Produkte wettbewerbsfähig.
Problem: In einer Gemeinschaftswährung können einzelne
Mitgliedsstaaten die
verlorene Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr durch eine Abwertung
wiedergewinnen.
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 15
Quelle: World Population Data Sheet 2012, Washington DC, S. 6-9.
LandBIP-Zuwachs durch
den Euro in 2010 (in Mrd. Euro)
Zuwachs in 2010 (in % des BIP)
Österreich 22 7,8
Finnland 12 6,7
Deutschland 165 6,6
Niederlande 37 6,2
Italien 48 3,1
Portugal 4 2,1
Spanien 8 0,7
Frankreich 14 0,7
Griechenland 0 0,1
Restliche 8 Euro-Staaten 23
Eurozone gesamt 332 3,6
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 16
Warum haben wir die Euro-Krise?
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 17
Lohnstückkosten im internationale Vergleich
Quelle: IZA auf Basis von Daten der OECD.
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 18
Leistungsbilanzüberschüsse als Zeichen wirtschaftlicher Stärke (Leistungsbilanzsaldo in Prozent des BIP)
Quelle: IMF World Economic Outlook Database, April 2011.
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
-15
-10
-5
0
5
10
Germany Greece Portugal Spain
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 19
Vergleich des Währungsraumes USA mit der Eurozone
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 20
Wachstumsunterschiede in der USA größer als in der Eurozone
Quelle: Diekmann/Menzel/Thomae, Wirtschaftsdienst 2012/1.
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 21
Ökonomische Heterogenität in Deutschland
Arbeitslosenquoten im Dezember 2012, Angaben in %
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Presseinfo 001 vom 03.01.2013.
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 22
Warum halten die USA und Deutschland die wirtschaftliche Heterogenität besser aus als die Euro-Zone?
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 23
1. Wirtschaftlich starke Regionen leisten Transferleistungen an wirtschaftliche schwächere Regionen
Ausgleich über Arbeitslosenversicherung:
Wirtschaftlich starke Regionen zahlen relativ viel ein, nehmen aber nur wenig Gelder in Anspruch
Wirtschaftlich schwache Regionen zahlen relativ wenig ein, beanspruchen aber hohe Summen
USA:
rund 30 % der Ausgaben der Bundesstaaten sind Zuschüsse des Bundes (Federal Grants)
Deutschland:
Bundesmittel an einige Länder (Bundesergänzungszuweisungen)
Verteilung eines Teils der Umsatzsteuer nach Bedürftigkeit (Umsatzsteuervorwegausgleich)
Transferleistungen zwischen Ländern (Länderfinanzausgleich)
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 24
2. Höhere Mobilität der Arbeitskräfte
Vorteil hoher Arbeitskräftemobilität:
Wenn arbeitslose Personen Beschäftigung in einer anderen Region suchen, entlastet dies die
öffentlichen Kassen in der wirtschaftlich schwächeren Region (Arbeitslosengeld, Sozialleistungen etc.)
Ursachen für höhere Arbeitskräftemobilität in USA und Deutschland:
gemeinsame Sprache
gemeinsame Kultur
gemeinsames Rechtssystem (wichtig bei sozialer Sicherung)
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 25
Bausteine für ein funktionsfähiges Europa
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 26
Kurzfristige Maßnahmen
Reduzierung der Zinsen für südeuropäische Staatsanleihen durch eine Verringerung
der Risikoprämien (Garantien durch Euro-Gemeinschaft).
Finanzhilfen, um Zeit für notwendige Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsreformen zu gewinnen.
Solidarität in beide Richtungen:
Finanzielle Unterstützung durch wirtschaftlich starke Staaten
Reformen in wirtschaftlich schwachen Staaten
(z. B. Lohnzurückhaltung und Erhöhung des Rentenalters)
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 27
Mittel- und langfristige Maßnahmen
Mehr finanzielle Mittel für die EU
Erhöhung der Arbeitsmobilität innerhalb der EU (Transparenz, Sprache,
Anerkennung von Qualifikationen etc.)
Finanzielle Transferleistungen mit Zweckbindung (Investitionen in Bildung,
Forschung und Entwicklung) und stärkerer Budgetkontrolle
Stärkung der demokratischen Elemente, um die Bürger mitzunehmen
und sie für Europa zu begeistern
Finanzielle Transfers dürfen nicht den Druck von der Notwendigkeit
nehmen,
die Wettbewerbsfähigkeit der wirtschaftliche schwachen Länder zu
steigern.
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 28
Schlussfolgerungen
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 29
Demographisch und ökonomisch verlieren die europäischen Einzelstaaten
global betrachtet an Bedeutung.
Konsequenz:
Weltpolitischen Einfluss kann Europa nur geeint behalten.
Positiv:
Gemeinschaftswährung Euro hat europäisches Wirtschaftswachstum generell gestärkt.
Aber auch:
Euro ist für die Wettbewerbsfähigkeit der wirtschaftlich schwachen Euro-Länder problematisch.
Also:
Ökonomische Stabilität der Euro-Zone hat ihren Preis.
Last but not least:
Europa ist mehr als eine wirtschaftliche Angelegenheit.
Walter Blüchert Stiftung | 11.2.2013 | 30
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!