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Deutsche Leberhilfe e. V. Hepatitis B Risiken, Vorbeugung und Behandlung Prof. Dr. med. Stefan Zeuzem HBV

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Hepatitis BRisiken, Vorbeugung und Behandlung

Prof. Dr. med. Stefan Zeuzem

HBV

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Liebe Patientin, lieber Patient,

diese Broschüre soll Ihnen helfen, mehr über IhreErkrankung zu erfahren und besser mit ihr umzugehen. Siesoll Sie dazu ermutigen, einen normalen Umgang mit IhrenMit menschen aufrechtzuerhalten und keine unbe grün de teAngst vor der Übertragung zu haben. Wir möchten Siemithilfe der Broschüre auch über die gesundheitlichen Fol -gen der chronischen Hepatitis B und die Mög lichkeiten derThera pie informieren. Wir hoffen, Ihnen auf diesem Wegeweiterhelfen zu können. Bei weiteren Fragen sollten Siesich vertrauensvoll an Ihren behandelnden Arzt wenden.Prof. Dr. Stefan ZeuzemFrankfurt a. M., April 2018

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Direktor der Medizinischen Klinik IKlinikum der Johann-Wolfgang-Goethe-UniversitätTheodor-Stern-Kai 760590 Frankfurt a. M.Hepatitis-Sprechstunde Tel.-Nr.: 0 69/63 01 54 41www.kgu-med1.de

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InhaltVorwort des Autors S. 2Inhalt S. 3Einleitung S. 4Die Leber S. 5Virushepatitis B S. 6Symptome der Hepatitis B S. 10Krankheitsmechanismus S. 10Ansteckung S. 11Folgeschäden der Hepatitis B S. 13Hepatitis D S. 15Blutuntersuchungen S. 16Leberbiopsie (Leberpunktion) S. 17Therapie der chronischen Hepatitis B S. 18• Therapie mit Virostatika S. 18• Therapie mit (pegyliertem) Interferon alfa S. 23

Gibt es alternative Therapiemöglichkeiten? S. 26Impfung gegen Hepatitis B S. 28Postexpositionsprophylaxe S. 29Ernährung bei Hepatitis B S. 30Nachwort der Deutschen Leberhilfe e. V. S. 31

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Stand: April 2018

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EinleitungAllein in Deutschland leiden schätzungsweise zwei Millio -nen Menschen an einer chronischen Leber erkrankung. DieLe berzirrhose (narbige Leberveränderung) zählt beiErwach senen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren zu denvier häufigsten Todesursachen.Neben Alkohol sind als Krankheitsursachen für chronischeLebererkrankungen vor allem die virusbedingte Hepatitis Bund C zu nennen. Unter einer Hepatitis versteht man eineEntzündung der Leber.

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In Deutschland sind 30 bis 40 % der Virushepatitiden durchdas Hepatitis-B-Virus verursacht. Etwa 0,5 % der deut-schen Bevölkerung sind Träger des Hepatitis-B-Virus, dasheißt, sie sind infektiös. Pro Jahr treten in Deutschlandmehrere Tausend Hepatitis-B-Neuinfektionen auf.Nach WHO-Schätzungen sind weltweit 240 MillionenMenschen mit einer chronischen Hepatitis B infiziert, undca. über 680.000 Menschen sterben jährlich an den Folgendieser Erkrankung.

Hepatitis B: elektronenmikroskopische Aufnahme derVirushülle (HBsAg)

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Die LeberDie Leber ist mit einem Gewicht von etwa 1.500 g dasgrößte innere Organ des menschlichen Körpers. Sie liegt imrechten Oberbauch und ist von einer bindegewebigenKapsel umgeben.Die Leber ist das zentrale Stoffwechselorgan des Körpers.Zu ihren Aufgaben gehört es, Giftstoffe, die über den Darmin den Körper gelangen, abzubauen, bevor sie in den gro-ßen Blutkreislauf gelangen. Nahrungsbestandteile, dieüber den Darm in die Leber gelangen, werden hier weiter-

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Lage der Leber im Oberbauch und ihre Gefäß ver sor gung.Das nährstoffangereicherte Blut des Darms ge langt überdie Pfortader in die Leber.

verarbeitet. Von der Leber werden wichtige Eiweiße herge-stellt, die zum Beispiel für die Blutgerinnung und dieInfekt abwehr nötig sind.Wichtig ist auch die Produktion von Gallenflüssigkeit, dieüber ein spezielles Gangsystem in den Zwölffingerdarmgeleitet wird. Durch die Gallenflüssigkeit werden Abbau -stoffe von roten Blutkörperchen entsorgt und die Fett -

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Virushepatitis BDie Hepatitis-B-Infektion ist die Infektion der Leber mitdem Hepatitis-B-Virus (HBV). Bei den meisten erwachse-nen Patienten (über 95 %) kann die Erkrankung nacheinem akuten Verlauf vom Körper selbst geheilt werden.Nicht selten haben die betroffenen Patienten die Infektionmit dem Virus nicht bemerkt. Bei weniger als 5 % der infi-zierten Patienten ist das körpereigene Abwehrsystemjedoch nicht in der Lage, das Virus erfolgreich zu bekämp-fen. Wenn die Erkrankung länger als sechs Monate andau-ert, spricht man von einer chronischen Hepatitis B.Der klinische Verlauf der chronischen Hepatitis B ist ab -hängig von der Menge der Viren im Körper und der Stärkeder Immunabwehr des betroffenen Patienten (Tab. 1).Bestimmte Virusbausteine im Blut und die vom mensch-lichen Körper gegen diese Virusbestandteile gebildetenAntikörper sowie andere Laborwerte können Hin wei se aufden Aktivitätsgrad der Hepatitis geben (Tab. 2).Bei der chronischen Hepatitis B gibt es Verlaufsformen, beidenen im Körper nur wenige Viren produziert werden (nie-drig-replikative Form der chronischen Hepatitis B) und an -dere, bei denen sehr viele Viren produziert werden (hoch-replikative Form). Beide Verlaufsformen können entwedernur mit einer Infektion der Leber oder mit einer chroni-

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verdauung ermöglicht. Mit der Galle werden auch ver -schie dene Giftstoffe aus dem Körper ausgeschieden.Die Leber selbst besitzt keine Nervenfasern, die denSchmerz weiterleiten können. Schmerzen können aberdurch Spannung in der Bindegewebskapsel entstehen,wenn die Leber auf Grund von Entzündungsvorgängenanschwillt oder vernarbt.

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schen Leberentzündung einhergehen (Tab. 1). Bei der nie-drig-replikativen chronischen Hepatitis B kommt es in derRe gel nicht zu einem raschen Fortschreiten der Erkran -kung. In den meisten Fällen haben die Patienten hier nor-male Leberwerte. Bei diesen Patienten kann das HBs-Anti -gen nachgewiesen werden, das HBe-Antigen ist aber in derRegel nicht im Blut nachweisbar. Bei der hoch replikativenchronischen Hepatitis B liegt die Viruslast (HBV-DNA) beiüber 2.000 IU/ml. Neben dem HBs-Antigen kann das HBe-Antigen nachweisbar sein. Bei vielen Patienten (ca. 50 %)mit einer hoch replikativen Form der chronischen HepatitisB ist allerdings das HBe-Antigen nicht nachweisbar.Welche Verlaufsform der chronischen Hepatitis B bei einembestimmten Patienten vorliegt, kann anhand von Blut testsunterschieden werden. Anhand der im Blut vorlie gendenAntigene und Antikörper, der Menge der Viren im Blut(HBV-DNA, Viruslast), der Transaminasen und der feinge-weblichen Untersuchung des Lebergewebes wird sich IhrArzt ein Bild von der Aktivität der Hepatitis machen (Tab. 2).

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Modell des Hepatitis-B-Virus

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HBeAg positiv

HBeAg negativ

chronische Infektionchronische H

epatitischronische Infektion

chronische Hepatitis

HBsAg

hochm

ittel/hochniedrig

mittel

HBeAg

positivpositiv

negativnegativ

HBV-DN

A>10

7IU/m

l10

4-107IU

/ml

<2.000 IU

/ml

>2.000 IU

/ml

GPT/G

OT

normal

erhöhtnorm

alerhöht

Ausmaß der

Lebererkrankungnicht vorhandenbis (sehr) gering

mittel/schw

ernicht vorhanden

mittel/schw

er

frühere Bezeichnungim

muntolerant

imm

unreaktivinaktiver Träger

HBeAg-negative

chronische Hepatitis

Tab. 1: natürliche Verlaufsformen der chronischen H

BV-Infektion (Übergänge von einer zu einer anderen Verlaufsform

möglich)

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HBs-Antigen

Virusbaustein, der in der Virus -hülle liegt, Zeichen einer aku-ten oder chronischen He pa titis B

HBe-Antigen

Virusbaustein, der im Blutnachge wie sen werden kann;in di rekter Nachweis der Virus -ver meh rung (Replikation)

HBc-AntigenBestandteil der Viruskapsel,kann in der Leber, nicht aberim Blut nach gewiesen werden

Antikörper anti-HBs, anti-HBe, anti-HBc

werden vom körpereigenenIm mun system gebildet, um dasVirus aus dem Körper zu entfernen

HBV-DNA Erb substanz des Hepatitis-B-Virus (Desoxyribonukleinsäure)

TransaminasenLeberwerte (GPT, GOT), die eineerhöhte Entzündungs aktivitätin der Leber anzeigen

Histologiemikroskopische Untersuchungvon Gewe be (z. B. von derLeber)

Tab. 2: Wichtige Untersuchungen bei der Hepatitis B.Antigene (Ag) sind Substanzen, die vom Körper als fremderkannt werden (z. B. Virusbestandteile) und die zurProduktion von Abwehrstoffen (Antikörpern, Ak) führen.

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Symptome der Hepatitis BZwischen sechs Wochen und vier Monaten nach der In fek -tion mit dem Hepatitis-B-Virus (Inkubationszeit) verspüreneinige Patienten grippeähnliche Symptome, Ge lenk -schmer zen und Abgeschlagenheit. Nur ein Teil der Pa tien -ten entwickelt die „typischen“ Symptome einer schwerenLebererkrankung wie etwa eine Gelbsucht (Ikterus) mitentfärbtem Stuhl und braunem Urin sowie Oberbauch -beschwerden. Etwa zwei Drittel der Patienten verspüren beieiner akuten Hepatitis B wenige oder keine Symptome.Die Krankheitssymptome der chronischen Hepatitis B sindzumeist noch weniger deutlich ausgeprägt. ManchePatienten verspüren eine verstärkte Müdigkeit oder rechts-seitige Oberbauchbeschwerden, viele Patienten bemerkendie Erkrankung nicht.

KrankheitsmechanismusBei einer chronischen Infektion werden durch die Hepa ti -tis viren ständig neue Leberzellen infiziert. Die infiziertenLeberzellen gehen unter und werden durch neue Leber -zellen ersetzt. Als Zeichen einer Entzündung können weißeBlutkörperchen in das Lebergewebe einwandern. Sie sor-gen dafür, dass infizierte und abgestorbene Leberzellenvernichtet und abgeräumt werden. Das Virus selbst vermö-gen sie dabei in der Regel nicht zu beseitigen. Die abge-storbenen Leberzellen können später durch Bindegewebe(= Narbengewebe) ersetzt werden. Ist die Leber bindege-webig verändert, spricht man im Frühstadium von einerLeberfibrose, später von einer Leberzirrhose. Bindegewebekann zumindest teilweise – bei erfolgreicher Behandlungder chronischen Hepatitis B – wieder abgebaut werden.

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AnsteckungDie Übertragung des Hepatitis-B-Virus erfolgt zumeistüber infiziertes Blut, sexuell oder während der Geburt. Da -bei ist das Hepatitis-B-Virus sehr viel ansteckender als z. B.das Aids-Virus (HIV) oder das Hepatitis-C-Virus. Das He pa -ti tis-B-Virus wird nur von Mensch zu Mensch übertragen.

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Sexuelle ÜbertragungDie sexuelle Übertragung des Hepatitis-B-Virus ist, andersals beim Hepatitis-C-Virus, häufig. Patienten, bei denenViren im Blut nachgewiesen werden können, sollten zumSchutz des Partners Kondome verwenden. Eine Übertra-gung kann möglicherweise aber auch durch Speichel undandere Körperflüssigkeiten erfolgen. Daher ist eine Imp -fung des Sexualpartners wichtig.

Übertragung durch BlutDie Übertragung des Hepatitis-B-Virus kann durch Blutoder Blutprodukte erfolgen. Die modernen Tests, die heutezur Kontrolle von Blut eingesetzt werden, sind sehr emp-

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findlich, daher ist das Risiko inzwischen sehr geringgewor den. Daneben kann das Virus aber auch über verun-reinigte Spritzen oder Nadeln übertragen werden. Risiko -faktoren für die Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus sinddaher der Gebrauch von Drogen, Tätowierungen oder Kör -per piercing. Auch eine Übertragung des Hepatitis-B-Virusüber offene Wunden, Rasierklingen oder Zahnbürsten istmöglich.

Ansteckung von NeugeborenenDie Gefahr einer Infektion des Neugeborenen durch einemit dem Hepatitis-B-Virus infizierte Mutter ist währendoder kurz nach der Geburt am größten. Das Risiko derVirusübertragung liegt bei der Entbindung zwischen 10 %(niedrig-replikative chronische Hepatitis B) und fast 100 %(hoch replikative chronische Hepatitis B). Es wird daherallen schwangeren Frauen mit einer hohen Viruslast (HBV-DNA > 200.000 IU/ml) ab Schwangerschaftswoche 24–28eine Therapie von Tenofovir (s. u.) empfohlen. Auch mussjedes Neugeborene einer mit dem Hepatitis-B-Virus infi-zierten Mutter direkt nach der Geburt immer eine aktiveund passive Immunprophylaxe erhalten (gleichzeitigeImpfung und Immunglobulingabe).Eine HBV-Übertragung durch Stillen gilt als unwahr-scheinlich, Müttern wird nicht grundsätzlich vom Stillenabgeraten. Die Risiken des Stillens bei gleichzeitigerEinnahme von antiviralen Medikamenten sollten indivi-duell mit den betroffenen Patientinnen besprochen wer-den.

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Folgeschäden der Hepatitis BPatienten, die an einer chronischen Hepatitis B erkranktsind, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, in den folgendenJahrzehnten eine Leberzirrhose zu entwickeln. Das Risikofür die Entstehung einer Leberzirrhose ist unter anderemvon der Krankheitsaktivität und der Krankheitsdauer ab -hängig. Faktoren, die die Entwicklung einer Leber zirrhoseweiter beschleunigen können, sind zusätzliche chronischeLebererkrankungen, z. B. mit anderen Hepatitis-Viren (z. B.eine zusätzliche Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus) oderSubstanzen, die die Leber schädigen. Hierzu zählt in ersterLinie der Alkohol.

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Von einer Leberzirrhose spricht man, wenn ein großer Teildes Lebergewebes durch Bindegewebe ersetzt wurde. Dienormale Struktur des Lebergewebes wird dadurch zerstört.Hierdurch verändert sich die Durchblutung, was zu einemBluthochdruck in der Pfortader (Vene zwischen Darm undLeber) führen kann. Durch einen Rückstau des Blutes kannes zur Ausbildung von erweiterten Venen (Varizen) in derSpeiseröhre und im Magen kommen. Wenn diese Gefäßeplatzen, kann es zu schweren Magen-Darm-Blutungenkommen. Verstärkt wird die Gefahr der Blutungen dadurch,dass die Gerinnungsfähigkeit des Blutes wegen der ver-minderten Eiweißsynthese in der Leber und einer Ver min -derung der Anzahl der Blutplättchen (Thrombo zyten) ein-geschränkt ist.

gesunde Leber Leberzirrhose

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Unter anderem wegen des Bluthochdrucks vor der Leberkann es auch zur Einlagerung von Körperflüssigkeit in dieBauchhöhle (Aszites) kommen.Die Giftstoffe, die aus dem Magen-Darm-Trakt in das Blutgelangen, können bei Vorliegen einer Leberzirrhose teil-weise nicht mehr von der Leber abgebaut werden, sodasssie in den Körperkreislauf gelangen. Hier können sie zu einerverstärkten Müdigkeit und Konzentrationsschwäche (hepa -tische Enzephalopathie, Encephalon = Gehirn) führen.Wegen der verminderten Eiweißproduktion der zirrhotischumgebauten Leber kommt es neben Störungen der Blut -gerinnung auch zu einer Mangelproduktion von Stoffen,die für die Körperabwehr benötigt werden. Folge ist eineerhöhte Infektanfälligkeit.Durch den Rückstau von Galle kommt es bei einer schwe-ren Lebererkrankung häufig zu einer Gelbverfärbung derAugen und der Haut (Ikterus). Damit ist oft auch ein Juck -reiz verbunden. Gleichzeitig kann es zu einer Dunkel -färbung des Urins kommen.Nach einem langen Verlauf nimmt bei Patienten mit einerchronischen Hepatitis B auch die Gefahr der Entwicklungvon Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom) zu. Ein beson -ders hohes Risiko haben Patienten mit einer hohen Virus -last (HBV-DNA). Bei den meisten Patienten entwickelt sichdas hepatozelluläre Karzinom auf dem Boden einer Leber -zirrhose, allerdings sind bei Patienten mit einer chroni-schen Hepatitis B auch Leberzellkarzinome beschriebenworden, ohne dass zuvor eine Leberzirrhose vorlag. Auchfür Patienten mit einer niedrig-replikativen Form der chro-nischen Hepatitis B (HBs-Antigen-Träger) ist das Risiko derEntwicklung eines Leberzellkarzinoms erhöht. Daher sindauch bei diesen Patienten regelmäßige Ultraschall- undBlutkontrollen notwendig. In einigen Fällen nimmt diechronische Hepatitis B einen so schweren Verlauf, dass eineLebertransplantation nötig werden kann.

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Hepatitis DDie Hepatitis D ist eine weitere Viruserkrankung der Leber.Auslösend ist das Hepatitis-D-Virus (HDV). Von einer Hepa -ti tis D sind ausschließlich Patienten bedroht, die gleichzeitigeine Hepatitis B haben. Das liegt daran, dass das Hepa titis-D-Virus für seine Vermehrung bestimmte Eiweißstoffe desHepatitis-B-Virus (die Virushülle, also das HBsAg) be nö tigt.Ohne diese Strukturen kann sich das Virus nicht vermehren.Mit dem Hepatitis-D-Virus kann man sich zusammen mitdem Hepatitis-B-Virus infizieren (Koinfektion). Möglich ist

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auch die Ansteckung von Patienten, die bereits an einerchronischen Hepatitis B erkrankt sind (Superinfektion). DieInfektion mit dem Hepatitis-D-Virus kann eine schwerereLeberentzündung verursachen als eine chronische Infek -tion allein mit dem Hepatitis-B-Virus.Die Diagnose einer HBV/HDV-Infektion wird mittels Anti -kör pern (Anti-HDV-Antikörper) gestellt, die Viruslast (HDV-RNA) kann mittels molekularer Methoden bestimmt werden.Das Hepatitis-D-Virus kommt vor allem in südlichen Län -dern vor (Mittelmeerländer, Südamerika, Afrika). Falls Sie

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an einer chronischen Hepatitis B erkrankt sind, sollten Siesich bei Ihrem Arzt informieren, wie Sie sich vor demHepatitis-D-Virus schützen können. Die Übertragungswegesind ähnlich wie bei der Hepatitis B. Prinzipiell sollten Siees als Hepatitis-B-Patient möglichst vermeiden, in Gebietemit ei nem hohen Aufkommen von Hepatitis-D-Virus-Infektio nen zu fahren.Die Behandlungsmöglichkeiten der chronischen Hepatitis Bund D sind eingeschränkt. Als einziges wirksames Medi ka -ment ist ein langwirksames Interferon zugelassen (Pegy -lier tes Interferon alfa-2a, s. u.). Weitere Medikamente, wiez. B. eine Hemmsubstanz der Virusaufnahme (Myrcludex-B),befinden sich in der klinischen Entwicklung.

BlutuntersuchungenGrundlage der Diagnostik der Hepatitis B ist die Unter su -chung von verschiedenen Antigenen und Antikörpern(siehe Tab. S. 9). Am wichtigsten ist der Nachweis der anti-HBc-Antikörper und des HBs-Antigens. Bei Verdacht auf eineakute Hepatitis-B-Virusinfektion sollten die Tests un mit tel - bar erfolgen, ggf. können die Untersuchungen zur Sicher -heit nach 12–24 Wochen noch einmal wiederholt werden. Ist das HBs-Ag positiv, sollten weitere Untersuchungen fol-gen, die Aufschluss über die Aktivität der Hepatitis geben.Das sind einerseits das HBe-Ag und anti-HBe und anderer-seits die direkte Bestimmung der Menge von Virus-DNA imBlut (Viruslast, HBV-DNA). Auch sollten bei einer Erst diag -nose virale Koinfektionen (HIV, HCV und HDV) serologischausgeschlossen werden. Die Leberwerte (GPT, GOT) geben mit Einschränkungen Aus -kunft über die entzündliche Aktivität der Hepatitis. DieAkti vität der Erkrankung und die bindegewebige Reaktionin der Leber kann sicher nur durch eine Lebergewebsprobe

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beurteilt werden. Nicht invasive Verfahren wie z. B. dieElas to grafie ermöglichen eine indirekte Abschätzung desFibrosestadiums.Da bei Patienten mit einer chronischen Hepatitis B dasRisiko der Entwicklung von Leberkrebs erhöht ist, sollte inhalbjährlichen Abständen das Alpha-Fetoprotein (AFP) alsTumormarker von Leberzellkarzinomen bestimmt und dieLeber mit Ultraschall untersucht werden.

Leberbiopsie (Leberpunktion)Um den Anteil der Bindegewebsfasern und die Entzün -dungs aktivität in der Leber abschätzen zu können, sollteman z. B. vor einer Therapie eine Leberpunktion durchfüh-ren lassen. Bei einer Leberpunktion wird unter örtlicherBetäubung ein kleines Gewebsstück entnommen und unterdem Mikroskop feingeweblich (histologisch) untersucht.Um den Therapieerfolg beurteilen zu können, kann eineweitere Leberbiopsie nach Abschluss der Behandlung sinn-voll sein. Nicht invasive Verfahren (Laborparameter, Elas to - graphie) können das Vorhandensein einer Leber zirrhoseauch ohne Leberbiopsie ausreichend sicher voraussagen.

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Therapie der chronischenHepatitis BTherapie mit Virostatika

In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Substanzengetestet, die die Virusvermehrung direkt hemmen können(Virostatika). Die Behandlung der chronischen Hepatitis Bführt in der Regel nicht zur vollständigen Beseitigung desVirus aus dem Körper. Bei einem Teil der Patienten kanneine hoch replikative Verlaufsform (hohe Virusmenge)dauer haft in eine niedrig-replikative Form (niedrige Virus -menge) überführt werden. Ein Großteil der Patienten be -nö tigt aber eine langjährige, z. T. dauerhafte Behand lung,um ein Voranschreiten der Erkrankung zu verhindern. Des -

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halb ist es besonders wichtig, nach Diagnosestellung dieTherapienotwendigkeit und die Therapieziele sorgfältig zu -sammen mit dem Arzt abzusprechen. In der Regel be stehtimmer eine Behandlungsnotwendigkeit bei starker Leber -ent zündung und hohen Leberwerten, deutlichen Binde -gewebs reaktionen in der Leber und bei einer hohen HBV-DNA-Konzentration (Viruslast) im Blut.Mit Lamivudin, Telbivudin, Entecavir, Adefovir bzw. Teno -fo vir kann die Virusvermehrung und die Aktivität der chro-nischen Hepatitis B gehemmt werden. Diese Substanzenwerden als Nukleosid- bzw. Nukleotidanaloga zusammen-gefasst.

Wann wird eine Therapie mit Nukleos(t)id -analoga durchgeführt?

Grundsätzlich können alle Patienten mit chronischer He pa titis B mit Nukleosid- bzw. Nukleotidanaloga inTablet ten form behandelt werden. Auf diese Medikamentesprechen auch Patienten an, bei denen mit einer Inter -feron-Therapie keine ausreichenden dauerhaften Erfolgs -chancen bestehen. Auch können Patienten, bei de nen eineTherapie mit Interferon alfa nicht zum Erfolg geführt hat,und Patienten, die wegen einer anderen bestehendenGrund krankheit (z. B. Immundefekt, nach Transplantation,HIV-Infektion u. a.) kein Interferon alfa erhalten können,mit Nukleos(t)idanaloga behandelt werden. Von den Fach -gesellschaften werden nur noch die Medikamente Ente -cavir und Tenofovir TDF bzw. Tenofovir TAF empfohlen. FürEntecavir und Tenofovir TDF ist der Patentschutz abgelau-fen, neben den Originalpräparaten werden daher von meh-reren Firmen auch Generika (Nachahmerpräparate) ange-boten. Original- und generische Medikamente sind gleichwirksam.

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Für Tenofovir stehen zwei Präparationen zur Verfügung:Tenofovir disoproxilfumarat (TDF) und Tenofovir alafena-mid (TAF). Die Wirksubstanz Tenofovir ist gleich, Unter -schiede gibt es nur bei der Trägersubstanz, die für dieBereit stellung der Wirksubstanz in den Leberzellen verant-wortlich ist. Die Trägersubstanz bei TAF ist effektiver, daherist die Tenofovir-Tagesdosis mit 25 mg niedriger als bei TDF(245 mg). Dies verringert die Nebenwirkungen des Teno -fovir am Knochen und an der Niere, welches für mancheRisiko patienten von klinischer Bedeutung ist.Die Behandlung mit Nukleosid- bzw. Nukleotidanaloga istbei allen Patienten sehr wirksam und führt zu einer star-ken Hemmung der Virusvermehrung (gemessen an derVirus last im Blut: HBV-DNA). Die Therapie mit Nukleosid- oder Nukleotidanaloga ist fürviele Patienten eine Dauertherapie. Werden die Medi ka -mente zu früh abgesetzt, ist dies mit erheblichen Risikenver bunden. Es kann zu Resistenzen kommen, die Viruslastkann wieder ansteigen und zu schweren Entzündungs -schüben bis hin zum Leberversagen führen.

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Ein Absetzen der Tabletten ist unter bestimmtenUmständen möglich.Die Therapie wird bei HBeAg-positiven Patienten zumin-dest so lange durchgeführt, bis das HBeAg aus dem Blutverschwindet, wünschenswerterweise mit der Entwicklungvon anti-HBe-Antikörpern (sogenannte Serokonversion).Dies ist keine Heilung, aber die Infektion wird in diesemFall durch das Immunsystem kontrolliert. Hier wird die Be -handlung in der Regel noch ein weiteres Jahr fortgeführt;wenn der Zustand der Serokonversion (HBeAg negativ,anti-HBe positiv) weiterhin erhalten bleibt, kann mit dembehandelnden Arzt über einen Auslassversuch gesprochenwerden.Das endgültige Therapieziel ist bei allen Patienten mitchro nischer Hepatitis B, dass auch das HBsAg aus dem Blutverschwindet. Dies ist ein heilungsähnlicher Zustand, dermit heutigen Medikamenten aber nur sehr selten erreichtwird. In solchen seltenen Fällen ist es ebenfalls möglich, dieTherapie zu beenden.In ausgewählten Fällen kann ein Auslassversuch auch beianderen Hepatitis-B-Patienten erfolgen, die keine Sero -konversion erreicht haben. Voraussetzung ist u. a., dassdiese Patienten mindestens drei bis fünf Jahre therapiertwurden und noch keine Zirrhose haben. Auch in solchenFällen dürfen Auslassversuche nur unter sorgfältiger Über-wachung des behandelnden Arztes erfolgen.

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Nebenwirkungen von Nukleos(t)id-analoga

Im Gegensatz zu einer Interferon-Therapie treten Neben -wirkungen bei einer Therapie mit Nukleosid- bzw.Nukleotid analoga allgemein sehr selten auf. Beschriebensind Kopfschmerzen, Fieber, Hautausschlag, ein allgemei-nes Krankheitsgefühl, Magen-Darm-Beschwerden, Schlaf -losigkeit, Husten und in sehr seltenen Fällen Bauch -speichel drüsenentzündungen. Bei der Behandlung mitTeno fovir (TDF) sollte die Nierenfunktion regelmäßig undggf. auch die Knochendichte überwacht werden.Bei den älteren, nicht mehr von den Fachgesellschaftenempfohlenen Medikamenten Lamivudin, Telbivudin undAdefovir kommt es im Vergleich zu Entecavir undTenofovir häufiger und schneller zu einer Entwicklung vonResis tenzen. Die Rate der Resistenzentwicklung liegt beiLami vudin bei 38 %, bei Telbivudin bei 17 % und beiAdefovir bei 3 % nach zwei Jahren. Nach fünf JahrenBehandlung liegen die Resistenzen bei 70 % (Lamivudin)und 29 % (Adefovir). Die Resistenzraten bei der Therapiemit Ente cavir sind bei Patienten, die bereits eine Resistenzauf Lamivudin entwickelt haben, auch deutlich erhöht.Daher wird allgemein der Einsatz von Entecavir bei beste-hender Lamivudin-Resistenz nicht empfohlen. Tenofovir-resistente Viren sind bislang im Klinikalltag noch nichtbeobachtet worden.

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Therapie mit (pegyliertem)Interferon alfaInterferon alpha ist ein körpereigener Eiweißstoff, derunter anderem von den weißen Blutkörperchen produziertwird. Das geschieht insbesondere dann, wenn der Körpersich gegen Infektionserreger wehren muss. Das zur The ra -pie der chronischen Hepatitis eingesetzte Interferon alfa

ist biotechnologisch hergestellt. Interferon alfa muss, wiezum Beispiel auch das Insulin in der Behandlung zucker-kranker Patienten, in das Unterhautfettgewebe gespritztwerden. Pegylierte Interferone haben eine längere Wirk -dauer und müssen nur einmal pro Woche gespritzt werden.

Wie wird eine Therapie durchgeführt?

In Deutschland ist das Peg-Interferon alfa-2a für die Be -hand lung der chronischen Hepatitis B zugelassen. EineInterferon-basierte Therapie sollte 48 Wochen dauern,kann aber bei ungenügendem Abfall des HBsAg und/oderder HBV-DNA bereits nach zwölf Wochen abgebrochenwerden. Die Ansprechrate bei chronischer Hepatitis B liegt

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bei ca. 30–35 % der Patienten. Diese Zahlen gelten fürPatienten, bei denen das HBe-Antigen nachgewiesen wer-den konnte. Bei anderen Patienten, z. B. bei Patienten, diemit einer Variante des Hepatitis-B-Virus infiziert sind(sogenannte HBeAg-Minusmutante), liegt die dauerhafteAnsprechrate auf eine Interferon-basierte Therapie bei15–20 %. Ziel der Therapie ist, die Virusvermehrung zuhemmen, das heißt, eine hoch replikative chronische He pa -titis B in eine niedrig replikative chronische Hepatitis Bumzuwandeln. Im Idealfall (selten) kann nach einer Thera -pie mit (pegyliertem) Interferon auch das HBs-Antigennicht mehr nachgewiesen werden, was einer Heilunggleichkommt.

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Nebenwirkungen von pegyliertem Interferon alfa

Die Nebenwirkungen von Interferon alfa sind zu Beginneiner Therapie häufig und lassen im Laufe der Behandlungin der Regel deutlich nach. Die häufigsten Neben wir kun -gen sind grippeähnliche Symptome wie Fieber, Kopf-,Gelenk- und Muskelschmerzen, Müdigkeit, Appetit losig -

keit und Gewichtsverlust. Gelegentlich kommt es auch zuStö rungen der Schilddrüsenfunktion. Einige Patienten lei-den während der Therapie an einem vorübergehendenHaar ausfall. Auch Stimmungsveränderungen bis hin zu De - pres sio nen können auftreten. Wichtig sind außerdem Blut -bildveränderungen, die vor allem die weißen Blut körper -chen betreffen. Untersuchungen zur Kombinationstherapie pegylierterInterferone plus Nukleos(t)idanaloga (z. B. Tenofovir) zei-gen wenig bessere Erfolgsraten als die Therapie mit pegy-liertem Interferon oder Nukleos(t)idanaloga allein undwerden daher im Allgemeinen nicht empfohlen.

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Gibt es alternative Therapie -möglichkeiten?Einige Patienten mit chronischen Lebererkrankungen neh-men zusätzlich alternative oder pflanzliche Mittel ein.Einzelfallberichten zufolge können sich das Befinden undselten auch Laborwerte verbessern. Es fehlen jedoch kon-trollierte Studien, in denen die Wirksamkeit solcher Präpa -ra te bei Menschen untersucht wurde. Daher beruhendiesbe zügliche Informationen in der Regel auf Erfahrungs -be richten, sodass hier keine Empfehlung ausgesprochenwerden kann.

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Alternative Substanzen, die zur Behandlung von Leber - erkrankungen eingesetzt werden, sind zum BeispielMarien distel extrakte (Silymarin), Artischockenpräparateund Gly cyr rhizin, das vor allem in Südostasien zum Einsatzkommt. Silymarin ist vor allem in Deutschland und westlichenIndus triestaaten weit verbreitet. In Labor- und Tier ver -suchen zeigte es eine leberschützende Wirkung; Unter su -chungen am Menschen führten zu widersprüchlichen undmeist enttäuschenden Ergebnissen.

Auch pflanzliche und andere alternative Präparate könnenNebenwirkungen haben, die Leber schädigen oder Wech -sel wirkungen mit anderen Medikamenten entwi ckeln. Be -sondere Vorsicht gilt bei der Einnahme von Johan niskraut-Präparaten, die häufig schwere Medi kamenten wechsel -wirkungen verursachen. Patienten sollten ihre behandeln-den Haus- und Fachärzte über zusätzlich eingenommenePräparate stets informieren, damit diese zur Verträglichkeitund eventuellen Risiken Stellung nehmen können.

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(medizi nische und zahnmedizinische Berufe, Polizisten,Erst hel fer), Dialysepatienten, alle Patienten mit anderenchro ni schen Lebererkrankungen (z. B. mit chronischer He -patitis C), Menschen mit engem Kontakt zu HBV-infizier -ten Patienten und Neugeborene infizierter Mütter.Für einen ausreichenden Schutz sind drei Impfungen nötig.Danach sind über 90 % der geimpften Personen sicher voreiner Infektion geschützt.

Impfung gegen Hepatitis BEine Impfung gegen die Hepatitis B ist möglich. Sie gehörtseit einigen Jahren zu den von der StändigenImpfkommission (STIKO) empfohlenen Schutzimpfungenbei Säuglingen, Kleinkindern sowie Jugendlichen zwischendem 11. und dem 15. Lebensjahr. Die Kosten werden in die-sen Altersgruppen von den Krankenkassen übernommen.Weitere Personengruppen, bei denen eine Hepatitis-B-Impfung durchgeführt werden sollte, sind Menschen miteinem besonderen Ansteckungsrisiko in ihrem Beruf

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Post-Expositionsprophylaxe24 bis 48 Stunden nach einem Risikokontakt kann einePost-Expositionsprophylaxe helfen, eine Infektion zu ver-hindern. Dabei werden neben dem normalen (aktiven)Impf stoff zusätzlich Immunglobuline verabreicht, um einerasche Immunreaktion hervorzurufen (gleichzeitige aktiveund passive Immunprophylaxe). Sie empfiehlt sich bei Neu -geborenen infizierter Mütter sowie bei Nicht-HBV-geimpf -ten Personen, die eine Nadelstichverletzung erleiden (z. B.Polizisten oder medizinisches Personal) bzw. einen unge-schützten Sexualkontakt mit einem HBV-Infizierten hatten.

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Ernährung bei Hepatitis BSolange die Leberfunktion nicht eingeschränkt ist, mussbei der chronischen Hepatitis B keine spezielle Diät einge-halten werden. Eine allgemein gesunde, vollwertige undbal laststoffreiche Ernährung wird empfohlen. Wichtig ist,dass Sie auf Alkohol verzichten. Kaffee hingegen wirdemp fohlen, da er eine leberschützende Wirkung aufweist.

Bei fortgeschrittener Zirrhose und eingeschränkter Leber -funktion können bestimmte Diätvorschriften gelten, wiez. B. tierisches Eiweiß durch pflanzliches Eiweiß zu ersetzen(weniger Fleisch-, Milchprodukte) und die Salz- und Flüs -sig keitszufuhr einzuschränken. Um dabei Mangel zuständezu vermeiden, sollten Sie dies individuell mit Ihrem Arztund ggf. gemeinsam mit einem Ernährungs spezialistenbesprechen.

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NachwortWir hoffen, dass wir Ihnen mit dieser Broschüre einenÜberblick über die Risiken, die Vorbeugung, die ge -sundheitlichen Folgen und die Behand lungs mög lich kei tender Hepatitis B verschaffen konnten.Wenn Sie nach dem Lesen der Broschüre Fragen haben,können Sie sich gerne an uns wenden. Die DeutscheLeberhilfe e. V. ist An sprechpartner und Ratgeber fürBetroffene und bietet auch Nichtmitgliedern eine kosten-lose Erstberatung an.

Tel.: 02 21/28 29 980Montag bis Donnerstag: 9–12 Uhr, 14–16 UhrFreitag: 9–12 Uhr

Noch ein Wort in eigener Sache: Die Deutsche Leberhilfee. V. ist ein gemeinnütziger Verein und finanziert sich überSpen den und Mitglieds beiträge. Mit Spenden oder IhrerMit glied schaft helfen Sie mit, dass wir unsere Beratungauch wei terhin anbieten können. Unsere Mitglieder erhal-ten viermal jährlich unsere Zeitschrift „Lebens zei chen“, dieüber den Stand der Therapie und Forschung bei Leber er -kran kungen berichtet. Falls Sie an einer Mit glied schaftinteressiert sind, können Sie bei uns gerne ein kos tenlosesAn sichts exemplar der „Lebens zei chen“ anfordern.

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