10
Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger Gottes Nähe und Gottes Ferne. Das Ringen um die wahre Kirche und die rechte Gottesbeziehung zwischen konfessionellem Zeitalter und Aufklärung § 8 Reichskirchlicher Episkopalismus – Febroniansimus

Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger Gottes Nähe und Gottes Ferne. Das Ringen um die wahre Kirche und die rechte Gottesbeziehung zwischen konfessionellem

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger Gottes Nähe und Gottes Ferne. Das Ringen um die wahre Kirche und die rechte Gottesbeziehung zwischen konfessionellem

Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger

Gottes Nähe und Gottes Ferne. Das Ringen um die wahre Kirche und die rechte Gottesbeziehung zwischen konfessionellem Zeitalter und Aufklärung

§ 8 Reichskirchlicher Episkopalismus – Febroniansimus

Page 2: Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger Gottes Nähe und Gottes Ferne. Das Ringen um die wahre Kirche und die rechte Gottesbeziehung zwischen konfessionellem

2

Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger

I. Episkopalismus als Grundtendenz historischer Ekklesiologie

1.Begriff• Gemeinsamkeit episkopalistischer

Auffassungen : Aufgrund göttlichen Rechts steht und fällt die Kirchenverfassung mit dem Bischofsamt. Ununterbrochene successio at traditio

• Bischofskollegium bildet Grundstruktur der Kirche, nicht allein der Bischof von Rom

• Episkopalismus als Grundlage der konziliaren Ideen

Page 3: Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger Gottes Nähe und Gottes Ferne. Das Ringen um die wahre Kirche und die rechte Gottesbeziehung zwischen konfessionellem

3

Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger

2. Kurzer historischer Überblick• Für die alte Kirche: Episkopalsystem als gottgewollte Verfassung schlechthin

(vgl. Vorrede Eusebius von Caesarea, H.E.)• Episkopalismus des lat. Westens: Schlüsselgewalt dem Bischofsamt

verliehen, Rom aber gewisser (umstrittener) Vorrang (vgl. die Kirche von Nordafrika); Nach dem Untergang des röm. Reiches: landeskirchlich geprägte Kirchensysteme

• Das Mittelalter ist gekennzeichnet durch eine Ausweitung der papalen Theorie, die immer stärker auf einen universellen Jurisdiktionsprimat hinauslief; Konziliarismus als Gegenströmung

• Konzil von Trient: Episkopalisten und Papalisten hielten sich die Waage; Gegenreformation: die dazu notwendige Geschlossenheit des Katholizismus machten zunächst eine stärkere Ausprägung des Episkopalismus unmöglich

• Im Laufe des 17. Jh. wurde dieser wieder stärker, in Frankreich u.a. im Rahmen des sog. Gallikanismus, in Deutschland im Rahmen des reichskirchlichen Episkopalismus (Febronianismus)

Page 4: Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger Gottes Nähe und Gottes Ferne. Das Ringen um die wahre Kirche und die rechte Gottesbeziehung zwischen konfessionellem

4

Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger

II. Reichskirchlicher Episkopalismus • Konsolidierung der Reichskirche nach dem Ende des

Dreißigjährigen Krieges• Streitigkeiten mit den Nuntien in Köln, Wien und Luzern

sowie mit der römischen Kurie wegen Verletzungen des Wiener Konkordats, der erzbischöflichen Indulte für die päpstlichen Monate, der Quinquenalfakultäten, der konkurrierenden Gerichtsbarkeit der Nuntien, der Annaten, Konfirmationsgebühren, Palliengelder, Exemptionen usw.

• Erstes Zentrum war der Mainzer Hof unter Johann Philipp von Schönborn: viele Konvertiten: 1660 Unionsplan

• Erster Höhepunkt: Gravamina der drei rheinischen Kurfürst-Erzbischöfe von 1673

Page 5: Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger Gottes Nähe und Gottes Ferne. Das Ringen um die wahre Kirche und die rechte Gottesbeziehung zwischen konfessionellem

5

Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger

1. „Der Febronius“ 1763 •Kaiserwahl Karls VII. 1742 : Diskussion um den Artikel 14 der

kaiserlichen Wahlkapitulation (Konkordate, Beschwerden gegen Kurie)

•Trierer Weihbischof Nikolaus von Hontheim (1701-1790), 1748 Weihbischof, kurfürstlicher Generalvikar und Prokanzler der Universität Trier.

•1763 erschien unter dem Pseudonym Justinus Febronius ein Buch über den Zustand der Kirche und die Möglichkeit einer Union mit den Protestanten und den Ostkirchen

•Inhalt: Anerkennung eines recht verstandenen römischen Primats; Hinweise auf bestehende Missstände, insbesondere bzgl. des Papsttums; Aufforderung zur Reform als Vorraussetzung der erstrebten Wiedervereinigung

Page 6: Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger Gottes Nähe und Gottes Ferne. Das Ringen um die wahre Kirche und die rechte Gottesbeziehung zwischen konfessionellem

6

Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger

Inhalt:• Kapitel 1 über die äußere Regierungsform, die Christus in seiner

Kirche eingeführt hat• Kapitel 2 über den Primat in der Kirche und seine genuinen Rechte • Kapitel 6 über die Generalkonzilien• Kapitel 7 über die Autorität der Bischöfe aus göttlichem Recht• Kapitel 8 über die Freiheit der Kirche und deren Wiederherstellung• Kapitel 9 über die Mittel, die Freiheit der Kirche wieder zu erlangen

Ziel: stiftungsgemäße Kirche wiederherstellen1764 kommt „Febronius“ auf den Index; 1769 erzwungener Widerruf

Page 7: Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger Gottes Nähe und Gottes Ferne. Das Ringen um die wahre Kirche und die rechte Gottesbeziehung zwischen konfessionellem

7

Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger

2. Koblenzer Gravamina von 1769

•Reaktion des reichskirchlichen Episkopalismus auf Nuntiaturstreitigkeiten.

•Allianz der Kurfürsten von Mainz und Köln in der Reichskirche gegen den Papst

•Die anderen Kurfürsten lehnten mit dem Motto ab: Lieber ein starker Papst in Rom als ein starker Erzbischof vor der Haustür

•Aufstellung der Gravamina von Vertretern von Kurmainz, Kurköln und Trier, die sich an den Kaiser mit der Bitte richteten, er möge der deutschen Kirche ihre angestammte Freiheit wiedergeben.

•Scheitern: Trierer Kurfürstbischof schied aus der Allianz aus, keine Unterstützung des episkopalen Reformprogramms durch Kaiser Joseph II.

Page 8: Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger Gottes Nähe und Gottes Ferne. Das Ringen um die wahre Kirche und die rechte Gottesbeziehung zwischen konfessionellem

8

Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger

3. Die Emser Punktation 1786

•Letzter Höhepunkt des Febronianismus in Deutschland•Auslöser: zahlreiche Konflikte zwischen der Reichskirche in

Rom, aber vor allem das bayrische Staatskirchentum: 1786 Errichtung der Münchener Nuntiatur und Ernennung des „Hardliners“ Bartolomeo Pacca zum Nuntius in Köln

•Treffen der vier deutschen Erzbischöfe (Salzburg, Mainz, Trier und Köln) in Bad Ems. Verabschiedung der Emser Punktuation 1786, welche die Gravamina, die Koblenzer Gravamina und den Febronius rezipierten

Page 9: Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger Gottes Nähe und Gottes Ferne. Das Ringen um die wahre Kirche und die rechte Gottesbeziehung zwischen konfessionellem

9

Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger

a) Die wesentlichen Bestimmungen der Emser Punktation

•Kaiser als Vogt der Kirche soll die alten Freiheiten wiederherstellen und die Reichskirche schützen. Papst ist zwar Oberhaupt und Primas der ganzen Kirche, aber nur in dem Maße, wie er seine Primatsrechte in den ersten Jahrhunderten, also vor den pseudo-isidorischen Dekretalen ausgeübt hat.

•Emser Punktuation wurde als vorläufiges Programm verstanden bis zum Zusammentritt eines Nationalkonzils. Zunächst positive Aufnahme, dann wurde schnell deutlich, dass sie scheitern würde

Page 10: Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger Gottes Nähe und Gottes Ferne. Das Ringen um die wahre Kirche und die rechte Gottesbeziehung zwischen konfessionellem

10

Prof. Dr. Hubert Wolf / PD Dr. Klaus Unterburger

b) Gründe für das Scheitern 1. Fehlende Unterstützung durch Kaiser Joseph II.2. Furcht der meisten Bischöfe vor einer Aufwertung der Erzbischöfe 3. Front der Erzbischöfe bricht auseinander; Ausscheiden des Mainzer

Erzbischofs4. Erzbischof von Trier scheidet als zweiter aus, so dass nur noch die

Erzbischöfe von Köln und Salzburg übrig blieben5. Öffentliche Interesse richtete sich auf frz. Revolution

• Bischöfe in D aus selbstbewusstem Adel. Insgesamt war die episkopale Idee sehr stark

• Episkopalismus nicht nur gegen Rom, auch gegen Faktoren, die die bischöfliche Jurisdiktion einengten wie Exemtionen