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1 Prof. Dr. Henning Radtke Strafrecht, Allgemeiner Teil Strafrecht, Allgemeiner Teil Strafrecht, Allgemeiner Teil Strafrecht, Allgemeiner Teil Wintersemester 2007/08 Wintersemester 2007/08 Wintersemester 2007/08 Wintersemester 2007/08 Hausarbeit Hausarbeit Hausarbeit Hausarbeit Lösung Lösung Lösung Lösungsvorschlag svorschlag svorschlag svorschlag 1. Tatkomplex: Im Stadtpark 1. Tatkomplex: Im Stadtpark 1. Tatkomplex: Im Stadtpark 1. Tatkomplex: Im Stadtpark A. Versuchter Totschlag, §§ 212 I, 22, 23 I StGB A. Versuchter Totschlag, §§ 212 I, 22, 23 I StGB A. Versuchter Totschlag, §§ 212 I, 22, 23 I StGB A. Versuchter Totschlag, §§ 212 I, 22, 23 I StGB Indem T dem B mit einem Ast gegen den Kopf schlägt, könnte er sich eines ver- suchten Totschlags strafbar gemacht haben. I. Vorprüfung I. Vorprüfung I. Vorprüfung I. Vorprüfung Die Tat dürfte nicht vollendet sein. B ist nicht tot, folglich wurde die Tat nicht vollendet. Weitere Voraussetzung ist, dass der Versuch strafbar sein muss. Gemäß § 23 I StGB ist der Versuch eines Verbrechens stets strafbar, der Versuch eines Verge- hens nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung. Verbrechen sind gem. § 12 I StGB Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr be- droht sind. Beim Totschlag handelt es sich nach §§ 212 I, 12 I StGB um ein Ver- brechen und nach § 23 I StGB ist der Versuch eines Verbrechens stets strafbar. II. Tatbestand II. Tatbestand II. Tatbestand II. Tatbestand 1. Tatentschluss 1. Tatentschluss 1. Tatentschluss 1. Tatentschluss Weiterhin müsste T mit Tatentschluss gehandelt haben. Tatentschluss ist der Wille, gerichtet auf die Verwirklichung aller objektiven Merkmale einschließlich des Vorliegens etwaiger besonderer Absichten 1 . T kommt es nicht auf die Tötung seines Verfolgers an, so dass dolus directus 1. Grades ausscheidet 2 . Noch konnte er sicher davon ausgehen, dass B nicht überleben würde, dolus directus 2. Gra- 1 Wessels/Beulke, AT Rn. 598. 2 Kindhäuser, AT, § 14 Rn. 3.

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    Prof. Dr. Henning Radtke

    Strafrecht, Allgemeiner TeilStrafrecht, Allgemeiner TeilStrafrecht, Allgemeiner TeilStrafrecht, Allgemeiner Teil

    Wintersemester 2007/08Wintersemester 2007/08Wintersemester 2007/08Wintersemester 2007/08

    HausarbeitHausarbeitHausarbeitHausarbeit

    LösungLösungLösungLösungsvorschlagsvorschlagsvorschlagsvorschlag

    1. Tatkomplex: Im Stadtpark1. Tatkomplex: Im Stadtpark1. Tatkomplex: Im Stadtpark1. Tatkomplex: Im Stadtpark

    A. Versuchter Totschlag, §§ 212 I, 22, 23 I StGBA. Versuchter Totschlag, §§ 212 I, 22, 23 I StGBA. Versuchter Totschlag, §§ 212 I, 22, 23 I StGBA. Versuchter Totschlag, §§ 212 I, 22, 23 I StGB

    Indem T dem B mit einem Ast gegen den Kopf schlägt, könnte er sich eines ver-

    suchten Totschlags strafbar gemacht haben.

    I. VorprüfungI. VorprüfungI. VorprüfungI. Vorprüfung

    Die Tat dürfte nicht vollendet sein. B ist nicht tot, folglich wurde die Tat nicht

    vollendet.

    Weitere Voraussetzung ist, dass der Versuch strafbar sein muss. Gemäß § 23 I

    StGB ist der Versuch eines Verbrechens stets strafbar, der Versuch eines Verge-

    hens nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung. Verbrechen sind gem.

    § 12 I StGB Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr be-

    droht sind. Beim Totschlag handelt es sich nach §§ 212 I, 12 I StGB um ein Ver-

    brechen und nach § 23 I StGB ist der Versuch eines Verbrechens stets strafbar.

    II. TatbestandII. TatbestandII. TatbestandII. Tatbestand

    1. Tatentschluss1. Tatentschluss1. Tatentschluss1. Tatentschluss

    Weiterhin müsste T mit Tatentschluss gehandelt haben. Tatentschluss ist der

    Wille, gerichtet auf die Verwirklichung aller objektiven Merkmale einschließlich

    des Vorliegens etwaiger besonderer Absichten1. T kommt es nicht auf die Tötung

    seines Verfolgers an, so dass dolus directus 1. Grades ausscheidet2. Noch konnte

    er sicher davon ausgehen, dass B nicht überleben würde, dolus directus 2. Gra-

    1 Wessels/Beulke, AT Rn. 598. 2 Kindhäuser, AT, § 14 Rn. 3.

  • 2

    des ist ebenfalls nicht einschlägig3. Es könnte jedoch Vorsatz in Form des be-

    dingten Vorsatzes (dolus eventualis) in Betracht kommen. Beim Eventualvorsatz

    hält der Täter es ernstlich für möglich und findet sich damit ab, dass sein Ver-

    halten zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes führt4. T hat die Tö-

    tung des B billigend in Kauf genommen, um sicht selbst zu helfen. Somit hatte T

    Tötungsvorsatz und Tatentschluss zur Tötung des B.

    2. Unmittelbares Ansetzen2. Unmittelbares Ansetzen2. Unmittelbares Ansetzen2. Unmittelbares Ansetzen

    T müsste zur Tat auch unmittelbar angesetzt haben. Ein Täter setzt nach der

    gemischt subjektiv-objektiven Theorie dann unmittelbar zur Tatbestandsver-

    wirklichung an, wenn er die Schwelle zum „jetzt geht`s los“ überschreitet und

    Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan zwar noch der Erfüllung eines

    Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind, die aber in die Tatbestandshandlung

    unmittelbar einmünden und nach seiner Vorstellung auch bereits eine unmittel-

    bare Gefährdung des Rechtsguts eingetreten ist5. T schlägt dem B mit dem Ast

    gegen den Kopf. Damit hat T die Tathandlung bereits vollständig ausgeführt;

    demnach hat T zur Tatausführung unmittelbar angesetzt.

    Der Tatbestand ist erfüllt.

    III. RechtswidrigkeitIII. RechtswidrigkeitIII. RechtswidrigkeitIII. Rechtswidrigkeit

    Die Handlung des T müsste auch rechtswidrig sein. Eine Handlung ist rechts-

    widrig, wenn sie einen Unrechtstatbestand verwirklicht und nicht durch einen

    Rechtfertigungsgrund gedeckt ist6. T könnte durch Notwehr gem. § 32 StGB

    gerechtfertigt sein.

    Dafür ist zunächst das Vorliegen einer Notwehrlage erforderlich. Diese ist gege-

    ben, bei einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff. Angriff ist jede durch

    menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter oder

    Interessen7. B hat dem T lediglich aus Spaß einen Zeigefinger in den Rücken

    gebohrt. Somit fehlt es bereits an einem Angriff, denn eine bloße Belästigung,

    3 Kindhäuser, AT, § 14 Rn. 8. 4 Wessels/Beulke, AT, Rn. 214. 5 Kindhäuser, AT , Rn. 10 ff. 6 Wessels/Beulke, AT, Rn. 270. 7 Geilen, Jura 1981, 200 (201 ff.).

  • 3

    wie sie hier vorliegt, genügt nicht für einen Angriff im Sinne von § 32 StGB.

    Mangels Angriff liegt keine Nothilfelage vor. Die Tat des T ist nicht durch Not-

    wehr gerechtfertigt und er handelte rechtswidrig.

    IV. SchIV. SchIV. SchIV. Schulduldulduld

    Fraglich ist, ob T schuldhaft gehandelt hat.

    1. Vorliegen eines Irrtums1. Vorliegen eines Irrtums1. Vorliegen eines Irrtums1. Vorliegen eines Irrtums

    T dachte, er würde mit einer Waffe bedroht. Er könnte sich wegen dieser Vor-

    stellung in einem Erlaubnisirrtum oder Erlaubnistatbestandsirrtum befunden

    haben. Bei einem Erlaubnisirrtum zieht der Täter die rechtlichen Grenzen eines

    Rechtfertigungsgrundes zu weit oder glaubt an die Existenz eines nicht aner-

    kannten Rechtfertigungsgrundes8. Ein Erlaubnistatbestandsirrtum liegt vor,

    wenn der Täter sich über die Tatumstände auf der Rechtfertigungsebene irrt, bei

    deren Vorliegen er gerechtfertigt wäre9. Da sich T irrtümlich vorstellt, von einem

    Unbekannten mit einer Waffe bedroht zu werden, könnte es sich um einen Er-

    laubnistatbestandsirrtum, der sich auf das tatsächliche Vorhandensein einer

    Notwehrlage bezieht.

    a. Notwehra. Notwehra. Notwehra. Notwehr

    Aufgrund der Vorstellung des T kommt Notwehr gem. § 32 StGB in Betracht.

    aa. (Putativaa. (Putativaa. (Putativaa. (Putativ----) Notwehrlage) Notwehrlage) Notwehrlage) Notwehrlage

    Aus Sicht des T müsste eine Notwehrlage gem. § 32 II StGB vorliegen. Diese ist

    gegeben, wenn ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff vorliegt. Angriff ist

    jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter

    Güter oder Interessen10. T denkt, dass er mit einer Waffe bedroht wird. Nach

    seiner Vorstellung liegt ein Angriff auf eines seiner Rechtsgüter, die körperliche

    Integrität, vor.

    Weiterhin müsste der Angriff gegenwärtig sein. Dies ist er, wenn er unmittelbar

    bevorsteht, begonnen hat oder noch andauert11. T spürt einen Gegenstand in

    seinem Rücken. Nach seiner Vorstellung steht der Angriff unmittelbar bevor. T

    8 BGHSt 3, 105 (107 ); BGHSt 45, 219 (225). 9 Roxin, AT 1, § 14 Rn. 52 f. und 79; Lackner/Kühl, StGB, § 17 Rn. 9. 10 Geilen, Jura 1981, 200 (201 ff.). 11 BGH NJW 1973, 255.

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    geht nicht davon aus, dass B gerechtfertigt sein könnte, so dass nach Tätervor-

    stellung ebenfalls ein rechtswidriger Angriff bevorsteht. Aus Sicht des T liegt

    eine Notwehrlage bevor.

    bb. (Putativbb. (Putativbb. (Putativbb. (Putativ----) Notwehrhandlung) Notwehrhandlung) Notwehrhandlung) Notwehrhandlung

    Der Schlag mit dem Ast müsste erforderlich und geboten sein. Eine Notwehr-

    handlung ist erforderlich, wenn sie zur Abwehr des Angriffs geeignet und das

    relativ mildeste Mittel unter mehreren gleich geeigneten ist12. Der Schlag mit

    dem Ast wäre geeignet gewesen, einen tatsächlichen Angriff des B auf T zumin-

    dest abzuschwächen. Ein milderes Mittel hätte T nicht zur Verfügung gestan-

    den, somit stellte der Schlag mit dem Ast das relativ mildeste Mittel dar. Es sind

    keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung des Notwehrrechts aufgrund man-

    gelnder Gebotenheit aus Sicht des T ersichtlich.

    cc. Subjektives Rechtfertigungselementcc. Subjektives Rechtfertigungselementcc. Subjektives Rechtfertigungselementcc. Subjektives Rechtfertigungselement

    T handelte sogar mit Verteidigerwillen, so dass nach allen zum subjektiven

    Rechtfertigungselement vertretenen Rechtsansichten dieses gegeben ist.

    b. Zwischenergebnisb. Zwischenergebnisb. Zwischenergebnisb. Zwischenergebnis

    T irrt über Tatumstände auf Rechtfertigungsebene und nicht über die Grenzen

    oder die Existenz eines Rechtfertigungsgrundes. Demnach liegt ein Erlaubnis-

    tatbestandsirrtum vor.

    2. Behandlung des Erlaubnistatbestandsirrtums2. Behandlung des Erlaubnistatbestandsirrtums2. Behandlung des Erlaubnistatbestandsirrtums2. Behandlung des Erlaubnistatbestandsirrtums

    Strittig ist, welche rechtlichen Folgen sich aus einem Erlaubnistatbestandsirr-

    tum ergeben.

    a. Vorsatztheoriea. Vorsatztheoriea. Vorsatztheoriea. Vorsatztheorie

    Die Vorsatztheorie betrachtet das Unrechtsbewusstsein als Teil des Vorsatzes.

    Demnach entfällt gem. § 16 StGB direkt der Tatbestandsvorsatz13. T stellte sich

    Umstände vor, nach denen der Schlag gegen den Kopf des B gerechtfertigt war;

    folglich fehlte ihm das Unrechtsbewusstsein. Demnach handelte T gem. § 16 I 1

    StGB nicht vorsätzlich.

    b. Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalenb. Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalenb. Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalenb. Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen

    12 Wessels/Beulke, AT, Rn. 335. 13 Langer, GA 1976, 191 (208).

  • 5

    Nach dieser Ansicht sind die Voraussetzungen der Rechtfertigungsgründe nega-

    tive Teile eines sog. Gesamtunrechtstatbestandes. Der Vorsatz des Täters muss

    sich auch auf ihr Nichtvorliegen erstrecken. Der Vorsatz des Täters entfällt nach

    § 16 I 1 StGB14. T war der Ansicht, gerechtfertigt zu sein und handelte nach §

    16 I 1 StGB ohne Vorsatz.

    c. Strenge Schuldtheoriec. Strenge Schuldtheoriec. Strenge Schuldtheoriec. Strenge Schuldtheorie

    Die strenge Schuldtheorie behandelt den Erlaubnistatbestandsirrtum als einen

    Verbotsirrtum nach § 17 StGB. Als Begründung wird angeführt, dass die Rech-

    tfertigungsgründe weder Tatbestandsmerkmale sind, noch so behandelt werden

    können15. Demzufolge entfällt nur bei Unvermeidbarkeit des Erlaubnistatbe-

    standsirrtums die Schuld. T hätte situtationsbedingt nicht von einem Überfall

    ausgehen können, denn B hatte ihn angesprochen und er hatte dies aufgrund

    seines MP3-Players nicht gehört. Der Irrtum des T war vermeidbar; somit han-

    delte er schuldhaft. Die Strafe kann jedoch nach § 17 2 StGB gemildert werden.

    d. Eingeschränkte Schuldtheoried. Eingeschränkte Schuldtheoried. Eingeschränkte Schuldtheoried. Eingeschränkte Schuldtheorie

    Die eingeschränkte Schuldtheorie lässt nach § 16 I 1 StGB analog den Tatbe-

    standsvorsatz entfallen, so dass der Täter nicht aus einer vorsätzlich begange-

    nen Tat bestraft werden kann16. Das Verhalten des T stellt kein Vorsatzunrecht

    dar, T handelte gem. § 16 I 1 StGB analog ohne Vorsatz.

    e. Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheoriee. Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheoriee. Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheoriee. Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie

    Nach der rechtsfolgenverweisenden eingeschränkten Schuldtheorie wird der

    Erlaubnistatbestandsirrtum allein in der Rechtsfolge analog dem § 16 I 1 StGB

    zugeordnet. Es entfällt nicht der Vorsatz, aber der sog. Vorsatzschuldvorwurf

    und damit die Schuld17. Nach dieser Ansicht ist die Tat im Ergebnis wie ein

    Fahrlässigkeitsdelikt zu behandeln und § 16 I 2 StGB analog anwendbar. Dem-

    nach hätte T ohne Vorsatzschuld gehandelt.

    f. Stellungnahmef. Stellungnahmef. Stellungnahmef. Stellungnahme

    14 Samson, StR I, S. 120 ff. 15 Welzel, AT, § 22 III; Armin Kaufmann, JZ 1955, 37 ff. 16 Schönke/Schröder/Sternberg- Lieben, § 16 Rn. 16 ff. 17 Wessels/Beulke, AT, Rn. 478.

  • 6

    Gegen die Vorsatztheorie spricht, dass sie mit der Normierung des § 17 StGB

    nicht mehr mit dem Gesetz im Einklang steht. Der Lehre von den negativen Tat-

    bestandsmerkmalen ist entgegenzuhalten, dass zwischen Tatbestandsmäßigkeit

    und Rechtswidrigkeit der Tat grundlegende gesetzliche Unterschiede bestehen.

    Der Gesetzgeber hat insbesondere in § 32 I StGB deutlich gemacht, dass die

    Rechtswidrigkeit neben dem Tatbestand ein selbstständiges Deliktsmerkmal

    darstellt. Die strenge Schuldtheorie verkennt, dass es sich nicht um einen Beur-

    teilungs-, sondern nur um einen Sachverhaltsirrtum handelt. Ähnlich wie in der

    Situation des § 16 StGB ist der Täter an sich rechtstreu. Aus diesen Gründen

    kann § 17 StGB nicht greifen.

    Bei der eingeschränkten Schuldtheorie entfällt der bereits im subjektiven Tat-

    bestand positiv festgestellte Tatbestandsvorsatz nachträglich wieder. Für die

    rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie spricht, dass dem Täter

    nur die vorsätzlich fehlerhafte Einstellung zur Rechtsordnung fehlt, er ansons-

    ten aber vorsätzlich und rechtswidrig handelt. Es bleibt eine Strafbarkeit des

    nicht irrenden Anstifter oder Gehilfen möglich. Der rechtsfolgenverweisenden

    eingeschränkten Schuldtheorie ist daher zu folgen.

    Demnach handelte T nicht schuldhaft.

    VVVV. Ergebnis. Ergebnis. Ergebnis. Ergebnis

    T hat sich nicht nach §§ 212 I, 22, 23 I StGB strafbar gemacht.

    B. GefB. GefB. GefB. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 3, 5 StGBährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 3, 5 StGBährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 3, 5 StGBährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 3, 5 StGB

    Indem T dem B mit einem Ast gegen den Kopf schlug, könnte er sich der gefähr-

    lichen Körperverletzung nach §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 3, 5 StGB strafbar gemacht

    haben.

    Eine Strafbarkeit des T scheitert wie bei dem versuchten Totschlag an der feh-

    lenden Schuld, da T sich auch bei diesem Delikt in einem Erlaubnistatbestands-

    irrtum befand.

    C. Fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGBC. Fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGBC. Fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGBC. Fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB

  • 7

    T könnte sich wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 229 StGB dadurch

    strafbar gemacht haben, dass er die tatsächliche Situation verkannte, irrig eine

    Notwehrlage annahm und daher dem B mit einem Ast gegen den Kopf schlägt.

    I. TatbestandI. TatbestandI. TatbestandI. Tatbestand

    1. Erfolg1. Erfolg1. Erfolg1. Erfolg---- HandlungHandlungHandlungHandlung

    T müsste an B eine Körperverletzung begangen haben. Er könnte B körperlich

    misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt haben.

    Körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, die das

    körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Integrität mehr als nur unerheb-

    lich beeinträchtigt18. T hat B mit einem Ast gegen den Kopf geschlagen und

    dadurch schwer verletzt. Dies stellt eine üble und unangemessene Behandlung

    dar. Demnach wurde B körperlich misshandelt.

    Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen

    Zustandes19. Die Kopfverletzung des B ist ein pathologischer Zustand. Somit

    wurde B ebenfalls an der Gesundheit geschädigt.

    2. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit2. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit2. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit2. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit

    Erforderlich ist das Vorliegen einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung bei

    objektiver Vorhersehbarkeit20. Objektiv voraussehbar ist, was ein umsichtig han-

    delnder Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters unter den jeweils gegebenen

    Umständen auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung in Rechnung stellen

    würde. Der Inhalt der Sorgfaltspflicht besteht darin, die Gefahren für das ge-

    schützte Rechtgut zu erkennen und sich darauf einzustellen. Dabei wird auf

    einen besonnen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und der

    sozialen Rolle des Handelnden abgestellt21. T hätte sich anhand der Situation

    überzeugen müssen, ob überhaupt ein Überfall vorlag. T hat sich kein einziges

    Mal umgedreht und aufgrund seines MP3- Players die Ansprache des B nicht

    gehört. Er hat mit dem Ast gegen den Kopf des B ohne Nachprüfung zugeschla-

    gen. Damit verletzte er eine Sorgfaltspflicht bei objektiver Vorhersehbarkeit.

    18 BGHSt 14, 269. 19 BGH, NJW 1960, 2253; Schönke/Schröder/Eser, § 223 Rn. 5. 20 Kindhäuser, AT, § 33 Rn. 12 f. 21 Wessels/Beulke, AT, Rn. 667 ff.

  • 8

    3. Objektive Zurechnung3. Objektive Zurechnung3. Objektive Zurechnung3. Objektive Zurechnung

    Die schwere Verletzung müsste T auch objektiv zurechenbar sein. Dazu müsste

    der Pflichtwidrigkeitszusammenhang vorliegen. Dieser liegt vor, wenn der Erfolg

    eine Folge der Pflichtverletzung des Täters ist und bei pflichtgemäßen Verhalten

    nicht eingetreten wäre22. Hätte T sich vor dem Zuschlagen pflichtgemäß umge-

    schaut und seinen MP3- Player ausgeschaltet, hätte er erkannt, dass kein Über-

    fall vorlag und er hätte nicht zugeschlagen. Der Pflichtwidrigkeitszusammen-

    hang liegt vor. Ebenso der Schutzzweckzusammenhang.

    Der Tatbestand ist erfüllt.

    II. RechtswidrigkeitII. RechtswidrigkeitII. RechtswidrigkeitII. Rechtswidrigkeit

    Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor, T handelte rechtswidrig.

    III. SchuldIII. SchuldIII. SchuldIII. Schuld

    Ebenfalls müsste T schuldhaft gehandelt haben. Er müsste eine subjektive Sorg-

    faltspflichtverletzung bei subjektiver Vorhersehbarkeit des Erfolgs begangen

    haben23. Es sind keine Umstände erkennbar, dass T in seiner Erkenntnisfähigkeit

    generell eingeschränkt war, so dass ihm der Pflichtverstoß auch individuell vor-

    werfbar ist.

    IV. StrafantragIV. StrafantragIV. StrafantragIV. Strafantrag

    Der nach § 230 StGB erforderliche Strafantrag ist gestellt.

    V. ErgebnisV. ErgebnisV. ErgebnisV. Ergebnis

    T hat sich nach § 229 StGB wegen fahrlässiger Körperverletzung strafbar ge-

    macht.

    D. ErgebnisD. ErgebnisD. ErgebnisD. Ergebnis

    T hat sich nach § 229 StGB strafbar gemacht.

    2. Tatkomplex: Der Nebenbuhler V2. Tatkomplex: Der Nebenbuhler V2. Tatkomplex: Der Nebenbuhler V2. Tatkomplex: Der Nebenbuhler V

    22 Wessels/Beulke, AT, Rn. 197. 23 Kindhäuser, AT, § 33 Rn. 55.

  • 9

    A. Versuchter Mord in mittelbarer Täterschaft an V, §§ 211, 22, 23, 25 I 2. Fall A. Versuchter Mord in mittelbarer Täterschaft an V, §§ 211, 22, 23, 25 I 2. Fall A. Versuchter Mord in mittelbarer Täterschaft an V, §§ 211, 22, 23, 25 I 2. Fall A. Versuchter Mord in mittelbarer Täterschaft an V, §§ 211, 22, 23, 25 I 2. Fall

    StGBStGBStGBStGB

    T könnte sich durch das Losschicken des D des versuchten Mordes in mittelbarer

    Täterschaft nach §§ 211, 22, 23 I, 25 I 2. Fall StGB strafbar gemacht haben.

    I. VorprüfungI. VorprüfungI. VorprüfungI. Vorprüfung

    V lebt noch und die Tat ist nicht vollendet. Nach §§ 211, 12 I, 23 I StGB ist der

    Versuch des Mordes strafbar.

    II. TatentschlussII. TatentschlussII. TatentschlussII. Tatentschluss

    1. Hinsichtlich des Todes des V1. Hinsichtlich des Todes des V1. Hinsichtlich des Todes des V1. Hinsichtlich des Todes des V

    T müsste Tatentschluss hinsichtlich des Todes des V haben. T wollte den „lästi-

    gen Muskelprotz“ aus dem Weg räumen und hatte somit Tatentschluss.

    2. Hinsichtlich der Tötung durch einen anderen (Tatherrschaft)2. Hinsichtlich der Tötung durch einen anderen (Tatherrschaft)2. Hinsichtlich der Tötung durch einen anderen (Tatherrschaft)2. Hinsichtlich der Tötung durch einen anderen (Tatherrschaft)

    T hatte die Absicht, die Tat durch einen Dritten durchführen zu lassen, weil er

    sich nicht selbst „die Hände schmutzig machen“ wollte.

    Mittelbare Täterschaft setzt zum einen eine aus rechtlichen oder tatsächlichen

    Gründen unterlegene Stellung des als menschliches Werkzeug eingesetzten

    Tatmittlers und zum anderen die beherrschende Rolle des Hintermannes, der die

    Sachlage richtig erfasst und daher das Gesamtgeschehen kraft seines planvoll

    lenkenden Willens in der Hand hält, voraus. Der Hintermann kompensiert dieses

    „Minus“ kraft überlegenden Wissens oder Wollens und erlangt so die Tatherr-

    schaft24.

    D hatte keine Kenntnis von dem tödlichen Inhalt der Plastikflasche, er dachte es

    handele sich um ein frei verkäufliches Beruhigungsmittel. Er wollte demnach

    den V nicht töten. D unterlag einem Tatbestandsirrtum gem. § 16 I StGB. T

    wusste, dass in der Plastikflasche kein Beruhigungsmittel sondern 35%-ige

    Salzsäure war, so dass der Strafbarkeitsmangel des D durch das überlegene Wis-

    sen des T kompensiert wurde. Folglich schrieb sich T Tatherrschaft zu.

    3. Hinsichtlich Heimtücke3. Hinsichtlich Heimtücke3. Hinsichtlich Heimtücke3. Hinsichtlich Heimtücke

    Fraglich ist, ob T den Vorsatz hatte, die Tat durch V heimtückisch begehen zu

    lassen.

    24 Kindhäuser, AT, § 39 Rn. 5 ff.

  • 10

    Nach herrschender Meinung handelt heimtückisch, wer in feindseliger Willens-

    richtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt.

    Arglos ist, wer sich keines Angriffs seitens des Täters versieht. Aufgrund dieser

    Arglosigkeit muss das Opfer wehrlos sein, d.h. es darf keine oder nur eine redu-

    zierte Verteidigungsmöglichkeit besitzen25.

    V hätte nichts von der Salzsäure in seinem Getränk gewusst. Er versah sich also

    keines Angriffs auf sein Leben und war deshalb arg- und wehrlos. Dies wusste T

    und wollte daher durch D die Arg- und Wehrlosigkeit des V in feindlicher Wil-

    lensrichtung ausnutzen, mithin eine heimtückische Tatbegehung.

    Nach anderer Ansicht muss noch ein besonders verwerflichen Vertrauensbruch

    vorliegen26. Zwischen T und V bestand keine Vertrauensbeziehung und demnach

    liegt kein Vertrauensbruch vor. Somit wäre die Heimtücke abzulehnen.

    Für die zweite Ansicht spricht, dass die Mordmerkmale restriktiv auszulegen

    sind. Gegen sie spricht, dass der verwerfliche Vertrauensbruch keine festen Kon-

    turen aufweist. Weiterhin würde der Heckenschütze nie heimtückisch töten. Der

    ersten Ansicht wird der Vorzug gegeben. Demnach liegt Heimtücke vor.

    Hinweis: Innerhalb des Tatentschlusse können weitere Mordmerkmale wie das

    Vorliegen niedriger Beweggründe und oder Grausamkeit erörtert werden.

    IIIIIIIIIIII. Unmittelbares Ansetzen. Unmittelbares Ansetzen. Unmittelbares Ansetzen. Unmittelbares Ansetzen

    Es ist hier fraglich, wann der unmittelbare Täter unmittelbar ansetzt.

    Nach einer Ansicht besteht unmittelbares Ansetzen bereits dann, wenn der Hin-

    termann auf den Tatmittler einwirkt27. T hat D bereits die Plastikflasche mit der

    Anweisung übereicht, dass D dem V den Inhalt verabreichen solle. Folglich hat T

    unmittelbar angesetzt.

    Nach anderer Ansicht ist ein unmittelbares Ansetzen erst dann gegeben, wenn

    der Tatmittler unmittelbar ansetzt28. D ist erst auf dem Weg zu V und hat dem-

    25 BGH, NStZ 1985, 216. 26 Schönke/Schröder/Eser, § 211 Rn 26; Otto, JR 1991, 382 f.. 27 Baumann/Weber/Mitsch, § 29 Rn. 155. 28 Kühl, JuS 1983, 180 f.

  • 11

    nach noch nicht selbst unmittelbar zur Tat angesetzt. Somit ist ein unmittelba-

    res Ansetzen nicht gegeben.

    Nach dritter Ansicht liegt ein unmittelbares Ansetzen dann vor, wenn der mit-

    telbare Täter den Geschehensablauf in der Weise aus der Hand gegeben hat,

    dass er ohne längere zeitliche Unterbrechung unmittelbar in die Tatbestands-

    verwirklichung einmünden soll29. D ist bereits auf dem Weg zu einem Kneipen-

    besuch mit V und es sollte nach Vorstellung des T im Anschluss daran ohne län-

    gere zeitliche Zäsur zur Tatbestandsverwirklichung kommen. Folglich liegt ein

    unmittelbares Ansetzen vor.

    Die erste und die dritte Ansicht kommen zu dem gleichen Ergebnis, so dass ein

    Streitentscheid nur hinsichtlich der zweiten Meinung erforderlich ist. Gegen die

    zweite Ansicht spricht, dass sie keine konsequente Übertragung der Kriterien

    beinhaltet, die für das unmittelbare Ansetzen bei der Alleintäterschaft entwi-

    ckelt wurden30. Eine konsequente Übertragung gewährleistet jedoch die dritte

    Ansicht, weil bei der Alleintäterschaft ein unmittelbares Ansetzen bejaht wird,

    wenn der Alleintäter den von ihm in Gang gesetzten Kausalverlauf aus der Hand

    gegeben hat. Aus diesen Gründen wird die zweite Ansicht abgelehnt und T hat

    unmittelbar angesetzt.

    IV. RechtswidrigkeitIV. RechtswidrigkeitIV. RechtswidrigkeitIV. Rechtswidrigkeit

    T handelte rechtswidrig.

    V. SchuldV. SchuldV. SchuldV. Schuld

    T handelte schuldhaft.

    Hinweis: Es besteht kein Anlass, eine Rücktritt vom Versuch zu prüfen.

    VI. ErgebnisVI. ErgebnisVI. ErgebnisVI. Ergebnis

    T hat sich nach §§ 211, 22, 23 I, 25 I 2. Fall. StGB strafbar gemacht.

    B. TotschlagB. TotschlagB. TotschlagB. Totschlag in mittelbain mittelbain mittelbain mittelbarer Täterschaft an W gem. §§ 212rer Täterschaft an W gem. §§ 212rer Täterschaft an W gem. §§ 212rer Täterschaft an W gem. §§ 212, 25 I 2. Fall StGB, 25 I 2. Fall StGB, 25 I 2. Fall StGB, 25 I 2. Fall StGB

    T könnte sich wegen Totschlags in mittelbarer Täterschaft an W gemäß

    29 BGHSt 30, 363 f.; Wessels/Beulke, AT, Rn. 613. 30 BGHSt 30, 363 f.; Wessels/Beulke, AT, Rn. 613.

  • 12

    §§ 211, 25 I 2. Fall StGB strafbar gemacht haben, in dem er H bat, das Glas von

    V mit einem vermeintlichen Beruhigungsmittel zu versetzen, H aber aufgrund

    eines Irrtums das Mittel in das Glas von W füllte und dieser an den tödlichen

    Wirkungen des Mittels starb.

    I. TatbestandI. TatbestandI. TatbestandI. Tatbestand

    1. Tod eines Menschen1. Tod eines Menschen1. Tod eines Menschen1. Tod eines Menschen

    Ein anderer Mensch müsste tot sein. W verstirbt an den Wirkungen der Säure,

    ein anderer Mensch ist somit tot.

    2. Tatherrschaft 2. Tatherrschaft 2. Tatherrschaft 2. Tatherrschaft

    W verstirbt an den Wirkungen der Salzsäure, die ihm H in sein Bierglas getan

    hat. Das Handeln des H ist dem T nach § 25 I 2. Fall StGB zuzurechnen, da die-

    ser wieder kraft seines überlegenden Wissens die Tatherrschaft innehatte (s.o.).

    3333. Vorsatz . Vorsatz . Vorsatz . Vorsatz

    Ebenfalls müsste der Vorsatz vorliegen. H hatte unwissentlich einen anderen

    Menschen getötet, als er sollte.

    Fraglich ist allerdings angesichts des Umstandes, dass H eine andere Person

    getötet hat als die, die er töten sollte, ob dem Hintermann T der Tod von W zum

    Vorsatz zugerechnet werden kann. Der in der Person des Tatmittlers H vorlie-

    gende Irrtum könnte den Vorsatz des mittelbaren Täters T in Bezug auf den Tod

    von W ausschließen. H verhört sich bei dem Namen des Bekannten, dem er die

    Salzsäure verabreichen sollte. Er unterlag damit einem Identitätsirrtum, wenn

    auch nicht in der klassischen Form des error in persona, bei dem es um eine

    Objektsverwechselung im Zeitpunkt der Ausführungshandlung geht31.

    Dies vermag jedoch nichts an der rechtlichen Einordnung dieses Irrtums zu än-

    dern, weil es keinen Unterschied macht, ob der Tatmittler bereits vor dem un-

    mittelbaren Ansetzen seiner Handlung abirrt oder währenddessen. Die Fehlvor-

    stellung des H ist demnach als error in persona vel objecto zu behandeln32.

    Umstritten ist, wie sich dieser Irrtum des H auf die Strafbarkeit des Hinterman-

    nes T auswirkt.

    31 Tröndle/Fischer, StGB, § 16 Rn. 5. 32 Schönke/Schröder/Cramer/Heine, § 25 Rn. 53.

  • 13

    Eine Ansicht stellt darauf ab, dass der Tatmittler i.S.d. § 25 I 2. Fall StGB als

    menschliches Werkzeug anzusehen ist und wird einem mechanischen gleichges-

    tellt. Verfehlt also der Tatmittler aufgrund eines error in persona das vom Hin-

    termann anvisierte Objekt, führt dies beim mittelbaren Täter zu einer aberratio

    ictus33. Danach müsste eine Strafbarkeit wegen Versuchs bzgl. des durch T anvi-

    sierten Objektes V und Fahrlässigkeit hinsichtlich des getroffenen Objekts in

    Betracht kommen.

    Hinweis: Das Vorgenannte gilt, wenn und soweit der überwiegenden Auffassung

    zu den Auswirkungen einer aberratio ictus auf den Vorsatz gefolgt wird.

    Nach überwiegender Ansicht wirkt sich nicht jeder Identitätsirrtum des Tatmitt-

    lers als aberratio ictus für den Hintermann aus. Es ist vielmehr eine weitere Un-

    terscheidung bezüglich der Zuständigkeit für die Individualisierung vorzuneh-

    men34.

    Wenn der mittelbare Täter dem Werkzeug die Individualisierung überlässt, dann

    ist der error in persona des Tatmittlers dem mittelbaren Täter zuzurechen. Denn

    wenn der Hintermann dem Tatmittler die Individualisierung des Tatobjekts auf-

    grund bestimmter Charakteristika überlässt, dann muss er sich auch die Aus-

    wahlfehler des Tatmittlers zurechnen lassen.

    Liegt hingegen die Individualisierung beim mittelbaren Täter, dann ist der error

    in persona vel objecto des Tatmittler als aberratio ictus für den mittelbaren Tä-

    ter zu behandeln. H sollte nach den Anweisungen des T dem V das angebliche

    Beruhigungsmittel verabreichten. Damit war das Tatobjekt so genau individuali-

    siert, dass keine Auswahlbefugnis mehr bestand.

    Somit liegt auch nach der zweiten Ansicht eine aberratio icuts vor, so dass eine

    Stellungnahme entbehrlich ist.

    T hatte keinen Vorsatz bezüglich der Tötung des W.

    Der Tatbestand ist nicht erfüllt.

    33 Jescheck/Weigend, AT, § 62 III 2. 34 Schönke/Schröder/Cramer/Heine, § 25 Rn. 52; Streng, JuS 1991, 910 (916); Puppe, NStZ 1991,

    124.

  • 14

    II. ErgebnisII. ErgebnisII. ErgebnisII. Ergebnis

    T hat sich nicht nach §§ 212, 25 I 2. Fall StGB strafbar gemacht.

    CCCC.... VersuchVersuchVersuchVersuchter Mord in mittelbarer Täterschaft an V, §§ 211, 22, 23 I, 25 I 2. Fall ter Mord in mittelbarer Täterschaft an V, §§ 211, 22, 23 I, 25 I 2. Fall ter Mord in mittelbarer Täterschaft an V, §§ 211, 22, 23 I, 25 I 2. Fall ter Mord in mittelbarer Täterschaft an V, §§ 211, 22, 23 I, 25 I 2. Fall

    StGBStGBStGBStGB

    Indem T den H anweist, dem V Salzsäure als angebliches Beruhigungsmittel zu

    verabreichen, könnte er sich des versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft

    strafbar gemacht haben.

    I. Vorprüfung I. Vorprüfung I. Vorprüfung I. Vorprüfung

    T ist nicht wegen eines vollendeten Tötungsdelikts strafrechtrechtlich verant-

    wortlich, weil ihm der eingetretene Tod von W nicht zum Vorsatz zugerechnet

    werden kann (s.o.). Der Versuch des § 211 StGB ist nach §§ 12, 23 I StGB straf-

    bar.

    IIIIIIII. Tatenschluss . Tatenschluss . Tatenschluss . Tatenschluss

    T hatte Tatenschluss, den V in mittelbarer Täterschaft heimtückisch zu töten

    (s.o.).

    III. Unmittelbares Ansetzen III. Unmittelbares Ansetzen III. Unmittelbares Ansetzen III. Unmittelbares Ansetzen

    Ein unmittelbares Ansetzen des T ist bereits gegeben, als D sich mit der Plastik-

    flasche auf den Weg zu einem Kneipenbesuch mit V macht (s.o.).

    IV. RechtswIV. RechtswIV. RechtswIV. Rechtswidrigkeitidrigkeitidrigkeitidrigkeit

    T handelte rechtwidrig.

    V. SchuldV. SchuldV. SchuldV. Schuld

    T handelte ebenfalls schuldhaft.

    VI. ErgebnisVI. ErgebnisVI. ErgebnisVI. Ergebnis

    T ist nach §§ 211, 22, 23 I, 25 I 2. Fall StGB strafbar.

    D. Fahrlässige Tötung an W, § 222 StGBD. Fahrlässige Tötung an W, § 222 StGBD. Fahrlässige Tötung an W, § 222 StGBD. Fahrlässige Tötung an W, § 222 StGB

    Weiterhin könnte T sich aufgrund des bereits unter B. geschilderten Verhaltens

    der fahrlässigen Tötung an W strafbar gemacht haben.

    I. TatbestandI. TatbestandI. TatbestandI. Tatbestand

    1. Eintritt des tatbestandlichen Erfolges1. Eintritt des tatbestandlichen Erfolges1. Eintritt des tatbestandlichen Erfolges1. Eintritt des tatbestandlichen Erfolges

    W ist gestorben, der tatbestandliche Erfolg ist somit eingetreten.

  • 15

    2. Kausalität2. Kausalität2. Kausalität2. Kausalität

    Die Handlung des T müsste auch kausal für den Todeseintritt bei W gewesen

    sein. Kausal ist eine Handlung für den Erfolg, wenn sie nicht hinweggedacht

    werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele (conditio

    sine qua non- Formel)35. Die 35%-ige Salzsäure war conditio- sine- qua- non

    für den Todeseintritt bei W.

    3. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung 3. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung 3. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung 3. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung

    Fraglich ist, ob eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorher-

    sehbarkeit des Erfolges und des wesentlichen Kausalverlaufs vorliegt.

    Es ist objektiv sorgfaltswidrig, eine Plastikflasche mit 35%-ige Salzsäure in den

    Verkehr zu bringen.

    Problematisch ist jedoch die objektive Vorhersehbarkeit. Objektiv voraussehbar

    ist, was ein umsichtig handelnder Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters

    unter den jeweils gegebenen Umständen auf Grund der allgemeinen Lebenser-

    fahrung in Rechnung stellen würde36. Es war für T nicht vorhersehbar, dass sich

    H verhört und die Salzsäure in das Glas von W mischt. Somit scheidet eine ob-

    jektive Vorhersehbarkeit aus.

    Hinweis: Eine andere Ansicht ist gleichermaßen vertretbar.

    Der Tatbestand ist nicht erfüllt.

    IIIIIIII. Ergebnis. Ergebnis. Ergebnis. Ergebnis

    T ist nicht nach § 222 StGB strafbar.

    E. ErgebnisE. ErgebnisE. ErgebnisE. Ergebnis

    T hat sich des versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft an V durch das Los-

    schicken des D strafbar gemacht.

    Weiterhin hat sich T des versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft an V

    durch die Anweisung an H strafbar gemacht.

    35 BGHSt 49, 1 (3ff.). 36 Wessels/Beulke, AT, Rn. 667 ff.

  • 16

    3. Tatkomplex: Der Schokoladenpudding3. Tatkomplex: Der Schokoladenpudding3. Tatkomplex: Der Schokoladenpudding3. Tatkomplex: Der Schokoladenpudding

    A. Totschlag, § 212 I StGBA. Totschlag, § 212 I StGBA. Totschlag, § 212 I StGBA. Totschlag, § 212 I StGB

    Indem M die O dazu brachte, den versalzenen Schokoladenpudding zu essen,

    könnte sie sich wegen eines Totschlags nach § 212 I StGB strafbar gemacht

    haben.

    I. TatbestandI. TatbestandI. TatbestandI. Tatbestand

    1111. Tod eines Menschen/ Kausalität/Objektive Zurechnung. Tod eines Menschen/ Kausalität/Objektive Zurechnung. Tod eines Menschen/ Kausalität/Objektive Zurechnung. Tod eines Menschen/ Kausalität/Objektive Zurechnung

    O ist durch die Anweisung der M gestorben. Dies war ihr auch objektiv zure-

    chenbar. Der objektive Tatbestand ist erfüllt.

    2222. Subjektiver Tatbestand. Subjektiver Tatbestand. Subjektiver Tatbestand. Subjektiver Tatbestand

    Fraglich ist, ob M auch vorsätzlich handelte. Vorsatz ist der Wille zur Verwirkli-

    chung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstän-

    de37. Es könnte dolus eventualis in Betracht kommen. Beim Eventualvorsatz hält

    der Täter es ernstlich für möglich und findet sich damit ab, dass sein Verhalten

    zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes führt38. M nimmt zwar billi-

    gend in Kauf, dass es der O nach dem Verzehr des Puddings schlecht geht, je-

    doch weiß sie weder, wie viel Salz genau in der Speise war, noch dass die Auf-

    nahme von 0.5 bis 1 g Kochsalz pro Kilogramm Körpergewicht zum Tode führt.

    Dadurch fehlt sogar jeder Anhaltspunkt für das Vorliegen von dolus eventualis.

    M handelte nicht vorsätzlich. Der Tatbestand ist nicht erfüllt.

    II. ErgebnisII. ErgebnisII. ErgebnisII. Ergebnis

    M hat sich nicht gem. § 212 I StGB des Totschlags strafbar gemacht.

    Hinweis: Es könnte auch ein Totschlag in mittelbarer Täterschaft nach §§ 212 I,

    25 I 2. Fall StGB geprüft werden.

    Denn der Tod der O ist erst durch ihre Mitwirkung, das Essen der Speise, einget-

    reten und nicht durch den Zwang der M auf die O. M hätte dann das Opfer O als

    Werkzeug gegen sich selbst verwendet.

    37 Wessels/Beulke, AT, Rn. 203. 38 Wessels/Beulke, Rn. 214.

  • 17

    Dieser Tatbestand scheitert ebenfalls am fehlenden Vorsatz der M.

    B. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 1, 5 StGBB. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 1, 5 StGBB. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 1, 5 StGBB. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 1, 5 StGB

    Indem M die O zwang die versalzene Süßspeise zu essen, könnte sie sich der

    gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223 I, 224 I Nr. 1, 5 StGB strafbar ge-

    macht haben.

    I. TatbestandI. TatbestandI. TatbestandI. Tatbestand

    1111. Grundtat. Grundtat. Grundtat. Grundtatbestand des § 223 I StGBbestand des § 223 I StGBbestand des § 223 I StGBbestand des § 223 I StGB

    Der Grundtatbestand des § 223 I StGB müsste erfüllt sein.

    a. Körperliche Misshandlunga. Körperliche Misshandlunga. Körperliche Misshandlunga. Körperliche Misshandlung

    O müsste körperlich misshandelt worden sein. Körperliche Misshandlung ist jede

    üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden oder die

    körperliche Integrität mehr als nur unerheblich beeinträchtigt39.

    Die Anweisung, den Pudding zu essen, ist eine üble und unangemessene Be-

    handlung. Diese hat bei O zu Übelkeit, Erbrechen und starken Durchfall geführt

    und beeinträchtigt das körperliche Wohlbefinden der O. Folglich wurde O kör-

    perlich misshandelt.

    b. Gesundheitsschädigungb. Gesundheitsschädigungb. Gesundheitsschädigungb. Gesundheitsschädigung

    Weiterhin könnte O an der Gesundheit geschädigt worden sein. Gesundheits-

    schädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen Zustandes40.

    Die bei O festgestellte Kochsalzintoxikation ist ein pathologischer Zustand, so

    dass O ebenfalls an der Gesundheit geschädigt wurde.

    c. Kausalitätc. Kausalitätc. Kausalitätc. Kausalität

    M müsste die körperliche Misshandlung und die Gesundheitsschädigung der M

    durch eine eigene und kausale Handlung hervorgerufen haben. Kausal ist eine

    Handlung für den Erfolg, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne

    dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele (conditio sine qua non- For-

    mel)41. Hätte M die O nicht gezwungen, den versalzenen Schokoladenpudding

    39 BGHSt 14, 269. 40 BGH, NJW 1960, 2253; Schönke/Schröder/Eser, § 223 Rn. 5. 41 BGHSt 49, 1 (3 ff.).

  • 18

    zu essen, dann wäre es bei O nicht zu Übelkeit, Erbrechen und Durchfall ge-

    kommen. Somit war die Handlung der M kausal für den Erfolg.

    Der Grundtatbestand des § 223 StGB ist erfüllt.

    2222. Qualifikation nach § 224 StGB. Qualifikation nach § 224 StGB. Qualifikation nach § 224 StGB. Qualifikation nach § 224 StGB

    Ebenfalls könnte M den Qualifikationstatbestand des § 224 StGB verwirklicht

    haben.

    a. Beibringen von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, a. Beibringen von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, a. Beibringen von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, a. Beibringen von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,

    § 224 I Nr. 1 StGB§ 224 I Nr. 1 StGB§ 224 I Nr. 1 StGB§ 224 I Nr. 1 StGB

    Das Salz könnte Gift oder ein anderer gesundheitsschädlicher Stoff sein.

    Unter Gift fallen die organischen oder anorganischen Stoffe, die chemisch oder

    chemisch-physikalisch wirken. 42

    Zu den anderen gesundheitsschädlichen Stoffen zählen namentlich alle, die

    mechanisch oder thermisch wirken. Unerheblich ist, ob es sich um feste, flüssige

    oder gasförmige Materien handelt43.

    Fraglich ist jedoch, ob es sich bei einem Stoff des alltäglichen Bedarfs – wie

    Salz – um Gift oder einen gesundheitsschädlichen Stoff handelt.

    § 224 I Nr. 1 StGB setzt entgegen seiner Vorgängervorschrift des § 229 I StGB in

    der Fassung vor Inkrafttreten des 6. Strafrechtsreformgesetzes nicht mehr vor-

    aus, dass das Gift oder die ihm gleichgestellten Stoffe die Gesundheit zu zerstö-

    ren geeignet sind. Ebenfalls wird auch durch die Beibringung nicht mehr die

    verursachte Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung verlangt44.

    Es genügt für den objektiven Tatbestand bereits die Gesundheitsschädlichkeit

    des Stoffes, dessen Beibringung das Opfer im Sinne des § 223 StGB an der Ge-

    sundheit schädigt. Die Substanz muss nach ihrer Art und dem konkreten Einsatz

    zur erheblichen Gesundheitsschädigung geeignet sein.

    Danach werden, wie auch bei der Rechtsprechung zum gefährlichen Werkzeug

    gem. § 224 I StGB, auch an sich unschädliche Stoffe des täglichen Bedarfs er-

    fasst, wenn ihre Beibringung nach Art der Anwendung oder Zuführung des Stof-

    fes, seiner Menge oder Konstitution, nach dem Alter und der Konstitution des

    42 Rengier, BT II, § 14 Rn. 5. 43 Schönke/Schröder/Stree, § 224 Rn. 2c. 44 BGHSt 51, 18 (22).

  • 19

    Opfers mit der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung im Einzelfall

    verbunden ist45. Durch das Zuführen des versalzenen Puddings und der bei der

    erst vierjährigen O entstandenen Kochsalzintoxikation mit tödlichem Ende liegt

    eine erhebliche Schädigung im Einzelfall vor.

    Damit ist die Qualifikation des § 224 I Nr. 2 StGB erfüllt.

    b. Lebensgefährdende Behandlung, § 224 I Nr. 5 StGBb. Lebensgefährdende Behandlung, § 224 I Nr. 5 StGBb. Lebensgefährdende Behandlung, § 224 I Nr. 5 StGBb. Lebensgefährdende Behandlung, § 224 I Nr. 5 StGB

    Ebenfalls könnte durch die Anweisung den versalzenen Pudding zu essen, eine

    lebensgefährdende Behandlung im Sinne von § 224 I Nr. 5 StGB vorliegen.

    Eine das Leben gefährdende Behandlung liegt vor, wenn die Begehungsweise

    der Tat nach den konkreten Umständen objektiv geeignet war, das Opfer in Le-

    bensgefahr zu bringen46.

    Es ist umstritten, ob die tatsächlich erlittene Verletzung konkret lebensgefähr-

    lich sein muss. Nach einer Ansicht ist § 224 I Nr. 5 StGB bereits bei einer ab-

    strakten47 Gefahr, nach anderer Ansicht erst bei Eintritt einer konkreten48 Ge-

    fahr erfüllt ist. Jedoch ist die O an der Behandlung gestorben, so dass auch nach

    der engeren Auffassung, die eine konkrete Gefahr voraussetzt, eine das Leben

    gefährdende Behandlung vorliegt.

    Der objektive Tatbestand ist erfüllt.

    3333. Subjektiver Tatbestand. Subjektiver Tatbestand. Subjektiver Tatbestand. Subjektiver Tatbestand

    M müsste ebenfalls vorsätzlich gehandelt haben, und zwar hinsichtlich des

    Grunddelikts, als auch hinsichtlich der qualifizierenden Merkmale.

    a. Vorsatz bzgl. § 223 I StGBa. Vorsatz bzgl. § 223 I StGBa. Vorsatz bzgl. § 223 I StGBa. Vorsatz bzgl. § 223 I StGB

    M wusste, dass der versalzene Pudding bei O zu Magenverstimmungen, Bauch-

    schmerzen oder Unwohlsein führen wird und wollte dies. Demnach handelte sie

    vorsätzlich.

    b. Vorsatz bzgl. § 224 I Nr. 1, 5 StGBb. Vorsatz bzgl. § 224 I Nr. 1, 5 StGBb. Vorsatz bzgl. § 224 I Nr. 1, 5 StGBb. Vorsatz bzgl. § 224 I Nr. 1, 5 StGB

    Fraglich ist, ob M vorsätzlich hinsichtlich der Beibringung von Gift oder anderen

    gesundheitsschädlichen Stoffen (§ 224 I Nr. 1 StGB) handelte. M war weder

    45 BGHSt 51, 18 (22 f.). 46 BGHSt 2, 160 (163). 47 BGH, NStZ 2004, 618; BGH NStZ 2005, 156 (157). 48 Schönke/Schröder/Stree, § 224 Rn. 12; Stree, Jura 1980, 281 (291 f.).

  • 20

    bekannt, wie viel Salz genau in dem Pudding war, noch die Folgen der Salzauf-

    nahme. Jedoch nahm sie eine Beeinträchtigung des physischen Wohlbefindens

    und auch weitergehende gesundheitliche Schädigungen (Bauchschmerzen,

    Übelkeit) in Kauf. Diese gesundheitlichen Schädigungen können, zumal bei ei-

    nem vierjährigen Kind, auch pathologischer Art sein und damit dem Begriff der

    Gesundheitsschädigung im Sinne von § 223 I StGB entsprechen. Es ist unerheb-

    lich, ob dieser Zustand dauerhaft oder vorübergehend ist49. Ebenfalls für ein

    vorsätzliches Handeln der M spricht, dass sich O gegen die Anweisung der M

    sträubt und den Pudding nur widerwillig isst. Der dadurch hervorgerufene pa-

    thologische Zustand der O war der M egal und sie hat ihn gebilligt50. Demnach

    handelte M vorsätzlich hinsichtlich der gefährlichen Körperverletzung nach §§

    223 I, 224 I Nr. 1 StGB.

    M könnte ebenfalls vorsätzlich hinsichtlich einer lebensgefährlichen Behand-

    lung nach § 224 I Nr. 5 StGB gehandelt haben. Es gibt keine Anhaltspunkte,

    dass M auch nur die abstrakte Möglichkeit gesehen hat, dass O durch den Ver-

    zehr des versalzenen Puddings sterben würde. Demnach ist ein Vorsatz bzgl. §

    224 I Nr. 5 StGB nicht vorhanden.

    II. RechtswidrigkeitII. RechtswidrigkeitII. RechtswidrigkeitII. Rechtswidrigkeit

    Das Handeln der M müsste rechtswidrig sein. M wies die O aus erzieherischen

    Gründen an, den Pudding zu essen, so dass an eine Rechtfertigung durch Züch-

    tigungsrecht zu denken ist.

    Nach § 1631 II 2 BGB sind jedoch körperliche Bestrafungen, seelische Verlet-

    zungen und andere entwürdigende Maßnahmen gegenüber Kindern unzulässig.

    Damit wird nach herrschender Meinung ein Züchtigungsrecht generell ausge-

    schlossen51. Eine Mindermeinung sieht noch die Möglichkeit der Rechtfertigung

    einer körperlichen Züchtigung, wenn es sich um eine mäßige Misshandlung

    handelt52 bzw. die körperliche Bestrafung nicht entwürdigend ist53. Allerdings

    49 BGHSt 51, 18 (23). 50 BGHSt 51, 18 (23). 51 Fischer, § 223 Rn. 18 f.; Roxin, JuS 2004, 177 (179). 52 Roellecke, NJW 1999, 337 (3389: 53 Lackner/Kühl, § 223 Rn. 4..

  • 21

    setzt auch nach der Mindermeinung ein Recht zur Züchtigung voraus, dass

    durch die Züchtigung das Kind vor zukünftigem gefährlichen Benehmen und

    selbstzerstörerischen Aktionen bewahrt werden soll. Körperliche Züchtigung ist

    unzulässig bei bereits begangenen Fehlverhalten oder als Abschreckung für die

    Zukunft54. M zwang die O die versalzene Speise zu essen, um sie für das vorhe-

    rige Verhalten zu bestrafen, so dass auch nach der Minderheitsmeinung eine

    Rechtfertigung aufgrund des Züchtigungsrechts ausgeschlossen ist. M handelte

    rechtswidrig.

    III. SchuldIII. SchuldIII. SchuldIII. Schuld

    M handelte auch schuldhaft.

    IV. ErgebnisIV. ErgebnisIV. ErgebnisIV. Ergebnis

    M ist strafbar gem. §§ 223, 224 I Nr. 1 StGB.

    C. Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 I StGBC. Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 I StGBC. Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 I StGBC. Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 I StGB

    M könnte sich durch die Anweisung an O, den versalzenen Pudding zu essen,

    ebenfalls wegen Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 I StGB strafbar

    gemacht haben.

    I. TatbestandI. TatbestandI. TatbestandI. Tatbestand

    1. Grunddelikt1. Grunddelikt1. Grunddelikt1. Grunddelikt

    M hat den objektiven und subjektiven Tatbestand der einfachen Körperverlet-

    zung verwirklicht.

    2. Qualifikation2. Qualifikation2. Qualifikation2. Qualifikation

    Fraglich ist, ob auch die Qualifikation des § 227 StGB erfüllt ist.

    a. Eintritt der schweren Folgea. Eintritt der schweren Folgea. Eintritt der schweren Folgea. Eintritt der schweren Folge

    Die schwere Folge des § 227 StGB müsste erfüllt sein, also ein anderer Mensch

    müsste tot sein. O ist tot und somit ist die schwere Folge des § 227 I StGB ein-

    getreten.

    b. Kausalität des Grunddelikts für die schwere Folgeb. Kausalität des Grunddelikts für die schwere Folgeb. Kausalität des Grunddelikts für die schwere Folgeb. Kausalität des Grunddelikts für die schwere Folge

    Der Täter muss durch die Körperverletzung den Tod des Opfers verursacht ha-

    ben. Die Körperverletzung durch den Zwang zum Verzehr des versalzenen Pud-

    54 Schönke/Schröder/Eser, § 223 Rn. 21 f..

  • 22

    dings kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Tod der T infolge der

    Kochsalzintoxikation entfällt. Demnach ist das Grunddelikt kausal für die

    schwere Folge.

    c. Unmittelbarkeitszusammenhang. c. Unmittelbarkeitszusammenhang. c. Unmittelbarkeitszusammenhang. c. Unmittelbarkeitszusammenhang.

    Die schwere Folge darf nicht nur zufällig durch das Grunddelikt verwirklicht

    werden, sondern sie muss das Resultat einer typischen Gefahr des Grunddelikts

    sein (Unmittelbarkeitszusammenhang oder deliktsspezifischer Gefahrzusam-

    menhang)55. Umstritten ist, ob für das Vorliegen des Unmittelbarkeitszusam-

    menhangs erforderlich ist, dass der Tod des Opfers aus dem Erfolg des Grundde-

    likts resultiert56 oder ob es ausreicht, wenn die Handlung des Grunddelikts die

    schwere Folge herbeiführt57. O ist an der Kochsalzintoxikation gestorben und

    somit an den Auswirkungen der Gesundheitsschädigung. Folglich ist nach bei-

    den Meinungen ein Unmittelbarkeitszusammenhang gegeben.

    d. Fahrlässigkeit d. Fahrlässigkeit d. Fahrlässigkeit d. Fahrlässigkeit

    Nach § 18 StGB muss der Täter bei eine Erfolgsqualifikation wie § 227 StGB

    hinsichtlich der Herbeiführung der schweren Folge wenigstens fahrlässig han-

    deln. Fahrlässig handelt, wer sich objektiv sorgfaltswidrig verhält, sofern auch

    der konkrete Erfolg und der wesentliche Kausalverlauf objektiv vorhersehbar

    waren58. Die Sorgfaltswidrigkeit und die Vermeidbarkeit bei der Körperverlet-

    zung mit Todesfolge ergibt sich schon aus der vorsätzlichen Begehung der

    Grunddelikte der §§ 223 f. StGB, so dass hier nur die Vorhersehbarkeit des tödli-

    chen Erfolges alleiniges Merkmal der subjektiven Fahrlässigkeitsprüfung ist59.

    Wichtig ist, ob der Täter in der konkreten Lage nach seinen persönlichen Kenn-

    tnissen und Fähigkeiten den Eintritt des Todes des Opfers voraussehen konnte

    oder ob die tödliche Gefahr für das Opfer so weit außerhalb der Lebenswahr-

    scheinlichkeit lag, dass die qualifizierende Folge dem Täter deshalb nicht zuzu-

    55 BGHSt 48, 34 (37); Fischer, § 227 Rn. 3. 56 Roxin, AT 1, § 10 Rn. 115 f..; Lackner/Kühl, § 227 Rn. 2. 57 BGHSt 14, 110 (112); Rengier, BT II, § 16 Rn. 4. 58 Fischer, § 227 Rn. 7. 59 BGHSt 51, 18 (21).

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    rechnen ist.60 M besaß keine Kenntnis davon, dass bereits geringe Mengen an

    Kochsalz bei einem kleinen Kind lebensgefährliche Vergiftungserscheinungen

    hervorruft. Dieses Wissen ist wenig verbreitet und gehört keinesfalls zur medizi-

    nischen Kenntnis, welche sich fast jede Mutter über kurz oder lang aneignet61.

    In Ermangelung der Vorhersehbarkeit des konkreten Erfolges ist somit die erfor-

    derliche vorwerfbare Verursachung des Erfolges des § 227 I StGB nicht gegeben.

    Der Tatbestand des § 227 StGB ist nicht erfüllt.

    II. ErgebnisII. ErgebnisII. ErgebnisII. Ergebnis

    M ist nicht nach § 227 StGB strafbar.

    D. Fahrlässige Tötung, § 222 StGBD. Fahrlässige Tötung, § 222 StGBD. Fahrlässige Tötung, § 222 StGBD. Fahrlässige Tötung, § 222 StGB

    Eine Strafbarkeit der M nach § 222 StGB durch den Zwang auf die O, den Pud-

    ding zu essen, scheitert ebenfalls an der fehlenden Vorhersehbarkeit.

    E. ErgebnisE. ErgebnisE. ErgebnisE. Ergebnis

    M hat sich nach §§ 223, 224 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht.

    60 BGHSt 31, 96 (100); BGH NStZ 1997, 82 f.; BGHSt 51, 18 (10). 61 BGHSt 51, 18 (10).